Akute Herzinsuffizienz und kardiogener Schock

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Schwerpunkt: Kardiovaskuläre Intensivmedizin
Internist 2005 · 46:285–297
DOI 10.1007/s00108-005-1359-z
Online publiziert: 9. Februar 2005
© Springer Medizin Verlag 2005
Schwerpunktherausgeber
B. E. Strauer, Düsseldorf
K. Werdan, Halle/Saale
S. Störk1 · C. E. Angermann1 · G. Ertl2
1 Medizinische Poliklinik, Universität Würzburg
2 Medizinische Klinik, Universität Würzburg
Akute Herzinsuffizienz
und kardiogener Schock
Pathophysiologie, Klinik und aktuelle
Managementstrategien
Definition
Ein kardiogener Schock liegt vor, wenn
eine protrahierte schwere Gewebeminderperfusion infolge einer kardialen Dysfunktion eingetreten ist. Es handelt sich
um ein klinisches Syndrom, das durch
persistierende systemische arterielle Hypotonie und kühle blasse Haut, psychische Alteration und Oligurie (<30 ml/h)
als Folgen der Hypoperfusion charakterisiert ist. Die exakte Sicherung der Diagnose erfordert den hämodynamischen Nachweis einer schweren systemischen Hypotension (systolischer arterieller Blutdruck
<90 mmHg oder mittlerer Blutdruck
>30 mmHg unter dem Ausgangswert), bei
gleichzeitig erhöhtem linksventrikulären
Füllungsdruck (pulmonalarterieller Wedgedruck >5 mmHg) und einen reduzierten Herzindex (<2,2 l/min/m2; []). In der
Praxis wird die Diagnose eines kardiogenen Schocks jedoch häufig allein mit Hilfe klinisch unmittelbar zugänglicher Parameter gestellt.
Epidemiologie
Ein kardiogener Schock entwickelt sich
bei 5–0% aller mit akutem Myokardinfarkt hospitalisierten Patienten und bildet mit 55–90% die bedeutsamste Todesursache in diesem Kollektiv [2]. Wie aus
Autopsiestudien bekannt ist, geht ein Verlust von >40% des linksventrikulären Myokards häufig mit dem klinischen Bild eines kardiogenen Schocks einher [3]. Bei
Patienten mit instabiler Angina pectoris
ohne Myokardinfarkt kommt es dagegen
nur selten zum kardiogenen Schock (,4%
im GUSTO-IIb-Trial; [4]). Retrospektive
Studien haben eine Reihe von Prädiktoren für die mit kardiogenem Schock assoziierte Mortalität beschrieben. Demnach
ereignet sich ein kardiogener Schock nach
Myokardinfarkt häufiger beim alten Menschen, bei Frauen (insbesondere als Folge mechanischer Ursachen), bei Diabetes
mellitus, bei peripherer und zerebraler Gefäßerkrankung sowie bei Myokardinfarkt
oder Bypassoperation in der Anamnese [5,
6]. Unter den wesentlichen klinischen Prädiktoren finden sich deutlich erhöhte Werte von Herzfrequenz, Herzenzymen und
Laktat [7].
Die am besten validierten Daten stammen aus dem multinationalen SHOCK-Register, das von 993–997 an 36 Zentren 90
Patienten mit kardiogenem Schock nach
Myokardinfarkt prospektiv rekrutierte [8].
. Tabelle 1 gibt ihre klinischen Charakteristika wieder. Bei etwa 75% der Patienten
lag ein transmuraler Infarkt und/oder ein
neu aufgetretener Linksschenkelblock vor,
bei einem Viertel der Patienten jedoch nur
eine subendokardiale Ischämie oder ein
vorbekannter Linksschenkelblock. Der klinische Verlauf von Patienten mit oder ohne ST-Streckenhebung variierte erheblich:
beim Nicht-ST-Hebungsinfarkt war die
Zeit vom Infarktbeginn bis zum Schock
deutlich länger (72 vs. 0 h; [4, 9]). Hinsichtlich der Frühmortalität zeigten Patienten
mit Nicht-ST-Hebungsinfarkt eine bessere
Prognose, die Mortalität nach  und 2 Jahren war jedoch ähnlich hoch [9].
Wie . Tabelle 2 zeigt, unterscheidet
man myopathische und mechanische
Ursachen des kardiogenen Schocks. Im
SHOCK-Register war mit 79% ein linksventrikuläres Pumpversagen nach Myokardinfarkt die dominierende Schockursache. Mechanische Ursachen waren akute schwere Mitralinsuffizienz (7%), Ventrikelseptumruptur (4%), Tamponade oder
Ruptur der freien Wand des linken Ventrikels (,5%). Weitere seltene Ursachen waren Myokarditis, myokardiale Kontusion,
septischer Schock mit kardialer Depression, myokardiales Stunning nach Bypassoperation [0]. Hämorrhagie oder Infektion trugen in etwa 5–0% der Fälle zum
Schockgeschehen bei [8].
Nur etwa 0% der Patienten sind bereits zum Zeitpunkt der Klinikaufnahme
im kardiogenen Schock [5]; bei 75% tritt
er innerhalb von 24 h nach Symptombeginn ein, das mediane Zeitfenster von Klinikaufnahme bis Schockbeginn liegt bei
ca. 5 h []. Ein frühzeitiger Schockeintritt
scheint mit inferiorem Myokardinfarkt assoziiert und ein Prädiktor für höhere Mortalität zu sein (70 vs. 59%; [2]). Unklar ist
derzeit noch, ob ein frühzeitiger Schockeintritt sich auch auf die Reperfusionsstrategie auswirken sollte.
Pathophysiologie
Circulus vitiosus des kardiogenen
Schocks
Die pathophysiologischen Ereignisse, die
den kardiogenen Schock steuern und unDer Internist 3 · 2005
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Schwerpunkt: Kardiovaskuläre Intensivmedizin
Tabelle 1
Klinische Charakteristika beim kardiogenen Schock nach Myokardinfarkt
(SHOCK-Register; [8])
Stunden von Myokardinfarkt bis Schock (Median)
6
Thoraxschmerz bei Schockbeginn
56%
Rezidivierende Ischämie vor Schockbeginn
19%
Re-Infarkt vor Schockbeginn
8%
Systolischer Blutdruck (mmHg)
88±23
Diastolischer Blutdruck (mmHg)
53±17
Herzfrequenz
95±26
Herzindex (l/min/m2)
2,1±0,8
Pulmonaler Wedgedruck (mmHg)
24±9
Linksventrikuläre Auswurffraktion
30±13
Beatmungspflichtig
75%
Inotrope Medikation
72%
Intraaortale Ballongegenpulsation
53%
Tabelle 2
Ursachen des kardiogenen Schocks
Myokardial
Mechanisch
Akuter Myokardinfarkt
Akute Mitralinsuffizienz
Myokarditis
Akute Aorteninsuffzienz
Dilatative Kardiomyopathie
Ventrikelseptumruptur
Rechtsventrikuläres Pumpversagen
Ruptur der freien Ventrikelwand
Myokardiale Depression nach Herzkreislaufstillstand oder Bypassoperation
Obstruktion des linksventrikulären Ausflusstrakts
(Aortenstenose, hypertrophe Kardiomyopathie)
Myokardiale Depression beim
septischen Schock
• Obstruktion des linksventrikulären Einflusstrakts
(Mitralstenose, linksatriales Myxom)
• Ventrikelaneurysma
terhalten, können als Abwärtsspirale eines Circulus vitiosus dargestellt werden
(. Abb. 1). Die adäquate Myokardperfusion hängt ab von der Dauer der Diastole
und dem Druckgradienten zwischen dem
koronararteriellen Stromgebiet und dem
linken Ventrikel. Die Diastole ist in der Regel durch die kompensierende Tachykardie unter Ischämiebedingungen deutlich
verkürzt. Der Druckgradient, der den koronaren Blutfluss steuert, wird ungünstig
durch die systemische Hypotonie und
den erhöhten linksventrikulären enddiastolischen Druck beeinflusst. Tachykardie
und erhöhte myokardiale Wandspannung
bedingen einen exzessiv erhöhten myokardialen Sauerstoffverbrauch. Die systemische Minderperfusion bedingt metabolische Verschiebungen wie Laktatazidose, die ihrerseits die kardiale Dysfunk-
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tion verstärken und schließlich zum Tode führen.
Kompensatorische Mechanismen
Die kritische Abnahme des Schlagvolumens triggert verschiedene kompensatorische Mechanismen. Die Aktivierung des
sympathischen Nervensystems sucht bei
vermindertem Schlagvolumen durch Steigerung der Herzfrequenz das Herzminutenvolumen zu erhalten, durch Steigerung
des peripheren Widerstands den systemischen Blutdruck. Erhöhte Katecholaminspiegel und verminderte Nierenperfusion aktivieren wiederum das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System: Aldosteron erhöht das intravaskuläre Volumen, indem
es die renale Natrium- und Wasserreabsorption vermehrt. Barorezeptorenvermit-
telt führt die Ausschüttung von antidiuretischem Hormon zu weiterer Wasserabsorption. Die Aktivierung solcher Regelkreise,
die einen adäquaten venösen Rückfluss
sichern sollen, erhöht Vor- und Nachlast
des Herzens und resultiert letztlich in inadäquater Flüssigkeitsretention, pulmonaler Stauung und Hypoxämie.
Weitere autoregulatorische Prozesse
steuern die Umverteilung des Bluts von
Skelettmuskel, Haut und Gastrointestinaltrakt hin zu Herz, Gehirn und Nieren. Im
protrahierten Schock führen somit alle primär sinnvollen Kompensationsmechanismen schließlich zu einer Steigerung des
myokardialen O2-Verbrauchs und einer
Progression des Schockgeschehens. Ein
wesentliches Ziel der Therapie ist daher
die frühzeitige Durchbrechung dieses Circulus vitiosus [3]. Falls dies nicht gelingt,
kommt es typischerweise zur Schockniere
mit Tubulusnekrosen und konsekutivem
akutem Nierenversagen, zur Leberstauung mit Enzymanstieg und Gerinnungsstörungen (Schockleber), gastrointestinaler Blutung und/oder Durchwanderungsperitonitis infolge gastrointestinaler Ischämie (Schockdarm) sowie zum „Adult Respiratory Distress Syndrom“ (Schocklunge), die den Krankheitsverlauf unabhängig von der Grunderkrankung bestimmen können.
Zelluläre Prinzipien
Kardial und systemisch kommt es bei prolongierter Gewebeminderperfusion und hypoxie zum Zelltod. Ihm voraus gehen
Zellmembranruptur, Freisetzung lysosomaler Enzyme und die Erschöpfung zellulärer Energiespeicher. Entzündungsreaktionen und Toxizität freier Radikale können ebenfalls zum Gewebsuntergang beitragen, insbesondere zur Apoptose („programmierter, genetisch determinierter
Zelltod“) auch infarktferner Myokardbezirke [4, 5]. Anaerober Stoffwechsel setzt
pro Glukosemolekül nur 2 statt 36 ATPMoleküle frei. Energiemangel beeinträchtigt die Funktion von Ionentransportern,
sodass es zu Verschiebungen von Natrium
und Wasser kommt und zum Verlust des
Gradienten von Kalium, Chlorid und Kalzium. Insbesondere die intrazelluläre Kalziumakkumulation beschleunigt die progressive myokardiale Dysfunktion. Ein An-
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Schwerpunkt: Kardiovaskuläre Intensivmedizin
Radikalbildung und gestörter Mikrozirkulation [8]. Das „hibernierende“ Myokard
zeigt eine reduzierte Kontraktilität auf
Grund einer chronischen Ischämie, meist
einer kritischen Koronarstenose. Nach erfolgreicher Revaskularisation bessert sich
die Kontraktilität, vermutlich mit positivem Effekt auf die Prognose [9].
Klinische Diagnose
Abb. 1 8 Circulus vitiosus des kardiogenen Schocks. (Mod. nach [8])
Die Zeit bis zur adäquaten Therapie stellt
den einen wichtigen prognostischen Faktor für das Überleben im kardiogenen
Schock dar. Im klinischen Alltag wird die
Diagnose daher nach kurzer Anamnese
und körperlicher Untersuchung gestellt,
wenn eine myokardiale Dysfunktion vorliegt und andere Ursachen einer Hypotonie ausgeschlossen sind. Zeitgleich mit
der Diagnostik sollten kreislaufstabilisierende Maßnahmen zur Blutdruckunterstützung, Oxygenierung und Gewebeperfusion eingeleitet werden, bis die zugrundeliegende Störung ursächlich beseitigt
werden kann.
E Absolute Blutdruckwerte müssen vor
dem Hintergrund der individuellen
Blutdrucksituation des Patienten
interpretiert werden.
Abb. 2 8 Mögliche Folgen einer Myokardischämie. (Mod. nach [8])
schwellen der Mitochondrien gilt als Zeichen irreversibler Zellschädigung [6].
Reversible Störungen
der Myokardfunktion
Nach akutem Myokardinfarkt können sich
zeitweilig hypoxische und dysfunktionale
Areale nach Wiederherstellung des normalen koronaren Blutflusses erholen. Unter
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„myokardialem Stunning“ versteht man
eine verzögerte Erholung der Kontraktilität in Ruhe und unter inotroper Stimulation im Laufe von Tagen bis mehreren
Wochen (. Abb. 2); im PET weisen diese
Myokardareale eine adäquate Perfusion
auf [7]. Als Ursache wird in erster Linie
eine verminderte Sensitivität der kardialen Myofilamente auf Kalzium vermutet,
evtl. in Zusammenhang mit vermehrter
So kann bei schwerer chronischer Hypertonie ein Absinken des mittleren arteriellen Blutdrucks um 40 mmHg zur Gewebeminderperfusion führen, obwohl der
mittlere Druck noch über 60 mmHg liegt.
An niedrigen Blutdruck adaptierte Patienten hingegen entwickeln einen kardiogenen Schock häufig erst, wenn der mittlere Druck unter 50 mmHg sinkt. Ab einem
mittleren Blutdruck unter 65 mmHg sinkt
der koronare Blutfluss dramatisch und
kommt bei 30 mmHg zum Stillstand.
Mit wenigen Ausnahmen (bradykarde
Herzrhythmusstörung oder Medikation)
findet sich im kardiogenen Schock eine
Tachykardie, ein zyanotisches Hautkolorit
mit kühlen, klammen Extremitäten, sensorische Beeinträchtigungen und Agitiertheit als Ausdruck zerebraler Minderperfusion. Tachypnoe, basale Rasselgeräusche,
erhöhter Jugularvenenpuls und Oligurie
sind ebenfalls typische Zeichen.
Eine Papillarmuskelruptur tritt gehäuft
–7 Tage nach inferiorem Infarkt auf und
Zusammenfassung · Abstract
führt zur akuten Mitralinsuffizienz mit
in der Regel massivem Lungenödem, Hypotonie und Zeichen peripherer Minderperfusion. Das neu aufgetretene Herzgeräusch kann dabei sehr leise und nur frühsystolisch auskultierbar sein, besonders
wenn das Herzminutenvolumen niedrig
ist. Die Ventrikelseptumruptur zeichnet
sich bei klinisch ähnlicher Präsentation
wie die Papillarmuskelruptur durch ein
Pansystolikum und parasternales Schwirren aus. Eine Ruptur der freien Ventrikelwand kommt bei Frauen und bei Hypertonie überproportional häufig vor und zeigt
schwerste Verläufe aufgrund sich fulminant entwickelnder Perikardtamponade.
Ein rechtsventrikulärer Infarkt liegt bei
etwa 30% der Patienten mit inferiorem Infarkt vor und zeigt eine Trias aus Hypotonie, erhöhtem Jugularvenenpuls und fehlender Lungenstauung. Das Kussmaul-Zeichen – inspiratorischer Anstieg des Jugularvenendrucks – gilt als zuverlässiger Indikator eines rechtsventrikulären Infarkts,
ebenso wie Hypotonie nach Nitroglyzeringabe bei Patienten mit inferiorem Infarkt. ST-Strecken-Hebungen in rechtsventrikulären Ableitungen (V4R) sichern
die Diagnose.
Eine schwere Aortenstenose dekompensiert häufig beim Auftreten von Vorhofflimmern. Bei der akuten Aorteninsuffizienz (z. B. als Folge einer akuten infektiösen Endokarditis oder einer akuten Aortendissektion) fehlt im Schock in Folge
des reduzierten Schlagvolumens und niedrigen diastolischen Blutdrucks häufig der
klassische hohe Pulsdruck.
Basisdiagnostik
Ein 2-Kanal-EKG sollte unmittelbar abgeleitet werden, um Infarktzeichen und
Arrhythmien zu erkennen. Ein normales
EKG macht die Diagnose eines kardiogenen Schocks infolge einer Myokardischämie unwahrscheinlich. Ein Röntgenbild
des Thorax, Messung arterieller Blutgase,
Elektrolyte, Blutbild und Herzenzyme ergänzen die Basisdiagnostik. Der Verlauf
des Laktatspiegels gilt als Indikator der
globalen Perfusion [7].
Die Echokardiographie kann im Notfall ein Schlüsselelement für eine rasche
Differenzialdiagnose darstellen, sodass sie
routinemäßig durchgeführt werden sollte.
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Akute Herzinsuffizienz und kardiogener Schock.
Pathophysiologie, Klinik und aktuelle Managementstrategien
Zusammenfassung
Trotz verbesserter medikamentöser und interventioneller Therapieoptionen sterben
nach wie vor mehr als zwei Drittel aller Patienten, die nach Myokardinfarkt akut herzinsuffizient werden und einen kardiogenen
Schock erleiden. Frühe Diagnose und rasche Einleitung von Basismaßnahmen sind
entscheidend, um die Zeit bis zur Revaskularisation zu überbrücken. Aufgrund der
Schwere des Krankheitsbilds stützen sich
viele Behandlungsstrategien nicht auf große randomisierte Studien, sondern auf empirisch gewonnene Erkenntnisse. Neue Entwicklungen betreffen zum einen das kontinuierliche hämodynamische Monitoring,
das eine bessere Steuerung der Volumen-
therapie erlaubt. Zum anderen werden
auch neue Prognosemarker und Pharmaka
mit dem Ziel verbesserter Verlaufsbeurteilung und medikamentöser Beeinflussung
des Schockgeschehens in ersten klinischen
Studien erprobt. Spezielle Herausforderungen ergeben sich weiterhin durch ein begleitendes rechtsventrikuläres Pumpversagen oder hämodynamisch wirksame Herzrhythmusstörungen, die Auslöser oder Folgen des kardiogenen Schocks sein können.
Schlüsselwörter
Kardiogener Schock ·
Akute Herzinsuffizienz · Myokardinfarkt ·
Intensivtherapie
Acute heart failure and cardiogenic shock: pathophysiology,
clinical aspects and management strategies
Abstract
Irrespective of improved medical and interventional therapeutic options, mortality among patients with acute heart failure
and cardiogenic shock has remained disappointingly high. Early diagnosis and rapid
initiation of basic treatment measures to
improve hemodynamics and metabolism
are of vital importance until causal therapy, e. g. revascularization, is initiated. Due
to the principal difficulty to set up larger
clinical trials, in patients with cardiogenic
shock empirical rather than firm evidence
supports the various treatment and management strategies currently in use. Con-
tinuous hemodynamic monitoring to tailor
fluid therapy, new drugs, and prognostic
markers have been developed for the treatment and monitoring of cardiogenic shock,
all of which await testing in larger-scale studies. Ongoing challenges remain the
right ventricular pump failure or hemodynamically compromising arrhythmia which
may be either cause or consequence of cardiogenic shock.
Keywords
Cardiogenic shock · Acute heart failure ·
Myocardial infarction · Intensive care
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Schwerpunkt: Kardiovaskuläre Intensivmedizin
Abb. 3a,b 8 Beispiele für mechanische Ursachen eines kardiogenen Schocks. a Ruptur der Ventrikelseptumwand an der Herzbasis 2 Tage nach Hinterwandinfarkt. Im Farbdoppler imponiert
ein breiter Links- nach Rechts-Shunt. Mittels Pulmonaliskatheter errechnete sich ein Shuntvolumen von 40-50%. Der 63-jährige Patient verstarb im kardiogenen Schock. (Mit freundlicher
Genehmigung von PD Dr. J. Wagner, Würzburg). b Abriss des Papillarmuskelhalteapparats bei
einer 72-jährigen Frau, die 9 h nach Schmerzbeginn mit schwerem protrahiertem kardiogenem Schock aus einem peripheren Krankenhaus zuverlegt wurde. Das EKG zeigt fulminante
Hebungen über der Hinterwand und korrespondierende Senkungen über der Vorderwand.
In Ableitung V4R sind Hebungen von 1,5 mm zu erkennen als Hinweis auf eine rechtsventrikuläre Beteiligung. Echokardiographisch imponierte eine hochgradige Mitralinsuffizienz bei nicht
wesentlich vergrößertem linkem Vorhof sowie eine flottierende Struktur (Pfeil), die spätsystolisch in den Vorhof prolabierte. Trotz maximaler intensivmedizinischer Maßnahmen ließ sich
kein Anheben über den initialen pH-Wert von 6,9 erreichen
Abb. 4 9 Diagnostische und therapeutische
Schritte beim Management des kardiogenen
Schocks. (Mod. nach [10])
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Schwerpunkt: Kardiovaskuläre Intensivmedizin
Tabelle 3
Stabilisierung eines Patienten im
kardiogenen Schock
Monitoring auf Intensivstation mit
• Kontinuierlichem EKG
• Pulsoximeter
Zentralvenöser Zugang, arterieller
Zugang, Blasenkatheter
Behandlung von Hypoxie und Azidose
mittels
• Mechanischer Beatmung
• Nichtinvasiver Ventilation
(Ausnahmefälle)
Analgesie und Sedierung
Korrektur von Elektrolytstörungen
Antiarrhythmische Therapie
Optimierung der Ventrikelfüllung
Verbesserung des Perfusionsdrucks mit
• Vasopressoren (Noradrenalin,
Phenylepinephrin)
• Inotropika (Dobutamin)
Dies gilt insbesondere auch für die schnelle Diagnose bei schweren Verläufen wie
z. B. bei Papillarmuskelabriss, Ventrikelruptur und Perikardtamponade (. Abb. 3).
Hämodynamisches Monitoring
Die Rechtsherzkatheterisierung mit Pulmonaliseinschwemmkatheter erlaubt die
simultane Messung von Füllungsdrücken
und Herzminutenvolumen, also von Informationen, die aus der körperlichen Untersuchung und Laboranalyse nicht ohne Weiteres ableitbar sind. Neben der Sicherung
der Diagnose kann so auch ein klinisch inapparenter Volumenmangel aufgedeckt
werden. Die gemischtvenöse Sauerstoffsättigung ist zudem ein Indikator für die
Balance zwischen Sauerstoffangebot und verbrauch. Allerdings gibt es keine evidenzbasierten Daten, ob der Einsatz des Pulmonaliskatheters sich günstig für den Krankheitsverlauf auswirkt [20].
In unserer Klinik setzen wir seit einiger
Zeit mit gutem Erfolg das hämodynamische Monitoring mit dem PiCCOplus-System ein, das neben verlässlichen Werten für
Herzzeitvolumen auch Informationen über
die Nachlast, Volumenreagibilität und das
extravasale Lungenwasser gibt. Anhand eines einfachen Algorithmus kann so auch
bei mechanisch beatmeten Patienten der
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Schweregrad eines Lungenödems oder der
Volumenbedarf abgeschätzt werden [2].
Initiales Management
Die Basismaßnahmen zur Stabilisierung
eines Patienten im kardiogenen Schock
sind in . Tabelle 3 aufgelistet, während
. Tabelle 4 die therapeutischen Optionen gemäß der zugrundeliegenden Störung zeigt.
Die Aufrechterhaltung einer adäquaten
Oxygenierung und Ventilation hat höchste Priorität. Viele, jedoch nicht alle Patienten bedürfen frühzeitig der Intubation
und maschinellen Beatmung, nicht zuletzt
um die Atemarbeit zu reduzieren und um
die Sedierung und Stabilisierung vor der
Koronarangiographie zu erleichtern. Erste
Studien deuten darauf hin, dass CPAP-Beatmung bei Patienten mit kardial bedingtem Lungenödem die Häufigkeit der Intubationspflichtigkeit verringern kann [22].
Ferner ist unbedingt zu beachten, dass,
wenn kein ausreichender Perfusionsdruck
gewährleistet ist, parallel zu anderen diagnostischen oder therapeutischen Maßnahmen eine Herzdruckmassage durchgeführt werden muss.
Eine Hypokaliämie muss ausgeglichen
werden, um ventrikulären Arrhythmien
vorzubeugen. Analgesie und Sedierung
mit Morphinsulfat (oder Fentanyl bei
starker Hypotonie) reduziert die exzessive Sympathikusaktivierung und vermindert den Sauerstoffverbrauch, sowie Vorund Nachlast. Arrhythmien und Leitungsstörungen können das Herzminutenvolumen stark beeinträchtigen und sollten sofort korrigiert werden mit Antiarrhythmika, Kardioversion oder passagerem Schrittmacher. Medikamente, die die Hypotonie
verstärken können, wie Nitrate, β-Blocker
und Angiotensinconversionshemmer, sind
in dieser Situation zu vermeiden.
Falls nach initialer Stabilisierung und
Wiederherstellen eines adäquaten Blutdrucks die Gewebeperfusion weiterhin
schlecht ist, kommen inotrope Substanzen und/oder eine intraaortale Ballongegenpulsation zum Einsatz. Bei ausreichender Gewebeperfusion und protrahierter
Lungenstauung werden Diuretika verabreicht. Bei guter Gewebeperfusion und
fehlender Lungenstauung ist die Schocksituation beseitigt. Liegt dem Schockge-
schehen ätiologisch ein akuter Myokardinfarkt zugrunde, sollten baldmöglichst
eine Koronarangiographie und die unverzügliche Revaskularisation angestrebt werden (. Abb. 4).
Volumenkorrektur
Initial sollte beim hypotensiven Patienten
immer die Flüssigkeitsgabe erfolgen, es
sei denn, es besteht klinisch eine eindeutige Lungenstauung. Eine relative Hypovolämie liegt in etwa 20% vor [23]. Aus der
Flüssigkeitssubstitution resultiert ein Anstieg des Schlagvolumens, der allerdings
von der Schwere der zugrunde liegenden Ischämie und der kardialen Reserve abhängt.
In der Schocksituation sind eventuell erhöhte Füllungsdrücke erforderlich, um ein ausreichendes Schlagvolumen zu erzielen. Der
optimale Füllungsdruck variiert von Patient zu Patient. Das hämodynamische Monitoring erlaubt, den Füllungsdruck zu definieren, der zum besten Herzminutenvolumen führt. Die Aufrechterhaltung einer ausreichenden Vorlast ist besonders wichtig bei
Patienten mit rechtsventrikulärem Infarkt.
Vasopressoren und inotrope
Medikamente
Vasopressoren und Inotropika müssen vorsichtig titriert werden, um einerseits die
koronare Perfusion zu maximieren, andererseits den begleitenden Anstieg des myokardialen Sauerstoffverbrauchs möglichst
gering zu halten. Wiederum ist dabei ein
hämodynamisches Monitoring sehr hilfreich. Einschränkend muss jedoch angemerkt werden, dass bisher keine evidenzbasierten Daten den Effekt von Vasopressoren und Inotropika auf die Prognoseverbesserung belegten und diese Substanzen
unter bestimmten Voraussetzungen proinflammatorisch und damit kardiotoxisch
wirken können.
Zur Kreislaufunterstützung bei Hypotonie ist Noradrenalin das Mittel der ersten
Wahl. Als natürliches Katecholamin hat es
starke α-adrenerge und schwächere β-adrenerge Eigenschaften. Der Haupteffekt besteht demnach in einer Vasokonstriktion,
während der Effekt auf das Herzminutenvolumen gering ist. Noradrenalin kann allerdings zur Tachykardie und zu Arrhythmien führen. Phenylepinephrin, ein selek-
Tabelle 4
Pathophysiologische Implikationen für die Therapie des kardiogenen Schocks
Pathophysiologie
Ziel
Therapie
Myokardzellnekrose
Prävention der Hypoxie; Vermeiden freier Sauerstoffradikale
Wiederherstellen des myokardialen Blutflusses
Koronarverschluss
Wiederherstellen des maximalen myokardialen Blutflusses
Angioplastie; thrombolytische Therapie
Systemische Hypotonie
Anheben des koronaren Perfusionsdrucks
IABP; Inotropika
Akute Mitralinsuffizienz
Absenken des linksatrialen Drucks
Nachlastsenkung mit Nitroprussid; IABP;
chirurgische Korrektur
Lungenödem
Absenken des pulmonalarteriellen Verschlussdrucks
Diuretika; Nachlastsenkung
Hibernierendes Myokard
Wiederherstellen der myokardialen Perfusion
Myokardiale Revaskularisation
Mykardiales Stunning
Verbesserung der Hypokontraktilität
Inotropika
IABP: Intraaortale Ballongegenpulsation.
Tabelle 5
Hämodynamische Effekte neuer intravenöser Pharmaka bei der akuten Herzinsuffizienz. (Mod. nach [34])
Substanz
HI
PCWP
RR
HF
Arrhythmie
Wirkeintritt
Wirkdauer
Diurese
Toborinone (Phosphodiesterase-III-Inhibitor)
ddd
cc
d/c
dd
dddd
d
d
−
Levosimendan (Kalziumsensitizer)
dd
c
c
dd
−
d
ddd
−
Tezosentan (Endothelinantagonist)
dd
c
c
−
−
dd
−
−
Nesiritide (Brain Natriuretic Peptide)
d
cc
c
−
−
dd
dd
d
HI: Herzindex; PCWP: pulmonalkapillärer Wedgedruck; RR: Blutdruck; HF: Herzfrequenz.
tiver α-adrenerger Agonist, gilt als gute Alternative, falls eine Tachyarrhythmie die
Therapie mit Noradrenalin limitiert (Dosierung 50–200 μg/min).
Die umfangreichsten Erfahrungen für
positiv-inotrope Substanzen bestehen für
den Einsatz von Dobutamin, einem selektiven β-adrenergen Agonisten, der die myokardiale Kontraktilität und so das Herzminutenvolumen steigern kann. Bei systolischen Blutdruckwerten von >80 mmHg
empfehlen einige Autoren Dobutamin als
Mittel erster Wahl [0, 24]. Die früher favorisierte Gabe von Dopamin, das sowohl
inotrope als auch vasopressorische Eigenschaften besitzt, ist in letzter Zeit in den
Hintergrund getreten, da durch eine Kombination von Noradrenalin und Dobutamin ähnliche, in der Schocksituation besser steuerbare Effekte zu erzielen sind.
Die Erfahrungen mit Phosphodiesterasehemmern (z. B. Milrinone), die intrazelluläres cAMP ohne Vermittlung adrenerger Rezeptoren erhöhen, sind uneinheitlich. Positiv inotrope und begleitende vasodilative Wirkungen sowie nur gering chronotrope und in der Akutsituation nicht so
bedeutsame proarrhythmische Effekte sollten günstig sein. Demgegenüber steht das
erhöhte Potenzial, eine prolongierte Hypotension zu erzeugen, sowie die lange Halbwertszeit (Dosierung: 0,5 μg/kgKG/min ±
Initialbolus von 50 μg/kgKG).
Ballongegenpulsation
Die intraaortale Ballongegenpulsation
(IABP) reduziert die systolische Nachlast
und unterstützt den diastolischen Perfusionsdruck. In der Folge steigt das Herzminutenvolumen und wird der koronare Blutfluss verbessert [25]. Im Gegensatz zu den
oben beschriebenen vasopressorischen
und inotropen Medikamenten geht die
IABP nicht mit einer Steigerung des myokardialen Sauerstoffverbrauchs einher. Zudem gelingt die Verminderung der Nachlast ohne Absenken des Blutdrucks. Im kardiogenen Schock kann die IABP den diastolischen Blutdruck um 30–80%, das Herzminutenvolumen um 0–40%, und die mittlere diastolische Blutflussgeschwindigkeit in
den Koronarien um 65% steigern [26]. Aortendissektion, schwere Aortenklappeninsuffizienz und Aortenaneurysma sind absolute Kontraindikationen für das Anlegen einer IABP. Bei Tachyarrhythmien >50/min
wird der Wirkungsgrad der IABP zu klein.
Während des Betriebs der Pumpe ist
der Patient vollheparinisiert und meist sediert; er liegt auf dem Rücken, das Bein
ist fixiert. Genaue Überwachung von Vitalzeichen, Kathetereintrittsstelle, Beinpulsen, Hautkolorit ist erforderlich, da vaskuläre und hämorrhagische Probleme häufig sind (insgesamt 44%). Die wichtigsten Komplikationen umfassen Gefäßverletzung (22%), Hämorrhagie (3%), Beinischämie (4%), Tod (<%). Trotz fehlender positiver randomisierter kontrollierter Studien ist die IABP in den amerikanischen Richtlinien seit 996 als Klasse-I-Indikation beim kardiogenen Schock aufgenommen [27]. Demnach gilt die Indikation als gesichert für Patienten mit protrahiertem Schock als stabilisierende Maßnahme bis zur Angiographie bzw. Revaskularisation und bei Patienten mit mechanischen Komplikationen nach Myokardinfarkt wie z. B. akute Mitralinsuffizienz
und Ventrikelseptumruptur.
Spezielles Management
Die fibrinolytische Therapie wie auch die
akute Herzkatheterintervention stellen
entscheidende Fortschritte in der BehandDer Internist 3 · 2005
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Schwerpunkt: Kardiovaskuläre Intensivmedizin
lung des akuten Myokardinfarkts dar und
damit auch des kardiogenen Schocks. Ihre
Bedeutung wird in einem anderen Beitrag
dieses Hefts ausführlich gewürdigt.
Mechanische Ursachen
des kardiogenen Schocks
Die akute mechanische Dysfunktion des
Herzens kann in 3 Gruppen eingeteilt werden:
F ventrikuläre Dysfunktion,
F Klappendysfunktion,
F extrakardiale Ursachen.
Rupturen der freien ventrikulären Wand
sind selten. Große Einrisse führen zum
raschen Tod bei Perikardtamponade. Kleine Einrisse (subakute Ruptur) können ähnlich wie eine Perikarditis oder Tumoren
zur langsameren Tamponade führen. Beim
noch stabilen Patienten sichert die Echokadiographie die Diagnose. Die Therapie
besteht nach Entlastung der Tamponade
durch Perikarddrainage bei Ruptur der freien Wand im sofortigen chirurgischen Verschluss, evtl. nach Platzierung einer IABP.
Auch Rupturen des Ventrikelseptums
sind mit einer hohen Letalität assoziiert.
Unbehandelt versterben 25% der Patienten am ersten Tag und 80% innerhalb von
4 Wochen [28]. Im SHOCK-Register erlitten 6% eine Septumruptur. Davon überlebten nur 4% der internistisch und 9%
der chirurgisch behandelten Patienten. Es
kommt zur raschen, oft massiven pulmonalvenösen Stauung und peripherer Minderperfusion und Hypotension. Der Shunt
ist oft leicht auskultierbar und echokardiographisch darstellbar (. Abb. 3a). Das
Shuntvolumen sollte im Rechtsherzkatheter abgeschätzt werden; ein Sättigungssprung von >9% zeigt einen relevanten
Shunt an. Mit der Ausnahme eines sehr
kleinen Links-Rechts-Shunts mit nur geringer systemischer Beeinträchtigung ist die
Septumruptur eine Indikation zur unverzüglichen Notfalloperation mit einer Frühmortalität von 0–30%. Perioperativ kommen Inotropika und IABP zum Einsatz.
Die akute Mitralinsuffizienz als Folge
einer Endokarditis, Chordae- oder Papillarmuskelruptur führt in der Regel rasch
zum kardiogenen Schock. Diese Patienten bedürfen einer unverzüglichen chirur-
294 |
Der Internist 3 · 2005
gischen Therapie. Unterstützend werden
Nachlastsenker und IABP eingesetzt. Viel
häufiger ist die Papillarmuskeldysfunktion
aufgrund einer Infarzierung des Ventrikelmyokards, an dem der Papillarmuskel anhaftet. Die frühzeitige Wiedereröffnung
des Infarktgefäßes stellt dann die Therapie
der Wahl dar. Abhängig von Infarktgröße
und Heilungstendenz wird häufig eine Abnahme der Insuffizienz im zeitlichen Verlauf beobachtet, sodass bei diesen Patienten die Indikation zur Operation mit großer Zurückhaltung zu stellen ist, da die operative Letalität bei etwa 40% liegt.
Rhythmusstörungen
Persistierende Tachykardien jeder Genese
können zur myokardialen Dysfunktion
führen und neue Rhythmusstörungen begünstigen. Bei allen Rhythmusstörungen
ist auf (vorherigen) Ausgleich der Azidose und des Kaliumspiegels zu achten. Vor
der empirischen Gabe von Antiarrhythmika oder einer Kardioversion sollte unbedingt die Rhythmusdiagnose gesichert
werden. Wegweisend sind hochverstärkte EKG-Schreibung, Karotissinusmassage
und intravenöse Adenosingabe. Die Sinustachykardie wird kurzfristig unter Adenosin langsamer, während bei einer atrialen
Tachykardie typischerweise ein vorübergehender AV-Block ohne Veränderung der
Vorhofzykluslänge resultiert. Gelegentlich
wird die atriale Tachykardie durch Adenosin terminiert. Die Ablation kann auch im
kardiogenen Schock erwogen werden.
Vorhofflimmern und -flattern sind häufige Ursachen einer akuten Dekompensation bei Patienten mit schwerer systolischer
oder diastolischer Dysfunktion, Klappenstenosen, hypertropher Kardiomyopathie oder
nach Palliativoperationen von kongenitalen
Herzfehlern. Frequenzkontrolle ist beim instabilen Patienten das primäre Ziel. Wiederherstellung eines Sinusrhythmus ist jedoch
häufig der beste Weg, dies zu erreichen, –
in der Schocksituation meist durch elektrische Kardioversion. Falls eine pharmakologische Kardioversion (bei Vorhofflimmern
und atrialen Tachykardien) erwogen wird,
ist die intravenöse Gabe von Amiodaron
wohl mit der geringsten Nebenwirkungsrate in der Schocksituation behaftet.
Vorhofflimmern mit schneller ventrikulärer Antwort beim WPW-Syndrom kann
zum Kollaps und Kammerflimmern führen. Die QRS-Komplexe sind dann typischerweise weit und bizarr geformt. Digitalis, Verapamil, Diltiazem und Adenosin
sind kontraindiziert, da sie einen paradoxen Anstieg der Kammerfrequenz bedingen können. In der Schocksituation wird
rasch elektrisch kardiovertiert und der Patient zeitnah einer Ablation zugeführt.
Die häufigste Ursache einer Tachykardie mit weiten Kammerkomplexen – insbesondere bei Myokardinfarkt in der Anamnese – ist die anhaltende monomorphe ventrikuläre Tachykardie. Sie wird mittels synchronisierter Kardioversion terminiert.
E Im Schock sind Verapamil und
Diltiazem absolut kontraindiziert.
Falls eine medikamentös-toxische Ursache (z. B. Klasse-I-Antiarrhythmika, trizyklische Antidepressiva) vermutet wird,
wird mit Natriumbikarbonat auf pH-Werte von 7,5–7,55 alkalisiert.
Bradykardie als seltene Ursache für einen kardiogenen Schock wird mittels passagerem Schrittmacher oder externer Stimulation behandelt. Glukagon ist effektiv bei den meisten β-Blockerintoxikationen. Kalziumchlorid oder -glukonat und
Sympathomimetika sind die Therapie
der Wahl bei Überdosierungen mit Kalziumantagonisten.
Neue Entwicklungen
Die begleitende Gabe von Glukose-Insulin-Kalium (sog. „Rackley-Regime“; [29])
war in einer großen prospektiven Studie
bei Patienten mit akutem Myokardinfarkt
mit einer eindrucksvollen Verminderung
des absoluten Mortalitätsrisikos von 5%
auf 5% assoziiert [30]. Es ist jedoch ungeklärt, ob dieser Effekt auch beim kardiogenen Schock zu erzielen ist.
In einer ersten Feldstudie zeigte die kontrollierte Hypothermie zur Verminderung
der schockgetriggerten systemischen Inflammation einen Überlebenseffekt bei
Patienten, die außerhalb der Klinik erfolgreich reanimiert worden waren [3]. Ebenso wie bei der intrakoronaren Applikation
von Pyruvat [32] oder der Gabe von Stickoxid-Synthetase-Inhibitoren (z. B. L-NAME) im Schock [33] handelt es sich dabei
um Einzelberichte, die in multizentrischen
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Studien überprüft werden müssen. . Tabelle 5 gibt einen Überblick über Vertreter
von 4 weiteren Substanzklassen, die sich
derzeit in der klinischen Prüfung befinden, jedoch noch keinen gesicherten Stellenwert in der Schocktherapie haben [34].
Fazit für die Praxis
Trotz verbesserter medikamentöser und
interventioneller Behandlungsstrategien
ist der kardiogene Schock nach wie vor
mit einer Mortalität von mehr als 50% assoziiert. Entscheidend für die Prognose
sind das frühzeitige Erkennen von Schocksymptomen und ihr akutes Management,
um ein Fortschreiten des Schocks hin zu
irreversiblem Multiorganversagen zu verhindern. Die häufigste Ursache des kardiogenen Schocks ist der Myokardinfarkt.
Nach der Primärversorgung, die einen
zentralvenösen Zugang und arterielle
Blutdruckmessung sowie häufig die Intubation und Beatmung umfasst, ist unverzüglich die Revaskularisierung – interventionell oder operativ – anzustreben. Die
situationsgerechte Volumenkorrektur erfordert ein kontinuierliches hämodynamisches Monitoring. Echokardiographisch
können mechanische Ursachen des
Schocks rasch differenziert werden. Die
Kreislaufstabilisierung bis zur definitiven
Therapie erfolgt mittels positiv-inotroper
Medikamente, Azidosekorrektur, Rhythmus- und Frequenzkontrolle und ggf. intraaortaler Ballongegenpulsation.
Korrespondierender Autor
Prof. Dr. G. Ertl
Medizinische Klinik der Universität,
Luitpoldkrankenhaus,
Joseph-Schneider-Straße 2, 97080 Würzburg
E-Mail: [email protected]
Interessenkonflikt: Der korrespondierende
Autor versichert, dass keine Verbindungen mit
einer Firma, deren Produkt in dem Artikel genannt ist, oder einer Firma, die ein Konkurrenzprodukt vertreibt, bestehen.
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