Leitfaden für Rettungskräfte Fahrzeuge mit alternativem Antrieb Audi Vorsprung durch Technik Rechtlicher Hinweis: Dieser Leitfaden wurde ausschließlich für Rettungskräfte erstellt, die über eine spezielle Ausbildung auf dem Gebiet der technischen Hilfeleistung nach Verkehrsunfällen und damit der in diesem Leitfaden beschriebenen Tätigkeiten verfügen. Spezifikationen und Sonderausstattungen der Audi Fahrzeuge sowie das Fahrzeugangebot der AUDI AG unterliegen stetig etwaigen Änderungen. Daher behält sich Audi inhaltliche Anpassungen bzw. Änderungen an diesem Dokument jederzeit ausdrücklich vor. Beachten Sie bitte: Die in diesem Leitfaden enthaltenen Informationen sind nicht für Endkunden und ebenfalls nicht für Werkstätten und Händler bestimmt. Endkunden können den Bordbüchern ihres jeweiligen Audi Fahrzeugs detaillierte Informationen zu den Funktionen ihres Fahrzeugs sowie wichtige Sicherheitshinweise zur Fahrzeug- und Insassensicherheit entnehmen. ­Werkstätten und Händler erhalten Reparaturinformationen über die ihnen bekannten Bezugsquellen. Copyright Dieses Dokument unterliegt dem Copyright der AUDI AG, Ingolstadt. Jede Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung, Übermittlung, Sendung und Wieder- bzw. Weitergabe der Inhalte ist ohne schriftliche Genehmigung der AUDI AG ausdrücklich untersagt. 2 Inhaltsverzeichnis Alternative Antriebe Vorwort _ ______________________________________________________________________________________________________________________________________________________ 4 Hybrid- und Elektroantrieb (hybrid & e-tron) Klassifizierung der Elektrifizierungsvarianten bei Audi __________________________________________________________________________________________________ 6 Fahrzeugidentifizierung – Hybrid- und Elektrofahrzeuge ________________________________________________________________________________________________ 7 Technische Grundlagen ______________________________________________________________________________________________________________________________________ 8 Hochvolt-Sicherheitskonzept ______________________________________________________________________________________________________________________________ 16 Einsatzhinweise _____________________________________________________________________________________________________________________________________________ 19 Erdgasantrieb (g-tron) Fahrzeugidentifizierung – Erdgasfahrzeuge ______________________________________________________________________________________________________________ 28 Technische Grundlagen _____________________________________________________________________________________________________________________________________ 29 Sicherheitseinrichtungen ___________________________________________________________________________________________________________________________________ 33 Einsatzhinweise _____________________________________________________________________________________________________________________________________________ 36 3 Alternative Antriebe Vorwort Die unterschiedlichen Antriebskonzepte und die steigende Anzahl der Fahrzeuge mit alternativen Antrieben führen dazu, dass sich Rettungskräfte weltweit mit dem Thema alternative Antriebe befassen. Dies betrifft die allgemeinen Prozesse und Vorgehensweisen bei der Rettung nach Verkehrsunfällen, aber auch das Wissen um die Antriebskonzepte selber. Allgemeine Informationen zu Fahrzeugen sind dem allgemeinen Leitfaden für Rettungskräfte zu entnehmen. Die Prozesse und Vorgehensweisen sind in den unterschiedlichen Ländern auf der Welt in der Regel durch Dienstvorschriften oder Richtlinien vom Gesetzgeber oder den Rettungsorganisationen selbst geregelt. Werden in dem hier vorliegenden Rettungs­ leitfaden Hinweise zur Vorgehensweise gegeben, sind diese daher nur als Vorschläge zu betrachten. Sie finden die Dokumente in Deutsch und Englisch auf http://www. audi.de/rettungsleitfaden. In erster Linie soll der Rettungsleitfaden dazu dienen, Rettungskräften die Antriebskonzepte näher zu bringen. Neben der allgemeinen Vorstellung der Technologie sind Schwerpunkte dabei die Identifizierung und die Sicherheitskonzepte der verschiedenen Technologien. 4 Fahrzeugspezifische Informationen können Sie den Rettungs­ datenblättern (manchmal auch „Rettungskarten“ genannt) ­entnehmen. Hybrid- und Elektroantrieb (hybrid & e-tron) 5 Klassifizierung der Elektrifizierungsvarianten bei Audi Bei Hybrid- und Elektrofahrzeugen existieren unterschiedliche Konzepte. Diese unterscheiden sich bezüglich der primären ­Energiequelle, der Spannung, der Art der antreibenden Maschine und der elektrischen Reichweite. Man unterscheidet zwischen: • Mild-Hybrid Electric Vehicle (MHEV) • Full-Hybrid Electric Vehicle (HEV) • Plug-In-Hybrid Electric Vehicle (PHEV) • Electric Range Extender Vehicle (EREV) • Battery Eletric Vehicle (BEV) In der Tabelle sind die unterschiedlichen Elektrifizierungskonzepte dargestellt. Mild-Hybrid Full-Hybrid Plug-In-Hybrid EREV BEV Spannung 120 – 130 V 200 – 270 V 300 – 450 V 300 – 450 V 300 – 450 V E-Maschine 10 – 15 kW 20 – 50 kW 60 – 70 kW 60 – 200+ kW 60 – 200+ kW > 200 km ca. 50 – 200 km ca. 50 km ca. 3 km Reichweite E-Fahren e-tron e-tron e-tron A3 Sportback e-tron A1 e-tron R8 e-tron Energiequelle Beispiele Q5 hybrid quattro A6 hybrid A8 hybrid r001_006 Legende für Energiequellen Symbol Bezeichnung Herkömmliche Kraftstoffe wie Benzin und Diesel Batteriebetrieb Batteriebetrieb mit Auflademöglichkeit über Steckdose 6 Fahrzeugidentifizierung – Hybrid- und Elektrofahrzeuge Fahrzeuge mit alternativen Antriebskonzepten lassen sich anhand verschiedener Erkennungsmerkmale identifizieren. Mit diesem Wissen können sich Rettungskräfte in ihren Handlungen dann auf die entsprechende Technik des verunfallten Fahrzeugs einstellen. Erkennungsmerkmale – Hybrid- und Elektrofahrzeuge (Beispiele) Schriftzüge auf der Karosserie außen Bei Audi heißen Full-Hybrid Modelle „hybrid“. Fahrzeuge, die eine externe Lademöglichkeit über z. B. eine Steckdose bieten, heißen „e-tron“. Hier als Beispiel der Schriftzug auf der Heckklappe, auf dem Kotflügel ist die Beschriftung analog. r001_101 Die Schriftzüge unterscheiden sich zwischen den Automobil­ herstellern und können teilweise abbestellt werden. Sie könnten außerdem auch von den Fahrzeugbesitzern entfernt worden sein. r001_085 Schalttafeleinsatz mit Powermeter r001_007 Schriftzug auf den Türeinstiegsleisten r001_086 Schriftzug auf der Designabdeckung im Motorraum und orangefarbenes Hochvoltkabel r001_008 Ladesteckdose Bitte beachten Sie: Nicht jede Hybridfahrzeugvariante hat eine ­Ladesteckdose. r001_048 7 Technische Grundlagen Einleitung Bei einem Hybridfahrzeug erfolgt der Antrieb über eine Kombination aus einem Verbrennungsmotor und einer Elektromaschine, die von einer Hochvoltbatterie versorgt wird. Die Elektromaschine unterstützt den Verbrennungsmotor in Beschleunigungsphasen und wird in Bremsphasen als Generator betrieben, um die Hochvoltbatterie zu laden (Rekuperation). Bei Full-Hybriden (HEV) und Plug-In-Hybriden (PHEV) ermöglicht sie außerdem das rein elektromotorische Fahren (E-Fahren). Bei einem Elektrofahrzeug erfolgt der Antrieb ausschließlich über eine Elektromaschine. Elektrofahrzeuge, die neben der Batterie einen zusätzlichen Verbrennungsmotor zum Laden der Batterie haben, werden im Englischen auch Electric Range Extender Vehicle (EREV) genannt. Die Hochvoltbatterie wird über die als Generator fungierende Elektromaschine geladen, bei Plug-In-Hybriden kann sie zusätzlich noch über die Steckdose geladen werden. Audi A3 Sportback e-tron als Beispiel für ein Hybridfahrzeug Verbrennungsmotor Hochvoltbatterie Kraftstofftank r001_009 Ladesteckdose 8 Elektromaschine Der Verbrennungsmotor dient dabei lediglich zum Laden der Batterie und ist nicht mit dem Antriebsstrang verbunden. Elektrofahrzeuge, die als alleinige Energiequelle eine Batterie haben, werden batterieelektrische Fahrzeuge, im Englischen Battery Electric Vehicle (BEV), genannt. Andere Nebenaggregate, wie z. B. der Klimakompressor, werden aufgrund des hohen Leistungsbedarfs von der Hochvoltbatterie betrieben. Diese Nebenaggregate gehören damit ebenfalls zu den Hochvoltkomponenten. Da beim elektrischen Fahren nur Strom als Energiequelle zur Verfügung steht, werden auch andere Komponenten des Motors, wie z. B. die Kühlmittelpumpe, elektrisch angetrieben und vom 12-Volt-Bordnetz mit Strom versorgt. Audi A3 Sportback e-tron – Übersicht der Hybridkomponenten Verbrennungsmotor Elektrischer Klimakompressor Leistungselektronik Hochvoltheizung (PTC) Hochvoltbatterie Kraftstofftank Batteriekühlung r001_098 Ladesteckdose Elektromaschine Hochvoltleitungen 12-Volt-Fahrzeugbatterie 9 Betriebszustände Beim Antrieb eines Hybrid- und Elektrofahrzeugs wird in verschiedene charakteristische Betriebszustände unterschieden. Bei Audi werden die unterschiedlichen Betriebszustände am Powermeter angezeigt und können zusätzlich grafisch im Display des Kombiinstruments dargestellt werden. Als nachfolgendes Beispiel dienen die Darstellungen der Anzeigen des Audi Q5 hybrid quattro. Bei Batteriefahrzeugen entfallen die Betriebszustände mit Verbrennungsmotor. Display im Schalttafeleinsatz r001_040 Hybridsystem betriebsbereit „Hybrid Ready“ Das Hybridsystem ist betriebsbereit. Auch wenn das Fahrzeug keine Geräusche verursacht, ist es in diesem Betriebszustand betriebsbereit und es kann losgefahren werden! (siehe auch unter „Einsatzhinweise“) r001_010 Fahrt nur mit Elektromaschine Das Symbol für die Hochvoltbatterie und die von den Rädern weg gerichteten grünen Pfeile zeigen an, dass der Antrieb über die Hochvoltbatterie und den Fahrmotor für Elektroantrieb erfolgt. r001_011 Fahrt nur mit Verbrennungsmotor Das Symbol für den Verbrennungsmotor, die Hochvoltbatterie und die von den Rädern weg gerichteten gelben Pfeile zeigen an, dass der Antrieb über den Verbrennungsmotor erfolgt. r001_012 Fahrt mit Elektromaschine und Verbrennungsmotor Das Symbol für den Verbrennungsmotor, die Hochvoltbatterie und die von den Rädern weg gerichteten gelb-grünen Pfeile zeigen an, dass der Antrieb über den Verbrennungsmotor, die Hochvolt­ batterie und den Fahrmotor für Elektroantrieb erfolgt. r001_013 Rekuperation in Schubphase Das Symbol für die Hochvoltbatterie und die auf die Räder gerichteten grünen Pfeile zeigen an, dass rekuperiert und die Hochvoltbatterie geladen wird. r001_014 Stand und Verbrennungsmotor Das Symbol für den Verbrennungsmotor und die Hochvoltbatterie zeigen an, dass der Verbrennungsmotor läuft und die Hochvolt­ batterie geladen wird. r001_015 10 Hochvolttechnik In der Fahrzeugtechnik wird bei folgenden Spannungslagen von „Hochvolt“ gesprochen: Im nachfolgenden Kapitel wird näher auf die folgenden Hochvoltkomponenten eingegangen. • • • • Hochvoltbatterie Leistungselektronik E-Maschine Nebenaggregate, wie z. B. Hochvolt-Klimakompressor und PTC-Zuheizer • Hochvoltkabel und -stecker • größer 60 Volt bei Gleichstrom (DC) und • größer 30 Volt bei Wechselstrom (AC) Neben der Hochvoltbatterie, der Elektromaschine und der Hochvolt-Verteiler-/Steuerungseinheit, der sogenannten Leistungs­ elektronik, werden auch Nebenaggregate mit Hochvolt betrieben. Das Bild zeigt eine Prinzipdarstellung eines Hochvoltsystems. Hochvolt-Klimakompressor Übersicht Hochvoltsystem Wechselstrom (Hochvolt) Gleichstrom (Hochvolt) Leistungselektronik (Pulswechselrichter PWR und DC/DC-Wandler) E-Maschine (Leistungswandler) Hochvoltbatterie (Energiespeicher) r001_016 12-Volt-Batterie 11 Hochvoltbatterie Bei den Hochvoltbatterien bei Audi handelt es sich um Li-IonenBatterien. Die Hochvoltbatterie wird in den Fahrzeugen in den Bereichen angeordnet, die im Crashfall in der Regel deformationsarm sind und nur selten beaufschlagt werden. Die Hochvoltbatterie besteht aus in Reihe geschalteten Batterie­ zellen, die zu Modulen zusammengeschaltet sind. Mehrere Module sind zusammen mit der Peripherie in einem metallischen Gehäuse verbaut. Das Gehäuse ist über eine Potenzialausgleichsleitung mit dem Fahrzeug verbunden. Hochvoltbatterien werden im Betrieb gekühlt. Das Kühlsystem kann als Luftkühlung oder als Flüssigkeitskühlung ausgeführt sein. Um bei Zelldefekt austretendes Gas über einen Entlüftungsschlauch unter das Fahrzeug zu leiten, ist am Gehäuse eine Schadgasentlüftung angebracht. Das Steuergerät für die Batterieregelung ist in der Hochvolt­ batterie integriert. Über dieses Steuergerät ist die Hochvolt­ batterie mit dem übrigen Hochvoltsystem verbunden. Das Steuergerät enthält Sicherungssysteme für das Hochvoltsystem und die Überwachungseinrichtung der Hochvoltbatterie. An beiden Batteriepolen befindet sich je ein Schutzrelais (Schütz), das für den Betrieb des Hochvoltsystems geschlossen wird. Im Falle eines Unfalls mit Airbag- oder Gurtstrafferauslösung werden diese Schutzrelais geöffnet und das Hochvoltsystem außerhalb der Batterie entlädt sich. Neben der Hochvoltbatterie besitzen Hybrid- und Elektrofahrzeuge in der Regel das übliche 12-Volt-Batteriesystem mit einer oder auch mehreren Batterien. Hochvoltbatterie mit Luftkühlung (Beispiel: Audi A6 hybrid) Hochvoltbatterie mit Luftkühlung r001_105 Kühlmodul der Hochvoltbatterie Zellmodule der Hochvoltbatterie Schadgasentlüftung Hochvolt-­ Anschlussleitungen Steuergerät für Batterieregelung Wartungsstecker TW Anschluss 12-Volt-Bordnetz Anschluss ­Sicherheitsstecker Kühlsystem r001_106 Kühlmodul der Hochvoltbatterie 12 Hochvoltbatterie mit Flüssigkeitskühlung (Beispiel: Audi A3 Sportback e-tron) System der ­Fahrzeugklimatisierung Hochvoltbatterie mit Flüssigkeitskühlung r001_103 Gehäuseoberschale (Kunststoff) Steuergerät für Batterieregelung Zellmodule der Hochvoltbatterie Gehäuseunterschale (Aluminiumguss) r001_104 13 Hochvoltleitungen und -stecker Hochvolt-Klimakompressor Die Hochvoltleitungen mit den zugehörigen Hochvoltsteckern verbinden die Hochvoltbatterie mit den anderen Hochvolt­ komponenten im Motorraum sowie die Hochvoltkomponenten untereinander, wie z. B. Hochvoltbatterie Hochvoltleitung • Leistungselektronik • Elektromaschine • Klimakompressor Die Hochvoltleitungen werden in der Regel außerhalb des Fahrgast­raums verlegt, d. h. sie sind unter dem Fahrzeugboden bzw. im Motorraum verlegt. Alle Hochvoltleitungen bzw. die Hochvoltsteckverbindungen sind in den sichtbaren Bereichen mit einer orangefarbenen Isolierung versehen. Die Hochvoltleitungen sind teilweise durch zusätzliche Abdeckungen und Verschlauchungen vor Beschädigungen geschützt. Das Hochvoltsystem besitzt im Gegensatz zum 12-Volt-Bordnetz kein elektrisches Potenzial zur Karosseriemasse. Leistungselektronik Leistungselektronik Elektromaschine r001_019 am Beispiel des Audi Q5 hybrid quattro Anschluss 12-Volt-Bordnetz P3 P1 P2 P6 P5 P4 Die Leistungselektronik ist der Verteiler und Energieumwandler des Elektroantriebs. Sie wandelt je nach Betriebszustand Gleichspannung der Hochvoltbatterie in eine Wechselspannung für die Elektromaschine um oder umgekehrt. Die Hochvoltspannung wird von der Leistungselektronik außerdem in eine 12-Volt-Gleichspannung für das 12-Volt-Bordnetz (und teilweise umgekehrt) umgewandelt. Die mit Hochvolt betriebenen Nebenaggregate werden auch über die Leistungselektronik versorgt. r001_020 am Beispiel des Audi A6 hybrid und A8 hybrid P1 P2 P3 P4 P5 P6 14 Anschluss – Hochvoltbatterie (HV-Plus) Anschluss – Hochvoltbatterie (HV-Minus) Anschluss – Klimakompressor Anschluss – Fahrmotor für Elektroantrieb (U) Anschluss – Fahrmotor für Elektroantrieb (V) Anschluss – Fahrmotor für Elektroantrieb (W) Elektromaschine (E-Maschine) Die Elektromaschine, im Folgenden auch in der Kurzform als E-Maschine bezeichnet, befindet sich bei den Audi Hybridfahrzeugen zwischen dem Verbrennungsmotor und dem Getriebe. Die Elektromaschine wird mit Wechselstrom bzw. Drehstrom betrieben. Dazu wird in der Leistungselektronik die Gleichspannung der Hochvoltbatterie zu einer Wechselspannung mit drei Phasen umgewandelt. Anschlüsse für Anbindung an die Leistungselektronik Rotor mit Permanentmagneten Die E-Maschine dient neben dem eigentlichen Antrieb bei Hybridfahrzeugen auch zum Anlassen des Verbrennungsmotors und im Generatorbetrieb zum Laden der Hochvoltbatterie. Der Betriebszustand der E-Maschine wird über das Motorsteuer­ gerät und die Leistungselektronik gesteuert, um die höchste Effizienz und Performance des Antriebs sicherzustellen. Erkennt z. B. das Motorsteuergerät, dass die Leistung des E-Motors zum Antrieb des Fahrzeugs ausreicht, wird der Verbrennungsmotor ausgeschaltet. Stator mit Spulen r001_021 am Beispiel des Audi A6 hybrid Anschluss Hochvoltleitung Hochvolt-Klimakompressor Der elektrische Klimakompressor ist in das Hochvoltsystem ­eingebunden. Er ist durch eine Hochvoltleitung mit der Leistungselektronik für den Elektroantrieb verbunden. r001_022 am Beispiel des Audi Q5 hybrid quattro Hochvoltheizung Ein weiteres Nebenaggregat, welches als Hochvoltkomponente ausgeführt sein kann, ist die Hochvoltheizung. Diese arbeitet in der Regel mit der PTC-Technologie (PTC = Positive Temperature ­Coefficient) und wird daher auch PTC-Zusatzheizung genannt. Die Heizung hat die Funktion, im elektrischen Fahrbetrieb das Kühlmittel für den Heizungswärmetauscher im Innenraum zu erwärmen. Anschluss Hochvoltleitung Anschlüsse Kühlmittel r001_068 am Beispiel des Audi A3 Sportback e-tron 15 Hochvolt-Sicherheitskonzept Die elektrischen Komponenten im Fahrzeug, wie die Leistungs­ elektronik, die E-Maschine, die Hochvoltbatterie und Neben­ aggregate, wie z. B. ein elektrischer Klimakompressor, arbeiten in Spannungsbereichen oberhalb von 30-Volt-Wechselspannung und 60-Volt-Gleichspannung. Da die Spannung über der in konventionellen Fahrzeugen üblichen Bordnetzspannung von 12 Volt liegt, wird für diesen Spannungsbereich in Fahrzeugen der Begriff „Hochvolt“ (HV) verwendet. Bei unsachgemäßer Handhabung geht von der hohen Spannung in dem Hochvoltsystem eine potenzielle Gefahr aus. Das Fahrzeug verfügt deshalb über ein umfassendes Sicherheitskonzept. Im nachfolgenden Kapitel werden die wesentlichen Prinzipien des Sicherheitskonzepts erläutert. Bei unsachgemäßer Handhabung von Hochvoltkomponenten besteht Lebensgefahr durch die hohe Spannung und den dabei auftretenden möglichen Stromfluss durch den menschlichen Körper. Auch nach einer Deaktivierung des Hochvoltsystems ist immer noch Spannung in der Hochvoltbatterie vorhanden. Die Hochvoltbatterie darf weder beschädigt oder geöffnet werden - Lebensgefahr! Hochvoltleitungen dürfen nicht beschädigt oder durch nicht-qualifiziertes Personal vom Hochvoltsystem getrennt werden. Bei unsachgemäßer Handhabung besteht Lebensgefahr. Ist bei Maßnahmen am Fahrzeug ein direkter Kontakt mit Hochvoltkomponenten unerlässlich, dann darf dies nur durch ­entsprechend qualifiziertes Personal erfolgen. Hochvoltverbraucher Hochvoltbatterie Galvanische Trennung Das Hochvoltsystem ist von der Fahrzeugmasse galvanisch getrennt. Das heißt zwischen den Hochvoltpolen und der Fahrzeugkarosserie gibt es keine direkte elektrische Verbindung. r001_044 12-Volt-Verbraucher 12-Volt-Batterie Hochvoltstecker Berührschutz Leistungselektronik Alle Anschlüsse (Stecker, Flanschdosen) an den Hochvolt­ komponenten des Fahrzeugs sind berührsicher ausgeführt. Hochvoltleitungen Alle Hochvoltleitungen sind in den sichtbaren Bereichen mit einer orangefarbenen Isolierung versehen. Die Hochvoltleitungen sind teilweise durch zusätzliche Abdeckungen und Verschlauchungen vor Beschädigungen geschützt. r001_032 Klimakompressor Elektromaschine Hochvoltleitung 16 Warnkennzeichnungen Alle Hochvoltkomponenten (außer Hochvoltleitungen) sind mit eindeutigen Warnaufklebern gekennzeichnet. Folgende grundsätzliche Arten von Warnaufklebern gibt es: • Warnaufkleber mit dem Schriftzug „Danger“ (engl. Gefahr) auf rotem Grund Die Warnaufkleber mit dem Schriftzug „Danger“ kennzeichnen direkt die Hochvoltkomponenten. r001_025 • Die Hochvoltbatterie ist durch ein größeres Label mit ­entsprechenden Warnhinweisen gekennzeichnet. r001_023 r001_024 Kurzschlusserkennung Entladung von Restspannungen Als Überstromschutz ist eine Kurzschlusserkennung/Sicherung im Batteriesystem integriert, so dass im Auslösefall der Stromfluss unterbrochen wird. Im Hochvoltsystem stellt die Entladeschaltung bei einem Unfall mit Airbagauslösung oder einer unvorhergesehenen Störung sicher, dass das Hochvoltsystem in der Regel nach ca. 20 Sekunden spannungsfrei ist. 17 Isolationsüberwachung Zur Isolationsüberwachung, d. h. zur Überwachung, ob die Hochvoltpole von der Karosserie getrennt sind, wird der Isolations­ widerstand des Hochvoltsystems periodisch überwacht. Störungen werden mittels einer Warnmeldung, dem Aufleuchten einer gelben Lampe und dem Erklingen eines akustischen Signals im Kombigerät angezeigt. Abschaltung im Crashfall An beiden Batteriepolen befindet sich je ein Schutzrelais (Schütz), das für den Betrieb des Hochvoltsystems geschlossen wird. Im Falle eines Unfalls mit Airbag- oder Gurtstrafferauslösung erhält die Hochvoltbatterie ein Crashsignal zum Öffnen der Schutzrelais. Die Schutzrelais der Hochvoltbatterie öffnen und das Hochvolt­ system außerhalb der Batterie entlädt sich (siehe „Entladung von Restspannungen“). Die Hochvoltanschlüsse der Hochvoltbatterie sind dann spannungsfrei. Über die automatische Crashabschaltung hinaus enthalten die fahrzeugspezifischen Rettungsdatenblätter von Hybrid- und Elektrofahrzeugen Informationen darüber, wie das Hochvolt­ system und das Fahrzeug deaktiviert werden können. Hochvoltbatterie Hochvolt „Minus“ Schutzrelais Hochvolt „Plus“ Schutzrelais Crashsignal Batteriemanagementsystem Steuergerät für Airbag r001_056 18 Einsatzhinweise Der Umgang mit Hybrid- und Elektrofahrzeugen ist in der Regel nicht gefährlicher als der Umgang mit Benzin- oder Dieselfahrzeugen; er unterscheidet sich aber ggf. in einigen Punkten. Für den Rettungseinsatz bei Pkw-Unfällen kann die Kenntnis dieser Unterschiede von Bedeutung sein. Betriebsbereitschaft Die Betriebsbereitschaft kann ggf. nicht an den Betriebsgeräuschen erkannt werden, da die Elektromaschine geräuschlos ist. Der elektrifizierte Antrieb ist aktiv, wenn das Powermeter im Kombi-Instrument auf READY steht. Im Kapitel „Technische Hilfeleistung“ wird beschrieben, wie ein Hybrid- oder Elektrofahrzeug in der Regel immobilisiert und deaktiviert werden kann. Solange die linke große Zeigeranzeige des Powermeters nicht auf „off “ steht (z. B. auf Position READY), ist mit einem E-Maschinenbetrieb oder auch mit einem automatisch startenden Verbrennungsmotor zu rechnen. r001_062 19 Technische Hilfeleistung Durch das Hochvoltsicherheitskonzept, insbesondere die „Abschaltung im Crashfall“ ist in der Regel gewährleistet, dass keine elek­ trische Gefahr vom Hochvoltsystem nach einem Verkehrsunfall ausgeht. Im Falle eines Unfalls mit Airbagauslösung werden die Schutzrelais der Batterie geöffnet, so dass die Hochvoltanschlüsse des Batteriesystems dann spannungsfrei sind (siehe auch Kapitel „Abschaltung im Crashfall“. Eine Entladeschaltung in den weiteren Hochvoltkomponenten stellt sicher, dass diese nach spätestens 20 Sekunden spannungsfrei sind (siehe auch Kapitel „Entladung von Restspannungen“. Die Vorgehensweise der Rettungskräfte ist in der Regel durch entsprechende Gesetze, Vorschriften oder Richtlinien geregelt. In den nachfolgenden Kapiteln wird allgemein auf Punkte eingegangen, die bei der Technischen Hilfeleistung bei Unfällen von Fahrzeugen mit Hybrid- oder Elektroantrieb von Bedeutung sein könnten. Rettungsdatenblätter Fahrzeugspezifische Besonderheiten werden in den Rettungs­ datenblättern beschrieben. Die Rettungsdatenblätter für Fahrzeuge mit alternativem Antrieb können zusätzliche Informationen zum Umgang mit dem Fahrzeug enthalten. Insbesondere kann den Rettungsdatenblättern dieser Fahrzeuge meist die Vorgehensweise zur Fahrzeugdeaktivierung entnommen werden. Zusätzlich zur schematischen Drauf- und Seitenansicht (auf der ersten Seite) können Rettungsdatenblätter weitere Seiten mit folgenden Kapiteln enthalten: • • • • • Fahrzeug immobilisieren Zündung ausschalten Ladekabel trennen Hochvoltsystem deaktivieren 12-Volt-Batterie(n) trennen Neben den Angaben, die auch Rettungsdatenblätter für konventionell angetriebene Fahrzeuge enthalten, sind in den Rettungsdatenblättern für Hybrid- und Elektrofahrzeuge die Lage der Hochvoltbatterie, der Kabel zwischen Batterie und Motorraum und der Einrichtungen zur Deaktivierung des Hochvoltsystems dargestellt. Die in den Rettungsdatenblättern speziell für Hybrid- und Elektrofahrzeuge geltenden Symbole sind: Symbol Bezeichnung Symbol Bezeichnung Hochvoltbatterie Hochvoltleitungen und -komponenten Hochvolt-Rettungstrennstelle Sicherungskasten mit Sicherung zur Hochvolt-Deaktivierung Aus dem Beispiel auf der folgenden Seite können Sie den Gesamtaufbau eines Rettungsdatenblatts entnehmen. 20 Beispiel für ein Rettungsdatenblatt Blatt 1–4 des Rettungsdatenblatts des Audi A3 Sportback e-tron (Stand 05/2014) Blatt 1 Blatt 2 r001_034_2 Blatt 3 r001_034_3 Blatt 4 r001_034_1 speziell für Hybrid- und Elektrofahrzeuge geltende Symbole r001_034_4 Für Audi Fahrzeuge können die Rettungsdatenblätter heruntergeladen werden auf der Audi Internetseite unter: http://www.audi.de/rettungsleitfaden Eine Übersicht über die Bezugsquellen für Rettungsdatenblätter aller Automobilhersteller ist zu finden auf der Internetseite des Verbands der Automobilindustrie e. V. (VDA): http://www.vda.de/de/arbeitsgebiete/rettungsleitfaeden_feuerwehr/ 21 Fahrzeug immobilisieren Je nach Einsatzlage ist das Fahrzeug durch geeignete Mittel zu stabilisieren (Anschlagmittel, Unterlegkeile usw.). Die fahrzeugeigene Parkbremse sollte betätigt werden. Handbremse r001_042 Moderne Fahrzeuge können statt mit einer manuellen Parkbremse (Handbremse) auch mit einer elektronischen Parkbremse (elektromechanische Parkbremse) ausgestattet sein. Diese befindet sich in der Regel neben oder hinter dem Schalt-/Wählhebel und wird durch „Ziehen“ betätigt. Elektromechanische Parkbremse r001_043 Bei Fahrzeugen mit Automatikgetriebe sollte zusätzlich das Getriebe in Stellung „P“ (Parken) gebracht werden. Wählhebel in Stellung „P“ bringen 22 r001_038 Zündung ausschalten Bei Fahrzeugen mit Zündschloss kann die Zündung durch Drehen des Zündschlüssels in Richtung Insassen „Stellung 0“, wie im Bild dargestellt, ausgeschaltet werden. r001_045 Fahrzeug mit Zündschloss Bei Fahrzeugen mit Komfortschlüssel ist kein konventionelles Zündschloss verbaut. Der Fahrer muss den Fahrzeugschlüssel lediglich bei sich tragen. Mit der Taste „START ENGINE STOP“ wird die Zündung ein- bzw. ausgeschaltet und der Motor gestartet bzw. gestoppt. Bei eingeschalteter Zündung ist die Taste „START ENGINE STOP“ einmal zu drücken, um die Zündung aus zu schalten. r001_046 Taste „START ENGINE STOP“ Vergewissern Sie sich vor dem Betätigen der Taste „START ENGINE STOP“, dass das Kupplungspedal (Schaltgetriebe) bzw. Bremspedal (Automatikgetriebe) nicht gedrückt ist. Der Motor startet sonst! r001_102 Ladekabel trennen 1 1 Ist ein mit einer Ladesäule verbundenes Fahrzeug in einen Unfall verwickelt, ist nicht in jedem Fall sicher gestellt, dass der Ladevorgang unterbrochen wird. r001_095 Es empfiehlt sich, durch Ziehen des Steckers an der Ladesäule das Unterbrechen des Ladevorgangs sicher zu stellen. r001_096 2 Um ein Ladekabel vom Fahrzeug zu trennen, sind folgende Arbeitsschritte notwendig: 1. Fahrzeug entriegeln über Funkschlüssel oder Zentralverriegelungsschalter im Innenraum 2. Das Ladekabel vom Fahrzeug trennen r001_097 23 Hochvoltsystem deaktivieren Das Hochvoltsystem von Audi Fahrzeugen wird bei Airbagauslösung automatisch deaktiviert. Darüber hinaus wird in den Rettungsdatenblättern für Hybrid- und Elektrofahrzeuge meist eine weitere Möglichkeit zur Deaktivierung des Hochvoltsystems beschrieben. Bei einigen Fahrzeugen kann es ausreichen, die Zündung auszuschalten und die 12-Volt-Batterie abzuklemmen, um auch das Hochvoltsystem zu deaktivieren. Verfügt das Fahrzeug allerdings über einen Gleichstrom (DC/DC) Wandler, bei dem das 12-Volt-System vom Hochvoltsystem gestützt bzw. eingespeist werden kann, reicht das alleinige Ausschalten der Zündung und Abklemmen der 12-Volt-Batterie(n) nicht aus zur Deaktivierung des Hochvoltsystems und des 12-VoltSystems. Das Hochvoltsystem eines solchen Fahrzeugs kann dann über eine der zusätzlichen Hochvolt-Deaktivierungsmöglichkeiten ausgeschaltet werden. Service-Disconnect Manche Fahrzeuge verfügen über einen sogenannten „ServiceDisconnect“ Stecker. Wenn dieser nicht im Rettungsdatenblatt erwähnt ist, so ist dieser Stecker nicht für die Hochvolt-Deaktivierung nötig bzw. ggf. nicht als Rettungstrennstelle für die ­Rettungskräfte ausgelegt. In den Bildern ist die Bedienung des Service-Disconnects dargestellt. Im ersten Schritt wird der Hebel gezogen, im zweiten Schritt nach oben geklappt und herausgezogen. Schritt 1: • Hebel ziehen r001_083 Schritt 2: • Hebel nach oben klappen und Stecker herausziehen r001_084 Ist der Service-Disconnect-Stecker so ausgelegt, um von den Rettungskräften zum Deaktivieren des Hochvoltsystems genutzt zu werden, so ist dies im Rettungsdatenblatt, wie im Bild dargestellt, markiert. 24 Hochvolt-Rettungstrennstellen-Stecker Eine weitere Ausführung der Einrichtung zur Deaktivierung des Hochvoltsystems ist im Bild dargestellt. Der Stecker hat ein grünes Steckergehäuse und eine Lasche zum Entriegeln. Ein gelbes Label am Steckerkabel weist den Stecker eindeutig als Rettungstrennstelle aus. r001_047 Hochvolt-Rettungstrennstellen-Stecker Lasche Der Stecker kann in verschiedenen Stellen im Fahrzeug, wie z. B. im Motorraum, verbaut sein. Er ist mit dem Symbol „­ HochvoltRettungstrennstelle“ im Rettungsdatenblatt gekennzeichnet. Symbol „Hochvolt-Rettungstrennstelle“ im Rettungsdatenblatt Beispiel – Verbauort im Motorraum Zur Entriegelung des Hochvolt-Rettungstrennstellen-Steckers wird zuerst die rote Lasche am Stecker herausgezogen. r001_050 Dann wird bei gleichzeitigem Drücken der roten Lasche der schwarze Stecker ganz aus dem grünen Steckergehäuse heraus­ gezogen, bis dieser arretiert. r001_089 r001_090 ... Lasche herausziehen ... schwarzen Stecker herausziehen Label am Hochvolt-Rettungstrennstellen-Stecker zur Erläuterung der Betätigung der Hochvolt-Unterbrechung am Hochvolt-­ Rettungstrennstellen-Stecker. r001_052 25 Label Sicherung Um eine zusätzliche Möglichkeit der Deaktivierung des Hochvoltsystems zu bieten, ist bei manchen Hybrid- und Elektrofahrzeugen eine Sicherung im Sicherungskasten speziell für Rettungskräfte mit einem Label markiert. Symbol „Sicherungskasten mit Sicherung zur Hochvolt-Deaktivierung“ im Rettungsdatenblatt Sicherungskasten mit einer durch ein Label (gelb) markierten Sicherung zur Deaktivierung des Hochvoltsystems Die Sicherung kann einfach herausgezogen werden, um das Hochvoltsystem zu deaktivieren. Der Sicherungskasten, der diese Sicherung enthält, ist im Rettungsdatenblatt mit einem orange­ farbenen Sicherungs-Symbol „Sicherungskasten mit Sicherung zur Hochvolt-Deaktivierung“ gekennzeichnet. Darüber hinaus enthält das Rettungsdatenblatt in diesem Fall meist weitere Informationen über die genaue Verortung und den Zugang zum Sicherungskasten. r001_053 r001_091 Label an der Sicherung zur Deaktivierung des Hochvoltsystems 12-Volt-Batterie(n) trennen Die Lage der 12-Volt-Batterie(n) kann dem Rettungsdatenblatt entnommen werden. Wenn die Batterie komplett abgeklemmt werden soll, ist zuerst der Masse/Minus-Pol zu trennen, dann der Plus-Pol. r001_099 Fahrzeugbrand Fahrzeug unter Wasser Im Brandfall sollten Hybrid- und Elektrofahrzeuge mit Wasser gelöscht werden. Dabei können auch Zusätze (z. B. Schaummittel) verwendet werden. Sollte sich ein Hybrid- oder Elektrofahrzeug im Wasser befinden, besteht in der Regel keine Gefahr, dass Spannung an der Karosserie anliegt. Weitere geeignete Löschmittel sind Schaum, CO2 und Löschpulver. Nach der Bergung eines Fahrzeugs aus dem Wasser sollten Einsatzkräfte das Wasser aus dem Innenraum ablaufen lassen. Auf geeignete Schutzausrüstung (z. B. Pressluftatmer, Brandschutzkleidung usw.) ist zu achten. 26 Arbeiten am Fahrzeug können anschließend unter Einhaltung der genannten Einsatzhinweise durchgeführt werden. Erdgasantrieb (g-tron) 27 Fahrzeugidentifizierung – Erdgasfahrzeuge Erdgasfahrzeuge unterscheiden sich von außen meist nicht von den konventionell angetriebenen Modellen. Eine Typbezeichnung am Fahrzeugheck oder am Kotflügel kann darauf hinweisen, dass es sich um ein Erdgasfahrzeug handelt. Bei Audi wird für Erdgasfahrzeuge der Schriftzug „g-tron“ ­verwendet, bei anderen Automobilherstellern „NGT“, „TGI“, „Natural Power“ usw. Verfügt das Fahrzeug über keine Typbezeichnung, können auch andere Merkmale auf ein Fahrzeug mit Erdgassystem hinweisen. Beim Audi A3 Sportback „g-tron“ sind dies beispielsweise: • Erdgastankstutzen • Tankanzeige im Kombiinstrument • Kennzeichnungen bzw. Schriftzug im Kombiinstrument Das Fehlen dieser Kennzeichen ist jedoch kein eindeutiges Indiz dafür, dass es sich um ein Fahrzeug ohne Erdgassystem handelt. Schriftzüge sind teilweise abbestellbar oder könnten auch von den Fahrzeugbesitzern entfernt worden sein. Erkennungsmerkmale – Erdgasfahrzeuge Typbezeichnung „g-tron“ am Fahrzeugheck r001_029 Tankklappe offen, mit zusätzlichem Erdgastankstutzen r001_028 Erdgastankstutzen Tankanzeige und Schriftzug im Kombiinstrument r001_070 Schriftzug auf der Designabdeckung im Motorraum r001_049 28 Technische Grundlagen Einleitung Bei den Audi Erdgasfahrzeugen wird der Verbrennungsmotor mit Erdgas oder auch mit Benzin betrieben. Primär erfolgt der Antrieb mit Erdgas, der Benzintank dient als Reserve. Der Umgang mit Erdgasfahrzeugen ist in der Regel nicht gefährlicher als der Umgang mit Benzin- oder Dieselfahrzeugen, er unterscheidet sich aber ggf. in einigen Punkten. Für den Rettungseinsatz bei Pkw-Unfällen kann die Kenntnis dieser Unterschiede von Bedeutung sein. Erdgas (CNG – Compressed Natural Gas bezeichnet) darf nicht mit Flüssiggas bzw. auch Autogas (auch LPG – ­Liquified Petroleum Gas) verwechselt werden. Flüssiggas und Flüssiggasanlagen unterscheiden sich in grundlegenden Eigenschaften von Erdgas und Erdgasanlagen. Audi A3 Sportback g-tron als Beispiel für ein Erdgasfahrzeug Verbrennungsmotor für Erdgas und Benzin Erdgastanks Benzintank r001_026 29 Erdgas als Medium Physikalische Eigenschaften von Erdgas: • Erdgas ist ein farbloses brennbares Gas (Brandklasse C), das im Ursprungszustand geruchlos ist. • Für den Einsatz z. B. im Fahrzeug wird Erdgas odoriert, d. h. es wird ein Geruchsstoff beigemischt. Ein Erdgasaustritt kann deshalb bereits vor dem Erreichen der unteren Explosionsgrenze festgestellt werden. • Erdgas ist leichter als Luft (Dichteverhältnis Erdgas/Luft ca. 0,6) und verflüchtigt sich deshalb im Freien rasch! • Explosionsbereich zwischen 4 Vol.-% und 17 Vol.-% • Zündtemperatur ca. 640 °C Audi A3 Sportback g-tron – Übersicht der Erdgaskomponenten Tankeinfüllstutzen für Benzin Gaseinfüllstutzen Elektronischer Gasdruckregler Erdgasrail (Gasverteilerleiste) Erdgasleitung Kraftstoffleitungen (Benzin) Erdgastanks Benzintank r001_100 30 Erdgastechnik – „g-tron“ Schematische Übersicht des Erdgassystems Ein Erdgassystem besteht aus einem Hochdruck- und einem ­Niederdruckbereich. Im Hochdruckbereich ist der Systemdruck 200 bar im Niederdruckbereich ca. 6 – 9 bar. Vom elektronischen Gasdruckregler wird das Gas in das Erdgasrail gefördert, wo es über die Einblasventile in den Motor eingeblasen wird. Der Gaseinfüllstutzen und die Erdgastanks mit den Ventilen für Tankabsperrung befinden sich im Hinterwagen des Fahrzeugs. Die Gasleitungen verlaufen am Unterboden des Fahrzeugs zum elek­ tronischen Gasdruckregler im Motorraum. Erdgasrail (Gasverteilerleiste) Gaseinblasventil Elektronischer Gasdruckregler Niederdruckbereich Erdgas Rückschlagventil Verteilerstück Hochdruckbereich Erdgastanks r001_033 Ventil für Tankabsperrung Gaseinfüllstutzen 31 Erdgastanks Die beiden Erdgastanks sind beim Audi A3 Sportback g-tron im Heckbereich an der Unterseite des Fahrzeugs verbaut. Sie sind mittels Spann­bändern an einem Träger befestigt, welcher mit der Karosserie verschraubt ist. Beim Betanken und Entleeren, aber auch durch Temperaturschwankungen, kann sich der Durchmesser der Erdgastanks im Betrieb um bis zu 2 mm verändern. Damit durch das Ausdehnen und Zusammenziehen keine Beschädigungen an den Erdgastanks hervorgerufen werden, ist zwischen den Erdgastanks, den Spannbändern und dem Träger eine Schutzauflage platziert. r001_072 Spannband mit Schutzauflage Erdgastanks Aufbau Die Erdgastanks bestehen aus einem Kunststoff-Materialmix mit schichtweisem Aufbau. Schichtaufbau: • Innen – Lage aus gasdichtem Polyamid • Darauf aufbauend – Schicht aus kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff (CFK) • Äußere Schicht – glasfaserverstärkter Kunststoff (GFK) (Sie dient vor allem der Robustheit und dem Schutz gegen Beschädigung) Als Bindemittel für die verwendeten Faserwerkstoffe dient Epoxidharz mit hoher Festigkeit. r001_073 Innere Schicht – gasdichtes Polyamid Mittlere Schicht – kohlenstofffaserverstärkter Kunststoff (CFK) Äußere Schicht – glasfaserverstärkter Kunststoff (GFK) Verteilerstück mit Rückschlagventil Ventil für Tankabsperrung 32 Sicherheitseinrichtungen Die Erdgasanlage ist so gebaut, dass Sie vor Beschädigungen geschützt ist. Die Gastanks sind stabil und hitzebeständig. Die Hochdruckleitungen verlaufen außerhalb des Fahrgastraums. Die Erdgaskomponenten sind mit verschiedenen Sicherheits­ einrichtungen ausgestattet. Erdgasfahrzeuge haben in der Regel die gleiche Sicherheit wie ein konventionell angetriebenes Fahrzeug. Flaschenventil Die Flaschenventile haben neben den Ventilen für Tankabsperrung eine integrierte Thermosicherung, einen Durchflussmengenbegrenzer sowie ein Hand-Absperrventil. Sollte es einsatzbedingt notwendig sein, die Gastanks abzusperren, muss jeder Gastank separat abgesperrt werden. Mit einem 5er Maul- bzw. Ringschlüssel lässt sich das HandAbsperrventil (manueller Absperrhahn) am Vierkant durch Drehen im Uhrzeigersinn bis zum Anschlag des Ventils verschließen. Anschluss Gastank (mit Durchflussmengenbegrenzer) Hand-Absperrventil (manueller Absperrhahn) Ventil für Tankabsperrung r001_027 Thermosicherung Anschluss für Gasleitung zum Motor 33 Ventil für Tankabsperrung Das Ventil für Tankabsperrung ist ein elektromagnetisches Ventil und wird vom Motorsteuergerät während des Erdgasbetriebs geöffnet. Das Ventil schließt bei Motorstillstand, im Benzinbetrieb, bei einem Verlust der Spannungsversorgung sowie im Crashfall mit Gurtstraffer- und/oder Airbagauslösung automatisch. r001_074 Ventil für Tankabsperrung (elektromagnetisch) Durchflussmengenbegrenzer Der Durchflussmengenbegrenzer reduziert bei einer eventuellen Beschädigung von Leitungen oder des Gasdruckreglers einen unkontrollierten Gasaustritt. Der Durchflussmengenbegrenzer reduziert die Leckage auf max. 0,05 Nm³/min bei 100 bar, d. h. eine geringe Restleckage bleibt vorhanden. Bei Flaschenventilen mit Hand-Absperrventil (manuellem Absperrhahn) lässt sich der Kraftstoffaustritt durch Schließen des Hand-Absperrventils vollständig unterbinden. r001_075 Durchflussmengenbegrenzer 34 Thermosicherung Öffnung zur Außenluft Die Thermosicherung verhindert ein Bersten des Erdgastanks durch übermäßigen Druckanstieg bei zu hohen Temperaturen. Bei normalen Temperaturen verschließt das Schmelzlot die Öffnung zur Außenluft. r001_076 Thermosicherung (Schmelzlotsicherung) Wird die Thermosicherung über einen bestimmten Zeitraum mit einer Temperatur größer 110 °C erwärmt, schmilzt das Schmelzlot und die Öffnung zur Außenluft wird freigegeben. Das Erdgas aus dem Kraftstoffbehälter entweicht nun gedrosselt in die Atmosphäre (Abblasen), entzündet sich, sofern eine Zündquelle vorhanden ist, und fackelt dann ab. Das Abblasen lässt sich systembedingt nicht unterbrechen, d. h. der Tank wird in jedem Fall nahezu vollständig entleert. r001_077 Abblasen des Erdgases Hand-Absperrventil (manueller Absperrhahn) Durch das Hand-Absperrventil kann der Erdgastank manuell mit handelsüblichem Werkzeug gasdicht verschlossen werden – siehe dazu auch Hinweistext zu „Flaschenventil“ (Seite 33). Die Verbindung zum Ablasskanal der Thermosicherung ist aus Sicherheitsgründen auch bei geschlossenem manuellem Absperrhahn geöffnet. r001_078 Ablasskanal zur Thermosicherung Hand-Absperrventil 35 Einsatzhinweise Der Umgang mit Erdgasfahrzeugen ist in der Regel nicht gefährlicher als der Umgang mit Benzin- oder Dieselfahrzeugen; er unterscheidet sich aber ggf. in einigen Punkten. Für den Rettungseinsatz bei Pkw-Unfällen kann die Kenntnis dieser Unterschiede von Bedeutung sein. Technische Hilfeleistung Durch das Sicherheitskonzept, insbesondere die Verbauweise der Erdgastanks und dazugehörender Komponenten, wie auch z. B. die Regelung des Gasdrucks zur Vermeidung von unzulässigem Überdruck im Gassystem, ist in der Regel gewähr­leistet, dass keine besondere oder zusätzliche Gefahr vom Erdgassystem ausgeht. Die Vorgehensweise der Rettungskräfte bei Erdgasfahrzeugen ist in der Regel durch entsprechende Gesetze, Vorschriften oder Richt­ linien geregelt. In den nachfolgenden Kapiteln wird allgemein auf Punkte eingegangen, die bei der Technischen Hilfeleistung bei Unfällen mit Fahrzeugen mit Erdgasantrieb von Bedeutung sein könnten. Rettungsdatenblätter Fahrzeugspezifische Besonderheiten werden in den Rettungs­ datenblättern beschrieben. Die Rettungsdatenblätter für Fahrzeuge mit Erdgasantrieb können dazu zusätzliche Informationen zum Umgang mit dem Fahrzeug enthalten. Insbesondere kann den Rettungsdatenblättern dieser Fahrzeuge in der Regel die Vorgehensweise zur Fahrzeugdeaktivierung entnommen werden. Zusätzlich zur schematischen Drauf- und Seitenansicht (auf der ersten Seite) können Rettungsdatenblätter weitere Seiten mit folgenden Kapiteln enthalten: • Zugang zu den Erdgastanks • manuelle Absperrhähne lokalisieren • Gastank von Hand schließen Neben den Angaben, die auch Rettungsdatenblätter für konventionell angetriebene Fahrzeuge enthalten, sind in den Rettungsdatenblättern für Erdgasfahrzeuge die Lage der Erdgas-Drucktanks und der Sicherheits-Tankventile dargestellt. Die in den Rettungsdatenblättern speziell für Erdgasfahrzeuge geltenden Symbole sind: Symbol Bezeichnung Erdgas-Drucktank Symbol Bezeichnung Sicherheits-Tankventil Aus dem Beispiel auf der folgenden Seite können Sie den Gesamtaufbau eines Rettungsdatenblatts entnehmen. 36 Beispiel für ein Rettungsdatenblatt Blatt 1 und 2 des Rettungsdatenblatts des Audi A3 Sportback g-tron (Stand 05/14) Blatt 1 Blatt 2 r001_031_2 speziell für Erdgasfahrzeuge geltende Symbole r001_031_1 Für Audi Fahrzeuge können die Rettungsdatenblätter heruntergeladen werden auf der Audi Internetseite unter: http://www.audi.de/rettungsleitfaden Eine Übersicht über die Bezugsquellen für Rettungsdatenblätter aller Automobilhersteller ist zu finden auf der Internetseite des Verbands der Automobilindustrie e. V. (VDA): http://www.vda.de/de/arbeitsgebiete/rettungsleitfaeden_feuerwehr/ 37 Verkehrsunfall bzw. Gasaustritt an einem Erdgasfahrzeug Allgemeine Vorgehensweise Vorgehensweise bei Austritt von Erdgas Grundsätzlich sollten nach einem Unfall (wie bei allen Fahrzeugen der Audi AG) folgende Maßnahmen ergriffen werden: Wird an der Unfallstelle ein Austritt von Erdgas festgestellt (z. B. aufgrund von Gasgeruch), sollten die folgenden Maßnahmen ergriffen werden: • Zündung ausschalten • Batterie(n) abklemmen • Anhängerstromversorgung trennen Auf das Abklemmen der Batterie sollte bei kritischer Gaskonzentration (>20 % UEG) verzichtet werden. • • • • Motor abstellen Zündung ausschalten Gefahrenbereich räumen und absperren Fahrzeug nicht starten, ggf. durch Schieben aus geschlossenen Räumen entfernen • Fahrzeuginnenraum belüften (Türen, Fenster, Motorhaube und Kofferraum öffnen) • Gaskonzentration feststellen, Ansammlung in Hohlräumen beachten ggf. für Querlüftung sorgen; Erdgas mit Lüfter „verblasen“; Zündquellen vermeiden. Fahrzeugbrand Bei einem Fahrzeugbrand, bei dem auch die Erdgastanks mit Hitze beaufschlagt werden, sprechen bei einer Temperatur von ca. 110 °C die Thermosicherungen an und es kommt zum definierten Abblasen des Erdgases, welches sich entzündet und verbrennt. Das Abblasen eines vollen Erdgastanks dauert bis zur vollständigen Entleerung ca. 90 Sekunden. Fahrzeuge können mit einem oder mehreren Gastanks ausgestattet sein. Der Zeitpunkt, wann welcher Tank abbläst/abfackelt, ist nicht genau bestimmbar. Sofern keine weiteren Gefahren, wie z. B. das Übergreifen auf andere Objekte usw., vorhanden sind, ist im Falle abblasenden und verbrennenden Erdgases das kontrollierte Abbrennen des Fahrzeugs in Erwägung zu ziehen. Liegt das Fahrzeug auf der Seite oder auf dem Dach, kann es beim Ansprechen der Überdrucksicherung zu einer Stichflamme kommen. Steht das Fahrzeug auf den Rädern wird der Gasstrom unterhalb des Gastanks senkrecht zum Boden geleitet. Es ist ein Sicherheitsabstand vom Fahrzeug einzuhalten. Dem Fahrzeug ist sich möglichst schräg von vorn zu nähern. Der Gastank ist nach Möglichkeit aus der Deckung heraus mit Wasser zu kühlen, damit eine Erhitzung bis zum Ansprechen der Überdrucksicherung vermieden wird. Die Kühlung des Tanks ist auch beim Ansprechen der Überdrucksicherung fortzusetzen. Sobald kein Erdgas mehr abgeblasen wird, kann mit der konventionellen Brandbekämpfung begonnen werden. Sind die Erdgastanks vom Brandgeschehen nicht betroffen (z. B. bei einem Brand im Motorraum) kann ebenfalls direkt die Brand­ bekämpfung eingeleitet werden. 38 Das Ansprechen einer Überdrucksicherung kann am lauten Abblasgeräusch (Zischen) erkannt werden! 39 AUDI AG I/EK-5 85045 Ingolstadt www.audi.de Stand: Januar 2015