Pharmazeutische Interventionen Ein Fallbericht aus dem Birmingham Children´s Hospital Dr. Y. Remane1, Dipl. Clin. Pharm. Astrid Gerrard2, Dipl. Clin. Pharm. Rhian Isaac2, 2 1 Apotheke des Universitätsklinikum Leipzig AöR, Liebigstr. 20, 04103 Leipzig, Deutschland Pharmacy Department, Birmingham Children´s Hospital NHS Foundation Trust, Steelhouse Lane, Birmingham B4 6NH, UK Analyse - Plan Einleitung Während eines 4-wöchigen Erfahrungsaustausches am Birmingham Children´s Hospital, United Kingdom, wurde der klinische Fall eines Frühgeborenen der 32. Schwangerschaftswoche mit Ösophagusatresie und ösophagaler Fistel interdisziplinär betreut. Über die Ösophagusatresie hinaus litt das Baby an weiteren Erkrankungen und zusätzliche Diagnosen wurden gestellt (mitochondriale Stoffwechselstörung, neonatale Hämochromatose, nekrotisierende Enterocolitis). Die Verordnungen wurden vom pharmazeutischen Personal zweimal täglich überprüft. Die pharmazeutischen Interventionen bestanden in der Überwachung der Antibiotikatherapie, Überprüfung der Phenobarbitalund Vancomycin-Spiegel sowie der Berechnung und Anpassung der parenteralen Ernährung. Die Fallbewertung erfolgte nach dem SOAP-Schema – Ermittlung der subjektiven und objektiven Daten, deren Analyse und abschließend Erstellung eines Interventionsplanes. Phenobarbital i.v. zur Vermeidung von Krampfanfällen Häufigkeit 6-13 % bei Frühgeborenen 5 mg/kg → Blutlevelüberwachung 15-40 mg/l Pharmazeutische Intervention: START TPN Tag 3 nach der Geburt - Verordnung durch Apotheker ↑ Glucoseanteil: 14 g/kg, da niedriger Blutzuckerlevel ↓ Acetat, da ↑ Bicarbonat → Anstieg von pCO2 → Azidosegefahr ÄNDERUNG TPN Tag 14 nach der Geburt Bilirubin ↑ 60 µmol/l (0-15) NHS Leitlinie: Umstellung von Intralipid*→SMOF-Lipid** *Intralipid = Sojabohnenöl, **SMOF-Lipid = Sojabohnenöl, Omega-3-Fettsäuren, Olivenöl MRSA Nachweis und bakterielle Lungeninfektion Tag 13 nach der Geburt - MRSA Eradikationsprotokoll • Mupirocin 2% Nasensalbe /Chlorhexidin 4% Waschlösung Positiver MRSA auf der Haut • Vancomycin i.v. → invasiver MRSA-Nachweis Subjektive Parameter Frühgeborenes Der Säugling befindet sich im schlechten Allgemeinzustand, seine Hautfarbe ist gelb, er ist untergewichtig und nicht selbst atmungsfähig. Weiterhin ist er fiebrig und zeigt Anzeichen einer Infektion. Sein Bauch ist aufgetrieben. Dosierung: 27 mg 2x tgl. → Blutlevelüberwachung 10-15 mg/l vor nächster Applikation 20-40 mg/l nach Applikation TDM Vancomycin Pharmazeutische Intervention: * Tage Antibiotikatherapie Objektive Parameter Frühgeborenes Mit Ösophagusatresie mit tracheo-ösophagealer Fistel 32. Schwangerschaftswoche männlich, Gewicht 2 kg, beatmet, PEG-Sonde, TPN vorzeitiger Blasensprung > 24 Stunden vor Geburt VERDACHT: MITOCHONDRIALE STOFFWECHSELSTÖRUNG Tag 13 nach der Geburt - Hyperkaliämie bei Umstellung von TPN auf enterale Ernährung offener Ductus Botalli Behandlung: Glucose 50% 2x3,7 ml / Insulin 2x0,18 IE Ösophagusatresie keine durchgängige Speiseröhre, keine Verbindung mit dem Magen Tracheo-ösophageale Fistel Verbindung zwischen Luft- und Speiseröhre Speichel oder Nahrung gelangen in die Lunge → Verbesserung der intrazellulären Kaliumaufnahme für 2-3 Std. Calciumgluonat 10% 0,2,mmol 3x → V e rb e s s e ru n g d e r m y o k a rd ia le n S ta b ilitä t Natriumbicarbonat 1,8 mmol → gegen Acidose VERDACHT: NEONATALE HÄMOCHROMATOSE Tag 16 nach der Geburt – Entgleisung der Leberwerte Bild: K. Bauer modifiziert nach www.keks.org Mutter Schwangerschaftdiabetes – Metformin 1000 mg 2x tgl Während Metformin zur Einleitung einer Schwangerschaft beim polycystischen Ovarialsyndrom (PCO) eingesetzt wird, ist die Einnahme während der Schwangerschaft kontraindiziert, um fetalen Fehlbildungen vorzubeugen. (Quelle: Fachinformation Metformin-ratiopharm 1000 mg) Erste Bestimmung vor der 3. Gabe – korrekt: vor 4. oder 5. Gabe Tag 19 (X) → Änderung von 2x täglich auf 3x täglich Tag 21 → Blutentnahme: 1,5 Stunden zu früh „Eisenspeicherkrankheit“ ↑ Alkalische Phosphatase 1382 (150-700 I.E./l) ↑ Alanin-Transaminase 420 (0-40 I.E./l) Behandlung: Selen 3 µg/kg/d Prostaglandin E 0,5 µg/kg/h Acetylcystein 200 mg/kg/d Desferoxamin 30 mg/kg/d Vitamin E 25 IE/kg/d DIAGNOSE: NEKROTISIERENDE ENTEROCOLITIS Tag 19 nach der Geburt Häufigkeit: 1/10 Frühgeborenen < 1,5 kg Geburtsgewicht Symptome: Aufgetriebener Bauch, Minderperfusion der Darmwand und Infektion Tag 25 nach der Geburt Operative Entfernung Teile des toten Darmgewebes Zusammenfassung Auf Intensivstationen werden Patienten mit komplexen Symptomen behandelt, deren Diagnosestellung häufig langwierig ist. Die Prognose dieser Patienten eigenständig lebensfähig zu werden ist eher schlecht. Trotzdem können durch die tägliche Arbeit eines Pharmazeuten auf der Kinderintensivstation jedoch frühzeitig Verordnungsfehler erkannt und lebensnotwendige Interventionen ergriffen werden.