Milchfieber bei Zuchtschweinen

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Milchfieber bei Zuchtschweinen
Niklaus Scheiwiller, Ing. Agr. ETH, Vital Beratungsdienst Ostschweiz
Was man allgemein als Milchfieber bezeichnet, wird unter der Abkürzung MMA-Komplex
zusammengefasst:
Metritis = Gebärmutterentzündung
Mastitis = Gesäugeentzündung
Agalaktie = Milchmangel
Die Krankheit tritt nach der Geburt auf und
äussert sich durch Störung des Allgemeinbefindens, schlechte Fresslust bis hin zur Futterverweigerung, Darmträgheit, Verstopfung,
Fieber, eitrigem Scheidenausfluss, geschwollenen Gesäugeabschnitten und Milchmangel.
Selbstverständlich können die beschriebenen
Symptome auch einzeln oder in abgeschwächter Form auftreten.
Um die Krankheit verstehen und ihr begegnen
zu können, ist es wichtig, dass man deren
Ursachen kennt. In erster Linie handelt es
sich um eine Infektion durch Schmutz- und
Fäkalkeime wie Colibakterien, Streptokokken
und Staphylokokken. Die bakteriellen Toxine
sind für Störungen des Allgemeinbefindens
und Fieber bis hin zu Kreislaufstörungen verantwortlich und verhindern, dass das für die
Milchbildung notwendige Hormon Prolaktin
zur Wirkung kommt. Bei mangelnder Hygiene
in den Abferkelboxen besteht die Möglichkeit,
dass Erreger aus Kot und Urin in Zitzenkanäle
und Scheide eindringen. Schwergeburten
sind ein weiterer Risikofaktor. Je länger die
Geburtswege offen bleiben, umso grösser ist
die Gefahr einer Gebärmutterentzündung. Bei
Darmträgheit und Verstopfung reichern sich
durch das lange Verweilen des Kotes im
mikrobiell sehr aktiven Dickdarm Schaderreger an. Endotoxine werden beim Zerfall der
Bakterien frei und verursachen Fieber (ev.
auch Untertemperatur). Durch das schlechte
Allgemeinbefinden kann sich die Geburt verzögern. Harnwegsinfektionen sind eine weitere gefährliche Keimquelle für Gebärmutterinfektionen. Ein weiteres Risiko stellt die fehlende Immunität von zugekauften Remonten
dar. Um hier Probleme zu vermeiden, sollte
nach einer dreiwöchigen Quarantänezeit in
der folgenden Akklimatisierungsphase das
Immunsystem der Jungsauen durch gezielten
Kontakt zu einzelnen Bestandestieren an die
Betriebsflora adaptiert werden. Die Trennung
vom Rest der Herde bleibt allerdings vorerst
aufrechterhalten. Die schrittweise Anpassung
der Jungsauen macht Sinn. Denn durch einen
zu frühen Kontakt mit der Herde könnte das
untrainierte Immunsystem der Jungsauen
„überrannt“ werden. In der Folge besteht das
Risiko, dass diese Tiere erkranken.
Aus den oben beschriebenen Ursachen können Massnahmen zur Verhinderung des
Milchfiebers abgeleitet werden. Was die Hygiene anbelangt, muss der Keimdruck in den
Abferkelbuchten auf ein Minimum reduziert
werden, um die Gefahr einer Infektion über
Zitzenkanäle und Scheide möglichst klein zu
halten. Das heisst, die Abferkelbucht muss
vor der Neubelegung gereinigt und desinfiziert
werden (Venno-Vet 1 super, Neopredisan
135-1). Ausserdem ist es ratsam, auch die
Sauen vor dem Umstallen zu waschen.
Durch Schwergeburten wird der Geburtsvorgang verzögert und somit steigt das Infektionsrisiko. Anzustreben ist eine schnelle, reibungslose Geburt. In diesem Zusammenhang
sind überfette Schweine zu vermeiden. Die
Fütterung hat phasengerecht zu erfolgen
(Galt- und Säugendfütterung).
Der Phase um die Geburt herum ist besondere Beachtung zu schenken, da diese für die
Sau eine enorme Stresssituation darstellt.
Bei Problemen kann ein spezielles Abferkelfutter (ca. 5 – 7 Tage vor der Geburt bis 2
Tage nach der Geburt) eingesetzt oder das
übliche Futter mit diätischen Zusätzen ergänzt
werden. Es kommen Prä- und Probiotika (z.
Bsp. Huminsäure, Milchsäurebakterien) in
Frage. Diese helfen eine gesunde Darmflora
aufzubauen. Ebenfalls können geeignete Futtersäuren mit einer antimikrobiellen Wirkung
gegen pathogene Keime im Magen-DarmTrakt eingesetzt werden. Das Ziel muss sein,
die Verdauung in Schwung zu halten und eine
gesunde Magen-Darm-Flora aufrecht zu erhalten. Durch kurzfristige Futterrestriktion vor
dem Geburtstermin können Verstopfungen
vermieden werden. Achtung! Die Futterreduktion sollte nicht über eine längere Zeit andauern, da sich dies sonst negativ auf das Wurfgewicht und das Nährstoffdepot (Laktationsbeginn) der Sau auswirken kann. Für eine
geregelte Verdauung muss einerseits eine
gewisse Futtermenge nachgeschoben werden
können und andererseits genügend quellfähige Rohfaser verabreicht werden (Weizenkleie,
Trockenschnitzel oder ev. ein Rohfaserkonzentrat). Durch die diätischen Effekte quellfähiger Rohfaserkomponenten erreichen wir
eine Darmfüllung mit gleichmässiger Futter-1-
passage, Wasserbindung sowie ein rascheres
Ausscheiden von belastenden Stoffwechselendprodukten.
Harnwegsinfektionen werden zum Teil durch
dieselben Erreger verursacht, die auch beim
MMA-Komplex die wichtigste Rolle spielen. In
diesem Falle werden die Harnorgane zur Infektionsquelle für die Fortpflanzungsorgane
und es kann in der Folge zu Milchfieber kommen. Um dieses Risiko möglichst klein zu
halten, ist immer auf eine ausreichende Wasserversorgung zu achten. Nehmen die Tiere
nur wenig Wasser auf, wird die Harnblase
seltener durchgespült und Bakterien können
sich somit anreichern. Der Wasserbedarf
steigt um den Geburtszeitpunkt an, da einerseits Wasser für die Milchbildung benötigt
wird und andererseits vermehrt Wasser in das
Bindegewebe des Geschlechtsapparates eingelagert wird. Vor der Geburt soll den Sauen
eine Extraportion Wasser in den Trog gegeben werden. Keime vermehren sich in der
Blase besonders stark, wenn sich der pHWert im alkalischen Bereich über pH 7.5 befindet. Durch eine pH-Absenkung verlieren die
Bakterien ihre günstigen Wachstumsbedingungen. Ein zu hoher Harn-pH kann durch
rein diätische Massnahmen (Futterrezeptierung unter Berücksichtigung der AnionenKationen - Bilanz) beeinflusst werden, indem
alkalisierende Mengenelemente (Kalzium,
Magnesium, Natrium, Kalium) sparsam eingesetzt werden und bei der Komponentenwahl
auf deren Kationenanteil geachtet wird. Im
Hinblick auf den Abferkeltermin lassen sich zu
hohe pH-Werte auch vermeiden, indem Alleinfutter vorübergehend mit Gerste im Verhältnis
1 : 1 verschnitten wird. Auch mit sogenannten
sauren Salzen kann durch die Verschiebung
des Kationen-Anionen-Verhältnisses
ein
niedrigerer Harn-pH erreicht werden. Die
Vermehrung der alkalisches Milieu liebenden
Schadkeime kann damit weitgehend verhindert werden. Saure Salze sind allerdings nur
befristet einzusetzen und nicht während der
Säugezeit zu empfehlen, da ansonsten davon
auszugehen ist, dass es zu einer Knochendemineralisation kommt.
Neben all diesen Massnahmen sei noch darauf hingewiesen, dass eine manuelle, ordnungsgemässe Geburtshilfe (sofern nötig)
unter hygienischen Bedingungen zu erfolgen
hat. Das heisst Hände und Arme sowie das
äussere Genital der Sau sind zu reinigen und
der Eingriff hat unter Verwendung von Gleitmittel zu erfolgen. Medikamentelle Massnahmen sind angezeigt bei Wehenschwächen,
Nachgeburtsverhaltung und fehlendem Milcheinschuss.
Nicht zu vernachlässigen ist die Kontrolle der
Sau nach dem Abferkeln (Fressverhalten,
Körpertemperatur, Gesäugeveränderungen,
pathologischer Ausfluss) und die Versorgung
der neugeborenen Ferkel (Wärme, Kolostrum,
Wurfausgleich). Im Hinblick auf die Stallhygiene ist eine regelmässige Kotbeseitigung
eine Selbstverständlichkeit.
Unter Berücksichtigung dieser Punkte sollte
es gelingen, die Anzahl an Milchfieber erkrankter Schweine massgeblich zu reduzieren. Unser Beratungsdienst steht Ihnen diesbezüglich gerne mit Rat und Tat zur Verfügung.
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