GBU-0506-Inhalt.qxd 07.12.2005 13:15 Uhr 6 Seite 6 M AT E R I A L I E N 2. Teil M 2.1 Was ist eigentlich der Islam? Der erste Muslim Hans Küng, einer der bedeutendsten deutschen Theologen, definiert den Islam folgendermaßen: Wer war der erste Muslim? Der Großteil der Christen würde bestimmt antworten: Muhammad, der Prophet. Und deswegen gibt es denn auch 5 heute noch viele, die diese Religion unkorrekterweise „Mohammedanismus“ und ihre Anhänger „Mohammedaner“ nennen – zum großen Ärger der Muslime. Denn in jeder elementa10 ren Einführung in den Islam kann man lesen, was schon im Koran niedergelegt ist: Der erste Muslim ist Adam, der erste Mensch. Denn schon er „unterwarf“ sich dem einen und einzi15 gen Gott, so wie sich dann auch Noah und Abraham, Mose und alle Propheten, ja, schließlich auch Jesus „unterwarfen“. Sie alle vollzogen auf ihre Weise bereits „Islam“: „Unterwer20 fung“, „Hingabe“ an den Willen des einen und einzigen Gottes. Und wenngleich die Ausprägungen dieser Lehre immer den verschiedenen Völkern und Zeiten angepaßt und so in man25 cher Hinsicht verschieden waren, so ging es doch immer um ein und dieselbe Botschaft: Unterwerfung unter Gott, Hingabe an Gott. Nichts anderes hat denn auch der 30 Prophet Muhammad [ca. 570–632] verkündet. Er hat als der letzte der Propheten diese ewige Lehre nur auf ihre höchste, endgültige Stufe gehoben. Der Islam ist also die eine wahre, 35 vollkommene, ewige Menschheitsreligion, die Religion von Anbeginn. Und wie dies die Lehre des Koran, so ist es auch die Lehre der Bibel, daß der erste Mensch an den einen Gott 40 glaubte. Soweit das muslimische Selbstverständnis, soweit die Geschichtstheologie des Islam. Hans Küng: Der Islam. © 2004 Piper Verlag GmbH, München, S. 56 M 2.2 Das Glaubensbekenntnis Die „Galeere des Glaubens“: Diese Darstellung des Glaubensbekenntnisses in Form eines Schiffes ist ein Meisterwerk der Kalligraphie, des „Schönen Schreibens“. (Zum Glaubensbekenntnis s. M 2.9) Reproduktion nach: Francis Robinson: Weltatlas der alten Kulturen. Der Islam. München: Christian Verlag 1990 (4. Auflage), S. 203 M 2.3 Gespräch mit einer Muslima Aus einem Gespräch zwischen Journalisten von Publik-Forum („Zeitung kritischer Christen“) und Frau Chérifa Magdi, promovierte Islamwissenschaftlerin und freie Publizistin, die in Kairo und Frankfurt am Main lebt und arbeitet: […] Publik-Forum: Wie hat die fromme Muslimin, der fromme Muslim zu leben? Magdi: In steter Verantwortung gegenüber den Menschen, insbesondere gegenüber den Armen sowie gegenüber der Schöpfung. So ist die Verpflichtung des islamischen Glaubens. Die ethische Grundgestalt der islamischen Religion ist: Verantwortlichkeit. Der Islam ist eine Religion des Tuns. Im Islam wird die Liebe zu Gott und der Glaube an den Ewigen definiert durch die „guten Taten“. Als da sind: Barmherzigkeit, Liebe und Mitempfinden für die Armen und Schwachen. […] Publik-Forum: Ist der Islam infolgedessen eine betont ethische Religion? Magdi: Ja. Die moralischen Anforderungen sind sehr hoch angesetzt. Dies erwächst auch aus dem islamischen Grundgedanken des Sich-Bewährens in dieser Welt, in dem Bemühen, gottgefällig zu sein. […] Publik-Forum: Frau Magdi, gibt es eine Sure im Koran, die Sie ganz besonders anspricht? Eine Sure, in der sich die Wahrheit und die Schönheit des Islams wie in einem Brennspiegel bündelt? Magdi: Ja. Für mich ist es die Sure 112, die „Sure der Treue, der Hingabe“. […] „Sag, er ist Gott. Ein einziger Gott, durch und durch. Der, an den man sich mit seinen Nöten und Sorgen wendet. Er hat weder gezeugt, noch wurde er gezeugt. Und keiner ist ihm ebenbürtig.“ Das ist für mich wie in einem Brennglas die Essenz des Islams. […] Publik-Forum, Zeitung kritischer Christen, Oberursel Ausgabe Nr. 20/2001, S. II f. Leitfragen/Arbeitsaufträge 1. Geben Sie das muslimische Selbstverständnis nach M 2.1 wieder. 2. a. Diskutieren Sie die in M 2.3 angeführten „moralischen Anforderungen“. b. Vergleichen Sie den Text mit Sure 2, Vers 177. G GESCHICHTE b e t r i fft u n s 6 • 2 0 0 5 Der Islam