PS Sozialpsychologie: The new unconscious. Mag. Dr. Andreas Olbrich-Baumann, WS 2007/08 Implizite Eindrücke Zusammengefasst von Bösch Anna (0601535) und Limberger Beate (0300393) Unser Wissen über andere Menschen ist komplex und vielschichtig und entwickelt sich aus vielen verschiedenen Dingen, wie dem Kommentar eines Freundes, dem Kleidungsstil, Stimmklängen, Einstellungen, Gesichtsausdrücken, Rollen in der Gesellschaft etc. Was wir über unsere Gefühle sagen können, was wir implizit erwarten und wie wir uns gegenüber anderen Menschen und mit ihnen verhalten basiert meist auf vergangenen Treffen und kaum wahrgenommenen Ereignissen mit diesen Personen. All diese Dinge beinhalten auch die Bedeutung, die wir den jeweiligen Ereignissen und Beobachtungen geben, wobei dies meist ohne Anstrengung oder Bewusstsein vor sich geht. Implizite Eindrücke sind diejenigen Eindrücke, oder auch der Aspekt aller Eindrücke, die nicht von der expliziten Erinnerung an vergangene Begegnungen oder den expliziten Bedeutungen, die Personen ihnen gegeben haben, abhängen. Implizite Eindrücke sind das, was hinter unserer Gewissheit, dass wir „wissen“, wie jemand ist, stehen, ohne dass wir dabei sagen oder erinnern könnten, was wir wissen oder wie wir es wissen. Sie sind also vor-verbal, nicht-episodische Rückstände in der Erinnerung unserer Beobachtungen von, Interaktionen mit und Rückschlüsse über andere. Diese Erinnerungsspuren sind mit anderen Menschen so verbunden, dass sie unsere expliziten Gedanken, unsere Gefühle und unser Verhalten mit diesen Menschen steuern, ohne dass sie selbst explizit werden. Definitionsgemäß kann eine Person ihre impliziten Eindrücke auch nicht anderen Personen mitteilen. Die Unterscheidung zwischen impliziten und expliziten Eindrücken kann Probleme hervorrufen. Erinnerungen sind immer dann implizit, wenn sie das gegenwärtige Verhalten beeinflussen (sodass wir wissen, dass es sie gibt), aber wenn sie nicht willentlich abgerufen wurden. Schacter (1987) z.B. beschrieb die implizite Erinnerung als „offen gelegt, wenn vorangegangene Erfahrungen die Durchführung einer Aufgabe erleichtern, die keine bewusste oder intentionale Erinnerung dieser Erfahrungen braucht“, während die explizite Erinnerung „die bewusste Erinnerung dieser Erfahrungen benötigt“ (Seite 501). Derartig implizites Wissen, das beeinflusst, wie wir denken, fühlen und uns gegenüber anderen verhalten, nennen wir implizite Eindrücke. Bösch Anna, Limberger Beate 1 PS Sozialpsychologie: The new unconscious. Mag. Dr. Andreas Olbrich-Baumann, WS 2007/08 Existenzbeweis Die klinische Literatur enthält viele Anekdoten, die das Phänomen Implizite Eindrücke in der sozialen Interaktion darstellen. Die wahrscheinlich früheste und bekannteste dieser Anekdoten ist das „curious experiment“ von Edouard Claparède (1911/1951) mit einer Patientin, die am Korsakoff-Syndrom litt. Obwohl sie schon seit fünf Jahren im Krankenhaus lag, erkannte sie die Doktoren und Krankenschwestern, die sie jeden Tag sah, nicht wieder. Sie vergaß also alles von einer Minute auf die andere. Claparède wollte nun herausfinden, ob die Patientin einen starken Eindruck besser behält, der auch affektiv ist. Deshalb stach er der Patientin mit einer Nadel, die zwischen seinen Fingern versteckt war, in ihre Hand. Den kurzen und schwachen Schmerz des Nadelstichs hatte die Patientin schon wenige Minuten später wieder vergessen. Als aber der Doktor erneut die Hand der Patientin anfassen wollte, zog sie sie reflexartig zurück, ohne selber zu wissen warum. Als der Doktor sie nach dem Grund fragte, antwortete sie, ob denn Menschen kein Recht hätten, ihre Hand zurückzuziehen. Bei weiterer Befragung fragte die Patientin dann, ob der Doktor vielleicht eine Nadel in seiner Hand versteckt hält und als Erklärung für diese Vermutung sagte sie dann, die Idee sei ihr so durch den Kopf gegangen, oder fragte, ob denn Menschen nicht manchmal Nadeln in ihren Händen versteckt hätten. Niemals jedoch hätte sie den Gedanken des Nadelstichs als Erinnerung erkannt. Verschiedenes implizites Wissen, z.B. Einstellungen, Selbstwertgefühl und Stereotypen, sind heute bekannte Phänomene in der Sozialpsychologie. Greenwald and Banaji (1995) betonen, dass ihr definierendes Merkmal „ist, dass Spuren von vergangener Erfahrung irgendeine Ausführung beeinflussen, auch wenn die einflussreiche frühere Erfahrung nicht erinnert wird…sie ist für Selbstbeschreibung und Introspektion nicht vorhanden“ (Seite 4-5). Eine Methode der Messung von impliziten Assoziationen ist der Implicit Association Test (IAT; Greenwald, McGhee, & Schwartz, 1998). Das Messen von impliziten Assoziationen zwischen Konzepten mit dem IAT erfordert aber explizite Konzepte, damit sie im Test dargestellt werden können. Implizite Assoziationen werden dann durch ihre Effekte auf beschleunigte Rückmeldungen auf Paare von expliziten Konzepten im IAT entdeckt. Wir mögen nicht wissen, dass wir Dinge über andere Menschen „wissen“, aber dennoch verhalten wir uns anders ihnen gegenüber, als wir uns verhalten würden ohne vorherige vergessene Informationen über sie. Die Forschung mit dem IAT bietet aber keine Beweise für implizite Eindrücke. Bösch Anna, Limberger Beate 2 PS Sozialpsychologie: The new unconscious. Mag. Dr. Andreas Olbrich-Baumann, WS 2007/08 Sogar ohne explizite Konzepte können implizite Eindrücke vom klassischen „implicit memory phenomena“ von Schacter (1987; Schacter & Curran, 2000) offen gelegt werden. Implizite Eindrücke haben Effekte auf Eigenschaftsmessungen, aber auch auf Emotionen, Stimmungslagen, Erwartungen, nicht merkmalsbezogene Beschreibungen und das Verhalten anderen gegenüber. Den größten systematischen Beweis für implizite Eindrücke bieten wahrscheinlich indirekt die bemerkenswerten Untersuchungen von Andersen et al. über social-cognitive transference (Andersen & Berenson, 2001; Berk & Andersen, 2000; Chen & Andersen, 1999). Die Ergebnisse zeigten, dass reichhaltige und komplexe Repräsentationen eines significant other eine große Zahl an Rückmeldungen gegenüber einem Fremden, der diesem significant other ähnelt, beeinflussen kann; dies sind Rückmeldungen, die von der Stimmung zu Eindrücken, Erwartungen und sogar bis zum interpersonellen Verhalten reichen. Diese Effekte treten ebenfalls ohne das Bewusstsein auf, dass die Repräsentation der Vergangenheit gegenwärtiges Verhalten gegenüber einem Fremden beeinträchtigt. Diese vielfältigen Untersuchungen zeigen, dass implizite Eindrücke existieren, und zwar indem sie deren Effekte auf eine breite Palette von Reaktionen gegenüber Fremden, die den significant others ähneln, dokumentieren. Ein weiterer Beweis für die Existenz von impliziten Eindrücken bildet das „savings-inrelearning implicit memory paradigm“ von Carlston, Skowronski et al., die untersuchen wollten, ob Verbindungen zwischen actors und spontaneous trait inferences (spontane Merkmalsrückschlüsse) hergestellt werden (Carlston & Skowronski, 1994; Carlston, Skowronski, & Sparks, 1995). STIs sind Merkmalsrückschlüsse, die ohne Intentionen gemacht werden, um Eindrücke zu formen oder Merkmale von anderen abzuleiten. Carlston und Skowronski zeigten in ihrer Arbeit nun, dass STIs auch als implizite Eindrücke fungieren können. Carlston und Skowronski entwickelten ihr Vorgehen, um die Kontroverse anzusprechen, ob STIs bei den actors auftreten oder lediglich beim Verhalten. Die traditionelle Behauptung war, dass sie bei den actors auftreten (Winter & Uleman, 1984), da sie sonst keine impliziten Eindrücke sind. In ihrer Untersuchung machten sich die Vpn zuerst vertraut mit einer Fotoserie von Personen (actors) gepaart mit trait-implying paragraphs, die das Verhalten der Personen beschrieben. Nach einer Woche wurden die Vpn aufgefordert, Paare von Fotos und Eigenschaften zu lernen, jedoch ohne Bezugnahme auf ihre frühere familiarization-Erfahrung. Diese Foto-Eigenschafts-Paare beinhalteten die Fotos der actors, die früher schon dargeboten wurden, und Eigenschaften, die im dazugehörigen Paragraph enthalten waren. Diese „old photo-implied trait“-Paare waren für die Vpn leichter zu lernen als (1) „new photo-implied trait“-Paare oder (2) alte Fotos gepaart mit anderen Eigenschaften. Bösch Anna, Limberger Beate 3 PS Sozialpsychologie: The new unconscious. Mag. Dr. Andreas Olbrich-Baumann, WS 2007/08 Es gab also savings in relearning in dem Sinne, dass die Vpn offensichtlich die Paare von Fotos und implied traits während der anfänglichen familiarization-Prozedur lernten und später lediglich die „old photo-implied trait“-Paare erneut lernen mussten. Deshalb war das Lernen dieser Paare leichter. All dies geschah ohne Andeutung gegenüber den Vpn, dass sie Eigenschaften ableiten oder Eindrücke formen sollten, so dass die trait inferences also spontan auftraten. Außerdem begründeten die Ergebnisse der Studie, dass die STIs eher bei den actors auftreten als nur beim Verhalten, da die savings nur für actor-trait-Paare auftraten, nicht jedoch bei behaviour-trait-Paaren. Weiters wurde gezeigt, dass diese savings-Effekte auch noch auftreten, wenn das Lernen erst 2 Tage nach der anfänglichen Aufnahme geschieht, und auch wenn die Vpn weder eine Wiedererkennung des Verhaltens zeigen, noch die abgeleiteten Eigenschaften abrufen. Die savings treten also nicht nur ohne explizite Bezugnahme auf die anfängliche familiarization-Phase auf, sondern auch ohne explizite Erinnerung an die Eigenschaften, die das Verhalten mit einschloss. Die Vpn waren sich nicht bewusst, dass sie STIs machten und dass diese Rückschlüsse Einfluss auf ihr kommendes Lernen haben. Beweis, dass STIs in direktem Zusammenhang mit actors stehen Das Ergebnis von Carlston und Skowronski, dass implizite Eindrücke in der Erinnerung eher an actors als lediglich an Verhalten geknüpft sind, lässt die Frage aufkommen, warum frühere Untersuchungsergebnisse mit einem „cued-recall“ Paradigma in Bezug auf diesen Punkt so mehrdeutig waren (Uleman et al., 1996). Es gibt viele Unterschiede zwischen diesen zwei Untersuchungsrichtlinien, wie z.B. die Instruktionen (erinnern vs. vertraut werden), die Länge der trait-implying descriptions (ein Satz vs. ein Absatz), wie die actors präsentiert werden (verbal vs. visuell), und abhängige Variablen (cued recall vs. savings in relearning). Eine Serie von Untersuchungen, die ein „false recognition“ Paradigma verwendete, zeigt, dass stabile actor-STI-Verbindungen hergestellt werden können mit Erinnerungsinstruktionen, Beschreibungen mit nur einem Satz und visueller Präsentation der actors. In solch einer Studie konnten Todorov und Uleman (2002) feststellen, dass implizite Eindrücke explizite Erinnerungsfehler produzierten. Weitere Untersuchungen zeigten, dass STIs von einzelnen Verhaltensweisen in der expliziten Erinnerung an die actors gebunden werden können, und dies auch ohne die Erinnerung an die jeweiligen Verhaltensweisen, auf denen sie basieren. Dadurch haben die STIs auch Folgen für die Beurteilung von anderen Eigenschaftsverbindungen (z.B. Antonymverbindungen) zu den actors. Daraus lässt sich Bösch Anna, Limberger Beate 4 PS Sozialpsychologie: The new unconscious. Mag. Dr. Andreas Olbrich-Baumann, WS 2007/08 folgern, dass es eine Konsistenz zwischen den stabilen, spontanen actor-trait-Verbindungen in der impliziten Erinnerung (offen gelegt durch das savings-in-relearning Paradigma) und der Stärke der spontanen actor-trait-Verbindungen in der expliziten Erinnerung (offen gelegt vom false recognition Paradigma) gibt. Beide, die Messung der impliziten und der expliziten Erinnerung, bieten also einen klaren Beweis dafür, dass STIs mit den actors verbunden sind, relativ anstrengungslos und ohne Intentionen oder Bewusstsein. STIs sind also eine Art von impliziten Eindrücken, die durch den Umgang mit anderen, die trait-implying behaviour ausüben, hervorgerufen werden. Sie führen zu savings in relearning (ein impliziter Erinnerungs-Effekt) und Fehlern in der false recognition (ein expliziter Erinnerung-Effekt). Spontaneous Trait Transference (STT) Die wahrscheinlich wichtigste, allgegenwärtige und offensichtlich nahe liegendste Konsequenz impliziter Eindrücke ist, dass sie die intentionalen Eindrücke von actors, die das trait-implying behaviour ausüben, automatisch beeinflussen. Es ist auch gut begründet, dass implizite Eindrücke die intentionalen Eindrücke von anderen Personen, die ursprünglich nicht das Eigenschafts-Konstrukt aktiviert haben, beeinflussen können. Lewickis (1985, 1986) frühe Arbeiten deuteten dies an. Andersens (Andersen, Krull, & Weiner, 1996) Untersuchungen über social-cognitive transference beinhalten viele Beweise dafür, dass implizite Eindrücke von significant others viele Reaktionen gegenüber Fremden beeinflussen können, auch die Eigenschaftsbeurteilungen. Zudem behauptete die klinische Literatur, dass diese Effekte weit verbreitet und lang andauernd sind. Andersens Untersuchungen zeigten, dass sie auch bei normalen Teilnehmern auftreten, was darauf hinweist, dass die social-cognitive transference unsere Eindrücke von Fremden oft beeinflusst. Jedoch zeigte weder Lewickis noch Andersens Arbeit, dass spezifische EigenschaftsKonzepte, die spontan vom Verhalten abgeleitet wurden, intentionale Beurteilungen über jemanden, der nicht der actor ist, beeinflussen können. Solch ein Beweis wäre eine hilfreiche Unterstützung für die Behauptung, dass beide, STIs und social-cognitive transferences, Beispiele von impliziten Eindrücken sind. STT wurde das erste Mal von Carlston et al. (1995, Study 4) in einer Studie über savings-inrelearning nachgewiesen. Unter dem Gebrauch des familiarization und savings-in-relearning Paradigma wurden die Beschreibungen von trait-implying behaviours nicht mit den Fotos der Bösch Anna, Limberger Beate 5 PS Sozialpsychologie: The new unconscious. Mag. Dr. Andreas Olbrich-Baumann, WS 2007/08 actors gepaart, sondern mit Fotos von communicators, die Beschreibungen von anderen, nicht sichtbaren Personen darboten. Um untrüglich klar zu machen, dass es keine Selbstbeschreibungen waren, waren die Beschreibungen in der 3. Person geschrieben und auf eine Person bezogen, deren Geschlecht nicht mit dem Geschlecht des communicators auf dem Foto zusammenpassten. Savings-in-relearning erbrachte klare Beweise für STT, obwohl die Effekte nur etwa halb so groß waren wie die STI-Effekte in früheren savings-in-relearning Studien. Die Gewöhnung an communicator-Beschreibungs-Paare erleichterte also später das Erlernen von Foto-Eigenschafts-Paaren, auch wenn diese Eigenschaften nicht diese in den Fotos beschrieben. Skowronski et al. (1998, Studies 2-4) zeigten auch, dass STT die Eigenschaftsbeurteilung vom communicator beeinflusst. Studie 3 zeigte zusätzlich, dass STT auch dann auftritt, wenn den Vpn gesagt wird, dass die Fotos der communicators und die Verhaltensbeschreibungen zufällig gepaart wurden, und die communicators die Zielperson, die beschrieben wurde, nicht kannten. Diese Studie wurde konstruiert, um die Möglichkeit zu untergraben, dass STT darum auftritt, weil die Vpn glauben, dass die communicators und die Zielperson gleich sind, weil sie einander kennen. Skowronski et al. (1998) erläuterten STT als Ergebnis von (a) spontaner Eigenschaftsaktivierung während der familiarization-Phase, gefolgt von (b) irrtümlicher Assoziation der Eigenschaft mit dem Foto des communicators, und dann (c) den Einfluss der assoziierten Eigenschaften auf nachfolgende Beurteilungen des communicators. Sie stellten diesem assoziativen Prozess den bewussteren Prozess der intentionalen Bildung von Eindrücken gegenüber, bei dem die Rückschlüsse über die actors von Anfang an genau gemacht werden. Eine wahrscheinliche Randbedingung für STT In allen STT-Studien wurden nur Fotos von communicators dargeboten. Die Frage ist nun, ob STT nur von der Anwesenheit des communicator-Fotos abhängt. Zudem muss man auch fragen, ob STIs mit den communicators assoziiert werden, wenn Fotos von den actors und den communicators während der Gewöhnung an oder der Erinnerung an das trait-implying Material dargeboten werden. Obwohl es keine direkten Beweise für diese Frage gibt, deuten neue Befunde an, dass STT verschwinden oder abgeschwächt werden wird. Todorov und Uleman (in press) benutzten das false recognition Paradigma um zu untersuchen, ob STIs mit irgendeinem Gesichtsfoto assoziiert werden, oder nur mit dem Bösch Anna, Limberger Beate 6 PS Sozialpsychologie: The new unconscious. Mag. Dr. Andreas Olbrich-Baumann, WS 2007/08 Gesicht des actors. In den ersten drei Studien wurden einzelne trait-implying Sätze mit 2 Fotos von Personen desselben Alters und Geschlechts dargestellt, und die Vpn sollten diese für einen nachfolgenden Gedächtnistest lernen. Den actors wurden Namen gegeben, ein Foto wurde mit diesem Namen identifiziert und das andere (Kontrollgesicht) mit einem anderen Namen. Im folgenden false recognition Test riefen die Gesichter der actors signifikante false recognition der implizierten Eigenschaften hervor, verglichen mit dem Kontrollgesicht, was darauf hindeutet, dass STIs stärker mit den Gesichtern der actors assoziiert werden, wenn diese dargestellt werden. Diese Ergebnisse hätten jedoch auch auftreten können, weil das zweite Gesicht weniger Aufmerksamkeit erhielt, weshalb in Studie 4 zwei trait-implying Sätze und zwei Gesichtsfotos simultan dargeboten wurden. Der actor jeden Satzes wurde mit einem anderen Gesicht identifiziert, wodurch sichergestellt wurde, dass beide Gesichter (und auch beide Sätze) gleich beachtet werden würden. Im nachfolgenden false recognition Test riefen wieder die Gesichter der actors stärkere false recognition der implizierten Eigenschaften hervor als die Kontrollgesichter. Dies suggeriert, dass STT verschwinden oder abgeschwächt werden könnte, wenn man erstens die familiarization-Instruktion und das savings-in-relearning Paradigma von Carlston und Skowronski (1994; Carlston et al., 1995) benutzt, und zweitens die actor-Gesichter gemeinsam mit den communicator-Gesichtern dargeboten werden. STT können also nur dann auftreten, wenn der actor nicht visuell (z.B. in einem Foto) repräsentiert wird. Die Forschung über STT deutet alles in allem stark darauf hin, dass STIs implizite Effekte haben können, also Effekte, die nicht Bezug nehmen auf und nicht vom Abruf des Verhaltensbeweises, auf dem sie basieren, abhängen. Aus den Arbeiten von Todorov und Uleman (2002, 2003, in press) gehen klare Beweise hervor, dass einzelne Verhaltensweisen spontan implizite Eindrücke von actors, in Form von STIs, hervorrufen. Diese Eindrücke, die ohne Bewusstsein und ohne explizite Erinnerung an deren Verhaltensbasis aufgebaut werden, könnten dann automatische Effekte auf nachfolgende explizite Beurteilungen der actors haben. Automatische Effekte von impliziten Eindrücken auf Eigenschaftsbeurteilungen Die wahrscheinlich wichtigste Bedeutung von „automatisch“ ist, unkontrollierbar zu sein (zumindest eher als ohne Bewusstsein zu geschehen, nicht-intentional zu sein, oder extrem leistungsfähig zu sein). Kognitive Kontrolle ist ein zentraler Aspekt für eine Menge von sozialen Beurteilungen und selbst-regulatorischen Phänomenen (z.B., Wegner & Pennebaker, Bösch Anna, Limberger Beate 7 PS Sozialpsychologie: The new unconscious. Mag. Dr. Andreas Olbrich-Baumann, WS 2007/08 1993). Wie sich aus der Forschung über STT ableiten lässt, sollte der implizite Eindruck von einer Person die expliziten Beurteilungen beeinflussen. Die zentrale Frage ist nun, wie kontrollierbar diese Effekte sind. Der Einfluss ist natürlich notwendigerweise unkontrollierbar, wenn sich jemand seines impliziten Eindrucks nicht bewusst ist. Was passiert aber, wenn jemandem seine impliziten Eindrücke und deren potenzielle Effekte bewusst gemacht werden? Können diese Effekte kontrolliert werden? Wenn ja, wie viel Kontrolle ist möglich? Die vorwiegende Frage in der sozialpsychologischen Forschung über Automatismus war stets, ob etwas automatisch oder kontrolliert ist. Die Liste der sozialen Phänomene – Kognitionen, Evaluationen und Verhaltensweisen -, die gänzlich oder teilweise eine Funktion von automatischen Prozessen sind, wurde immer länger, solange, bis sogar die wirkliche Existenz von frei agierenden Menschen angezweifelt wurde (z.B., Bargh & Ferguson, 2000). Es wurde jedoch klar, dass die Frage, ob bestimmte soziale Verhaltensweisen automatisch oder kontrolliert sind, eine irreführende Dichotomie darstellt, denn die meisten Phänomene, die für die Sozialpsychologie von Interesse sind, werden von einer Kombination von automatischen und kontrollierten Prozessen gesteuert. Zudem entwickelt sich die zunehmende Gefahr, Kontrolle fälschlicherweise nur als das zu definieren, was nicht automatisch ist, wie auch immer automatisch definiert ist. Es ist also in diesem Zusammenhang wichtig, eine Definition von Kontrolle einzuführen, die die Existenz von Kontrolle auch bestätigt, und ein theoretisches System, dass automatische und kontrollierte Prozesse beinhaltet, die zur selben Zeit arbeiten. Wegner und Bargh (1998, pp. 464-465) bieten einen Weg an, wie sich automatische und kontrollierte Prozesse kombinieren können. Dieser Weg schließt ein, dass diese Prozesse parallel arbeiten, einer den anderen ins Leben ruft, der eine den anderen übersteuert und einer sich in den anderen verwandelt. Wenn ein Phänomen also nicht wechselweise von automatischen und kontrollierten Prozessen gesteuert wird, haben beide Prozesse an der Steuerung teil. Deshalb sollte die Frage auch nicht sein, ob etwas automatisch oder kontrolliert ist, sondern wie stark automatisch und wie stark kontrolliert etwas ist. Wir brauchen also dafür Wege und Mittel, um die relativen Beiträge von automatischen und kontrollierten Prozessen für soziale Phänomene abzuschätzen. Bösch Anna, Limberger Beate 8 PS Sozialpsychologie: The new unconscious. Mag. Dr. Andreas Olbrich-Baumann, WS 2007/08 Die Process Dissociation Procedure (PDP) Wenn es wirklich so ist, dass mentale Phänomene von den Effekten früher beobachtbarer Ereignisse abhängen, gibt es ein Modell und eine Methode, welche die automatischen von den kontrollierten Prozessen, die auf diesen Ereignissen basieren, entwirren kann: Jacobys PDP (Jacoby, 1991; Jacoby, Toth, & Yonelinas, 1993; Jacoby, Yonelinas, & Jennings, 1997). Die PDP scheint angemessen, kontrollierte Prozesse ausfindig zu machen, weil sie die Vpn einfach auffordert, den Einfluss von vergangenen Ereignissen auf ihre gegenwärtigen Antworten zu kontrollieren. Genauer gesagt, fordert die PDP die Vpn dazu auf, bei manchen Versuchen den Einfluss früherer Ereignisse auf ihre Antworten mit einzuschließen (inclusion trials), und bei manchen Versuchen diesen Einfluss auszuschließen (exclusion trials). Der dadurch entstandene Unterschied zwischen der Leistung bei den inclusion trials und den exclusion trials bietet dann eine Abschätzung der Kontrolle. Die einzige zusätzliche Bedingung, die erfüllt werden muss, um dieses Modell anwenden zu können, ist, dass es einen Weg gibt, um zwischen richtigen und falschen Antworten unterscheiden zu können. Die grundlegenden Ideen sind einfach und geradlinig, deren Operationalisierung ist aber komplexer. Um sie besser verstehen zu können, wird nun eine Beispiel vorgestellt: Wortstammergänzungen (z.B., tri_ _ _) erfordern es, dass Worte im semantischen Gedächtnis gefunden werden, die mit den präsentierten Hinweisen zusammenpassen. Es ist gut bekannt, dass der kürzliche Umgang mit einem Wort, das den Wortstamm vervollständigen kann, die richtige Ergänzung wahrscheinlicher macht, auch ohne irgendeine explizite Erinnerung an diesen Umgang. Zwei Prozesse sind hier am Werk: Ein Wortstamm kann vervollständigt werden, indem kürzlich gesehene Worte explizite abgerufen werden, oder indem einfach gewartet wird, bis das Wort im Gedächtnis auftaucht, wenn man den Wortstamm betrachtet. Wie sehr können Menschen nun die Prozesse kontrollieren, die bei der Wortstammergänzung involviert sind? Genereller: Können wir annehmen, dass eine explizite Gedächtnisaufgabe, wie z.B. der Abruf, gänzlich kontrolliert ist, weil sie bewusst ist? Oder könnte expliziter Abruf von automatischen Prozessen beeinflusst sein, wie z.B. diese Prozesse, die ein Wort ohne Anstrengung ins Gedächtnis transportieren? Können wir ähnlich annehmen, dass die Aufforderung an Menschen, die Worte einfach frei in ihr Gedächtnis kommen zu lassen, nur automatische Prozesse anzapfen wird und diese vor gelegentlichen bewussten Abrufversuchen schützen wird? Jacoby (1991) meint, dass es nur wenige process-pure Funktionen gibt, also Funktionen, die ausschließlich automatische oder ausschließlich kontrollierte Prozesse anzapfen. Die meisten Funktionen hängen von einer Kombination von kontrollierten und automatischen Prozessen Bösch Anna, Limberger Beate 9 PS Sozialpsychologie: The new unconscious. Mag. Dr. Andreas Olbrich-Baumann, WS 2007/08 ab. Um diese Prozesse nun bei jeder Funktion (wie Wortstammergänzungen), die von früherer Darbietung abhängt, voneinander zu trennen, muss man (a) kontrollierte Prozesse als diejenigen definieren, die Personen kontrollieren können, und automatische Prozesse als diejenigen, die sie nicht kontrollieren können; (b) die Kontrolle abschätzen, indem die Leistungsunterschiede berechnet werden zwischen Bedingungen, in denen die Personen die Aufgabe meistern, indem sie die frühere Information intentional mit einschließen versus intentional ausschließen; und (c) eine Anzahl von Hypothesen benutzen, um die Wichtigkeit von automatischen Prozessen einzuschätzen, sobald die kontrollierte Verarbeitung eingeschätzt wurde. Jacoby et al. (1993, Experiment 1b) behandelten den Effekt von getrennter Aufmerksamkeit bei der Darbietung auf nachfolgende Wortstammergänzungen. In der ersten Phase der Studie sprach die Hälfte der Vpn (in der full-attention-Bedingung) 32 Worte, die auf einem Computerscreen dargeboten wurden, laut aus und versuchte, diese Worte für einen folgenden Gedächtnistest zu speichern. Die andere Hälfte der Vpn (in der divided-attention-Bedingung) bearbeiteten zwei Aufgaben gleichzeitig, lesen und zuhören. Sie hörten eine aufgenommene Liste von Ziffern und drückten immer dann auf einen Knopf, wenn sie drei ungerade Ziffern in einer Reihe hörten (z.B., 1, 7, 3). Zur gleichen Zeit sprachen sie Worte auf dem Computerscreen laut aus, versuchten aber, dass das Lesen nicht ihre Ziffern-AbhörungsAufgabe beeinträchtigt. In der zweiten Phase der Studie ergänzten alle Vpn Wortstämme, die von den Worten, die sie früher gehört hatten, gebildet wurden. Wenn der Wortstamm grün dargeboten wurde, mussten sie ihn als Hinweis benutzen, der ihnen helfen sollte, ein Wort, das früher dargeboten wurde, zu erinnern. Wenn sie sich nicht an ein altes Wort erinnern konnten, muss ten sie den Wortstamm mit dem ersten Wort, das ihnen in den Sinn kam, ergänzen. Wenn der Wortstamm rot dargeboten wurde, mussten sie ihn ebenfalls als Hinweis benutzen, um Worte wieder zu erinnern, die früher dargeboten wurden, mussten aber die Wortstämme mit einem Wort ergänzen, das früher nicht dargeboten wurde. Die grünen Versuche waren also inclusion trials und die roten exclusion trials. Ohne irgendeine konkurrierende kognitive Belastung beim Enkodieren, waren die Wahrscheinlichkeiten, die Wortstämme mit einem alten Wort in der inclusion-Bedingung und in der exclusion-Bedingung zu ergänzen, jeweils .61 und .36. Mit der konkurrierenden Ziffern-Erkennungs-Aufgabe waren diese Wahrscheinlichkeiten in beiden Bedingungen .46 (Jacoby et al., 1993, table 1). Bei keiner Belastung ergibt der Abzug der exclusionWahrscheinlichkeit von der inclusion-Wahrscheinlichkeit .25 (= .61 - .36) als Abschätzung Bösch Anna, Limberger Beate 10 PS Sozialpsychologie: The new unconscious. Mag. Dr. Andreas Olbrich-Baumann, WS 2007/08 der kontrollierten Einflüsse (C) von früherem Umgang mit den Worten. Kontrollierte Prozesse erhöhten die Wahrscheinlichkeit von Wortstammergänzungen also um .25. Die maximal mögliche Kontrolle für eine Aufgabe ist 1.00, was bedeutet, dass dies 25% des theoretischen Maximums darstellt. Daher hatten die Vpn bei keiner Belastung ein wenig Kontrolle, aber relativ zur maximalen theoretischen Wahrscheinlichkeit nicht viel. Bei Belastung ist diese Abschätzung der Kontrolle 0.00 (= .46 - .46). Die konkurrierende Belastung beim Enkodieren beseitigte den Beitrag von kontrollierten Prozessen für Wortstammergänzungen also komplett. (Die Tatsache, dass die Belastung die kontrollierten Prozesse bis zu 0.00 reduzierte, ist nicht besonders bedeutend. Eine geringere Last hätte die Kontrolle einfach weniger reduziert.) Was wurde aber nun über den Einfluss von automatischen Prozessen (A) herausgefunden? Basierend auf der Annahme, dass C und A unabhängig sind, kann man A als exclusionWahrscheinlichkeit gebrochen durch (1-C) berechnen. Bei keiner Belastung war dies .47 (= .36/.75); bei Belastung war es .46 (= .46/1.00; see Jacoby et al., 1993, table 2). Der Einfluss von automatischen Prozessen wurde also bei konkurrierender Belastung nicht beeinflusst. Dieses Ergebnis ist genau so, wie wir es erwarten würden, wenn A wirklich automatische Prozesse widerspiegelt, weil automatische Prozesse von kognitiver Belastung unbeeinflusst sein sollten. In der englischsprachigen Literatur finden sich zahlreiche Querverweise auf ähnlich aufgebaute Experimente. Wir möchten an dieser Stelle nur kurz eine Studie von Schacter und Church (1992) erwähnen, da der gesamte Vorgang der impliziten Prozesse ein überaus komplexes System darstellt. In der Studie von Schacter und Church (1992; p. 402ff) geht es um die Identifikation und Wiedererkennung von gehörten Wortstämmen (N=320 VP). Die Vpn hörten eine Reihe von Alltagswörtern, gesprochen von Männern und Frauen. Diese Worte waren in einer VG semantisch kodiert, in der anderen Gruppe nicht. Danach erfolgte ein Primingvorgang, in welchem die soeben gehörten Worte mittels eines „Ja – Nein Identifikationstests“ zugeordnet werden sollten Danach wurden die die „falscher–Alarm–Wörter“(also jene, die nicht erkannt oder falsch zugeordnet worden waren) herausgefiltert. Das Ergebnis dieser Studie war nun folgendes: Der Prozess der kognitiven Wiedererkennung von Wörtern folgte streng dem semantischen Prinzip, das heißt eine überwiegend korrekte Einordnung der Wörter erfolgte mittels semantischem Netzwerk, und nicht, wie angenommen, dadurch, dass ein Priming im Identifikationstest stattfand. Während der Testphase wurden die Vpn auch „gestört“ (Nebengeräusche, Ablenkungen, VL sprach undeutlich) was aber für die Bösch Anna, Limberger Beate 11 PS Sozialpsychologie: The new unconscious. Mag. Dr. Andreas Olbrich-Baumann, WS 2007/08 Leistungen nicht relevant war, denn sie erfolgt automatisch –auch hier unabhängig von der kognitiven Belastung der Vpn, auch bei so genannter konkurrierender Belastung. Abschätzung der automatischen Effekte von impliziten Eindrücken bei Benutzung der PDP Das PDP-Modell beschreibt also, wie man den Effekt von automatischen und kontrollierten Prozessen auf Eigenschaftsbeurteilungen abschätzen kann. Die automatischen Prozesse sind Folgen von impliziten Eindrücken, weil sich die Vpn nicht bewusst sind, dass sie STIs machen. Deshalb können sie deren Effekte nicht kontrollieren. Um die PDP nun auf dieses Phänomen anwenden zu können, mussten zuerst zwei Probleme gelöst werden: Erstens mussten die Autoren herausfinden, wie sie die Eigenschaftsbeurteilungen der Fotos unter inclusion- und exclusion-Bedingungen erhalten können. Zweitens musste ein Weg gefunden werden, um den Anteil an richtigen Antworten zu definieren, da es objektiv ja keine richtigen oder falschen Eigenschaftsbeurteilungen von Fotos von fremden Personen gibt. Uleman und Blader (2001) wandten in zwei Studien folgende Lösungen an: Die Vpn lernten Verhaltens-Foto-Paare für einen folgenden Gedächtnistest (um mehr Gemeinsamkeiten mit Jacoby et al. (1993) zu haben). Dann bekamen sie eine andere Broschüre, die nur Fotos enthielt, von denen einige im ersten Teil der Studie mit Verhaltensweisen gepaart worden waren und einige neu waren. Die Vpn wurden instruiert, die Fotos in dieser zweiten Broschüre genau zu betrachten, um Eindrücke über die dargestellten Personen zu erhalten und jeden in Bezug auf drei Eigenschaften zu beurteilen. In der inclusion-Bedingung wurden die Vpn nun aufgefordert, sich an die Information, die sie vorher erhalten hatten, zu erinnern und sie zu benutzen, um Eindrücke über die Person auszubilden. In der exclusion-Bedingung wurden sie aufgefordert, sich an die frühere Information zu erinnern, aber dann intentional zu vermeiden, sie beim Formen von Eindrücken zu benutzen (weitere Parallele zu Jacoby et al. (1993)). In der inclusionBedingung sollte also das Vorhaben entstehen, die frühere trait inference zu benutzen, und in der exclusion-Bedingung das Vorhaben, diese eben nicht zu benutzen (es sollte also einfach kein Vorhaben entstehen). Demnach müssten die Eigenschaftsbeurteilungen in der inclusionBedingung ein Ergebnis von kontrollierten (Erinnerung) und automatischen Prozessen sein. In der exclusion-Bedingung sollte jedoch jeder Einfluss vom früheren Umgang mit den FotoVerhaltens-Paaren ein Ergebnis von unkontrollierbaren (automatischen) Prozessen sein, weil die Vpn den Einfluss des früheren Umgangs ja so gut sie können ausschließen sollten. Bösch Anna, Limberger Beate 12 PS Sozialpsychologie: The new unconscious. Mag. Dr. Andreas Olbrich-Baumann, WS 2007/08 Als Basis für die Richtigkeit der Antworten fungierten die Eigenschaftsbeurteilungen von Fotos, die die Vpn vorher noch nie gesehen hatten. In beiden Studien (Uleman & Blader, 2001) wurde die Zeit zwischen dem Umgang mit den Verhaltens-Foto-Paaren und den Eigenschaftsbeurteilungen der Fotos variiert. Bei einem Drittel der Vpn gab es keine Verzögerung; bei einem Drittel 20 Minuten Verzögerung und bei einem Drittel 2 Tage Verzögerung. Die Autoren prognostizierten, dass die Verzögerung den Einfluss der kontrollierten Prozesse auf die Eigenschaftsbeurteilungen signifikant herabsetzen würde, den Einfluss der automatischen Prozesse aber nicht so sehr beeinflussen würde. Die Ergebnisse zeigten, dass als erstes, bei kurzen Verzögerungen, der frühere Umgang mit den Paaren von Fotos und trait implying behaviours die Eigenschaftsbeurteilungen sowohl durch kontrollierte als auch durch automatische Prozesse beeinflusst. Dann, nach 2 Tagen Verzögerung, beeinflussten nur noch die automatischen Prozesse die Beurteilungen. Dies steht auch im Einklang mit anderen Ergebnissen (Carlston & Skowronski, 1994; Carlston et al., 1995), die zeigen, dass die Vpn nach 2 Tagen Verzögerung weder eine Wiedererkennung noch einen Abruf des trait-implying behaviour zeigten, die impliziten Eindrücke hatten jedoch immer noch Effekte. Von großer Wichtigkeit ist, dass die beiden Studien von Uleman & Blader (2001) zeigten, dass eine 2-Tage-Verzögerung den vorhergesagten Effekt hatte, dass sie nämlich die Bösch Anna, Limberger Beate 13 PS Sozialpsychologie: The new unconscious. Mag. Dr. Andreas Olbrich-Baumann, WS 2007/08 kontrollierten Prozesse bis zur Bedeutungslosigkeit reduzierten, während die automatischen Effekte der impliziten Eindrücke auf die Eigenschaftsbeurteilungen bestehen blieben. Implizite Eindrücke haben also automatische Effekte auf die Eindrücke, die Personen bewusst von anderen formen. Zumindest bleiben diese automatischen Effekte von impliziten Eindrücken länger bestehen als die kontrollierten Effekte. Bei kurzen Verzögerungen hatten implizite Eindrücke und kontrollierte Prozesse signifikante Effekte. Andere Merkmale von impliziten Eindrücken Implizite Eindrücke sollten nicht nur von gedruckten verbalen Beschreibungen von Verhaltensweisen ausgelöst werden, sondern auch vom Beobachten von Verhalten. Skowronski et al. (1998, Study 4) zeigten STT eher mit Videoband- als mit gedruckten Stimuli. Die gefilmten communicators beschrieben dabei die Verhaltensweisen verbal. Vor kurzem berichteten Fiedler und Schenck (2001) von einem Beweis für STI von Silhouetten in Bewegung. Dies ist ein sehr wichtiger Befund, weil er den ersten direkten Beweis dafür liefert, dass beobachtetes Verhalten STI veranlassen kann und, als Folgerung, implizite Eindrücke. Implizite Eindrücke beinhalten mehr als trait inferences. Z.B. zeigten Winter et al. (1985) und Uleman und Moskowitz (1994), dass Personen spontan auch andere Aspekte des Verhaltens enkodieren, zusätzlich zu den trait inferences. Fiedler und Schenck (2001, Study 2) nutzten das linguistic category model, um diese Prozesse weiter zu untersuchen. Sie forderten die Vpn auf, nachzuweisen, ob das angegebene Verhalten im vorhergehenden Bild gesehen werden konnte. Diese Verhaltensbeschreibungen waren entweder direkte Bewegungsverben (direct action verbs = DAVs; z.B. füttern, schlagen), interpretative Bewegungsverben (IAVs, z.B. ernähren, strafen), oder keine Eigenschaftsadjektive (ADJs, z.B. ernst). IAVs (die Ziele spezifizieren) wurden am schnellsten nachgewiesen, was darauf hindeutet, dass Ziele am leichtesten spontan abgeleitet werden. Zudem waren die nachfolgenden Eigenschaftsidentifikationen am schnellsten, wenn ihnen DAVs vorangegangen waren, was anzeigt, dass der Nachweis von DAVs die STIs mehr vermittelt als die anderen linguistischen Kategorien. Implizite Eindrücke werden von Priming beeinflusst und können auch selber als solche „primes“ fungieren. Wenn Verhaltensweisen zweideutige trait inferences haben, beeinflussen frühere Aktivierungen von Eigenschaftskonzepten die STIs. Newman und Ulemans (1990) Vpn mussten solche Sätze für einen nachfolgenden Gedächtnistest lesen. Z.B. lässt sich aus Bösch Anna, Limberger Beate 14 PS Sozialpsychologie: The new unconscious. Mag. Dr. Andreas Olbrich-Baumann, WS 2007/08 dem Satz „Molly würde nicht „Nein“ als Antwort nehmen“ folgern, dass sie entweder hartnäckig (+) oder dumm (-) ist. Das Priming mit Synonymen dieser Eigenschaften (genauso wie die Erinnerung an die primes) beeinflusste, welche Eigenschaftshinweise für cued recall effektiver waren. Implizite Eindrücke können also schließlich auch primes sein, wobei STIs als primes entweder Ähnlichkeits- oder Kontrasteffekte produzieren können, abhängig davon, ob sich die STIs auf die abstrakten Eigenschaftskonzepte (Ähnlichkeit) beziehen, oder auf bestimmte actors (Kontrast). Störungen und systematische Fehler bei impliziten Eindrücken Es gibt keinen Grund zu glauben, dass implizite Eindrücke gegen diese Störungen und systematischen Fehler immun seien. Es gibt aber bestimmte Fehler, die auf implizite Eindrücke beschränkt sind. Spontaneous Trait Transference (STT) Carlston et al. (1995, Study 4) und Skowronski et al. (1998) identifizierten einen Fehler, den implizite Eindrücke hervorrufen können: STT. Wie schon beschrieben, tritt STT auf, wenn besonders lebendige communicators (dargestellt auf Fotos oder auf Video) eine abwesende Person (nicht dargestellt) mit trait-implying terms beschreiben. Unter solchen Umständen werden die trait inferences der Beschreibungen übertragen auf oder assoziiert mit dem communicator. Carlston et al. (1995) fanden heraus, dass STT im savings-Paradigma nicht auftrat, wenn die Vpn bewusst Eindrücke über den communicator oder die Zielperson bildeten; STT trat nur bei familiarization-Instruktionen (spontan) auf. Skowronski et al. (1998) fanden jedoch in Studie 1 vergleichbare trait transference bei familiarization-Instruktionen und bei den Instruktionen, STT zu vermeiden, indem intentionale Eindrücke geformt werden, wenn das Behalten nach einer kurzen Verzögerung gemessen wurde. Nach 2 Tagen Verzögerung war die trait transference jedoch nur bei familiarization-Instruktionen offensichtlich, nicht aber bei Vpn, die intentionale Eindrücke geformt hatten. In Studie 4 wiederum fanden sie heraus, dass STT von familiarizationInstruktionen versus Instruktionen, intentionale Eindrücke zu formen, nicht beeinflusst wurde. Diese Befunde deuten also darauf hin, dass die trait transference – das falsche Zuschreiben von implizierten Eigenschaften zur falschen Person – eher unter spontanen Bedingungen auftritt als unter Bedingungen, in denen die Folgerungen intentional geformt werden sollten. Bösch Anna, Limberger Beate 15 PS Sozialpsychologie: The new unconscious. Mag. Dr. Andreas Olbrich-Baumann, WS 2007/08 Ebenfalls zeigen sie auf, dass STTs länger anhaltende Effekte haben als intentionale Folgerungen unter ansonsten vergleichbaren Bedingungen. Schließlich ist es wichtig, sich an die Grenzbedingung für STT zu erinnern: STT wird nur dann auftreten, wenn es keine visuelle Darstellung des actors gibt. Wiederholung und die offensichtliche Wahrheit Wenn wir etwas oft genug falsch dargestellt sehen, werden wir es dann eher glauben? Es gibt gute Beweise dafür, dass wir das tun (Begg, Anas, & Farinacci, 1992; Hasher, Goldstein, & Toppino, 1977), ob diese Dinge nun als Fakten oder Meinungen repräsentiert werden (Arkes, Hackett, & Boehm, 1989), oder auf visuelle oder auditorische Weise (Bacon, 1979), ja sogar wenn uns gesagt wird, dass manche Items wiederholt werden (Bacon, 1979). Dieser Häufigkeits-Validitäts-Effekt kann über Wochen bestehen bleiben (Bacon, 1979; Hasher et al., 1977). Ähnlich erhöht sich die Zuversicht bei einer Entscheidung, wenn wir dieselbe Entscheidung wiederholt treffen (Einhorn & Hogarth, 1978). Dieselbe Einstellung wiederholt auszudrücken erhöht ihre Zugänglichkeit – eine der Komponenten der Einstellungsstärke – und deshalb unser Vertrauen auf diese Einstellung und auch die Wahrscheinlichkeit, dass wir entsprechend handeln werden (Fazio, 1995). Eine Grundlage dieser Effekte ist, dass explizite Gedanken oder Ereignisse, die wiederholt werden, bekannter/gewohnter sind, und eine Gewöhnungs-Validitäts-Heuristik sagt uns (wohl mit irgendeiner Grundlage in der Realität), dass das, was gewohnt ist, eher wahr ist. Whittlesea (1993) hat jedoch gezeigt, dass dies nicht die einzige Grundlage ist, und dass auch andere Quellen von perzeptueller und konzeptueller Geläufigkeit die Gewöhnung beeinflussen können, oft ohne das Bewusstsein der Vpn. Im Bereich der Eindrucksbildung betrachteten Gill, Swann und Silvera (1998) den „repräsentationalen Reichtum“ der Eindrücke von Personen über andere, als eine Basis für das bei Menschen weithin dokumentierte übermäßige Vertrauen in Eindrücke. Sie zeigten, dass der repräsentationale Reichtum eine Determinante der Beurteilungsflüssigkeit ist, und dass diese Beurteilungsflüssigkeit das Vertrauen vergrößert. All diese Untersuchungen benutzten jedoch Wiederholungen von expliziter Information. Die interessante Möglichkeit wird jedoch angesprochen, dass dieselben Effekte auch bei impliziter Information auftreten könnten. Z.B. sollte der einfache wiederholte Umgang mit anderen Personen, über die wir wirklich nicht viel wissen, zu einem größeren Vertrauen führen, dass wir sie gut kennen. Die Untersuchungen dazu müssen aber erst noch gemacht werden. Bösch Anna, Limberger Beate 16 PS Sozialpsychologie: The new unconscious. Mag. Dr. Andreas Olbrich-Baumann, WS 2007/08 Implizite Eindrücke, Stereotypen und In-Groups – Out-Groups Implizite Eindrücke handeln von Individuen; implizite Stereotypen handeln von Gruppen. Da wir nun wissen, wie implizite Eindrücke gemacht werden, müsste es eher möglich sein, implizite Stereotypen zu kreieren – über neue Gruppen mit neuem Inhalt – als sich ausschließlich auf bereits bestehende Stereotypen zu verlassen, um aufzudecken, wie Stereotypen angeeignet werden, wechseln und funktionieren. Crawford, Sherman und Hamilton (2002) haben für derartige Untersuchungen mit drei beeindruckenden Studien über die Ausbildung von impliziten Stereotypen eine solide Basis geschaffen und benutzten STT. Die Vpn machten sich mit Verhaltensweisen, gepaart mit Fotos von Personen aus zwei Gruppen, vertraut. Die Ergebnisse zeigten mehr STT (savings in relearning) zwischen den Mitgliedern von high-entitativity (z.B. hohe Ähnlichkeit oder Zusammenhang) Gruppen als zwischen Mitgliedern von low-entitativity Gruppen oder Individuen ohne Bezug zueinander. Zusätzlich boten die Lesezeiten in der dritten Studie Beweise für die in Gang gesetzte Ausbildung von Stereotypen der high-, nicht aber der low-entitativity Gruppe. Diese Ergebnisse zeigen also die Entwicklung und den Ablauf von impliziten Stereotypen von Gruppen. Mindestens vier andere interessante Stereotypen und In-Group/Out-Group Phänomene werden mit impliziten Eindrücken assoziiert: 1. Beschreibungen von actors mit ethnischen Namen, die Verhaltensweisen ausführen, die stereotyp-konsistente Eigenschaften implizieren, aktivieren diese Eigenschaften leichter als die Namen oder die Verhaltensweisen. Howard (2000, Experimente 1 und 2) untersuchte dies und kam zu dem Schluss, dass bei lexikalischen Entscheidungsaufgaben die lexikalischen Entscheidungen für bedeutende Eigenschaften am schnellsten waren, wenn die Ethnizität des actors mit dem stereotyp-implizierenden Verhalten konsistent war. Es gab keine Beweise, dass falsch zugeordnete Namen oder Verhaltensweisen stereotype Eigenschaften aktivierten. Diese Studien weisen zudem auf Bedingungen hin, unter denen die Aktivierung der Stereotypen vermeidbar sein könnte: Wenn der auslösende Stimulus schwach ist (z.B. eher ethnische Namen als Gesichter), könnte es sein, dass die spontane StereotypAktivierung nicht auftritt, und wenn er von inkonsistenter Information begleitet wird, könnte die spontane Stereotyp-Aktivierung blockiert werden. Dies muss allerdings noch untersucht werden. Bösch Anna, Limberger Beate 17 PS Sozialpsychologie: The new unconscious. Mag. Dr. Andreas Olbrich-Baumann, WS 2007/08 2. Ein zweites Phänomen wurde von Todorov, Gonzalez, Uleman und Thaden (2004) entdeckt. Falsche Zuordnungen zwischen actors und Verhaltensweisen bezüglich Geschlechtsstereotypen schienen die implizite Eindrucksausbildung zu hemmen. Aus ihren Ergebnissen wurde aber nicht klar, ob die falsche Zuordnung zwischen den Geschlechtern der actors und der Eigenschaften zu der schwächeren Eigenschaftsaktivierung führte, eine abgeschwächte actor-trait-Verbindung, durch die Glaubwürdigkeit der Paare direkt beeinflusste Wiedererkennungs-Beurteilungen, oder alle drei. Die wahrscheinlich interessanteste Möglichkeit ist, dass falsch zugeordnete actors und Verhaltensweisen eher spontane situation inferences anregten, als trait inferences. Banaji, Hardin und Rothman (1993) zeigten implizite Geschlechtsstereotypisierung mit einem sehr andersartigen Paradigma. Sie zeigten, dass die Aktivierung einer geschlechtsstereotypisierten Eigenschaft (Abhängigkeit oder Aggression) die intentionalen Eindrücke der Vpn geprimt hat, aber nur, wenn die Geschlechter von trait und actor zueinander passten. Diesen Effekt von implizitem Stereotypisieren nannten sie „soziale Kategorie-Anwendbarkeit“. Soziale Kategoriemarker, wie z.B. Rasse, Geschlecht, Alter, soziales Milieu und Invalidität, könnten wie magnetische Felder funktionieren, um früher begegneten stereotypisierten Informationen (und deren Auswirkung) auf die Beurteilung anzulocken oder abzuweisen, (a) wenn solche Informationen für die Beurteilung belanglos sind, und (b) ohne Bewusstsein, dass die stereotypisierte Information eine Quelle von Einfluss auf die Beurteilung ist. (p. 278) 3. Es gibt gute Beweise, dass die Merkmale der actors, einschließlich deren soziale Gruppenzugehörigkeit, die Arten von spontanen inferences, die auftreten, beeinflussen. Dunning und Sherman (1997, Study 3) zeigten dies z.B. mit Berufsstereotypen (occupational stereotypes). Die Ergebnisse waren, dass die Stereotypen der einzelnen Berufe die Bedeutungen von anfänglich zweideutig dargestellten Verhaltensweisen eindeutig machten. Diese eindeutigen Bedeutungen wurden dann im LZG gespeichert und führten später dazu, dass auch die ursprünglich kritisch dargestellten Hintergründe der Sätze eindeutig aufgenommen wurden, d.h. präzise zugeordnet werden konnten. Etwa ähnlich berichtete Delmas (1992), dass die Berufe der actors die stereotyp-berufsbezogenen STIs ermöglichten. Diese Studien sprechen einen interessanten möglichen Mechanismus für die Hartnäckigkeit von Stereotypen an. Sobald ein Stereotyp festgelegt wurde, kann er zweideutige Verhaltensweisen eindeutig machen, auf eine Art, die mit dem Stereotyp Bösch Anna, Limberger Beate 18 PS Sozialpsychologie: The new unconscious. Mag. Dr. Andreas Olbrich-Baumann, WS 2007/08 konsistent ist. Dies dient dann dafür, den Stereotyp für bestimmte Individuen zu bestätigen, wie bei Dunning und Sherman (1997). Die bloße Wiederholung des Gesichts dieses Individuums, mit dem die stereotype Eigenschaft implizit assoziiert wurde, sollte die wahrgenommene Validität einer stereotypisierten Wahrnehmung dieser Person vergrößern. Zudem sollte all das ohne irgendeine explizite Folgerung über die Person oder ohne irgendein Bewusstsein des Prozesses auftreten. 4. Eine andere Studie behandelt nicht bestimmte Stereotypen per se, sondern ingroup/out-group Effekte, und zeigt damit einen zusätzlichen Weg auf, dass soziale Gruppenzugehörigkeit implizite Eindrücke beeinflussen könnte. Otten und Moskowitz (2000) untersuchten, ob die Zugehörigkeit zu kleinen Gruppen die STIs verfälschen wird. Die Vpn lasen trait-implying sentences, die entweder in-group- oder out-groupMitglieder beschrieben. Die Sätze wurden in einem recognition-probe-reaction-time Paradigma gelesen, in dem die Vpn beurteilen mussten, ob ein Untersuchungswort, das nach jedem Satz auftritt, explizit in dem Satz präsentiert wurde. Wenn die Sätze die traits implizierten, wenn in-group-Mitglieder beschrieben wurden und wenn es sich um eine positive Eigenschaft handelte, waren die Reaktionszeiten länger. In diesem Paradigma sind längere Zeiten, um korrekt entscheiden zu können, dass die implizierte Eigenschaft nicht explizit im Satz vorkam, ein Beweis dafür, dass die Eigenschaft abgeleitet wurde. Wie also bewiesen wurde, trat eine in-group Favorisierung (nicht aber eine out-group Beeinträchtigung) auf. Es ist bemerkenswert, dass dieser Effekt ohne explizite Vergleiche von in-group und out-group aufgetreten ist, mit einem Mittel, das bei den Vpn das Fehlen des Bewusstseins dafür, worauf und wie sie antworten, nahezu garantiert. Conclusion Der Gedanke, dass wir implizite Eindrücke von anderen haben – Wissen, das wir nicht explizit machen (können), welches aber trotzdem beeinflusst, wie wir andere sehen und mit ihnen interagieren -, ist nicht neu. Sie sind in der alltäglichen Sprache über interpersonelle „Chemie“, „vibrations“ und Intuition gefangen. Einige dieser Intuitionen kommen von socialcognitive transference, wenn eine Person einem significant other gleicht und wir, ohne es zu realisieren, die neue Person an die alte angleichen. Einige dieser Intuitionen kommen auch von vergangenen Begegnungen mit und Rückschlüssen über diese Person, die wir aber nicht wieder abrufen (können). Diese Intuitionen wurden hier beschrieben. Bösch Anna, Limberger Beate 19 PS Sozialpsychologie: The new unconscious. Mag. Dr. Andreas Olbrich-Baumann, WS 2007/08 STIs sind darum implizite Eindrücke, weil sie ohne Intentionen oder Bewusstsein gebildet werden. Es gibt gute Beweise dafür, dass sie Rückschlüsse über Personen sind, und nicht nur über Verhaltensweisen. Carlston und Skowronski (1994; Carlston et al., 1995) zeigten dies mit ihrem savings-in-relearning Paradigma, Todorov und Uleman (2002, 2003) mit ihrem false-recognition Paradigma. Obwohl STIs gelegentlich mit der „falschen“ Person assoziiert werden – jemand wie ein communicator, der uns vom actor erzählt, wie beim STT von Skowronski et al. (1998) -, deuten die Beweise von Todorov und Uleman (in press) darauf hin, dass dies ziemlich selten ist. STT erfordert womöglich eine lebhaftere Präsentation des communicators als des actors, z.B. ein Foto des communicators aber keines des actors. Die STT-Untersuchungen bieten die ersten entscheidenden Darlegungen, dass zufällige Begegnungen mit anderen Personen Eindrücke hinterlassen, die auch noch lange nach dem Erlischen der Details der Begegnung aus der Erinnerung bestehen bleiben. In diesen Studien formten die Vpn spontan Eindrücke über die Verhaltensweisen, von denen sie gelesen hatten, und diese Eindrücke beeinflussten dann später das Verhalten (relearning), auch dann, wenn die Erinnerung an die Verhaltensweisen nicht mehr vorhanden war (Carlston & Skowronski, 1994; Carlston et al., 1995). Obwohl Skowronski et al. (1998) betonten, dass diese impliziten Eindrücke von der falschen Person handelten, waren die wichtigen Punkte hier, dass sie ohne Bewusstsein (spontan) geformt worden waren und dass sie wahrscheinlich die einzige Grundlage für nachfolgende Eigenschaftsbeurteilungen wurden, weil (nach den Beweisen von Carlston et al.) die Verhaltensweisen vergessen worden waren. All dies deutet nun darauf hin, dass jedes Mal wenn Menschen anderen begegnen, die sie vorher schon gesehen haben, ihre Antworten und Reaktionen davon abhängen, was sie erinnern können, und von den impliziten Eindrücken. Die Adaptation von Jacobys (1991) PDP bot eine direkte Überprüfung und bestätigte dies: Sofort nach einer Begegnung basierten die Eigenschaftsbeurteilungen der actors sowohl auf explizit erinnerten (kontrollierten) als auch auf impliziten (automatischen) Eindrücken. Zwei Tage später hatten jedoch nur noch die impliziten Eindrücke einen Effekt. Die Spontaneität von STIs ist eine Beschreibung von Enkodier-Prozessen: ohne Intention oder Bewusstsein. Implizite Eindrücke sind eine Beschreibung von Begrenzungen des Abrufens: ohne expliziten Bezug oder Erinnerung. Implizite Eindrücke können wahrscheinlich unter vielen Bedingungen entstehen. Was sie implizit macht, ist ihr momentaner memorial status. In PDP-Begriffen ausgedrückt, sind sie die unkontrollierbaren (automatischen) Effekte von vergangenen Begegnungen, die die gegenwärtige Performanz beeinflussen. Bösch Anna, Limberger Beate 20 PS Sozialpsychologie: The new unconscious. Mag. Dr. Andreas Olbrich-Baumann, WS 2007/08 Zusatzliteratur: Schacter, D. L. (1987). Implicit memory: History and current status. (pp. 505-510) Savings during relearning Wie schon gesagt wurde, kann das Phänomen des savings during relearning (oder savings-inrelearning) als ein Hinweis auf implizites Gedächtnis gedeutet werden, und zwar in dem Sinn, dass das Wiedererlernen einer früher gelernten Liste keine explizite Bezugnahme auf eine frühere Lernepisode braucht, obwohl der Einfluss der früheren Lernphase von savings aufgezeigt wird (z.B. Slamecka, 1985b). Jedoch hat nur ein kleiner Anteil der umfassenden Forschung über savings die Frage aufgeworfen, ob sich Personen in der Tat auf das explizite Gedächtnis für früheres Lernen verlassen wenn sie eine Liste wiedererlernen, weshalb nicht vollkommen klar ist, was uns diese savings-Studien wirklich über das implizite Gedächtnis sagen. Der direkteste und einschlägigste Beweis wurde von Nelson (1987) dargeboten, der savings für Items zeigte, die weder wieder abgerufen noch wieder erkannt wurden, was darauf hindeutet, dass savings in einer gänzlich impliziten Art und Weise auftreten können. Effekte von subliminal enkodierten Stimuli Obwohl frühe Experimente, die behaupteten, subliminale Wahrnehmung aufzuzeigen, schwer kritisiert wurden (Eriksen, 1960), lieferten neuere Studien, die eine Vielfalt von neuen experimentellen Techniken verwendeten, überzeugendere Beweise dafür, dass Stimuli, die nicht bei subjektivem Bewusstsein präsentiert werden (Cheesman & Merikle, 1986), dennoch vom Wahrnehmungssystem auf höhere Ebenen verarbeitet werden (z.B. Cheesman & Merikle, 1986; Dixon, 1981; Fowler, Wolford, Slade, & Tassinary, 1981; Marcel, 1983). Für gegenwärtige Überlegungen ist jedoch relevanter, dass viele Studien vorgaben zu zeigen, dass Stimuli, die nicht bewusst wahrgenommen werden, und deshalb auch nicht explizit erinnert werden können, nachfolgendes Verhalten und die Performanz bei Aufgaben beeinflussen, die keine bewusste Erinnerung an den subliminalen Stimulus benötigen, wie z.B. freie Assoziation (Haber & Erdelyi, 1967; Shevrin & Fritzler, 1968) und Produktionen von fantasievollen Geschichten (Giddan, 1967; Pine, 1960). Die vorhergehenden Experimente betrachteten nicht systematisch die Beziehung zwischen implizitem und explizitem Gedächtnis für subliminal dargebotene Stimuli. Neuere Studien Bösch Anna, Limberger Beate 21 PS Sozialpsychologie: The new unconscious. Mag. Dr. Andreas Olbrich-Baumann, WS 2007/08 zeigten jedoch implizites Gedächtnis für subliminal oder kurz dargebotene Stimuli unter Bedingungen, in denen die Personen nur wenig oder keine explizite Erinnerung aufwiesen. Kunst-Wilson und Zajonc (1980) zeigten Personen geometrische Figuren nur für eine ganz kurze Zeit, die, wie sie behaupteten, zu kurz war (1 ms) um bewusste Wahrnehmung zu ermöglichen. Die explizite Erinnerung für die Figuren war also, wie von der gezwungenermaßen gewählten Erkennungs-Performanz indiziert, zufällig. Die Personen wiesen jedoch implizite Erinnerung auf, indem sie in einem Test, in dem sie beurteilten, welche von zwei Figuren – eine alte und eine neue – sie lieber mochten, eine zuverlässige Präferenz für die vorher dargebotenen Figuren zeigten. Gleiche Ergebnisse wurden von Seamon, Brody, and Kauff (1983) und Wilson (1979) berichtet. Mandler, Nakamura, und Van Zandt (in press) zeigten, dass kurze Stimulus-Darbietungen nicht-affektive StimulusBeurteilungen (z.B. Helligkeit) beeinflussen können. Bargh und Petromonaco (1982) untersuchten die Effekte von subliminalem Umgang mit „ablehnenden“ Worten (z.B. gemein, unbedacht) auf eine nachfolgende impression formation-Aufgabe. Personen, denen ablehnende Worte subliminal dargeboten wurden, beurteilten eine Zielperson später negativer als die, die keine solche frühere Darbietung erfahren hatten, obwohl die explizite Wiedererkennung der ablehnenden Worte zufällig war. Bargh, Bond, Lombardi, und Tota (1986) beobachteten ähnliche implizite Effekte, die dem subliminalen Umgang mit verschiedenen anderen Typen von Worten nachfolgten. Lewicki (2985) fand heraus, dass Personen nach subliminalem Umgang mit Adjektiv-Nomen-Paaren (z.B. alt - Baum) dazu tendierten, das vorher dargebotene Adjektiv als Antwort auf Fragen zu wählen, die betrafen, wie die Personen über das Nomen dachten oder „fühlten“ (z.B. Ist ein Baum groß oder alt?). Eine neuere Studie von Eich (1984), die eine andere Methode benutzte, um die bewusste Wahrnehmung von Zielmaterialien abzuschwächen, erbrachte Daten, die mit den vorhergehenden Ergebnissen konsistent waren. Eich benutzte eine auditorische geteilte Aufmerksamkeits-Aufgabe, in der Homophone gemeinsam mit Worten, die die geringe Frequenz-Interpretation der Homophone beeinflussen sollten, auf dem vernachlässigten Kanal dargeboten wurden. Die Personen zeigten darauf keine explizite Erinnerung für die Homophone in einem Ja/Nein-Wiedererkennungstest. Als jedoch gefordert war, die Zielworte zu buchstabieren, boten die Personen öfter das Buchstabieren der Homophone auf einer geringen Frequenz als in baseline-Bedingungen, und zeigten dadurch implizite Erinnerung für die vernachlässigte Information. Bösch Anna, Limberger Beate 22 PS Sozialpsychologie: The new unconscious. Mag. Dr. Andreas Olbrich-Baumann, WS 2007/08 Lernen und Konditionieren ohne Bewusstsein In learning-without-awareness Studien lernen die Personen angeblich Regeln oder Kontingenzen ohne das Bewusstsein, dass sie sie lernen, und deshalb auch ohne explizite Erinnerung an sie (z.B. Greenspoon, 1955; Thorndike & Rock, 1934). Dieses Phänomen wurde in den 1950er Jahren in Lernexperimenten mit vielen Versuchen umfangreich beforscht, in denen die Personen bekräftigt wurden, wenn sie spezifische Antworten oder Typen von Antworten gaben. Mehrere Forscher berichteten, dass Personen, die sich der Bekräftigungs-Antwort Kontingenz nicht bewusst waren, die bekräftigte Antwort mit erhöhter Häufigkeit über die Versuche abgaben, aber andere wiesen auf das Fehlen von angemessenen Methoden für das Bestimmen des Bewusstseins der Personen über die Bekräftigungs-Antwort Kontingenz hin. Studien, die strengere Methoden benutzten, um das Bewusstsein abzuschätzen, zeigten positive Beweise für Lernen ohne Bewusstsein (Giddan & Eriksen, 1959; Krieckhaus & Eriksen, 1960), wie auch Untersuchungen, in denen die BekräftigungsAntwort Kontingenz durchaus verdeckt wurde (Rosenfeld & Baer, 1969; Nisbett & Wilson, 1977). Es wurden jedoch auch auf viele negative Beobachtungen hingewiesen (Brewer, 1974). In der betreffenden Forschung präsentierten etliche Forscher Beweise dafür, dass sich Personen verschiedene Typen von klassisch konditionierten Antworten ohne Bewusstsein über die Konditionierungskontingenzen aneignen können (z.B. Adams, 1957; Lacey & Smith, 1954), die Einschätzung des Bewusstseins war jedoch oft ungenügend (Brewer, 1974). In gleicher Weise zeigten Untersuchungen, die sich mit dem Phänomen der unterschwelligen Wahrnehmung (subception) befassten, dass eine experimentell angeeignete konditionierte Antwort, offen gelegt durch die galvanische Hautantwort auf unsinnige Silben, die gemeinsam mit Schockschlägen dargeboten wurden, gleich danach ausgelöst werden kann durch kurzen Umgang mit den unsinnigen Silben, obgleich die Personen die Präsenz der Silben nicht entdeckt hatten. Obwohl einige Fragen und Kritik über die Interpretationen des Phänomens der unterschwelligen Wahrnehmung aufgeworfen wurden, wurde der Befund, dass eine konditionierte Antwort gelegentlich von einem ungemeldeten Stimulus ausgelöst werden kann, nicht angefochten (Eriksen, 1960, pp. 286-288). Ein neuerer Beweis für Regel- oder Kontingenzlernen ohne Bewusstsein wurde in einer Serie von Experimenten von Reber und seinen Kollegen berichtet, die ein Phänomen zum Inhalt hatten, das sie implizites Lernen nennen (z.B. Reber, 1976; Reber, Allen, & Regan, 1985; siehe auch Brooks, 1978; Gordon & Holyoak, 1983; McAndrews & Moscovitch, 1985). In Bösch Anna, Limberger Beate 23 PS Sozialpsychologie: The new unconscious. Mag. Dr. Andreas Olbrich-Baumann, WS 2007/08 diesen Studien wurden den Personen Buchstabenfolgen dargeboten, die entsprechend verschiedener Regeln einer künstlichen Grammatik angeordnet waren. Reber und seine Kollegen berichteten, dass die Personen lernten, die grammatikalisch korrekten Folgen zu identifizieren, auch wenn sie sich der entsprechenden Regeln explizit nicht bewusst waren. Lewicki (1986) zeigte mit einer etwas anderen Prozedur, dass Kontingenzen zwischen verschiedenen Merkmalen von Stimulusinformation die Latenzen, auf Fragen zu antworten, die kontingente Merkmale betrafen, beeinflussten, auch wenn keine der Personen die Beschaffenheit der Kontingenz explizit angeben konnte. Implizites Gedächtnis bei Amnesie Das amnestische Syndrom, das von Läsionen der medial-temporal und dienzephalischen Regionen des Gehirns hervorgerufen wird (z.B. Moscovitch, 1982; Rozin, 1976; Squire, 1986; Weiskrantz, 1985), ist charakterisiert durch ein normales wahrnehmendes, linguistisches und intellektuelles Funktionieren mit einer Unfähigkeit, sich an kürzliche Ereignisse oder neue Information explizit zu erinnern. Amnestische Patienten sind bei Standardtests für expliziten Abruf und Wiedererkennung schwer beeinträchtigt und sie verhalten sich katastrophal in Situationen des wirklichen Lebens, die explizites Erinnern erfordern, wie beispielsweise das Erinnern von Aktionen und Ereignissen während einer Runde Golf (Schacter, 1983). Die meisten moderenen Studien über implizites Gedächtnis bei Amnesie lassen sich in zwei großen Kategorien klassifizieren: skill learning (Fähigkeitslernen) und repetition priming (Wiederholungslernen). Die Forschung über skill learning bei Amnesie wurde von Milner, Corkin und ihren Kollegen in den 1960er Jahren initiiert. Sie zeigten, dass sich der schwerwiegend amnestische Patient H.M. motorische Fertigkeiten aneignen konnte, auch wenn er sich nicht explizit daran erinnert konnte, dass er vorher gerade die Aufgabe ausgeführt hat (Milner, 1962; Milner, Corkin, & Teuber, 1968). Stabiles Lernen von motorischen Fertigkeiten wurde bei verschiedenen anderen amnestischen Patienten beobachtet (z.B., Butters, 1987; Eslinger & Damasio, 1986; Starr & Phillips, 1970). Amnestische Patienten zeigten auch ein normales oder fast normales Lernen von kognitiven Fertigkeiten und Wahrnehmungsfertigkeiten, einschließlich dem Lesen von spiegelverkehrter Schrift (Cohen & Squire, 1980; Moscovitch, 1982), dem Lösen von Puzzles (Brooks & Baddeley, 1976), dem Lernen von Regeln (Kinsbourne & Wood, 1975), und dem Lernen von fortlaufenden Mustern (Nissen & Bullemer, 1987), trotz ihrem Defekt, Bösch Anna, Limberger Beate 24 PS Sozialpsychologie: The new unconscious. Mag. Dr. Andreas Olbrich-Baumann, WS 2007/08 explizit zu erinnern, dass sie gerade die Fertigkeiten ausgeführt haben. Ähnliche Dissoziationen wurden bei Drogen-induzierter Amnesie (Nissen, Knopman, & Schacter, in press) und bei Amnesie mit multipler Persönlichkeit (Nissen, Ross, Willingham, Mackenzie, & Schacter, in press) beobachtet. Das zweite große Gebiet der Forschung über implizites Gedächtnis bei Amnesie, das sich mit repetition priming Effekten beschäftigt, wurde von der wichtigen Serie von Experimenten initiiert, die von Warrington und Weiskrantz (1968, 1970, 1974, 1978) durchgeführt wurden. Die Autoren fanden heraus, dass amnestische Patienten eine normale Retention von einer Liste von geläufigen Worten zeigen können, wenn sie mit Wortstamm- oder Fragment-cues getestet werden, während dieselben Patienten bei freien Abruftests und Wiedererkennungstests schwerwiegend beeinträchtigt waren. Allerdings erwähnten Warrington und Weiskrantz (1968), dass sich die Patienten oft nicht daran erinnerten, dass ihnen irgendwelche Lernlisten-Items gezeigt wurden und den Fragment-Test wie ein „Ratespiel“ bearbeiteten. In der nachfolgenden Forschung, die ebenfalls Fragment-cues benutzte, war die Performanz der amnestischen Patienten in Beziehung zu jener der Kontrollpersonen manchmal beeinträchtigt (z.B., Squire, Wetzel, & Slater, 1978). Nun ist also klar, dass die Antwort auf die Frage, ob amnestische Patienten eine normale Retention zeigen, wenn sie mit Wortfragmenten und verschiedenen anderen cues getestet werden, oder nicht, in kritischer Weise von der impliziten/expliziten Beschaffenheit des Tests abhängt. Graf et al. (1984) zeigten beispielsweise, dass wenn den Personen explizite Gedächtnis-Instruktionen gegeben werden – ihnen wurde also gesagt, die Wortstämme als cues zu benutzen, um früher gelernte Worte zu erinnern – die amnestischen Patienten in Bezug auf die Kontrollpersonen beeinträchtigt wurden. Wenn den Personen aber implizite Gedächtnis-Instruktionen gegeben werden – ihnen wurde also gesagt, die Stämme mit dem ersten Wort, das ihnen einfällt, zu vervollständigen – die amnestischen Patienten und die Kontrollpersonen vergleichbare Quantitäten von priming zeigten (siehe auch Graf et al., 1985). In einer frühen und oft übersehenen Studie präsentierten Gardner, Boller, Moreines, und Butters (1973) amnestischen Patienten mit dem Korsakoff-Syndrom und Kontrollpersonen kategorisierte Wortlisten. Als den Personen nachfolgend Kategorie-cues gegeben wurden und sie aufgefordert wurden, mit dem ersten Kategoriemitglied zu antworten, das ihnen in den Sinn kommt, zeigten die amnestischen Patienten und die Kontrollpersonen beide äquivalente Quantitäten von priming. Als sie aufgefordert wurden, Listen-Items in Erwiderung auf Kategorie-cues zu erinnern, waren die amnestischen Patienten in Bezug auf die Kontrollpersonen beeinträchtigt (siehe auch Graf et al., 1985). Schacter (1985) fand Bösch Anna, Limberger Beate 25 PS Sozialpsychologie: The new unconscious. Mag. Dr. Andreas Olbrich-Baumann, WS 2007/08 heraus, dass amnestische Patienten normale priming-Effekte zeigten, nachdem sie eine Liste mit geläufigen Idiomen (z.B. sour - grapes) gelernt hatten und dann das erste Wort niederschrieben, dass ihnen bei einem freien Assoziationstest einfiel (z.B., sour - ?). Die amnestischen Patienten waren jedoch beeinträchtigt, wenn sie instruiert wurden zu versuchen, dieselben cues zu benutzen, um Zielworte der Lernliste zu erinnern. Shimamura und Squire (1984) erhielten ein ähnliches Muster von Ergebnissen mit stark aufeinander bezogenen gepaarten Partnern (z.B., table-chair). Auf der Basis dieser Studien scheint es angemessen zu folgern, dass die normale Retention einer Liste mit geläufigen Items bei amnestischen Patienten nur dann auftritt, wenn implizite Tests benutzt werden. Mit dieser Beobachtung ist konsistent, dass amnestische Patienten normale priming-Effekte bei verschiedenen anderen impliziten Gedächtnis-Tests zeigten, einschließlich lexikalischer Entscheidungsaufgaben (Moscovitch, 1982), perzeptueller Identifikation (Cermak, Talbot, Chandler, & Wolbarst, 1985) und beim Buchstabieren von Homophonen (Jacoby & Witherspoon, 1982). In den meisten priming-Experimenten, die bisher diskutiert wurden, bestanden die Materialien der Studie aus Items mit integrierten oder schon vorher vorhandenen modularisierten Erinnerungsrepräsentationen, wie beispielsweise geläufige Worte, linguistische Idiome oder stark aufeinander bezogene gepaarte Partner. Kürzlich untersuchten mehrere Forscher, ob amnestische Patienten normales priming oder implizite Erinnerung für neue Information zeigen, die keine vorher schon vorhandene Repräsentation als eine Einheit im Gedächtnis hat, wie z.B. „Unworte“ oder nicht aufeinander bezogene gepaarte Partner. Die bisherigen Ergebnisse sind uneinheitlich. Cermak et al. (1985) fanden heraus, dass amnestische Patienten kein priming von Unworten bei einem perzeptuellen Identifikationstest zeigen, und Diamond und Rozin (1984) erhielten ähnliche Ergebnisse, als das implizite Gedächtnis mit Stämmen mit drei Buchstaben getestet wurde. Graf und Schacter (1985) und Schacter und Graf (1986b) fanden unter Benutzung eines Wortvervollständigungs-Tests heraus, dass ein paar amnestische Patienten – jene mit relativ geringen Gedächtnisstörungen – eine normale implizite Erinnerung für eine neu angeeignete Assoziation zwischen unverbundenen Worten zeigten, während schwerwiegend amnestische Patienten keine implizite Erinnerung für neue Assoziationen zeigten. Moscovitch et al. (1986) schätzten die implizite Erinnerung mit einer Aufgabe ab, die das Lesen von abgeschwächten Paaren von unverbundenen Worten beinhaltete, und beobachteten eine normale implizite Erinnerung für neue Assoziationen bei Patienten mit schwerwiegenden Gedächtnisstörungen. McAndrews, Glisky, und Schacter (in press) untersuchten die implizite Erinnerung für neue Information, indem sie den Personen neue, schwer zu verstehende Sätze darboten und sie dazu veranlassten, cues zu bilden, die die Bösch Anna, Limberger Beate 26 PS Sozialpsychologie: The new unconscious. Mag. Dr. Andreas Olbrich-Baumann, WS 2007/08 Sätze verständlich machten. Sie fanden heraus, dass die Fähigkeit von schwerwiegend amnestischen Patienten, die korrekten cues zu bilden, wesentlich von einer einzigen früheren Darbietung des cue-Satz-Paares unterstützt wurde, trotz dem kompletten Fehlen von expliziter Erinnerung für die Sätze und die cues. Die vorhergehenden Studien zeigen an, dass amnestische Patienten priming-Effekte für neu angeeignete Information zeigen können, sie deuten aber auch darauf hin, dass solche Effekte von der Art des impliziten Gedächtnistests, der benutzt wird, abhängt und, in manchen Fällen, vom Schweregrad der Amnesie. Ein anderes wichtiges Thema beim priming bei amnestischen Patienten bezieht sich auf die Dauer des Phänomens. Mehrere Forscher haben berichtet, dass das priming der Wortvervollständigungs-Performanz bei amnestischen Patienten ein relativ flüchtiges Phänomen ist, das nur wenige Stunden andauert (Diamond & Rozin, 1984; Graf et al., 1984; Rozin, 1976; Squire, Shimamura, & Graf, in press). McAndrews et al. (in press) fanden jedoch heraus, dass schwerwiegend amnestische Patienten nach einem einwöchigen Retentions-Intervall ein stabiles priming auf ihre Satz-Puzzle-Aufgabe zeigten. Diese Beobachtungen suggerieren, dass die Dauer des primings bei amnestischen Patienten von der Art abhängen könnte, in der das implizite Gedächtnis abgeschätzt wird und von der Beschaffenheit der Zielinformation. Zusätzlich zum skill learning und repetition priming Phänomen zeigten amnestische Patienten auch Dissoziationen zwischen implizitem und explizitem Gedächtnis in verschiedenen anderen Situationen. Schacter, Harbluk, und McLachlan (1984) zeigten, dass amnestische Patienten einige erfundene Informationen über Menschen lernen können, sich aber nicht daran erinnern können, dass ihnen diese Information gerade eben erst mitgeteilt wurde (siehe auch Schacter & Tulving, 1982; Shimamura & Squire, 1987). In ähnlicher Weise beobachtete Luria (1976), dass ein amnestischer Patient Stückchen von kürzlich dargebotenen Geschichten produzierte, obwohl er sich nicht daran erinnern konnte, dass ihm irgendwelche Geschichten erzählt worden waren. Glisky, Schacter, und Tulving (1986) zeigten, dass ein schwer amnestischer Patient lernen kann, einen Mikrocomputer zu programmieren, trotz des anhaltenden Defekts des Patienten, sich explizit daran zu erinnern, dass er jemals an einem Mikrocomputer gearbeitet hatte. Johnson, Kim, und Risse (1985) zeigten auf, dass amnestische Patienten eine versteckte Figur schneller ausfindig machen konnten nach einer einzigen Darbietung der Figur, und Weiskrantz und Warrington (1979) berichteten über Beweise von klassischem Konditionieren bei amnestischen Patienten – in allen Fällen mit wenig oder keiner expliziten Erinnerung an die experimentellen Materialien und an die Lernperiode selbst. Bösch Anna, Limberger Beate 27 PS Sozialpsychologie: The new unconscious. Mag. Dr. Andreas Olbrich-Baumann, WS 2007/08 Schacter, D, & Church, E., (1992). Understanding Implicit Memory: A Cognitive Neuroscience Approach. (pp. 387-408) In diesem Buch finden sich Beweise für die Existenz und Verifikation von impliziten Eindrücken. Die Vorgänge bei impliziten Prozessen werden zudem sehr anschaulich beschrieben. Schacter postuliert den impliziten Gedächtnisprozess als einen unbewussten Vorgang der kognitiven Zurückhaltung, welcher in Kontrast zu expliziten kognitiven Vorgängen steht (Schacter, 1992). Die vielschichtige Komplexität der impliziten Vorgänge sowie eine deutliche Abtrennung vom expliziten wurde erstmals genauer Anfang 1980 praktiziert (Schacter, 1992). Die kritische wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den impliziten Gedankenvorgängen und Forschungsschwerpunkte auf diesem Gebiet wurde durch Experimente an Versuchspersonen mit neurologischen Läsionen fundiert, in welchen Amnesiepatienten zwar impacts im Bereich der expliziten Gedankenvorgänge hatten, jedoch keine Beeinträchtigungen im impliziten kognitiven Bereich (Schacter, Rödinger, 1987). Schacter liefert in diesem Buch eine neurowissenschaftlich-psychologische Orientierung, um den Bereich der impliziten Wissenschaften zu verstehen. Er regt dazu an, sich mit den kontrollierten und automatischen Prozessen einerseits, als auch mit einer Trennung von Gedankensystemen und prozeduralen Vorgängen und den dadurch entstandenen Dissoziationen auseinanderzusetzen.(Schacter, & Church, 1990).Die in den verschiedenen Studien beobachteten Effekte der impliziten Eindrücke sieht der Autor als losgelöst vom regulären Gedächtnissystem („system versus processes debate“), wobei die Einschätzung der automatischen Gedächtnisprozesse auch hier mittels Hypothesen erfolgt (Tulving and Schacter, 1990). Schacter postuliert eine sog. Cross domain hypotesis generation mit dem Ziel, Hypothesen zu impliziten Vorgängen zu generieren, welche das strukturelle und semantische Potenzial der Vpn mit einschließen können. Somit wird auch auf die nicht unwesentliche Rolle des Primings bei impliziten Vorgängen und die damit verbundenen wissenschaftlichen Erkenntnisse hingewiesen (Schacter, & Church, 1992). Schacter und Church untersuchten in ihren zwei Hauptexperimenten vor allem Personen mit Dissoziationen und Problemen im Bereich des kognitiven Zugangs von semantischen Informationen im auditiven System. Die Primingvorgänge/Wortspezifitäts-Effekte wurden untersucht. Schacters Versuche wurden auch wie bei unserem Beispiel der Wortstammergänzungen (Jacoby, 1991) unter kognitiver bzw. nicht-kognitiver Belastung beim Enkodieren durchgeführt. Identifikation und Wiedererkenung der semantischen bzw. nichtsemantischen Wortstämme waren die main–factors. Der Studie zufolge wurde das Bösch Anna, Limberger Beate 28 PS Sozialpsychologie: The new unconscious. Mag. Dr. Andreas Olbrich-Baumann, WS 2007/08 Priming der gehörten Wort(stämme) weniger von der jeweiligen Manipulation (kognitiven Belastung) beeinflusst als ursprünglich angenommen. Wiedererkennungs- und Identifikations–Fähigkeiten blieben von Störvariablen unbeeinflusst. Ein implizierter Erinnerungseffekt wurde ebenfalls festgestellt. Schacter and Church bieten eine kognitive Orientierungsmöglichkeit, um die Vielschichtigkeit des impliziten Bereiches leichter verstehen zu können, somit ihrer Komplexität Rechnung zu tragen, und ermöglichen es, vielleicht das eigene Verhalten – sei es nun bewusst oder unbewusst, aus einer anderen Perspektive betrachten zu können . Whitney, & Wiliams-Whitney, (1990): Word Stem Completion. An Experiment. (pp. 18-22) Im Experiment von Whitney & Wiliams-Whitney (1990) wird ebenfalls der Frage nach Vervollständigung von Wortstämmen nachgegangen, da dies ein sehr umfangreiches Repertoire an Möglichkeiten zum Testen zulässt. Whitney (1990) benutzte auch Wortstämme zur Untersuchung der Evidenz von STIs, d.h. die Vpn lasen kurze trait-implying Abschnitte und keine trait-implying Kontrollabschnitte und vervollständigten dann die Wortstämme. Unmittelbar danach wurde eine Verständnisfrage gestellt. Die Ergebnisse waren dahingehend zu interpretieren, dass die Bildung von STIs dazu führte, dass die Wortstämme signifikant häufiger mit den zuvor abgeleiteten traits vervollständigt wurden, womit die Wirksamkeit der STIs wieder einmal bewiesen wird. Bösch Anna, Limberger Beate 29 PS Sozialpsychologie: The new unconscious. Mag. Dr. Andreas Olbrich-Baumann, WS 2007/08 Literaturverzeichnis: Uleman, J. S., Blader, S. L., & Todorov, A. (2005). Implicit Impressions. In R. R. Hassin, J. S. Uleman, & J. A. Bargh (eds.), The new unconscious (pp. 362-392). Oxford: Oxford University Press. Schacter, D. L. (1987). Implicit memory: History and current status. Journal of Experimental Psychology: Learning, Memory, and Cognition, 13, 501-518 Schacter, D, & Church, E., (1992). Understanding Implicit Memory: A Cognitive Neuroscience Approach. In Collins A., Gathercole S., Conway, M., & Morris, P. (eds.). Theories of Memory (p. 387-408). Lancaster: Memory Research Unit, Lancaster University, UK. Cynthia G. Whitney, & D. Williams-Whitney, (1990): Word Stem Completion. An Experiment. Journal of Experimental Social Psychology, 61, 18-22 Bösch Anna, Limberger Beate 30