Implizite Eindrücke

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PS Sozialpsychologie: The new unconscious. Mag. Dr. Andreas Olbrich-Baumann,
WS 2007/08
Implizite Eindrücke
Zusammengefasst von Bösch Anna (0601535) und Limberger Beate (0300393)
Unser Wissen über andere Menschen ist komplex und vielschichtig und entwickelt sich aus
vielen verschiedenen Dingen, wie dem Kommentar eines Freundes, dem Kleidungsstil,
Stimmklängen, Einstellungen, Gesichtsausdrücken, Rollen in der Gesellschaft etc. Was wir
über unsere Gefühle sagen können, was wir implizit erwarten und wie wir uns gegenüber
anderen Menschen und mit ihnen verhalten basiert meist auf vergangenen Treffen und kaum
wahrgenommenen Ereignissen mit diesen Personen. All diese Dinge beinhalten auch die
Bedeutung, die wir den jeweiligen Ereignissen und Beobachtungen geben, wobei dies meist
ohne Anstrengung oder Bewusstsein vor sich geht.
Implizite Eindrücke sind diejenigen Eindrücke, oder auch der Aspekt aller Eindrücke, die
nicht von der expliziten Erinnerung an vergangene Begegnungen oder den expliziten
Bedeutungen, die Personen ihnen gegeben haben, abhängen. Implizite Eindrücke sind das,
was hinter unserer Gewissheit, dass wir „wissen“, wie jemand ist, stehen, ohne dass wir dabei
sagen oder erinnern könnten, was wir wissen oder wie wir es wissen. Sie sind also vor-verbal,
nicht-episodische Rückstände in der Erinnerung unserer Beobachtungen von, Interaktionen
mit und Rückschlüsse über andere. Diese Erinnerungsspuren sind mit anderen Menschen so
verbunden, dass sie unsere expliziten Gedanken, unsere Gefühle und unser Verhalten mit
diesen Menschen steuern, ohne dass sie selbst explizit werden. Definitionsgemäß kann eine
Person ihre impliziten Eindrücke auch nicht anderen Personen mitteilen.
Die Unterscheidung zwischen impliziten und expliziten Eindrücken kann Probleme
hervorrufen. Erinnerungen sind immer dann implizit, wenn sie das gegenwärtige Verhalten
beeinflussen (sodass wir wissen, dass es sie gibt), aber wenn sie nicht willentlich abgerufen
wurden. Schacter (1987) z.B. beschrieb die implizite Erinnerung als „offen gelegt, wenn
vorangegangene Erfahrungen die Durchführung einer Aufgabe erleichtern, die keine bewusste
oder intentionale Erinnerung dieser Erfahrungen braucht“, während die explizite Erinnerung
„die bewusste Erinnerung dieser Erfahrungen benötigt“ (Seite 501). Derartig implizites
Wissen, das beeinflusst, wie wir denken, fühlen und uns gegenüber anderen verhalten, nennen
wir implizite Eindrücke.
Bösch Anna, Limberger Beate
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Existenzbeweis
Die klinische Literatur enthält viele Anekdoten, die das Phänomen Implizite Eindrücke in der
sozialen Interaktion darstellen. Die wahrscheinlich früheste und bekannteste dieser Anekdoten
ist das „curious experiment“ von Edouard Claparède (1911/1951) mit einer Patientin, die am
Korsakoff-Syndrom litt. Obwohl sie schon seit fünf Jahren im Krankenhaus lag, erkannte sie
die Doktoren und Krankenschwestern, die sie jeden Tag sah, nicht wieder. Sie vergaß also
alles von einer Minute auf die andere. Claparède wollte nun herausfinden, ob die Patientin
einen starken Eindruck besser behält, der auch affektiv ist. Deshalb stach er der Patientin mit
einer Nadel, die zwischen seinen Fingern versteckt war, in ihre Hand. Den kurzen und
schwachen Schmerz des Nadelstichs hatte die Patientin schon wenige Minuten später wieder
vergessen. Als aber der Doktor erneut die Hand der Patientin anfassen wollte, zog sie sie
reflexartig zurück, ohne selber zu wissen warum. Als der Doktor sie nach dem Grund fragte,
antwortete sie, ob denn Menschen kein Recht hätten, ihre Hand zurückzuziehen. Bei weiterer
Befragung fragte die Patientin dann, ob der Doktor vielleicht eine Nadel in seiner Hand
versteckt hält und als Erklärung für diese Vermutung sagte sie dann, die Idee sei ihr so durch
den Kopf gegangen, oder fragte, ob denn Menschen nicht manchmal Nadeln in ihren Händen
versteckt hätten. Niemals jedoch hätte sie den Gedanken des Nadelstichs als Erinnerung
erkannt.
Verschiedenes implizites Wissen, z.B. Einstellungen, Selbstwertgefühl und Stereotypen, sind
heute bekannte Phänomene in der Sozialpsychologie. Greenwald and Banaji (1995) betonen,
dass ihr definierendes Merkmal „ist, dass Spuren von vergangener Erfahrung irgendeine
Ausführung beeinflussen, auch wenn die einflussreiche frühere Erfahrung nicht erinnert
wird…sie ist für Selbstbeschreibung und Introspektion nicht vorhanden“ (Seite 4-5).
Eine Methode der Messung von impliziten Assoziationen ist der Implicit Association Test
(IAT; Greenwald, McGhee, & Schwartz, 1998). Das Messen von impliziten Assoziationen
zwischen Konzepten mit dem IAT erfordert aber explizite Konzepte, damit sie im Test
dargestellt werden können. Implizite Assoziationen werden dann durch ihre Effekte auf
beschleunigte Rückmeldungen auf Paare von expliziten Konzepten im IAT entdeckt. Wir
mögen nicht wissen, dass wir Dinge über andere Menschen „wissen“, aber dennoch verhalten
wir uns anders ihnen gegenüber, als wir uns verhalten würden ohne vorherige vergessene
Informationen über sie. Die Forschung mit dem IAT bietet aber keine Beweise für implizite
Eindrücke.
Bösch Anna, Limberger Beate
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Sogar ohne explizite Konzepte können implizite Eindrücke vom klassischen „implicit
memory phenomena“ von Schacter (1987; Schacter & Curran, 2000) offen gelegt werden.
Implizite Eindrücke haben Effekte auf Eigenschaftsmessungen, aber auch auf Emotionen,
Stimmungslagen, Erwartungen, nicht merkmalsbezogene Beschreibungen und das Verhalten
anderen gegenüber.
Den größten systematischen Beweis für implizite Eindrücke bieten wahrscheinlich indirekt
die bemerkenswerten Untersuchungen von Andersen et al. über social-cognitive transference
(Andersen & Berenson, 2001; Berk & Andersen, 2000; Chen & Andersen, 1999). Die
Ergebnisse zeigten, dass reichhaltige und komplexe Repräsentationen eines significant other
eine große Zahl an Rückmeldungen gegenüber einem Fremden, der diesem significant other
ähnelt, beeinflussen kann; dies sind Rückmeldungen, die von der Stimmung zu Eindrücken,
Erwartungen und sogar bis zum interpersonellen Verhalten reichen. Diese Effekte treten
ebenfalls ohne das Bewusstsein auf, dass die Repräsentation der Vergangenheit gegenwärtiges
Verhalten gegenüber einem Fremden beeinträchtigt. Diese vielfältigen Untersuchungen
zeigen, dass implizite Eindrücke existieren, und zwar indem sie deren Effekte auf eine breite
Palette von Reaktionen gegenüber Fremden, die den significant others ähneln, dokumentieren.
Ein weiterer Beweis für die Existenz von impliziten Eindrücken bildet das „savings-inrelearning implicit memory paradigm“ von Carlston, Skowronski et al., die untersuchen
wollten, ob Verbindungen zwischen actors und spontaneous trait inferences (spontane
Merkmalsrückschlüsse) hergestellt werden (Carlston & Skowronski, 1994; Carlston,
Skowronski, & Sparks, 1995). STIs sind Merkmalsrückschlüsse, die ohne Intentionen
gemacht werden, um Eindrücke zu formen oder Merkmale von anderen abzuleiten. Carlston
und Skowronski zeigten in ihrer Arbeit nun, dass STIs auch als implizite Eindrücke fungieren
können. Carlston und Skowronski entwickelten ihr Vorgehen, um die Kontroverse
anzusprechen, ob STIs bei den actors auftreten oder lediglich beim Verhalten. Die
traditionelle Behauptung war, dass sie bei den actors auftreten (Winter & Uleman, 1984), da
sie sonst keine impliziten Eindrücke sind. In ihrer Untersuchung machten sich die Vpn zuerst
vertraut mit einer Fotoserie von Personen (actors) gepaart mit trait-implying paragraphs, die
das Verhalten der Personen beschrieben. Nach einer Woche wurden die Vpn aufgefordert,
Paare von Fotos und Eigenschaften zu lernen, jedoch ohne Bezugnahme auf ihre frühere
familiarization-Erfahrung. Diese Foto-Eigenschafts-Paare beinhalteten die Fotos der actors,
die früher schon dargeboten wurden, und Eigenschaften, die im dazugehörigen Paragraph
enthalten waren. Diese „old photo-implied trait“-Paare waren für die Vpn leichter zu lernen
als (1) „new photo-implied trait“-Paare oder (2) alte Fotos gepaart mit anderen Eigenschaften.
Bösch Anna, Limberger Beate
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Es gab also savings in relearning in dem Sinne, dass die Vpn offensichtlich die Paare von
Fotos und implied traits während der anfänglichen familiarization-Prozedur lernten und später
lediglich die „old photo-implied trait“-Paare erneut lernen mussten. Deshalb war das Lernen
dieser Paare leichter. All dies geschah ohne Andeutung gegenüber den Vpn, dass sie
Eigenschaften ableiten oder Eindrücke formen sollten, so dass die trait inferences also spontan
auftraten. Außerdem begründeten die Ergebnisse der Studie, dass die STIs eher bei den actors
auftreten als nur beim Verhalten, da die savings nur für actor-trait-Paare auftraten, nicht
jedoch bei behaviour-trait-Paaren. Weiters wurde gezeigt, dass diese savings-Effekte auch
noch auftreten, wenn das Lernen erst 2 Tage nach der anfänglichen Aufnahme geschieht, und
auch wenn die Vpn weder eine Wiedererkennung des Verhaltens zeigen, noch die abgeleiteten
Eigenschaften abrufen. Die savings treten also nicht nur ohne explizite Bezugnahme auf die
anfängliche familiarization-Phase auf, sondern auch ohne explizite Erinnerung an die
Eigenschaften, die das Verhalten mit einschloss. Die Vpn waren sich nicht bewusst, dass sie
STIs machten und dass diese Rückschlüsse Einfluss auf ihr kommendes Lernen haben.
Beweis, dass STIs in direktem Zusammenhang mit actors stehen
Das Ergebnis von Carlston und Skowronski, dass implizite Eindrücke in der Erinnerung eher
an actors als lediglich an Verhalten geknüpft sind, lässt die Frage aufkommen, warum frühere
Untersuchungsergebnisse mit einem „cued-recall“ Paradigma in Bezug auf diesen Punkt so
mehrdeutig waren (Uleman et al., 1996). Es gibt viele Unterschiede zwischen diesen zwei
Untersuchungsrichtlinien, wie z.B. die Instruktionen (erinnern vs. vertraut werden), die Länge
der trait-implying descriptions (ein Satz vs. ein Absatz), wie die actors präsentiert werden
(verbal vs. visuell), und abhängige Variablen (cued recall vs. savings in relearning). Eine
Serie von Untersuchungen, die ein „false recognition“ Paradigma verwendete, zeigt, dass
stabile actor-STI-Verbindungen hergestellt werden können mit Erinnerungsinstruktionen,
Beschreibungen mit nur einem Satz und visueller Präsentation der actors.
In solch einer Studie konnten Todorov und Uleman (2002) feststellen, dass implizite
Eindrücke explizite Erinnerungsfehler produzierten. Weitere Untersuchungen zeigten, dass
STIs von einzelnen Verhaltensweisen in der expliziten Erinnerung an die actors gebunden
werden können, und dies auch ohne die Erinnerung an die jeweiligen Verhaltensweisen, auf
denen sie basieren. Dadurch haben die STIs auch Folgen für die Beurteilung von anderen
Eigenschaftsverbindungen (z.B. Antonymverbindungen) zu den actors. Daraus lässt sich
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folgern, dass es eine Konsistenz zwischen den stabilen, spontanen actor-trait-Verbindungen in
der impliziten Erinnerung (offen gelegt durch das savings-in-relearning Paradigma) und der
Stärke der spontanen actor-trait-Verbindungen in der expliziten Erinnerung (offen gelegt vom
false recognition Paradigma) gibt. Beide, die Messung der impliziten und der expliziten
Erinnerung, bieten also einen klaren Beweis dafür, dass STIs mit den actors verbunden sind,
relativ anstrengungslos und ohne Intentionen oder Bewusstsein.
STIs sind also eine Art von impliziten Eindrücken, die durch den Umgang mit anderen, die
trait-implying behaviour ausüben, hervorgerufen werden. Sie führen zu savings in relearning
(ein impliziter Erinnerungs-Effekt) und Fehlern in der false recognition (ein expliziter
Erinnerung-Effekt).
Spontaneous Trait Transference (STT)
Die wahrscheinlich wichtigste, allgegenwärtige und offensichtlich nahe liegendste
Konsequenz impliziter Eindrücke ist, dass sie die intentionalen Eindrücke von actors, die das
trait-implying behaviour ausüben, automatisch beeinflussen.
Es ist auch gut begründet, dass implizite Eindrücke die intentionalen Eindrücke von anderen
Personen, die ursprünglich nicht das Eigenschafts-Konstrukt aktiviert haben, beeinflussen
können. Lewickis (1985, 1986) frühe Arbeiten deuteten dies an. Andersens (Andersen, Krull,
& Weiner, 1996) Untersuchungen über social-cognitive transference beinhalten viele Beweise
dafür, dass implizite Eindrücke von significant others viele Reaktionen gegenüber Fremden
beeinflussen können, auch die Eigenschaftsbeurteilungen. Zudem behauptete die klinische
Literatur, dass diese Effekte weit verbreitet und lang andauernd sind. Andersens
Untersuchungen zeigten, dass sie auch bei normalen Teilnehmern auftreten, was darauf
hinweist, dass die social-cognitive transference unsere Eindrücke von Fremden oft
beeinflusst.
Jedoch zeigte weder Lewickis noch Andersens Arbeit, dass spezifische EigenschaftsKonzepte, die spontan vom Verhalten abgeleitet wurden, intentionale Beurteilungen über
jemanden, der nicht der actor ist, beeinflussen können. Solch ein Beweis wäre eine hilfreiche
Unterstützung für die Behauptung, dass beide, STIs und social-cognitive transferences,
Beispiele von impliziten Eindrücken sind.
STT wurde das erste Mal von Carlston et al. (1995, Study 4) in einer Studie über savings-inrelearning nachgewiesen. Unter dem Gebrauch des familiarization und savings-in-relearning
Paradigma wurden die Beschreibungen von trait-implying behaviours nicht mit den Fotos der
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actors gepaart, sondern mit Fotos von communicators, die Beschreibungen von anderen, nicht
sichtbaren Personen darboten. Um untrüglich klar zu machen, dass es keine
Selbstbeschreibungen waren, waren die Beschreibungen in der 3. Person geschrieben und auf
eine Person bezogen, deren Geschlecht nicht mit dem Geschlecht des communicators auf dem
Foto zusammenpassten. Savings-in-relearning erbrachte klare Beweise für STT, obwohl die
Effekte nur etwa halb so groß waren wie die STI-Effekte in früheren savings-in-relearning
Studien. Die Gewöhnung an communicator-Beschreibungs-Paare erleichterte also später das
Erlernen von Foto-Eigenschafts-Paaren, auch wenn diese Eigenschaften nicht diese in den
Fotos beschrieben.
Skowronski et al. (1998, Studies 2-4) zeigten auch, dass STT die Eigenschaftsbeurteilung
vom communicator beeinflusst. Studie 3 zeigte zusätzlich, dass STT auch dann auftritt, wenn
den Vpn gesagt wird, dass die Fotos der communicators und die Verhaltensbeschreibungen
zufällig gepaart wurden, und die communicators die Zielperson, die beschrieben wurde, nicht
kannten. Diese Studie wurde konstruiert, um die Möglichkeit zu untergraben, dass STT darum
auftritt, weil die Vpn glauben, dass die communicators und die Zielperson gleich sind, weil
sie einander kennen.
Skowronski et al. (1998) erläuterten STT als Ergebnis von (a) spontaner
Eigenschaftsaktivierung während der familiarization-Phase, gefolgt von (b) irrtümlicher
Assoziation der Eigenschaft mit dem Foto des communicators, und dann (c) den Einfluss der
assoziierten Eigenschaften auf nachfolgende Beurteilungen des communicators. Sie stellten
diesem assoziativen Prozess den bewussteren Prozess der intentionalen Bildung von
Eindrücken gegenüber, bei dem die Rückschlüsse über die actors von Anfang an genau
gemacht werden.
Eine wahrscheinliche Randbedingung für STT
In allen STT-Studien wurden nur Fotos von communicators dargeboten. Die Frage ist nun, ob
STT nur von der Anwesenheit des communicator-Fotos abhängt. Zudem muss man auch
fragen, ob STIs mit den communicators assoziiert werden, wenn Fotos von den actors und den
communicators während der Gewöhnung an oder der Erinnerung an das trait-implying
Material dargeboten werden. Obwohl es keine direkten Beweise für diese Frage gibt, deuten
neue Befunde an, dass STT verschwinden oder abgeschwächt werden wird.
Todorov und Uleman (in press) benutzten das false recognition Paradigma um zu
untersuchen, ob STIs mit irgendeinem Gesichtsfoto assoziiert werden, oder nur mit dem
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Gesicht des actors. In den ersten drei Studien wurden einzelne trait-implying Sätze mit 2
Fotos von Personen desselben Alters und Geschlechts dargestellt, und die Vpn sollten diese
für einen nachfolgenden Gedächtnistest lernen. Den actors wurden Namen gegeben, ein Foto
wurde mit diesem Namen identifiziert und das andere (Kontrollgesicht) mit einem anderen
Namen. Im folgenden false recognition Test riefen die Gesichter der actors signifikante false
recognition der implizierten Eigenschaften hervor, verglichen mit dem Kontrollgesicht, was
darauf hindeutet, dass STIs stärker mit den Gesichtern der actors assoziiert werden, wenn
diese dargestellt werden. Diese Ergebnisse hätten jedoch auch auftreten können, weil das
zweite Gesicht weniger Aufmerksamkeit erhielt, weshalb in Studie 4 zwei trait-implying
Sätze und zwei Gesichtsfotos simultan dargeboten wurden. Der actor jeden Satzes wurde mit
einem anderen Gesicht identifiziert, wodurch sichergestellt wurde, dass beide Gesichter (und
auch beide Sätze) gleich beachtet werden würden. Im nachfolgenden false recognition Test
riefen wieder die Gesichter der actors stärkere false recognition der implizierten
Eigenschaften hervor als die Kontrollgesichter. Dies suggeriert, dass STT verschwinden oder
abgeschwächt werden könnte, wenn man erstens die familiarization-Instruktion und das
savings-in-relearning Paradigma von Carlston und Skowronski (1994; Carlston et al., 1995)
benutzt, und zweitens die actor-Gesichter gemeinsam mit den communicator-Gesichtern
dargeboten werden. STT können also nur dann auftreten, wenn der actor nicht visuell (z.B. in
einem Foto) repräsentiert wird.
Die Forschung über STT deutet alles in allem stark darauf hin, dass STIs implizite Effekte
haben können, also Effekte, die nicht Bezug nehmen auf und nicht vom Abruf des
Verhaltensbeweises, auf dem sie basieren, abhängen. Aus den Arbeiten von Todorov und
Uleman (2002, 2003, in press) gehen klare Beweise hervor, dass einzelne Verhaltensweisen
spontan implizite Eindrücke von actors, in Form von STIs, hervorrufen. Diese Eindrücke, die
ohne Bewusstsein und ohne explizite Erinnerung an deren Verhaltensbasis aufgebaut werden,
könnten dann automatische Effekte auf nachfolgende explizite Beurteilungen der actors
haben.
Automatische Effekte von impliziten Eindrücken auf Eigenschaftsbeurteilungen
Die wahrscheinlich wichtigste Bedeutung von „automatisch“ ist, unkontrollierbar zu sein
(zumindest eher als ohne Bewusstsein zu geschehen, nicht-intentional zu sein, oder extrem
leistungsfähig zu sein). Kognitive Kontrolle ist ein zentraler Aspekt für eine Menge von
sozialen Beurteilungen und selbst-regulatorischen Phänomenen (z.B., Wegner & Pennebaker,
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1993). Wie sich aus der Forschung über STT ableiten lässt, sollte der implizite Eindruck von
einer Person die expliziten Beurteilungen beeinflussen. Die zentrale Frage ist nun, wie
kontrollierbar diese Effekte sind. Der Einfluss ist natürlich notwendigerweise
unkontrollierbar, wenn sich jemand seines impliziten Eindrucks nicht bewusst ist. Was
passiert aber, wenn jemandem seine impliziten Eindrücke und deren potenzielle Effekte
bewusst gemacht werden? Können diese Effekte kontrolliert werden? Wenn ja, wie viel
Kontrolle ist möglich?
Die vorwiegende Frage in der sozialpsychologischen Forschung über Automatismus war stets,
ob etwas automatisch oder kontrolliert ist. Die Liste der sozialen Phänomene – Kognitionen,
Evaluationen und Verhaltensweisen -, die gänzlich oder teilweise eine Funktion von
automatischen Prozessen sind, wurde immer länger, solange, bis sogar die wirkliche Existenz
von frei agierenden Menschen angezweifelt wurde (z.B., Bargh & Ferguson, 2000).
Es wurde jedoch klar, dass die Frage, ob bestimmte soziale Verhaltensweisen automatisch
oder kontrolliert sind, eine irreführende Dichotomie darstellt, denn die meisten Phänomene,
die für die Sozialpsychologie von Interesse sind, werden von einer Kombination von
automatischen und kontrollierten Prozessen gesteuert. Zudem entwickelt sich die zunehmende
Gefahr, Kontrolle fälschlicherweise nur als das zu definieren, was nicht automatisch ist, wie
auch immer automatisch definiert ist. Es ist also in diesem Zusammenhang wichtig, eine
Definition von Kontrolle einzuführen, die die Existenz von Kontrolle auch bestätigt, und ein
theoretisches System, dass automatische und kontrollierte Prozesse beinhaltet, die zur selben
Zeit arbeiten.
Wegner und Bargh (1998, pp. 464-465) bieten einen Weg an, wie sich automatische und
kontrollierte Prozesse kombinieren können. Dieser Weg schließt ein, dass diese Prozesse
parallel arbeiten, einer den anderen ins Leben ruft, der eine den anderen übersteuert und einer
sich in den anderen verwandelt. Wenn ein Phänomen also nicht wechselweise von
automatischen und kontrollierten Prozessen gesteuert wird, haben beide Prozesse an der
Steuerung teil. Deshalb sollte die Frage auch nicht sein, ob etwas automatisch oder
kontrolliert ist, sondern wie stark automatisch und wie stark kontrolliert etwas ist. Wir
brauchen also dafür Wege und Mittel, um die relativen Beiträge von automatischen und
kontrollierten Prozessen für soziale Phänomene abzuschätzen.
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Die Process Dissociation Procedure (PDP)
Wenn es wirklich so ist, dass mentale Phänomene von den Effekten früher beobachtbarer
Ereignisse abhängen, gibt es ein Modell und eine Methode, welche die automatischen von den
kontrollierten Prozessen, die auf diesen Ereignissen basieren, entwirren kann: Jacobys PDP
(Jacoby, 1991; Jacoby, Toth, & Yonelinas, 1993; Jacoby, Yonelinas, & Jennings, 1997). Die
PDP scheint angemessen, kontrollierte Prozesse ausfindig zu machen, weil sie die Vpn
einfach auffordert, den Einfluss von vergangenen Ereignissen auf ihre gegenwärtigen
Antworten zu kontrollieren. Genauer gesagt, fordert die PDP die Vpn dazu auf, bei manchen
Versuchen den Einfluss früherer Ereignisse auf ihre Antworten mit einzuschließen (inclusion
trials), und bei manchen Versuchen diesen Einfluss auszuschließen (exclusion trials). Der
dadurch entstandene Unterschied zwischen der Leistung bei den inclusion trials und den
exclusion trials bietet dann eine Abschätzung der Kontrolle. Die einzige zusätzliche
Bedingung, die erfüllt werden muss, um dieses Modell anwenden zu können, ist, dass es einen
Weg gibt, um zwischen richtigen und falschen Antworten unterscheiden zu können. Die
grundlegenden Ideen sind einfach und geradlinig, deren Operationalisierung ist aber
komplexer. Um sie besser verstehen zu können, wird nun eine Beispiel vorgestellt:
Wortstammergänzungen (z.B., tri_ _ _) erfordern es, dass Worte im semantischen Gedächtnis
gefunden werden, die mit den präsentierten Hinweisen zusammenpassen. Es ist gut bekannt,
dass der kürzliche Umgang mit einem Wort, das den Wortstamm vervollständigen kann, die
richtige Ergänzung wahrscheinlicher macht, auch ohne irgendeine explizite Erinnerung an
diesen Umgang. Zwei Prozesse sind hier am Werk: Ein Wortstamm kann vervollständigt
werden, indem kürzlich gesehene Worte explizite abgerufen werden, oder indem einfach
gewartet wird, bis das Wort im Gedächtnis auftaucht, wenn man den Wortstamm betrachtet.
Wie sehr können Menschen nun die Prozesse kontrollieren, die bei der Wortstammergänzung
involviert sind? Genereller: Können wir annehmen, dass eine explizite Gedächtnisaufgabe,
wie z.B. der Abruf, gänzlich kontrolliert ist, weil sie bewusst ist? Oder könnte expliziter
Abruf von automatischen Prozessen beeinflusst sein, wie z.B. diese Prozesse, die ein Wort
ohne Anstrengung ins Gedächtnis transportieren? Können wir ähnlich annehmen, dass die
Aufforderung an Menschen, die Worte einfach frei in ihr Gedächtnis kommen zu lassen, nur
automatische Prozesse anzapfen wird und diese vor gelegentlichen bewussten Abrufversuchen
schützen wird?
Jacoby (1991) meint, dass es nur wenige process-pure Funktionen gibt, also Funktionen, die
ausschließlich automatische oder ausschließlich kontrollierte Prozesse anzapfen. Die meisten
Funktionen hängen von einer Kombination von kontrollierten und automatischen Prozessen
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ab. Um diese Prozesse nun bei jeder Funktion (wie Wortstammergänzungen), die von früherer
Darbietung abhängt, voneinander zu trennen, muss man (a) kontrollierte Prozesse als
diejenigen definieren, die Personen kontrollieren können, und automatische Prozesse als
diejenigen, die sie nicht kontrollieren können; (b) die Kontrolle abschätzen, indem die
Leistungsunterschiede berechnet werden zwischen Bedingungen, in denen die Personen die
Aufgabe meistern, indem sie die frühere Information intentional mit einschließen versus
intentional ausschließen; und (c) eine Anzahl von Hypothesen benutzen, um die Wichtigkeit
von automatischen Prozessen einzuschätzen, sobald die kontrollierte Verarbeitung
eingeschätzt wurde.
Jacoby et al. (1993, Experiment 1b) behandelten den Effekt von getrennter Aufmerksamkeit
bei der Darbietung auf nachfolgende Wortstammergänzungen. In der ersten Phase der Studie
sprach die Hälfte der Vpn (in der full-attention-Bedingung) 32 Worte, die auf einem
Computerscreen dargeboten wurden, laut aus und versuchte, diese Worte für einen folgenden
Gedächtnistest zu speichern. Die andere Hälfte der Vpn (in der divided-attention-Bedingung)
bearbeiteten zwei Aufgaben gleichzeitig, lesen und zuhören. Sie hörten eine aufgenommene
Liste von Ziffern und drückten immer dann auf einen Knopf, wenn sie drei ungerade Ziffern
in einer Reihe hörten (z.B., 1, 7, 3). Zur gleichen Zeit sprachen sie Worte auf dem
Computerscreen laut aus, versuchten aber, dass das Lesen nicht ihre Ziffern-AbhörungsAufgabe beeinträchtigt. In der zweiten Phase der Studie ergänzten alle Vpn Wortstämme, die
von den Worten, die sie früher gehört hatten, gebildet wurden. Wenn der Wortstamm grün
dargeboten wurde, mussten sie ihn als Hinweis benutzen, der ihnen helfen sollte, ein Wort,
das früher dargeboten wurde, zu erinnern. Wenn sie sich nicht an ein altes Wort erinnern
konnten, muss
ten sie den Wortstamm mit dem ersten Wort, das ihnen in den Sinn kam, ergänzen. Wenn der
Wortstamm rot dargeboten wurde, mussten sie ihn ebenfalls als Hinweis benutzen, um Worte
wieder zu erinnern, die früher dargeboten wurden, mussten aber die Wortstämme mit einem
Wort ergänzen, das früher nicht dargeboten wurde. Die grünen Versuche waren also inclusion
trials und die roten exclusion trials.
Ohne irgendeine konkurrierende kognitive Belastung beim Enkodieren, waren die
Wahrscheinlichkeiten, die Wortstämme mit einem alten Wort in der inclusion-Bedingung und
in der exclusion-Bedingung zu ergänzen, jeweils .61 und .36. Mit der konkurrierenden
Ziffern-Erkennungs-Aufgabe waren diese Wahrscheinlichkeiten in beiden Bedingungen .46
(Jacoby et al., 1993, table 1). Bei keiner Belastung ergibt der Abzug der exclusionWahrscheinlichkeit von der inclusion-Wahrscheinlichkeit .25 (= .61 - .36) als Abschätzung
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der kontrollierten Einflüsse (C) von früherem Umgang mit den Worten. Kontrollierte
Prozesse erhöhten die Wahrscheinlichkeit von Wortstammergänzungen also um .25. Die
maximal mögliche Kontrolle für eine Aufgabe ist 1.00, was bedeutet, dass dies 25% des
theoretischen Maximums darstellt. Daher hatten die Vpn bei keiner Belastung ein wenig
Kontrolle, aber relativ zur maximalen theoretischen Wahrscheinlichkeit nicht viel.
Bei Belastung ist diese Abschätzung der Kontrolle 0.00 (= .46 - .46). Die konkurrierende
Belastung beim Enkodieren beseitigte den Beitrag von kontrollierten Prozessen für
Wortstammergänzungen also komplett. (Die Tatsache, dass die Belastung die kontrollierten
Prozesse bis zu 0.00 reduzierte, ist nicht besonders bedeutend. Eine geringere Last hätte die
Kontrolle einfach weniger reduziert.)
Was wurde aber nun über den Einfluss von automatischen Prozessen (A) herausgefunden?
Basierend auf der Annahme, dass C und A unabhängig sind, kann man A als exclusionWahrscheinlichkeit gebrochen durch (1-C) berechnen. Bei keiner Belastung war dies .47 (=
.36/.75); bei Belastung war es .46 (= .46/1.00; see Jacoby et al., 1993, table 2). Der Einfluss
von automatischen Prozessen wurde also bei konkurrierender Belastung nicht beeinflusst.
Dieses Ergebnis ist genau so, wie wir es erwarten würden, wenn A wirklich automatische
Prozesse widerspiegelt, weil automatische Prozesse von kognitiver Belastung unbeeinflusst
sein sollten.
In der englischsprachigen Literatur finden sich zahlreiche Querverweise auf ähnlich
aufgebaute Experimente. Wir möchten an dieser Stelle nur kurz eine Studie von Schacter und
Church (1992) erwähnen, da der gesamte Vorgang der impliziten Prozesse ein überaus
komplexes System darstellt.
In der Studie von Schacter und Church (1992; p. 402ff) geht es um die Identifikation und
Wiedererkennung von gehörten Wortstämmen (N=320 VP). Die Vpn hörten eine Reihe von
Alltagswörtern, gesprochen von Männern und Frauen. Diese Worte waren in einer VG
semantisch kodiert, in der anderen Gruppe nicht. Danach erfolgte ein Primingvorgang, in
welchem die soeben gehörten Worte mittels eines „Ja – Nein Identifikationstests“ zugeordnet
werden sollten Danach wurden die die „falscher–Alarm–Wörter“(also jene, die nicht erkannt
oder falsch zugeordnet worden waren) herausgefiltert.
Das Ergebnis dieser Studie war nun folgendes: Der Prozess der kognitiven Wiedererkennung
von Wörtern folgte streng dem semantischen Prinzip, das heißt eine überwiegend korrekte
Einordnung der Wörter erfolgte mittels semantischem Netzwerk, und nicht, wie angenommen,
dadurch, dass ein Priming im Identifikationstest stattfand. Während der Testphase wurden die
Vpn auch „gestört“ (Nebengeräusche, Ablenkungen, VL sprach undeutlich) was aber für die
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Leistungen nicht relevant war, denn sie erfolgt automatisch –auch hier unabhängig von der
kognitiven Belastung der Vpn, auch bei so genannter konkurrierender Belastung.
Abschätzung der automatischen Effekte von impliziten Eindrücken bei Benutzung der
PDP
Das PDP-Modell beschreibt also, wie man den Effekt von automatischen und kontrollierten
Prozessen auf Eigenschaftsbeurteilungen abschätzen kann. Die automatischen Prozesse sind
Folgen von impliziten Eindrücken, weil sich die Vpn nicht bewusst sind, dass sie STIs
machen. Deshalb können sie deren Effekte nicht kontrollieren.
Um die PDP nun auf dieses Phänomen anwenden zu können, mussten zuerst zwei Probleme
gelöst
werden:
Erstens
mussten
die
Autoren
herausfinden,
wie
sie
die
Eigenschaftsbeurteilungen der Fotos unter inclusion- und exclusion-Bedingungen erhalten
können. Zweitens musste ein Weg gefunden werden, um den Anteil an richtigen Antworten
zu definieren, da es objektiv ja keine richtigen oder falschen Eigenschaftsbeurteilungen von
Fotos von fremden Personen gibt. Uleman und Blader (2001) wandten in zwei Studien
folgende Lösungen an: Die Vpn lernten Verhaltens-Foto-Paare für einen folgenden
Gedächtnistest (um mehr Gemeinsamkeiten mit Jacoby et al. (1993) zu haben). Dann
bekamen sie eine andere Broschüre, die nur Fotos enthielt, von denen einige im ersten Teil
der Studie mit Verhaltensweisen gepaart worden waren und einige neu waren. Die Vpn
wurden instruiert, die Fotos in dieser zweiten Broschüre genau zu betrachten, um Eindrücke
über die dargestellten Personen zu erhalten und jeden in Bezug auf drei Eigenschaften zu
beurteilen. In der inclusion-Bedingung wurden die Vpn nun aufgefordert, sich an die
Information, die sie vorher erhalten hatten, zu erinnern und sie zu benutzen, um Eindrücke
über die Person auszubilden. In der exclusion-Bedingung wurden sie aufgefordert, sich an die
frühere Information zu erinnern, aber dann intentional zu vermeiden, sie beim Formen von
Eindrücken zu benutzen (weitere Parallele zu Jacoby et al. (1993)). In der inclusionBedingung sollte also das Vorhaben entstehen, die frühere trait inference zu benutzen, und in
der exclusion-Bedingung das Vorhaben, diese eben nicht zu benutzen (es sollte also einfach
kein Vorhaben entstehen). Demnach müssten die Eigenschaftsbeurteilungen in der inclusionBedingung ein Ergebnis von kontrollierten (Erinnerung) und automatischen Prozessen sein. In
der exclusion-Bedingung sollte jedoch jeder Einfluss vom früheren Umgang mit den FotoVerhaltens-Paaren ein Ergebnis von unkontrollierbaren (automatischen) Prozessen sein, weil
die Vpn den Einfluss des früheren Umgangs ja so gut sie können ausschließen sollten.
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Als Basis für die Richtigkeit der Antworten fungierten die Eigenschaftsbeurteilungen von
Fotos, die die Vpn vorher noch nie gesehen hatten.
In beiden Studien (Uleman & Blader, 2001) wurde die Zeit zwischen dem Umgang mit den
Verhaltens-Foto-Paaren und den Eigenschaftsbeurteilungen der Fotos variiert. Bei einem
Drittel der Vpn gab es keine Verzögerung; bei einem Drittel 20 Minuten Verzögerung und bei
einem Drittel 2 Tage Verzögerung. Die Autoren prognostizierten, dass die Verzögerung den
Einfluss der kontrollierten Prozesse auf die Eigenschaftsbeurteilungen signifikant herabsetzen
würde, den Einfluss der automatischen Prozesse aber nicht so sehr beeinflussen würde.
Die Ergebnisse zeigten, dass als erstes, bei kurzen Verzögerungen, der frühere Umgang mit
den Paaren von Fotos und trait implying behaviours die Eigenschaftsbeurteilungen sowohl
durch kontrollierte als auch durch automatische Prozesse beeinflusst. Dann, nach 2 Tagen
Verzögerung, beeinflussten nur noch die automatischen Prozesse die Beurteilungen. Dies
steht auch im Einklang mit anderen Ergebnissen (Carlston & Skowronski, 1994; Carlston et
al., 1995), die zeigen, dass die Vpn nach 2 Tagen Verzögerung weder eine Wiedererkennung
noch einen Abruf des trait-implying behaviour zeigten, die impliziten Eindrücke hatten jedoch
immer noch Effekte.
Von großer Wichtigkeit ist, dass die beiden Studien von Uleman & Blader (2001) zeigten,
dass eine 2-Tage-Verzögerung den vorhergesagten Effekt hatte, dass sie nämlich die
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kontrollierten Prozesse bis zur Bedeutungslosigkeit reduzierten, während die automatischen
Effekte der impliziten Eindrücke auf die Eigenschaftsbeurteilungen bestehen blieben.
Implizite Eindrücke haben also automatische Effekte auf die Eindrücke, die Personen bewusst
von anderen formen. Zumindest bleiben diese automatischen Effekte von impliziten
Eindrücken länger bestehen als die kontrollierten Effekte. Bei kurzen Verzögerungen hatten
implizite Eindrücke und kontrollierte Prozesse signifikante Effekte.
Andere Merkmale von impliziten Eindrücken
Implizite Eindrücke sollten nicht nur von gedruckten verbalen Beschreibungen von
Verhaltensweisen ausgelöst werden, sondern auch vom Beobachten von Verhalten.
Skowronski et al. (1998, Study 4) zeigten STT eher mit Videoband- als mit gedruckten
Stimuli. Die gefilmten communicators beschrieben dabei die Verhaltensweisen verbal. Vor
kurzem berichteten Fiedler und Schenck (2001) von einem Beweis für STI von Silhouetten in
Bewegung. Dies ist ein sehr wichtiger Befund, weil er den ersten direkten Beweis dafür
liefert, dass beobachtetes Verhalten STI veranlassen kann und, als Folgerung, implizite
Eindrücke.
Implizite Eindrücke beinhalten mehr als trait inferences. Z.B. zeigten Winter et al. (1985) und
Uleman und Moskowitz (1994), dass Personen spontan auch andere Aspekte des Verhaltens
enkodieren, zusätzlich zu den trait inferences. Fiedler und Schenck (2001, Study 2) nutzten
das linguistic category model, um diese Prozesse weiter zu untersuchen. Sie forderten die Vpn
auf, nachzuweisen, ob das angegebene Verhalten im vorhergehenden Bild gesehen werden
konnte. Diese Verhaltensbeschreibungen waren entweder direkte Bewegungsverben (direct
action verbs = DAVs; z.B. füttern, schlagen), interpretative Bewegungsverben (IAVs, z.B.
ernähren, strafen), oder keine Eigenschaftsadjektive (ADJs, z.B. ernst). IAVs (die Ziele
spezifizieren) wurden am schnellsten nachgewiesen, was darauf hindeutet, dass Ziele am
leichtesten
spontan
abgeleitet
werden.
Zudem
waren
die
nachfolgenden
Eigenschaftsidentifikationen am schnellsten, wenn ihnen DAVs vorangegangen waren, was
anzeigt, dass der Nachweis von DAVs die STIs mehr vermittelt als die anderen linguistischen
Kategorien.
Implizite Eindrücke werden von Priming beeinflusst und können auch selber als solche
„primes“ fungieren. Wenn Verhaltensweisen zweideutige trait inferences haben, beeinflussen
frühere Aktivierungen von Eigenschaftskonzepten die STIs. Newman und Ulemans (1990)
Vpn mussten solche Sätze für einen nachfolgenden Gedächtnistest lesen. Z.B. lässt sich aus
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dem Satz „Molly würde nicht „Nein“ als Antwort nehmen“ folgern, dass sie entweder
hartnäckig (+) oder dumm (-) ist. Das Priming mit Synonymen dieser Eigenschaften (genauso
wie die Erinnerung an die primes) beeinflusste, welche Eigenschaftshinweise für cued recall
effektiver waren. Implizite Eindrücke können also schließlich auch primes sein, wobei STIs
als primes entweder Ähnlichkeits- oder Kontrasteffekte produzieren können, abhängig davon,
ob sich die STIs auf die abstrakten Eigenschaftskonzepte (Ähnlichkeit) beziehen, oder auf
bestimmte actors (Kontrast).
Störungen und systematische Fehler bei impliziten Eindrücken
Es gibt keinen Grund zu glauben, dass implizite Eindrücke gegen diese Störungen und
systematischen Fehler immun seien. Es gibt aber bestimmte Fehler, die auf implizite
Eindrücke beschränkt sind.
Spontaneous Trait Transference (STT)
Carlston et al. (1995, Study 4) und Skowronski et al. (1998) identifizierten einen Fehler, den
implizite Eindrücke hervorrufen können: STT. Wie schon beschrieben, tritt STT auf, wenn
besonders lebendige communicators (dargestellt auf Fotos oder auf Video) eine abwesende
Person (nicht dargestellt) mit trait-implying terms beschreiben. Unter solchen Umständen
werden die trait inferences der Beschreibungen übertragen auf oder assoziiert mit dem
communicator. Carlston et al. (1995) fanden heraus, dass STT im savings-Paradigma nicht
auftrat, wenn die Vpn bewusst Eindrücke über den communicator oder die Zielperson
bildeten; STT trat nur bei familiarization-Instruktionen (spontan) auf.
Skowronski et al. (1998) fanden jedoch in Studie 1 vergleichbare trait transference bei
familiarization-Instruktionen und bei den Instruktionen, STT zu vermeiden, indem
intentionale Eindrücke geformt werden, wenn das Behalten nach einer kurzen Verzögerung
gemessen wurde. Nach 2 Tagen Verzögerung war die trait transference jedoch nur bei
familiarization-Instruktionen offensichtlich, nicht aber bei Vpn, die intentionale Eindrücke
geformt hatten. In Studie 4 wiederum fanden sie heraus, dass STT von familiarizationInstruktionen versus Instruktionen, intentionale Eindrücke zu formen, nicht beeinflusst wurde.
Diese Befunde deuten also darauf hin, dass die trait transference – das falsche Zuschreiben
von implizierten Eigenschaften zur falschen Person – eher unter spontanen Bedingungen
auftritt als unter Bedingungen, in denen die Folgerungen intentional geformt werden sollten.
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Ebenfalls zeigen sie auf, dass STTs länger anhaltende Effekte haben als intentionale
Folgerungen unter ansonsten vergleichbaren Bedingungen. Schließlich ist es wichtig, sich an
die Grenzbedingung für STT zu erinnern: STT wird nur dann auftreten, wenn es keine
visuelle Darstellung des actors gibt.
Wiederholung und die offensichtliche Wahrheit
Wenn wir etwas oft genug falsch dargestellt sehen, werden wir es dann eher glauben? Es gibt
gute Beweise dafür, dass wir das tun (Begg, Anas, & Farinacci, 1992; Hasher, Goldstein, &
Toppino, 1977), ob diese Dinge nun als Fakten oder Meinungen repräsentiert werden (Arkes,
Hackett, & Boehm, 1989), oder auf visuelle oder auditorische Weise (Bacon, 1979), ja sogar
wenn uns gesagt wird, dass manche Items wiederholt werden (Bacon, 1979). Dieser
Häufigkeits-Validitäts-Effekt kann über Wochen bestehen bleiben (Bacon, 1979; Hasher et
al., 1977). Ähnlich erhöht sich die Zuversicht bei einer Entscheidung, wenn wir dieselbe
Entscheidung wiederholt treffen (Einhorn & Hogarth, 1978). Dieselbe Einstellung wiederholt
auszudrücken erhöht ihre Zugänglichkeit – eine der Komponenten der Einstellungsstärke –
und deshalb unser Vertrauen auf diese Einstellung und auch die Wahrscheinlichkeit, dass wir
entsprechend handeln werden (Fazio, 1995).
Eine Grundlage dieser Effekte ist, dass explizite Gedanken oder Ereignisse, die wiederholt
werden, bekannter/gewohnter sind, und eine Gewöhnungs-Validitäts-Heuristik sagt uns (wohl
mit irgendeiner Grundlage in der Realität), dass das, was gewohnt ist, eher wahr ist.
Whittlesea (1993) hat jedoch gezeigt, dass dies nicht die einzige Grundlage ist, und dass auch
andere Quellen von perzeptueller und konzeptueller Geläufigkeit die Gewöhnung
beeinflussen können, oft ohne das Bewusstsein der Vpn.
Im Bereich der Eindrucksbildung betrachteten Gill, Swann und Silvera (1998) den
„repräsentationalen Reichtum“ der Eindrücke von Personen über andere, als eine Basis für das
bei Menschen weithin dokumentierte übermäßige Vertrauen in Eindrücke. Sie zeigten, dass
der repräsentationale Reichtum eine Determinante der Beurteilungsflüssigkeit ist, und dass
diese Beurteilungsflüssigkeit das Vertrauen vergrößert.
All diese Untersuchungen benutzten jedoch Wiederholungen von expliziter Information. Die
interessante Möglichkeit wird jedoch angesprochen, dass dieselben Effekte auch bei impliziter
Information auftreten könnten. Z.B. sollte der einfache wiederholte Umgang mit anderen
Personen, über die wir wirklich nicht viel wissen, zu einem größeren Vertrauen führen, dass
wir sie gut kennen. Die Untersuchungen dazu müssen aber erst noch gemacht werden.
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Implizite Eindrücke, Stereotypen und In-Groups – Out-Groups
Implizite Eindrücke handeln von Individuen; implizite Stereotypen handeln von Gruppen. Da
wir nun wissen, wie implizite Eindrücke gemacht werden, müsste es eher möglich sein,
implizite Stereotypen zu kreieren – über neue Gruppen mit neuem Inhalt – als sich
ausschließlich auf bereits bestehende Stereotypen zu verlassen, um aufzudecken, wie
Stereotypen angeeignet werden, wechseln und funktionieren. Crawford, Sherman und
Hamilton (2002) haben für derartige Untersuchungen mit drei beeindruckenden Studien über
die Ausbildung von impliziten Stereotypen eine solide Basis geschaffen und benutzten STT.
Die Vpn machten sich mit Verhaltensweisen, gepaart mit Fotos von Personen aus zwei
Gruppen, vertraut. Die Ergebnisse zeigten mehr STT (savings in relearning) zwischen den
Mitgliedern von high-entitativity (z.B. hohe Ähnlichkeit oder Zusammenhang) Gruppen als
zwischen Mitgliedern von low-entitativity Gruppen oder Individuen ohne Bezug zueinander.
Zusätzlich boten die Lesezeiten in der dritten Studie Beweise für die in Gang gesetzte
Ausbildung von Stereotypen der high-, nicht aber der low-entitativity Gruppe. Diese
Ergebnisse zeigen also die Entwicklung und den Ablauf von impliziten Stereotypen von
Gruppen.
Mindestens vier andere interessante Stereotypen und In-Group/Out-Group Phänomene
werden mit impliziten Eindrücken assoziiert:
1. Beschreibungen von actors mit ethnischen Namen, die Verhaltensweisen ausführen,
die stereotyp-konsistente Eigenschaften implizieren, aktivieren diese Eigenschaften
leichter als die Namen oder die Verhaltensweisen. Howard (2000, Experimente 1 und
2) untersuchte dies und kam zu dem Schluss, dass bei lexikalischen
Entscheidungsaufgaben die lexikalischen Entscheidungen für bedeutende
Eigenschaften am schnellsten waren, wenn die Ethnizität des actors mit dem
stereotyp-implizierenden Verhalten konsistent war. Es gab keine Beweise, dass falsch
zugeordnete Namen oder Verhaltensweisen stereotype Eigenschaften aktivierten.
Diese Studien weisen zudem auf Bedingungen hin, unter denen die Aktivierung der
Stereotypen vermeidbar sein könnte: Wenn der auslösende Stimulus schwach ist (z.B.
eher ethnische Namen als Gesichter), könnte es sein, dass die spontane StereotypAktivierung nicht auftritt, und wenn er von inkonsistenter Information begleitet wird,
könnte die spontane Stereotyp-Aktivierung blockiert werden. Dies muss allerdings
noch untersucht werden.
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2. Ein zweites Phänomen wurde von Todorov, Gonzalez, Uleman und Thaden (2004)
entdeckt. Falsche Zuordnungen zwischen actors und Verhaltensweisen bezüglich
Geschlechtsstereotypen schienen die implizite Eindrucksausbildung zu hemmen. Aus
ihren Ergebnissen wurde aber nicht klar, ob die falsche Zuordnung zwischen den
Geschlechtern der actors und der Eigenschaften zu der schwächeren
Eigenschaftsaktivierung führte, eine abgeschwächte actor-trait-Verbindung, durch die
Glaubwürdigkeit der Paare direkt beeinflusste Wiedererkennungs-Beurteilungen, oder
alle drei. Die wahrscheinlich interessanteste Möglichkeit ist, dass falsch zugeordnete
actors und Verhaltensweisen eher spontane situation inferences anregten, als trait
inferences.
Banaji, Hardin und Rothman (1993) zeigten implizite Geschlechtsstereotypisierung
mit einem sehr andersartigen Paradigma. Sie zeigten, dass die Aktivierung einer
geschlechtsstereotypisierten Eigenschaft (Abhängigkeit oder Aggression) die
intentionalen Eindrücke der Vpn geprimt hat, aber nur, wenn die Geschlechter von
trait und actor zueinander passten. Diesen Effekt von implizitem Stereotypisieren
nannten sie „soziale Kategorie-Anwendbarkeit“. Soziale Kategoriemarker, wie z.B.
Rasse, Geschlecht, Alter, soziales Milieu und Invalidität, könnten wie magnetische
Felder funktionieren, um früher begegneten stereotypisierten Informationen (und deren
Auswirkung) auf die Beurteilung anzulocken oder abzuweisen, (a) wenn solche
Informationen für die Beurteilung belanglos sind, und (b) ohne Bewusstsein, dass die
stereotypisierte Information eine Quelle von Einfluss auf die Beurteilung ist. (p. 278)
3. Es gibt gute Beweise, dass die Merkmale der actors, einschließlich deren soziale
Gruppenzugehörigkeit, die Arten von spontanen inferences, die auftreten,
beeinflussen. Dunning und Sherman (1997, Study 3) zeigten dies z.B. mit
Berufsstereotypen (occupational stereotypes). Die Ergebnisse waren, dass die
Stereotypen der einzelnen Berufe die Bedeutungen von anfänglich zweideutig
dargestellten Verhaltensweisen eindeutig machten. Diese eindeutigen Bedeutungen
wurden dann im LZG gespeichert und führten später dazu, dass auch die ursprünglich
kritisch dargestellten Hintergründe der Sätze eindeutig aufgenommen wurden, d.h.
präzise zugeordnet werden konnten. Etwa ähnlich berichtete Delmas (1992), dass die
Berufe der actors die stereotyp-berufsbezogenen STIs ermöglichten.
Diese Studien sprechen einen interessanten möglichen Mechanismus für die
Hartnäckigkeit von Stereotypen an. Sobald ein Stereotyp festgelegt wurde, kann er
zweideutige Verhaltensweisen eindeutig machen, auf eine Art, die mit dem Stereotyp
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konsistent ist. Dies dient dann dafür, den Stereotyp für bestimmte Individuen zu
bestätigen, wie bei Dunning und Sherman (1997). Die bloße Wiederholung des
Gesichts dieses Individuums, mit dem die stereotype Eigenschaft implizit assoziiert
wurde, sollte die wahrgenommene Validität einer stereotypisierten Wahrnehmung
dieser Person vergrößern. Zudem sollte all das ohne irgendeine explizite Folgerung
über die Person oder ohne irgendein Bewusstsein des Prozesses auftreten.
4. Eine andere Studie behandelt nicht bestimmte Stereotypen per se, sondern ingroup/out-group Effekte, und zeigt damit einen zusätzlichen Weg auf, dass soziale
Gruppenzugehörigkeit implizite Eindrücke beeinflussen könnte. Otten und Moskowitz
(2000) untersuchten, ob die Zugehörigkeit zu kleinen Gruppen die STIs verfälschen
wird. Die Vpn lasen trait-implying sentences, die entweder in-group- oder out-groupMitglieder beschrieben. Die Sätze wurden in einem recognition-probe-reaction-time
Paradigma gelesen, in dem die Vpn beurteilen mussten, ob ein Untersuchungswort,
das nach jedem Satz auftritt, explizit in dem Satz präsentiert wurde. Wenn die Sätze
die traits implizierten, wenn in-group-Mitglieder beschrieben wurden und wenn es
sich um eine positive Eigenschaft handelte, waren die Reaktionszeiten länger. In
diesem Paradigma sind längere Zeiten, um korrekt entscheiden zu können, dass die
implizierte Eigenschaft nicht explizit im Satz vorkam, ein Beweis dafür, dass die
Eigenschaft abgeleitet wurde. Wie also bewiesen wurde, trat eine in-group
Favorisierung (nicht aber eine out-group Beeinträchtigung) auf. Es ist bemerkenswert,
dass dieser Effekt ohne explizite Vergleiche von in-group und out-group aufgetreten
ist, mit einem Mittel, das bei den Vpn das Fehlen des Bewusstseins dafür, worauf und
wie sie antworten, nahezu garantiert.
Conclusion
Der Gedanke, dass wir implizite Eindrücke von anderen haben – Wissen, das wir nicht
explizit machen (können), welches aber trotzdem beeinflusst, wie wir andere sehen und mit
ihnen interagieren -, ist nicht neu. Sie sind in der alltäglichen Sprache über interpersonelle
„Chemie“, „vibrations“ und Intuition gefangen. Einige dieser Intuitionen kommen von socialcognitive transference, wenn eine Person einem significant other gleicht und wir, ohne es zu
realisieren, die neue Person an die alte angleichen. Einige dieser Intuitionen kommen auch
von vergangenen Begegnungen mit und Rückschlüssen über diese Person, die wir aber nicht
wieder abrufen (können). Diese Intuitionen wurden hier beschrieben.
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STIs sind darum implizite Eindrücke, weil sie ohne Intentionen oder Bewusstsein gebildet
werden. Es gibt gute Beweise dafür, dass sie Rückschlüsse über Personen sind, und nicht nur
über Verhaltensweisen. Carlston und Skowronski (1994; Carlston et al., 1995) zeigten dies
mit ihrem savings-in-relearning Paradigma, Todorov und Uleman (2002, 2003) mit ihrem
false-recognition Paradigma. Obwohl STIs gelegentlich mit der „falschen“ Person assoziiert
werden – jemand wie ein communicator, der uns vom actor erzählt, wie beim STT von
Skowronski et al. (1998) -, deuten die Beweise von Todorov und Uleman (in press) darauf
hin, dass dies ziemlich selten ist. STT erfordert womöglich eine lebhaftere Präsentation des
communicators als des actors, z.B. ein Foto des communicators aber keines des actors.
Die STT-Untersuchungen bieten die ersten entscheidenden Darlegungen, dass zufällige
Begegnungen mit anderen Personen Eindrücke hinterlassen, die auch noch lange nach dem
Erlischen der Details der Begegnung aus der Erinnerung bestehen bleiben. In diesen Studien
formten die Vpn spontan Eindrücke über die Verhaltensweisen, von denen sie gelesen hatten,
und diese Eindrücke beeinflussten dann später das Verhalten (relearning), auch dann, wenn
die Erinnerung an die Verhaltensweisen nicht mehr vorhanden war (Carlston & Skowronski,
1994; Carlston et al., 1995). Obwohl Skowronski et al. (1998) betonten, dass diese impliziten
Eindrücke von der falschen Person handelten, waren die wichtigen Punkte hier, dass sie ohne
Bewusstsein (spontan) geformt worden waren und dass sie wahrscheinlich die einzige
Grundlage für nachfolgende Eigenschaftsbeurteilungen wurden, weil (nach den Beweisen von
Carlston et al.) die Verhaltensweisen vergessen worden waren.
All dies deutet nun darauf hin, dass jedes Mal wenn Menschen anderen begegnen, die sie
vorher schon gesehen haben, ihre Antworten und Reaktionen davon abhängen, was sie
erinnern können, und von den impliziten Eindrücken. Die Adaptation von Jacobys (1991)
PDP bot eine direkte Überprüfung und bestätigte dies: Sofort nach einer Begegnung basierten
die Eigenschaftsbeurteilungen der actors sowohl auf explizit erinnerten (kontrollierten) als
auch auf impliziten (automatischen) Eindrücken. Zwei Tage später hatten jedoch nur noch die
impliziten Eindrücke einen Effekt.
Die Spontaneität von STIs ist eine Beschreibung von Enkodier-Prozessen: ohne Intention oder
Bewusstsein. Implizite Eindrücke sind eine Beschreibung von Begrenzungen des Abrufens:
ohne expliziten Bezug oder Erinnerung. Implizite Eindrücke können wahrscheinlich unter
vielen Bedingungen entstehen. Was sie implizit macht, ist ihr momentaner memorial status. In
PDP-Begriffen ausgedrückt, sind sie die unkontrollierbaren (automatischen) Effekte von
vergangenen Begegnungen, die die gegenwärtige Performanz beeinflussen.
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Zusatzliteratur:
Schacter, D. L. (1987). Implicit memory: History and current status. (pp. 505-510)
Savings during relearning
Wie schon gesagt wurde, kann das Phänomen des savings during relearning (oder savings-inrelearning) als ein Hinweis auf implizites Gedächtnis gedeutet werden, und zwar in dem Sinn,
dass das Wiedererlernen einer früher gelernten Liste keine explizite Bezugnahme auf eine
frühere Lernepisode braucht, obwohl der Einfluss der früheren Lernphase von savings
aufgezeigt wird (z.B. Slamecka, 1985b). Jedoch hat nur ein kleiner Anteil der umfassenden
Forschung über savings die Frage aufgeworfen, ob sich Personen in der Tat auf das explizite
Gedächtnis für früheres Lernen verlassen wenn sie eine Liste wiedererlernen, weshalb nicht
vollkommen klar ist, was uns diese savings-Studien wirklich über das implizite Gedächtnis
sagen. Der direkteste und einschlägigste Beweis wurde von Nelson (1987) dargeboten, der
savings für Items zeigte, die weder wieder abgerufen noch wieder erkannt wurden, was darauf
hindeutet, dass savings in einer gänzlich impliziten Art und Weise auftreten können.
Effekte von subliminal enkodierten Stimuli
Obwohl frühe Experimente, die behaupteten, subliminale Wahrnehmung aufzuzeigen, schwer
kritisiert wurden (Eriksen, 1960), lieferten neuere Studien, die eine Vielfalt von neuen
experimentellen Techniken verwendeten, überzeugendere Beweise dafür, dass Stimuli, die
nicht bei subjektivem Bewusstsein präsentiert werden (Cheesman & Merikle, 1986), dennoch
vom Wahrnehmungssystem auf höhere Ebenen verarbeitet werden (z.B. Cheesman &
Merikle, 1986; Dixon, 1981; Fowler, Wolford, Slade, & Tassinary, 1981; Marcel, 1983). Für
gegenwärtige Überlegungen ist jedoch relevanter, dass viele Studien vorgaben zu zeigen, dass
Stimuli, die nicht bewusst wahrgenommen werden, und deshalb auch nicht explizit erinnert
werden können, nachfolgendes Verhalten und die Performanz bei Aufgaben beeinflussen, die
keine bewusste Erinnerung an den subliminalen Stimulus benötigen, wie z.B. freie
Assoziation (Haber & Erdelyi, 1967; Shevrin & Fritzler, 1968) und Produktionen von
fantasievollen Geschichten (Giddan, 1967; Pine, 1960).
Die vorhergehenden Experimente betrachteten nicht systematisch die Beziehung zwischen
implizitem und explizitem Gedächtnis für subliminal dargebotene Stimuli. Neuere Studien
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zeigten jedoch implizites Gedächtnis für subliminal oder kurz dargebotene Stimuli unter
Bedingungen, in denen die Personen nur wenig oder keine explizite Erinnerung aufwiesen.
Kunst-Wilson und Zajonc (1980) zeigten Personen geometrische Figuren nur für eine ganz
kurze Zeit, die, wie sie behaupteten, zu kurz war (1 ms) um bewusste Wahrnehmung zu
ermöglichen. Die explizite Erinnerung für die Figuren war also, wie von der
gezwungenermaßen gewählten Erkennungs-Performanz indiziert, zufällig. Die Personen
wiesen jedoch implizite Erinnerung auf, indem sie in einem Test, in dem sie beurteilten,
welche von zwei Figuren – eine alte und eine neue – sie lieber mochten, eine zuverlässige
Präferenz für die vorher dargebotenen Figuren zeigten. Gleiche Ergebnisse wurden von
Seamon, Brody, and Kauff (1983) und Wilson (1979) berichtet. Mandler, Nakamura, und Van
Zandt (in press) zeigten, dass kurze Stimulus-Darbietungen nicht-affektive StimulusBeurteilungen (z.B. Helligkeit) beeinflussen können. Bargh und Petromonaco (1982)
untersuchten die Effekte von subliminalem Umgang mit „ablehnenden“ Worten (z.B. gemein,
unbedacht) auf eine nachfolgende impression formation-Aufgabe. Personen, denen
ablehnende Worte subliminal dargeboten wurden, beurteilten eine Zielperson später negativer
als die, die keine solche frühere Darbietung erfahren hatten, obwohl die explizite
Wiedererkennung der ablehnenden Worte zufällig war. Bargh, Bond, Lombardi, und Tota
(1986) beobachteten ähnliche implizite Effekte, die dem subliminalen Umgang mit
verschiedenen anderen Typen von Worten nachfolgten. Lewicki (2985) fand heraus, dass
Personen nach subliminalem Umgang mit Adjektiv-Nomen-Paaren (z.B. alt - Baum) dazu
tendierten, das vorher dargebotene Adjektiv als Antwort auf Fragen zu wählen, die betrafen,
wie die Personen über das Nomen dachten oder „fühlten“ (z.B. Ist ein Baum groß oder alt?).
Eine neuere Studie von Eich (1984), die eine andere Methode benutzte, um die bewusste
Wahrnehmung von Zielmaterialien abzuschwächen, erbrachte Daten, die mit den
vorhergehenden Ergebnissen konsistent waren. Eich benutzte eine auditorische geteilte
Aufmerksamkeits-Aufgabe, in der Homophone gemeinsam mit Worten, die die geringe
Frequenz-Interpretation der Homophone beeinflussen sollten, auf dem vernachlässigten Kanal
dargeboten wurden. Die Personen zeigten darauf keine explizite Erinnerung für die
Homophone in einem Ja/Nein-Wiedererkennungstest. Als jedoch gefordert war, die Zielworte
zu buchstabieren, boten die Personen öfter das Buchstabieren der Homophone auf einer
geringen Frequenz als in baseline-Bedingungen, und zeigten dadurch implizite Erinnerung für
die vernachlässigte Information.
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Lernen und Konditionieren ohne Bewusstsein
In learning-without-awareness Studien lernen die Personen angeblich Regeln oder
Kontingenzen ohne das Bewusstsein, dass sie sie lernen, und deshalb auch ohne explizite
Erinnerung an sie (z.B. Greenspoon, 1955; Thorndike & Rock, 1934). Dieses Phänomen
wurde in den 1950er Jahren in Lernexperimenten mit vielen Versuchen umfangreich
beforscht, in denen die Personen bekräftigt wurden, wenn sie spezifische Antworten oder
Typen von Antworten gaben. Mehrere Forscher berichteten, dass Personen, die sich der
Bekräftigungs-Antwort Kontingenz nicht bewusst waren, die bekräftigte Antwort mit erhöhter
Häufigkeit über die Versuche abgaben, aber andere wiesen auf das Fehlen von angemessenen
Methoden für das Bestimmen des Bewusstseins der Personen über die Bekräftigungs-Antwort
Kontingenz hin. Studien, die strengere Methoden benutzten, um das Bewusstsein
abzuschätzen, zeigten positive Beweise für Lernen ohne Bewusstsein (Giddan & Eriksen,
1959; Krieckhaus & Eriksen, 1960), wie auch Untersuchungen, in denen die BekräftigungsAntwort Kontingenz durchaus verdeckt wurde (Rosenfeld & Baer, 1969; Nisbett & Wilson,
1977). Es wurden jedoch auch auf viele negative Beobachtungen hingewiesen (Brewer,
1974).
In der betreffenden Forschung präsentierten etliche Forscher Beweise dafür, dass sich
Personen verschiedene Typen von klassisch konditionierten Antworten ohne Bewusstsein
über die Konditionierungskontingenzen aneignen können (z.B. Adams, 1957; Lacey & Smith,
1954), die Einschätzung des Bewusstseins war jedoch oft ungenügend (Brewer, 1974). In
gleicher Weise zeigten Untersuchungen, die sich mit dem Phänomen der unterschwelligen
Wahrnehmung (subception) befassten, dass eine experimentell angeeignete konditionierte
Antwort, offen gelegt durch die galvanische Hautantwort auf unsinnige Silben, die
gemeinsam mit Schockschlägen dargeboten wurden, gleich danach ausgelöst werden kann
durch kurzen Umgang mit den unsinnigen Silben, obgleich die Personen die Präsenz der
Silben nicht entdeckt hatten. Obwohl einige Fragen und Kritik über die Interpretationen des
Phänomens der unterschwelligen Wahrnehmung aufgeworfen wurden, wurde der Befund,
dass eine konditionierte Antwort gelegentlich von einem ungemeldeten Stimulus ausgelöst
werden kann, nicht angefochten (Eriksen, 1960, pp. 286-288).
Ein neuerer Beweis für Regel- oder Kontingenzlernen ohne Bewusstsein wurde in einer Serie
von Experimenten von Reber und seinen Kollegen berichtet, die ein Phänomen zum Inhalt
hatten, das sie implizites Lernen nennen (z.B. Reber, 1976; Reber, Allen, & Regan, 1985;
siehe auch Brooks, 1978; Gordon & Holyoak, 1983; McAndrews & Moscovitch, 1985). In
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diesen Studien wurden den Personen Buchstabenfolgen dargeboten, die entsprechend
verschiedener Regeln einer künstlichen Grammatik angeordnet waren. Reber und seine
Kollegen berichteten, dass die Personen lernten, die grammatikalisch korrekten Folgen zu
identifizieren, auch wenn sie sich der entsprechenden Regeln explizit nicht bewusst waren.
Lewicki (1986) zeigte mit einer etwas anderen Prozedur, dass Kontingenzen zwischen
verschiedenen Merkmalen von Stimulusinformation die Latenzen, auf Fragen zu antworten,
die kontingente Merkmale betrafen, beeinflussten, auch wenn keine der Personen die
Beschaffenheit der Kontingenz explizit angeben konnte.
Implizites Gedächtnis bei Amnesie
Das amnestische Syndrom, das von Läsionen der medial-temporal und dienzephalischen
Regionen des Gehirns hervorgerufen wird (z.B. Moscovitch, 1982; Rozin, 1976; Squire,
1986; Weiskrantz, 1985), ist charakterisiert durch ein normales wahrnehmendes,
linguistisches und intellektuelles Funktionieren mit einer Unfähigkeit, sich an kürzliche
Ereignisse oder neue Information explizit zu erinnern. Amnestische Patienten sind bei
Standardtests für expliziten Abruf und Wiedererkennung schwer beeinträchtigt und sie
verhalten sich katastrophal in Situationen des wirklichen Lebens, die explizites Erinnern
erfordern, wie beispielsweise das Erinnern von Aktionen und Ereignissen während einer
Runde Golf (Schacter, 1983).
Die meisten moderenen Studien über implizites Gedächtnis bei Amnesie lassen sich in zwei
großen Kategorien klassifizieren: skill learning (Fähigkeitslernen) und repetition priming
(Wiederholungslernen).
Die Forschung über skill learning bei Amnesie wurde von Milner, Corkin und ihren Kollegen
in den 1960er Jahren initiiert. Sie zeigten, dass sich der schwerwiegend amnestische Patient
H.M. motorische Fertigkeiten aneignen konnte, auch wenn er sich nicht explizit daran erinnert
konnte, dass er vorher gerade die Aufgabe ausgeführt hat (Milner, 1962; Milner, Corkin, &
Teuber, 1968). Stabiles Lernen von motorischen Fertigkeiten wurde bei verschiedenen
anderen amnestischen Patienten beobachtet (z.B., Butters, 1987; Eslinger & Damasio, 1986;
Starr & Phillips, 1970). Amnestische Patienten zeigten auch ein normales oder fast normales
Lernen von kognitiven Fertigkeiten und Wahrnehmungsfertigkeiten, einschließlich dem Lesen
von spiegelverkehrter Schrift (Cohen & Squire, 1980; Moscovitch, 1982), dem Lösen von
Puzzles (Brooks & Baddeley, 1976), dem Lernen von Regeln (Kinsbourne & Wood, 1975),
und dem Lernen von fortlaufenden Mustern (Nissen & Bullemer, 1987), trotz ihrem Defekt,
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explizit zu erinnern, dass sie gerade die Fertigkeiten ausgeführt haben. Ähnliche
Dissoziationen wurden bei Drogen-induzierter Amnesie (Nissen, Knopman, & Schacter, in
press) und bei Amnesie mit multipler Persönlichkeit (Nissen, Ross, Willingham, Mackenzie,
& Schacter, in press) beobachtet.
Das zweite große Gebiet der Forschung über implizites Gedächtnis bei Amnesie, das sich mit
repetition priming Effekten beschäftigt, wurde von der wichtigen Serie von Experimenten
initiiert, die von Warrington und Weiskrantz (1968, 1970, 1974, 1978) durchgeführt wurden.
Die Autoren fanden heraus, dass amnestische Patienten eine normale Retention von einer
Liste von geläufigen Worten zeigen können, wenn sie mit Wortstamm- oder Fragment-cues
getestet
werden,
während
dieselben
Patienten
bei
freien
Abruftests
und
Wiedererkennungstests schwerwiegend beeinträchtigt waren. Allerdings erwähnten
Warrington und Weiskrantz (1968), dass sich die Patienten oft nicht daran erinnerten, dass
ihnen irgendwelche Lernlisten-Items gezeigt wurden und den Fragment-Test wie ein
„Ratespiel“ bearbeiteten. In der nachfolgenden Forschung, die ebenfalls Fragment-cues
benutzte, war die Performanz der amnestischen Patienten in Beziehung zu jener der
Kontrollpersonen manchmal beeinträchtigt (z.B., Squire, Wetzel, & Slater, 1978).
Nun ist also klar, dass die Antwort auf die Frage, ob amnestische Patienten eine normale
Retention zeigen, wenn sie mit Wortfragmenten und verschiedenen anderen cues getestet
werden, oder nicht, in kritischer Weise von der impliziten/expliziten Beschaffenheit des Tests
abhängt. Graf et al. (1984) zeigten beispielsweise, dass wenn den Personen explizite
Gedächtnis-Instruktionen gegeben werden – ihnen wurde also gesagt, die Wortstämme als
cues zu benutzen, um früher gelernte Worte zu erinnern – die amnestischen Patienten in
Bezug auf die Kontrollpersonen beeinträchtigt wurden. Wenn den Personen aber implizite
Gedächtnis-Instruktionen gegeben werden – ihnen wurde also gesagt, die Stämme mit dem
ersten Wort, das ihnen einfällt, zu vervollständigen – die amnestischen Patienten und die
Kontrollpersonen vergleichbare Quantitäten von priming zeigten (siehe auch Graf et al.,
1985). In einer frühen und oft übersehenen Studie präsentierten Gardner, Boller, Moreines,
und Butters (1973) amnestischen Patienten mit dem Korsakoff-Syndrom und
Kontrollpersonen kategorisierte Wortlisten. Als den Personen nachfolgend Kategorie-cues
gegeben wurden und sie aufgefordert wurden, mit dem ersten Kategoriemitglied zu antworten,
das ihnen in den Sinn kommt, zeigten die amnestischen Patienten und die Kontrollpersonen
beide äquivalente Quantitäten von priming. Als sie aufgefordert wurden, Listen-Items in
Erwiderung auf Kategorie-cues zu erinnern, waren die amnestischen Patienten in Bezug auf
die Kontrollpersonen beeinträchtigt (siehe auch Graf et al., 1985). Schacter (1985) fand
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heraus, dass amnestische Patienten normale priming-Effekte zeigten, nachdem sie eine Liste
mit geläufigen Idiomen (z.B. sour - grapes) gelernt hatten und dann das erste Wort
niederschrieben, dass ihnen bei einem freien Assoziationstest einfiel (z.B., sour - ?). Die
amnestischen Patienten waren jedoch beeinträchtigt, wenn sie instruiert wurden zu versuchen,
dieselben cues zu benutzen, um Zielworte der Lernliste zu erinnern. Shimamura und Squire
(1984) erhielten ein ähnliches Muster von Ergebnissen mit stark aufeinander bezogenen
gepaarten Partnern (z.B., table-chair). Auf der Basis dieser Studien scheint es angemessen zu
folgern, dass die normale Retention einer Liste mit geläufigen Items bei amnestischen
Patienten nur dann auftritt, wenn implizite Tests benutzt werden. Mit dieser Beobachtung ist
konsistent, dass amnestische Patienten normale priming-Effekte bei verschiedenen anderen
impliziten Gedächtnis-Tests zeigten, einschließlich lexikalischer Entscheidungsaufgaben
(Moscovitch, 1982), perzeptueller Identifikation (Cermak, Talbot, Chandler, & Wolbarst,
1985) und beim Buchstabieren von Homophonen (Jacoby & Witherspoon, 1982).
In den meisten priming-Experimenten, die bisher diskutiert wurden, bestanden die Materialien
der Studie aus Items mit integrierten oder schon vorher vorhandenen modularisierten
Erinnerungsrepräsentationen, wie beispielsweise geläufige Worte, linguistische Idiome oder
stark aufeinander bezogene gepaarte Partner. Kürzlich untersuchten mehrere Forscher, ob
amnestische Patienten normales priming oder implizite Erinnerung für neue Information
zeigen, die keine vorher schon vorhandene Repräsentation als eine Einheit im Gedächtnis hat,
wie z.B. „Unworte“ oder nicht aufeinander bezogene gepaarte Partner. Die bisherigen
Ergebnisse sind uneinheitlich. Cermak et al. (1985) fanden heraus, dass amnestische Patienten
kein priming von Unworten bei einem perzeptuellen Identifikationstest zeigen, und Diamond
und Rozin (1984) erhielten ähnliche Ergebnisse, als das implizite Gedächtnis mit Stämmen
mit drei Buchstaben getestet wurde. Graf und Schacter (1985) und Schacter und Graf (1986b)
fanden unter Benutzung eines Wortvervollständigungs-Tests heraus, dass ein paar
amnestische Patienten – jene mit relativ geringen Gedächtnisstörungen – eine normale
implizite Erinnerung für eine neu angeeignete Assoziation zwischen unverbundenen Worten
zeigten, während schwerwiegend amnestische Patienten keine implizite Erinnerung für neue
Assoziationen zeigten. Moscovitch et al. (1986) schätzten die implizite Erinnerung mit einer
Aufgabe ab, die das Lesen von abgeschwächten Paaren von unverbundenen Worten
beinhaltete, und beobachteten eine normale implizite Erinnerung für neue Assoziationen bei
Patienten mit schwerwiegenden Gedächtnisstörungen. McAndrews, Glisky, und Schacter (in
press) untersuchten die implizite Erinnerung für neue Information, indem sie den Personen
neue, schwer zu verstehende Sätze darboten und sie dazu veranlassten, cues zu bilden, die die
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Sätze verständlich machten. Sie fanden heraus, dass die Fähigkeit von schwerwiegend
amnestischen Patienten, die korrekten cues zu bilden, wesentlich von einer einzigen früheren
Darbietung des cue-Satz-Paares unterstützt wurde, trotz dem kompletten Fehlen von expliziter
Erinnerung für die Sätze und die cues.
Die vorhergehenden Studien zeigen an, dass amnestische Patienten priming-Effekte für neu
angeeignete Information zeigen können, sie deuten aber auch darauf hin, dass solche Effekte
von der Art des impliziten Gedächtnistests, der benutzt wird, abhängt und, in manchen Fällen,
vom Schweregrad der Amnesie. Ein anderes wichtiges Thema beim priming bei amnestischen
Patienten bezieht sich auf die Dauer des Phänomens. Mehrere Forscher haben berichtet, dass
das priming der Wortvervollständigungs-Performanz bei amnestischen Patienten ein relativ
flüchtiges Phänomen ist, das nur wenige Stunden andauert (Diamond & Rozin, 1984; Graf et
al., 1984; Rozin, 1976; Squire, Shimamura, & Graf, in press). McAndrews et al. (in press)
fanden jedoch heraus, dass schwerwiegend amnestische Patienten nach einem einwöchigen
Retentions-Intervall ein stabiles priming auf ihre Satz-Puzzle-Aufgabe zeigten. Diese
Beobachtungen suggerieren, dass die Dauer des primings bei amnestischen Patienten von der
Art abhängen könnte, in der das implizite Gedächtnis abgeschätzt wird und von der
Beschaffenheit der Zielinformation.
Zusätzlich zum skill learning und repetition priming Phänomen zeigten amnestische Patienten
auch Dissoziationen zwischen implizitem und explizitem Gedächtnis in verschiedenen
anderen Situationen. Schacter, Harbluk, und McLachlan (1984) zeigten, dass amnestische
Patienten einige erfundene Informationen über Menschen lernen können, sich aber nicht daran
erinnern können, dass ihnen diese Information gerade eben erst mitgeteilt wurde (siehe auch
Schacter & Tulving, 1982; Shimamura & Squire, 1987). In ähnlicher Weise beobachtete Luria
(1976), dass ein amnestischer Patient Stückchen von kürzlich dargebotenen Geschichten
produzierte, obwohl er sich nicht daran erinnern konnte, dass ihm irgendwelche Geschichten
erzählt worden waren. Glisky, Schacter, und Tulving (1986) zeigten, dass ein schwer
amnestischer Patient lernen kann, einen Mikrocomputer zu programmieren, trotz des
anhaltenden Defekts des Patienten, sich explizit daran zu erinnern, dass er jemals an einem
Mikrocomputer gearbeitet hatte. Johnson, Kim, und Risse (1985) zeigten auf, dass
amnestische Patienten eine versteckte Figur schneller ausfindig machen konnten nach einer
einzigen Darbietung der Figur, und Weiskrantz und Warrington (1979) berichteten über
Beweise von klassischem Konditionieren bei amnestischen Patienten – in allen Fällen mit
wenig oder keiner expliziten Erinnerung an die experimentellen Materialien und an die
Lernperiode selbst.
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Schacter, D, & Church, E., (1992). Understanding Implicit Memory: A Cognitive
Neuroscience Approach. (pp. 387-408)
In diesem Buch finden sich Beweise für die Existenz und Verifikation von impliziten
Eindrücken. Die Vorgänge bei impliziten Prozessen werden zudem sehr anschaulich
beschrieben. Schacter postuliert den impliziten Gedächtnisprozess als einen unbewussten
Vorgang der kognitiven Zurückhaltung, welcher in Kontrast zu expliziten kognitiven
Vorgängen steht (Schacter, 1992). Die vielschichtige Komplexität der impliziten Vorgänge
sowie eine deutliche Abtrennung vom expliziten wurde erstmals genauer Anfang 1980
praktiziert (Schacter, 1992). Die kritische wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den
impliziten Gedankenvorgängen und Forschungsschwerpunkte auf diesem Gebiet wurde durch
Experimente an Versuchspersonen mit neurologischen Läsionen fundiert, in welchen
Amnesiepatienten zwar impacts im Bereich der expliziten Gedankenvorgänge hatten, jedoch
keine Beeinträchtigungen im impliziten kognitiven Bereich (Schacter, Rödinger, 1987).
Schacter liefert in diesem Buch eine neurowissenschaftlich-psychologische Orientierung, um
den Bereich der impliziten Wissenschaften zu verstehen. Er regt dazu an, sich mit den
kontrollierten und automatischen Prozessen einerseits, als auch mit einer Trennung von
Gedankensystemen und prozeduralen Vorgängen und den dadurch entstandenen
Dissoziationen auseinanderzusetzen.(Schacter, & Church, 1990).Die in den verschiedenen
Studien beobachteten Effekte der impliziten Eindrücke sieht der Autor als losgelöst vom
regulären Gedächtnissystem („system versus processes debate“), wobei die Einschätzung der
automatischen Gedächtnisprozesse auch hier mittels Hypothesen erfolgt (Tulving and
Schacter, 1990). Schacter postuliert eine sog. Cross domain hypotesis generation mit dem
Ziel, Hypothesen zu impliziten Vorgängen zu generieren, welche das strukturelle und
semantische Potenzial der Vpn mit einschließen können. Somit wird auch auf die nicht
unwesentliche Rolle des Primings bei impliziten Vorgängen und die damit verbundenen
wissenschaftlichen Erkenntnisse hingewiesen (Schacter, & Church, 1992).
Schacter und Church untersuchten in ihren zwei Hauptexperimenten vor allem Personen mit
Dissoziationen und Problemen im Bereich des kognitiven Zugangs von semantischen
Informationen im auditiven System. Die Primingvorgänge/Wortspezifitäts-Effekte wurden
untersucht. Schacters Versuche wurden auch wie bei unserem Beispiel der
Wortstammergänzungen (Jacoby, 1991) unter kognitiver bzw. nicht-kognitiver Belastung
beim Enkodieren durchgeführt. Identifikation und Wiedererkenung der semantischen bzw.
nichtsemantischen Wortstämme waren die main–factors. Der Studie zufolge wurde das
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Priming der gehörten Wort(stämme) weniger von der jeweiligen Manipulation (kognitiven
Belastung) beeinflusst als ursprünglich angenommen. Wiedererkennungs- und
Identifikations–Fähigkeiten blieben von Störvariablen unbeeinflusst. Ein implizierter
Erinnerungseffekt wurde ebenfalls festgestellt. Schacter and Church bieten eine kognitive
Orientierungsmöglichkeit, um die Vielschichtigkeit des impliziten Bereiches leichter
verstehen zu können, somit ihrer Komplexität Rechnung zu tragen, und ermöglichen es,
vielleicht das eigene Verhalten – sei es nun bewusst oder unbewusst, aus einer anderen
Perspektive betrachten zu können .
Whitney, & Wiliams-Whitney, (1990): Word Stem Completion. An Experiment. (pp. 18-22)
Im Experiment von Whitney & Wiliams-Whitney (1990) wird ebenfalls der Frage nach
Vervollständigung von Wortstämmen nachgegangen, da dies ein sehr umfangreiches
Repertoire an Möglichkeiten zum Testen zulässt.
Whitney (1990) benutzte auch Wortstämme zur Untersuchung der Evidenz von STIs, d.h. die
Vpn lasen kurze trait-implying Abschnitte und keine trait-implying Kontrollabschnitte und
vervollständigten dann die Wortstämme. Unmittelbar danach wurde eine Verständnisfrage
gestellt.
Die Ergebnisse waren dahingehend zu interpretieren, dass die Bildung von STIs dazu führte,
dass die Wortstämme signifikant häufiger mit den zuvor abgeleiteten traits vervollständigt
wurden, womit die Wirksamkeit der STIs wieder einmal bewiesen wird.
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Literaturverzeichnis:
Uleman, J. S., Blader, S. L., & Todorov, A. (2005). Implicit Impressions. In R. R. Hassin, J.
S. Uleman, & J. A. Bargh (eds.), The new unconscious (pp. 362-392). Oxford: Oxford
University Press.
Schacter, D. L. (1987). Implicit memory: History and current status. Journal of Experimental
Psychology: Learning, Memory, and Cognition, 13, 501-518
Schacter, D, & Church, E., (1992). Understanding Implicit Memory: A Cognitive
Neuroscience Approach. In Collins A., Gathercole S., Conway, M., & Morris, P. (eds.).
Theories of Memory (p. 387-408). Lancaster: Memory Research Unit, Lancaster University,
UK.
Cynthia G. Whitney, & D. Williams-Whitney, (1990): Word Stem Completion. An
Experiment. Journal of Experimental Social Psychology, 61, 18-22
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