Bose-Einstein Kondensation Hauptseminar Bastian Marquardt

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Bose-Einstein Kondensation
Hauptseminar
Bastian Marquardt
21.07.2005
2
Inhaltsverzeichnis
1 Was ist BEK?
1.1 Vorbetrachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2 Theoretische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2 Wie stellt man BEK her?
2.1 Experimentelle Techniken . .
2.1.1 Laserkühlung . . . . .
2.1.2 Magnetfalle . . . . . .
2.1.3 Verdampfungskühlung
2.1.4 Abbildungsmethode .
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1
2
9
10
11
14
16
18
3 Was macht man nun mit BEK?
21
3.1 Materiewelleninterferenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
3.2 Atomlaser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
3.3 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
0
Kapitel 1
Was ist BEK?
1.1
Vorbetrachung
Das folgende Skript im Rahmen eines Hauptseminars befasst sich mit dem Thema der Bose-Einstein Kondensation.
Ein Bose-Kondensat stellt anschaulich die makroskopische Besetzung des Grundzustandes eines bosonischen physikalischen Systems dar.
Eine solche Kondensation tritt schon bei einem idealen atomaren idealen Gas
aus massiven Teilchen (mit ganzzahligem Spin) ein, wenn die Phasenraumdichte, d.h. die Anzahl der Atome pro quantisierte Phasenraumzelle, bis zu einem
kritischen Wert erhöht wird.
Dieser rein statistische Effekt kann mit dem Wellencharakter erklärt werden,
welche zum ersten Mal 1924 von Louis de Broglie in seiner Dissertation postuliert wurde. Er sagte, dass man massiven Teilchen neben dem Impuls auch
eine Wellenlänge λdB zuordnen kann. Diese nach ihm benannte Wellenlänge gibt
dann die mittlere Ausdehnung des Wellenpakets an und besitzt folgende Form
r
2π~2
λdB =
mT
In Abbildung 1.1 ist das atomare Gas schematisch bei vier verschiedenen Temperaturen dargestellt.
Bei hohen Temperaturen ist λdB klein und es ist sehr unwahrscheinlich zwei
Teilchen innerhalb einer Distanz aufzufinden, daher kann ein schwach interagierendes Gas wie ein System von Billard-Kugeln behandelt werden. Die Ununterscheidbarkeit der Teilchen fällt nicht ins Gewicht und man kann eine klassische
Beschreibung, die Boltzmann-Statistik, anwenden. Senkt man die Temperatur,
so tritt der Wellencharakter mehr und mehr in den Vordergrund.
Wird das Gas jetzt soweit abgekühlt, dass die Größenordnung von λdB im Bereich des Teilchenabstandes liegt, dann fangen die einzelnen Wellenpakete an
sich zu überlappen und die Ununterscheidbarkeit wird entscheidend. Bei Fermionen können sich wegen des Pauli-Prinzips zwei Teilchen nicht im gemeinsamen
Quantenzustand aufhalten, bei Bosonen ist es aber erlaubt. Die Quantenstatistik
erhöht sogar die Wahrscheinlichkeit mehrere Teilchen im selben Zustand vorzufinden dramatisch. Das System durchläuft einen Phasenübergang und formt ein
Bose-Einstein Kondensat, indem eine makroskopische Anzahl von Teilchen den
1
2
KAPITEL 1. WAS IST BEK?
Grundzustand des Systems einnimmt, und somit überlappen sich ihre Wellenpakete phasenkohärent.
Reduziert man nun die Temperatur auf den theoretischen absoluten Nullpunkt,
so erkennt man in der letzten Abbildung, dass alle Atome in den Grundzustand
kondensiert sind. Die Atome haben ihre Eigenständigkeit aufgehoben und bilden
quasi ein Superatom, wo jedes Einzelatom den selben Ort und Geschwindigkeit
besitzen.
Abbildung 1.1: Wellencharakter, [1]
1.2
Theoretische Grundlagen
Die Bose-Einstein Kondensation wurde 1925 zum ersten Mal von Albert Einstein vorhergesagt. Er veröffentlichte seine theoretischen Ideen aufgrund von
Vorüberlegungen von Satyendra Bose, der mit Hilfe von neuen statistischen Methoden (Ununterscheidbarkeit von gleichartigen Teilchen) die Plancksche Strahlungsverteilung herleiten konnte.
Einstein postulierte, dass ein nichtwechselwirkendes Gas für T gegen 0K makroskopisch in den Grundzustand kondensieren würde.
Bemerkenswert ist hier die Tatsache, dass ein ideales Gas betrachtet wird und
es daher ohne interatomare Wechselwirkung zu einem Phasenübergang kommt.
Klassisch wäre dies nicht möglich, da für klassische Phasenübergänge wie Schmelzen oder Kristallisieren Wechselwirkungen nötig sind. Weiterhin ist interessant,
dass in der Zeit, in welcher Einstein diese Aussage machte, die vollständige Entwicklung der Quantenmechanik nicht beendet war, zu diesem Zeitpunkt war der
Unterschied zwischen Bosonen und Fermionen noch nicht bekannt (Beweis von
Pauli: 1940).
Um nun ideale Gase quantitativ zu erfassen, muss man sich die Physik der Vielteilchensysteme anschauen, welche auf der statistischen Mechanik beruht.
In der statistischen Mechanik wird der Zustand eines physikalischen Systems
nicht mehr durch Angabe der einzelnen mechanische Bahnen (Ort, Impuls) charakterisiert, sondern nur durch eine Wahrscheinlichkeit, solche Mikrozustände
3
1.2. THEORETISCHE GRUNDLAGEN
unter bestimmten Randbedingung vorzufinden. Mit diesen mikroskopischen Informationen kann man alle thermodynamischen Makrozustände wie Energie und
Temperatur berechnen.
Einen direkten Zugang zur statistischen Behandlung idealer Quantengasen erhält
man über die Betrachtung des Grosskanonischen Ensembles, welches für physikalische Systeme definiert ist, welche mit ihrer Umgebung sowohl thermischen
Kontakt als auch Teilchenaustausch aufweisen und die Temperatur T, das Volumen V und das chemische Potential µ festgelegt sind.
Man kann dann mit Hilfe der Lagrangeschen Multiplikatorenmethode die Wahrscheinlichkeitsverteilung ρk berechnen, welche angibt wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, das System im Zustand mit dem Einteilchen-Energieeigenwert ² k
und der Besetzungszahl dieses Energieeigenwerts Nk vorzufinden.
ρ(²k , Nk ) =
1 − k 1 T (²k −µNk )
e B
Z
wobei Z die Normierungsbedingung (großkanonische Zustandssumme) und µ das
chemische Potential darstellt, welches die Energieänderung des Systems angibt,
wenn ein Teilchen hinzugefügt bzw. entnommen wird.
Mit dieser Wahrscheinlichkeitsverteilung ist man nun in der Lage die Teilchenzahl des Systems zu berechnen.
Es gilt:
X
N=
ρk Nk
k
Setzt man nun die Wahrscheinlichkeitsverteilung ein, so erhält man:
N=
X
k
< nk >=
X
k
1
1
kB T
e
(²k −µ)
−1
Der Ausdruck neben der Summe stellt die berühmte Bose-Einstein Statistik dar,
welche die mittlere Besetzungszahl eines Energieeigenwerts ²k angibt.
< nk >= b(²k ) =
1
e
1
kB T
(²k −µ)
−1
Schaut man sich nun diese Gleichung etwas genauer an und berücksichtigt dabei die Bedingung, dass die Besetzungszahl nicht negativ bzw. divergieren kann,
so stellt man fest, dass das chemische Potential µ in seinem Wertebereich beschränkt sein muss.
Das chemische Potential muss stets kleiner als der Grundzustand ²0 (energetisch
niedrigste Zustand) des Systems sein, sonst würde die mittlere Besetzungszahl
negativ werden.
Setzt man den Grundzustand gleich Null, so muss µ kleiner Null sein.
µ<0
4
KAPITEL 1. WAS IST BEK?
Nun ist man in der Lage mit der Bose-Statistik die Gesamtteilchenzahl N eines
offenen Systems zu berechnen.
X
b(²k )
N=
k
Da diese Summe eine eventuelle Entartung der Energieniveaus nicht berücksichtigt,
sowie keine Aussage macht über ein äußeres Potential, welchem die Teilchen gegebenenfalls ausgesetzt sind, benutzt man die semiklassische Betrachtungsweise,
in welcher wir das Energiespektrum als kontinuierlich ansehen.
In dieser Näherung kann man nun eine Energiedichte definieren, welche die Entartung und auch äußere Potentiale berücksichtigt.
Man kann nun mit dieser Formel die Gesamtteilchenanzahl eines Systems in
einem Energieintervall ² bis ² + d² berechnen.
dN = D(²)b(²)d²
wobei D(²) die Zustandsdichte eines idealen 3D-Gases ist und folgende Form
besitzt
µ
¶3
V
2m 2 √
D(²) =
²
4π 2 ~2
Nun möchten wir aber die Gesamtteilchenzahl eines bose-kondensierten Systems berechnen, d.h. also dass der Grundzustand makroskopisch besetzt ist.
Dieser Grundzustand wird von der Zustandsdichte aber nicht berücksichtigt
(D(²0 =0)=0), man muss also diese Teilchen gesondert betrachten.
Dies macht man, indem dieser Gleichung ein additiver Term N0 hinzugefügt
wird. Für die Gesamtteilchenzahl eines bose-kondensierten Systems gilt also
Z ∞
N = N0 +
D(²)b(²)d²
0
=
N0 +
V
4π 2
µ
2m
~2
¶ 23 Z
√
∞
0
e
1
kB T
²
(²−µ)
d²
−1
Das Integral kann noch vereinfacht werden, da für ein bose-kondensiertes System
das chemische Potential gegenüber den angeregten Energieniveaus über welche
integriert wird vernachlässigt werden kann.
Man kann nun dieses uneigentliche Integral, welches die Teilchenanzahl in den
angeregten Niveaus bestimmt, explizit ausrechnen.
So erhält man folgende Formel
N
2.612
N0
=
− 3
V
V
λdB
wobei λdB die de Broglie-Wellenlänge darstellt.
Diese Gleichung besagt anschaulich, dass, wenn die Temperatur und das Volumen konstant sind, die Anzahl der Teilchen in den angeregten Zuständen
beschränkt ist. Dies bedeutet, wenn man nun noch Teilchen dem System hinzufügen würde, diese nur im Grundzustand Platz hätten.
Im Experiment, wo die Teilchenanzahl konstant ist und die Temperatur reduziert wird, bedeutet dies, dass mit abnehmender Temperatur immer mehr
Teilchen in den Grundzustand kondensieren müssen.
5
1.2. THEORETISCHE GRUNDLAGEN
Mit dieser Formel kann man nun leicht die wichtige Phasenübergangsbedingung
herleiten und erhält
n
=
2.612
N
≥ 3
V
λdB
⇒ nλ3dB
≥
2.612
Ist das Produkt aus Gasdichten und dem Kubus der de Broglie-Wellenlänge
größer gleich 2.612, so kondensiert das System bose. Eine Phasenraumzelle muss
also im Mittel mehrfach besetzt sein bevor sich ein Bose-Kondensat bildet.
Nun kann man damit auch die temperaturabhängige Grundzustandsbesetzung
wie auch die kritische Temperatur berechnen und erhält
N0
N
Tc
¶3
T 2
= 1−
wenn
Tc
2π~2 ³ n ´ 32
=
mkB 2.612
µ
T 5 Tc
Diese Formeln gelten aber nur, wenn kein äußeres Potential angelegt wird.
Im Experiment ist ein Potential aber nötig, um die Atome zu speichern und so
manipulieren zu können.
Da ein angelegtes Potential in die Zustandsdichte eingeht, muss man die Gleichungen für die Grundzustandsbesetzung und der kritischen Temperatur etwas
modifizieren.
Im Experiment benutzt man typischerweise ein harmonisches Potential mit folgender Form
1
U = m(ωx2 x2 + ωy2 y 2 + ωz2 z 2 )
2
wobei ωx,y,z die Oszillationsfrequenzen der Atome in der Falle darstellen.
Mit diesem äußeren Potential erhält man dann etwas veränderten Formeln
µ ¶3
N0
T
= 1−
wenn
T 5 Tc
N
Tc
¶ 13
µ
~ω
N
Tc =
kB 1.202
wobei ω das geometrische Mittel der drei Oszillationsfrequenzen ist (ω ∝
1 1/3
).
V
Nun stellt sich natürlich die Frage, ob die Annahme eines idealen Gases bei der
Beschreibung eines Bose-Kondensats gerechtfertigt ist. Um dies festzustellen,
vergleicht man die experimentellen Messwerte mit den theoretischen Vorhersagen. Und ein probates Mittel zum Vergleich ist die Betrachtung der temperaturabhängigen Gesamtenergie eines atomaren Gases, da hier die Wechselwirkung zwischen den Atomen berücksichtigt werden muss, wenn sie nicht zu
vernachlässigen ist.
Ein solches Diagramm ist einmal in Abbildung 1.2 dargestellt. Aufgetragen ist
6
KAPITEL 1. WAS IST BEK?
Abbildung 1.2: Vergleich mit Experiment,[1]
hier die Gesamtenergie eines atomaren Gases gegenüber der Temperatur, wobei
die diskreten Punkte Messwerte darstellen. In dieser Abbildung erkennt man,
dass die Annahme eines idealen Gases oberhalb der kritischen Temperatur (hier:
T0 = Tc ) gerechtfertigt ist. Hier liegen die Messwerte im Bereich der gerechneten
Kurve (gestrichelte Kurve).
Unterhalb der kritischen Temperatur (also ein bose-kondensiertes Gas) erkennt
man aber ein unterschiediches Verhalten. In der Theorie erwartet man ein T 2 Gesetz, im Experiment kann man nur ein lineares Verhalten feststellen.
Daraus folgt, dass die Annahme eines idealen Gases für ein (experimentell realisierbares) bose-kondensiertes System nicht gerechtfertigt ist.
Um also die Theorie mit dem Experiment im Einklang zubringen, muss man die
Theorie etwas modifizieren, indem man eine schwache Wechselwirkung zwischen
den Atomen (z.B. über Stöße) zulässt.
Eine solche schwache Wechselwirkung wird mit einem fast idealen Gas beschrieben.
Ein solches Gas ist dadurch charakterisiert, dass es zwar eine interatomare
Wechselwirkung einbezieht, dessen Reichweite a aber weitaus kleiner als der
1
atomare Abstand √
3 n (n=Gasdichte) ist. Dies wird mit folgender Bedingung für
ein fast ideales Gas ausgedrückt
na3 ¿ 1
wobei a die Reichweite der Wechselwirkung darstellt.
Im Experiment erhält man hier Werte für na3 zwischen 10−11 bis 10−5 , die Annahme eines fast idealen Gases ist für ein solches System also gerechtfertigt.
Nun werden die Arten der Stöße in einem solchen Gas sehr stark unterdrückt.
Zum einen sind hier Drei- bzw. Mehrkörperstöße zu vernachlässigen, und daher
dominieren die Zwei-Körper-Kollisionen.
Zum anderen betrachten wir das Gas bei ultrakalten Temperaturen und es
1.2. THEORETISCHE GRUNDLAGEN
7
kommt hier nur zu elastischen Stößen, da die kinetische Energie der Teilchen
nicht ausreicht, um den inneren Zustand anzuregen. Diese elastischen ZweiKörperstöße existieren auch nur in niedrigster Ordnung (S-Wellen Streuung),
welche kugelsymmetrisch ist und daher durch einen skalaren Parameter, der SWellen Streulänge a, ausgedrückt werden kann.
Ein solches fast ideales Gas (auch Bose-Gas) wird durch eine nichtlineare Differentialgleichung zweiter Ordnung beschrieben, der sogenannten Gross-Pitaevskii
Gleichung
¶
µ
∂
~2
i~ Φ(~r, t) = −
∆ + U (~r) + g|Φ~r, t)|2 Φ(~r, t)
∂t
2m
wobei U das äußere Potential und g das Kontaktpotential darstellt.
Diese Gleichung beschreibt also die Bewegung eines Teilchens in einem angelegten Potential U und einem durch die kondensierten Teilchen zustandekommende
Molekularfeld.
Der nichtlineare Term drückt die Wechselwirkung der Teilchen über S-Wellen
Streuung aus. Das Kontaktpotential g ist somit ein Maß für die Wechselwirkung
und gehorcht dieser Gleichung
g=
4π~2 a
m
8
KAPITEL 1. WAS IST BEK?
Kapitel 2
Wie stellt man BEK her?
Nach dieser kurzen Einführung in die Theorie eines bose-kondensierten Gases,
möchte ich im folgenden Kapitel erläutern, wie man denn nun ein solches Kondensat experimentell herstellen kann.
Zunächst benötigt man natürlich eine größere Anzahl von Bosonen. Massive
Elementarteilchen (Elektronen, Protonen und Neutronen), aus welchen Atome
zusammengesetzt sind, sind Fermionen und haben demnach einen halbzahligen
Spin (S= 12 ). Durch Summation über alle Einzel-Spins der zusammengesetzten
Teilchen, erhalten wir einen Gesamtspin, welcher entscheidet, ob sich das Atom
bosonisch oder fermionisch verhält.
Haben wir eine gerade Anzahl an zusammengesetzten Teilchen, so erhalten wir
ein effektives Boson.
An dieser Stelle lässt sich die dramatische Konsequenz der Quantenstatistik illustrieren.
Entfernt man ein Neutron aus einem bosonischen Atom mit hunderten von Nukleonen, wird es zu einem Fermion, und bei tiefen Temperaturen bildet sich
anstelle eines Bose-Kondensats ein entarteter Fermi-See. Obwohl das chemische
Verhalten, die Masse und fast alle anderen Eigenschaften des Atoms unverändert
sind, ist das Verhalten des Gases bei tiefen Temperaturen drastisch verändert.
Es existieren aber noch weitere Anforderungen an die Atome, welche bosekondensiert werden sollen. Diese weiteren Anforderungen hängen zum größten
Teil von den verwendeten Kühl- und Fallentechniken ab, welche ich später noch
ausführlich erläutern werde.
Ein Atom sollte eine möglichst große elastische Streurate besitzen, welche sehr
wichtig für die Verdampfungskühlung ist. Das Atom sollte also einen möglichst
großen Streuquerschnitt haben und dieser ist proportional zur Größe des Atoms.
Es werden in diesem Fall also große bzw. schwere Atome bevorzugt
Weiter sollte das Atom ein permanentes magnetisches Dipolmoment besitzen, da
die Magnetfalle auf der Wechselwirkung eines solchen magnetischen Moments
mit dem inhomogenen Magnetfeld beruht.
Die Laserkühlung setzt einen starken optischen Übergang im Sichtbarem bis Infrarotem voraus, wofür kommerzielle Halbleiter-Laser zur Verfügung stehen.
Und dann sollte natürlich die inelastische Wechselwirkung eines solchen Atoms
sehr klein sein, damit sich das Gas nicht unnötig aufheizt.
Atome, welche zum ersten Mal bose-kondensiert wurden und damit den Anfor9
10
KAPITEL 2. WIE STELLT MAN BEK HER?
derungen mehr oder weniger genügen sind Folgende.
Die Gruppe um E.Cornell und C.Wieman aus Boulder kondensierten das Isotop 87 Rb, W.Ketterle vom MIT benutzten 23 N a und R.Hulet von der RiceUniversity nahmen 7 Li.
Eric Cornell und Carl Wieman von der University of Colorado in Boulder konnten im Juni 1995 nach fast 15jähriger Forschungsarbeit zum ersten Mal ein
Bose-Kondensat aus ca. 2000 Rubidium-Atomen erzeugen.
Drei Monate später stellte die Gruppe um Wolfgang Ketterle vom MIT in Boston ein Bose-Kondensat aus ca. 500000 Natrium-Atomen her. Diese weitaus
größere Anzahl erzielten sie aufgrund verbesserte Kühl- und Fallentechniken.
Diese drei Wissenschaftler erschlossen quasi im Alleingang ein neues Forschungsgebiet und konnten grundlegende Fragen dazu beantworten. Diese herausragende Leistung wurde 2001 mit der Vergabe des Nobelpreises gewürdigt.
Eric Cornell wurde 1961 in Palo Alto, Kalifornien, geboren. Er studierte
zunächst Physik an der Stanford University und promovierte am MIT in Boston. Seit 1990 ist er Professor an der University of Colorado in Boulder (JILA)
und am NIST.
Carl Wieman wurde 1951 in Corvalis, Oregon, geboren. Er studierte zunächst
am MIT und promovierte an der Stanford University. Seit 1986 ist er Professor
in Boulder.
Wolfgang Ketterle wurde 1957 in Heidelberg geboren, wo er auch bis zum
Vordiplom Physik studierte. Danach ging er zur TU München, um dort sein
Diplom zu beenden. Seine Doktorarbeit schrieb er an der LMU in München
und als PostDoc wechselte er ans Max-Planck Institute für Quantenoptik nach
Garching. Seit 1990 ist er Professor am MIT in Boston.
2.1
Experimentelle Techniken
In einem BEK-Experiment vollzieht das atomare Gas geradezu eine Odyssee im
Phasenraum, die ihrer Entsprechung in einem hohen technischen Aufwand hat.
Dafür gibt im wesentlichen zwei Gründe: Zum einen ist die Phasenraumdichte
zu Beginn des Experiments etwa 19 Größenordnungen von der kritischen Phasenraumdichte entfernt. Zum anderen ist es bis heute nicht gelungen, die BEK
mit rein optischen Kühlmethoden zu erreichen.
Um also die Phasenraumdichte um 19 Größenordnungen anwachsen zu lassen,
haben wir experimentell nur die Möglichkeit die Temperatur drastisch zu reduzieren. Die Gasdichte sollte, wie bereits erwähnt, einen möglichst kleinen
1
Wert besitzen (Im Experiment: n=1014 cm
3 ), um die Molekülbildung, welche
aus Impuls- und Energieerhaltungsgründen mindestens ein Drei-Körper Stoß
benötigt, stark zu unterdrücken.
Wir benötigen dann Temperaturen, welche im Nanokelvinbereich zu finden sind
(T = 10−9 K).
Um solche ultrakalten Temperaturen zu erreichen, benutzt man im Experiment
eine Kombination aus zwei Kühltechniken, die Laserkühlung und die Verdampfungskühlung. Die Laserkühlung dient eigentlich nur für die Optimierung der Startbedingung für die Verdampfungskühlung, welche die Phasenraumdichte bis zum kritischen Wert anwachsen lässt.
2.1. EXPERIMENTELLE TECHNIKEN
2.1.1
11
Laserkühlung
Die Laserkühlung beruht darauf, dass Licht eine mechanische Kraft bzw. Impuls
ausüben kann. Dadurch kann man durch geeignete Laserstrahlen die Geschwindigkeitsverteilung eines atomaren Gases hin zu tiefen Temperaturen komprimieren.
Anschaulich wird dieser Sachverhalt, wenn man sich die Abbildung 2.1 betrachtet.
Ein ideales Zwei-Niveau Atom im Grundzustand mit einer Geschwindigkeits-
Abbildung 2.1: Absorptions- und Emissionszyklus, [2]
komponente v0 wechselwirkt mit einem Photon aus entgegengesetzter Richtung
und geeigneter Resonanzfrequenz. Das Atom wird angeregt und wegen der Impulserhaltung erfährt das Atom eine Abbremsung.
Anschließend möchte das Atom in den Grundzustand zurückkehren und dies
macht es unter spontaner Emission eines Photons. Die Impulserhaltung bewirkt
einen weiteren Rückstoß in entgegengesetzter Richtung des emittierten Photons. Allerdings ist die Richtung, in die sich das emittierte Photon bewegt,
zufällig, das heißt die übertragenen Impulse heben sich nach Mittelung über
viele Absorptions- und Emissionsprozesse gegenseitig auf.
Es resultiert also eine Netto-Kraft, welche entgegengesetzt der Bewegungsrichtung des Atoms wirkt.
Nun betrachten wir aber immer noch ein atomares Gas mit einer Geschwindigkeitsverteilung, d.h. wir müssen den Dopplereffekt berücksichtigen.
Als Dopplereffekt bezeichnet man die Veränderung der Frequenz von Wellen,
wenn sich Quelle und Beobachter sich einander annähern oder entfernen.
Bewegt sich z.B. ein Atom zur Lichtquelle hin, so erfährt das Atom in seinem
Ruhsystem eine etwas erhöhte Frequenz als im Laborsystem gemessen wird.
Bewegt sich ein Teilchen nun mit einer Geschwindigkeit weg von der Lichtquelle,
so erfährt es eine kleinere Frequenz. Diese Verstimmung ist also geschwindigkeitsabhängig und folgt diesem Gesetz
4ν = −~k~v
wobei ~k den Wellenvektor des Laserstrahls und ~v der Geschwindigkeitsvektor
des Teilchens darstellen.
Diesen Dopplereffekt kann man nun zum Kühlen nutzen. Er wird mit Dopplerkühlung bezeichnet. Der schematische Aufbau in einer Dimension ist in Abbildung 2.2 zu sehen. Die zu kühlenden Teilchen werden aus beiden Richtungen
12
KAPITEL 2. WIE STELLT MAN BEK HER?
Abbildung 2.2: Dopplerkühlung, [1]
von Laserstrahlen beleuchtet, welche um einige natürlichen Linienbreiten von
der Anregungsfrequenz rotverstimmt sind.
Bewegt sich das Atom in entgegengesetzter Richtung des Laserstrahls, erscheint
die Frequenz des Lichts größer als die tatsächliche und kommt dadurch der
Resonanzfrequenz des Atoms näher. Die Photonenabsorptionsrate wird somit
vergrößert und das Atom erfährt so eine Kraft entgegengesetzt seiner Bewegungsrichtung. Dadurch werden die Atome abgebremst und gekühlt.
Von großem Interesse ist natürlich die erreichbare Minimaltemperatur (bzw.
Phasenraumdichte) des Kühlverfahrens und diese wird letztendlich durch die
Anwesenheit der Photonen selber beschränkt.
Zum einen ist hier das Aufheizen durch die stochastischen Rückstoßimpulse der
Fluoreszenzphotonen zu nennen, welche zwar über viel Absorptions- und Emissionszyklen hinausgemittelt wird, als Einzelimpuls aber endlich ist. Es resultiert
eine diffusionsartige Bewegung der Atome analog zur Brownschen Molekularbewegung.
Zum anderen ist auch die räumliche Ausdehnung der Atomwolke begrenzt, denn
mit zunehmender Dichte erhöht sich auch die Wahrscheinlichkeit, dass ein emittiertes Photon reabsorbiert wird. Dies kann man dann als repulsive Kraft zwischen den Atomen beschreiben.
Das Dopplerlimit liegt für Natrium bei 240µK (Rb: 163µK).
Nun haben wir mit der Dopplerkühlung zwar eine geschwindigkeitsabhängige
Kraft erhalten und dadurch erreicht, dass die Atome sehr kalt werden, aber dies
hindert sie überhaupt nicht aus dem Lichtfeld hinaus zu diffundieren. Deshalb
müssen wir es schaffen, dass sie sich in einem Punkt sammeln. Wir müssen den
Atomen eine Kraft aussetzen, die sie zwingt sich an einem Ort aufzuhalten.
Dies erzielen wir damit, dass wir das Lichtfeld mit einem inhomogenem Magnetfeld koppeln.
Dadurch erhalten wir eine ortsabhängige Kraft, welche die Atome an einem Ort
zwingt. Die Kombination aus geschwindigkeits- und ortsabhängige Kraft wird
in einer magneto-optischen Falle (engl.: magneto optical trapp; MOT) realisiert, welche zum ersten Mal von S. Chu und D. Pritchard 1985 vorgestellt
wurde.
Der schematische Aufbau einer solchen MOT ist in der Abbildung 2.3 zu erkennen. Das zu kühlende Gas wird aus allen drei Raumrichtungen mit rechts und
links zirkular polarisierten Laserstrahlen beleuchtet, welche analog zur Dopplerkühlung etwas rotverstimmt sind. Parallel wird nun noch ein inhomogenes
Magnetfeld angelegt, das durch zwei Spulen in einer Anti-Helmholtz Konfigu-
2.1. EXPERIMENTELLE TECHNIKEN
13
Abbildung 2.3: Aufbau einer magneto-optischen Falle, [1]
ration erzeugt wird.
Das zu kühlende Gas befindet sich in einem Ultrahochvakuum mit typischen
Werten von p = 10−11 mbar, um Stöße mit dem heißen Restgas zu vermeiden.
Das Prinzip dieser MOT kann anschaulich an einem Zwei-Niveau Atom erläutert
werden, welches in Abbildung 2.4 dargestellt ist. Die obere Abbildung zeigt
Abbildung 2.4: Prinzip einer MOT, [3]
nochmal die Situation in einer Dimension. Die Kühlregion wird aus beiden Richtungen von links und rechts zirkular polarisierten (rotverstimmten) Licht beleuchtet. Dieser Kühlregion ist ein inhomogenes lineares Magnetfeld überlagert,
welches in Fallenmitte 0 verschwindet.
Der zuvor entartete Zustand J=1 erfährt in diesem inhomogenen Magnetfeld
14
KAPITEL 2. WIE STELLT MAN BEK HER?
eine ortsabhängige Aufspaltung in drei magnetische Unterzustände (m=0,±1).
Auf der rechten Seite vom Fallenzentrum wird der Unterzustand m=-1 in Richtung der Laserfrequenz und damit in Resonanz verschoben, wohingegen auf der
linken Seite der Zustand m=+1 in Resonanz verschoben wird. Berücksichtigt
man nun die Auswahlregeln für zikular polarisierte Photonen, so sehen wir, dass
der Zustand m=-1, der auf der rechten Seite in Resonanz verschoben wird, nur
mit σ − -Photonen wechselwirken kann. Die Atome auf der rechten Seite erfahren
so eine Kraft in Richtung des Fallenzentrums.
Auf der rechten Seite kann der resonante Unterzustand m=+1 nur mit σ + Photonen interagieren, so dass auch hier eine zentrierte Kraft resultiert.
In der Fallenmitte, wo der angeregte Zustand entartet ist, erhält man keine resultierende Kraft, da die Laserfrequenz sehr stark von der Anregungsfrequenz
verstimmt ist.
Dadurch erfährt das Atom an jedem Punkt in dieser Konfiguration eine auf das
Fallenzentrum gerichtete Kraft.
Berücksichtigt man nun noch die Dopplerkühlung so erhalten wir mit der magnetooptischen Falle eine Kombination aus orts- und geschwindigkeitsabhängiger Kraft.
Auch hier wird die Minimaltemperatur durch das Dopplerlimit begrenzt. Aber
durch sogenannte Subdopplerkühlungsverfahren wie Sisyphus- und Polarisationsgradientenkühlung (siehe z.B. [2]) kann das Dopplerlimit noch um den Faktor
5 reduziert werden, so dass wir dann eine Minimaltemperatur für Natrium um
50µK erhalten.
Diese Temperatur ist aber immer noch etwa 1000fach zu heiß für eine BoseKondensation, daher muss man nun Fall- und Kühltechniken einsetzen, welche
nicht der Beschränkung in der Temperatur und der Dichte durch das Dopplerlimit unterstehen. Man muss also Techniken auswählen, die ohne Lichtfeld
auskommen.
2.1.2
Magnetfalle
Zum Speichern der Atome kommt nun die magnetische Falle zum Einsatz, welche
auf der Wechselwirkung eines magnetischen Dipolmoments mit einem inhomogenen Magnetfeld beruht.
Ein ungeladenes Objekt mit einem magnetischen Moment µ besitzt in einem
Magnetfeld B eine Energie E:
~
E = −~
µB
In einem inhomogenen Magnetfeld B(r) führt diese Wechselwirkung zu einer
Kraft, die je nach Orientierung des magnetischen Moments auf das Feldmaximum bzw. Feldminimum ausgerichtet ist. Bei Neutralatomen mit einem magnetischen Moment lässt sich diese Wechselwirkung zur Speicherung von Atomen
in geeigneten magnetischen Feldkonfigurationen nutzen. Dies ermöglicht es, eine
nahezu vollständige thermische Isolierung zwischen der Wand der Vakuumkammer und dem Ensemble kalter Atome herzustellen, ohne dass zusätzliche Lichtkräfte benötigt werden. Die Beschränkungen in der Dichte und Temperatur in
einer MOT durch das vorhandene Lichtfeld können somit elegant umgangen
werden.
Für einen Hyperfeinzustand F mit der magnetischen Quantenzahl mF ist die
Energie eines Atoms im Magnetfeld dann nur noch vom lokalen Betrag des ma-
2.1. EXPERIMENTELLE TECHNIKEN
15
gnetischen Feldes abhängig:
E(~r) = −gF mF µB B(~r)
wobei gF der Landé g-Faktor des Hyperfeinzustands F und µB das BohrscheMagneton ist. Zustände, bei denen das Produkt aus gF mF negativ ist, erniedrigen ihre Energie, je schwächer das vorhandene Magnetfeld ist. Sie können
deshalb in einem Minimum des magnetischen Feldes gefangen werden, während
Zustände, bei denen gF mF positiv ist, immer auf ein Magnetfeldmaximum zugetrieben werden. Da die Maxwellschen Gleichungen jedoch keine Magnetfelder
mit einem lokalen Maximum erlauben, können sich für diese Zustände keine
Fallenpotentiale verwirklichen lassen.
Jedes lokale Feldminimum könnte also zur Speicherung neutraler Atome dienen.
Im Experiment benutzt man ein harmonisches Potential, da es durch eine geeignete Spulenkonfiguration einfach zu erzeugen ist.
Eine übliche Magnetfalle möchte ich einmal im Folgenden vorstellen, es ist die
sogenannte Ioffe-Pritchard Magnetfalle. Der schematische Aufbau ist in Abbildung 2.5 zu sehen. Die Atomwolke befindet sich in einer Glasküvette, sym-
Abbildung 2.5: Aufbau einer Ioffe-Pritchard Magnetfalle, [4]
metrisch um diese Atomwolke verteilt befinden sich drei Spulenpaare (Pinch-,
Klammer- und Kompensationsspulen). Da die Kompensationspulen nicht entscheidend zum Speicherpotential beitragen (Offset-Feld) möchte ich im Folgenden nur die Funktion der Pinch- und Klammerspulen erläutern.
Wir erhalten also eine effektive Überlagerung von zwei statischen Magnetfeldern. Das zustande kommende Feld dieser beiden Spulenpaare ist in Abbildung
2.6 dargestellt.
Die Pinchspulen (linke Abbildung) sind für den axialen Einschluss in einer sog.
magnetischen Flasche verantwortlich. Als solche bezeichnet man das Feld, das
zwischen zwei koaxialen Spulen gleicher Stromrichtung entsteht, wenn deren
Abstand 2A größer als ihr Radius R ist. In diesem Fall entsteht in axialer Richtung bei z=0 ein Minimum, in dessen Umgebung der Feldverlauf harmonisch
ist.
16
KAPITEL 2. WIE STELLT MAN BEK HER?
Abbildung 2.6: Pinch- und Klammerspulen, [4]
Bewegt sich ein Atom auf eine der beiden Spulen zu, so sieht es ein anwachsendes
Magnetfeld und wird auf die Mitte zwischen den beiden Spulen zurückgetrieben.
Das für den radialen Einschluss verantwortliche Feld wird von vier geraden, parallelen Leitern mit alternierenden Stromrichtungen erzeugt, welche ein zweidimensionales Quadrupolfeld erzeugen. Aufgrund der Tatsache, dass der radiale
Einschluss weitaus stärker als der axiale ist, erhalten wir eine asymmetrische
Atomwolke mit einer zigarrenförmige Ausdehnung.
Durch Überlagerung dieser zwei statischen Magnetfeldern bekommen wir so ein
annähernd dreidimensionales harmonisches Potential.
2.1.3
Verdampfungskühlung
Nachdem wir nun die Atome in einer Magnetfalle gespeichert haben, kann die
letzte und entscheidende Kühltechnik angewandt werden, welche die Phasenraumdichte bis in den kritischen Bereich anwachsen lässt.
Diese Verdampfungskühlung geht auf Harald Hess zurück und das Prinzip wird
häufig am Beispiel einer Tasse heißen Kaffees erläutert:
Durch das Verdampfen überdurchschnittlich energiereicher Moleküle sinkt die
Temperatur der zurückbleibenden Flüssigkeit.
Effizienter ist dieser Prozess, wenn nun noch die Potentialhöhe schrittweise gesenkt werden könnte, so dass die energiereichsten Atome, welche sich bevorzugt
in den äußeren Bereichen der Atomfalle aufhalten, aus der Falle entkommen
könnten. Anschaulich kann dieser Prozess mit der Abbildung 2.7 erläutert werden.
Hier ist die Energieverteilung eines atomaren Gases dargestellt. Entfernt man
zunächst die hochenergetischen Teilchen aus der Boltzman-Verteilung jenseits
von Ecut , stellt sich anschließend durch Stöße das thermische Gleichgewicht bei
tieferen Temperaturen ein und der Maxwell-Schwanz regeneriert wieder. Daher
kann er in einem zweiten Schritt wieder entfernt werden. Eine wichtige Kenngröße der Verdampfungskühlung ist die elastische Stoßrate Γel , welche den Prozess in Gang hält, indem sie immer hochenergetische Teilchen nachliefert und
so dem zurückbleibendem Gas kinetische Energie entzieht.
√
Γel ∝ n T
Im Experiment erfolgt die Verdampfungskühlung in der Magnetfalle nicht schrittweise, sondern durch kontinuierliches Absenken der Energie Ecut , oberhalb derer
2.1. EXPERIMENTELLE TECHNIKEN
17
Abbildung 2.7: Energieverteilung eines atomaren Gases, [4]
die Teilchen entfernt werden (erzwungene Verdampfung). Es wird also der stetig
abnehmenden Temperatur des Gases Rechnung getragen.
Eine Methode, um die Potentialtiefe kontrolliert zu reduzieren, stellt die Radiofrequenzinduzierte Verdampfung dar.
Diese Methode beruht darauf, dass man die Zustände der energiereichen gefangenen Atome durch Radiowellen in magnetisch nichtfangbaren Zuständen
überführt.
Es wird ausgenutzt, dass in der Atomfalle mit der Zeeman-Aufspaltung auch
die Spinresonanzbedingung ortsabhängig ist.
~ωrf =
1
µB B(~r)
2
Da die schnellen Atome bevorzugt in den Außenbereichen der Falle aufhalten
kann man so energieselektiv Atome aus dem Gas entfernen.
Dies ist in der Abbildung 2.8 dargestellt. Hier ist der Unterzustand m=-1 der
gefangene Zustand und m=0,±1 die nichtfangbaren Zustände.
Durch Radiowellen mit geeigneter Resonanzfrequenz werden Atome aus den
Abbildung 2.8: Rf-induzierte Verdampfung, [5]
Außenbereichen der Wolke in magnetisch nichtfangbare Zustände überführt.
Anschaulich kann man dies als Abschälen der äußeren Schalen der Wolke inter-
18
KAPITEL 2. WIE STELLT MAN BEK HER?
pretieren.
Senkt man nun kontinuierlich die Radiofrequenz, so kann kontrolliert die Potentialhöhe reduziert werden.
Der große Nachteil dieser Methode ist der immense Teilchenverlust von bis zu
99%.
Trotzdem können wir mit dieser Methode die entscheidenden Größenordnungen
der Phasenraumdichte anwachsen lassen, so dass wir in Temperaturbereiche gelangen, in welche die Bose-Kondensation eintritt.
2.1.4
Abbildungsmethode
Nun haben wir endlich mit großem experimentellen Aufwand ein Bose-Kondensat
herstellen können, aber es stellt sich natürlich die Frage, wie man ein solches
Kondensat experimentell nachweisen bzw. wie man Eigenschaften wie Temperatur und Energie messen kann.
Eine Untersuchung mit Kontakt ist nicht sinnvoll, da sich das Kondensat sofort
aufheizen und zerstört werden würde.
Daher benutzt man zur Charakterisierung optische Methoden.
Hier ist z.B. die Absorptionsmethode zu nennen, dessen schematischer Versuchsaufbau in Abbildung 2.9 zu sehen ist.
Abbildung 2.9: Absorptionsabbildung, [1]
Diese Methode beruht auf die Abschwächung eines nahresonanten Laserstrahls
am BEK durch Absorption.
Wird eine nahresonante ebene Lichtwelle auf eine Wolke von Atomen gerichtet, so wird sie in zweierlei Hinsicht verändert. Durch inkohärente Rayleighund Ramanstreuung von Photonen wird die Welle geschwächt, und aufgrund
des Brechungsindex des atomaren Gases erfährt sie eine Phasenverschiebung.
Dem Laserstrahl wurde also ein räumlich abhängiges Schattenprofil aufgeprägt.
Dieses Schattenprofil I(x, y) wird auf eine CCD-Kamera abgebildet und aufgenommen. Kurz darauf wird ein Bild des Intensitätsprofils des Lasers I0 (x,
y) ohne die atomare Wolke aufgenommen. Aus dem Verhältnis dieser beiden
Bilder kann nach Logarithmierung direkt die optische Dichte O(x, y) ermittelt
werden. Man erhält so Aufnahmen , welche die ortsaufgelöste Dichteverteilung
des atomaren Gases darstellt.
Ein gefangenes Bose-Einstein-Kondensat besitzt typische resonante optische
Dichten von bis zu O=300, so daß nur der e−300 te Teil des Lichts transmittiert wird. Dies kann jedoch von keinem Detektor mehr nachgewiesen werden.
Verstimmt man den Nachweislaser von der Resonanz, um so die optische Dichte
zu verringern, so wirkt das Kondensat als Linse und man erhält starke Abbildungsfehler, die sich als Beugungsmuster um die atomare Wolke äußern und eine
quantitative Auswertung der Aufnahmen verhindern. Um dennoch Rückschlüsse
2.1. EXPERIMENTELLE TECHNIKEN
19
auf die Temperatur und die Anzahl der Atome zu ziehen, schaltet man das magnetische Fallenpotential nichtadiabatisch ab und lässt das atomare Gas ballistisch expandieren, bis die resonante optische Dichte auf O≈2 - 3 gesunken
ist. Im harmonischen Potential unterscheiden sich die Orts- und Geschwindigkeitsverteilung nur um ein Skalierungsfaktor, daher haben diese Flugzeitbilder
dieselben Informationen wie die direkten räumlichen Bildern. Die Flugzeittechnik dient quasi als Vergrößerungsglas.
Dann lassen sich aus der Größe der atomaren Wolke nach einer bekannten Expansionszeit die Temperatur und aus der integralen Absorption die Anzahl der
Atome bestimmen. An diese gemessenen Flächendichten werden 2-dimensionale
numerische Anpassungen von Modellfunktionen der atomaren Flächendichte
vorgenommen.
So erhält man alle gewünschten thermodynamischen Eigenschaften des bosekondensierten Systems.
Der Nachteil dieser Methode ist, dass diese destruktiv ist, da sie auf inkohärente
Streuung beruht. Das Kondensat hitzt sich durch Absorption auf, so dass es
zerstört wird.
Eine nicht destruktive Methode ist die Phasenkontrastabbildungsmethode, welche die Phasenverschiebung eines weit verstimmten Laserlichts am BEK ausnutzt. Sie beruht daher auf kohärente Streuung, so dass das Kondensat nach
einer Aufnahme nicht zerstört wird und es ist dadurch möglich Live-Bilder vom
Kondensat aufzunehmen.
20
KAPITEL 2. WIE STELLT MAN BEK HER?
Kapitel 3
Was macht man nun mit
BEK?
Im letzten Teil dieses Skriptes möchte ich kurz auf die Frage eingehen, was man
nun mit einem Bose-Kondensat machen kann.
In diesem Zusammenhang werde ich die Materiewelleninterferenz und den Atomlaser erläutern.
3.1
Materiewelleninterferenz
Mit diesem Experiment wird die Frage beantwortet, ob zwei Kondensate eine
wohldefinierte Phase zueinander haben.
In einem Doppelmuldenpotential werden zwei Kondensate erzeugt, anschließend
wird die Falle nichtadiabatisch abgeschaltet. Nach dem Ausschalten der Falle
fallen die Kondensate aufgrund der Gravitation nach unten, dehnen sich ballistisch (wegen interatomare Wechselwirkung und Nullpunktsbewegung) aus und
überlappen. In der Überlappzone lässt sich ein Interferenzmuster mit hohem
Kontrast beobachten, indem man ein Absorptionsbild mit einem vertikalen Laserstrahl aufnimmt. Ein solches Interferenzmuster ist in Abb. 3.1 zu sehen. Man
Abbildung 3.1: Materiewelleninterferenz, [1]
erkennt ein Interferenzmuster analog zum Doppelspaltexperiment. Die Periode
dieser Modulation ergibt sich aus der de Broglie-Wellenlänge und beträgt in
21
22
KAPITEL 3. WAS MACHT MAN NUN MIT BEK?
diesem Fall 15µm. Dies ist eine gigantische Zahl, wenn man bedenkt, dass die
Materiewellenlänge eines Atoms bei Zimmertemperatur einen Wert um 0.05nm
besitzt.
Hier wird nochmal deutlich, warum der Wellenaspekt bei Teilchen erst bei ultrakalten Temperaturen in Erscheinung tritt.
3.2
Atomlaser
Wir haben nun mit dem Interferenz-Experiment bewiesen, dass ein Bose-Kondensat
eine makroskopische phasenkohärente Materiewelle darstellt. Diese Tatsache
kann man nun nutzen, um analog zum optischen Laserstrahl einen phasenkohärenten propagierenden Atomstrahl zu erzeugen mit welchem man die Bewegung der Atome kontrolliert beeinflussen kann.
Hierzu müssen wir die Atome des Kondensats in der Magnetfalle in magnetisch
nichtfangbare Zustände überführen und dies geschieht wieder durch das Einstrahlen von Radiowellen geeigneter Resonanzfrequenz.
Ein Falschfarben-Absorptionsbild eines kontinuierlichen Atomstrahls ist in Abbildung 3.2 dargestellt, welches am Max-Planck Institut für Quantenoptik in
Garching aufgenommen wurde.
Im oberen Abschnitt erkennt man das gefangene Kondensat (rot=höchste Teil-
Abbildung 3.2: Atomlaser, [5]
chendichte) in den fangbaren Zuständen m=1,2.
Diese Atome werden nun durch Radiowellen geeigneter Frequenz an die nichtfangbaren Eigenzuständen des Gravitationspotentials (m=0) gekoppelt, so dass
sie aus dem Kondensat entkommen und frei propagieren können.
Anschaulich bohrt man ein Loch in das Kondensat durch welches die Atome
hinausfallen und dann durch das Schwerefeld beschleunigt werden.
3.3. AUSBLICK
3.3
23
Ausblick
Wir haben also ein System kennengelernt, mit welchem man quantenmechanische Effekte makroskopisch beobachten kann. Dies stellt die einmalige Möglichkeit
dar, die Quantenmechanik makroskopisch experimentell zu bestätigen; auch
können mit diesem fast idealen System grundlegende Fragen der Festkörperphysik
erforscht werden.
Noch ist nicht sicher was noch alles entdeckt und später einmal zur Anwendung
kommen wird. Vermutlich wird auch einmal der Atomlaser für Anwendungen
benutzt werden, an welche heute keiner denkt analog zum Laser vor 50 Jahren.
So sind neue Materiewellen-Interferometer vorstellbar, deren Messgenauigkeit
die bisheriger Interferometer um Größenordnungen übertreffen können. Damit
lassen sich u. a. neue Dimensionen in der Präzision der Vermessung der Erdbeschleunigung erwarten, die für unsere Erkenntnis über den Aufbau der Erde eine
zentrale Rolle spielt. Aber auch kleinste Rotationsbewegungen können durch solche Interferometer wesentlich genauer bestimmt werden, als dies bislang möglich
ist, und eine Schlüsselfunktion in Navigationssystemen übernehmen.
24
KAPITEL 3. WAS MACHT MAN NUN MIT BEK?
Literaturverzeichnis
[1] A. Görlitz, Spezialvorlesung: ” Bose-Einstein Kondensation”, Universität
Stuttgart, 2002
[2] J. Harting, Diplomarbeit: ” BEK in magnetischen und optischen Fallen”,
Universität Oldenburg, 1999
[3] C. Wieman, ” Laser Cooling and Trapping”, Boulder
[4] J. Schuster, Dissertation: ” Stoßlawinen in einem BEK”, Universität Konstanz, 2002
[5] I. Bloch, Dissertation: ” Atomlaser und Phasenkohärenz atomarer BEKs”,
Max-Planck Institut, Garching, 2001
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