FH Münster FB 01 CRPT-Labor Chemische Reaktion im homogen-instationären Reaktor (diskontinuierlicher Rührkessel) Praktikum CRPT Versuch 1 Seite 1 1 Ziel des Versuches Am Beispiel der Verseifung von Ethylacetat mit Natronlauge in einem diskontinuierlich betriebenen Rührreaktor sollen reakionskinetische Größen ermittelt werden. Aus den gemessenen Leitfähigkeiten ist folgendes zu ermitteln: • • • • • • der Konzentrationsverlauf der Essigsäure als f(t) die Äquivalentreaktionsgeschwindigkeit als f(t) der Umsatz der Essigsäure als f(t) die Reaktionsgeschwindigkeitkonstante die Reaktionsordnung der maximale Umsatz ci r Xi k m Xmax Mit dem Ergebnis für k aus dem Experiment und der Annahme, dass die Reaktion bezüglich jeder der Reaktanden erster Ordnung sei sind folgende Aufgaben zu lösen: 1. Berechnung der erforderlichen Reaktionszeit und des Reaktorvolumens eines Rührbehälters für folgende Bedingungen: c10 = c20 = Produktionshöhe = t/a Umsatzgrad des Esters = 95 % Rüstzeit pro Charge = Selektivität = 1 2. Optimaler Umsatz und Reaktorvolumen bei Rüstzeit pro Charge = Konzentrationen wie bei Aufgabe 1. 2 Theoretische Grundlagen Viele chemische Reaktionen werden aus wirtschaftlichen oder verfahrenstechnischen Gründen in diskontinuierlicher Arbeitsweise durchgeführt (chargenweise Satzbetrieb, Batchbetrieb).Ein in der Praxis häufig benutzter Reaktortyp ist der diskontinuierlich betriebene Rührbehälter oder -kessel. Der Reaktor wird zu Beginn mit den Reaktanden und den notwendigen Begleitstoffen gefüllt, auf die weiterhin konstant zu haltende Temperatur gebracht und durch intensives Rühren homogenisiert. FH Münster FB 01 CRPT-Labor Chemische Reaktion im homogen-instationären Reaktor (diskontinuierlicher Rührkessel) Praktikum CRPT Versuch 1 Seite 2 Hat der Umsatz einen bestimmten Grad erreicht, wird das Gemisch aus dem Kessel entfernt und steht für weitere Verfahrensschritte zur Verfügung. Die Ermittlung optimaler Bedingungen für Konstruktion und Betrieb von Reaktoren setzt die Kenntnis der Beziehung zwischen z.B. Umsatz, Reaktionsgeschwindigkeit, Reaktionsordnung, Geschwindigkeitskonstante und Temperatur voraus. Für den einfachen Fall einer • volumenkonstanten Reaktion • homogenen Reaktion und unter der Annahme idealer Bedingungen • Temperatur bleibt während der Reaktion konstant • ideale Durchmischung • kein Konzentrations- oder Temperaturgradient folgt, dass die Zusammensetzung der Reaktionsmasse und damit die Reaktionsgeschwindigkeit zu einem gegebenen Zeitpunkt in jedem Volumenelement des Kessels gleich ist, sich jedoch zeitlich (also während der Reaktionszeit) ändert. 2.1 Konzentrationsbestimmung Zur Konzentrationsbestimmung bedient man sich der Leitfähigkeitsmessung, da sie schnell genaue Ergebnisse liefert und sich in der Praxis bewährt hat. Im Fall der Verseifung des Ethylacetats mit Natronlauge erfolgt die Umsetzung nach der Reaktionsgleichung Na+ + CH3COOC2H5 + OH- = CH3COO- + C2H5OH + Na+ Die elektrische Leitfähigkeit der Reaktionsmasse wird allein durch die Ionen bestimmt. Die Leitfähigkeit des Wassers ist vernachlässigbar. Nach dem Gesetz von Kohlrausch gilt dann, dass sich die Leitfähigkeit κ additiv aus den Produkten von Ionenbeweglichkeit u mit Ionenkonzentrationen c zusammensetzt: κ (t) = uNa · cNa + uOH · cOH + uAc · cAc ui = Ionenbeweglichkeit der Komponente i ci = Ionenkonzentration der Komponente i (1) Für die zu Beginn der Reaktion allein vorliegende Natronlauge gilt: κ (t = 0) = uNa · cNa + uOH · cOH 0 cOH 0 = OH--Konzentration bei t = 0 (2) FH Münster FB 01 CRPT-Labor Chemische Reaktion im homogen-instationären Reaktor (diskontinuierlicher Rührkessel) Praktikum CRPT Versuch 1 Seite 3 Die Leitfähigkeit der Reaktionsmasse unterliegt also einer Zeitabhängigkeit, die durch das Fortschreiten der Reaktion und der damit verbundenen Änderung der Ionenkonzentrationen bedingt ist. Weil für die Bildung eines Acetations stets ein Hydroxylion verbraucht wird, gilt: cOH = cOH 0 - cAc (3) Aus (2) - (1) folgt dann mit (3): κ (t) - κ (t = 0) = cAc · (uOH - uAc) (4) oder: c Ac = κ (t = 0) - κ (t) u OH − u Ac (4a) Für uOH - uAc gilt mit hinreichender Genauigkeit: uOH - uAc = 0,135 + 0,0021 · (T - 291) (5) Die OH--Konzentration cOH zum Zeitpunkt t bestimmt sich also zu: c OH = c OH 0 − κ (t = 0) − κ (t) 0,135 + 0,0021⋅ ( T − 291) (6) - Die OH -Konzentration cOH 0 zum Zeitpunkt t = 0 berechnet sich mit der Gleichung: cOH 0 = 1000 * κ (t = 0) 198 + 3,7 ⋅ (T − 291) (7) Durch Verwendung der Gleichung (7) wird also die Start-Konzentration berechnet, mit diesem Wert und der Gleichung (6) ist es dann möglich für jede der gemessenen Leitfähigkeiten die OH -Konzentration zu bestimmen. Nach Umstellung der Gleichung (3) kann dann die Acetat-Konzentration für jeden Messwert bestimmt werden. FH Münster FB 01 CRPT-Labor 2.2 Chemische Reaktion im homogen-instationären Reaktor (diskontinuierlicher Rührkessel) Praktikum CRPT Versuch 1 Seite 4 Theorie der Reaktionskinetik Der vorliegende Abschnitt befasst sich mit der Messung der Bruttogeschwindigkeit einer chemischen Reaktion (Makrokinetik), in der sowohl die Kinetik der beteiligten Elementarreaktionen (Mikrokinetik) als auch die Einflüsse von Stoff- und Energietransportprozessen zusammengefasst sind. Die Reaktionsgeschwindigkeit (RG) für homogene Reaktionen bei konstantem Volumen ist gegeben durch ri = 1 dci ⋅ νi dt bzw. ri = dci dt kmol/(m3⋅s) (8) Prinzipiell kann man bei der Messung (und Auswertung) von Reaktionsgeschwindigkeiten auf zwei Wegen vorgehen: 1. Man approximiert in Gleichung (8) den Differentialquotienten durch einen Differenzenquotienten ∆ci / ∆t oder entnimmt die Reaktionsgeschwindigkeiten aus dem Konzentration- Zeit-Diagramm als Tangente an die Kurve ci = f (t) (Differentialmethode). Bis zu welchen Werten von ∆ci bzw. ∆t man die Approximation ∆c i rj ≈ ∆t (9) gelten lassen will, hängt von den jeweiligen Genauigkeitsanforderungen an ri und von der Messgenauigkeit ab. Für die Anwendung der Differentialmethode auf die Anfangs-RG gilt als Faustregel, dass der Umsatzgrad 10 % nicht überschreiten sollte. 2. Man misst die Konzentration als Integral der RG t c i ( t) = ∫ ri dt (10) 0 und verzichtet darauf, die Reaktionsgeschwindigkeit selbst zu ermitteln (Integralmethode).In jedem Fall erfordert die experimentelle Erfassung der Reaktionskinetik genaue Konzentrations- und Zeitmessungen (bzw. Durchsatzmessungen bei kontinuierlich geführten Reaktionen). Bei einfachen Reaktionen genügt die Messung der Konzentration einer Komponente, bei komplexen Reaktionen müssen mindestens so viele Konzentrationen (bzw. Reaktionslaufzahlen) verfolgt werden, wie linear unabhängige stöchiometrische Gleichungen vorliegen → Schlüsselkomponenten. Außer der Reaktionsgeschwindigkeit müssen noch die Reaktionsbedingungen, wie z.B. Temperatur, Druck, Anfangskonzentrationen, Katalysatorkonzentration, Rührgeschwindigkeit etc. erfasst werden. Diese Reaktionsbedingungen sind neben FH Münster FB 01 CRPT-Labor Chemische Reaktion im homogen-instationären Reaktor (diskontinuierlicher Rührkessel) Praktikum CRPT Versuch 1 Seite 5 der Zeit die sog. Einflussgrössen oder unabhängigen Variablen. Die abhängige Variable oder Anwortgrösse ist bei der Differentialmethode die RG, bei der Integralmethode die Konzentration bzw. der Umsatzgrad. 2.3 Auswertung reaktionstechnischer Messungen Einfache Reaktionen In diesem Abschnitt werden nur stöchiometrisch einfache irreversible Reaktionen des allgemeinen Typs ν1·A1 + ν2·A2 + ... + νi·Ai + ... + νN AN → Produkte (11) behandelt, deren Reaktionsgeschwindigkeit (RG) sich nach einem Potenzansatz der Form 1 dc ri = ⋅ i = k ⋅ c1m νi dt m−1 m3 k in kmol ⋅ s−1 (12) beschreiben lässt, wobei k die RG-Konstante für die Gesamtordnung m= N ∑m i =1 (13) i ist, und die ganzen oder gebrochenen rationalen Zahlen mi die Ordnungen bezüglich der Ausgangsstoffe Ai bedeuten. Die Aufstellung des Zeitgesetzes (Gl. 12) nach klassischen Methoden erfolgt in drei Schritten 1. 2. 3. Ermittlung der Reaktionsordnung m bzw. der mi Ermittlung der RG-Konstanten k Ermittlung der Temperaturabhängigkeit der RG-Konstanten nach der Arrheniusgleichung k = k0 ⋅ e − E RT (14) mit dem sog. Stoßfaktor k0 und der Aktivierungsenergie E [kJ/kmol]. Voraussetzung für die Punkte 1 und 2 sind isotherme Messungen. Auf die Ermittlung der Temperaturabhängigkeit der RG-Konstanten wird hier nicht weiter eingegangen (siehe Versuch 2). FH Münster FB 01 CRPT-Labor 2.4 Chemische Reaktion im homogen-instationären Reaktor (diskontinuierlicher Rührkessel) Praktikum CRPT Versuch 1 Seite 6 Ermittlung der Reaktionsordnungen und der Geschwindigkeitskonstanten Differentialmethoden Hierunter fallen alle Methoden, die die Reaktionsgeschwindigkeit (nicht Konzentration oder Umsatz(grad) eines Reaktanden) auswerten. Trägt man die Konzentration eines Reaktanden gegen die Zeit auf, so erhält man die Reaktionsgeschwindigkeit als Tangente an diese Kurve. Die Auswertung lässt sich am besten am Beispiel einer Reaktion ν1 A 1 → Produkte, k r= 1 dc i ⋅ = k ⋅ c 1m νi dt (15) zeigen (s. Abb. 1 und 2). log r c Steigung entspricht m c10 c11 arctan m c12 log k t1 rt1 = t2 t log c 1 1 dc11 ⋅ ν1 dt1 Abb.1 Abb. 2 Eine Tangentenbildung zu verschiedenen Zeiten ergibt mehrere Wertepaare (rt1, c11; rt2, c12 usw.). Bei Gültigkeit des Zeitgesetzes (15) muss eine Auftragung von log r gegen log c1 eine Gerade mit der Steigung m und Achsenabschnitt log k ergeben, denn aus (15) resultiert: log r = log k + m ⋅ log c 1 (16) Bei Reaktionen des Typs Gl. (11) lässt sich die Methode nur in Sonderfällen anwenden, da sich ja alle m Konzentrationen gleichzeitig ändern. Diese Sonderfälle sind: FH Münster FB 01 CRPT-Labor 1. Chemische Reaktion im homogen-instationären Reaktor (diskontinuierlicher Rührkessel) Praktikum CRPT Versuch 1 Seite 7 Die Konzentration eines Ausgangsstoffes (z. B. Ak) ist im Vergleich zu den N - 1 übrigen so klein, dass deren Konzentrationen als konstant angesehen werden und mit der RG-Konstante zusammengefasst werden können (Überschussmethode): r= k −1 N 1 dc k = k ⋅ ∏ c mi i ⋅ ∏ c mi i c mk k νk dt i=1 i=k +1 (17) r = k′ ⋅ c mk k Man erhält die Ordnung bezüglich Ak. (Vorsicht! Möglicherweise gilt bei hohen Konzentrationen anderes Zeitgesetz als bei niedrigen!) 2. Die Ausgangsstoffe werden im stöchiometrischen Verhältnis eingesetzt (wie hier in der Versuchsdurchführung): c1 c 2 c 3 = = ν1 ν2 ν3 (18) Gleichung (12) geht über in N 1 dc 1 r= = k ⋅∏ ν1 dt i=1 νi ω c1 ν1 mi = k ′ ⋅ c 1m (19) Man erhält die Gesamtordnung der Reaktion. Um eventuelle Einflüsse der Reaktionsprodukte auf die Reaktionsgeschwindigkeit auszuschalten und um die Konzentration sämtlicher Ausgangsstoffe in weiten Grenzen unabhängig voneinander variieren zu können, wendet man die Methode der Anfangsgeschwindigkeiten an: Man misst nur die Anfangsgeschwindigkeit der Reaktion und variiert von Versuch zu Versuch die Anfangskonzentration einer Komponente, während man die aller anderen konstant lässt. In Analogie zu Gleichung (17) kann man dann schreiben 1 ∆ck νk ∆t t=0 ≈ r0 = k′ ⋅ ck m0 k log r0 = log k′ + mk log ck 0 bzw. (20) (21) Trägt man also log r gegen log ck0 auf, so erhält man bei Gültigkeit des 0 Zeitgesetzes (20) eine Gerade. Ergibt die Auftragung keine Gerade, so ist dies ein sicherer Hinweis auf eine komplexe Reaktion. Zeitgesetze, die nach der Methode der FH Münster FB 01 CRPT-Labor Chemische Reaktion im homogen-instationären Reaktor (diskontinuierlicher Rührkessel) Praktikum CRPT Versuch 1 Seite 8 Anfangsgeschwindigkeiten ermittelt werden, müssen auf jeden Fall durch Integration und Vergleich mit integralen Messungen überprüft werden. Da in der Praxis nur selten ganzzahlige Reaktionsordnungen auftreten, kommen in der Versuchsauswertung meist nur differentielle Methoden zur Bestimmung der gesuchten Größen zur Anwendung. 3 Versuchsaufbau Ab.3: Versuchsaufbau Der Versuchsaufbau besteht aus einem 2 l fassenden Doppelwandreaktor mit Propellerrührer. Die Temperatur des Reaktors lässt sich durch ein Thermostat mit Umwälzkreislauf einstellen. Die Leitfähigkeitsmesszelle wird durch eine Öffnung im Deckel des Reaktors mit den Reaktanden in Kontakt gebracht. Die Reaktanden werden über einen Trichter in den Reaktor eingefüllt, am Boden des Gefäßes befindet sich ein Ablassventil. 4 Versuchsdurchführung 50 ml Natronlauge (0,08 mol/l) werden mit 50 ml dest. Wasser in einem Erlenmeyerkolben auf Versuchstemperatur gebracht. Die Leitfähigkeit wird gemessen und als κ (t = 0) notiert. FH Münster FB 01 CRPT-Labor Chemische Reaktion im homogen-instationären Reaktor (diskontinuierlicher Rührkessel) Praktikum CRPT Versuch 1 Seite 9 1000 ml Natronlauge (0,08 mol/l) werden angerührt (3,2 g NaOH in 1000 ml Wasser) und im Wasserbad temperiert.1000 ml Ethylacetat (0,08mol/l) werden zubereitet (7,0 g Ethylacetat in 1000 ml Wasser) und in das Reaktionsgefäß gegeben, wo sie bei eingeschaltetem Rührwerk temperiert werden. Die 1000 ml Natronlauge werden möglichst in einem Zuge in das Reaktionsgefäß gegeben. Daraufhin ist unverzüglich mit den Leitfähigkeitsmessungen zu beginnen und in einem Intervall von einer Minute fortzuführen. Mit der Leitfähigkeitsmessung ist fortzufahren, bis sich ein konstanter Messwert einstellt (erfahrungsgemäß nach 30 bis 40 min.). Die Versuchsapparatur wird nach Ablassen des Reaktionsgemischs mit dest. Wasser ausgespült. 5 Auswertung - Anhand der Leitfähigkeit der 0,04 n Natronlauge wird mit der Gleichung (7) die OH Konzentration cOH0 für t = 0 bestimmt. Mit der Gleichung (6) ist es dann möglich die OH--Konzentration cOH für jede gemessene Leitfähigkeit zu bestimmen. Nach Umstellung wird dann mit Gleichung (3) die Konzentration der Acetationen cAC berechnet. Die übrigen Spalten der Tabelle sind gemäß der in 2.2 gegebenen Gleichungen zu berechnen. Mit der Methode der Linearen Regression können dann die unter 1 genannten Größen ermittelt werden. Die Lösung der gestellten Aufgaben ist mit den hier genannten Gleichungen unter Zuhilfenahme der Formelsammlung zur Vorlesung möglich. Die gefundenen Ergebnisse sind nach erfolgter Berechnung auch in Hinblick auf mögliche Fehlerquellen ausführlich zu diskutieren. Tab.1.: Beispiel für die tabellarische Messdatenerfassung und –auswertung Zeit cAC cOH UOH r κ in min in mS/cm in mol/l in mol/l ln r