Schuld und Trauer - das life-cycle

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Schuld und Trauer wenn das Leben der Seele Wunden schlägt
Vortrag
beim Pastoraltag
der Seelsorgeregion Hochstift Paderborn
am 24.02.1999
Themeneingrenzung
Werden und Vergehen, Abschiednehmen und Neubeginn sind
wesentliche Erfahrungen im menschlichen Leben.
Trauerprozesse gibt es nicht nur bei Verlust durch Tod, sondern
auch bei anderen Abschieden im menschlichen Lebenszyklus, z.B.:
€
Ablösung der Kinder von Eltern und umgekehrt,
€
Auseinanderbrechen von Freundschaften,
€
Trennung,
€
Scheidung,
€
Verlust des Arbeitsplatzes,
€
Ausscheiden aus dem Berufsleben,
€
berufliche Mißerfolge,
€
Erleben von Krankheit und Altern und den damit verbundenen
Einschränkungen,
€
etc.
Focus:
speziell:
Trauer bei Verlust nach Tod
Zusammenhang von Schuld und Trauer
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Trauerphasen
(nach Yorick Spiegel, Der Prozeß des Trauerns. München. 4 1981. S. 55 – 77)
Grundsätzlich:
Dauer und Intensität des Trauerprozesses sind von individuellen, situativen und
gesellschaftlichen Faktoren abhängig!
I.
Phase des Schocks:
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€
€
II.
Kontrollierte Phase:
€
€
III.
Tage bis zur Beerdigung
Aktivitäten rund um die Beerdigung kontrollieren Schmerz und Trauer
Regressive Phase = die kritischte Phase im Trauerprozeß:
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€
IV.
Wenige Stunden bis einige Tage
Nicht-wahr-haben-wollen des Verlustes
Gefühlsblockaden und Gefühlsausbrüche
Monate oder Jahre
Kontrolle bricht zusammen
Gefühlschaos bricht aus:
Trauer, Wut, Zorn, Angst, Schmerz, Haß,
Weinen, Klagen, Schreien,
Schuldgefühle,
Gefühl, verrückt zu werden,
Suizidgedanken,
Schlaflosigkeit
Anklage gegen Gott und/oder das ungerechte Schicksal,
Starre, Bewegungslosigkeit, Apathie.
Adaptive Phase:
€
€
€
Schrittweise wird der Verlust akzeptiert,
Entwicklung neuer Verhaltens- und Lebensmuster,
Entwicklung neuer Lebensperspektiven.
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Gründe, welche die volle Expression der Trauer zeitweilig verzögern
oder gänzlich unterbinden können:
(nach Spiegel, Y. Der Prozeß des Trauern, S. 79 – 86)
€
Widerstand gegen die Regression aus Angst, im Meer der Gefühle unterzugehen,
€
physische und psychische Vorerkrankungen des Hinterbliebenen,
€
unentwickelte Fähigkeit zu trauern,
€
Abfolge von Verlusten,
€
äußere Umstände wie z.B. Krieg, Naturkatastrophen etc. zwingen die
Hinterbliebenen, ihr eigenes Überleben zu sichern,
€
Zweifel an der Realität des Todes (z.B. Vermißtenschicksale, Nicht-Abschiednehmen-können von den Toten),
€
ambivalente Haltung gegenüber dem Verstorbenen (z.B. Haß-Liebe zu einem
Elternteil lähmt den Ausdruck der Trauer),
€
gesellschaftliche und religiöse Normen, die dem Trauernden Selbstkontrolle
auferlegen: Besteht nicht gerade im christlichen Glauben und in den
Gottesdiensten die Gefahr, zu schnell die sichere Hoffnung in Jesus Christus zu
betonen und Trauer zu überspringen?
€
Tod durch Suizid (Tabuisierung, Schuldgefühle)
€
Tod als letzte von mehreren vorausgegangenen Krisen (z.B. Herzinfarkt –
Pensionierung – Tod),
€
Verlust eines Kindes,
€
der Verstorbene war einziger Bezugspartner und der Hinterbliebene besonders
stark von ihm abhängig,
€
plötzlicher, unerwarteter, gewaltsamer Tod (z.B. Autounfall, Mord),
€
vorausgegangenes langes Siechtum und langsames Sterben (Angst genauso
qualvoll sterben zu müssen; Ambivalenz zwischen Lebenserhaltung und Tod als
Erlösung während der Pflegen hinterläßt oft Schuldgefühle bei den
Hinterbliebenen)
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Trauerarbeit
(nach Spiegel, Y. Der Prozeß des Trauerns. S. 86 –89)
Der Trauernde muss eine Reihe von Aufgaben lösen:
€ Auslösung der Trauer,
€ Strukturierung des emotionalen Chaos,
€ Anerkennung der Realität des Todes,
€ Ausdrücken widersprüchlicher und als unakzeptabel gewerteten
Gefühlen,
€ Bewertung des Verlusts (Ist ‚Ersatz‘ möglich?),
€ Gewinnung einer realistischen Sicht des Toten und der
Beziehung zu ihm,
€ Neuorientierung.
€
Entscheidung zum Leben
Wird die Trauer nicht ausgelebt, kann es zu schweren psychischen
und psychosomatischen Erkrankungen kommen!
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Phänomen: Schuldgefühle im Trauerprozess
Schuldgefühle im Sinne von Selbstbeschuldigung und Schuldverschiebung auf andere sind im Normalfall vorübergehende Erscheinungen im Trauerverlauf.
Schuldgefühle treten häufiger auf:
€ wenn eine psychische Disposition des Hinterbliebenen schon vor dem
Todesfall vorhanden war,
€ wenn die Beziehung zum Verstorbenen von stark widersprüchlichen
Gefühlen geprägt war,
€ wenn der Tote durch Suizid starb,
€ wenn die Trauer bei langer Pflege des Verstorbenen sozusagen
schon vorweggenommen worden ist (hilfloses Aushaltenmüssen des
Leidens steht in Spannung zu dem Wunsch nach dem Tod als
Erlösung).
€ Schuldgefühle können den Trauerprozess stark behindern (siehe
Schaubild S. 7)
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H
H
H
H
S
S
S
S
V
Last der Schuld drückt
€
H übernimmt die volle
Verantwortung für den Tod
des Partners
€
keine reale Sicht des V und
der Beziehung zu ihm
€
Schutz vor noch
unangenehmen Gefühlen
dem V gegenüber
€
Ich übernehme die
Verantwortung für mich
mein Denken, Fühlen,
Handeln, meine Fehler
€
Ich sehe Dich und meine
Beziehung zu Dir mit den
positiven und negativen
Aspekten.
€ Ich lasse Dich los und
gehe meinen Weg.
V
V
V
H
V
Legende:
€
H = Hinterbliebener, V = Verstorbener, S = Schuldgefühl
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Zum Umgang mit Schuldgefühlen im
Trauerprozess:
€ Beichte ist nicht das Allheilmittel für Schuldgefühle im
Trauerprozess,
€ geduldige Begleitung und einfühlsames nicht-wertendes Zuhören
schaffen Erleichterung,
€ Ermöglichung einer ‚klaren Sicht‘ auf den Verstorbenen, die
Todesumstände, die Beziehung zum Verstorbenen,
€ Hinzuziehung von Fachleuten bei chronifizierten Schuldgefühlen.
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Fähigkeiten eines/er Begleiters/in
Wenn Sie Trauernde begleiten wollen, dann sollten Sie ...
€ gut zuhören können,
€ sich über eigene Trauererfahrung Gedanken gemacht haben,
€ überlegen, ob Sie sich diese Aufgabe wirklich zumuten wollen,
€ verschwiegen sein,
€ selbst Menschen haben, bei denen Sie sich entlasten können,
€ phantasievoll mit Herz und Verstand trösten können,
€ sich bewusst sein, daß der Weg und die Dauer der Begleitung vom
Trauernden bestimmt werden,
€ wissen, dass die Teilnahme an Seminaren und Kursen zu diesem
Thema hilfreich sein kann.
Quelle: Trauernde begleiten (Hrsg. HA Pastorale Dienste des EGV Pb, S.38), Autorin:
Annette Rieger, Paderborn
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Was kann Trauernden helfen?
€ persönlich Kontakt suchen, Kontakte nicht abbrechen lassen,
€ Zuhören, auch wenn immer wieder dieselben Geschichten erzählt
werden,
€ emotionale Ausbrüche (Weinen, Schreien, Wut) aushalten können,
€ Mitweinen und die eigene Wort- und Hilflosigkeit nicht als Schwäche
erleben,
€ dem Trauernden Zeit lassen,
€ den Schmerz des Trauernden achten und aushalten können,
€ zu Gesprächen über den Verstorbenen ermutigen,
€ Hilfe in jeder Form anbieten und mit Ablehnung leben können,
€ scheinbare „Rückschläge“ auf dem Trauerweg ohne Drängen und
Vorwürfe ertragen können.
Quelle: Trauernde begleiten (Hrsg. HA Pastorale Dienste des EGV Pb, S.38),
Autorin: Annette Rieger, Paderborn
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Was behindert Trauernde?
€ Leere Floskeln,
€ Versuche, von der Trauer abzulenken,
€ dem Thema oder gar dem Trauernden auszuweichen,
€ das Ausmaß oder die Form der Trauer zu bewerten,
€ Vertröstung auf eine bessere Zukunft,
€ verallgemeinernde religiöse Tröstungen,
€ zuviel über Trauererfahrungen anderer zu sprechen,
€ ihm alles abzunehmen und ihn zu „schonen“,
€ Ratschläge, sich zusammenzureißen und die Trauer endlich
abzulegen.
Quelle: Trauernde begleiten (Hrsg. HA Pastorale Dienste des EGV Pb, S.38),
Autorin: Annette Rieger, Paderborn
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