Hypnose beim Reizdarmsyndrom

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PD Dr. med. Winfried Häuser
Innere Medizin I - Psychosomatik
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E-Mail: whaeuser@klinikum-saarbruecken
Hypnose beim
Reizdarmsyndrom
Störungsbild, Indikationen, Kontraindikationen, Wirkung
Aus: Häuser W: Hypnose beim Reizdarm. In: Revenstorf D, Peter B (Hrsg.): Hypnose in
Psychotherapie, Psychosomatik und Medizin. Springer Verlag (2008) 555-568
Inhalt:
1. Störungsbild ...................................................................................................................... 2
1.1 Häufigkeit und Schweregrad ....................................................................................... 2
1.2 Ursachen des RDS ....................................................................................................... 3
2. Hypnotherapeutische Interventionen ................................................................................ 5
2.1 Sitzung 1 bis 2 .............................................................................................................. 5
2.2 Sitzung 3 bis1 2 ............................................................................................................ 5
2.3 Eigenes Vorgehen ........................................................................................................ 6
2.4 Hausaufgaben ............................................................................................................... 6
2.5 Fallbeispiel .................................................................................................................... 7
3. Indikationen und Kontraindikation ..................................................................................... 9
4. Integration mit anderen Verfahren .................................................................................. 10
4.1 Empirische Belege: .....................................................................................................11
5. Wirkungsweise von Hypnotherapie beim RDS ............................................................... 12
6. Zusammenfassung ......................................................................................................... 12
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1. Störungsbild
Definition: Bei etwa 50% der Menschen, die sich wegen bauchbezogener Beschwerden (z. B.
Schmerzen, Stuhlunregelmäßigkeiten, Völlegefühl) bei einem niedergelassenen Arzt vorstellen,
kann mit den Mitteln der klinischen Routinediagnostik keine die Beschwerden erklärende
Organschädigung (z. B. Entzündung oder Krebs) nachgewiesen werden. Diese Beschwerden
werden als funktionelle gastrointestinale Störungen bezeichnet (Drossmann et al. 1992). Die
häufigsten funktionellen gastrointestinalen Störungen sind das Reizdarmsyndrom RDS (Synonyme:
Colon irritabile, irritables Darmsyndrom, spastisches Colon, englisch Irritable Bowel Syndrome -IBS)
(ICD 10 K 58) und das Reizmagensyndrom (Funktionelle Dyspepsie) (ICD 10 K 30). Diese
Syndrome werden durch einen charakteristischen Komplex und eine Mindestdauer der
Beschwerden sowie das Fehlen von die Beschwerden erklärenden Magen-Darmerkrankungen
(Entzündungen, Krebs) bzw. biochemischer Anomalien definiert. Die aktuelle Definition des
Reizdarmsyndroms durch ein internationales Expertenkomitee (Longstreth et al. 2006) sind:
Wiederkehrende bauchbezogene Schmerzen oder Missempfindungen an mindestens 3 Tagen im
Monat in den letzten 3 Monaten einhergehend mit mindestens 2 der folgenden Symptome:
1. Nachlassen der Beschwerden nach dem Stuhlgang
2. Einsetzen der Beschwerden mit einer Veränderung der Stuhlfrequenz
3. Einsetzen der Beschwerden mit einer Änderung der Stuhlform
In Abhängigkeit von den Hauptsymptomen können eine durchfall- und eine obstipationsdominante
sowie eine Mischform des RDS unterschieden werden (Longstreth et al. 2006). Menschen, deren
Beschwerden die gastroenterologischen Kriterien eines Reizdarmsyndroms erfüllen, klagen häufig
über weitere körperliche Beschwerden. Aufgrund der Art der Beschwerdeschilderung, des
Vorliegens weiterer Symptome vegetativer Stimulation (Hitzewallungen, Errötung, Schwitzen,
Herzklopfen, Zittern) sowie der Arzt-Patienten-Interaktion (Beharren auf organische Ursachen der
Störung) erfüllt ein Teil der Patienten mit der gastroenterologischen Diagnose eines
Reizdarmsyndroms die ICD 10-Kriterien einer somatoformen autonomen Störung des unteren
Gastrointestinaltraktes (F 45.32) (Loew et al. 1992) bzw. die Kriterien einer Somatisierungsstörung
(F. 45.0) bzw. einer undifferenzierten Somatisierungsstörung (F 45.1) (Loew et al. 1998). Weiterhin
findet sich bei Patienten, welche sich in Krankenhäusern und Spezialambulanzen für MagenDarmerkrankungen vorstellen, im Vergleich zur allgemeinen Bevölkerung sowie zu Patienten mit
entzündlichen Darmerkrankungen eine höhere Rate von Angststörungen und depressiven
Störungen. Die Häufigkeit von komorbiden somatoformen, Angst- und depressiven Störungen wird
zwischen 40-94% angegeben (Whitehead et al. 2002). Die Häufigkeit einer komorbiden
Somatisierungsstörung wurde bei Patienten einer gastroenterologischen Universitätsklinik mit 20%
angegeben (North et al. 2004).
Merksatz:
Das Reizdarmsyndrom (ICD-10 K 58) ist durch einen typischen Symptomkomplex
(Bauchschmerzen einhergehend mit Stuhlunregelmäßigkeiten über einen Zeitraum von
mindestens drei Monaten sowie Fehlen von krankhaften Veränderungen im MagenDarmtrakt bei klinischer Routinediagnostik) definiert. Ein Teil der Patienten mit
Reizdarmsyndrom erfüllt auch die Kriterien einer somatoformen autonomen
Funktionsstörung des Gastrointestinaltraktes (ICD-10 F 45.32).
1.1 Häufigkeit und Schweregrad
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12 bis 20 % aller Menschen in den westlichen Industrieländern erfüllen die Kriterien eines RDS.
Etwa 50 % der Betroffenen suchen wegen der Beschwerden einen Arzt auf (Longstreth et al. 2006).
Patienten mit RDS haben eine im Vergleich zur allgemeinen Bevölkerung und zu Patienten mit
entzündlichen Darmerkrankungen eine reduzierte gesundheitsbezogene Lebensqualität und
verursachen hohe direkte (medizinische Behandlung) und indirekte (Krankschreibungen,
Berentung) Krankheitskosten (Jones et al. 2000). Das Ausmaß der Beschwerden und der
Einschränkungen im Alltag ist unterschiedlich).
Unter klinischen Gesichtspunkten wird eine leichtgradige Form des RDS (gelegentliche
Beschwerden ohne Beeinträchtigung der Alltagsfunktionen), eine mittelgradige Form (häufige
Beschwerden mit gelegentlichen Beeinträchtigungen der Alltagsfunktionen) sowie ein
schwergradiges RDS (anhaltende Beschwerden mit dauerhafter Einschränkung der
Alltagsfunktionen) unterschieden.
Merksatz:
Etwa die Hälfte der Betroffenen mit Reizdarmbeschwerden begibt sich in medizinische
Behandlung. Beim Reizdarmsyndrom lassen sich drei Schweregrade (leicht, mittelgradig,
schwer) unterscheiden.
1.2 Ursachen des RDS
Dem RDS liegen wahrscheinlich verschiedene Pathomechanismen zugrunde, die bei einzelnen
Patienten unterschiedlich ausgeprägt sein können und somit Art und Schwere der Symptomatik
bestimmen (Hotz et al. 1999; Longstreth et al. 2006). Gesichert ist der Pathomechanismus einer
viszeralen Hyperalgesie: Empfindungen aus dem Gastrointestinaltrakt (z. B. Luftfüllung des
Darmes), welche von Gesunden überhaupt nicht bzw. nicht als schmerzhaft wahrgenommen
werden, werden von Reizdarmpatienten als schmerzhaft erlebt. Bei ca. 90% der Reizdarmpatienten
lässt sich eine erniedrigte Schmerzschwelle im Rektum nachweisen, welche wahrscheinlich durch
psychologische Faktoren (selektive Aufmerksamkeit für und negative Bewertung von
gastrointestinalen Stimuli) bedingt ist. Ein RDS kann sich nach einer ausgeheilten bakteriellen oder
viralen Darminfektion entwickeln. Psychologische Faktoren sind wahrscheinlich (psychosomatische
Erkrankung): Die Entscheidung, wegen der genannten gastrointestinalen Beschwerden überhaupt
einen Arzt aufzusuchen, wird durch psychologische Faktoren (Angst, erlerntes Krankheitsverhalten)
bestimmt. Stress (Alltagsbelastungen, belastende Lebensereignisse) können Reizdarmsymptome
auslösen oder verschlimmern. Die bei Patienten mit Reizdarmsyndromen berichteten
psychopathologischen Auffälligkeiten (Depressivität, Angst, Somatisierung) sind unspezifisch und
finden sich im vergleichbaren Umfang auch bei Patienten mit anderen funktionellen (somatoformen)
Störungen. Die psychopathologischen Auffälligkeiten sind bei Patienten mit leichtgradigem
Reizdarmsyndromen in der Regel nicht so stark ausgeprägt, dass sie die Kriterien einer weiteren
psychischen Störung nach ICD 10 erfüllen. Die genannten psychologischen Faktoren beeinflussen
jedoch das Erleben der Erkrankung und das Krankheitsverhalten und damit die Schwere der
Erkrankung. Bei Patienten mit mittel- und schwergradigem RDS finden sich in der Regel zusätzliche
psychische Störungen und/oder Persönlichkeitsstörungen und/oder frühere - anhaltende
psychosoziale Belastungen, insbesondere sexuelle Traumatisierungen (Drossman 1997). Bei
einem Teil der Patienten können Veränderungen der Darmmotilität eine Rolle spielen (nicht
eindeutig gesicherter Pathomechanismus; Hotz et al. 1999): Negative Emotionen wie Aufregung
und Ärger führen zu einer Zunahme der Kolonmotilität (Häufigkeit und Amplitude der
Kolonkontraktionen).
Merksatz:
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Das Reizdarmsyndrom ist eine psychosomatische Erkrankung: Psychologische Faktoren
sind in seiner Entstehung und Verlauf von nachgewiesener Bedeutung.
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2. Hypnotherapeutische Interventionen
Im Folgenden wird das in den RDS- Hypnosestudien (Whorwell et al. 1984, Gonsalkorale et al.
2002) verwendete 'Manchester'- Hypnoseprotokoll dargestellt:
Allgemeines: Der spezifische hypnotherapeutische Ansatz beim RDS wird von Whorwell (1984) als '
gut-directed-hypnosis” (darmbezogene Hypnose) beschrieben: Die Suggestionen gelten
(überwiegend) dem Gastrointestinaltrakt und nicht psychologischen Aspekten wie Stress oder
Angst. Das Protokoll schließt jedoch mehrere ich-stärkende Suggestionen ein. Die
hypnotherapeutische Exploration und Behandlung unbewusster Konflikte wird in dem
Behandlungsprotokoll explizit ausgeschlossen. Es werden direkte Suggestionen ('klassische
Hypnose verwendet). Vor Beginn der Hypnosebehandlung wird dem Patienten ein einfaches Modell
des RDS im Sinne einer gestörten Motilität und veränderten viszeralen Sensitivität vermittelt sowie
Informationen über die Physiologie der Darmmuskulatur gegeben. Alle Sitzungen beginnen mit dem
Besprechen des Symptomtagebuches, der Fortschritte sowie dem Besprechen der Fragen des
Patienten. Der Patient wird darauf hingewiesen, dass eine Symptomreduktion in der Regel nach 3wöchigem Üben erfolgt.
Häufigkeit: 7 (bis maximal 12) Einzelsitzungen zu 30 bis 60 Minuten über 3 Monate mit
abnehmender Häufigkeit.
2.1 Sitzung 1 bis 2
Die Induktion wird mit einer klassischen Augenfixationstechnik durchgeführt. Die Vertiefung erfolgt
über die Zunahme der muskulären Entspannung. Die Ratifizierung der Trance wird über eine
Armlevitation durchgeführt. In der Utilisationsphase werden Ich-stärkende Suggestionen angeboten:
Es wird dem Patienten suggeriert, sich selbst als eine Weide vorzustellen. Diese ist einerseits tief
und fest im Boden verwurzelt, andererseits können ihre flexibel sich wiegenden Äste selbst durch
den stärksten Sturm nicht gebrochen werden. Die eigene innere Stärke des Patienten wird mit dem
Bild der Weide verknüpft. Weiterhin werden unspezifische Suggestionen zur Entdeckung eigener
Fähigkeiten sowie zur Verbesserung des allgemeinen Wohlbefindens und der Gesundheit
gegeben. Die in der Utilisationsphase angebotenen Suggestionen (Ich-Stärke, Verbesserung des
Wohlbefindens) werden ohne Verknüpfung spezifischer Situationen für die Zeit nach der Trance im
Sinne einer post-hypnotischen Suggestion gegeben.
2.2 Sitzung 3 bis1 2
Induktion, Vertiefung und Ratifizierung wie in den ersten beiden Sitzungen. In der Utilisationsphase
wird eine sogenannte darmbezogene Imagination durchgeführt: Patienten, die zur Visualisierung
fähig sind (in den Studien 80 % der Patienten) werden gebeten, sich einen sanft fließenden Bach
mit Wasserfällen vorzustellen und das harmonische Fließen eines ruhigen Flusses mit der sanften
rhythmischen Aktivität ihres Gastrointestinaltraktes zu verbinden. Dieses Vorgehen wird bei der
durchfalldominanten Form des RDS dahingehend modifiziert, dass dem Patienten vorgeschlagen
wird, sich seinen Darm als schnell fließenden Fluss vorzustellen, ihn zur Quelle zurückzuverfolgen,
bis er langsamer (ohne exzessive Turbulenzen oder Strömungen) wird. Dann wird der Patient
gebeten, seinen Darm 'zurückzustellen” (to reset) zu dem Bild eines ruhig sich schlängelnden
Flusses. Bei der obstipationsdominanten Form des RDS wird eine Flussbeschleunigung suggeriert.
Kinästhetisch orientierte Patienten bzw. Patienten, die nicht visualisieren können, werden gebeten,
ihre Hand auf den Teil des Bauches zu legen, der am meisten schmerzt. Es wird dann eine
Suggestion von Wärme in der betreffenden Hand gegeben, die sich auf den Bauch ausdehnt.
Einhergehend mit der zunehmenden Wärmeempfindung in der Hand und im Bauch wird ein
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Nachlassen der Schmerzen und der muskulären Verspannung suggeriert. Visuell/kinästhetisch
orientierte Patienten können die Ausbreitung der Wärme in der Hand und im Bauch zusätzlich
visualisieren. Die schmerzlindernde Wirkung des Bildes eines ruhig fließenden Flusses bzw. der
Hand auf dem Bauch wird als posthypnotische Suggestion gegeben ('immer wenn sie ihre Hand auf
den Bauch legen, wird sich das angenehme Wärmegefühl einstellen, sie werden eine angenehme
Entspannung in ihrem Bauch empfinden und der Schmerz wird nachlassen”). Weiterhin werden die
in Sitzung 1 und 2 genannten Ich-stärkenden Suggestionen sowie unspezifische Suggestion
bezüglich der Verbesserung des Wohlbefindens wiederholt. Weiterhin werden unspezifische
posthypnotische Suggestionen gegeben, sich gut und positiv in Bezug auf die eigene Person zu
finden.
2.3 Eigenes Vorgehen
In Ergänzung zu dem dargestellten Vorgehen werden bei weniger suggestiblen Patienten die
direkten Suggestionen des dargestellten Therapieprotokolls durch indirekte ergänzt. Reagieren die
Patienten positiv auf das indirekte Vorgehen, erhalten sie zum täglichen Üben eine CD mit einem
aufgesprochenen Text Häuser und Wambach 2003)Bei der Vorbereitung auf das Abhören der CD
werden eingestreute Suggestionen bezüglich Sicherheit gegeben. Trance wird als Ort und Zeit der
Sicherheit, Erholung und Aktivierung unbewusster Heilungsprozesse definiert. Bei der Induktion
wird neben der Fixierung der Aufmerksamkeit auf das rhythmische Heben und Senken der Hände
auf dem Bauch im Rhythmus des Atmens weitere unspezifische Angebote zum Intrance-Gehen
gemacht (Abdecken aller Möglichkeiten). In der Utilisationsphase wird das Einatmen mit dem Bild
eines fließenden, goldenen Lichtes verbunden, das positive Energie und Sicherheit durch den
ganzen Körper( inklusive Magen-Darmtrakt )fließen lässt und das mit dem Ausatmen innere
Anspannung fortspült. Die Weisheit des Unbewussten, körperliche Vorgänge wie das An- und
Entspannen der Bauch- und Magendarmmuskeln in optimaler (angenehmer, rhythmischer) Weise
zu koordinieren, wird mehrfach angesprochen. Der Eintritt der bewusst erlebten Symptomlinderung
wird über eine zeitliche Konfusion suggeriert. Abschließend wird eine Geschichte vom
Schaukelnlernen in der Kindheit erzählt, in die Suggestionen von Lernen muskulärer Koordination,
Vertrauen in den eigenen Körper (Freundschaft mit dem eigenen Körper schließen) und
angenehmer bzw. lustvoller Empfindungen im Verdauungstrakt (einschließlich Mund) eingestreut
werden. Es wird die posthypnotische Suggestion gegeben, dass in Alltagssituationen, wann immer
es benötigt wird, sich das positive Gefühl der Trance (optimale muskuläre Koordination,
Wohlbefinden, Vertrauen in sich selbst) beim Legen der Hände auf den Bauch sich unmittelbar
einstellen wird.
2.4 Hausaufgaben
Manchester-Protokoll: Nach der 3. Sitzung erhalten die Patienten eine Audiokassette der
therapeutischen Sitzung zum selbständigen Üben mit der Bitte, täglich 2 x 10 Minuten zu üben.
Weiterhin wird ein Symptomtagebuch (Protokollierung von Dauer und Intensität der
Bauchschmerzen, Stuhlhäufigkeit, psychischem Befinden, Häufigkeit des Übens, besondere
Ereignisse am Tage) geführt.
Eigenes Vorgehen: Bei leicht- und mittelgradigen Formen des RDS schlage ich den Patienten vor,
zuhause mittels der von mir besprochenen CD 'Schmetterlinge im Bauch' (Häuser et al. 2003),
welche den Text des Manchesterprotokolls als auch einen Text mit ericksonianischen
Sprachmustern (siehe oben) enthält, zuhause in den ersten zwei Wochen täglich, später zwei- bis
dreimal pro Woche zu üben (sogenannte Ablationshypnose; Klumbies 1952). Der Patient kann
entscheiden, ob ihm die direkte oder indirekte Technik mehr zusagt. Berichtet der Patient, dass er
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zuhause mit der CD positive Tranceerfahrungen macht, verzichte ich auf das Durchführen einer
individualisierten ('tailored') Lifehypnose. Symptomorientierte (darmbezogene) Lifehypnosen führe
ich bei den Patienten durch, welche nicht in der Lage sind, eigenständig mit der CD zu üben.
Weiterhin führe ich konfliktbearbeitende hypnotherapeutische Sitzungen bei Patienten mit
schwergradigem RDS und psychischer Komorbidität durch (siehe Fallbeispiel). Die
Hypnosesitzungen werden dann mittels eines MP3-Players aufgenommen und das File dem
Patienten zum weiteren eigenständigen Anhören unter häuslichen Bedingungen zur Verfügung
gestellt.
Mit Patienten, welche ein Vermeidungsverhalten auf Grund ihrer Darmbeschwerden bzw. ihrer
Angst, nicht rechtzeitig eine Toilette zu erreichen, entwickelt haben, wird ein graduiertes,
eigenständig (eventuell initial mit Unterstützung von Angehörigen) durchzuführendes
Expositionstraining durchgeführt. Die Patienten werden ermutigt, die Hypnosetexte der CD bzw. die
individuelle aufgesprochenen Texte vor und eventuell auch während des Expositionstrainings
mittels eines MP3-Players zu hören.
2.5 Fallbeispiel
Nach meiner klinischen Erfahrung ist im medizinischen Kontext die Vorbereitung einer
Hypnotherapie unter Nutzung rationaler Informationen sowie Nutzung allgemeiner Ericksonscher
Therapieprinzipien (Utilisationsansatz) und hypnotherapeutischer Sprachmuster im ärztlichem
Gespräch wichtiger als elaborierte indirekte Suggestionen (Häuser 1997).
Die 30-jährige Soziologin (wissenschaftliche Universitätsangestellte) stellt sich auf Empfehlung
ihres Hausarztes in der interdisziplinären Schmerzambulanz des Klinikums Saarbrücken mit der
Frage der weiteren Diagnostik und Therapie von Bauchschmerzen und Durchfällen vor. Im
Erstgespräch gibt die Patientin an, seit ihrer Jugend bei 'Stress” gelegentlich über
Bauchschmerzen, Durchfällen und Übelkeit zu leiden, die Beschwerden hätten jedoch nur kurze
Zeit angehalten und hätten sich ohne spezifische Behandlung zurückgebildet. In den letzten 4
Monaten seien die Bauchschmerzattacken zunehmender häufiger und intensiver aufgetreten,
einhergehend mit 'Verdauungsproblemen”(Wechsel Verstopfung/Durchfall, Übelkeit, Ekel vor dem
Essen, Gewichtsabnahme von 4 kg). Zuletzt habe sie täglich mehrere Schmerzattacken gehabt,
Dauer 30 Minuten bis 3 Stunden. Sie sei wegen der Schmerzen seit 3 Wochen krank geschrieben.
Wegen der Schmerzen sei sie weitgehend bettlägerig. Die durchgeführte medizinische Diagnostik
(Ösophago-Gastro-Duodenskopie, Ileo-Koloskopie, Blut- und Stuhluntersuchungen) hätten keine
auffälligen Befunde ergeben, verschiedene Medikamente seien wirkungslos gewesen. An
schmerzlindernden Faktoren gibt sie Wärme (Bettflasche auf Bauch), an schmerzverstärkenden
Faktoren Stress am Arbeitsplatz an. In den letzten Monaten habe es Konflikte (Rivalität) mit einem
männlichen Kollegen gegeben. Die Patientin betont, dass sie sich nicht vorstellen könne, dass ihre
Beschwerden 'nur psychisch” bedingt seien. Sie sei ein wissenschaftlich und rational orientierter
Mensch. Es sei für sie nicht vorstellbar, dass Alltagsbelastungen wie Konflikte mit ihrem Kollegen
zu solch starken Bauchschmerzen führen können, wie ihr Hausarzt behaupte. Sie befürchte, an
einer bisher noch nicht festgestellten Erkrankung zu leiden.
Ich sage der Patientin, dass unter Berücksichtigung der vorliegenden Befunde und ihrer
Beschwerden mit großer Wahrscheinlichkeit eine funktionelle gastrointestinale Funktionsstörung
vorliegen würde. Auf gezieltes Nachfragen bestätigt die Patientin, dass sie unter weiteren
körperlichen Symptomen wie gelegentliche Kopfschmerzen, innere Unruhe und
Durchschlafstörungen in den letzten Monaten gelitten hat. Im weiteren Gesprächsverlauf werden
die Befürchtungen der Patientin vor einer körperlichen Erkrankung sowie ihre Befürchtungen, als
psychisch krank bzw. 'belastungsschwach” angesehen zu werden, thematisiert. Über die
Exploration der Auswirkungen der körperlichen Beschwerdesymptomatik auf ihre
Arbeitsplatzsituation (Arbeitsunfähigkeit) erfahre ich, dass die Patientin im Nebenfach Psychologie
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studiert hat und dabei auch eine Vorlesung über funktionelle Störungen gehört hat. Ich frage sie, ob
sie an weitergehenden Informationen über funktionelle gastrointestinale Störungen interessiert sei
(Aufbau einer Ja-Haltung). Nachdem dies bestätigt wird, zeige ich der Patientin anhand einiger
Abbildungen aus einem von mir verfassten Kapitel über psychosomatische Aspekte in der
Gastroenterologie in einem Gastroenterologischen Lehrbuch/Utilisation des wissenschaftlichen
Interesses der Patientin; Signalisieren von Kompetenz) Wechselwirkungen zwischen zentralem
Nervensystem und Gastrointestinaltrakt. Dabei erwähnte ich beiläufig, dass insbesondere
Hypnotherapie zu messbaren Veränderungen Darmmotilität und -Sensitivität führt. Die Patientin
wendet ein, dass ihr Psychologie-Professor Hypnose als wissenschaftlich nicht anerkannte
Behandlungsmethode bezeichnet habe. Weiterhin könne sie sich nicht vorstellen, sich in die 'Hand
eines Hypnotiseurs” zu begeben. Ich frage die Patientin, ob sie bereit sei, 'auf dem Boden der
Wissenschaft” ihre 'Arbeitshypothesen bezüglich der Hypnose zu überprüfen” (Herausforderung
unter Utilisation des Wertesystems). Weiterhin betone ich, dass es bei der (Selbst-)hypnose nicht
darum gehen würde, Kontrolle abzugeben, sondern eine bessere Kontrolle über die eigenen
körperlichen Reaktionen und Affekte zu gewinnen (Utilisation der Kontrollbedürfnisse). Nach
nochmaligem Aufbau einer Ja-Haltung erhält die Patientin wissenschaftliche Publikationen über die
Grundlagen wissenschaftlicher Anwendungen von Hypnose sowie mehrere Internet-Adressen über
funktionelle gastrointestinale Störungen. Ich schlage der Patientin vor, anhand dieser Unterlagen
selbst zu überprüfen, ob die Diagnose eines Reizdarmsyndroms auf sie zutrifft und biete ihr ein
weiteres Beratungsgespräch über weitere diagnostische und therapeutische Möglichkeiten an
(Respektieren von Autonomiebedürfnissen).
Nach 14 Tagen vereinbart die Patientin einen Termin für ein zweites Gespräch. Sie gibt an,
aufgrund ihrer Literaturrecherchen zu der Entscheidung gekommen zu sein, die Diagnose eines
Reizdarmes zu akzeptieren, keine weitergehende medizinische Abklärung zu wünschen und einen
psychotherapeutischen Behandlungsversuch wegen ihrer Reizdarmsymptomatik zu machen. Auf
Grund der überlassenen Unterlagen habe sie ihre Meinung über Hypnotherapie revidiert und sei
neugierig auf eine Therapie in Trance. Andererseits könne sie sich nicht vorstellen, dass sie 'in eine
tiefe Trance gehen könne”. Auch habe sie Angst davor, dass jemand Kontrolle über sie haben
könne (dabei leichte Gesichtsrötung beobachtbar). Ich entgegne, dass es zu therapeutischen
Zwecken nicht notwendig sei, in eine tiefe Trance zu gehen und dass der Schwerpunkt der
Behandlung ihres Beschwerdebildes auf Selbsthypnose liegt. Aufgrund der von der Patientin bereits
mehrfach geäußerten Ängste vor Kontrollverlust einschließlich beobachtbarer vegetativer
Reaktionen sowie der in der Literatur beschriebenen Assoziation zwischen Reizdarmsymptomatik
und sexuellen Missbrauch entschließe ich mich an dieser Stelle, von einer weitergehenden
Exploration bzw. explizitem Eingehen auf den Beziehungsaspekt der Aussage der Patientin zu
verzichten, weil ich zu diesem Zeitpunkt nur einen Behandlungsauftrag bezüglich einer
Reizdarmsymptomatik eingeholt habe. Ich schlage der Patientin daher ein 'stufenweises”
Experiment vor, bei dem sie gleichzeitig Probandin und Versuchsleiterin sein könne. Sie könne bei
jedem Schritt erneut entscheiden, ob sie das Experiment fortführen wolle. Ich erkläre der Patientin,
dass ein Faktor, der positiv in dem Erfolg einer Therapie korreliere, Imaginationsfähigkeit sei. Ich
bitte sie, mehrere Gegenstände und Szenen (zuletzt Bild eines ruhig dahin fließenden Flusses) zu
imaginieren und ihre Imaginationsfähigkeit selbst einer numerischen Skala von 0 bis 10
einzuschätzen. Aufgrund der detaillierten Schilderung der Imaginationen bestätigt sich ihre
Einschätzung einer exzellenten Imaginationsfähigkeit. Danach zeige ich der Patientin in einem
Videoausschnitt, wie es mittels der Thermografie beim Autogenen Training zu einer messbaren
Zunahme der Hauttemperatur kommt (Seeding, Anregung der szenischen Vorstellung). Dann frage
ich die Patientin, ob sie sich vorstellen könne, dass sie selbst ihre Hautdurchblutung und
Temperatur steigern könne und ob sie das überprüfen wolle (Ja-Haltung). Mit Hilfe einer
Hauttemperaturmesssonde kann ich der Patientin zeigen, dass sie unter Nutzung der
Selbstsuggestion ('meine rechte Hand ist angenehm warm”) ihre Hauttemperatur um 0,5°C steigern
konnte und dass die Hauttemperatur noch um weitere 0,3°C zunimmt, als sie sich vorstellt,
angenehm, entspannt und sicher an einem Strand in der Sonne zu liegen und das Rauschen des
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Meeres zu hören. Danach zeige ich ihr Diagramme der messbaren Veränderungen von
gastrointestinaler Motilität und Sensitivität durch Hypnose (Wechsel von Entspannung/Imagination,
Information im Sinne einer fraktionierten Trance). Ich bitte die Patientin, ein Wärmegefühl in ihrer
rechten Hand hervorzurufen und bei der Empfindung einer zunehmenden Wärme in der rechten
Hand diese an die Stelle des Bauches zu legen, an der sie in der Regel die meisten Schmerzen
empfindet (zum Zeitpunkt der Übung keine Bauchschmerzen). Beim Auflegen der rechten Hand gibt
die Patientin plötzlich starke Bauchschmerzen an, ich kann Blässe im Gesicht, Schweißausbrüche,
Anspannung der Gesichts- und Bauchmuskulatur sowie beschleunigte Atmung beobachten. Ich
schlage ihr vor, die Hand vom Bauch zu entfernen und mache unter der Hypothese einer
stattgefundenen Reaktivierung schmerzlicher Erlebnisse unspezifische Suggestionen zur
räumlichen, sensorischen und affektiven Distanzierung von Erlebnissen und Empfindungen.
Es dauert ca. 5 Minuten, bis die Patientin eine erträgliche Schmerzreduktion angibt und in der Lage
ist, die Ergebnisse des Experimentes auszuwerten. Ich deute die Schmerzauslösung als Beweis
dafür, dass Bilder/Gedanken/Gefühle zu mess- und spürbaren körperlichen Veränderungen führen
können. Als ich die Patientin fragte, was passiert sei, als sie die rechte Hand auf ihren Bauch gelegt
habe, sagte sie unter leichter Errötung und beschleunigter Atmung, dass sie darüber nicht reden
wolle. Ich akzeptiere diese Entscheidung, die sicherlich gute bewusste und unbewusste Gründe
hat, mit mir darüber noch nicht zu sprechen. Ich schlug ihr vor, zu Hause 3 x täglich 5 Minuten das
als angenehm empfundene Bild des Strandes hervorzurufen. Wenn sie sich sicher fühlen würde,
könnte sie den Versuch mit der Hand auf dem Bauch wiederholen und eventuell die dabei
entstandenen Bilder/Gedanken/Gefühle aufschreiben. Nur wenn Sie sich sicher sei, mir vertrauen
zu können solle sie die Aufzeichnungen zum nächsten Termin mitbringen. Weiterhin bat ich sie, ein
Symptomtagebuch zur Selbstkontrolle zu führen. Im 3. Termin nach 14 Tagen berichtet die
Patientin, dass sie durch das Führen des Symptomtagebuches Zusammenhänge zwischen innerer
Anspannung und Symptomzunahme festgestellt habe. Es sei ihr teilweise gelungen, die Intensität
und Häufigkeit der Schmerzattacken durch die Vorstellung des Strandes zu reduzieren. Weiterhin
habe sie sich entschlossen, mir zu berichten, was bei der letzten Sitzung passiert sei und unter
welchen Beschwerden sie noch leide. Die Patientin berichtet über einen Flash-back einer sexuellen
Traumatisierung im 16. Lebensjahr. In den letzten Monaten sei es einhergehend mit den Konflikten
mit dem Arbeitskollegen, der sie an den Vergewaltiger erinnere, zu einer Zunahme der Flash-backs
und Albträume gekommen. Aufgrund ihres Vermeidungsverhaltens und weiterer Symptome und
erhöhten vegetativen Entspannung erfüllt die Patientin die Kriterien einer anhaltenden
posttraumatischen Belastungsstörung. In den nächsten Sitzungen (insgesamt 10 Sitzungen über 6
Monate) erfolgt neben dem eigenständigen Durchführen einer darmgerichteten Selbsthypnose
(Visualisierung eines ruhigen Flusses) eine therapeutische Aufarbeitung der Traumata, wobei
neben hypnotherapeutischen Techniken auch andere psychotherapeutische Methoden (EMDR)
zum Einsatz kommen.
3. Indikationen und Kontraindikation
Gemäß der Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselerkrankungen zur
Diagnostik und Therapie des RDS ist eine psychotherapeutische Behandlung bei folgenden Indikationen
gegeben(Hotz et al. 1999):
-
Eine klinisch relevante psychische Störung liegt vor bzw. psychosoziale Faktoren spielen eine Rolle
für Entstehung, Aufrechterhaltung und Verlauf des RDS
Internistisch-pharmakotherapeutische Maßnahmen hatten keine oder nur einen unzureichenden
Erfolg.
Die Beschwerden persistieren langjährig und/oder verursachen großen Leidensdruck
Prädiktoren eines positiven Ansprechens von Psychotherapie sind (Lackner et al. 2004):
Symptomauslösung oder Verstärkung durch Stress
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-
Vorhandensein von Angst und Depression
Kein konstanter Schmerz
Relativ kurz bestehendes Beschwerdebild
In einer Studie unter den Bedingungen der klinischen Routineversorgung fanden sich außer der
durchfalldominanten Form bei Männern keine negativen prognostischen Faktoren für die Wirksamkeit für
Hypnotherapie. Insbesondere war ein fehlendes primäres Interesse der Patienten an Hypnose kein negativer
prognostischer Faktor (Gonsalkorale et al. 2004).
Kontraindikationen ergeben sich aus den allgemeinen Ausschlusskriterien einer Hypnotherapie bei
psychischen Störungen (vergleiche entsprechende Kapitel), unzureichender Kenntnisse des
Hypnotherapeuten bezüglich des RDS und der dabei einzusetzenden hypnotherapeutischen Methoden sowie
ungenügender Vorbereitung des Patienten auf hypnotherapeutische Behandlung bzw. magischen
Heilserwartungen (seitens des Patienten oder Hypnotherapeuten).
Hypnose ist bei Patienten mit geringer Suggestibilität und/oder Imaginationsfähigkeit nicht wirksam
(Montgomery et al. 2000).
Alternativen bzw. Ergänzungen zur Hypnose sind die psychodynamische Therapie und kognitive
Verhaltenstherapie, deren Wirksamkeit beim RDS ebenfalls belegt ist (Hotz et al. 1999; Jones et al. 2000).
Insbesondere bei schwergradigen Formen des RDS mit psychischer Komorbidität ist eine Therapie mit
Antidepressiva indiziert, welche auch mit den verschiedenen Psychotherapieverfahren kombiniert werden
kann (Creed et al. 2003).
Merksatz:
Psychotherapeutische Verfahren inklusive Hypnose sind beim RDS beim Versagen einer
symptomorientierten medikamentösen Therapie, beschwerdeassoziierten Beeinträchtigungen in
Alltagsfunktionen und Modulation der Beschwerden durch psychologische Faktoren indiziert.
4. Integration mit anderen Verfahren
Auf Grund der Häufigkeit des RDS und der limitierten personellen und finanziellen Ressourcen des
Gesundheitssystems ist es nicht sinnvoll, alle Patienten mit RDS durch eine persönliche
darmbezogene Hypnose zu behandeln. In Abhängigkeit des Schweregrades und des Ansprechens
auf die jeweiligen Therapiemaßnahmen wird daher aus gastroenterologischer und
psychosomatischer Sicht ein abgestuftes Vorgehen vorgeschlagen (Drossman et al. 1992; Hotz et
al. 1999; Häuser 2002).
Stufentherapie des Reizdarmsyndroms (nach Drossmann 1992; Häuser 2002)
Stufe 1: Ärztliche Beratung
- Positive Diagnose
- Vermeiden überflüssiger bzw. wiederholter medizinischer Ausschlussdiagnostik
- Information über Krankheitsbild und Behandlungsmöglichkeiten
- Beratung (Ernährung, Lebensführung)
Stufe 2: Symptomorientierte medikamentöse Therapie
Stufe 3: Ärztliche psychosomatische Grundversorgung
- Verbale Interventionen (Alltagsbelastungen/Affektregulation)
- Entspannungsverfahren
- Darmbezogene Hypnose (CD-unterstütztes eigenständiges Üben)
- Strukturierte Schulungsprogramme (Selbstmanagement)
Stufe 4: Fachpsychiatrische- psychotherapeutische Behandlung
- Kognitive bzw. psychodynamische Therapie
- Hypnotherapie
- Psychopharmaka
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Leichtgradige Formen des RDS bedürfen außer einer Aufklärung über die 'Gutartigkeit” der Störung
und einer Lebensstilberatung (Stressreduktion, Weglassen eventuell symptomauslösender
Nahrungsmittel oder Genussstoffe) [Patientenedukation] keiner weitergehenden medizinischen oder
psychotherapeutischen Behandlungen. Für die Patienteninformation setzen wir Broschüren,
Internetinformationen (z. B. http://www.klinikum-saarbruecken.de/np_show.phtml?nID=43) und
Filmbeiträge aus Wissenschaftsmagazinen (z. B. den Film über das 'Bauchhirn' des
Wissenschaftsmagazin 'Sonde') ein. In diesem Film werden Wechselwirkungen von Bauch- und
Kopfhirn bzw. Darm und Gedanken/Gefühlen bei Gesunden und Reizdarmpatienten sowie
Möglichkeiten der Kombination von Ablationshypnose und Verhaltenstherapie an Hand der
Fallgeschichte einer von mir behandelnden Patientin dargestellt. Bei mittelgradigen Formen des
RDS sollte eine symptomorientierte medikamentöse Therapie erfolgen. Ergänzend oder alternativ
können symptomorientierte psychotherapeutische Verfahren (kognitive Verhaltenstherapie bzw.
symptomorientierte Hypnose) zum Einsatz kommen. Strukturierte Gruppenschulungsmaßnahmen
für Patienten (Information über Erkrankungsbild und Behandlungsmöglichkeiten, kognitive
Umstrukturierung, Entspannungs-, Stressbewältigungs,- und Imaginationstraining) sind zeiteffektive
und wirksame Behandlungen (Heitkemper et al. 2004; Robinson et al. 2005) im Übergangsbereich
von psychosomatischer Grundversorgung und Fachpsychotherapie. Bei schwergradigem RDS ist
eine psychopharmakologische und fachpsychotherapeutische Behandlung der fast regelhaft
vorliegenden psychischen Komorbidität notwendig. Zur fachpsychotherapeutischen Behandlung
begleitender psychischer Störungen (z.B. Panikstörung, posttraumatische Belastungsstörung)
können auch hypnotherapeutische Techniken eingesetzt werden. Die Modifikation dysfunktioneller
kognitiver Strukturen und Verhaltensmuster (z.B. negative Bewertung gastrointestinaler
Sensationen) bzw. die Bearbeitung intrapsychischer Konflikte bzw. emotionaler Traumata können
auch in Trance durchgeführt werden.
Merksatz: Darmebzogene Hypnose kann mit anderen psychotherapeutischen Verfahren und
Psychopharmakatherapie kombiniert werden.
4.1 Empirische Belege:
Bei Reizdarmpatienten können durch darmbezogene Hypnose eindrucksvolle therapeutische
Erfolge erzielt werden, insbesondere bei Patienten, die sich gegenüber der medikamentösen
Therapie refraktär zeigen. Die Wirksamkeit von darmbezogener Hypnose beim RDS ist auf der
höchsten Stufe einer evidenzbasierten Medizin, nämlich durch Metaanalysen kontrollierter
randomisierter Studien, belegt (Tan et al. 2005; Whitehead 2006). Weiterhin liegen nichtkontrollierte Studien mit großen Fallzahlen unter den Bedingungen der klinischen
Routineversorgung vor, welche die positiven Ergebnisse der kontrollierten Studien bestätigten.
Nach den Wirksamkeitsleitlinien der Clinical Psychology Division der American Psychological
Association erreicht die Anwendung von Hypnose den höchsten Grad von Wirksamkeit und
Spezifität (Tan et al. 2005). Die Britische Gesellschaft für Gastroenterologie empfiehlt Hypnose bei
Patienten, welche auf medikamentöse Behandlung nicht ausreichend ansprechen und eine geringe
Psychopathologie aufweisen, mit dem Empfehlungsgrad B (Jones et al. 2000).
Eine Metaanalyse von 5 kontrollierten Studien mit 556 Patienten ergab eine mediane Responserate
von 87% (Whitehead 2006). In den meisten Studien konnte nicht nur eine Reduktion der MagenDarmbeschwerden, sondern auch eine Reduktion extraintestinaler und psychischer Beschwerden
nachgewiesen werden (Tan et al. 2005; Whitehead 2006). Aus gastroenterologischer Sicht wird die
kleine Fallzahl der kontrollierten Studien, das Fehlen eines Vergleiches mit anderen Verfahren
sowie die mäßige innere Validität der Hypnose-Studiendesigns kritisiert (Wilson et al. 2006).
Im Vergleich zu medikamentösen Therapieverfahren ist festzustellen, dass die Wirksamkeit von
psychologischen Verfahren beim RDS höher ist als die medikamentöser Verfahren. Eine
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Metaanalyse von 17 kontrollierten Studien (inklusive Hypnose) ergab eine Odds Ratio einer
mindestens 50% Symptomreduktion von 12,0 (95% Konfidenzintervall 5,6-26,0) und eine Number
needed to treat von 2 (Lackner et al. 2004). Weiterhin ist im Gegensatz zu medikamentösen
Verfahren eine anhaltende Symptomreduktion inklusive einer Reduktion von Arztbesuchen und
Krankheitstagen bei den meisten Patienten in mehrjährigen Katamnesen nach Ende der
Hypnosebehandlung gesichert (Houghton et al. 1996; Whitehead 2006).
Derzeit wird diskutiert, ob eine audiokassetten- bzw. CD-unterstützte Ablationshypnose mit
niedrigfrequenter therapeutischer Begleitung (Vermittlung Krankheits- und Behandlungsmodell,
Überprüfen des Ansprechens) Behandlungskosten und Versorgungsengpässe bei
Hypnotherapeuten reduzieren könnte (Palsson et al. 2002). Ein Vergleich von 6 Sitzungen
individueller Einzelhypnose versus standardisierte Audiokassetten ergab keine signifikante
Unterschiede in der Wirksamkeit (Forbes et al. 2000). Da weitere Studien zur Ablationshypnose
fehlen, kann sie in ihrer Wirksamkeit der Lifehypnose bisher nicht gleich gesetzt werden.
Merksatz:
Die Wirksamkeit der darmbezogenen Hypnose beim RDS ist auf der höchsten Evidenzstufe
(Metaanalysen kontrollierter Studien) belegt. Weiterhin belegen nicht-kontrollierte Studien
ihre Effektivität in der klinischen Routineversorgung.
5. Wirkungsweise von Hypnotherapie beim RDS
In systematischen Reviews wurden die aktuellen Kenntnisse über die Wirkung von Hypnose beim
RDS zusammengefasst. Die Konsistenz nachweisbarer psychologischer Effekte ist größer als die
der nachweisbaren physiologischen Wirkungen (Tan et al. 2005; Simren 2006). Hypnose führte zu
einer Reduktion von Angst, Depressivität, Somatisierung und dysfunktioneller darmbezogener
Kognitionen (Gonsalkorale et al. 2004). Eine Anhebung der erniedrigten Schmerzschwelle und
Reduktion der motorischen und sensorischen Komponente des gastrokolischen Reflexes konnte
nachgewiesen werden (Simren 2006).
Merksatz: Die therapeutischen Effekte von Hypnose beim Reizdarmsyndrom können durch
psychophysiologische (Reduktion psychologischer Distress; Normalisierung der gestörten Motorik
und Sensorik des Gastrointestinaltraktes) erklärt werden.
6. Zusammenfassung
Das RDS gehört zu den häufigsten Beschwerdebildern im internistisch-gastro¬enterologischen
Bereich und führt zu hohen direkten und indirekten Krankheitskosten. Darmbezogene Hypnose ist
beim RDS wirksam, auch bei Patienten, welche auf eine internistisch-medikamentöse Behandlung
nicht ansprechen. Das RDS ist im Kontext einer Evidence based medicine bzw. psychotherapy
einer der am besten abgesicherten Indikationsbereiche von Hypnose (Evidenzgrad Ia).
Darmbezogene Hypnose wird von gastroenterologischen Fachgesellschaften zur Behandlung des
RDS empfohlen. Darüber hinaus ist Hypnose ein wichtiges Instrument in der
psychophysiologischen Grundlagenforschung des RDS (Francis et al. 1996; Simren 2006). Die
Empfehlungen zum Einsatz von darmbezogener Hypnose beim RDS werden in der medizinischen
Versorgung des RDS noch nicht ausreichend berücksichtigt: Patienten mit mittel- und
schwergradigem Reizdarmsyndrom werden von ihren behandelnden Ärzten zu selten auf die
Möglichkeit einer darmbezogenen Hypnose hingewiesen. Es ist zu hoffen, dass durch die
laufenden Fortbildungsmaßnahmen in der psychosomatischen Grundversorgung geeignete
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Patienten früher erkannt und in Fachpsychotherapie überwiesen werden bzw. dass somatisch
orientierte Ärzte durch Erwerb von hypnotherapeutischen Grundkenntnissen imvon Curricula der
medizinischen Hypnose eine darmbezogene Hypnotherapie beim RDS selbst durchführen können.
Bei Hinweisen für eine psychische Komorbidität bzw. schwerwiegende psychosoziale Belastungen
kann die darmbezogene Hypnose durch eine an den psychischen Problemen orientierte
konfliktbearbeitende oder kognitive Therapie in Trance (Hypnotherapie)ergänzt werden
Merksatz:
Die von gastroenterologischen und psychologischen Fachgesellschaften empfohlene
Behandlung des Reizdarmsyndroms mit darmbezogener Hypnose sollte in der klinischen
Routineversorgung mehr berücksichtigt werden.
Zusammengestellt von PD Dr. med. Winfried Häuser, Facharzt für Innere Medizin, Facharzt für
Psychotherapeutische Medizin - Sportmedizin- Ärztlicher Leiter des Schwerpunktes Psychosomatik der Klinik
Innere Medizin I des Klinikums Saarbrücken
Letzte Überarbeitung: 23.12.2011
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