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Kapitel 6
Fallen und Kühlung für neutrale
Atome
6.1
Einführung
Im Folgenden werden kurz einige Merkmale von Atomstrahlmethoden und Gaszellen aufgelistet:
Atomstrahlmethoden:
- hohe Atomgeschwindigkeiten, vw ≈ 200 − 1000 m/s, d.h. typische Wechselwirkungszeiten
im Apparat liegen unter 1 ms
- ineffizient
- präzisionslimitierend, z.B. bei der Ramseyschen Methode
Gaszellen:
+ lange Aufbewahrungszeiten (z.B. Wasserstoff in Teflongefäß)
- Wandstöße und Stöße mit anderen Atomen stören das Atom, löschen z.B. die Phase
- voller Dopplereffekt
Die ideale Kombination wäre also eine Falle, die die Atome im Vakuum ohne Wandkontakte
festhalten kann und in der man die Atome auch abkühlen kann. Dies ist die sogenannte
Atomfalle (engl.: atom trap)
Drei Grundmethoden werden hierzu verwendet:
Spontane Lichtstreuung: Historisch hat O. Frisch als erster die Messung des Lichtdrucks
auf einen Na-Atomstrahl gemessen [Fris1933]. Die Ablenkung war mit einem hundertstel mm
winzig. Das Prinzip der spontanen Lichtkraft ist in Abb. 6.1 gezeigt: Das gerichtete Licht eines
Lasers (damals Lampe) überträgt bei jeder Anregung den Impuls ~k auf das Atom. Regt sich das
Atom vorwiegend spontan ab, geht die Abstrahlung isotrop vonstatten, d.h. der Nettoimpuls des
abgestrahlten Lichts summiert sich zu Null. Für jedes gestreute Photon erfährt das Atom einen
Impulsübertrag von ~k. Durch die spontante Emission hat diese Kraft dissipativen Charakter.
Da aber atomare Linien wegen des Effekts der stimulierten Emission in ihrer Absorptions- und
Streufähigkeit sättigbar sind, ist dieser spontanen Kraft leider eine obere Grenze gesetzt.
123
124
KAPITEL 6. FALLEN UND KÜHLUNG FÜR NEUTRALE ATOME
hk
Na
Abb. 6.1: Prinzip der spontanen Lichtkraft. Die kollimierten Photonen kommen aus der
Lichtquelle, die gestreuten Photonen gehen in alle Richtungen.
Kraft durch einen Lichtintensitätsgradienten: Letokhov hat 1968 vorgeschlagen, Atome
in den Bäuchen einer optischen Stehwelle zu fangen, wobei das Licht nicht resonant ist, d.h.
keine Photonen absorbiert werden. Dieser Effekt wird weiter unten diskutiert. Hier sei nur
erwähnt, dass diese Kraft extrem schwach und nichtdissipativ ist, d.h. das Teilchen wird nicht
gekühlt. Experimentell wurde diese Methode erst 1986 durch S. Chu in einer Falle genutzt.
~ zwischen einem externen Magnetfeld und dem
Magnetkräfte: Die Wechselwirkung µ
~ ·B
atomaren magnetischen Moment resultiert in einer Kraft auf das Atom, die auch für den Bau
einer Falle genutzt werden kann. Auch hier ist die Kraft sehr klein und keine Dissipation
vorhanden.
Die technischen Voraussetzungen für Fallen basierend auf den beiden letztgenannten
Methoden waren schon lange vor der ersten erfolgreichen Atomfalle (1986) gegeben. Aber diese
Fallen haben ein sehr flaches Potential, entsprechend Temperaturen kleiner als einige mK.
Daher sind solche Fallen mit konventionellen Atomstrahlen nicht zu laden. Man braucht zuerst
eine kühlende, dissipative Kraft, die ein Ensemble von Atomen auf entsprechende Temperaturen
vorkühlt.
6.2
Formale Probleme bei der Fallenkonstruktion
Beim Konzipieren einer Falle wird man mit diversen Problemen konfrontiert. Die MaxwellGleichungen schränken die möglichen Konfigurationen von externen Feldern (statisch und dynamisch) erheblich ein.
Earnshaw-Theorem: Dieses Theorem besagt, dass es unmöglich ist, Ladungen so zu
plazieren, dass in einer ladungsfreien Region ein stabiler Gleichgewichtspunkt entsteht. Beweis:
sei φ das Potential des Ladungsarrangements. Dann erfüllt dieses Potential im ladungsfreien
Raum die Laplace-Gleichung: ∆φ = 0. Für eine Funktion, die die Laplace-Gleichung erfüllt, ist
aber der Funktionswert an einem beliebigen Punkt P gleich dem Mittelwert der Funktion auf
einer Kugel um P . Also kann P kein Extrempunkt sein und φ kein Extremum haben, und die
Wechselwirkungsenergie U = eφ kein Minimum.
6.2. FORMALE PROBLEME BEI DER FALLENKONSTRUKTION
125
“No-field-maximum”-Theorem: Im ladungs- und stromfreien Raum können |E| und |B|
kein lokales Maximum haben. Allerdings kann man lokale Minima von |E| und |B| erzeugen,
z.B. im Quadrupolfeld einer Antihelmholtzspule (d.h. Stromfluss in entgegengesetzte Richtung
in den Spulen): dort hat man einen Punkt mit B = 0 genau im Zentrum zwischen den Spulen.
Hieraus folgt dann wieder, dass man neutrale Atome nicht mit statischen elektrischen Feldern
fangen kann, da man nur induzierte elektrische Dipole zur Verfügung hat, und diese sind parallel
zum extern angelegten Feld. Deshalb wird die Wechselwirkungsenergie
W = −dind · E
(6.1)
nur im Maximum von |E| minimal. Anzumerken ist, dass dies nicht für Moleküle gilt, die
permanente elektrische Dipolmomente besitzen können.
Hingegen kann das magnetische Moment des Atoms antiparallel zum Magnetfeld eingestellt
werden, indem man z.B. das geeignete m F im Stern-Gerlach-Apparat oder durch optisches
Pumpen auswählt. Ist das magnetische Moment dann antiparallel zum Magnetfeld, wird die
Wechselwirkungsenergie im Feldminimum minimiert. Atomare Zustände mit m F dieser Art
heißen weak-field-seeker. Mit diesem Effekt kann man sofort eine Falle aufbauen, wie in Abbildung 6.2 gezeigt. Das Problem bei einer solchen Falle ist, dass das magnetische Moment des
Atoms bei seiner Bewegung durch die Falle immer der lokalen Magnetfeldrichtung adiabatisch
folgen muss.
W
µ || Β
µ || Β
J=1/2
B
x
µ || Β
µ || Β
Abb. 6.2: Prinzip einer magnetischen Falle. In dieser eindimensionalen Version müsste jedes
gefangene Atom beim Hin- und Herpendeln in der Falle durch die magnetische Null laufen und
potentiell einen Spinflip in den antigebundenen Zustand erleiden. In zwei- und dreidimensionalen
Fallen gehen aber die meisten Trajektorien genügend weit am Nullpunkt vorbei.
Hat man eine Feldkonfiguration mit Nullpunkt in der Mitte, ist dieses adiabatische Folgen
in einer genügend kleinen Umgebung um die Null nicht mehr gewährleistet, da sich dort die
Feldrichtung örtlich sehr schnell ändert. Das Resultat sind Spinflips im Zentrum der Falle, das
Atom wird vom weak- zum strong-field- seeker und spürt dann ein Antifallenpotential. Insgesamt
hat man mit zusätzlichen Wechselfeldern mehr Optionen.
126
6.3
KAPITEL 6. FALLEN UND KÜHLUNG FÜR NEUTRALE ATOME
Der Weg zur magneto-optischen Falle: Laserkühlung
Laserkühlung von Atomen: Wir gehen wieder vom Zweiniveauatom aus. Der Laser sei
bezüglich des atomaren Übergangs ω12 um wenige Linienbreiten rotverschoben, d.h. ∆ω = ω L −
ω12 ≈ −Γ. Betrachten wir nun ein Atom, das die Laserstrahlung von beiden Seiten sieht, wie in
Abbildung 6.3 gezeigt.
2
ωL
1
v
1 ωL
2 ωL
Abb. 6.3: Prinzip der Dopplerkühlung.
Bewegt sich das Atom z.B. nach rechts, sieht es Strahl 2 durch den Dopplereffekt blauverschoben, Strahl 1 rotverschoben. Damit ist das Atom mit Strahl 2 stärker in Resonanz und
streut Photonen vorwiegend aus Strahl 2, erhält also einen Impulsübertrag entgegengesetzt seiner
eigenen Bewegung, es wird abgebremst. Das Atom wird mithilfe des Dopplereffekts lasergekühlt.
Dieses Schema kann leicht auf drei Dimensionen verallgemeinert werden, in dem man drei Paare
jeweils senkrecht einstrahlt. Dieser Aufbau heißt optische Melasse, und wurde 1985 von S.
Chu (Nobelpreis 1997) in den Bell-Labs realisiert (siehe Abb. 6.4). Wird das Atom langsamer,
wird der Streuratenunterschied zwischen den sechs Strahlen immer kleiner und man erreicht ein
Kühllimit bei
~Γ
.
(6.2)
kTDoppler =
2
Die Lebensdauer eines kalten Atoms (das Dopplerlimit bei Cs entspricht etwa 120µK) ist
bestimmt durch Stöße mit warmem Hintergrundgas. Solche Atome (T ≈ 300 K) sind so schnell,
dass praktisch jede Kollision mit einem kalten Atom zu dessen Verlust aus der Melasse führt.
Bei 10−9 mbar Vakuum kann man nur mit einer knappen Sekunde Aufenthaltsdauer in der
Melasse rechnen.
Optische Melasse übt eine geschwindigkeitsabhängige, aber ortunabhängige Kraft aus, deshalb
ist die Dichte der Melasse relativ gering. Im Folgenden soll eine ortsabhängige Kraft hinzugefügt
werden, um eine echte Falle zu konstruieren.
6.3. DER WEG ZUR MAGNETO-OPTISCHEN FALLE: LASERK ÜHLUNG
127
Abb. 6.4: Die Abbildung zeigt den “optischen Sirup”, den Phillip Gould und Paul Lett
hergestellt haben. Er erscheint am Schnittpunkt der sechs Laserstrahlen als heller Fleck. In der
Überlappzone wirken die sechs Laserstrahlen jeder atomaren Bewegung entgegen und dämpfen
diese so schnell, als ob sich die Atome gewissermaßen in einem Sirup befänden. Lasergekühlte
Natriumatome kommen von links in den Sirup-Bereich und sitzen dann fest. Ein kühlender
Laserstrahl bestrahlt einige Atome (oben). Quelle: Spektrum Sonderheft “Anwendungen des
Lasers”.
Ausnutzung der Lichtpolarisation: Das Prinzip der magneto- optischen Falle wird
am besten direkt an einem Bild erläutert (Abb. 6.5): Von links und rechts wird nun Licht
unterschiedlicher zirkularer Polarisation eingestrahlt, z.B. σ + von links und σ − von rechts
(Anmerkung: in der Atomphysik wird die zirkulare Polarisation als die Projektion des Photonenspins auf eine global definierte Quantisierungsachse definiert. Nimmt man die z.B. in der
Teilchenphysik übliche Definition der Händigkeit als Projektion des Spins bzgl. des linearen Impulses des Photons, hätten in diesem Bild beide Photonen die gleiche Händigkeit). Gleichzeitig
wird ein Magnetfeldgradient angelegt, der im Falle des hier gezeigten J = 0 → J = 1 Atoms
den angeregten Zustand ortsabhängig aufspaltet. Der nach wie vor rotverstimmte Laser ist
auf der rechten Seite mehr in Resonanz mit dem J = 0, m = 0 → J = 1, m = −1 Übergang,
dieser wird aber von σ − Licht getrieben, das von rechts kommt, analog wird ein Teilchen auf
der linken Seite nach rechts gedrückt, d.h. immer zum Punkt B = 0, der zur Fallenmitte wird.
Gleichzeitig ist der Laser aber immer noch netto rotverstimmt, die Dopplerkühlung findet also
auch noch statt. Also haben wir jetzt Orts- und Geschwindigkeitsabhängigkeit.
Im Falle dieser magneto-optischen Falle (MOT) ist es nicht so klar wie bei der Melasse, dass
eine Verallgemeinerung auf drei Dimensionen klappt, da man die Polarisation berücksichtigen
muss. Experimentell wurde dies aber eindrucksvoll 1987 von S. Chu und D. Pritchard (MIT)
demonstriert [Raab1987]. Ursprünglich kam die Idee von Jean Dalibard der Ecole Normale
Superieure in Paris. Bedingt durch ihren relative großen Einfangbereich und die Kühlung ist
die MOT der Ausgangspunkt für praktisch alle Fallenexperimente.
128
KAPITEL 6. FALLEN UND KÜHLUNG FÜR NEUTRALE ATOME
ω
1
1
0
-1
ω Laser
σ+
σ−
B
0
0
x
J
m
Abb. 6.5: Prinzip der eindimensionalen magneto-optischen Falle MOT. Quelle: Doktorarbeit,
G. Gwinner, Stony Brook, NY 1995.
Quantitative Betrachtung in einer Dimension:
sich für den Fall schwacher Sättigung angeben als:
FMOT =
=
Die Kraft auf ein Atom in der MOT lässt
∆p
∆t 

~kΓ 
S0
S0
 .
−
4(∆ω−~k·~v −βx)2
4(∆ω+~k·~v +βx)2
2
1 + S0 +
1
+
S
+
0
Γ2
Γ2
(6.3)
Der Faktor vor der Klammer stellt die Kraft auf das Atom in Resonanz dar, entsprechend
einer Streurate eines Photons alle zwei spontane Lebensdauern, d.h. bei Sättigung = 1. In der
Klammer stehen die Beiträge von den zwei Lasern. Die Lorentzprofile entsprechen denen aus
dem Kapitel über Sättigungsverbreiterung, sie sind ergänzt durch den Einfluss des Doppler- und
Zeemaneffekts auf das Detuning, d.h.
∆ω → ∆ω ± ~k · ~v ± βx ,
(6.4)
wobei βx den Zeemaneffekt im räumlich konstanten Magnetfeldgradienten repräsentiert. Es
ist noch anzumerken, dass man für schwache Sättigung, d.h. S 0 < 1 die Nenner entwickeln
kann und in dieser Näherung das Fallenpotential der MOT einem gedämpften harmonischen
6.3. DER WEG ZUR MAGNETO-OPTISCHEN FALLE: LASERK ÜHLUNG
129
Oszillator entspricht.
Nun muss noch ein optimales Detuning des Lasers und der Magnetfeldgradient gefunden
werden. Ist ∆ω zu groß, so werden zu wenig Photonen gestreut, und die Lichtkraft ist schwach.
Ist es zu klein, können Atome mit großer Anfangsgeschwindigkeit nicht erreicht werden. Typischerweise verwendet man ein Detuning von ein bis zwei natürlichen Linienbreiten Γ und einen
Gradienten von etwa 10 Gauß/cm. Eine weitere Bedingung zum Einfang schneller Atome ist,
dass die Durchflugstrecke lang genug zum Abstoppen sein muss, ehe das Atom die MOT wieder
verlässt. Daraus ergibt sich die Forderung nach großen Laserstrahlen und hoher Laserintensität.
Als Beispiel ist in Abb. 6.6 die Dopplerkraft für das schwerste Alkali Francium gezeigt.
Abb. 6.6: Beispiel der Kühlkraft, bzw. die daraus resultierende Beschleunigung(in m/s 2 ), für
Francium. Zum einen sind die Beschleunigungen enorm, zum anderen ist der Fangbereich von
etwa 10 m/s sehr klein zur typischen Geschwindigkeit im Franciumatomstrahl (200 m/s).
In Figur 6.7 ist der Bruchteil der einfangbaren Atome in einer thermischen Verteilung in
Abhängigkeit von der maximalen Falleneinfangsgeschwindigkeit gezeigt. Generell kann man nur
einen sehr kleinen Bruchteil mit der MOT erreichen.
Typische Daten einer MOT:
• Zahl der gefangenen Atome: bis zu 10 10 , typisch 106 , aber auch einzelne Atome können
beobachtet werden.
• Teilchendichte ρ < 1011 cm−3 .
• Durchmesser der Falle: sub-mm bis 1 cm, je nach Zahl der geladenen Atome.
• Temperatur der Atome: TDoppler ≈ 100 µK.
130
Fraction of atoms below v
KAPITEL 6. FALLEN UND KÜHLUNG FÜR NEUTRALE ATOME
0
10
-1
10
-2
10
-3
10
-4
10
-5
10
-1
0
10
10
v/v
thermal
Abb. 6.7: Bruchteil der einfangenen Atome als Funktion der maximalen Fanggeschwindigkeit
v der MOT. Zwei der stärksten MOTs, S. Chus Cs-MOT und die Fr-Falle von G. Gwinner,
erreichen Fanggeschwindigkeiten von v/v w ≈ 0.2. Selbst in diesem Fall kann man nur etwa
1/200 aller Atome erreichen. Diodenlaserbetriebene Fallen haben in der Regel v/v w < 0.1.
Quelle: G. Gwinner, ca. 1995.
Abb. 6.8: Photo einer Na-MOT am NIST, Washington DC aus der Gruppe von W.D. Philips
(Nobelpreis 1997). Die Na-Atome sind im Zentrum der MOT zwischen dem flachen Spulenpaar,
welches den Magnetfeldgradienten erzeugt, als heller Lichtpunkt (ca. 1 mm Durchmesser) zu
erkennen. Die Fluoreszenz vom MOT-Laserstrahlenpaar (ca. 1 cm Durchmesser) ist zu schwach,
um im Bild sichtbar zu sein.
6.4. EINIGE TECHNISCHE DETAILS ZUR MOT
131
• Kollisionsbedingte Lebensdauer in der Falle: 1 sec bei 10 −8 mbar Vakuum bis Stunden bei
10−12 mbar. Lädt man zuviele Atome, sinkt die Lebensdauer jedoch durch falleninterne
Stöße.
• Atomsorten: alle Alkalis, ansonsten noch Edelgase in metastabilen Zuständen, einige
Erdalkalis, leider ist Wasserstoff wegen der Wellenlänge kaum zu machen.
Anmerkung: Bald nach der Erfindung der MOT wurde festgestellt, dass die gemessenen
Temperaturen in der Falle deutlich unter dem von der Dopplertheorie vorhergesagten Limit
lagen, zumindest bei Cs und Na; hier fand man Temperaturen deutlich unter 100 µK. Dies
ist einer der (leider) seltenen Fälle, wo man mehr bekommt als man ursprünglich wollte. Die
Erklärung dieser kälteren Temperaturen hat mit Lichtpolarisationsgradienten in der Falle zu
tun und sprengt den Rahmen dieser Ausführung, Details findet man z.B. in [Arim1991].
6.4
Einige technische Details zur MOT
Der Rückpumper: Um eine große spontane Kühlkraft zu erhalten, muss man einen
geschlossenen Übergang wählen, wie er im Zweiniveauatom per Definition natürlich immer
vorhanden ist. “Echte” Atome sind komplizierter, und schon das Vorhandensein einer Grundzustandshyperfeinaufspaltung, was bei Alkalis immer der Fall ist, schafft Probleme, die aber
relativ leicht zu lösen sind. Abbildung 6.9 illustriert dies im Falle von 87 Rb. Der Übergang
2 → 3 ist fast geschlossen, da durch die Auswahlregel ∆F = 0, ±1 der angeregte F = 3-Zustand
in den Ausgangszustand F = 2 zurückzerfallen muss. Bedingt durch die Linienbreite im Atom
und des Lasers kann es aber gelegentlich passieren, dass man 2 → 2 anregt, dann ist aber ein
Zerfall in den F = 1-Grundzustand möglich, das Atom wird “dunkelgepumpt”. Legt man nun
einen “Rückpumplaser” auf 1 → 2, werden diese Atome dem 2 → 3-Zyklus wieder zugeführt.
Effizientes Laden:
• Abbremsung eines Atomstrahls mit einem “Zeeman-Slower” (siehe Abb. 6.10). Dem Atomstrahl läuft ein Laserstrahl entgegen. Um ihn während des Abbremsens in Resonanz mit
den langsamerwerdenden Atomen zu halten, wird die atomare Resonanz in einem konischen Solenoid mithilfe des Zeemaneffekts entlang der Flugstrecke variiert. Für Natrium
ist ein Zeeman-Slower etwa 80 cm lang.
• Dampfzellen-MOT: die MOT befindet sich innerhalb einer Dampfzelle, die mit einem
Dampf des gewünschten Elements gefüllt wird (p < 10 −8 mbar). Die MOT fängt dann die
Atome, die in der Maxwell-Boltzmann-Verteilung unterhalb der Einfangsgeschwindigkeit
liegen. Diese Atome werden also dem Dampf entzogen, der Rest wird durch Stöße wieder
in eine Maxwell-Boltzmann-Verteilung evolvieren, von der wieder die langsamen Atome
abgezapft werden können.
6.5
Weitere Fallen
Die magneto-optische Falle hat auch gravierende Nachteile:
• starke Lichtstreuung, die Atome befinden sich ständig in resonantem Licht im Bereich der
Sättigung
• Magnetfeldgradient, dies schließt viele Präzisionsmessungen in der MOT aus.
132
KAPITEL 6. FALLEN UND KÜHLUNG FÜR NEUTRALE ATOME
F
3
267 MHz
2
5p3/2
157 MHz
1
72 MHz
0
Rückpumper (schwach)
Kühllaser (stark)
D2 Linie
780 nm
2
5s1/2
6 GHz
1
Abb. 6.9: Prinzip des Rückpumplasers.
Deshalb wird die MOT oft nur zur Produktion kalter Atome eingesetzt. Zur eigentlichen
Messung werden dann die Atome in andere Fallen umgeladen.
6.6
Optische Dipolfallen
Dieser Fallentyp wurde zuerst mit makroskopischen, dielektrischen Kügelchen realisiert (A.
Ashkin, Bell Labs, 70er Jahre). Die auf das Kügelchen ausgeübte Kraft ist anschaulich
verständlich und das Prinzip ist in Abbildung 6.11 erläutert. Ein Teilchen mit einem bzgl.
der Umgebung größeren Brechungsindex wird in das Intensitätsmaximum des Strahls hineingezogen. Mit einem fokussierten Strahl, wie in Abb. 6.11 gezeigt, kann man ein dreidimensionales,
lokales Intensitätsmaximum realisieren (zur Erinnerung: dies war mit statischen elektrischen
Feldern nicht möglich, hier handelt es sich jedoch um elektrische Wechselfelder).
Abb. 6.12 zeigt wie ein Kügelchen (heller Punkt rechts oben) vom Laser in der Schwebe gehalten wird. Um die Adhäsion an der Küvettenoberfläche zu überwinden, werden die Kügelchen
vom Boden mit einem Piezokristall losgerüttelt.
6.6. OPTISCHE DIPOLFALLEN
133
Abb. 6.10: Die Abbildung zeigt schematisch die Apparatur zum Kühlen eines Atomstrahls und
für den magnetischen Einschluss neutraler Atome. Ein Strahl von Natriumatomen wird beim
Durchlaufen eines Solenoids abgebremst, indem man ihm einen Laserstrahl entgegenschickt. Die
Messung der Geschwindigkeitsverteilung der Atome und deren laserinduzierte Veränderungen
geschieht durch Sammlung und Aufzeichnung des Fluoreszenzlichts von Atomen, die durch einen
zweiten, schwachen Probenlaser angeregt werden. Der Strahl dieses Hilfslasers verläuft nahezu
parallel zum Atomstrahl. Wegen der Doppler-Verschiebung des Abtaststrahls bestimmt die
atomare Geschwindigkeit dessen Absorptionsgrad und damit auch die Intensität der Fluoreszenz.
Deren Abhängigkeit von der Frequenz des Probenslasers spiegelt die Geschwindigkeitsverteilung
der Atome wider. Das Magnetfeld, das die beiden Fangspulen erzeugen, vermag nur sehr
langsame Atome einzufangen. Die eingefangenen Atome bewegen sich so, als ob sie eine Temperatur von 10 Millikelvin besäßen - knapp oberhalb des absoluten Nullpunkts. Quelle: Spektrum
Sonderheft “Anwendungen des Lasers”.
Anwendung der optischen Dipolfalle in der Biologie: Die optische Dipolfalle hat als
’Optische Pinzette’ Einzug in die Biologie und Medizin gehalten. Dies ist in der Abbildung 6.13
erläutert.
Optische Dipolfalle für atomare Teilchen: Hier bedienen wir uns wieder des klassischen
Modells der durch das elektrische Feld des Laserstrahls erzwungenen Schwingung des Elektrons.
Liege die erste Anregungsfrequenz des Atoms bei ω 0 . Befindet sich die Laserfrequenz unterhalb
ω0 , hat man einen Phasenverschub φ zwischen Anreger (Laserfeld) und Elektron kleiner als
π/2, d.h. die Wechselwirkungsenergie W = −|d||E| cos φ ist negativ, wobei d~ das induzierte
Dipolmoment ist. Folglich erfährt das Atom eine Kraft in Richtung ansteigender Lichtintensität
in dieser rotverschobenen Falle. Analog sind für Laserfrequenzen oberhalb von ω 0 die Welle und
das induzierte Dipolmoment gegenphasig, d.h. W = −|d||E| cos φ > 0, somit wird das Atom aus
dem Lichtfeld in der blauverschobenen Falle herausgedrückt. Mit stark fokussierten Laserstrahlen
kann man Fallentiefen entsprechend Teilchentemperaturen von etwa 1 mK erreichen, deshalb
muss man optische Dipolfallen indirekt, etwa durch die MOT, laden. Das wesentliche Merkmal
der Dipolfallen ist die Tatsache, dass das Licht nichtresonant ist, das heißt, das Atom streut
(fast) keine Photonen und die spontane Emission wird extrem reduziert. Das Atom wird quasi
“in Ruhe gelassen”, im Gegensatz zur MOT, wo man einen atomaren Übergang geradezu sättigt.
Deshalb sind optische Dipolfallen potentiell sehr geeignet für Präzisionsmessungen.
134
KAPITEL 6. FALLEN UND KÜHLUNG FÜR NEUTRALE ATOME
Abb. 6.11: Prinzip der optischen Dipolfalle. Der Brechungsindex des Teilchens ist ausschlaggebend dafür, ob es in den Laserstrahl hinein- oder aus ihm herausbewegt wird. Ist der
Brechungsindex größer als das umgebende Medium (oben), so wird das Teilchen zur Strahlachse
gelenkt: Die Lichtbrechung, die hier stellvertretend für zwei typische Strahlen a und b dargestellt
ist, erzeugt Kraftkomponenten (Fa und Fb ), aus denen insgesamt eine zur Strahlachse gerichtete
Komponente resultiert (Fa ist größer als Fb ). Wenn das Teilchen einen niedrigeren Brechungsiondex hat als seine Umgebung, kehrt sich das Kräfteverhältnis gerade um (unten): Jetzt erzeugt
der Lichtstrahl a eine nach außen gerichtete Kraft F a , die größer ist als die nach innen gerichtete
Komponente Fb durch den Strahl b. In Bezug auf die Einfallsrichtung von a und b ergibt sich
in beiden Fällen dieselbe Komponente. Quelle: Spektrum Sonderheft Anwendungen des Lasers.
Verschiedenen Typen von Dipolfallen:
• FORT (far-off-resonance trap): dies war die erste erfolreiche Dipolfalle, gebaut von D.
Heinzen, University of Texas, Austin 1993. Hier wurden ungefähr 10 3 − 104 85 Rb Atome
im 10 µm weiten Fokus eines 65 nm rotverstimmten Lasers gefangen. Trotz der geringen
Anzahl von Atomen betrug die Dichte 10 12 cm−3 , also deutlich mehr als in der MOT, die
zum Laden verwendet wurde. Die Streurate für Photonen betrug lediglich 100 pro Sekunde,
im Vergleich zu etwa 107 in der MOT. Zu erwähnen sei noch, dass die Fokusfallen ein sehr
unterschiedliches Fallenpotential in radialer und axialer Richtung haben, da radial die
Lichtintensität sehr schnell abfällt, typischerweise hat man ein Gauß-Profil.
• QUEST (quasi-electrostatic trap): der Extremfall einer rotverstimmten Falle, entwickelt
von R. Knize (University of Southern California), 1995. Hier wird ein CO 2 Laser bei
λ = 10.6 µm verwendet. Bei Atomen mit der niedrigsten Anregung im nahen Infrarot oder
Sichtbaren führt dies zu Streuraten von weniger als 0.001 pro Sekunde! Gefangen wurden
etwa eine Million Atome mit einem 20 W CO 2 Laser, fokussiert auf 0.1 mm (hier macht
6.6. OPTISCHE DIPOLFALLEN
135
Abb. 6.12: Falle für ein makroskopisches Kügelchen. Quelle: Spektrum Sonderheft Anwendungen des Lasers.
sich bereits die große Wellenlänge bemerkbar). Die Fallentiefe betrug nur 115 µK.
• Blauverschobene Pyramidenfalle von S. Chu, Stanford. Mithilfe von zylindrischen Linsen
wurden flache Lichtblätter (light sheets) erzeugt und gekreuzt, wie im Bild 6.14 gezeigt.
Die Idee hier ist, dass die Atome aus dem Lichtfeld herausgedrückt werden und deshalb
wenig Photonen streuen, ohne dass man so extreme Verstimmungen wie beim CO 2 Laser
nehmen muß. Na Atome (λ = 589 nm) wurden mit einem Ar-Laser (16 W auf den 514 nm
und 488 nm Linien) gefangen, das Strahlprofil war 15 µm×1 mm. Die Abstoßung entsprach
einem Potential von 100 µK, etwa 3000 Atome wurden beobachtet.
• Blauverschobene Falle mit einer evaneszenten Welle. In Dipolfallen ist es offensichtlich
wichtig, starke Lichtintensitätsgradienten zu verwenden. Selbst bei einem extrem
fokussierten Strahl (typisch einige µm Durchmesser im Fokus) erstreckt sich der Abfall
der Intensität über etliche Wellenlängen. Eine elegante Methode zur Erzeugung extrem
steiler Lichtgradienten ist die Verwendung von evaneszenten Wellen: wird ein Lichtstrahl
an einer Oberfläche totalreflektiert, erstreckt sich das Lichtfeld ein kleines Stück über die
Oberfläche hinaus, und fällt exponentiell mit einer charakteristischen Länge von ≈ λ/2π
ab. Dies ist in Abb. 6.15 anhand der gravito-optische Falle GOST illustriert. Die Atome
werden aus der MOT fallengelassen und hüpfen dann auf der evaneszenten Welle wie
auf einem Trampoline. Damit sie nicht seitlich entweichen, wird die Falle mit einem
blauverstimmten Hohlstrahl umgeben, diese Anordnung ist dem in der Quantenmechanik
theoretisch so viel verwendeten Kastenpotential sehr ähnlich.
136
KAPITEL 6. FALLEN UND KÜHLUNG FÜR NEUTRALE ATOME
Abb. 6.13: Quelle: Optische Dipolfallen, [Weid1999].
6.6. OPTISCHE DIPOLFALLEN
137
Abb. 6.14: Blauverstimmte invertierte Pyramidenfalle. Die V-förmigen Flächen werden von den
Laserstrahlen gebildet, die Gravitation drückt die Atome von oben in die invertierte Pyramide.
Quelle: [Lee1996].
Abb. 6.15: Kühlung von Atomen in einer gravito-optischen Oberflächenfalle (GOST). Die Falle
besteht aus einem horizontalen Atomspiegel, der durch eine blau-verstimmte evaneszente Welle
gebildet wird, und harten vertikalen Wänden, die durch einen blau-verstimmten Hohlstrahl
entstehen (links). Geladen wird die Falle aus einer magnetooptischen Falle (MOT). Durch
inelastische Reflexionen verlieren die Atome kinetische Energie, bis sie sich schließlich knapp
oberhalb der Prismenoberfläche ansammeln. Im Graphen ist der zeitliche Verlauf der vertikalen
und horizontalen Temperatur dargestellt. Quelle: [Weid1999].
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