Den Letzten beißen die Hunde

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Den Letzten beißen die Hunde
Ein Artikel von Ottmar Beck (Alltrust AG)
Europa hat gewählt, die Euro-Skeptiker und Rechten gehen aus der Wahl gestärkt hervor. England
und Frankreich, die zu den wirtschaftlich wichtigsten Ländern der EU gehören, haben eine starke
antieuropäische Fraktion bekommen. Besorgniserregend ist die Tatsache, weil die Regierungen
dieser zwei großen EU-Staaten nach der Europa-Wahl destabilisiert und in ihrer Handlungsfähigkeit
eingeschränkt sind. Frankreichs Präsident Hollande entwickelt sich zum Totalausfall und der Brite
David Cameron hat ebenfalls kaum mehr Spielraum. Eine Blockade droht nicht im EU-Parlament,
sondern in Zukunft wohl immer dann, wenn die Staats- und Regierungschefs oder ihre Minister
zusammenkommen. Im Ergebnis heißt das: Der Zusammenhalt in Europa wird schwieriger.
Als Ergebnis hat der DAX® paradoxerweise letzte Woche einen neuen historischen Höchststand
erreicht. Es dürfte sich also fortsetzen, dass den Sparern Kaufkraft zugunsten der Kreditnehmer
entzogen wird. Es kann zwar von Liquiditätsmangel keine Rede sein, aber die Europäische
Zentralbank (EZB) will die Sparanreize zugunsten des Konsums weiter schwächen.
William White, der frühere Chefökonom der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in
Basel, hielt im April einen Vortrag in Zürich, dem ich dankenswerterweise beiwohnen konnte. Die
BIZ gilt als „Bank der Zentralbanken“. Sie nimmt eine Schlüsselrolle bei der Kooperation der
Zentralbanken ein. Die Treffen der Zentralbank-Präsidenten in Basel sind legendär, da bisher noch
nie ein Ergebnis dieser Treffen nach außen drang. Die BIZ verwaltet Teile der internationalen
Währungsreserven. Als weitere Aufgabe engagiert sie sich als Zentrum für Forschung im
Wirtschafts- und Finanzbereich. Herr White gab folgendes Statement ab: „Die Wahrheit ist: Niemand
hat jemals das gesehen, was sich heute abspielt. Nicht einmal in der Großen Depression in den
dreißiger Jahren war die Geldpolitik so expansiv wie heute. Und wenn man sich die Details der
heutigen Geldpolitik der Zentralbanken anschaut, muss man feststellen: Es ist alles ein großes
Experiment. Ich selbst bin sehr beunruhigt über jede Art von Politik, die sich so verhält.“ Er führte
weiter aus: „Außerdem hat sich die Motivation der Fed komplett verändert. Beginnend mit dem
Versuch, die Wirtschaft wieder in Bewegung zu setzen, hat sie plötzlich und bewusst die
Vermögenswerte inflationiert. Das Ziel ist, den Menschen das Gefühl zu geben, sie sind reich, damit
sie mehr Geld ausgeben und das Ganze wiederum die Wirtschaft in Bewegung setzt. Ganz offen
gesagt, ich glaube nicht, dass es funktionieren wird, und ich denke, es ist extrem gefährlich.“ Herr
White bemerkte weiter: „Das alles sieht aus und fühlt sich an wie 2007 und ich denke, es ist
schlimmer als 2007. Zu dieser Zeit war es ein Problem der entwickelten Länder. Aber in den letzten
fünf Jahren haben auch die Schwellenländer diese Geldpolitik adoptiert und ihre Staatsverschuldung
ist gewachsen. Die Schwellenländer haben sich von einer Teillösung des Problems zu einem Teil des
Problems entwickelt.“ Seine letzte Bemerkung in dem Vortrag war: „Ich spreche mit vielen Anlegern,
die glauben, sie sind absolut brillant und können zur rechten Zeit aus den Märkten aussteigen. Das
Problem ist allerdings, das alle das glauben. Und wenn jeder zur selben Zeit durch die Ausgangstür
will, werden wir große Probleme haben.“
Wie schlimm die Situation inzwischen ist und wie der Bürger an der Nase herumgeführt wird, zeigt
sich im Moment in Italien. Bereits heute wird die Schattenwirtschaft, die keine Steuern zahlt, in die
Zahlen des Bruttoinlandsprodukts (BIP) eingerechnet. Die letzte Schätzung liegt aus dem Jahr 2008
mit einem Wert von ca. 17 Prozent des BIP vor. Laut einer Bloomberg-Meldung werden 2014
erstmalig die Umsätze der Prostitution und des illegalen Drogenhandels in das BIP eingerechnet
werden. Die Bank von Italien hat 2012 den Wert der kriminellen Wirtschaft auf ca. 10,9 Prozent des
BIPs geschätzt. Wegen dieser geschätzten Umsätze wird sich das BIP in Italien erhöhen. Alle
Kennzahlen in Hinblick auf Schuldenerhöhung und der Gesamtverschuldung von Italien werden
verbessert. Damit kann Herr Renzi in diesem Jahr höhere Ausgaben veranlassen.
Wie heißt es doch so schön: Den Letzten beißen die Hunde. Der Anteil von Aktien an den
Vermögenswerten der US-Haushalte hat jetzt, abgesehen vom Ende der neunziger Jahre, die
höchste Konzentration erreicht.
Inzwischen liegt die Dividendenrendite des S&P Composite (circa 95 Prozent aller amerikanischen
Aktien) nur noch bei 1,96 Prozent. Eine so niedrige Zahl gab es bisher noch nie. Mit einer
Dividendenrendite dieser Größenordnung ist der Markt – gemessen an den historischen Standards –
sehr teuer und Käufer werden in der näheren Zukunft kaum Gewinne machen
Vielleicht ist es im Moment die beste Strategie, nichts zu tun. Allerdings stehen viele
Vermögensverwalter unter dem Druck, Entscheidungen treffen zu müssen. Dafür sorgt oft schon die
Orientierung an einer Messlatte (Benchmark), die mit Sicherheit den Herdentrieb fördert. Ein
Vermögensverwalter weiß, dass er in Schwierigkeiten geraten kann, wenn er alleine schiefliegt. Sollte
er aber zusammen mit der Branche schiefliegen, werden ihm die schlechten Anlageergebnisse meist
verziehen. Das hat zur Folge, dass viele mit der Herde ziehen und Anlagen kaufen, von denen sie
eigentlich gar nicht überzeugt sind.
Die grundsätzliche Antwort für eine Anlagestrategie in diesem Umfeld heißt: Verteilen Sie Ihr Geld und
halten Sie die Risiken möglichst klein. Ergänzend sei vor dem Klumpenrisiko gewarnt, etwa vor der
Konzentration auf Aktien aus bestimmten Branchen oder vor einem zu hohen Immobilienanteil.
Auch wenn wir durch eine vorsichtige Anlagestrategie im Moment keine Bäume ausreißen werden,
liegen wir jedoch langfristig genau da, wo wir liegen wollen: nämlich zwischen der Wertentwicklung
von europäischen Aktien und festverzinslichen Wertpapieren.
30.05.2014
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