Entropie, Zeitpfeil, Boltzmann und Maxwells Dämon

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Entropie, Zeitpfeil, Boltzmann und Maxwells Dämon Der zweite Hauptsatz der Wärmelehre erklärt, dass Vorgänge in eine bestimmt Richtung (von selbst) ablaufen und nicht umgekehrt. Dahinter verbirgt sich eine auf Statistik beruhende Gesetzmäßigkeit, die Vorgänge immer in Richtung des wahrscheinlichsten Zustands führen, und dies ist der Zustand größter Unordnung. Jedem, der ein Zimmer bewohnt, ist dies intuitiv klar. Socken und andere Sachen haben das Bestreben die Gleichverteilung anzunehmen und dies ist auch der Zustand größter Unordnung. Von selbst würde sich das wohl nicht ändern, sodass nur unter Aufwand von Energie (und Information) ordnender Kräfte wieder die Ordnung hergestellt werden kann. Unsere physikalischen Gesetze haben eigentlich auch keinen Zeitpfeil. Zum Beispiel kann ein reibungsfreier Wurf genauso stattfinden, wenn man die Zeit rückwärts ablaufen lassen würde, etwa wie in einem Film der einfach rückwärts abgespielt wird. Die Dinge ändern sich allerdings grundlegend, wenn man Gegenstände mit einer großen Anzahl von Einzelteilen, etwa ein mit Rotwein gefülltes Riedelglas fallen sieht. Beim Aufschlag zersplittert es in tausende Scherben, seinen Inhalt über den teuren weißen Teppich verspritzend. Diesen Film rückwärts betrachtet empfindet niemand als normal, vielmehr halten wir dies für so unmöglich, dass man an Zauberei glauben müsste, würden sich diese zahllosen Scherben wieder in ein ganzes Weinglas zusammenfügen und sich auch der Rotwein aus dem weißen Teppich lösen und wieder brav ins Glas zurückschwappen würde. In der Werbung will uns gerne mancher Werbeträger diese magischen Fähigkeiten vorgaukeln. Dennoch vom Prinzip her wäre dies möglich, wenngleich es wohl in fast unendlich vielen Universen niemals beobachtet werden würde. Der (makroskopische) Zeitablauf scheint Ordnung zu verzehren, Unordnung ist mit vergangener Zeit zu assoziieren. Zeit hat einen bestimmten Zeitpfeil, ob allerdings die Entropie dafür einzig verantwortlich ist, gilt aber als nicht gesichert. Der große österreichische Physiker und Philosoph Ludwig Boltzmann hatte sich um 1860 bis 1880, wie Maxwell (siehe später), mit der statistischen Verteilung der (damals hypothetischen) Moleküle und Atome eines Gases beschäftigt. Er fand eine statistische Beziehung zwischen dem Entropiebegriff aus der Thermodynamik (Clausius) und der Anzahl der Konfigurationen, die ein Mehrkörpersystem (z.B ein Gas) annehmen kann. Demnach sind geordnete Konfigurationen (Verteilungen der einzelnen Moleküle im betrachteten Raum) extrem selten gegenüber den ungeordneten Konfigurationen (Zustände), wodurch sich die Richtung der Entwicklung des betrachteten Systems ergibt. Gegen diese Überlegungen brachte Johann Loschmidt (1876) das Beispiel vor, in dem bei allen beteiligten Molekülen, zu einem bestimmten Zeitpunkt, die Richtungen der Bewegungen umgekehrt werden. Dies führt zu unserem Weinglasbeispiel mit rückwärtslaufendem Film. (ok. man benötigt auch die abgestrahlten Photonen und Phononen). Er argumentierte, dass der Zustand des Systems E. WAGNER, TGM 2014 Seite 1 zunächst ebenso ungeordnet sei, wie zuvor bei der Vorwärtsbewegung und dass das System dann genau in den Zustand geringer Entropie laufen müsste. Dabei haben sich der Energieinhalt des Systems und die Temperatur des Systems nicht geändert, wodurch keine Änderung der Entropie allein durch die Richtungsumkehr passiert ist. Es entstand ein Paradoxon, das sich die Physik lange nicht erklären konnte. Bis heute gilt es nicht als restlos geklärt. Allerdings spricht aber das extrem sensible Verhalten eines solchen Systems gegenüber (auch nur leicht) geänderten Anfangsbedingungen gegen Loschmidt. Hätte man die Geschwindigkeit, auch nur eines einzigen Moleküls (wenn auch nur extrem gering) fehlerhaft umgedreht, dann würde das System nicht mehr in den Anfangszustand niedrigster Entropie laufen. Wie man es auch dreht und wendet, es existieren extrem viel mehr Zustände, die als ungeordnet betrachtet werden können als geordnete. Maxwell war ein genialer Physiker, um 1860 herum, der die Gesetze der Elektrodynamik in ihre endgültige Form gebracht hatte und dabei entdeckte, dass elektromagnetische Wellen existieren und sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten. Er beschäftigte sich auch mit anderen Themen, wie der statistischen Geschwindigkeitsverteilung von Gasmolekülen und mit der Entropie. Sein Gedankenexperiment, unter dem Namen Maxwells Dämon bekannt geworden, war für die Physik bis tief ins 20. Jahrhundert ein Rätsel. Dabei wird ein perfekt isolierter Raum mit einer Trennwand versehen, wo es nur eine kleine Türe gibt. Bei der Tür sitzt ein Wesen (besagter Dämon), das die Geschwindigkeiten der heranfliegenden Moleküle misst. Ist eines schneller als der Durchschnitt (festgelegt durch die Temperatur des Raumes) lässt er dieses von rechts nach links passieren, sonst nur von links nach rechts. Damit sinkt in der rechten Kammer die Temperatur, während sie in der linken Kammer steigt. Die Entropie ist offensichtlich gesunken. Ein Vorgang, der stark an einen Kühlschrank erinnert, wenngleich dort die gesamte Entropie immer steigt und ein Energieeinsatz zur Kühlung nötig ist. Nicht so hier; der Dämon ist eine ordnende Kraft, die die Entropie reduziert, scheinbar ohne Energie aufzuwenden. Erst mit der Informationstheorie kam hier eine Erklärung zustande, auch Information ist mit Entropie verbunden und nicht nur Energie. Information kann (wenn sie bereits angewandt wurde) als beseitigte Unsicherheit betrachtet werden oder aber auch (wenn sie noch offen ist) als ein Maß an Unsicherheit, die es zu überwinden gilt. So kann man Information (die aufgewandt werden muss) auch als ein Maß sehen, um Unordnung zu beheben, womit sich eine Verbindung zum Begriff der Entropie (Shannon) ergibt. Nach Shannon ist die Entropie einer Nachrichtenquelle gleich das nicht unterschreitbare Mindestmaß an (mittlerer) Information (pro Zeichen) zur eindeutigen Kodierung. Tatsächlich hatten Physiker (Landauer, Bennett) Erklärungen gefunden, die jede Informationsänderung auch mit einem Mindestmaß an Energie-­‐ bzw. Entropieänderungen versehen, sodass nun wieder die gesamte Entropie nicht mehr sinken kann. Jedoch ist der genaue Beweis dazu noch offen, zumindest gibt es gegen die Beweisführung den Vorwurf des Zirkelschlusses. Dennoch, aus diesem Blickwinkel ist Loschmidts Einwand gegen Boltzmann weitestgehend entkräftet. Betrachtet man das System wieder unter dem Blickwinkel des Informationsaufwandes, der hier offensichtlich nötig war, um jedes Molekül exakt in seiner Richtung umzudrehen, dann E. WAGNER, TGM 2014 Seite 2 steckte darin eine enorme Entropiezufuhr (genau genommen sogar unendlich) im Gesamtsystem. In Teilsystemen kann die Entropie abnehmen, nicht aber im Gesamtsystem. Auch Maxwells Dämon konnte mit der Einbindung der Information in den Entropiebegriff in das Reich der Mythen verräumt werden. Anhang A: Boltzmanns Entropiebegriff Boltzmanns Analyse geht von davon aus, dass eine bestimmte Konfiguration (Anfangsbedingung) des Systems (fast immer) in eine Folge von Konfigurationen führt, die die Gleichverteilung anstreben. Beispiel abgeschlossenes System mit perfekt isolierten Wänden, die auch ideal reflektieren. Der Einfachheit halber nimmt man an, dass in einem Raumelement (kleine Kästchen) nur ein einziges Partikel sein kann. Am Anfang liege eine Konfiguration vor, wo alle Partikel im linken oberen Bereich liegen können. Als starke Vereinfachung haben wir den tatsächlichen Zustand des Systems jetzt gar nicht betrachtet, denn da müssten wir nicht nur den Ort jedes Teilchens sondern auch die Geschwindigkeit jedes Teilchens angeben. Wir nehmen bei dieser Vereinfachung stillschweigend an, dass alle Konfigurationen gleich wahrscheinlich sind. ⎛ n ⎞
⎝ k ⎠
Für den linken oberen Bereich (orange gezeichnet) gibt es demnach ⎜⎜ ⎟⎟ Konfigurationen, die k Kugeln auf die n Felder zu verteilen. Lässt man den Teilchen Zeit, so werden sie sich über den ganzen (abgeschlossenen) Bereich verteilen, ⎛ N ⎞
⎟⎟ mögliche Konfigurationen ergeben. (In unserem Beispiel sind n = 16, k = 5 und N k
⎝ ⎠
wodurch sich ⎜⎜
= 192). E. WAGNER, TGM 2014 Seite 3 ⎛ N ⎞
N!
N!
⎜⎜ ⎟⎟
k
(
)
N
−
k
!
⋅
k
!
n! Das Verhältnis der beiden Möglichkeiten ist q = ⎝ ⎠ =
=
(
n
!
N
− k )!
⎛ n ⎞
⎜⎜ ⎟⎟
(n − k )!⋅k! (n − k )!
⎝ k ⎠
Mit der Stirlingschen Formel, die für großes n als gute Näherung gilt: n
⎛ n ⎞
n!= 2 ⋅ π ⋅ n ⋅ ⎜ ⎟ lim
⎝ e ⎠
n →∞
n
n−k
N N ⋅ (n − k )
q≈ n
N −k
n ⋅ (N − k )
⎛ k ⎞
− k + 0.5
⎜1 − ⎟
0.5
N ⋅ (n − k ) ⎝ n ⎠ ⎛ N ⎞ ⎛ (n − k ) ⎞
⎟⎟
⋅
=
⋅
⎟ ⋅ ⎜⎜
N ⎜
n ⋅ (N − k ) ⎛
k ⎞ ⎝ n ⎠ ⎝ (N − k ) ⎠
⎜1 − ⎟
⎝ N ⎠
Üblicherweise ist N und n >> k. n
n
⎛ k ⎞
⎛ k ⎞
⎜1 − ⎟
⎜1 − ⎟
0.5
− k + 0.5
k
n ⎠ ⎛ N ⎞ ⎛ n ⎞
n ⎠ ⎛ N ⎞
⎝
⎝
q≈
⋅
=
⋅
⎟ ⋅ ⎜ ⎟
⎟ N ⎜
N ⎜
k ⎞ ⎝ n ⎠ ⎝ N ⎠
k ⎞ ⎝ n ⎠
⎛
⎛
⎜1 − ⎟
⎜1 − ⎟
N ⎠
N ⎠
⎝
⎝
N
N
1 ⎞
a ⎞
⎛
⎛
Mit der Beziehung lim ⎜1 + ⎟ = e ⇒ lim ⎜1 + ⎟ = e a folgt: N ⎠
N ⎠
n→∞ ⎝
n→∞ ⎝
n
⎛ k ⎞
⎜1 − ⎟
k
k
k
e −k ⎛ N ⎞ ⎛ N ⎞
n ⎠ ⎛ N ⎞
⎝
q≈
⋅
⎟ ≈ −k ⋅ ⎜ ⎟ = ⎜ ⎟ N ⎜
e ⎝ n ⎠ ⎝ n ⎠
k ⎞ ⎝ n ⎠
⎛
⎜1 − ⎟
⎝ N ⎠
Der Logarithmus ln (v) ist proportional zu Boltzmanns Entropieänderung. S=kB·∙ ln(M) Boltzmannsche Entropie kB … Boltzmannkonstante M … Möglichkeiten des Zustandes. q=
M2
M1
Entropieänderung ΔS: ΔS = k B ⋅ ln(q) = k B ⋅ k ⋅ (ln N − ln(n)) E. WAGNER, TGM 2014 Seite 4 Boltzmann hatte sich nicht darum gekümmert, ob wirklich alle Zustände dieses Mehrteilchensystems erreichbar sind. Er nahm eben an, dass alle Verteilungen gleich wahrscheinlich sind. Dazu sei auf den Anhang B verwiesen, wo ein extrem einfaches Beispiel untersucht wird, um zu zeigen wie sich (zufällige) Anfangsbedingungen innerhalb eines Kontinuums üblicherweise verhalten. Loschmidts Einwand gegen Boltzmanns statistische Entropie. Gegen Boltzmanns statistische Analyse brachte Johann Loschmidt (1876) das Beispiel vor, in dem bei allen beteiligten Molekülen, zu einem bestimmten Zeitpunkt, die Richtungen umgekehrt werden. Dies führt zu unserem Weinglasbeispiel mit rückwärtslaufendem Film. Dies würde auch beobachtet werden, wenn die Zeit negativ verläuft. Er argumentierte, dass der Zustand des Systems zunächst ebenso ungeordnet sei, wie zuvor bei der Vorwärtsbewegung und dass das System dann genau in den Zustand geringer Entropie laufen müsste. Dabei haben sich der Energieinhalt des Systems und die Temperatur des Systems nicht geändert, wodurch keine Änderung der Entropie allein durch die Richtungsumkehr passiert ist. Entropieverlauf in einem (abgeschlossenen) System S K
j
K0
K
1
K
2
t
Mit zunehmender Zeit steigt die Entropie zunächst an, bis sie den Sättigungswert erreicht. Dann bleibt sie konstant (nach der Idealvorstellung). Ausgehend von der Anfangskonfiguration K0 entwickelt sich die Entropie des Systems immer aufwärts. Nach der Folge von Konfigurationen K0, K1, K2, … , Kj möge ein Dämon in null Zeit sämtliche Teilchengeschwindigkeiten genau umdrehen. Das könnte er dadurch erreichen, indem er vor jedem Partikel eine kleine ideale Wand so platziert, dass das Partikel genau in die entgegengesetzte E. WAGNER, TGM 2014 Seite 5 Richtung reflektiert werden muss. Dabei müsste er diese einzelnen Wände so genau platzieren (ausrichten), dass die Abweichung Normalvektor Wand und Geschwindigkeitsvektor gegen Null geht. Dies erfordert allerdings unendlich viel Information, zumindest enorm viele Stellen (Zahlengenauigkeit) der Ausrichtungswinkel der Wände und somit zumindest enorm viel Information, dass sich der gewünschte Rückwärtseffekt einstellt. Somit wurde enorm viel Entropie aufgebracht, um den Prozess auf die umgekehrte Ereignisfolge Kj, …, K2, K1, K0 zu bringen. Intuitiv würde ich sagen mindestens so viel Entropie, wie in der Folge Kj bis K0 reduziert wurde. Dennoch ist mit dem Einwand nachgewiesen, dass es Situationen gibt in der sich die Entropie erheblich reduzieren kann, ohne Austausch mit der Umgebung. Allerdings sind diese Vorgänge extrem unwahrscheinlich. Um dies fest zu machen, betrachtet man ein System im thermodynamischen Gleichgewicht, also ein abgeschlossenes System das sein Entropiemaximum erreicht hat. Da sich das Teichengmisch hier ständig weiterbewegt entstehen kurzfristig Dichteschwankungen, wodurch auch die Entropie schwanken wird (um den nun konstanten Entropiewert). Daher rauscht der Entropiewert. Bei Rauschsignalen ist es so, dass sich die Amplituden des Rauschsignals exponentiell verteilen. Somit sind hohe Amplituden extrem unwahrscheinlich (bei der vorgegebenen Temperatur), das heißt man beobachtet entsprechend seltener höhere Amplituden. Eine extrem hohe Entropieänderung ist demnach astronomisch unwahrscheinlich. Damit ist das Ereignis, wie bei der Zeitumkehr, nahezu unmöglich, was den Zeitpfeil plausibel nur in die eine Richtung (in Systemen fern ab des thermodynamischen Gleichgewichtes) wirken lässt. Zugegeben obige Argumentation enthält einen Zirkelschluss, da (dieses) Rauschen ein thermodynamisch begründeter Vorgang ist und damit die extreme Seltenheit von hohen Schwankungen der thermodynamische dargelegt werden soll. In der Realität lässt sich das aber in vielen Fassetten messen (und damit beobachten). Auch Computersimulationen von solchen einfachen und extrem idealisierten Mehrteilchensystemen liefern keine Abweichungen, wenn die Teilchenzahl hinreichend groß ist. Das Gesetz der großen Zahlen fördert das auch. Allerdings ist anzumerken dass Computersimulationen neben den exakten Lösungen noch ein Rauschen überlagert haben. Das heißt nach einer genügend großen Anzahl von Kollisionen und Reflexionen steigt der Fehler der tatsächlichen (unendlich) exakten Lösung und der durch einen Rechner gewinnbaren Lösung. Die Bitgröße von Variablen ist immer beschränkt. Für die (unendlich) exakte Lösung wären aber immer unendlich viele Stellen der Zahlen erforderlich. Mit dem Fortschreiten der (Simulations-­‐) Zeit wächst demnach der Fehler (Abweichung von exakter zu gerechneter Lösung). Dieser Fehler pflanzt sich dabei nicht linear fort (bei den Kollisionen immer multiplikativ), sodass etwa linear mit der durchschnittlichen Simulationszeit die erforderliche Anzahl von Rechenstellen wachsen müsste, um keine signifikante Abweichung hervorzubringen. Das heißt: 10-­‐mal solange simuliert heißt z.B. 10 fache (erforderliche) Stellenanzahl der Zahlen. E. WAGNER, TGM 2014 Seite 6 Exponentielle Fehlerfortpflanzung Betrachten wir folgende idealisierte Anordnung: Auf einem ideal glatten Billardtisch seien n ideal runde und elastische Kugeln genau hintereinander in einem bestimmten konstanten Abstand voneinander aufgestellt. Auf die erste Kugel wird mit einem ebenfalls absolut idealen Billardstock ein gerader Stoß genau in diese Reihe ausgeführt. Die erste Kugel stößt daher genau zentral die Zweite und diese wiederum genau zentral auf die Dritte usw. Die letzte Kugel wird daher ebenfalls genau in dieselbe Richtung fliegen, die schon die erste Kugel hatte. K1 K2 K4 K3 Weicht allerdings die Stoßrichtung der ersten Kugel bei sonst gleich idealen Verhältnissen nur ganz geringfügig ab, (vielleicht nicht einmal messbar), dann ergibt sich folgender Zusammenhang: Flugrichtung Δy1 Δy2 a a K1 K2 K3 Δϕ1 E. WAGNER, TGM 2014 Seite 7 Somit weicht die erste Kugel K1 derart von der idealen Richtung ab, so daß sie die zweite Kugel in der y-­‐Richtung um Δy1 vom zentralen Stoßpunkt entfernt trifft. (Alle Kugeln haben den gleichen Durchmesser d). Für sehr kleine Winkeln Δϕ1 und a >> d gilt: Δy1 = a ⋅
Δϕ 1
2
Die zweite Kugel wird nun im Winkel Δϕ2 abgelenkt: Δϕ 2 =
2⋅ a
2 ⋅ a Δϕ 1 a
⋅ Δy1 =
⋅
= ⋅ Δϕ 1 d
d
2
d
Diese Formel wird nun bis zur letzten Kugel iteriert. Δϕ n =
n −1
a
⎛ a ⎞
⋅ Δϕ n −1 = ⎜ ⎟
⋅ Δϕ 1 ⎝ d ⎠
d
Man sieht, dass mit jedem Stoß der Fehler des Winkels um den Faktor Sei a
vervielfacht wird. d
a
= 3. Der Fehler Δϕ1 = 10-­‐2 O also Δϕ1 = 1.74⋅10-­‐4 rad. d
Dies würde bedeuten, dass bereits die neunte Kugel nicht mehr getroffen wird. Es gibt darüber hinaus keinen Billardspieler der eine Kugel mit Genauigkeit von einem Hundertstel eines Grades anzuspielen vermag. Alle Systeme, die eine exponentielle Fehlerfortpflanzung aufweisen, haben iterierbares Verhalten. Beim Beispiel der Billardkugeln endet die Iteration mit der letzten Kugel, bei rückgekoppelten E. WAGNER, TGM 2014 Seite 8 Systemen niemals. Die Systemgleichungen chaotischer Systeme sind daher miteinander verkoppelt, so dass diese Rückkopplung entstehen kann. Auch das Fehlerfortpflanzungsgesetz liefert daher Gründe dafür, dass die Kollisionen schnell das Bestreben haben eine bestehende Ordnung zu zerstreuen. Ein anderer Grund liegt in der Quantenmechanik. Nach Heisenberg ist es nicht möglich den Ort und den Impuls eines Teilchens genau zu messen. Daher sind Aussagen bezüglich des Zustandes eines Teilchens (Ort und Impuls) niemals genau möglich. E. WAGNER, TGM 2014 Seite 9 Anhang B: Bewegung eines Teilchens in einem rechtwinkeligen Bereichs Ein einziges ideales Teilchen bewege sich in einem ideal rechtwinkeligen Zeichenbereich. Es wird an den Wänden ideal reflektiert, sodass es sich nur auf Flugbahnen einer positiven Steigung kS oder der gleich groß negativen Steigung –kS bewegen können. Daher sind die beobachtbaren Bahnabschnitte zueinander parallel. b
x0 0 a
x
Zunächst wird die Frage gestellt, was die Bedingungen für periodische (geschlossene) Bahnkurven sind. Solche geschlossenen Bahnkurven erlauben es dem Teilchen nicht alle möglichen Punkte des Raumes zu erreichen, widersprechen also der Annahme, dass alle Raumpunkte erreichbar sind. Das wäre aber auch eine Einschränkung der Boltzmannschen Annahme, dass (fast) alle Zustände erreichbar sind. Zur Analyse wird die Anordnung etwas umgezeichnet: Der Bereich [0,a) wurde periodisch fortgesetzt. Die Reflexionen der Seitenwände wurden weggelassen. Von der unteren bis zur oberen Wand muss demnach das Teilchen die Höhe b überwinden. So ist der Unterschied zwischen zwei Reflexionen entlang der x – Achse (siehe Bild) Δx =
2⋅b
. Daher muss, zum Erreichen einer geschlossenen Kurve, gelten: kS
E. WAGNER, TGM 2014 Seite 10 xZ = x0 + K ⋅ Δx = x0 + K ⋅
Daher gilt x0 + N ⋅ a = x0 + K ⋅
2⋅b
was aber auch xZ = x0 + N ⋅ a ist. kS
Z b
2⋅b
woraus k S =
⋅ folgt. Z und N sind Elemente der natürlichen kS
N a
Zahlen (und endlich). N und Z sind nur durch 2 teilbar, sonst aber teilerfremd. Die Anzahl der Reflexionen ergibt sich dann nach: Anz = Z + N, ab der der Weg wieder geschlossen ist. Demnach, wenn q =
Z
Element der rationalen Zahlen ist, dann wird nach einer endlichen Anzahl N
Anz an Reflexionen die Bahnkurve geschlossen sein und nicht alle Punkte des Raumes sind so erreichbar. Ist hingegen q eine irrationale Zahl, dann ist Z und N nicht endlich, sodass kein periodischer Vorgang entsteht. Wenn man nun die Anfangsbedingungen zufällig wählt so wird die Wahrscheinlichkeit eine irrationale Zahl auszuwählen unendlich viel höher sein, als ein rationelles Verhältnis zu wählen. (Rationale Zahlen sind abzählbar (unendlich), während irrationale Zahlen nicht abzählbar (unendlich) sind). E. WAGNER, TGM 2014 Seite 11 
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