Gütiger Imperator

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Carlo Masala:
Gütiger Imperator
Hegemonialmacht oder Imperium:
Die amerikanische Empire-Debatte
Internationale Politik, Jg. 59, Nr. 10 (Oktober 2004),
S. 63–68
Carlo Masala, Privatdozent an der Universität Köln,
derzeit am NATO Defence College in Rom, setzt sich
mit der jüngsten Literatur über die neue Rolle der
westlichen Führungsmacht USA, den Übergang von
der Hegemonial- zur Imperialmacht auseinander.
Das Ziel der USA, die nach dem Ende der OstWest-Konfrontation eine herausragende Stellung im
internationalen System erlangten, ist es, diese nicht
nur zu behalten, sondern auszubauen und potenzielle Konkurrenten abzuschrecken, ihre Position herauszufordern, wie das dann auch konzeptionell in
der Nationalen Sicherheitsstrategie vom September
2002 zum Ausdruck kam. Die Anschläge des 11.
September 2001 seien für die amerikanische Regierung handlungsbestimmend gewesen, und weil die
imperialen Tendenzen in den VorgängerAdministrationen George H.W. Bush und Bill Clinton
nur selten zum Vorschein gekommen sind, sei dieses
Datum zwar keine kopernikanische Wende in der
US-Außenpolitik, aber doch der Beginn einer neuen
Etappe in der internationalen Politik gewesen.
Eine imperiale Stellung nimmt eine Großmacht
ein, wenn sie über die dafür notwendigen Machtmittel verfügt und die Bereitschaft zeigt, eine imperiale Politik zu verfolgen. Dabei muss zwischen
Hegemonie und Imperium unterschieden werden.
Hegemonie bedeutet Führung, beruht auf Gefolgschaft und liegt zwischen Einfluss und Herrschaft,
wobei der Einfluss ein bestimmender ist, die Erweiterung der Macht des hegemonialen Staates bleibt
abhängig von der Gefolgschaft. Der Hegemonie
wohnt allerdings bereits die Tendenz zum politischen Imperialismus inne, so wie ein imperialistischer Staat – was allerdings selten vorkommt – auch
auf Zwang und Gewalt verzichten kann („hegemonischer Imperialismus“). Imperium basiert nämlich
auf der Androhung von Zwangsgewalt durch eine
Großmacht, die in einem Teil der Welt die Politik
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der dort gelegenen Staaten zu bestimmen versucht
und bewirkt, dass andere Großmächte dort keinen
Einfluss ausüben können.
Gibt es eine Alternative zum US-Imperium (im
Sinne einer aufgeklärten Führung der Welt)? Eine
multipolare Welt, wie sie insbesondere von Frankreich und China beschworen wird – und jüngst
auch von der EU-Sicherheitsstrategie – zeichnet sich
(noch) nicht ab. Anstelle der Unipolarität würde
angesichts der internen politischen und ökonomischen Schwierigkeit der anderen (Möchtegern-)Pole
die Apolarität treten, das heißt ein globales Machtvakuum mit Chaos und Anarchie (im internationalen System) als Folge.
Die Differenzen bestehen darüber, ob es möglich
sein wird, dieses Imperium auf lange Zeit aufrecht zu
erhalten. Die Positionen dabei reichen von Empfehlungen zur Zurückhaltung beziehungsweise Selbstbeschränkung, also der Frage des Managements in
der Machtausübung, über strategische Bedenken
(Gegenmachtbildung), die subjektive Wahrnehmung
der USA durch andere Staaten als Problem, die strategische Überdehnung imperialer Machtausübung
bis zum generellen Zweifel, ob imperiale Herrschaft
dauerhaft möglich ist.
Autoren, die positiv zum US-Imperium stehen,
sehen die Möglichkeit, Demokratie und Marktwirtschaft weltweit zu verbreiten. Aber es besteht auch
die Gefahr der strategischen Überdehnung, wenn die
USA statt hegemonial ihre Macht imperial ausüben.
Skeptiker wiederum verweisen darauf, dass das USImperium Gegenmachtbildung provozieren wird,
finanziell kostspielig und längerfristig mit der demokratischen Staatsform der USA nicht vereinbar ist.
Auch würden andere Mächte dazu veranlasst, ihre
militärischen Fähigkeiten zu verbessern.
Die Gegenmachtbildung gegen das US-Imperium
ist bereits im Gange. Künftige Prozesse im internationalen System werden dadurch bestimmt werden.
Deshalb sei es für die USA besser, solche Prozesse
aktiv mitzugestalten als zu versuchen, etwas zu verhindern, was sich nicht verhindern lässt: den Übergang zu einer multipolaren Welt.
Erich Reiter
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