Wissenschaft/Fortbildung Eine neue Kariesform? Verstecke Karies unter Fissurenversiegelungen Die Fissurenversiegelung hat sich in Deutschland längst als Präventionsmaßnahme etabliert. Sie hat einen entscheidenden Beitrag zum Rückgang der Karies bei Kindern und Jugendlichen geleistet. Doch sie hat auf der anderen Seite auch zu einer Zunahme der sog. „hidden caries“ geführt – klinisch nicht erkennbare okklusale Dentinläsionen unter einer gesund erscheinenden Schmelzschicht. D ie Fissurenversiegelung wurde 1993 als kassenzahnärztliche Leistung in Deutschland eingeführt und hat seitdem breiten Einzug in die zahnärztliche Praxis gehalten. Während noch zu Beginn des Jahres 1994 nur 7% der Kinder eine Fissurenversiegelung aufwiesen, liegt der Anteil heute über einem Drittel. Versteckte Karies – eine diagnostische Herausforderung Verläßt sich der Zahnarzt in der täglichen Praxis allein auf die klinische Kariesdiagnostik, bevor er seine Fissurenversiegelung durchführt, läuft er Gefahr, eine versteckte Okklusalkaries zu übersehen und vermeintlich gesunde Molaren zu versiegeln. In einer Untersuchungsreihe der Erfurter Kariesrisiko Studie wurde das Vorkommen einer versteckten Okklusalkaries an versiegelten Molaren untersucht. Dazu wurden jeweils Bißflügelaufnahmen angefertigt und die Radioluzenz im Dentin unterhalb der okklusalen Schmelzschicht beurteilt. Frühere mikrobiologische Untersuchungen haben die hohe Aussagekraft der okklusalen Radioluzenz im Röntgenbild als Zeichen einer irreversiblen Infektion des Dentins bestätigt. Erst nach Bißflügelaufnahme versiegeln In der Erfurter Studie wurde unter rund vier Prozent aller intakten Fissurenversiegelungen bei 14- bis 15Jährigen eine okklusale Dentinläsion gefunden. Dies bedeutet aber, BZB/Dezember/01 daß in diesen Fällen die Ursache nicht primär in einem Retentionsverlust liegen kann. Vier Fünftel der okklusalen Dentinläsionen versiegelter Molaren wurden ausschließlich anhand der Bißflügelaufnahme diagnostiziert. Die Autoren fordern daher, daß Bißflügelaufnahmen vor der Applikation des Versieglers angefertigt werden. Kann eine Radioluzenz im Dentin diagnostiziert werden, sollte der therapeutischen Fissurenversiegelung bzw. einer minimal-invasiven Füllungstherapie der Vorzug gegenüber der präventiven Versiegelung gegeben werden. Denn eine Kariesprogression unter einer Versiegelung kann zum einen nicht ausgeschlossen werden, zum anderen wird der kariöse Prozeß bei einem partiellen Versieglerverlust, wie er in der Praxis immer wieder vorkommt, beschleunigt. Gibt es Alternativen zur Bißflügelaufnahme? Neben der klinisch-röntgenologischen Untersuchung stehen dem Zahnarzt inzwischen mit der elektrischen Widerstandsmessung und der Laserfluoreszenzmessung praxistaugliche Methoden zur ergänzenden OkklusalkariesDiagnostik zur Verfügung. Diese Verfahren sind jedoch nur bedingt tauglich, an versiegelten Molaren eine „hidden caries“ zu diagnostizieren. Sie können daher die Bißflügelaufnahme nicht ersetzen. Qualität der Fissurenversiegelung Ein Nebenbefund der Erfurter Studie war, daß die Qualität der Fissurenversiegelung keineswegs als zufriedenstellend beurteilt werden kann: Nicht einmal die Hälfte der Versiegelungen waren intakt. Diese Zahl bestätigt auch frühere Reihenuntersuchungen. Die Autoren unterstreichen nachdrücklich die Notwendigkeit einer Verbesserung der Versieglerqualität. Ursula Illig, Stockdorf Literatur: Heinrich-Welziehn, R., Kühnisch, J., Stößer, L., Quintessenz 52 (2001), 2–35. 41