Universelle Algebra Udo Hebisch SS 2016 Dieses Skript enthält nur den “roten Faden” des ersten Teils der Vorlesung. Zur selben Vorlesung gehört noch ein Teil zur Verbandstheorie. Wesentliche Inhalte werden ausschließlich in der Vorlesung vermittelt. Daher ist dieses Skript nicht zum Selbststudium gedacht, sondern nur als “Erinnerungsstütze”. 1 1 INNERE VERKNÜPFUNGEN 1 Innere Verknüpfungen Im folgenden bezeichne An für eine beliebige Menge A und eine natürliche Zahl n ∈ N0 das n-fache kartesische Produkt von A mit sich selbst, also die Menge aller n-Tupel (x1 , . . . , xn ) mit xi ∈ A für i = 1, . . . , n. Üblicherweise wird dabei A0 = {∅} interpretiert. Definition 1.1 Für eine beliebige Menge A und eine natürliche Zahl n ∈ N0 versteht man unter einer n-stelligen (inneren) Verknüpfung oder Operation µ auf A eine Abbildung µ : An → A. Bemerkung 1.2 a) Eine 0-stellige Verknüpfung µ auf A 6= ∅ ist also eine Abbildung µ : {∅} → A. Man sagt, “µ zeichnet ein bestimmtes Element µ(∅) ∈ A aus”, etwa das Nullelement 0 ∈ N0 oder das Einselement 1 ∈ N0 für A = N0 . Im Fall A = ∅ existieren keine 0-stelligen Verknüpfungen auf A. b) Einstellige (oder unäre) Verknüpfungen sind nichts weiter als Abbildungen von A in sich. Sie werden meist in Präfix-Notation geschrieben, wie etwa bei µ : Z → Z gemäß µ(a) = −a für alle a ∈ Z, bisweilen auch in Postfix-Notation, wie bei µ : R \ {0} → R \ {0} gemäß µ(a) = a−1 für alle a ∈ R \ {0}. c) Zweistellige (oder binäre) Verknüpfungen werden meist (und bei uns stets) in Infix-Notation geschrieben, wie bei µ : Z × Z → Z gemäß µ(a, b) = a + b oder µ(a, b) = a · b für alle a, b ∈ Z. d) Verknüpfungen einer Stelligkeit (“Arität”) n > 2 werden selten betrachtet, jedoch werden dreistellige (oder ternäre) Verknüpfungen z. B. bei der Einführung von Koordinatenalgebren für bestimmte Geometrien benutzt, sog. Ternärkörper. Bemerkung 1.3 a) Neben den Operationen µ gemäß Definition 1.1, die auf der ganzen Menge An definiert sind, betrachtet man auch partielle Operationen µ : B → A, deren Definitionsbereich B eine echte, nichtleere Teilmenge von An ist. So kann man etwa die Division rationaler Zahlen gemäß µ : B → Q und µ(a, b) = a/b für alle (a, b) ∈ B = Q × (Q \ {0}) als derartige zweistellige partielle Operation auf A = Q auffassen. Ein Beispiel für eine einstellige partielle Operation auf A = R ist etwa die Logarithmusfunktion µ : B → R gemäß µ(a) = ln(a) für alle a ∈ B = {x ∈ R | x > 0}. b) Man spricht von “inneren” Verknüpfungen auf A, wenn man sie von “äußeren” Verknüpfungen unterscheiden will, deren Definitions- und Wertebereich aus ganz unterschiedlichen Mengen gebildet werden dürfen. So kann man etwa für einen 2 1 INNERE VERKNÜPFUNGEN Vektorraum V über einem Körper K die skalare Multiplikation gemäß µ : K × V → V mit µ(λ, a) = λa für alle Skalare λ ∈ K und alle Vektoren a ∈ V als derartige “äußere” Operation auffassen, bei der die Skalare auf den Vektoren “operieren”. c) Manchmal betrachtet man auch Operationen “unendlicher” Stelligkeit, etwa für konvergente Folgen (an ) über R den Grenzwert gemäß µ((an )) = limn→∞ an als partielle Operation abzählbar-unendlicher Stelligkeit auf A = R. In einem vollständigen Verband (V, inf, sup) sind die Infimums- und Supremumsbildung Operationen beliebiger (unendlicher) Stelligkeit. Definition 1.4 Eine unäre Operation µ auf einer Menge A heißt involutorisch oder eine Involution, wenn (1) µ(µ(a)) = a für alle a ∈ A gilt, und sie heißt idempotent, wenn (2) µ(µ(a)) = µ(a) für alle a ∈ A erfüllt ist. Bemerkung 1.5 Unäre Operationen sind als Abbildungen von A in sich gleichzeitig Relationen auf A. Ist µ eine unäre Operation auf A, so hat man folgende Beziehungen (3) (4) (5) µ = idA µ ist involutorisch µ ist idempotent ⇐⇒ ⇐⇒ ⇐⇒ µ ist reflexiv, µ ist symmetrisch, µ ist transitiv. Wir verwenden im folgenden für zweistellige Verknüpfungen anstelle des Symbols µ gebräuchlichere Symbole wie etwa ◦, ∗, · oder +. Definition 1.6 Eine binäre Operation ◦ auf einer Menge A heißt quasitrivial, wenn (6) a ◦ b ∈ {a, b} für alle a, b ∈ A, 3 1 INNERE VERKNÜPFUNGEN idempotent, wenn (7) a ◦ a = a für alle a ∈ A, kommutativ, wenn (8) a ◦ b = b ◦ a für alle a, b ∈ A, subkommutativ, entropisch oder medial, wenn (9) (a ◦ b) ◦ (c ◦ d) = (a ◦ c) ◦ (b ◦ d) für alle a, b, c, d ∈ A, assoziativ, wenn (10) (a ◦ b) ◦ c = a ◦ (b ◦ c) für alle a, b, c ∈ A, linkskürzbar oder linksregulär, wenn (11) a ◦ b = a ◦ c =⇒ b = c für alle a, b, c ∈ A, rechtskürzbar oder rechtsregulär, wenn (12) b ◦ a = c ◦ a =⇒ b = c für alle a, b, c ∈ A gilt. Sie heißt kürzbar oder regulär, wenn sowohl (11) als auch (12) erfüllt sind. Bemerkung 1.7 Für eine binäre Operation ◦ auf A bedeutet die Linkskürzbarkeit (bzw. die Rechtskürzbarkeit) gerade, daß für alle a, b ∈ A die Gleichung a ◦ x = b (bzw. y ◦ a = b) höchstens eine Lösung x (bzw. y) hat. Definition 1.8 Eine binäre Operation ◦ auf einer Menge A heißt invertierbar, wenn für alle a, b ∈ A die Gleichungen a ◦ x = b und y ◦ a = b Lösungen x, y ∈ A besitzen. 4 1 INNERE VERKNÜPFUNGEN Definition 1.9 Es sei ◦ eine binäre Operation auf A. Ein Element a ∈ A heißt linksabsorbierend bezüglich ◦, wenn (13) a ◦ x = a für alle x ∈ A, und linksneutral bezüglich ◦, wenn (14) a ◦ x = x für alle x ∈ A, erfüllt ist. Links-rechts-dual werden rechtsabsorbierende und rechtsneutrale Elemente und damit auch (zweiseitig) absorbierende und neutrale Elemente bezüglich ◦ definiert. Lemma 1.10 Bezüglich einer binären Operation kann es höchstens ein neutrales und höchstens ein absorbierendes Element geben. Definition 1.11 Es sei ◦ eine binäre Operation auf A und n ∈ A ein bezüglich ◦ neutrales Element. Dann heißt a ∈ A ein bezüglich ◦ invertierbares Element, falls es ein ā ∈ A gibt, so daß (15) a ◦ ā = n = ā ◦ a. gilt. In diesem Fall nennt man ā ein Inverses von a. Lemma 1.12 Ist ◦ eine assoziative binäre Operation auf A, so kann jedes Element von A höchstens ein Inverses bezüglich ◦ besitzen. Lemma 1.13 Eine assoziative binäre Operation auf A 6= ∅ ist genau dann invertierbar, wenn es in A ein bezüglich ◦ neutrales Element gibt und zu jedem a ∈ A ein Inverses existiert. Lemma 1.14 Jede assoziative und invertierbare binäre Operation ist kürzbar. 5 1 INNERE VERKNÜPFUNGEN Definition 1.15 Es seien ◦ und ∗ binäre Operationen auf A. Dann heißt ◦ linksdistributiv über ∗, wenn (16) a ◦ (b ∗ c) = (a ◦ b) ∗ (a ◦ c) für alle a, b, c ∈ A, und rechtsdistributiv über ∗, wenn (17) (b ∗ c) ◦ a = (b ◦ a) ∗ (c ◦ a) für alle a, b, c ∈ A, erfüllt ist, und man nennt ◦ distributiv über ∗, wenn (16) und (17) zutreffen. Lemma 1.16 Es seien ◦ und ∗ binäre Operationen auf A, so daß ◦ distributiv über ∗ ist. Weiterhin sei ∗ kürzbar. Jedes bezüglich ∗ neutrale Element ist dann absorbierend bezüglich ◦. Definition 1.17 Eine binäre Operation ∗ auf A heißt linksdistributiv oder (linksseitig) autodistributiv, wenn (18) a ∗ (b ∗ c) = (a ∗ b) ∗ (a ∗ c) für alle a, b, c ∈ A gilt. Beispiel 1.18 a) Jede Links- und jede Rechtszerohalbgruppe (S, ∗) liefert eine autodistributive binäre Operation. Für |S| > 1 ist diese Operation subkommutativ, aber nicht kommutativ. b) Ist (G, ·) eine Gruppe, dann definiert a ∗ b = aba−1 eine idempotente linksdistributive Operation auf G wegen a ∗ (b ∗ c) = a(bcb−1 )a−1 und (a ∗ b) ∗ (a ∗ c) = (aba−1 )(aca−1 )(ab−1 a−1 ) = abcb−1 a−1 für alle a, b ∈ G. Genau dann ist (G, ∗) eine Rechtszerohalbgruppe, wenn (G, ·) kommutativ ist. c) Jede idempotente und subkommutative binäre Operation ist linksdistributiv wegen (a ∗ b) ∗ (a ∗ c) = (a ∗ a) ∗ (b ∗ c) = a ∗ (b ∗ c). d) Ist (K, +, ·) ein Körper mit char(K) 6= 2, dann wird durch a ∗ b = (a + b)/2 für alle a, b ∈ K eine subkommutative, kommutative, idempotente und autodistributive Operation auf K definiert. 6 1 INNERE VERKNÜPFUNGEN Aufgabe 1.19 Es sei |A| = m ∈ N. Wieviele verschiedene n-stellige (bzw. kommutative binäre) Operationen gibt es auf A? Aufgabe 1.20 Beweisen Sie die in (3) – (5) enthaltenen Behauptungen. Aufgabe 1.21 Es seien ◦ und ∗ binäre Operationen auf A, so daß ◦ rechtsdistributiv über ∗ ist. Weiterhin sei ∗ rechtskürzbar. Jedes bezüglich ∗ linksneutrale Element ist dann linksabsorbierend bezüglich ◦. Aufgabe 1.22 Es seien ◦ und ∗ binäre Operationen auf A, so daß ◦ distributiv über ∗ ist. Weiterhin sei ∗ assoziativ und kürzbar. Existiert dann ein bezüglich ◦ neutrales Element, so ist ∗ kommutativ. Aufgabe 1.23 Besteht ein Zusammenhang zwischen Assoziativität und Invertierbarkeit einer binären Operation? Aufgabe 1.24 Vervollständigen Sie die folgenden Verknüpfungstafeln für eine linksdistributive Verknüpfung ∗ auf den Mengen A = {1, 2} bzw. A = {1, 2, 3, 4}. ∗ 1 2 3 4 ∗ 1 2 1 2 2 1 1 2 3 4 2 3 4 1 Vergleichen Sie die jeweilige erste Zeile dieser Verknüpfungstafeln mit der ersten Zeile der folgenden Tafel einer linksdistributiven Verknüpfung auf A = {1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8}. Stellen Sie eine Vermutung auf. ∗ 1 2 3 4 5 6 7 8 1 2 3 4 5 6 7 8 1 2 4 4 8 6 8 8 8 2 3 6 7 4 7 6 7 8 3 4 8 8 8 8 8 8 8 4 5 2 3 4 5 6 7 8 5 6 4 4 8 6 8 8 8 6 7 6 7 4 7 6 7 8 7 8 8 8 8 8 8 8 8 8 Aufgabe 1.25 Untersuchen Sie den Zusammenhang der Eigenschaften “quasitrivial”, “idempotent”, “kommutativ”, “assoziativ”, “medial”, “linksdistributiv”, “rechtsdistributiv” und “distributiv” für binäre Operationen. 7 1 INNERE VERKNÜPFUNGEN Aufgabe 1.26 Bestimmen Sie alle nicht-isomorphen linksdistributiven Gruppoide auf der Menge A = {a, b}. Aufgabe 1.27 Bestimmen Sie alle nicht-isomorphen linksdistributiven Gruppoide auf der Menge A = {a, b, c}. 8 2 ALGEBRAISCHE STRUKTUREN 2 Algebraische Strukturen Definition 2.1 Eine (universelle) Algebra A = (A, Φ) besteht aus einer Menge A, der Trägermenge von A, und einer Familie Φ von Operationen auf A, wobei jedes µ ∈ Φ eine bestimmte Stelligkeit a(µ) ∈ N0 besitzt. Unter dem Typ von A versteht man die Familie Θ der Stelligkeiten a(µ) der µ ∈ Φ. Die Kardinalzahl |A| heißt auch die Ordnung von A. Bemerkung 2.2 Da die Operationen der gerade definierten universellen Algebren total definierte Abbildungen sind, spricht man manchmal auch von “vollständigen” Algebren im Unterschied zu “partiellen” Algebren, bei denen die Operationen auch sein dürfen (vgl. Bemerkung 1.3 a)). Beispiel 2.3 Beispiele für universelle Algebren A = (A, Φ): a) Für Φ = ∅ erhält man “Algebren ohne Operationen”, also reine Mengen. b) Für A = ∅ erhält man entartete Algebren, die keine 0-stelligen Operationen enthalten. Alle anderen Operationen stimmen mit der leeren Abbildung ∅ überein. In den folgenden Definitionen sind solche entarteten Algebren stets ausgeschlossen. c) Die trivialen Algebren mit |A| = 1. Es gibt für jede Stelligkeit n ∈ N0 genau eine mögliche (konstante) Operation. d) Algebren A = (A, ◦) mit einer binären Operation ◦ heißen Gruppoide oder Magmen. Sie sind wegen a(◦) = 2 vom Typ (2). e) Gruppoide A = (A, ◦) mit einer assoziativen Operation ◦ heißen Halbgruppen. Ist ◦ auch noch idempotent, so spricht man von Bändern. f) Algebren A = (A, ◦, n) mit einer assoziativen binären Operation ◦ und einem bezüglich ◦ neutralen Element n ∈ A heißen Monoide. Sie sind vom Typ (2,0). (Man faßt n gemäß Bemerkung 1.2 a) als 0-stellige Operation auf.) Konkrete Beispiele sind etwa (N, ·, 1) und (N0 , +, 0). g) Gruppen können auf verschiedene Weisen als universelle Algebren charakterisiert werden (vgl. Lemma 1.13): 1. als invertierbare Halbgruppen (G, ◦), also als Algebren vom Typ (2), 2. als Monoide (G, ◦, n) in denen die Gleichungen a ◦ x = n und y ◦ a = n für alle a ∈ G lösbar sind, also als Algebren vom Typ (2,0), 9 2 ALGEBRAISCHE STRUKTUREN 3. als Algebren (G, ◦, n,− ) vom Typ (2,0,1), in denen für alle a ∈ G sowohl a ◦ n = a = n ◦ a als auch a ◦ ā = n = ā ◦ a gelten und ◦ assoziativ ist. Ein konkretes Beispiel sind die ganzen Zahlen mit der üblichen Addition als Algebra (Z, +) oder (Z, +, 0) oder (Z, +, 0, −). Verzichtet man hierbei auf die Assoziatitvität von ◦, so werden in 1. Quasigruppen definiert und in 2. Loops. Bemerkung 2.4 Die Algebren aus d) bis g) lassen sich noch jeweils dadurch weiter einteilen, ob ◦ kommutativ ist oder nicht. Man erhält so kommutative Gruppoide, kommutative Halbgruppen, kommutative Monoide und kommutative oder abelsche Gruppen. Kommutative Bänder, also kommutative und idempotente Halbgruppen heißen auch Halbverbände, da sie als Teile von Verbänden auftreten. Kommutative (Halb-)Gruppen in additiver Schreibweise bezeichnet man auch als (Halb-)Moduln. Beispiel 2.5 a) Ein Halbring (S, +, ·) ist eine Algebra vom Typ (2,2) mit zwei assoziativen binären Operationen + und ·, so daß · distributiv über + ist. Ein kommutativer Halbring ist ein Halbring, in dem sowohl + als auch · kommutative Operationen sind. Ein Halbring mit Nullelement o (bzw. mit Einselement e) ist ein Halbring, für den (S, +, o) (bzw. (S, ·, e)) Monoid ist. Konkret ist (N, +, ·) bzw. (N, +, ·, 1) ein kommutativer Halbring mit Einselement und (N0 , +, ·) bzw. (N0 , +, ·, 0, 1) ein kommutativer Halbring mit Null- und Einselement. b) Ein Ring ist ein Halbring (R, +, ·) (mit Nullelement o), für den (R, +) (genauer: (R, +, o) oder (R, +, o, −)) abelsche Gruppe ist. Er kann also als Algebra vom Typ (2,2) oder (2,0,2) oder (2,0,1,2) aufgefaßt werden. c) Ein Ring mit Einselement e ist ein Ring (R, +, ·), für den (R, ·, e) ein Monoid ist. Er kann also als Algebra vom Typ (2,0,1,2,0) aufgefaßt werden, konkret etwa (Z, +, ·) als (Z, +, 0, −, ·, 1). Bei manchen Autoren wird noch o 6= e, also |R| ≥ 2 gefordert (vgl. auch Beispiel 2.6 a))! d) Ein nullteilerfreier Ring ist ein Ring (R, +, ·), in dem die Implikation (19) a · b = o =⇒ a = o oder b = o für alle a, b ∈ R und das Nullelement o von (R, +, ·) gilt. e) Ein Integritätsbereich ist ein kommutativer, nullteilerfreier Ring mit Einselement. Also ist der Ring der ganzen Zahlen (Z, +, ·) ein Integritätsbereich. f) Ein Schiefkörper oder Divisionsring ist ein Ring (K, +, ·) (mit Einselement und |K| ≥ 2), für den (K \{o}, ·) eine Gruppe ist. Handelt es sich hierbei um eine 10 2 ALGEBRAISCHE STRUKTUREN kommutative Gruppe, also bei (K, +, ·) um einen kommutativen Ring, so spricht man von einem (kommutativen) Körper. Konkrete Beispiele sind die rationalen Zahlen (Q, +, ·), die reellen Zahlen (R, +, ·), die komplexen Zahlen (C, +, ·) als kommutative Körper und die Quaternionen als Schiefkörper. Jeder Körper ist erst recht ein Integritätsbereich. Man beachte, daß (Schief )-Körper keine Algebren vom Typ (2,0,1,2,0,1) sind, da −1 keine total definierte Operation ist! g) Ein Verband (V, ∨, ∧) ist eine Algebra vom Typ (2,2), in der sowohl ∨ als auch ∧ assoziative und kommutative (und idempotente) binäre Operationen sind, und in der die Absorptionsgesetze (20) a ∨ (a ∧ b) = a und a ∧ (a ∨ b) = a für alle a, b ∈ V gelten. Ein distributiver Verband ist ein Verband, in dem sowohl ∨ distributiv über ∧ als auch ∧ distributiv über ∨ ist. Jeder distributive Verband ist also ein kommutativer Halbring. h) Eine Boolesche Algebra (B, ∨, ∧,0 , o, e) ist eine universelle Algebra vom Typ (2,2,1,0,0), in der ∨ und ∧ kommutative (und assoziative) binäre Operationen sind, von denen jede distributiv über die jeweils andere ist, und in der für die 0-stelligen Operationen o und e und die unäre Operation 0 die folgenden Axiome für alle x ∈ B gelten (21) x ∨ o (22) x ∧ e (23) x ∨ x0 (24) x ∧ x0 = = = = x, x, e, o. Beispiel 2.6 a) Einen (linksseitigen) K-Vektorraum V über einem Schiefkörper (K, +, ·) kann man als universelle Algebra (V, +, (λ)λ∈K )) mit a(+) = 2 und a(λ) = 1 für alle λ ∈ K auffassen (man hat also |K| unäre Operationen auf V !), so daß (V, +) abelsche Gruppe ist und die folgenden Operatorgesetze gelten: (25) (λ · µ)v (26) (λ + µ)v (27) λ(v + w) (28) 1v = = = = λ(µv) für alle v ∈ V und λ, µ ∈ K, (λv) + (µv) für alle v ∈ V und λ, µ ∈ K, (λv) + (λw) für alle v, w ∈ V und λ ∈ K, v für alle v ∈ V. 11 2 ALGEBRAISCHE STRUKTUREN Ersetzt man hierbei K durch einen Ring R mit Einselement (und |R| ≥ 2), spricht man bei V von einem unitären R-Modul, verzichtet man auch noch auf (28) und das Einselement in R, dann spricht man schlicht von einem R-Modul. b) Eine K-Algebra V über einem Schiefkörper (K, +, ·) ist eine universelle Algebra (V, +, ∗, (λ)λ∈K )), für die (V, +, ∗) ein Ring und (V, +, (λ)λ∈K )) ein K-Vektorraum ist, so daß (29) λ(v ∗ w) = (λv) ∗ w = v ∗ (λw) für alle v, w ∈ V und λ ∈ K erfüllt ist. Konkrete Beispiele sind etwa die Matrizenringe Mn,n (K) über jedem Körper K. Definition 2.7 Die Klasse aller Algebren vom selben Typ, die eine vorgegebene Menge von Gleichungen erfüllen, nennt man eine gleichungsdefinierte Klasse oder eine Varietät. Beispiel 2.8 Varietäten sind also beispielsweise die Klassen aller (kommutativen) Gruppoide, (kommutativen) Halbgruppen, (kommutativen) Monoide, (abelschen) Gruppen, Halbverbände, (kommutativen) Halbringe, (kommutativen) Ringe, Verbände, distributiven Verbände, Booleschen Algebren, K-Vektorräume, KAlgebren. Keine Varietäten bilden dagegen die Klasse aller Integritätsbereiche und die Klasse aller Körper. Definition 2.9 Eine Signatur Σ ist eine Familie Σ = (σi )i∈I von beliebigen (Verknüpfungs-)Symbolen σi , wobei für jedes σi eine Stelligkeit a(σi ) ∈ N0 festgelegt ist. Unter einer Σ-Algebra versteht man dann eine universelle Algebra A = (A, Φ) mit Φ = (µi )i∈I , so daß jedes µi eine a(σi )-stellige Verknüpfung auf A ist. (Man faßt µi als “konkrete Realisierung” des “abstrakten Verknüpfungssymbols” σi auf.) Jede Σ-Algebra ist also vom Typ Θ = (a(σi )). Beispiel 2.10 Für Σ = (+, ·) mit a(+) = a(·) = 2 sind etwa A = (N, +N , ·N ) oder A = (R, +R , ·R ) oder A = ([0, 1], min, max) Σ-Algebren. Es ist +R invertierbar, min idempotent und +N weder invertierbar noch idempotent. 12 2 ALGEBRAISCHE STRUKTUREN Definition 2.11 Es sei (Aj )j∈J = ((Aj , Φj ))j∈J eine Familie von Σ-Algebren für eine feste Signatur Σ = (σi ). Definiert man dann auf A = Πj∈J Aj für jedes σi ∈ Σ eine n = a(σi )-stellige Operation µi gemäß (30) µi (a1 , . . . , an ) = (µi j (a1j , . . . , anj ))j∈J ∈ A für alle a1 , . . . , an ∈ A, so wird (A, Φ) mit Φ = (µi )i∈I eine Σ-Algebra, das direkte Produkt der Σ-Algebren Aj , in Zeichen: A = ΠAj . Beispiel 2.12 Ist etwa Σ = (+, ·) mit a(+) = a(·) = 2 und (Aj )j∈J = (R, +, ·) für alle j ∈ J = [0, 1], dann wird auf A = R[0,1] = {f : [0, 1] → R} durch (30) gerade die “punktweise” Addition und Multiplikation für Funktionen a1 : [0, 1] → R und a2 : [0, 1] → R definiert. Satz 2.13 Sind in Definition 2.11 alle Algebren (Aj )j∈J aus einer Varietät V, dann ist auch ihr direktes Produkt ΠAj aus V. Aufgabe 2.14 Geben Sie auf der Menge A = {a, b, c} eine Verknüpfung ◦ an, die invertierbar, aber nicht assoziativ ist. Es handelt sich dann bei (A, ◦) um eine Quasigruppe, die keine Gruppe ist. Zeigen Sie, daß jede Loop mit weniger als fünf Elementen bereits eine Gruppe ist, und geben Sie eine Loop mit fünf Elementen an, die keine Gruppe ist. Aufgabe 2.15 Bildet die Klasse aller trivialen Algebren desselben Typs eine Varietät? Aufgabe 2.16 Bildet die Klasse aller Ringe mit Einselement eine Varietät? Aufgabe 2.17 Zeigen Sie, daß sich beschränkte Verbände, also Verbände mit einem kleinsten und einem größten Element, als universelle Algebren eines bestimmten Typs auffassen lassen. Folgern Sie daraus, daß die Klasse aller beschränkten Verbände eine Varietät bildet. Aufgabe 2.18 Es sei (S, +, ·) ein Halbring, für den (S, +) ein Halbverband ist, also beispielsweise ein distributiver Verband. Mit U + werde die Menge aller (nichtleeren!) Teilmengen A von S bezeichnet, für die (A, +) Unterhalbgruppe von (S, +) ist, mit U ⊆ U + entsprechend die Menge aller Teilmengen A, für die (A, +, ·) sogar Unterhalbring von (S, +, ·) ist. 13 2 ALGEBRAISCHE STRUKTUREN a) Zeigen Sie, daß durch f (A) = A = {x ∈ S | x + a = a für ein a ∈ A} eine Hüllenfunktion f auf der Potenzmenge (P(S), ⊆) definiert wird. Mit K werde die Menge aller abgeschlossenen Teilmengen A = f (A) bezeichnet. Nach dem Fixpunktsatz von Tarski ist daher (K, ⊆) ein vollständiger Verband. Zeigen Sie weiter, daß A ∈ U + [A ∈ U] auch A ∈ U + [A ∈ U] impliziert. b) Durch A ∗ B = A · B = {x ∈ S | x + a · b = a · b, a ∈ A, b ∈ B} für alle A, B ∈ P(S) wird eine binäre Verknüpfung auf der Potenzmenge definiert. Zeigen Sie, daß (P(S), ∗) eine Halbgruppe ist, die (K, ∗) als Unterhalbgruppe enthält. c) Für alle A, B, C ∈ P(S) mit A ⊆ B folgen A ∗ C ⊆ B ∗ C sowie C ∗ A ⊆ C ∗ B. d) Es ist (U + , ∗) und damit auch (K ∩ U + , ∗) Unterhalbgruppe von (P(S), ∗). e) Unter einem Linksideal [Rechtsideal] des Halbringes (S, +, ·) versteht man A ∈ U + mit SA ⊆ A [AS ⊆ A]. Dies impliziert natürlich jeweils sogar A ∈ U. Die Menge aller Linksideale [Rechtsideale] von S werde mit L [R] bezeichnet. Zeigen Sie, daß L Rechtsideal und R Linksideal (also insbesondere Unterhalbgruppe) von (U + , ∗) ist. f) Unter einem Bi-Ideal des Halbringes (S, +, ·) versteht man eine Teilmenge A ∈ U, die ASA ⊆ A erfüllt. Mit B(S) werde die Menge aller Bi-Ideale von S bezeichnet. Zeigen Sie, daß (B, ∗) Unterhalbgruppe von (P(S), ∗) ist, die (L, ∗) und (R, ∗) enthält. Hieraus folgt insbesondere R ∗ L ⊆ B. Aufgabe 2.19 Es sei (S, +, ·) ein Halbring wie in Aufgabe 2.18. Weiterhin existiere zu jedem a ∈ S ein x ∈ S mit a + axa = axa. Auch diese Bedingung ist mit x = a in jedem distributiven Verband erfüllt. a) Zeigen Sie, daß (K ∩ L, ∗) und (K ∩ R, ∗) idempotente Halbgruppen sind. b) Zeigen Sie, daß (K ∩ B, ∗) eine reguläre Halbgruppe ist. c) Zeigen Sie K ∩ B = (K ∩ R) ∗ (K ∩ L). 14 3 UNTERALGEBREN 3 Unteralgebren Definition 3.1 Es sei A = (A, Φ) eine Algebra und B ⊆ A. Für jedes µ ∈ Φ mit n = a(µ) sei µ0 = µ|B n die Einschränkung von µ auf B n ⊆ An . Offensichtlich ist B = (B, Φ0 ) mit Φ0 = (µ0 ) genau dann eine Algebra (vom selben Typ wie A), wenn (31) µ0 (b1 , . . . , bn ) = µ(b1 , . . . , bn ) ∈ B für alle µ ∈ Φ und b1 , . . . , bn ∈ B gilt. Dann heißt B eine Unteralgebra von A, in Zeichen B ⊆ A. Mit U(A) ⊆ P(A) werde die Menge der Trägermengen aller Unteralgebren von A bezeichnet. Bemerkung 3.2 a) Falls 0-stellige Operationen µ in A existieren, gilt für diese bereits µ ∈ B, also insbesondere B 6= ∅. Sonst wird B = ∅ zugelassen. b) Offensichtlich gilt B ⊆ A, C ⊆ B =⇒ C ⊆ A. c) Liegt eine Algebra A in einer Varietät, dann auch jede ihrer Unteralgebren B. Beispiel 3.3 a) Faßt man eine Gruppe G = (G, ·) als Algebra vom Typ (2) auf, so sind ihre Unteralgebren genau alle Unterhalbgruppen und die leere Algebra ∅ vom Typ (2), faßt man sie als Algebra vom Typ (2,0) auf, so sind ihre Unteralgebren genau alle Untermonoide von (G, ·, e). Betrachtet man G schließlich als Algebra vom Typ (2,0,1), so sind ihre Unteralgebren genau ihre Untergruppen. b) Es sei P(M ) die Potenzmenge einer nichtleeren Menge M . Dann ist {∅} keine Unteralgebra der Booleschen Algebra (P(M ), ∪, ∩,0 , ∅, M ), wohl aber ein Unterverband des Verbandes (P(M ), ∪, ∩). Lemma 3.4 Es seien Bi = (Bi , Φi ) Unteralgebren einer Algebra A für alle i ∈ T I. Bezeichnet man für B = Bi mit Φ0 die Familie der Einschränkungen der T Operationen µ ∈ Φ wie in Definition 3.1, so ist Bi = (B, Φ0 ) eine Unteralgebra von A. Bemerkung 3.5 U(A) ist also eine gegenüber beliebigen Durchschnitten abgeschlossene Teilmenge von P(A) und durch A nach oben beschränkt, also ein vollständiger Verband (U(A), ⊆). Für jede Teilmenge X von A existiert daher der Durchschnitt aller Unteralgebren B von A, deren Trägermengen X umfassen. Offensichtlich ist dies die kleinste Unteralgebra von A mit dieser Eigenschaft. Man nennt sie die von X erzeugte Unteralgebra von A, in Zeichen hXi. 15 3 UNTERALGEBREN Beispiel 3.6 a) Es ist stets h∅i = (h{µ ∈ A | µ ∈ Φ mit a(µ) = 0}i, Φ0 ). Also z. B. für A = (N, +, ·, 1) ist h∅i = (h{1}i, +, ·, 1) = A. Dagegen ist h∅i eine entartete Algebra, wenn in A keine 0-stelligen Operationen vorkommen. b) Ist X Teilmenge eines Vektorraumes, so ist hXi nichts anderes als die lineare Hülle von X. Aufgabe 3.7 Es sei (A, ·) eine Halbgruppe (bzw. (A, ·,−1 , e) eine Gruppe). Beschreiben Sie hXi für eine nichtleere Teilmenge X von A. Aufgabe 3.8 Es sei (S, +, ·) ein Halbring mit Nullelement o ∈ S und oS = {oa | a ∈ S}. Dann sind (oS, +, ·) und (oS ∩ So, +, ·) Unterhalbringe von (S, +, ·) mit idempotenter Addition. Aufgabe 3.9 Es sei (S, +, ·) ein additiv kommutativer Halbring mit einem Nullelement o ∈ S, das absorbierend bezüglich · ist. Dann bildet die Menge U aller a ∈ S, zu denen das Entgegengesetzte −a ∈ S, also das Inverse in (S, +), existiert, einen Unterring von (S, +, ·). Aufgabe 3.10 Es sei (S, +, ·) ein additiv kommutativer (Halb)ring. Beschreiben Sie mit Hilfe von Aufgabe 3.7 für eine nichtleere Teilmenge X von S den von X erzeugten Unter(halb)ring hXi von (S, +, ·). Aufgabe 3.11 Unter einem (rechtsdistributiven) Fastring (F, +, ·) versteht man eine Algebra vom Typ (2, 2), für die (F, +) eine beliebige Gruppe und (F, ·) eine beliebige Halbgruppe ist und in der (a + b) · c = (a · c) + (b · c) für alle a, b, c ∈ F gelten. Es sei (G, +) eine Gruppe und F = TG die Menge aller Transformationen von G. Zeigen Sie, daß (F, +, ◦) mit der punktweisen Addition + und der Komposition ◦ von Funktionen ein derartiger Fastring ist. Bezeichnet 0 das neutrale Element von G, so sind F0 = {f ∈ F | f (0) = 0} und Fc = {f ∈ F | f ist konstant } Unterfastringe von (F, +, ◦). Ist (G, +) abelsch, so ist die Menge End(G) aller Endomorphismen von G ein Unterring von F . Aufgabe 3.12 Es sei (F, +, ·) ein Fastring und 0 das neutrale Element von (F, +). Dann gelten 0 · x = 0 und (−x) · y = −(x · y) für alle x, y ∈ F . Außerdem sind F0 = {x ∈ F | x · 0 = 0} sowie Fc = {x ∈ F | x · 0 = x} Unterfastringe von F und jedes Element a ∈ F besitzt eine eindeutige Zerlegung a = a0 + ac mit a0 ∈ F0 und ac ∈ Fc . 16 3 UNTERALGEBREN Aufgabe 3.13 Ein additiv kommutativer (rechtsdistributiver) Fastring heißt ein Fastkörper, wenn x · 0 = 0 für das neutrale Element 0 von (F, +) und alle x ∈ F gilt und mit F ∗ = F \{0} auch (F ∗ , ·) eine Gruppe ist. Es sei (F, +, ∗) der Körper mit 9 Elementen. Die Multiplikation · auf F werde für alle a ∈ F definiert durch a · b = a ∗ b, falls b ein Quadrat in (F, ∗) ist, und a · b = a3 ∗ b, sonst. Zeigen Sie, daß (F, +, ·) ein Fastkörper ist, aber kein Körper. Definiert man auf der kommutativen Gruppe (F, +) = (Z/(2), +) eine Multiplikation gemäß a · b = a für alle a, b ∈ F , so ist (F, +, ·) ein Fastring, aber kein Fastkörper, obwohl F ∗ = F \ {0} = {1} eine Gruppe ist. Fastkörper werden bei der Koordinatisierung von Geometrien (vgl. P. Dembrowski, Finite geometries, Springer, Berlin, 1968) benutzt. In der Kryptographie wurde in M. Farag, Hill Ciphers over Near-Fields, Mathematics and Computer Education 41 (2007), 46 - 54 ebenfalls die Verwendung von Fastkörpern bei der Konstruktion von Hill-Kryptosystemen vorgeschlagen. Aufgabe 3.14 Zeigen Sie, daß die Kommutativität der Addition für endliche Fastkörper (F, +, ·) aus den restlichen Axiomen folgt, indem Sie folgende Teilbehauptungen beweisen: a) Ist 1 das Einselement von F ∗ , so gelten (−1)2 = 1 und (−1) · x = −x für alle x ∈ F . Im Fall 1 = −1 ist dann aber (F, +) bereits eine Boolesche Gruppe und daher kommutativ. b) Für 1 6= −1 ist F = {y − (y · (−1)) | y ∈ F } und daher auch x · (−1) = −x für alle x ∈ F . c) Es gilt −x + −y = −y + −x für alle x, y ∈ F . 17 4 FAKTORALGEBREN 4 Faktoralgebren Definition 4.1 Eine Äquivalenzrelation κ auf der Trägermenge A einer universellen Algebra A = (A, Φ) heißt eine Kongruenzrelation von A, wenn für alle µ ∈ Φ mit n = a(µ) > 0 gilt (32) ai , bi ∈ A mit ai κ bi für i = 1, . . . , n =⇒ µ(a1 , . . . , an ) κ µ(b1 , . . . , bn ). Beispiel 4.2 a) Jede Algebra A = (A, Φ) besitzt die trivialen Kongruenzen κ = idA = {(a, a) | a ∈ A}, die identische Relation auf A, und κ = ωA = {(a, b) | a, b ∈ A}, die Allrelation auf A. b) Auf dem Modul (Z, +) bzw. dem Ring (Z, +, ·) der ganzen Zahlen wird für jedes m ∈ N0 durch a κm b ⇐⇒ (a − b) ∈ mZ eine Kongruenzrelation κm definiert, die “Kongruenz modulo m”. Lemma 4.3 Für jede universelle Algebra A = (A, Φ) ist (C(A), ⊆) mit C(A) = {κ ⊆ A × A | κ Kongruenzrelation von A} ein vollständiger Unterverband des vollständigen Verbandes E(A) = {% ⊆ A × A | % Äquivalenzrelation auf A}. Definition 4.4 Eine Algebra A heißt einfach, wenn sie nur die trivialen Kongruenzen besitzt, wenn also C(A) aus höchstens zwei Elementen besteht. Lemma 4.5 Ist κ Kongruenzrelation einer Algebra A = (A, Φ) und A/κ = {[a]κ | a ∈ A} die Menge der Äquivalenzklassen von κ, so wird für jedes µ ∈ Φ mit n = a(µ) > 0 durch (33) µ([a1 ]κ , . . . , [an ]κ ) = [µ(a1 , . . . , an )]κ mit [ai ]κ ∈ A/κ für i = 1, . . . , n eine n-stellige Operation µ auf A/κ definiert. Legt man für jede 0-stellige Operation µ ∈ Φ noch µ(∅) = [µ(∅)]κ fest, dann wird (A/κ, Φ) mit Φ = (µ) eine universelle Algebra vom selben Typ wie A. Liegt daher A in einer Varietät V, dann auch (A/κ, Φ). Definition 4.6 Ist κ Kongruenzrelation einer Algebra A = (A, Φ), dann heißt (A/κ, Φ) aus Lemma 4.5 die Faktoralgebra von A nach κ. 18 4 FAKTORALGEBREN Beispiel 4.7 Ist A der Modul (Z, +) bzw. der Ring (Z, +, ·) der ganzen Zahlen und κm eine der Kongruenzrelationen aus Beispiel 4.2 b), so ist die Faktoralgebra von A nach κm gerade die Faktorgruppe (Z/(m), +) bzw. der Restklassenring (Z/(m), +, ·). Aufgabe 4.8 Es sei (S, ·) eine Halbgruppe und T ⊆ S. Dann wird durch (34) u κT v ⇐⇒ (xuy ∈ T ⇐⇒ xvy ∈ T für alle x, y ∈ S) eine Kongruenzrelation κT von (S, ·) definiert. Ist (S, ·, e) sogar ein Monoid, dann ist T Vereinigung von Kongruenzklassen von κT . Aufgabe 4.9 Bestimmen Sie C(A) für die Halbgruppe A = (A, ·), die durch folgende Strukturtafel oder Cayley-Tafel gegeben ist. · a b c d a a b c d b a b c d c c d c d d c d c d Aufgabe 4.10 Jeder Kongruenzrelation κ 6= idN des Halbmoduls (N, +) der natürlichen Zahlen entspricht genau ein Paar (v, g) ∈ N0 × N gemäß a κ b ⇐⇒ a=b a ≡ b mod g oder und v < a, v < b, wobei a ≡ b mod g die in Beispiel 4.2 b) definierte Kongruenz ganzer Zahlen modulo g bedeutet. Umgekehrt beschreibt jedes Paar (v, g) ∈ N0 × N eine solche Kongruenz. Aufgabe 4.11 Jeder Schiefkörper ist ein einfacher Ring. 19 5 HOMOMORPHISMEN 5 Homomorphismen Definition 5.1 Es seien A = (A, Φ) und B = (B, Φ0 ) Σ-Algebren zu einer Signatur Σ = (σi ). Eine Abbildung ϕ : A → B heißt ein Homomorphismus von A in B, wenn für alle σi ∈ Σ der Stelligkeit n = a(σi ) > 0 und alle a1 , . . . , an ∈ A gilt (35) ϕ(µi (a1 , . . . , an )) = µ0i (ϕ(a1 ), . . . , ϕ(an )), und für alle 0-stelligen Operationssymbole σi ∈ Σ (36) ϕ(µi (∅)) = µ0i (∅). Hierbei sind µi ∈ Φ und µ0i ∈ Φ0 die zu σi gehörenden Verknüpfungen von A bzw. B. Für jeden Homomorphismus ϕ : A → B ist das homomorphe Bild ϕ(A) = {ϕ(a) ∈ B|a ∈ A} (Trägermenge einer) Unteralgebra von B. Ein Epimorphismus, (Monomorphismus, Isomorphismus) ist ein Homomorphismus, für den ϕ : A → B surjektiv (injektiv, bijektiv) ist. Im letzten Fall heißen A und B zueinander isomorph, in Zeichen A ∼ = B. Beispiel 5.2 Für K-Vektorräume (V, +, (λ)λ∈K ) und (W, +, (λ)λ∈K ) eines Körpers (K, +, ·) sind die Homomorphismen ϕ : V → W genau die linearen Abbildungen, denn für die beiden binären Operationen + liefert (35) gerade ϕ(a1 + a2 ) = ϕ(a1 ) + ϕ(a2 ) und für die unären Operationen λ ∈ K gerade ϕ(λ(a1 )) = λ(ϕ(a1 )), also die beiden Linearitätsbedingungen. Bemerkung 5.3 Man prüft leicht nach, daß die Nacheinanderanwendung von Homomorphismen wieder ein Homomorphismus ist und die Umkehrabbildung eines Isomorphismus wieder ein Isomorphismus. Dies rechtfertigt auch die letzte Bezeichnung in Definition 5.1. Daher bildet für jede Algebra A = (A, Φ) die Menge End(A) aller Endomorphismen von A, d. h. aller Homomorphismen ϕ : A → A, bezüglich der Nacheinanderanwendung ◦ eine Halbgruppe (End(A), ◦) und die Menge Aut(A) aller Automorphismen von A, d. h. aller Isomorphismen ϕ : A → A, eine Gruppe (Aut(A), ◦), die Automorphismengruppe von A. 20 5 HOMOMORPHISMEN Für viele Typen von Algebren (z. B. Gruppen, Ringe, Vektorräume) ist die Forderung (36) überflüssig, da sie sich in den Algebren aus (35) und den weiteren Eigenschaften der Algebren herleiten läßt. Dies gilt aber z. B. nicht für Monoide oder Körper. Satz 5.4 Ist κ Kongruenzrelation einer Algebra A = (A, Φ), so ist die Faktoralgebra (A/κ, Φ) homomorphes Bild von A vermöge des natürlichen Homomorphismus (37) ϕκ (a) = [a]κ für alle a ∈ A. Der nächste Satz ist auch als Homomorphiesatz bekannt. Satz 5.5 Jedes homomorphe Bild einer Algebra A ist isomorph zu einer Faktoralgebra von A nach einer geeigneten Kongruenzrelation. Folgerung 5.6 Ist A aus einer Varietät V, dann liegt auch jedes homomorphe Bild von A in V. Folgerung 5.7 Eine Algebra ist genau dann einfach, wenn alle ihre homomorphen Bilder triviale Algebren oder zu ihr isomorph sind. Definition 5.8 Für eine feste Signatur Σ sei S die Klasse aller Σ-Algebren und K eine Teilklasse von S. Dann werden definiert (38) (39) (40) (41) I(K) H(K) U(K) P(K) = = = = {B {B {B {B ∈S| ∈S| ∈S| ∈S| es es es es gibt gibt gibt gibt ein A ∈ K mit B ∼ = A}, ein A ∈ K und B ist hom. Bild von A}, ein A ∈ K mit B ⊆ A}, Aj ∈ K für j ∈ J 6= ∅ mit B = ΠAj }. Dann heißt K abgeschlossen gegen (42) Isomorphismen (43) Homomorphismen (44) Unteralgebren (45) direkte Produkte ⇐⇒ ⇐⇒ ⇐⇒ ⇐⇒ I(K) ⊆ K, H(K) ⊆ K, U(K) ⊆ K, P(K) ⊆ K. Eine gegen Isomorphismen abgeschlossene Teilklasse heißt auch abstrakt, eine gegen Unteralgebren abgeschlossene Teilklasse heißt erblich oder hereditär. 21 5 HOMOMORPHISMEN Bemerkung 5.9 a) Für jede Teilklasse K von S gilt ersichtlich K ⊆ I(K), K ⊆ H(K), K ⊆ U(K),K ⊆ I(P(K)). b) Für jede Teilklasse K von S gilt U(H(K)) ⊆ H(U(K)), P(U(K)) ⊆ U(P(K)), P(H(K)) ⊆ H(P(K)), wobei jede Inklusion auch echt sein kann. c) Eine nichtleere Teilklasse K von S ist genau dann eine Varietät, wenn sie abgeschlossen gegen Homomorphismen, Unteralgebren und direkte Produkte ist. Aufgabe 5.10 Bestimmen Sie (bis auf Isomorphie) sämtliche homomorphen Bilder des Moduls (Z, +) bzw. des Ringes (Z, +, ·). Aufgabe 5.11 Bestimmen Sie (bis auf Isomorphie) sämtliche homomorphen Bilder des Halbmoduls (N0 , +) bzw. des Halbringes (N0 , +, ·). Aufgabe 5.12 Es seien (G, ·) ein Gruppoid und f : G → G eine bijektive Abbildung, die x · y = f (x) · f (y) für alle x, y ∈ G erfüllt. Definiert man dann eine weitere binäre Operation ∗ auf G durch x ∗ y = f −1 (x · y) für alle x, y ∈ G, so ist (G, ∗) isomorph zu (G, ·). Spezielle Beispiele liefern Ringe (R, +, ·) mit der Involution f (x) = −x für alle x ∈ R und Potenzmengen (P(X), ∆) mit der Involution f (A) = X \ A für alle A ⊆ X. 22 Index K-Algebra, 12 K-Vektorraum, 11 R-Modul, 12 unitärer, 12 Σ-Algebra, 12 Abgeschlossenheit einer Klasse, 21 Absorptionsgesetze, 11 Algebra einfache, 18, 21 entartete, 9, 16 erzeugte, 15 ohne Operationen, 9 partielle, 9 triviale, 9 universelle, 9 Band, 9 Boolesche Algebra, 11 Element absorbierendes, 5 invertierbares, 5 linksabsorbierendes, 5 linksneutrales, 5 neutrales, 5 rechtsabsorbierendes, 5 rechtsneutrales, 5 Epimorphismus, 20 Faktoralgebra, 18 Fastkörper, 17 Fastring, 16 Gruppe, 9 abelsche, 10 kommutative, 10 Gruppoid, 9 kommutatives, 10 Halbgruppe, 9 kommutative, 10 Halbmodul, 10 Halbring, 10 Halbverband, 10 homomorphes Bild, 20 Homomorphiesatz, 21 Homomorphismus, 20 Integritätsbereich, 10 Inverses, 5 Involution, 3 Isomorphismus, 20 Körper, 10 kommutativer, 11 Kongruenz triviale, 18 Kongruenzrelation, 18 lineare Hülle, 16 Loop, 10 Magma, 9 Modul, 10 Monoid, 9 kommutatives, 10 Monomorphismus, 20 Operation, 2, 9 assoziative, 4, 9 binäre, 9 entropische, 4 idempotente, 3 invertierbare, 4 involutorische, 3 kürzbare, 4 kommutative, 4 linkskürzbare, 4 linksreguläre, 4 mediale, 4 partielle, 2 quasitrivial, 3 23 INDEX INDEX rechtskürzbare, 4 rechtsreguläre, 4 reguläre, 4 subkommutative, 4 Operatorgesetze, 11 Ordnung, 9 Produkt direktes, 13 Quasigruppe, 10 Ring, 10 nullteilerfreier, 10 Ring mit Einselement, 10 Schiefkörper, 10 Signatur, 12 Stelligkeit, 2, 9 Trägermenge, 9 Typ einer Algebra, 9 Unteralgebra, 15 Varietät, 12 Vektorraum, 11 Verband, 10, 11 distributiver, 11 Verknüpfung 0-stellige, 2 n-stellige, 2 äußere, 2 autodistributive, 6 binäre, 2 distributive, 6 innere, 2 ternäre, 2 unäre, 2 24