GRUNDBEGRIFFE DER SOZIOLOGIE Markus Paulus DIPL.-PSYCH. (UNIV.), M.A. Radboud University Nijmegen GRUNDBEGRIFFE DER SOZIOLOGIE Blockveranstaltung 3 Tage Grundlagen der Soziologie Übersicht über zentrale Begriffe und Ansätze Paradigmatischer Charaker Vorlesung mit Übungsanteilen Ziel Was sind Themen der Soziologie? Kenntnis zentraler Überlegungen und Theorien Analyse von Alltagssituationen mit Hilfe soziologischer Begriffe und Theorien GRUNDBEGRIFFE DER SOZIOLOGIE 1, Soziologie als Wissenschaft 2, Was ist soziales Handeln? 3, Werte, Normen, Wertewandel 4, Der Rollenbegriff 5, Exkurs: Die theoretische Perspektive des symbolischen Interaktionismus 6, Sozialisation 7, Identität und Habitus 8, Kultur 9, Macht und Herrschaft 10, Abweichendes Verhalten 11, Institution und Organisation GRUNDBEGRIFFE DER SOZIOLOGIE VERWENDETE GRUNDLAGENLITERATUR Abels, H. (20094). Einführung in die Soziologie. Band 2: Die Individuen in ihrer Gesellschaft. Wiesbaden: VS Verlag. Giddens, A. (19992). Soziologie. Graz/Wien: Nausner & Nausner. Joas, H. (Hrsg.) (20073). Lehrbuch der Soziologie. Frankfurt/New York: Campus Verlag. Joas, H., & Knöbl, W. (2004). Sozialtheorie. Frankfurt: suhrkamp. Korte, H. (20006). Einführung in die Geschichte der Soziologie. Opladen: Leske + Budrich. Korte, H., & Schäfers, B. (Hrsg.) (20005). Einführung in Hauptbegriffe der Soziologie. Opladen: Leske + Budrich. Münch, R. (2002). Soziologische Theorie. Band 2: Handlungstheorie. Frankfurt/New York: Campus. Nassehi, A. (2008). Soziologie. Zehn einführende Vorlesungen. Wiesbaden: VS Verlag. Treibel, A. (20005). Einführung in soziologische Theorien der Gegenwart. Opladen: Leske + Budrich. I, SOZIOLOGIE ALS WISSENSCHAFT Quelle: Korte, 2000 1, ENTSTEHUNG DER SOZIOLOGIE • Philosophie der Aufklärung: Kritik metaphysischer Deutungen; Überzeugung der Erklärbarkeit der Welt • Französische Revolution (1789): Veränderbarkeit von Gesellschaft; Menschen entscheiden selbst über die Gestaltung der Gesellschaft • Industrielle Revolution: neue Formen des Zusammenlebens; Entstehen der „sozialen Frage“ • Erwachendes Bewusstsein für die Relativität von Kulturen: Entdeckung kultureller Unterschiede durch Fernreisen, Fernhandel, Kolonialismus 1, ENTSTEHUNG DER SOZIOLOGIE AUGUSTE COMTE (1798-1857) • Studium an der Ecole Polytechnique: Schwerpunkt waren von Theologie und Philosophie gereinigte Naturwissenschaften • Leitende Fragen • Gründe für den Ausbruch der Revolution • Entstehung neuer Institutionen • erneute Auflösung • Suche nach neuer Wissenschaft, die Entwicklung menschlicher Gesellschaften erklären konnte • Alternative zu • metaphysischem Denken • biologischer Reduktionismus 1, ENTSTEHUNG DER SOZIOLOGIE AUGUSTE COMTE (1798-1857) Das Dreistadiengesetz 1, THEOLOGISCH-FIKTIVES STADIUM • Naturerscheinungen als Folge übernatürlicher Kräfte; Neigung, Phänomene den selbst produzierten anzugleichen • Einbildungskraft statt Beobachtung • Monarchie als politischer Ausdruck göttlichen Rechts 2, METAPHYSISCH-ABSTRAKTES STADIUM • Weltgeschehen nicht mehr transzendent betrachtet • abstrakte Wesenheiten als Erklärungen • noch stets Suche nach dem Absoluten • Klasse der Rechtsgelehrten 3, WISSENSCHAFTLICH-POSITIVES STADIUM • Einsicht, dass absolutes Wissen unmöglich • statt Einbildungskraft Beobachtung: Positivismus • gesellschaftliche Vorherrschaft der Wirtschaftsführer und Gelehrten 1, ENTSTEHUNG DER SOZIOLOGIE AUGUSTE COMTE (1798-1857) 1, KRITIK • logisch-immanent: Strukturprinzipien der Geschichte übergestülpt = Geschichtsphilosophie • allgemeine Kritik: Ideologie-Verdacht, Parteinahme für Bürgertum 2, VERDIENSTE • Abkehr von Metaphysik und übermäßiger Betonung des Geistigen • Zusammenhang Erkenntnisweisen und gesell. Struktur • Beobachtung als Methode der Wissenschaft • Aufstellung sozialwissenschaftlicher Theorien • Gründervater der Wissenschaft Soziologie 1, ENTSTEHUNG DER SOZIOLOGIE KARL MARX (1818-1883) • Studium der Philosophie • Aufgrund judenfeindlicher Gesetzgebung bleibt ihm eine Universitätskarriere versperrt • durch Exil in London Bekanntschaft mit der entwickeltsten kapitalistischen Gesellschaft; Kontraste zwischen arm und reich • Auseinandersetzung mit der Philosophie Hegels und der Ökonomie • “Das Kapital” (ab 1867) 1, ENTSTEHUNG DER SOZIOLOGIE KARL MARX (1818-1883) 1, Arbeit macht Mensch zum gesellschaftlichen Wesen: Produktion als Zentralbegriff 2, Jede Gesellschaftsformation zeichnet sich durch bestimmtes Niveau der Produktivkräfte und spezifische Produktionsverhältnisse aus und führt zu einem ihr korrespondierenden Überbau 3, Klassentheorie und Geschichtstheorie (DIAMAT) “Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaft ist die Geschichte von Klassenkämpfen.” Klassenwiderspruch als Motor der Geschichte 4, Stadientheorie der Geschichte: Urgesellschaft – Sklavenhalter – Feudalismus – Kapitalismus – Kommunismus Geschichte als fortlaufender Prozess und Produkt menschlicher Praxis 1, ENTSTEHUNG DER SOZIOLOGIE KARL MARX (1818-1883) 1, KRITIK • Geschichtsphilosophie • einseitige Abhängigkeit des Geistigen vom Materiellen 2, VERDIENSTE • Wirtschaft und Gesellschaft funktionieren nach bestimmten Strukturlogiken, die unabhängig vom Bewusstsein der Menschen ablaufen • Verständnis der Funktionsweise des modernen Kapitalismus; Entfremdungsphänomene • Ideologiekritik 1, ENTSTEHUNG DER SOZIOLOGIE EMILE DURKHEIM (1858-1917) Studienaufenthalt in Deutschland, um Ursachen für Niederlage Frankreichs (1870/71) herauszufinden Suche nach einer Morallehre, um in die Entwicklung von Gesellschaften besser einzugreifen Bekanntschaft mit Ferdinand Tönnies (Gemeinschaft und Gesellschaft, 1887) Gemeinschaft: vorindustriell, organisch Gesellschaft: äußere Einflüsse, mechanisch 1896 Lehrstuhl für Pädagogik und Sozialwissenschaft 1, ENTSTEHUNG DER SOZIOLOGIE EMILE DURKHEIM (1858-1917) Arbeitsteilung in entwickelten Gesellschaften Frage: wie funktioniert Austausch auf Dauer Soziale Tatsachen, soziale Institutionen SOZIALE TATSACHEN (LE FAIT SOCIAL) Kollektive Vorstellungen des Guten (Werte) und des Richtigen (Normen) = Verbindende und Verbindliche Bestimmen als Regeln unser Verhalten Im Kollektivbewusstsein (vorhanden, bevor Individuum Bühne des Lebens betritt) Individuum bindet sich daran, Unterordnung der Einzelnen unter Gesamtinteresse 1, ENTSTEHUNG DER SOZIOLOGIE EMILE DURKHEIM (1858-1917) Klassische soziologische Studie über den Selbstmord Beobachtung: protestantische Länder höhere Selbstmordraten als katholische Gesellschaften mit engeren Familienbindungen geringere Selbstmordraten Hypothese: Bindungskraft/Integrationsgrad sozialer Gemeinschaft erklärt Verhalten des Einzelnen Selbstmordtyp Erklärung Egoistisch Übermäßige Individuation, geringe Verbundenheit Altruistisch Keine Individualität ggü. übermächtiger Gemeinschaft Fatalistisch Übermaß an Reglementierung, keine Zukunft anomisch Störungen der kollektiven Ordnung; Normauflösung: Individuen verlieren Sinn 1, ENTSTEHUNG DER SOZIOLOGIE REFLEXIONEN 1, Natur sozialer Phänomene 2, häufig makrosoziologische Theorien 3, Dauernde Frage: klare Entwicklungsrichtung von Gesellschaften? 4, Fokus auf soziale Probleme 5, Soziologie zwischen kritischer Opposition und wertneutraler Steuerungstechnologie 2, WAS IST SOZIOLOGIE? Soziologie: “eine Wissenschaft, welche soziales Handeln deutend verstehen und dadurch in seinem Ablauf und seinen Wirkungen ursächlich erklären will” (Max Weber) Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, 1980, S. 1ff Quelle: Giddens, 1999 2, WAS IST SOZIOLOGIE? Soziales Handeln als Ggst der Soziologie Nachbardisziplinen Beziehungen zwischen Individuen Psychologie Beziehungen zwischen Individuen und Gesellschaft Sozialpsychologie, Kulturanthropologie Strukturen der Gesellschaft Ethnologie Zusammenspiel sozialer Institutionen Politikwissenschaft, Volkswirtschaftslehre Wandel (von Gesellschaften, Ordnungen, Institutionen) Geschichtswissenschaften 2, WAS IST SOZIOLOGIE? Wichtig: Soziologische Denkweise “sich fortdenken von den vertrauten Routinen unseres Alltags, um sie neu zu betrachten” Beispiel: Kaffee 1, symbolischer Wert 2, Koffein als Droge 3, soziale und ökonomische Beziehungen 4, historische Entwicklung 2, WAS IST SOZIOLOGIE? Soziologie: “eine Wissenschaft, welche soziales Handeln deutend verstehen und dadurch in seinem Ablauf und seinen Wirkungen ursächlich erklären will” (Max Weber) Soziales Handeln angestrebte Folgen nicht-intendierte Nebenfolgen 2, WAS IST SOZIOLOGIE? Nutzen der Soziologie Gewahrwerden von Unterschieden Bewertung der Auswirkung von Planungsstrategien Selbsterkenntnis 2, WAS IST SOZIOLOGIE? Soziologie ist eine empirische Wissenschaft 1) 2) 3) 4) Fachbegriffe Theorien Spezielle Untersuchungsgebiete Empirische Sozialforschung 2, WAS IST SOZIOLOGIE? Soziologie als universitäres Fach ALLGEMEINE SOZIOLOGIE • Soziologische Theorien • Methoden empirischer Sozialforschung • Sozialstrukturanalysen SPEZIELLE SOZIOLOGIEN • Familiensoziologie • Bildungssoziologie • Kultursoziologie • Wirtschaftssoziologie 2, WAS IST SOZIOLOGIE? Joint Action: Einübung der soziologischen Sichtweise