der Nebenhöhlen im Mittelohr

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Die Implantationsmetastase eines Adenokarzinoms
der Nebenhöhlen im Mittelohr
J. Abrams. K. B. Huttenbrink
Zusammenfassung
Das Karzinom des Mittelohres 1st eine seltene
Erkrankung. Wir berichten Uber den Fail elnes 65jährigen
Mannes, bei dem angenommen werden muB, daB sich eine
Implantationsmetastase eines rezidivierenden Adenokarzinoms der Nebenhohlen im Mittelohr angesiedelt hat. Voraussetzung für die intracanaliculäre Metastasierung war die regelmaBige Spulung der operierten Nase durch den Patienten. In
Versuchen an der Leiche und dem Lebenden konnte nachgewiesen werden, daB Spulflüssigkeit vom Nasenrachenraum
ins Mittelohr eindringt. Zuletzt wird die Problematik des Anwachsens von Karzinomzellen auf intakter epithelialer Oberfläche kritisch diskutiert.
Einleitung
Karzinome des Mittelohres sind eine seltene
Erkrankung. Ihre Hauflgkeit wird beim weiblichen Geschlecht
mit 1/I Million, beim männlichen Geschlecht mit 0,8/I Million venanschlagt (26). Bezogen auf die Ohrerkrankungen findet
sich em Karzinom auf 6000 bis 20 000 Krankheitsfäile (II, 27).
Histologisch handelt es sich bei den pnimären Tumoren des
Mittelohrs zurn groBten Teil urn Plattenepithelkarzinome, nur
ausnahmsweise finden sich Adenokarzinome oder Zylindenzellkarzinome (14).
Zur Hauflgkeit der sekundären malignen Tumore des Mjttejohres finden sich in der Literatur unterschiedliche Auffassungen. Ailgemein wind auf die groBe Seltenheit hin-
gewiesen (1,9,15,17,19,24), jedoch wird auch die Meinung
ventreten, daB man bei genauer Beobachtung und vor allern bei
regelmaf3iger Untersuchung der Schläfenbeine von Patienten,
die an einem Karzinom verstorben sind, eine deutlich zunehmende Häufigkeit von sekundaren Malignornen des Mittelohres
beobachten könnte (22).
Eine bisher nicht beschriebene Entstehung
eines sekundaren Mittelohrkarzinorns fanden wir bei einem unserer Patienten. In Experimenten sollte der ungewohnliche Metastasierungsweg nachvollzogen und für die sich anschliefiende
gutachterliche Stellungnahme bekraftigt werden.
Laryngo-Rhino-Otol. 71(1992) 86—90
Georg Thieme Verlag Stuttgart New York
The Implantation Metastasis of an Adenocarcinoma of the Paranasal Sinuses
in the Middle Ear
Carcinoma of the middle ear is a rare desease.
We report about a 65-year-old man in which case it is assumed
that a transtubal implantation metastasis of an adenocarcino-
ma had settled in the middle ear. Regular irrigation of the
operated nose and unnoticed carcinoma recurrence were main
assumptions for intracanicular metastasis. With experiments
on dead and alive we could show that irrigation fluid intrudes
through the tube into the middle ear. Finally the problem of
growth of carcinoma cells on intact epithelial surfaces is entically discussed.
Kasuistik
Im Juni 1989 stellte sich em damals 65jahriger Patient erstmals in unseren Klinik vor. Zur Vorgeschichte benichtete er
Ober em seit ca. einem halben Jahr wiederholt auftnetendes Nasenbluten
aus dem linken Nasenloch. In einem Begleitschreiben berichtete der
niedergelassene Hals-Nasen-Ohrenarzt. daB er im Bereich der linken
unteren Nasenmuschel em Adenokarzinom nachgewiesen habe. Bei der
Spiegeluntersuchung erkannie man em Fehlen des vorderen Anteils der
linken unteren Muschel. weiterhin sah man in der Nasenhaupthohle
etwas unruhiges Gewebe. das bei Kontakt leicht blutete. Im CT steilte
sich em von der linken Kieferhohle ausgehender Tumor dar, der die
mediale Seitenwand destruiert hatte und in die Nasenhaupthohle vorgewachsen war. Therapeutisch nahmen wir einen Monat spater die lateraIc Rhinotomie vor. Insgesamt war makroskopisch währcnd der Operation kein Tumorrest nachzuweiseri, auch histologisch zeigten sich keine
weiteren Anteile des vordiagnostizierten Adenokarzinoms, so daB im
AnschluB an die Operation auf eine Bestrahlung venzichtet wurde. Da
der Patient Schreiner war, wurde die Krankheit als Berufsknankheit
gemeldet. Die weitere Betreuung des Patienten erfolgte in unserer
Nachsorgesprechstunde. Zur Prophylaxe von Borkenbildung rieten wir
dem Patienten zur taglichen Spcilung der Openationshohle unter Zuhilfenahme eines Spulballons (Abb. 1) und angewarmten Wassers.
Drei Monate postoperativ erkannte man eine leicht
polypos veränderte Schleimhaut im Bereich den Kieferhdhle links sowie im Bereich des Siebbeins. Histologisch ergab sich wiedenum em
Adenokarzinom. Tm CT beschnieb man einen Tumor, den vom Boden
des linken Sinus maxillanis bis in den linken Sinus frontalis hinaufneichte. Zu einem Durchbnuch in den Schädelinnenraum war es nicht
gekommen. Thenapeutisch wurde enneut eine laterale Rhinotomie vorgenommen. Auch wahnend dieser Operation erkannte man makroskopisch kein Tumorgewebe, histologisch handelte es sich lediglich urn
eine chronisch-fibrosierende Rhinitis. Auf cine Radiatio wunde erneut
verzichtet, jedoch blieb den Patient weiterhin in unserer Nachsorge-
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Universitits-HNO-KIinik Münster (Direktor: Prof. Dr. W. Stoll)
Die Implaiitulionsineiastase cities Adenokarziiio,na der Vebe,ihd/tle,i fin ivIjtjelohr
Liirvngo-Rhino-QioI. 71(1992) 87
ralen Bogengang sowie das Tegmen arrodiert und infiltrierte die Dura.
Der Gesichtsnerv war rot gcschwollen und von Tumor bedeckt. weiterbin zog das Karzinom in den oberen tympanalen Recessus oberhalb der
Tube sowie tief in den Sinus tympani. Der vordere Trommelfellimbus
war reizios. Im Bereich der ovalen Fcnsternische lieB sich der Tumor
von Granulationsgewebe nichi unterscheiden. Die Tubendffnung war
unauffallig. Em Tumorzapfen reichte vom Mittelohr kommend in die
Tube. er lag jedoch der Schlcimhaut riur auf. Nach Entfernung dieses
Zapfens blickie man in eine reiziose normale Tuhenoffnung. 1-listologisch wurde erneut em Adenokarzinom nachgewiesen (Ahb. 3). Postoperativ kern es ZU einer schnellen Erholung des geschdigten N. faciais. Es wurde die postoperative Radiaiio sowohi der Nasennebenhdhlen
als
auch des Ohres cingeleitet. die der Patient gut verirug. Bei der
Abb. 1 SpUlballori, der von unserem Patienten zur táglichen
Spulung der operierten NasennebenhOhie benutzt wurde,
sprechsiunde. wo engmaschig endoskopische Konirollen der operierten
Nasennebenhöhle vorgenommen wurden. Die Reinigung der OperationshOhle ei-folgte weiterhin durch regelmaBige Spulung mit dem Spulballon.
Im März 1990 wurde auf dem linken Ohr em Paukenergud festgestellt. der trotz Therapie keine Besserung zeigte. Es
wurde em Paukenrohrchen eingelegt. Weiterhin traten Schmerzen im
linken Ohr auf und eine zunehmende Schalleitungsschwerhorigkeit. EtWa einen Monat spater entwickelte sich eine Fazialisparese. Bei der
Untersuchung sah man em derbes. polypos granulierendes Gewebe im
linken Gehorgang. Es wurde em hochaufldsendes Felsenbein-CT veran!al3t (Abb. 2). Hier zeigte sich eine totale Verschattung der Iinksseitigen Mastoidzellen ohne Anhalt fur malignes Wachstum. Histologisch
ergab sich em Adenokarzinom. Wir entschlossen uns zur Ohrradikaloperation links und nahmen gleichzeitig eine erneute Probeexcision aus
der Nase s'or. in der Nase wurde am Ubergang von der unteren Stirnhöhlenwand zum Siebbeindach erneut em Adenokarzinom nachgewiesen. Bei der Ohroperation erkannte man nach Eroffnung des Ohres em
gut pneumatisiertes reizioses Mastoid. Tumormassen wölbten sich aus
Abb. 3 Adenokarzinom der NebenhOhle (Farbung PAS, Vergrol3erung x60).
Diskussion
dem Antrum piizformig ins Mastoid hervor. Der Tumor hatte den late-
Das Mittelohrkarzinom ist em seitene Erkrankung. Stets geht bei primaren Malignomen einejahrelange Ohrsekretion einer malignen Entartung voraus (10, 11, 14, 18, 26,
28, 31). Die Entwicklung eines Karzinoms des Mittelohres bei
i9ttem Trommelfeli durfte die groBe Ausnahme sein. Eine
Anderung des Ohrflusses, vor alien Dingen Sanguinolenz, das
Auftreten von Schrnerzen sowie eine Fazialisparese lassen den
Verdacht auf eine bosartige Entartung eines vormals benignen
eitrigen Prozesses aufkommen. Histologisch handelt es sich im
wesentlichen urn Piattenepithelkarzinome.
..S1S1fl14'Thtraldi
Abb. 2 CCT: verschattetes inkes Mastoid ohne Tumorgewebe,
Tuben beiderseits frei ohne Anhalt für Tumorwachstum.
Die Histologie eines Adenokarzinoms des Mittelohres, wie es bei unserem Patienten beschrieben wurde, gehört zu den ,,KuriositNten der Medizin" (25). Ais Erstbeschreiber muf3 Treitel (1898) (27) bzw. Lange (1904) (16) angesehen
12 nachgewiesene
werden. Siedentop (1961) berichtete
FNile, Decher(1961) Uber 10, Graf(1979) liber 15, Stell(1987)
uber 13 und Robson (1990) dber 17 bekannte FäJIe von Adenokarzinomen des Mitteiohres (25, 7, 14, 26, 20). Der Ursprungsort der pnmaren Adenokarzinome soil im Bereich der Offnung
der Tuba Eustachii liegen (7, 12, 16) oder von der Schleirnhaut
der Paukenhöhle ausgehen (28). Es werden auch Tumoren dieser Histologie beschrieben, die ohne die typische Anamnese
einer chronischen Mittelohrentzdndung entstanden sind (7, 12),
und man weist darauf hin, daB neben den Sarkomen und Che-
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letzten Nachsorgeuntersuchung rn Man. 1991 hestand Beschwerdefreiheit. die Operationsliohien sowohl im Ohr als auch in der Nase wanen
reizios.
Larvngo-Rhino-Otol. 71 (1992)
modektomen bei den Adenokarzinomen die Moglichkeit besteht, dal3 vor ihrem Auftreten keine Otorrhoe besteht (16). Das
mittlere Lebensalter beim Beginn cines Adenokarzinoms soil
bei 40 Jahren liegen, mit einem Uberwiegen des weiblichen
Geschlechtes. Taubheit, Schmerzen und Fazialisparese treten in
absteigender Haufigkeit auf. Sechs von acht Patienten waren
riach zwei Jahren noch am Leben (26)
Neben der besonderen Histologie des Mittelohrtumors ist bei unserem Patienten der ungewohnliche Metastasierungsweg auffallig, falls der Mittelohrturnor als Metastase
des Nasennebenhöhlenkarzinoms anzusehen 1st. Für die Annahme eines metastatischen Tumorgeschehens sprechen wichtige
GrUnde. Zunachst einmal ist auffalhig, daB dieses Karzinom
aufgetreten ist, ohne daB je zuvor eine Otorrhoe beobachtet
wurde. Obwohl Adenokarzinome, wie oben berichtet, auch bci
geschiossenem Trommelfeli entstehen konnen, so ist es doch
nicht die Regel, und em derartiger Krankheitsverlauf sollte
doch immer die Aufmerksamkeit auf em metastatisches Geschehen werfen. Auch Uberlegungen zur Wahrscheiniichkeit
lassen einen metastatischen ProzeB im Mittelohr moglicher erscheinen als das gemeinsame Auftreten zweier prirnarer Adenokarzinome im Mittelohr und in den Nasennebenhohlen. Die
Seltenheit des Auftretens eines Adenokarzinoms im Mitteiohr
(maximal 17 berichtete Fahle in diesem Jahrhundert) und die
Seltenheit eines Adenokarzinoms in den Nebenhohlen (Malignome der Nasennebenhdhlen und der Nase machen weniger
als 1 % aller bosartigen Tumoren aus. davon wiederurn sind Ca.
18% Adenokarzinome [3]) lenken geradezu die Aufmerk.samkeit auf die Entstehung des beschriebenen Mitteiohrtumors aus
dem Adenokarzinom der Nebenhohien. Als drittes Argument
muB die groBe histoiogische Ubereinstimmung der diagnostizierten Tumoren im Mitteiohr und in den Nasennebenhöhlen
gesehen werden (Abb. 3, Abb. 4). In den nebenstehend abgebildeten histologischen Schnitten, die aus der Naserinebenhohle
und dem Ohr stammen, läBt sich die groBe Ubereinstimmung
im histologischen Authau gut erkennen.
J. Abrams, K. B. Hüttenbrink
sophile Tumoren. So werden vor allem das Mammakarzinom,
das Hypernephrom, die Struma mahigna, das Prostatakarzinom
sowie das Bronchuskarzinom erwähnt (14). Aber auch das La-
rynxkarzinom (9) und das Magenkarzinom (13) vermogen
Fernmetastasen ins Ohr zu senden. Neben den Fernmetastasen
sind Metastasen aus der Nachbarschaft: der Parotis, dem Nasopharynx und von Halslymphknoten bekannt. Eine Zusammenstellung der bis 1991 bekannten Schläfenbeinmetastasen findet
sich bei cores' (5). Eine Metastasierung eines Nebenhöhlenkarzinoms ins Ohr wurde bisher noch nicht erwahnt.
Die wichtigsten Metastasierungswege ins Mittelohr wurden von Sc/i/jitter beschrieben (22). Seine ausfuhrliche Darstellung Uber das metastatische Karzinom des Gehöror-
gans hat auch heute noch weitgehend Gultigkeit (14). Nach
Schliulers Angaben 1st im wesentlichen zwischen zwei Arten
der Metastasenhildung zu unterscheiden: Der hamatogenen Metastasierung und der Otitis interna carcinomatosa. Weitere Metastasierungsformen sind das Wachstum per continuitatem und
das submukose Wachstum durch die Tube (6, 8).
Aufgrund der Vorgeschichte und weiterer, im
folgenden noch darzulegender Uberlegungen sind wir zu der
Auffassung gelarigt, daB die Tumormetastasierung bei unserem
Patienten canahicular Uber die Tube ins Mittelohr erfolgt sein
mull, urn dort ais Irnpiantationsmetastase in Erscheinung zu
treten. Wesenthiche Voraussetzungen, die den von uns angenommenen Metastasierungsweg wahrscheiniich werden lassen,
liegen in dern beschriebenen Krankheitsverlauf begründet sowie in den von dem Kranken vorgenomrnenen SpUlungen der
NasennebenhOhien. BezUglich des Krankheitsveriaufes 1st es
wichtig, dalI, obwohl die Operationsresektate jeweils voilig frei
von Turnorgewebe waren, das Adenokarzinom insgesamt dreimal rezidiviert ist. Zuietzt wurde eine positive Histologic aniäBlich der Ohroperation aus dem Bereich der Operationshöhle im
Gebiet der Nase links genommen. In der Zeit zwischen den
Untersuchungen hat der Patient mit einem SpUlballon 2x taglich gewissenhaft seine Operationshohle mit lauwarrnem Wasser gesplllt. Bel unseren Nachsorgeuntersuchungen zeigte sich
immer eine borkenfreie, entzundungsfreie Nebenhöhlennarbe.
Denkbar ware, daB die in die Nasennebenhöhle eingebrachte
Flllssigkeit mit losgespulten Karzinomzellen auch ins Ohr Ubertreten kann. Urn dieser Frage nachzugehen, haben wir zunächst
einmal die Operationshohle unseres Patienten endoskopiert und
speziell ihre Beziehung zur Tube beobachtet (Abb. 5). Auffhllig
war hier, dalI das Tubenostium zum einen in einer Flucht mit
der Operationshohle lag, mithin die SpUlflUssigkeit aus dem
Spuibahlon direkt in die Offnung der Tube eingespritzt werden
konnte. Weiterhin war das Tubenostium im Nasopharynx so
Abb. 5 Tubeneingang links, bei
dem von uns untersuchten Patienten
Abb. 4 Adenokarzinom des Mittelohres links. Deutlich wird die
gleiche histologische Differenzierung der Tumoren (vgl. Abb. 3)
(Farbung PAS, VeryrOllerung x60).
Metastatische Mittelohr- bzw. Schläfenbeintumoren sind schon von mehreren Autoren beschrieben worden
(1, 8, 9, 11, 23). Bei den Malignomen, die ins Schläfenbein
metastasieren, handelt es sich vor alien Dingen urn sogen. as-
(Pfeil).
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Die lmplanlaticrnsinetastase eines Adenokarzinorns der Nebenhöhlen im Mittelohr
weit, daB es auf den ersten Millimetern mit einem 2 mm Nasenendoskop endoskopierbar war. Auf eine gute Tubengangigkeit
wiesen welter eine ausgedehnte Pneumatisation des Mastoids
sowie eine gute Durchgangigkeit beim Valsalva-Manöver hin.
Laryngo-Rhino-Olol. 71(1992) 89
Abb. 6. 7. 8
Anfarbung des
Mittelohres nach
SpUlung der Nasen-
haupthohle mit
Als nächstes untersuchten wir, ob Spulflüssigkeit aus dem Bereich der openerten Nebenhdhle und dem Bereich des Nasopharynx ins Mittelohr ubertritt. Hierzu fuhrten
Methylenblau.
3 Phasen endoskopisch fotografiert.
wir Versuche an der Leiche und am Lebenden durch. Beim
6
dem eigentlichen operativen Eingriff in Narkose die Nasenhaupthöhle mit Methylenblau-Lösung gespult. Der mogliche
Ubertritt blauer Flussigkeit lieB sich dann durch die Troinmelfeilperforation mit dem im Gehorgang liegenden Endoskop be-
obachten. Das Ergebnis dieser Spulversuche zeigte, daB bei
Patienten, die präoperativ eine reiziose Tubenschleimhaut hatten und bei denen praoperativ mit dem Valsalva-Manöver eine
gute Tubendurchgangigkeit nachgewiesen werden konnte, regelmaBig blaue Flussigkeit ins Ohr ubertrat und sich Uber die
Paukenschleimhaut ins Hypotympanon verteilte. Wir haben ei-
7
rlige Ergebnisse unserer Spulversuche nebenstehend abgebildet
(Abb. 6,7,8). Bei einem Patienten konntedeutlich verfolgtwerden, wie die blaue Flussigkeit aus dem Tubenostium ins Mittelohr austrat und dort nach wenigen Minuten durch die normale
ciliare Tatigkeit im Bereich des Tubenostiums wieder abtransportiert wurde; em Zeichen dafur, daB die Schleimliaut der Tube
noch you funktionsfàhig war. Aber auch bei geschlossenem
Trommelfell konnte em Ubertritt von Spulflussigkeit beobachtet werden, wie wir bei einem Patienten beobachten konnten,
bei dem wir eine Spulung der Nase vor einer CholesteatomOperation vornahmen.
Ebenso in lJbereinstirnmung gebracht werden
können die Ergebnisse der Spulversuche mit der hauptsachlichen Tumorlokalisation. Wie operativ zu erkennen, lag die
Hauptmasse des Tumors im Hypotympanon, dort wohin die in
die Pauke eingetretene Flussigkeit absackt und wohl am langsten verweilte.
Als weiteres steilt sich die Frage nach der
Wahrscheinlichkeit des Anwachsens von Karzinomzellen auf
intakten epithelialen Oberflächen. Folgende Faktoren machen
das Anwachsen einer Implantationsmetastase unwahrscheinlich: 1. Die Bakterienflora auf der Haut und der Schleimhaut
des Nahrungs- und Atemtraktes. 2. Verdauungsenzyme, 3.
Schleim im Nahrungs- und Atemtrakt, 4. die herabgesetzte Vitalität der Tumorfragmente sowie 5. die meist intakte epitheliale
Oberfläche (31).
Insgesamt sind nur wenige verläBliche Beispiele intrabronchialer und intracanaliculärer Aussaat in den abführenden Harnwegen bekannt (21). Vergleichbar scheint uns das
8
Mittelohr am ehesten mit dem Bronchialsystem. In den Bronchien und in der Lunge ist das Auftreten von Implantationsmetastasen aufgrund des Fehiens von Verdauungsenzymen weni-
ger unwahrscheinlich als in Magen und Darm. Unvorteilhaft
jedoch ist der mukoide Charakter der Bronchialsekretion, die
reiche Bakterienbesiedlung, die Atembewegungen sowie die cihare Aktivität des Epithels (31).
Trotz der Einschrankungen sind, wenn auch
wenige, Falle von Implantationsmetastasen im Bronchialsystem
beschrieben worden (29, 31).
Die Verhaltnisse für das Anwachsen von Tumorinetastasen im Mittelohr sind sicherhich günstiger zu beurteilen, als die für das Bronchialsystem beschriebenen. Im Mittelohr gibt es keine Enzyme und bezüglich der Bakterienansied-
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Leichenversuch spUlten wir nach Eroffnung des Mastoids und
unter endoskopischer Kontrolle via posteriore Tympanotomie
die Nase mit eine Methylenblau-tingierten Flussigkeit. Vorher
wurde in der Nase endoskopisch die laterale Nasenwand entfernt,um den Situs einer lateralen Rhinotomie nachzuahmen.
Em Ubertritt von FlUssigkeit ins Mittelohr konnte hier nicht
beobachtet werden. Em beschrankender Faktor war hier wohi,
daB der normale Gewebsturgor sowie der Zug der an der Tube
ansetzenden Muskein fehite und somit die Voraussetzungen
doch ganzlich verschieden zum Lebenden waren. In einer zweiten Versuchsserie gingen wir deshaib dem Problem am Lebenden nach. Bei Patienten, die sich in unserer Klinik zur Myringoplastik vorsteliten, wurde nach vorheriger Einwilligung vor
90 Laryngo-Rhino-Otol. 71 (1992)
Bronchialsystem auftretenden Atembewegungen. Die Vitalität
der abgeschilferten Malignomzellen ist ebenfalls unterschiedlich. Wdhrend sich von den Tumoren des Atemtraktes vor allern
avitale Zellen ablosen und in die Bronchien gelangen, so 1st
davon auszugehen, daB durch die SpUlung der Nasennebenhöh-
len sicherlich auch massenhaft vitale Tumorzellen abgelost
werden. Diese werden vor alien Dingen im Hypotympanon deponiert auf em drusenfreies Epithel, das bekanntermal3en keine
mucociliare Funktion und keine immunologische Abwehr in der
Submucosa besitzt (2,4). Als hinderlich für das Anwachsen
eines Tumors dtirfte sicherlich die normalerweise intakte Epitheloberflhche sowie em intakter Schleimfilm sein, wobei auch
bier unklar ist, inwieweit diese durch wiederholte Spulung alteriert werden.
' Graf K., U. Fisch: Geschwulste des Ohres und des Felsenbeines. In
Berendes. J., R. Link, F Zollner (Hrsg.): Hals-Nasen-Ohrenheilkun-
6
17
I
9
20
21
gart New York(l974).
Schlinler E.: Uber das metastatische Karzinom des Gehororgans
FaBt man nun unsere Uberlegungen zusammen, so ist die Wahrscheinlichkeit grofi, daB es sich bei dem
von uns geschilderten Krankheitsfall urn die tubogene Metastasierung eines Adenokarzinoms der Nebenhdhlen ins Mittelohr
handelt. Wesentlicher Faktor war neben den Tumorrezidiven
die vorn Patienten taglich durchgefOhrte Spulung der Operationshohle, durch die Tumorzellen canalicular ins Mittelohr gelangen können. Zur Prophylaxe weiterer derartiger Krankheitsverlhufe soilte allen Patienten mit operierten Nasennebenhohlen, deren Tumor nicht in sano reseziert wurde bzw. rezidivierte, von Spulungen der Nasennebenhdhlen mit einem Spulballon
oder einem Politzer-Ballon abgeraten werden. Als Alternative
bote sich hier das Ansaugen des Spulwassers aus der hohlen
Hand an, da in diesem Fall duch den entstehenden Unterdruck
em Ubertritt von Sptilflussigkeit ins Mittelohr unwahrscheinlich wird.
23
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Dr. med. Dr med. dent. Jurgen Abrams
Universithts-HNO-Klinik
Kardinal-von-Galen-Ring 10
D-4400 MUnster
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lung gilt das gesunde Mittelohr als steril. Auch fehien die im
J. Abrams, K. B. Hiitten brink
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