86 Die Implantationsmetastase eines Adenokarzinoms der Nebenhöhlen im Mittelohr J. Abrams. K. B. Huttenbrink Zusammenfassung Das Karzinom des Mittelohres 1st eine seltene Erkrankung. Wir berichten Uber den Fail elnes 65jährigen Mannes, bei dem angenommen werden muB, daB sich eine Implantationsmetastase eines rezidivierenden Adenokarzinoms der Nebenhohlen im Mittelohr angesiedelt hat. Voraussetzung für die intracanaliculäre Metastasierung war die regelmaBige Spulung der operierten Nase durch den Patienten. In Versuchen an der Leiche und dem Lebenden konnte nachgewiesen werden, daB Spulflüssigkeit vom Nasenrachenraum ins Mittelohr eindringt. Zuletzt wird die Problematik des Anwachsens von Karzinomzellen auf intakter epithelialer Oberfläche kritisch diskutiert. Einleitung Karzinome des Mittelohres sind eine seltene Erkrankung. Ihre Hauflgkeit wird beim weiblichen Geschlecht mit 1/I Million, beim männlichen Geschlecht mit 0,8/I Million venanschlagt (26). Bezogen auf die Ohrerkrankungen findet sich em Karzinom auf 6000 bis 20 000 Krankheitsfäile (II, 27). Histologisch handelt es sich bei den pnimären Tumoren des Mittelohrs zurn groBten Teil urn Plattenepithelkarzinome, nur ausnahmsweise finden sich Adenokarzinome oder Zylindenzellkarzinome (14). Zur Hauflgkeit der sekundären malignen Tumore des Mjttejohres finden sich in der Literatur unterschiedliche Auffassungen. Ailgemein wind auf die groBe Seltenheit hin- gewiesen (1,9,15,17,19,24), jedoch wird auch die Meinung ventreten, daB man bei genauer Beobachtung und vor allern bei regelmaf3iger Untersuchung der Schläfenbeine von Patienten, die an einem Karzinom verstorben sind, eine deutlich zunehmende Häufigkeit von sekundaren Malignornen des Mittelohres beobachten könnte (22). Eine bisher nicht beschriebene Entstehung eines sekundaren Mittelohrkarzinorns fanden wir bei einem unserer Patienten. In Experimenten sollte der ungewohnliche Metastasierungsweg nachvollzogen und für die sich anschliefiende gutachterliche Stellungnahme bekraftigt werden. Laryngo-Rhino-Otol. 71(1992) 86—90 Georg Thieme Verlag Stuttgart New York The Implantation Metastasis of an Adenocarcinoma of the Paranasal Sinuses in the Middle Ear Carcinoma of the middle ear is a rare desease. We report about a 65-year-old man in which case it is assumed that a transtubal implantation metastasis of an adenocarcino- ma had settled in the middle ear. Regular irrigation of the operated nose and unnoticed carcinoma recurrence were main assumptions for intracanicular metastasis. With experiments on dead and alive we could show that irrigation fluid intrudes through the tube into the middle ear. Finally the problem of growth of carcinoma cells on intact epithelial surfaces is entically discussed. Kasuistik Im Juni 1989 stellte sich em damals 65jahriger Patient erstmals in unseren Klinik vor. Zur Vorgeschichte benichtete er Ober em seit ca. einem halben Jahr wiederholt auftnetendes Nasenbluten aus dem linken Nasenloch. In einem Begleitschreiben berichtete der niedergelassene Hals-Nasen-Ohrenarzt. daB er im Bereich der linken unteren Nasenmuschel em Adenokarzinom nachgewiesen habe. Bei der Spiegeluntersuchung erkannie man em Fehlen des vorderen Anteils der linken unteren Muschel. weiterhin sah man in der Nasenhaupthohle etwas unruhiges Gewebe. das bei Kontakt leicht blutete. Im CT steilte sich em von der linken Kieferhohle ausgehender Tumor dar, der die mediale Seitenwand destruiert hatte und in die Nasenhaupthohle vorgewachsen war. Therapeutisch nahmen wir einen Monat spater die lateraIc Rhinotomie vor. Insgesamt war makroskopisch währcnd der Operation kein Tumorrest nachzuweiseri, auch histologisch zeigten sich keine weiteren Anteile des vordiagnostizierten Adenokarzinoms, so daB im AnschluB an die Operation auf eine Bestrahlung venzichtet wurde. Da der Patient Schreiner war, wurde die Krankheit als Berufsknankheit gemeldet. Die weitere Betreuung des Patienten erfolgte in unserer Nachsorgesprechstunde. Zur Prophylaxe von Borkenbildung rieten wir dem Patienten zur taglichen Spcilung der Openationshohle unter Zuhilfenahme eines Spulballons (Abb. 1) und angewarmten Wassers. Drei Monate postoperativ erkannte man eine leicht polypos veränderte Schleimhaut im Bereich den Kieferhdhle links sowie im Bereich des Siebbeins. Histologisch ergab sich wiedenum em Adenokarzinom. Tm CT beschnieb man einen Tumor, den vom Boden des linken Sinus maxillanis bis in den linken Sinus frontalis hinaufneichte. Zu einem Durchbnuch in den Schädelinnenraum war es nicht gekommen. Thenapeutisch wurde enneut eine laterale Rhinotomie vorgenommen. Auch wahnend dieser Operation erkannte man makroskopisch kein Tumorgewebe, histologisch handelte es sich lediglich urn eine chronisch-fibrosierende Rhinitis. Auf cine Radiatio wunde erneut verzichtet, jedoch blieb den Patient weiterhin in unserer Nachsorge- Heruntergeladen von: Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Urheberrechtlich geschützt. Universitits-HNO-KIinik Münster (Direktor: Prof. Dr. W. Stoll) Die Implaiitulionsineiastase cities Adenokarziiio,na der Vebe,ihd/tle,i fin ivIjtjelohr Liirvngo-Rhino-QioI. 71(1992) 87 ralen Bogengang sowie das Tegmen arrodiert und infiltrierte die Dura. Der Gesichtsnerv war rot gcschwollen und von Tumor bedeckt. weiterbin zog das Karzinom in den oberen tympanalen Recessus oberhalb der Tube sowie tief in den Sinus tympani. Der vordere Trommelfellimbus war reizios. Im Bereich der ovalen Fcnsternische lieB sich der Tumor von Granulationsgewebe nichi unterscheiden. Die Tubendffnung war unauffallig. Em Tumorzapfen reichte vom Mittelohr kommend in die Tube. er lag jedoch der Schlcimhaut riur auf. Nach Entfernung dieses Zapfens blickie man in eine reiziose normale Tuhenoffnung. 1-listologisch wurde erneut em Adenokarzinom nachgewiesen (Ahb. 3). Postoperativ kern es ZU einer schnellen Erholung des geschdigten N. faciais. Es wurde die postoperative Radiaiio sowohi der Nasennebenhdhlen als auch des Ohres cingeleitet. die der Patient gut verirug. Bei der Abb. 1 SpUlballori, der von unserem Patienten zur táglichen Spulung der operierten NasennebenhOhie benutzt wurde, sprechsiunde. wo engmaschig endoskopische Konirollen der operierten Nasennebenhöhle vorgenommen wurden. Die Reinigung der OperationshOhle ei-folgte weiterhin durch regelmaBige Spulung mit dem Spulballon. Im März 1990 wurde auf dem linken Ohr em Paukenergud festgestellt. der trotz Therapie keine Besserung zeigte. Es wurde em Paukenrohrchen eingelegt. Weiterhin traten Schmerzen im linken Ohr auf und eine zunehmende Schalleitungsschwerhorigkeit. EtWa einen Monat spater entwickelte sich eine Fazialisparese. Bei der Untersuchung sah man em derbes. polypos granulierendes Gewebe im linken Gehorgang. Es wurde em hochaufldsendes Felsenbein-CT veran!al3t (Abb. 2). Hier zeigte sich eine totale Verschattung der Iinksseitigen Mastoidzellen ohne Anhalt fur malignes Wachstum. Histologisch ergab sich em Adenokarzinom. Wir entschlossen uns zur Ohrradikaloperation links und nahmen gleichzeitig eine erneute Probeexcision aus der Nase s'or. in der Nase wurde am Ubergang von der unteren Stirnhöhlenwand zum Siebbeindach erneut em Adenokarzinom nachgewiesen. Bei der Ohroperation erkannte man nach Eroffnung des Ohres em gut pneumatisiertes reizioses Mastoid. Tumormassen wölbten sich aus Abb. 3 Adenokarzinom der NebenhOhle (Farbung PAS, Vergrol3erung x60). Diskussion dem Antrum piizformig ins Mastoid hervor. Der Tumor hatte den late- Das Mittelohrkarzinom ist em seitene Erkrankung. Stets geht bei primaren Malignomen einejahrelange Ohrsekretion einer malignen Entartung voraus (10, 11, 14, 18, 26, 28, 31). Die Entwicklung eines Karzinoms des Mittelohres bei i9ttem Trommelfeli durfte die groBe Ausnahme sein. Eine Anderung des Ohrflusses, vor alien Dingen Sanguinolenz, das Auftreten von Schrnerzen sowie eine Fazialisparese lassen den Verdacht auf eine bosartige Entartung eines vormals benignen eitrigen Prozesses aufkommen. Histologisch handelt es sich im wesentlichen urn Piattenepithelkarzinome. ..S1S1fl14'Thtraldi Abb. 2 CCT: verschattetes inkes Mastoid ohne Tumorgewebe, Tuben beiderseits frei ohne Anhalt für Tumorwachstum. Die Histologie eines Adenokarzinoms des Mittelohres, wie es bei unserem Patienten beschrieben wurde, gehört zu den ,,KuriositNten der Medizin" (25). Ais Erstbeschreiber muf3 Treitel (1898) (27) bzw. Lange (1904) (16) angesehen 12 nachgewiesene werden. Siedentop (1961) berichtete FNile, Decher(1961) Uber 10, Graf(1979) liber 15, Stell(1987) uber 13 und Robson (1990) dber 17 bekannte FäJIe von Adenokarzinomen des Mitteiohres (25, 7, 14, 26, 20). Der Ursprungsort der pnmaren Adenokarzinome soil im Bereich der Offnung der Tuba Eustachii liegen (7, 12, 16) oder von der Schleirnhaut der Paukenhöhle ausgehen (28). Es werden auch Tumoren dieser Histologie beschrieben, die ohne die typische Anamnese einer chronischen Mittelohrentzdndung entstanden sind (7, 12), und man weist darauf hin, daB neben den Sarkomen und Che- Heruntergeladen von: Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Urheberrechtlich geschützt. letzten Nachsorgeuntersuchung rn Man. 1991 hestand Beschwerdefreiheit. die Operationsliohien sowohl im Ohr als auch in der Nase wanen reizios. Larvngo-Rhino-Otol. 71 (1992) modektomen bei den Adenokarzinomen die Moglichkeit besteht, dal3 vor ihrem Auftreten keine Otorrhoe besteht (16). Das mittlere Lebensalter beim Beginn cines Adenokarzinoms soil bei 40 Jahren liegen, mit einem Uberwiegen des weiblichen Geschlechtes. Taubheit, Schmerzen und Fazialisparese treten in absteigender Haufigkeit auf. Sechs von acht Patienten waren riach zwei Jahren noch am Leben (26) Neben der besonderen Histologie des Mittelohrtumors ist bei unserem Patienten der ungewohnliche Metastasierungsweg auffallig, falls der Mittelohrturnor als Metastase des Nasennebenhöhlenkarzinoms anzusehen 1st. Für die Annahme eines metastatischen Tumorgeschehens sprechen wichtige GrUnde. Zunachst einmal ist auffalhig, daB dieses Karzinom aufgetreten ist, ohne daB je zuvor eine Otorrhoe beobachtet wurde. Obwohl Adenokarzinome, wie oben berichtet, auch bci geschiossenem Trommelfeli entstehen konnen, so ist es doch nicht die Regel, und em derartiger Krankheitsverlauf sollte doch immer die Aufmerksamkeit auf em metastatisches Geschehen werfen. Auch Uberlegungen zur Wahrscheiniichkeit lassen einen metastatischen ProzeB im Mittelohr moglicher erscheinen als das gemeinsame Auftreten zweier prirnarer Adenokarzinome im Mittelohr und in den Nasennebenhohlen. Die Seltenheit des Auftretens eines Adenokarzinoms im Mitteiohr (maximal 17 berichtete Fahle in diesem Jahrhundert) und die Seltenheit eines Adenokarzinoms in den Nebenhohlen (Malignome der Nasennebenhdhlen und der Nase machen weniger als 1 % aller bosartigen Tumoren aus. davon wiederurn sind Ca. 18% Adenokarzinome [3]) lenken geradezu die Aufmerk.samkeit auf die Entstehung des beschriebenen Mitteiohrtumors aus dem Adenokarzinom der Nebenhohien. Als drittes Argument muB die groBe histoiogische Ubereinstimmung der diagnostizierten Tumoren im Mitteiohr und in den Nasennebenhöhlen gesehen werden (Abb. 3, Abb. 4). In den nebenstehend abgebildeten histologischen Schnitten, die aus der Naserinebenhohle und dem Ohr stammen, läBt sich die groBe Ubereinstimmung im histologischen Authau gut erkennen. J. Abrams, K. B. Hüttenbrink sophile Tumoren. So werden vor allem das Mammakarzinom, das Hypernephrom, die Struma mahigna, das Prostatakarzinom sowie das Bronchuskarzinom erwähnt (14). Aber auch das La- rynxkarzinom (9) und das Magenkarzinom (13) vermogen Fernmetastasen ins Ohr zu senden. Neben den Fernmetastasen sind Metastasen aus der Nachbarschaft: der Parotis, dem Nasopharynx und von Halslymphknoten bekannt. Eine Zusammenstellung der bis 1991 bekannten Schläfenbeinmetastasen findet sich bei cores' (5). Eine Metastasierung eines Nebenhöhlenkarzinoms ins Ohr wurde bisher noch nicht erwahnt. Die wichtigsten Metastasierungswege ins Mittelohr wurden von Sc/i/jitter beschrieben (22). Seine ausfuhrliche Darstellung Uber das metastatische Karzinom des Gehöror- gans hat auch heute noch weitgehend Gultigkeit (14). Nach Schliulers Angaben 1st im wesentlichen zwischen zwei Arten der Metastasenhildung zu unterscheiden: Der hamatogenen Metastasierung und der Otitis interna carcinomatosa. Weitere Metastasierungsformen sind das Wachstum per continuitatem und das submukose Wachstum durch die Tube (6, 8). Aufgrund der Vorgeschichte und weiterer, im folgenden noch darzulegender Uberlegungen sind wir zu der Auffassung gelarigt, daB die Tumormetastasierung bei unserem Patienten canahicular Uber die Tube ins Mittelohr erfolgt sein mull, urn dort ais Irnpiantationsmetastase in Erscheinung zu treten. Wesenthiche Voraussetzungen, die den von uns angenommenen Metastasierungsweg wahrscheiniich werden lassen, liegen in dern beschriebenen Krankheitsverlauf begründet sowie in den von dem Kranken vorgenomrnenen SpUlungen der NasennebenhOhien. BezUglich des Krankheitsveriaufes 1st es wichtig, dalI, obwohl die Operationsresektate jeweils voilig frei von Turnorgewebe waren, das Adenokarzinom insgesamt dreimal rezidiviert ist. Zuietzt wurde eine positive Histologic aniäBlich der Ohroperation aus dem Bereich der Operationshöhle im Gebiet der Nase links genommen. In der Zeit zwischen den Untersuchungen hat der Patient mit einem SpUlballon 2x taglich gewissenhaft seine Operationshohle mit lauwarrnem Wasser gesplllt. Bel unseren Nachsorgeuntersuchungen zeigte sich immer eine borkenfreie, entzundungsfreie Nebenhöhlennarbe. Denkbar ware, daB die in die Nasennebenhöhle eingebrachte Flllssigkeit mit losgespulten Karzinomzellen auch ins Ohr Ubertreten kann. Urn dieser Frage nachzugehen, haben wir zunächst einmal die Operationshohle unseres Patienten endoskopiert und speziell ihre Beziehung zur Tube beobachtet (Abb. 5). Auffhllig war hier, dalI das Tubenostium zum einen in einer Flucht mit der Operationshohle lag, mithin die SpUlflUssigkeit aus dem Spuibahlon direkt in die Offnung der Tube eingespritzt werden konnte. Weiterhin war das Tubenostium im Nasopharynx so Abb. 5 Tubeneingang links, bei dem von uns untersuchten Patienten Abb. 4 Adenokarzinom des Mittelohres links. Deutlich wird die gleiche histologische Differenzierung der Tumoren (vgl. Abb. 3) (Farbung PAS, VeryrOllerung x60). Metastatische Mittelohr- bzw. Schläfenbeintumoren sind schon von mehreren Autoren beschrieben worden (1, 8, 9, 11, 23). Bei den Malignomen, die ins Schläfenbein metastasieren, handelt es sich vor alien Dingen urn sogen. as- (Pfeil). Heruntergeladen von: Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Urheberrechtlich geschützt. 88 Die lmplanlaticrnsinetastase eines Adenokarzinorns der Nebenhöhlen im Mittelohr weit, daB es auf den ersten Millimetern mit einem 2 mm Nasenendoskop endoskopierbar war. Auf eine gute Tubengangigkeit wiesen welter eine ausgedehnte Pneumatisation des Mastoids sowie eine gute Durchgangigkeit beim Valsalva-Manöver hin. Laryngo-Rhino-Olol. 71(1992) 89 Abb. 6. 7. 8 Anfarbung des Mittelohres nach SpUlung der Nasen- haupthohle mit Als nächstes untersuchten wir, ob Spulflüssigkeit aus dem Bereich der openerten Nebenhdhle und dem Bereich des Nasopharynx ins Mittelohr ubertritt. Hierzu fuhrten Methylenblau. 3 Phasen endoskopisch fotografiert. wir Versuche an der Leiche und am Lebenden durch. Beim 6 dem eigentlichen operativen Eingriff in Narkose die Nasenhaupthöhle mit Methylenblau-Lösung gespult. Der mogliche Ubertritt blauer Flussigkeit lieB sich dann durch die Troinmelfeilperforation mit dem im Gehorgang liegenden Endoskop be- obachten. Das Ergebnis dieser Spulversuche zeigte, daB bei Patienten, die präoperativ eine reiziose Tubenschleimhaut hatten und bei denen praoperativ mit dem Valsalva-Manöver eine gute Tubendurchgangigkeit nachgewiesen werden konnte, regelmaBig blaue Flussigkeit ins Ohr ubertrat und sich Uber die Paukenschleimhaut ins Hypotympanon verteilte. Wir haben ei- 7 rlige Ergebnisse unserer Spulversuche nebenstehend abgebildet (Abb. 6,7,8). Bei einem Patienten konntedeutlich verfolgtwerden, wie die blaue Flussigkeit aus dem Tubenostium ins Mittelohr austrat und dort nach wenigen Minuten durch die normale ciliare Tatigkeit im Bereich des Tubenostiums wieder abtransportiert wurde; em Zeichen dafur, daB die Schleimliaut der Tube noch you funktionsfàhig war. Aber auch bei geschlossenem Trommelfell konnte em Ubertritt von Spulflussigkeit beobachtet werden, wie wir bei einem Patienten beobachten konnten, bei dem wir eine Spulung der Nase vor einer CholesteatomOperation vornahmen. Ebenso in lJbereinstirnmung gebracht werden können die Ergebnisse der Spulversuche mit der hauptsachlichen Tumorlokalisation. Wie operativ zu erkennen, lag die Hauptmasse des Tumors im Hypotympanon, dort wohin die in die Pauke eingetretene Flussigkeit absackt und wohl am langsten verweilte. Als weiteres steilt sich die Frage nach der Wahrscheinlichkeit des Anwachsens von Karzinomzellen auf intakten epithelialen Oberflächen. Folgende Faktoren machen das Anwachsen einer Implantationsmetastase unwahrscheinlich: 1. Die Bakterienflora auf der Haut und der Schleimhaut des Nahrungs- und Atemtraktes. 2. Verdauungsenzyme, 3. Schleim im Nahrungs- und Atemtrakt, 4. die herabgesetzte Vitalität der Tumorfragmente sowie 5. die meist intakte epitheliale Oberfläche (31). Insgesamt sind nur wenige verläBliche Beispiele intrabronchialer und intracanaliculärer Aussaat in den abführenden Harnwegen bekannt (21). Vergleichbar scheint uns das 8 Mittelohr am ehesten mit dem Bronchialsystem. In den Bronchien und in der Lunge ist das Auftreten von Implantationsmetastasen aufgrund des Fehiens von Verdauungsenzymen weni- ger unwahrscheinlich als in Magen und Darm. Unvorteilhaft jedoch ist der mukoide Charakter der Bronchialsekretion, die reiche Bakterienbesiedlung, die Atembewegungen sowie die cihare Aktivität des Epithels (31). Trotz der Einschrankungen sind, wenn auch wenige, Falle von Implantationsmetastasen im Bronchialsystem beschrieben worden (29, 31). Die Verhaltnisse für das Anwachsen von Tumorinetastasen im Mittelohr sind sicherhich günstiger zu beurteilen, als die für das Bronchialsystem beschriebenen. Im Mittelohr gibt es keine Enzyme und bezüglich der Bakterienansied- Heruntergeladen von: Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Urheberrechtlich geschützt. Leichenversuch spUlten wir nach Eroffnung des Mastoids und unter endoskopischer Kontrolle via posteriore Tympanotomie die Nase mit eine Methylenblau-tingierten Flussigkeit. Vorher wurde in der Nase endoskopisch die laterale Nasenwand entfernt,um den Situs einer lateralen Rhinotomie nachzuahmen. Em Ubertritt von FlUssigkeit ins Mittelohr konnte hier nicht beobachtet werden. Em beschrankender Faktor war hier wohi, daB der normale Gewebsturgor sowie der Zug der an der Tube ansetzenden Muskein fehite und somit die Voraussetzungen doch ganzlich verschieden zum Lebenden waren. In einer zweiten Versuchsserie gingen wir deshaib dem Problem am Lebenden nach. Bei Patienten, die sich in unserer Klinik zur Myringoplastik vorsteliten, wurde nach vorheriger Einwilligung vor 90 Laryngo-Rhino-Otol. 71 (1992) Bronchialsystem auftretenden Atembewegungen. Die Vitalität der abgeschilferten Malignomzellen ist ebenfalls unterschiedlich. Wdhrend sich von den Tumoren des Atemtraktes vor allern avitale Zellen ablosen und in die Bronchien gelangen, so 1st davon auszugehen, daB durch die SpUlung der Nasennebenhöh- len sicherlich auch massenhaft vitale Tumorzellen abgelost werden. Diese werden vor alien Dingen im Hypotympanon deponiert auf em drusenfreies Epithel, das bekanntermal3en keine mucociliare Funktion und keine immunologische Abwehr in der Submucosa besitzt (2,4). Als hinderlich für das Anwachsen eines Tumors dtirfte sicherlich die normalerweise intakte Epitheloberflhche sowie em intakter Schleimfilm sein, wobei auch bier unklar ist, inwieweit diese durch wiederholte Spulung alteriert werden. ' Graf K., U. Fisch: Geschwulste des Ohres und des Felsenbeines. In Berendes. J., R. Link, F Zollner (Hrsg.): Hals-Nasen-Ohrenheilkun- 6 17 I 9 20 21 gart New York(l974). Schlinler E.: Uber das metastatische Karzinom des Gehororgans FaBt man nun unsere Uberlegungen zusammen, so ist die Wahrscheinlichkeit grofi, daB es sich bei dem von uns geschilderten Krankheitsfall urn die tubogene Metastasierung eines Adenokarzinoms der Nebenhdhlen ins Mittelohr handelt. Wesentlicher Faktor war neben den Tumorrezidiven die vorn Patienten taglich durchgefOhrte Spulung der Operationshohle, durch die Tumorzellen canalicular ins Mittelohr gelangen können. Zur Prophylaxe weiterer derartiger Krankheitsverlhufe soilte allen Patienten mit operierten Nasennebenhohlen, deren Tumor nicht in sano reseziert wurde bzw. rezidivierte, von Spulungen der Nasennebenhdhlen mit einem Spulballon oder einem Politzer-Ballon abgeraten werden. Als Alternative bote sich hier das Ansaugen des Spulwassers aus der hohlen Hand an, da in diesem Fall duch den entstehenden Unterdruck em Ubertritt von Sptilflussigkeit ins Mittelohr unwahrscheinlich wird. 23 24 26 27 Altmann, F: Zur Kenntnis der metastatischen Karzinome des Gehorgangs. Wien. Med. Wschr. (1931) 1560— 1562. 2 Beck, C.: Anatomie und Histologie des Ohres. In Berendes, J., R. Link, F Zollner (Hrsg.): Hals-Nasen-Ohrenheilkunde in Praxis und Klinik, Bd. 5. Thierne, Stuttgart (1979). Becker W, H. H. Naumann, C. R. Pfaltz: Hals-Nasen-Ohrenheilkunde. Thierne, Stuttgart (1989). Bucher; 0.: Cytologie, Histologie und mikroskopische Anatomie des Menschen. Huber, Bern Stuttgart Wien (1973). Corey, J. P., E. 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