3.3. Drehungen und Spiegelungen Drehungen und Spiegelungen in der Ebene Die Multiplikation einer komplexen Zahl z = x + i y (aufgefaßt als Punkt oder Ortsvektor der Ebene) mit der Zahl w=e (i φ) = cos( φ ) + i sin( φ ) bewirkt geometrisch eine Drehung (i φ) dφ ( x + i y ) = ( x + i y ) e = x cos( φ ) − y sin( φ ) + i ( x sin( φ ) + y cos( φ ) ) um den Winkel φ gegen den Uhrzeigersinn, mit dem Drehzentrum im Ursprung 0. Geht man hingegen erst (durch Spiegelung an der reellen Achse) zur Konjugierten über und dreht das Ergebnis um den Winkel φ , so erhält man wiederum eine Spiegelung (i φ) sφ( x + i y )= ( x − i y ) e = x cos( φ ) + y sin( φ ) + i ( x sin( φ ) − y cos( φ ) ) φ allerdings an der Geraden durch 0 mit dem Neigungswinkel ! 2 Denn für φ i ψ + 2 z=re φ i −ψ − 2 z=re ist und daher φ i −ψ − 2 sφ( z ) = r e (i φ) e = re φ i −ψ + 2 . Zusammenfassung Ebene Drehungen und Spiegelungen unterscheiden sich nur durch das Vorzeichen bei y: Eine Drehung um den Ursprung 0 ist von der Form d( z ) = d( x, y ) = ( c x − s y, s x + c y ) mit s2 + c2 = 1. Eine Spiegelung (Reflexion) an einer Geraden durch 0 ist von der Form r( z ) = d( x, −y ) = ( c x + s y, s x − c y ) mit s2 + c2 = 1. Es gilt also r( z ) = d( z ). In beiden Fällen gibt es genau einen Winkel φ zwischen −π (ausschließlich) und π (einschließlich) mit s = sin( φ ) und c = cos( φ ). Alternativ kann man φ auch zwischen 0 einschließlich und 2 π ausschließlich wählen. Beispiel 1: Spiegelsymmetrie eines Ahornblattes (Maple!) Die Spiegelung an der y-Achse entsteht durch Konjugation (Spiegelung an der x-Achse) und anschließende Multiplikation mit e (i π) = −1, also Spiegelung am Ursprung: Ebene Drehungen mit beliebigem Zentrum Will man Drehungen um einen vom Ursprung verschieden Punkt mit den Koordinaten (a,b) beschreiben, so verschiebt man zuerst den Koordinaten-Ursprung in diesen Punkt und nach ausgeführter Drehung wieder zurück. Bezeichnet dφ die Drehung um (0,0) mit Drehwinkel φ, so ist dφ( x, y ) = ( cos( φ ) x − sin( φ ) y, sin( φ ) x + cos( φ ) y ) und die Drehung um den geänderten Drehpunkt (a,b) mit dem gleichen Drehwinkel ist gφ( x, y ) = dφ( x − a, y − b ) + ( a, b ). Beispiel 2: Räder mit dem Zentrum (a,b): Ein Punkt auf dem Rad mit den Koordinaten x,y hat nach einer Drehung um φ die Koordinaten cos( φ ) ( x − a ) − sin( φ ) ( y − b ) + a , sin( φ ) ( x − a ) + cos( φ ) ( y − b ) + b . Im nachfolgenden Bild ist das Koordinatensystem mit dem Auto, nicht mit der Ampel verbunden! Drehungen und Spiegelungen im Raum Eine räumliche Drehung um eine Achse im Raum (z.B. die y-Achse) und gleichzeitige Verschiebung entlang dieser Achse erzeugt eine Schraubenlinie. Bei Blickrichtung entlang der Achse sieht man einen Kreis, senkrecht dazu eine Sinus- bzw. Cosinuskurve. Beispiel 3: Schnüre auf einer Paketrolle Ist die Rotationsachse z.B. die zweite Koordinatenachse, so wird wird die Drehung durch Sinus und Cosinus in der ersten und dritten Koordinate beschrieben. f1( t ) = [ cos( t ), t, sin( t ) ] f2( t ) = [ −cos( t ), t, sin( t ) ] f3( t ) = [ −sin( t ), t, cos( t ) ] f4( t ) = [ sin( t ), t, cos( t ) ] Beschreibung einer räumlichen Drehung durch das Vektorprodukt Die Achse einer Drehung ist durch einen Einheitsvektor u in Richtung der Achse festgelegt. Die mathematische Beschreibung einer solchen Drehung ist nicht ganz einfach. Wir zerlegen dazu einen beliebigen Ortsvektor in seine Komponente entlang der Achse und eine Komponente senkrecht dazu: x = x[u] + r mit r = x x[u]. Wir zeichnen noch den auf u, x und r senkrecht stehenden Vektor s = uxx , der zudem die gleiche Länge wie r hat, nämlich |x| sin(u|x). Jetzt drehen wir die zur Achse senkrechte Komponente r um den Winkel φ und erhalten als Ergebnis den Vektor t = r cos( φ ) + s sin( φ ) : Schließlich bekommen wir durch Addition der Komponente entlang der Achse den um φ gedrehten Ausgangsvektor. Das Ergebnis bezeichnen wir mit d(x) : Deshalb beschreiben wir folgendermaßen die Drehung um den Winkel φ mit der Achse Ru d(x) = cos(φ)(x x[u]) + sin(φ)(uxx) + x[u] = cos(φ)x + (1 − cos( φ ))(ux)u + sin(φ)(uxx) . Beispiel 4: Eine Drehtür Wir lassen den Vektor x = (1,1,2) um die Achse u = (0,0,1) rotieren. Es ist ux = 2, x[u] = (ux)u = (0,0,2), uxx = (1,0,0). Bei Drehung um den Winkel φ entsteht der Vektor d(x) = (x1 cos( φ ) + x2 sin( φ ), −x1 sin( φ ) + x2 cos( φ ), x3) = (cos( φ ) + sin( φ ), −sin( φ ) + cos( φ ), 2). Spiegelungen an einer Ebene E = { x : nx = c} sind leichter zu bestimmen. Der Einfachheit halber nehmen wir für n einen Einheitsvektor. Die senkrechte Projektion eines beliebigen Punktes x auf die Ebene E ist dann gegeben durch p(x) = x + (c - nx)n , denn es ist n p(x) = nx + c - nx = c, d.h. p(x) liegt in E, und p(x) - x ist ein Vielfaches von n, steht also senkrecht auf der Ebene. Der Abstand des Punktes x von E ist gegeben durch c - nx. Beispiel 5: Bogenschießen Um die Spiegelpunkte zu erlangen, brauchen wir nur die Lotvektoren zu verdoppeln: s(x) = x + 2(c - nx)n . Spiegelung einer Raumkurve k( t ) = ( k1( t ), k2( t ), k3( t ) ) an der Ebene nx = n1 x1 + n2 x2 + n3 x3 = 0: Die gespiegelte Kurve hat die Parameterdarstellung h( t ) = ( h1( t ), h2( t ), h3( t ) ) mit hj( t ) = kj( t ) − 2 ( n1 k1( t ) + n2 k2( t ) + n3 k3( t ) ) nj ( j = 1,2,3). Beispiel 6: Spiegelung einer Schraubenlinie t k(t) = (cos( t ), sin( t ), ) 4 1 h1( t ) = cos( t ) − 2 n1 cos( t ) + n2 sin( t ) + n3 t n1 4 1 h2( t ) = sin( t ) − 2 n1 cos( t ) + n2 sin( t ) + n3 t n2 4 h3 ( t ) = 1 t − 2 n1 cos( t ) + n2 sin( t ) + n3 t n3 4 4 1 Rechtskurven gehen bei Spiegelung in Linkskurven über, Rechtssysteme in Linkssysteme! Beispiel 7: Mathe vor dem Spiegel Ebene Spiegelungen an einer Geraden s(x) = x + 2(c - nx)n Die Formel ist die gleiche wie im dreidimensionalen Raum, wobei man jetzt die dritte Koordinate wegzulassen hat. n ist ein Normalen-Einheitsvektor auf der Geraden a + R u, also z. B. u2 u1 n = (− , ) für u = (u1, u2) , 2 2 2 2 u1 + u2 u1 + u2 und c = na = n1 a1 + n2 a2 für a = (a1, a2). Drehspiegelungen entstehen durch Hintereinanderschalten einer Drehung und einer Spiegelung, oder umgekehrt. Beispiel 8: Die Spiegelung am Ursprung (Punktspiegelung) f(x) = -x ist ein spezielle Drehspiegelung. Sie entsteht durch eine Halbkreisdrehung (Drehwinkel π) um die z -Achse und anschließende Spiegelung an der x-y-Ebene: d( x, y, z ) = ( −x, −y, z ), f( x, y, z ) = s( d( x, y, z ) ) = ( −x, −y, −z ) , oder umgekehrt: f( x, y, z ) = d( s( x, y, z ) ) = d( x, y, −z ) = (−x, −y, −z). Wir könnten aber auch um die x-Achse drehen und an der y-z-Ebene spiegeln, etc. Achtung: Im Allgemeinen kommt es auf die Reihenfolge der Bewegungen an: d o s ist nicht immer gleich s o d ! Beispiel 9: Eine Drehspiegelung Eine Drehung um die z-Achse mit Drehwinkel φ ergibt d( x, y, z ) = ( x cos( φ ) − y sin( φ ), x sin( φ ) + y cos( φ ), z ) und anschließende Spiegelung an der y-z-Ebene mittels s( x, y, z ) = ( −x, y, z ) liefert s( d( x, y, z ) ) = (−x cos( φ ) + y sin( φ ), x sin( φ ) + y cos( φ ), z). Die umgekehrte Reihenfolge der Ausführung von d und s führt jedoch auf d( s( x, y, z ) ) = (−x cos( φ ) − y sin( φ ), −x sin( φ ) + y cos( φ ), z). π Für den speziellen Winkel φ = und die Kurve mit der Parameterdarstellung 3 k( t ) = (sin( t ), 2 cos( t ), t) bekommen wir nach Anwendung der Drehspiegelung dos die Bildkurve d o s o k( t ) = (− sin( t ) 2 − 3 cos( t ), − 3 sin( t ) 2 + cos( t ), t). Hingegen ergibt Anwendung der Drehspiegelung s o d die Bildkurve s o d o k( t ) = (− sin( t ) 2 + 3 cos( t ), 3 sin( t ) 2 + cos( t ), t) . Zum Schluss stellen wir noch eine Liste von Eigenschaften zusammen, die Drehungen, Spiegelungen und Drehspiegelungen charakterisieren. Dazu drei Definitionen: Fixpunkte einer Abbildung f sind die Punkte bzw. Vektoren x mit f(x) = x. Orthonormalbasen bestehen aus drei paarweise senkrechten Einheitsvektoren. Lineare Abbildungen erfüllen die Gleichungen f(x + y) = f(x) + f(y) und f(rx) = rf(x) für alle Vektoren x,y und reellen Zahlen r. Der Beweis des folgenden Hauptsatzes ist ziemlich aufwändig. Wir überlassen ihn den Mathematikspezialisten. Charakterisierung von Drehungen, Spiegelungen und Drehspiegelungen Für eine Abbildung f des dreidimensionalen Raumes in sich sind folgende Aussagen sämtlich äquivalent, d.h. jede folgt aus jeder anderen: (a) f ist eine Drehung (um eine Achse durch 0) oder eine Spiegelung (an einer Ebene durch 0) oder eine Drehspiegelung (mit 0 als Fixpunkt). (b) f bewahrt den Ursprung und Abstände: f(0) = 0 und |f(x)-f(y)| = |x-y|. (c) f bewahrt Längen und Winkel: |f(x)| = |x| und cos(f(x)|f(y)) = cos(x|y). (d) f bewahrt Längen und Flächeninhalte: |f(xxy)| = |f(x)xf(y)| = |xxy|. (e) f bewahrt Längen und Volumina: |f(x)| = |x| und |f(x)f(y)f(z)| = |xyz|. (f) f bewahrt Skalarprodukte: f(x)f(y) = xy. (g) f bewahrt Längen und ist linear: |f(x)| = |x| , f(x+y) = f(x)+f(y) und f(rx) = rf(x). (h) f ist linear und bewahrt Orthonormalbasen, d.h. |u| = |v| = |w| = 1 und uv = vw = wu = 0 impliziert |f(u)| = |f(v)| = |f(w)| = 1 und f(u)f(v) = f(v)f(w) = f(w)f(u) = 0. Um eine Spiegelung handelt es sich, falls der Fixpunktraum eine Ebene (die Spiegelungsebene) ist. Spiegelungen sind zu sich selbst invers (das gilt auch für Spiegelungen an einem Punkt). Eine Drehung liegt vor, falls der Fixpunktraum eine Gerade ist (die Drehachse). Rechtssysteme gehen dann in Rechtssysteme über (Test mit Spatprodukt). Die Identität ist die einzige Abbildung, deren Fixpunktraum dreidimensional ist. In allen anderen Fällen liegt eine Drehspiegelung vor. Es gibt dann einen Einheitsvektor, der auf sein Negatives abgebildet wird. Im Fall einer Abbildung f der Ebene in sich sind die obigen Eigenschaften mit Ausnahme von (e) charakteristisch für Drehungen um 0 und Spiegelungen an einer Geraden durch 0. Ebene Spiegelungen haben eine Fixgerade, ebene Drehungen (außer der Abbildung f(x) = x) haben 0 als einzigen Fixpunkt.