Parametrisierung orographischer Schwerewellen Beteiligte am IAP: B.Wolf, E. Becker Einleitung Zur korrekten Beschreibung der Dynamik der Atmosphäre mit Hilfe von Modellen ist es notwendig alle relevanten physikalischen Effekte zu berücksichtigen. In der mittleren Atmosphäre haben Schwerewellen mit vergleichsweise kurzen horizontalen Wellenlängen einen wesentlichen Einfluss auf die globale Zirkulation. Können Modelle diese Wellen nicht explizit auflösen und anregen, müssen sie mit Hilfe von Parametrisierungen in das Modell integriert werden. Im KMCM trifft dies auf orographische Schwerewellen (OGWs) zu. Diese werden durch die Überströmung von TerrainUnregelmäßigkeiten mit Ausdehnungen von wenigen Kilometern bis wenigen hundert Kilometern angeregt. Während ein Teil dieser Schwerewellen bereits in der Troposphäre dissipiert, können sich insbesondere größerskalige Gebirgswellen weit oberhalb der Troposphäre ausbreiten. In der Winterhemisphäre üben diese Wellen einen nicht zu vernachlässigenden Einfluss auf die residuelle Zirkulation (Brewer-Dobson-Zirkulation) aus und beeinflussen damit die gesamte Dynamik um die Stratopausenregion. Am IAP haben wir den klassischen Ansatz von McFarlane zur Parametrisierung von orographischen Schwerewellen mit zwei wesentlichen Effekten erweitert, um die zugrunde liegende Skalenwechselwirkung (aufgelöste Skalen, parametrisierte Schwerewellen und Turbulenz) im Vergleich zu bisherigen Anwendungen konsistent zu beschreiben. Zusammenfassung • Ohne die Berücksichtigung orographischer Schwerewellen kann die Dynamik in der mittleren Atmosphäre nicht korrekt beschrieben werden. • Es wurde eine Parametrisierung auf Basis des klassischen Schemas von McFarlane entwickelt, die konsistent die Wechselwirkung von Turbulenz, Schwerewellen und aufgelösten Skalen beschreibt. • Es zeigen sich signifikante Abweichungen in der Dynamik im Vergleich zur klassischen Parametrisierung. Im Winter der Nordhemisphäre entsprechen diese einer Interhemisphärischen Kopplung und führen zu einer Abkühlung der Sommermesopause. Verbesserung gegenüber der konventionellen Parametrisierung Zonalgemittelte Modellantwort, zeitlich gemittelt über acht Winter. Links zeigen Farben die Änderung (C-HD) der Zonalkomponente des orographischen Schwerewellenantriebes durch die konsequente Kopplung der Parametrisierung an das Turbulenzmodel. Konturen zeigen die assoziierte vertikal Diffusion (C). Rechts zeigen Farben die Änderungen (C-HD) der Divergenz des gesamten Eliassen-Palm-Flusses plus der parametrisierten Schwerewellen gegenüber der Simulation mit der klassischen Parametrisierung (HD). Die Kontrollsimulation (C) ist mit Isolinien eingezeichnet. Erweiterung der klassischen Parametrisierung Anregung durch Rauigkeit (Orographie) und aufgelösten bodennahen Wind + Wellengleichungen erlauben auch große vertikale Wellenlängen Lindzen'sche Sättigungshypothese: Konvektive Instabilität erzeugt turbulente Diffusion; Schwerewellen werden dadurch gedämpft bzw. bei kritischen Niveaus gefiltert + Allgemeine Beschreibung der Wellenausbreitung mit WKB-Theorie: Gesamte vertikale Diffusion (insbesondere Grenzschicht) trägt zur Wellendämpfung bei Die Impulsdeposition wird in der Dynamik der aufgelösten Skalen berücksichtigt + Durch orographische Wellen erzeugte, turbulente Diffusion wirkt zurück auf alle anderen Skalen (aufgelöste Dynamik, parametrisierte nichtorographische Schwerewellen) + Berücksichtigung der Energiedeposition Primär verschiebt sich der Antrieb durch die orographischen Wellen polwärts und in der Höhe. Dies kann man mit Hilfe der zusätzlich berücksichtigten Vertikaldiffusion verstehen, welche den vertikalen Windgradienten verringert. Dadurch brechen die orographischen Schwerewellen in größeren Höhen. Durch Wechselwirkungen mit anderen Wellen und dem Grundstrom ergeben sich Auswirkungen, die nicht nur auf die Nordhemisphäre beschränkt sind, sondern die Dynamik über den gesamten Globus, insbesondere in der mittleren Atmosphäre beeinflussen. Der zugrundeliegende Mechanismus, der den Unterschied zwischen den Simulationen mit der klassischen und der neuen Parametrisierung erzeugt, entspricht dem der Interhemisphärischen Kopplung. Einfluss von orographischen Schwerewellen Die brechenden orographischen Schwerewellen ziehen eine Änderung des gesamten Wellenantriebes in der Stratopausenregion nach sich. Da der Schwerewellen-Antrieb im Nord-Winter aufgrund der stratosphärischen Filterung generell negativ ist, bedeutet eine positive Differenz eine Abschwächung der Impulsdeposition. Zonalgemittelte Modellantwort in der nördlichen Hemisphäre, zeitlich gemittelt über acht Winter. Links zeigen Farben die Zonalkomponente des orographischen Schwerewellenantriebes (C), Konturen assoziierte Vertikaldiffusion (C). Rechts zeigen Farben die Änderungen der Divergenz des gesamten EliassenPalm-Flusses plus der parametrisierten nichtorographischen Schwerewellen gegenüber (V). Die Kontrollsimulation (C) ist mit Isolinien eingezeichnet. Daraus resultiert eine Änderung der Filterung für vertikal propagierende Schwerewellen. Während polseitig von 40° Nord mehr ostwärts laufendene Schwerewellen (c>0) die Mesosphäre erreichen, brechen andererseits westwärtige Wellen früher, aufgrund des verringerten Hintergrundwindes. Dies bedeutet eine positive Differenz des Schwerewellenantriebes in der polaren Stratopausenregion. Äquatorseitig von 40° Nord werden umso mehr ostwärts laufende Schwerewellen gefiltert, während sich westwärts laufende Schwerewellen (c<0) umso höher ausbreiten können. Durch die daraus resultierende Verlagerung der meridionalen Zirkulation erfolgt wiederum eine Abkühlung der polaren Mesosphäre sowie eine Erwärmung über den mittleren Breiten . Durch die primäre, vergleichsweise kleine Verschiebung des Stratosphären-Jets wird eine Variation in der Ausbreitung der planetaren Rossby-Wellen induziert und führt zu einem zusätzlichen westwärtigen Wellenantrieb. Die dadurch verstärkte BrewerDobson-Zirkulation bewirkt eine polseitige Erwärmung der Stratosphäre sowie eine äquatorseitige Abkühlung. Der verringerte Temperaturgradient bewirkt eine Verlagerung des thermisch balancierten Zonalwindes und eine generelle Abschwächung des Stratosphären-Jets. Der Zonalwind wird polseitig von 40° Nord abgeschwächt und äquatorseitig verstärkt. Zonalgemittelte Modellantwort in der nördlichen Hemisphäre, zeitlich gemittelt über acht Winter. Die Kontrollsimulation (C) ist mit Isolinien eingezeichnet. Farben zeigen die Änderung durch die Kopplung der orographischer Schwerewellen an das Turbulenzmodell und damit den Unterschied zur klassischen Parametrisierung (HD). Modellkonfigurationen Kontroll-Lauf (C) • KMCM mit konventioneller Auflösung: T32, 70 Hybridschichten von der Grenzschicht bis 120 km • konsistente Skalenwechselwirkung der parametrisierten Schwerewellen: • axiomatische, konsistente Grenzschichtdiffusion und Horizontaldiffusion (Becker, 2003; Becker & Burkhardt, 2007) • erweiterte „Doppler-spread“-Parametrisierung (DSP) nichtorographischer Schwerewellen gemäß Becker & McLandress (2009) • Schema von McFarlane (1987) für orographische Schwerewellen, erweitert mit Energiedeposition und vollständiger Berücksichtigung der turbulenten Diffusion (damit direkt gekoppelt an Grenzschichtschema und DSP) • kontinuierliche Berechnung des Strahlungstransfers von der Oberfläche bis zum oberen Modellrand (Knöpfel & Becker, 2010) • idealisierte latente Wärmequellen Konventioneller Lauf (HD): wie (C), aber ohne konsistente Kopplung der orographischen Wellen (nur Impulsdeposition berücksichtigt) Vanilla-Lauf (V) : wie (C), ohne orographische Schwerewellen Literatur Zonalgemittelte Modellantwort in der nördlichen Hemisphäre, zeitlich gemittelt über acht Winter. Farben zeigen die Änderung durch die Berücksichtigung orographischer Schwerewellen auf die Hintergrundtemperatur, den Zonalwind sowie die residuelle Zirkulation gegenüber (V). Die Kontrollsimulation (C) ist mit Isolinien eingezeichnet. N.A. McFarlane, The Effect of Orographically Excited Gravity Wave Drag on the General Circulation of the Lower Stratosphere and Troposphere, J. Atmos. Sci., 1775-1800,1987 E. Becker und C. McLandress, Consistent scale interaction of gravity waves in the Doppler-spread parameterization, J. Atmos. Sci., 1434-1449, 2009. R. Knöpfel und E. Becker, An idealized radiative transfer scheme for use in a mechanistic general circulation model from the surface up to the mesopause region, J. Quant. Spectrosc. Radiat. Transfer, 112, 1460-1478, 2011 M.J. Alexander et al., A Review of Recent Developments on Gravity Wave Effects in Climate Models and the Global Distribution of Gravity Wave Momentum Flux, Q.J.R. Meteorol. Soc., 1-34, 2009