Klinische Abteilung für Kieferorthopädie der Universität Graz Leiter: Univ.Prof. Dr.H.Droschl Theoretisches Propädeutikum Zahnmedizin: KIEFERORTHOPÄDIE KIEFERORTHOPÄDIE und ORTHODONTIE Beide Ausdrücke werden oft synonym verwendet, was eigentlich nicht richtig ist. Tatsächlich versteht man darunter: KIEFERORTHOPÄDIE: die Beeinflussung des Kieferknochens durch Steuerung des Wachstums (skelettale Korrektur) ORTHODONTIE: die Beeinflussung der Zahnstellung (dentale Korrektur) orthos (griech.) = richtig, regelrecht dons (greich.) = Zahn paideia (griech.) = Erziehung Der Kieferorthopäde befasst sich also mit der Erkennung, Prophylaxe und Behandlung von Zahn- und Kieferfehlstellungen. ZAHNENTWICKLUNG ZAHNZAHL: Milchgebiss: 20 Zähne bleibendes Gebiss: 32 Zähne Zahnentwicklung Milchgebiss: praenatal 17 Wo. Verkalkung Schneidenkanten Incisivi 20 Wo. Erste Kalzifikationszeichen bei Molaren Geburt Kronen Incisivi und Eckzähne fast fertig Kronen Molaren halbfertig DURCHBRUCH DER MILCHZÄHNE 6-8 Mo. Zentr.Milchschneidezähne UK 9-10 Mo. Zentr.Milchschneidezähne OK 10-14 Mo. Laterale Milchschneidezähne 14-18 Mo. Erste Milchmolaren 18-24 Mo. Milcheckzähne 24-30 Mo. Zweite Milchmolaren Geburt 18 Mon. 9 Mon. 3 Jahre Zahndurchbruch Dentales Entwicklungsalter in der bleibenden Dentition ZAHNGRÖSSE - ZAHNFORM • Bei Eugnathie Æ keine Zahngrössendiskrepanz zwischen den oberen und unteren Zähnen • Stärkste Variabilität bei den oberen lateralen Incisivi und dritten Molaren Klasse I - Verzahnung Bei der Ansicht von der Seite projiziert sich der mesiobukkale Höcker des oberen ersten Molaren auf die Fossa des unteren ersten Molaren. Der Mesiopalatinale Höcker des oberen ersten Molaren liegt dann genau in der zentralen Fossa des unteren ersten Molaren. Klasse II - Verzahnung Der untere erste Mahlzahn (Molar) steht im Bezug zum oberen ersten Mahlzahn weiter distal. Das Ausmaß wird im Praemolarenbreiten (PMB) angegeben. 1/4 PMB 1/2 PMB 3/4 PMB 1 PMB Klasse II - Verzahnung Höcker-Abhang- Höcker-Höcker- Höcker-Abhang- Höcker-Fossa Beziehung Beziehung Beziehung Beziehung 1/4 PMB 1/2 PMB 3/4 PMB 1 PMB Klasse III - Verzahnung Der untere erste Mahlzahn (Molar) steht im Bezug zum oberen ersten Mahlzahn weiter mesial. Das Ausmaß wird im Praemolarenbreiten (PMB) angegeben. 1/4 PMB 1/2 PMB 3/4 PMB 1 PMB Klasse III - Verzahnung Höcker-Abhang- Höcker-Höcker- Höcker-Abhang- Höcker-Fossa Beziehung Beziehung Beziehung Beziehung 1/4 PMB 1/2 PMB 3/4 PMB 1 PMB Stützzone 6 6 2 1 1 2 Zwischen dem distalen Kontaktpunkt des bleibenden seitlichen Schneidezahnes und dem mesialen Kontaktpunkt des ersten bleibenden Molaren. Stützzone Die Stützzone „stützt“ jenen Bereich, in dem später die seitlichen bleibenden Zähne Platz finden müssen. Wer stützt ? Die Milchzähne stützen (Milch-Drei, Milch-Vier, Milch-Fünf). Gehen vorzeitig Milchzähne verloren oder müssen diese z.B. wegen Karies gezogen werden, so fällt diese Stütze weg Æ Folge Æ die ersten Molaren wandern nach vorne = STÜTZZONENVERLUST. Stützzonenverlust Folge Die bleibenden seitlichen Zähne (Eckzahn und Backenzähne) haben nicht mehr genug Platz zum Durchbrechen. Folge bei geringem Ausmaß Æ Engstand im bleibenden Gebiss bei starkem Ausmaß Æ der letzte durchbrechende Zahn hat keinen Platz mehr zum Durchbrechen Æ bleibt im Kiefer stecken Æ retinierter Zahn Abhilfe Halten des ersten Molaren mittels eines kieferorthopädischen Gerätes = Platzhalter Normale „Transversale“ 6 6 6 6 Die oberen Seitenzähne stehen bukkal der unteren Seitenzähne. Die palatinalen Höcker der oberen Zähne okkludieren in der Fossa der unteren Zähne. Kreuzbiss Abweichungen in der Transversalen Beim Kreuzbiss stehen die oberen Seitenzähne im Vergleich zu den unteren Seitenzähnen zu weit palatinal oder die unteren im Vergleich zu den oberen zu weit bukkal. Abweichungen in der Transversalen einseitiger Kreuzbiss Kreuzbiss Kann dentale Ursache haben (Zahnkippungen in bukko-palatinaler Richtung) 1 beidseitiger Kreuzbiss 2 Kann skelettale Ursache haben (Kieferbreite) Scherenbiss Abweichungen in der Transversalen Beim Scherenbiss stehen die oberen Seitenzähne im Vergleich zu den unteren Seitenzähnen zu weit bukkal oder die unteren im Vergleich zu den oberen zu weit lingual. Abweichungen in der Transversalen Scherenbiss Starker Scherenbiss Leichter Scherenbiss Abweichungen in der Transversalen Scherenbiss Kann dentale Ursache haben (Zahnkippungen in bukko-palatinaler Richtung) Kann skelettale Ursache haben (Kieferbreite) SYNDROME Häufigkeit: ~ 59% Alle Fehlstellungen mit einer Klasse I -Verzahnung - Engstand - fehlende Zähne - Tiefbiss - offener Biss - etc. = DISTALBISS Häufigkeit: ~ 37% - Rücklage des Unterkiefers - Distalokklusion (Klasse II-Verzahnung) - Protrusion der oberen Front - vergrößerte sagittale Stufe - Oberkieferzahnbogen oft relativ spitz = DECKBISS Häufigkeit: ~ 3% - Rücklage des Unterkiefers (meist) - Distalokklusion (Klasse II-Verzahnung) (meist) - Steilstand der oberen Front - meist überlappen die seitlichen Schneidezähne die zentralen Schneidezähne von der Seite - kleine sagittale Stufe - tiefer Biss = PROGENIE Häufigkeit: ~ 2% - Vorlage des Unterkiefers - Mesialokklusion (Klasse III-Verzahnung) - negative sagittale Stufe (verkehrter Überbiss) - Protrusion der oberen Front - Steilstand der unteren Front - verstrichene Mentolabialfalte DIE THERAPIE Sollte von einem ausgebildeten Kieferorthopäden durchgeführt werden Warum soll therapiert werden ? um Folgeschäden zu verhindern und zwar aus Zahnhygienegründen, aus parodontologischer Sicht, aus funktioneller Sicht, aus ästhetischer Sicht, aus psychologischer Sicht etc. Voraussetzung für die Therapie eine genaue kieferorthopädische Planung • M o d e l l e Æ Modelvermessung • F e r n r ö n t g e n Æ Fernröntgendurchzeichnung •Orthopantomogramm = die drei Pfeiler der kieferorthopädischen Diagnose „ ZAHNSPANGE“ •Abnehmbare Geräte (= herausnehmbare Geräte aus Kunststoff) •Festsitzende Geräte (= Brackets, Drähte, elastische Elemente) Abnehmbare Geräte Festsitzende Geräte Mittels dieser Geräte werden einerseits der Knochen und dessen Wachstum beeinflusst und andererseits die Zähne im Knochen bewegt (mittels Drähten und elastischen Elementen) (siehe KNOCHEN Vorlesung Strukturbiologie) KNOCHEN- KNOCHEN- ANBAU ABBAU = KRAFTRICHTUNG = BEWEGUNGSRICHTUNG Das Ziel der Therapie www.meduni-graz.at/zahnklinik/