3.4 Algebraische Strukturen 3.4 9 Algebraische Strukturen Man sagt, eine Menge hat eine algebraische Struktur, wenn in ihr eine Operation definiert ist, d.h. eine Verknüpfung von zwei Elementen der Menge, die wieder ein Element der Menge ergibt. Zum Beispiel sind Addition und Multiplikation in Zahlenmengen Operationen. Um mit solchen Operationen sinnvoll rechnen zu können, sollten sie Rechengesetzen wie Kommutativgesetz (KG), Assosiativgesetz (AG) oder Distributivgesetz (DG) genügen. Es seien a, b, c, ... ∈ M. In M sei eine Operation ∗ definiert. Die Menge M mit der durch ∗ definierten algebraischen Struktur wird mit (M, ∗) bezeichnet. Es gilt (Abgeschlossenheitbezüglich der Operation ∗) a, b ∈ M =⇒ a ∗ b ∈ M Je mehr Operationen mit vielen Rechengesetzen in einer Menge definiert sind, desto mehr Möglichkeiten hat man, ein Problem zu behandeln. Allerdings stellt man schnell fest, daß das zu Widersprüchen führen kann, sodaß die Anzahl der Mengen, für die das widerspruchsfrei möglich ist schnell klein wird. Die Kunst besteht also gerade darin, soviel wie möglich, aber nicht mehr als nötig Struktur in einer Menge zu definieren. So stellt es sich heraus, daß es häufig nicht sinnvoll ist, das Kommutativgesetz zu fordern, wogegen das Assoziativgesetz meist sinnvoll ist. 3.4.1 Monoid Die Menge M mit Operation ∗ wird Monoid genannt, wenn das Assoziativgesetz erfüllt ist (AG) (a ∗ b) ∗ c = a ∗ (b ∗ c), ∀ a, b, c ∈ M und ein neutrales Element e mit der Eigenschaft (NE) e ∗ a = a ∗ e = a, ∀ a ∈ M existiert. Gilt das Kommutativgesetz (KG) a ∗ b = b ∗ a, ∀ a, b ∈ M heißt das Monoid kommutativ. Ist die Operation ∗ eher soetwas wie eine Addition, wird das neutrale Element häufig mit 0 bezeichnet, ist sie eher soetwas wie eine Multiplikation, dann mit 1. Aus dem Assoziativgesetz folgt (das kann man z.B. mit vollständiger Induktion beweisen), daß man Klammern in größen Ausdrücken weglassen kann. Sind a1 , ..., an ∈ M, so ist der Ausdruck a = a1 ∗ · · · ∗ an stets gleich, egal in welcher Reihenfolge man ihn berechnet, d.h. egal wie man Klammern setzt. Beispiele für Monoide sind (es sei N die Menge der natürlichen Zahlen ohne 0 und N0 mit 0): • (N0 , +) • (N, ·) • Die nat. Zahlen, die bei Div. durch 3 Rest 1 lassen mit der üblichen Multip0likation ·. • Die Operationen ∩ und ∪ in 2M . Die entspr. neutrale Elemente sind hier M und ∅. 10 3 STRUKTUREN IN MENGEN • Funktionen f : R − → R mit der Komposition (Hintereinanderausführung) ◦. Es gilt (f ◦ g)(x) = f (g(x)). Das neutrale Element ist f (x) = x. Dieses Monoid ist nicht kommutativ. Ist z.B. f (x) = x + 1 und g(x) = 2x, so gilt (f ◦ g)(x) = f (g(x)) = 2x + 1 aber (g ◦ f )(x) = g(f (x)) = 2(x + 1). Keine Monoide sind: • N0 mit Potenzieren. AG nicht erfüllt und 00 nicht definiert. • (N, +). Es fehlt das neutrale Element. Das neutrale Element e ist stets eindeutig bestimmt. Gäbe es nämlich zweie e und e′ , so folgt aus e′ = e′ ∗ a = e ∗ e′ = e ihre Gleichheit. Hat man eine Operation definiert, ist es häufig auch der Wunsch, Gleichungen zu lösen. Gleichungen mit der Operation ∗ sind x ∗ a = b oder a ∗ x = b. Wie wir aus dem Rechen mit natürlichen Zahlen wissen ist das in (N0 , +) oder in (N, ·) nicht in jedem Fall möglich. Ein Monoid, in dem solche Gleichungen lösbar sind, heißt 3.4.2 Gruppe Es sei (M, ∗) ein Monoid mit dem neutralen Element e. Ein Monoid heißt Gruppe, wenn es für jedes Element a ∈ M ein inverses Element a′ gibt: (IE) : ∀a ∈ M ∃a′ ∈ M : a′ ∗ a = a ∗ a′ = e Das inverse Element ist soll also stets von beiden Seiten invers sein. Diese Bemerkung ist natürlich nur für nichtkommutative Monoide wichtig. Eine Gruppe, deren Operation kommutativ ist heißt kommutative Gruppe oder Abelsche Gruppe. Wenn die Operation ∗ eher soetwas wie eine Multiplikation ist, wird das inverse Element auch mit a−1 bezeichnet. Ist ∗ eher soetwas wie eine Addition, wird das inverse Element auch mit −a bezeichnet. Das inverse Element ist eindeutig. Indirekter Beweise: Ist a′ und a′′ invers zu a, so folgt a′′ = e ∗ a′′ = a′ ∗ a ∗ a′′ = a′ ∗ e = a′ Beispiele für Gruppen sind • Z, + (mit 0) • Q, · (ohne 0) • Gebrochen lineare Funktionen, wenn ad 6= bc. • Hintereinanderausführen von Operationen • Endliche Gruppen 3.4 Algebraische Strukturen 11 Gruppen haben folgende Eigenschaften 1) Gleichungen sind eindeutig lösbar x ∗ a = b =⇒ x = b ∗ a−1 a ∗ x = b =⇒ x = a−1 ∗ b 2) Eindeutigkeit: Hält man im Ausdruck a∗b das Element a fest, so ergeben sich für verschiedene b stets verschiedene Ergebinisse. Mathematisch gesprochen bedeutet das a ∗ b = a ∗ c =⇒ b = c . (1) Das sieht man sofort, wenn man von links mit a−1 multipliziert. Analog gilt b ∗ a = c ∗ a =⇒ b = c . 3.4.3 (2) Endliche Gruppen Eine Gruppe ist eindeutig gegeben, wenn man von jedem Paar von Elementen (a, b) weiß, welches Element a ∗ b ist. Befinden sich in der Menge endliche viele Elemente, kann man das gut durch eine Multiplikationstabelle angeben. Gruppen mit endliche vielen Elementen werden endliche Gruppen genannt. Es stellt sich heraus, daß es oft nur wenige Möglichkeiten gibt, die Gruppenelemente so in einer Multiplikationstabelle zu verteilen, daß alle Gruppengesetzte erfüllt sind. Dazu gehört: Ein Element muß das neutrale Element sein. In jeder Zeile und jeder Spalte darf jedes Element nur einmal vorkommen (das folgt aus (1) und (2)). Die neutralen Elemente müssen symmetrisch bezüglich der Hauptdiagonalen auftreten (wegen e∗a = a∗e). Ist die ganze Tabelle symmetrisch bezüglich der Hauptdiagonalen, so ist die Gruppe kommutativ. Enthält die Gruppe nur ein Element, muß das e sein und die einzige Multiplikationsregel ist e ∗ e = e. Enthält die Gruppe zwei Elemente, muß eins e sein und das andere sei g2 . Dann ist nur folgende Multiplikationstabelle möglich: ∗ e g2 e e g2 g2 g2 e Es ist sinnvoll, als erstes Element das neutrale anzuführen. Dann ist die erste Zeile und erste Spalte klar. Es bleibt das Element (2, 2) (d.h. zweie Zeile, zweite Spalte). Daß kann nur e oder g2 sein. Da in jeder Zeile und Spalte jedes Element genau einmal vorkommen muß ist es also e. Folglich ist die Multiplikationstabelle eindeutig bestimmt. Es gibt genau eine Gruppe mit 2 Elementen. Sie wird Z2 genannt und ist kommutativ. Enthält die Gruppe drei Elemente, muß wieder eins e sein und die anderen seien g2 und g3 . Dann ergibt sich am Anfang folgende Multiplikationstabelle: ∗ e g2 g3 e e g2 g3 g2 g2 g3 g3 Jetzt ist klar, daß an der Stelle (2, 2) das Element g3 stehen muß, da g2 nicht noch einmal in der zweiten Spalte stehen kann und wenn e dort stünde für g3 nur noch in der dritten Spalte 12 3 STRUKTUREN IN MENGEN Platz wäre. Also folgt als einzig mögliche Multiplikationstabelle ∗ e g2 g3 e e g2 g3 g2 g2 g3 e g3 g3 e g2 Es gibt genau eine Gruppe mit 3 Elementen. Sie wird Z3 genannt und ist kommutativ. Analog kann man sich überlegen, daß es zwei Gruppen mit 4 Elementen gibt: ∗ e e e g2 g2 g3 g3 g4 g4 g2 g2 g3 g4 e g3 g3 g4 e g2 g4 g4 e g2 g3 ∗ e e e g2 g2 g3 g3 g4 g4 und g2 g2 e g4 g3 g3 g3 g4 e g2 g4 g4 g3 g2 e Sie werden Z4 bzw. Z2 × Z2 genannt und sind kommutativ. Mit 5 Elementen gibt es wieder genau eine Gruppe, die kommutative Gruppe Z5 : ∗ e g2 g3 g4 g5 e e g2 g3 g4 g5 g2 g2 g3 g4 g5 e g3 g3 g4 g5 e g2 g4 g4 g5 e g2 g3 g5 g5 e g2 g3 g4 Es gibt genau zwei Gruppen mit 6 Elementen, die kommutative Gruppe Z6 und die erste nichtkommutative Gruppe, die D3 genannt wird. Z6 e g2 g3 g4 g5 g6 e e g2 g3 g4 g5 g6 3.4.4 g2 g2 g3 g4 g5 g6 e g3 g3 g4 g5 g6 e g2 g4 g4 g5 g6 e g2 g3 g5 g5 g6 e g2 g3 g4 g6 g6 e g2 g3 g4 g5 D3 e g2 g3 g4 g5 g6 und e e g2 g3 g4 g5 g6 Einige konkrete endliche Gruppen Drehung eines n-Ecks. Multiplikation der Einheitswurzeln. Addition modulo n. Multiplikation modulo n (wenn n Primzahl ist). Drehung eines Quadrates vertikal und horizontal. ∗ 0 1 2 3 4 0 0 0 0 0 0 1 0 1 2 3 4 2 0 2 4 1 3 3 0 3 1 4 2 4 0 4 3 2 1 =⇒ ∗ 1 2 3 4 1 1 2 3 4 2 2 4 1 3 3 3 1 4 2 4 4 3 2 1 g2 g2 e g5 g6 g3 g4 g3 g3 g4 e g2 g6 g5 g4 g4 g3 g6 g5 e g2 g5 g5 g6 g2 e g4 g3 g6 g6 g5 g4 g3 g2 e 13 3.4 Algebraische Strukturen ∗ 1 2 4 3 3.4.5 1 1 2 4 3 2 2 3 1 4 3 3 4 2 1 =⇒ ∗ 1 2 3 4 1 1 2 3 4 2 2 3 4 1 4 4 1 2 3 3 3 4 1 2 =⇒ ∗ 1 2 3 4 1 1 2 3 4 2 2 3 4 1 4 3 4 1 2 3 4 1 2 3 Isomorphe Gruppen G g e g1 ∗ g2 g −1 3.4.6 4 4 1 3 2 ⇐⇒ ⇐⇒ ⇐⇒ ⇐⇒ ⇐⇒ G′ g′ e′ g1′ ∗ g2′ −1 g′ Permutationen 123 123 123 123 123 123 , g6 = , g5 = , g4 = , g3 = , g2 = e= 321 312 231 213 132 123