10 h h 1 5 11 h g un rsc tve Ro 0.1 b hie 0 0.1 2h 5 12h 0.0 1h h 13 0.5 0 Mi h 14 rde n 1.0 0 23 h llia Lic ht ja hre 1.5 0 22 h 2dF Galaxy Redshift Survey 0h T h e m e n d e r W i ss e n s c h a f t 0 0.2 Das Standardmodell der Kosmologie Teil 1: Kosmologische Modelle – Ausdehnung und Alter – Entstehung der leichten Elemente – Dunkle Materie VON MATTHIAS BARTELMANN Erstmals in der Geschichte der Astronomie fügen sich so gut wie alle kosmologischen Beobachtungen in den Rahmen eines einfachen Modells. Doch müssen wir uns damit anfreunden, dass die meiste Materie im Universum unbekannter Natur ist und eine rätselhafte »Dunkle Energie« das Universum beschleunigt auseinandertreibt. U nter den Teildisziplinen der Phy­ sik nimmt die Kosmologie eine Sonderrolle ein. Schon die As­ trophysik kann mit ihren Gegenständen nicht experimentieren, aber sie macht die­se Schwierigkeit dadurch wett, dass ihr eine große Zahl verschiedenster Him­ melskörper für Untersuchungen zur Ver­ fügung steht, etwa Sterne, Galaxien oder noch größere Objekte. Die Kosmologie hingegen unternimmt den Versuch, eine physikalische Erklärung für ein einzelnes »Objekt« zu finden, das sich ihrer Kon­ trolle entzieht: das Universum als Gan­ zes. Sie verfolgt das ehrgeizige Ziel, aus den bekannten Naturgesetzen darauf zu 38 Sterne und Weltraum August 2007 schließen, wie das Universum sich entwi­ ckelt haben muss. Sie kann dabei zu Hilfe nehmen, dass sich das Verhalten des Uni­ versums aus den physikalischen Eigen­ schaften zahlloser Objekte ablesen lässt, die sie dank der endlichen Ausbreitungs­ geschwindigkeit des Lichts vor umso län­ gerer Zeit sieht, je weiter sie entfernt sind. Welche Theorien haben wir zur Verfü­ gung, um ein Modell des Universums zu konstruieren, das mit der beobachtbaren Wirklichkeit verglichen werden kann? Von den vier Grundkräften, welche die Physik kennt, kommt nur eine zur Be­ schreibung des Universums in Frage: die Gravitation. Die schwache und die starke Wechselwirkung sind durch ihre endliche Reichweite auf subatomare Skalen be­ schränkt. Die elektromagnetische Wech­ selwirkung reicht zwar wie die Gravita­ tion unendlich weit, aber da es zwei ge­ gensätzliche Ladungen gibt, kann sie sehr wirksam abgeschirmt werden; und Mag­ netfelder, die durchaus kosmische Aus­ dehnung erreichen, sind viel zu schwach, als dass sie einen nennenswerten Einfluss auf das Universum ausüben könnten. Bleibt also die Gravitation, die eine un­ endliche Reichweite hat und sich nicht abschirmen lässt. Symmetrie als Basis von Weltmodellen Nach wie vor ist Albert Einsteins Allge­ meine Relativitätstheorie die überzeu­ gendste Theorie der Gravitation, die wir kennen. Sie hat bisher jeden noch so ri­ gorosen Test überstanden. Zwar wurde sie nie auf kosmischen Skalen überprüft, aber die Tatsache, dass sich ihre Konzepte Abb. 1: Strukturen in der räumlichen Verteilung der Galaxien sind klein gegenüber den Abmessungen des beobachtbaren Universums. Wenn man auf geeigneten Skalen mittelt, wird die Galaxienverteilung sehr gleichmäßig. und Vorhersagen überall dort als richtig erwiesen haben, wo sie experimentell un­ tersucht werden konnten, gibt uns großes Vertrauen auch in ihre Vorhersagen zur Kosmologie. Die Feldgleichungen der Allgemeinen Relativitätstheorie sind kompliziert. Um sie zu lösen, muss man bestimmte Eigen­ schaften der Lösungen schon vorweg an­ nehmen, wie etwa ihre erwarteten Sym­ metrien. Die moderne Kosmologie be­ ginnt mit zwei Symme­trieannahmen: Die für uns beobachtbaren Eigenschaften des Universums mögen nicht von der Rich­ tung abhängen, in die wir beobachten, und es gebe keine bevorzugten Beobach­ ter im Universum. Auf den ersten Blick erscheint die erste Symmetrieannahme geradezu ab­ surd. Sieht nicht der Nachthimmel in je­ der Richtung anders aus? Hier ist jedoch nicht eine völlige Gleichmäßigkeit ge­ meint, sondern eine Richtungsabhängig­ keit in einem geeignet gewählten Mittel. Die Sterne oder Galaxien, die wir hier am Himmel sehen und dort nicht, sind sehr klein gegenüber den Ausmaßen des ge­ samten Universums (Abb. 1). Also kann man auf einer Längenskala mitteln, die groß gegenüber den Galaxien, aber immer noch klein gegenüber dem Universum ist. Angenommen wird nur, dass das Univer­ sum nach dieser Mittelung richtungsun­ abhängig aussieht. Das mag plausibler klingen, muss aber überprüft werden. Den überzeugendsten Beleg dafür liefert der kosmische Mikrowellenhintergrund, der beinahe vollständig isotrop ist. Die zweite Annahme erscheint weit weniger problematisch, weil wir uns seit Kopernikus daran gewöhnt haben, nicht im Mittelpunkt der Welt zu stehen. Wir halten uns jedenfalls nicht mehr für pri­ vilegierte Beobachter und erweitern diese Erkenntnis in der erwähnten Symmetrie­ annahme auf alle anderen möglichen Be­ obachter im Universum. Wenn das Uni­ versum um uns herum isotrop ist, dann ist es aufgrund dieser Annahme auch für alle anderen Beobachter im Universum isotrop. Dann muss das Universum auch homogen sein. Damit gehen wir über das kopernikanische Prinzip erheblich hin­ aus: Nicht nur stehen wir nicht im Mittel­ punkt der Welt, sondern ein solcher Mit­ telpunkt existiert gar nicht. Diese beiden Symmetrieannahmen haben nun weitreichende Konsequenzen. Eingesetzt in Einsteins Feldgleichungen ergeben sie eine Klasse einfacher Mo­ delle. Sie dürfen nur noch von der Zeit abhängen, weil jede Ortsabhängigkeit durch die angenommene Homogenität ausgeschlossen wird. Zwei Gleichungen bestimmen das Verhalten dieser Modell­ universen. Die eine, benannt nach dem russischen Mathematiker Alexander Friedmann, beschreibt, wie sich das Aus­ dehnungsverhalten des Universums im Lauf der Zeit ändert. Die andere formu­ liert die Energieerhaltung, die in solchen hochsymmetrischen Modellen unver­ meidlich ist. Wo es wegen der angenom­ menen Isotropie keine ausgezeichneten Richtungen geben darf, kann auch keine Energie fließen, denn jeder Energiestrom würde eine Richtung markieren. Wenn aber keine Energie fließen kann, muss sie in jedem beliebigen Teilvolumen des Uni­ versums erhalten bleiben. Die Friedmann-Gleichung zeigt, dass der gesamte Materie- und Energieinhalt versum vollzieht also folgende Schritte: Allein maßgeblich für das Verhalten des Universums ist die Gravitation, die wir anhand der Allgemeinen Relativitätstheo­ rie beschreiben. Mit Hilfe der beiden Sym­ metrieannahmen, dass das Universum nach geeigneter Mittelung um uns herum isotrop sei, und dass es keine ausgezeich­ neten Beobachter im Universum gebe, folgt aus Einsteins Feldgleichungen die Friedmann-Gleichung. Zusammen mit der Energieerhaltung beschreibt sie eine Klasse einfacher kosmologischer Model­ le, die durch eine Reihe von Parametern gekennzeichnet sind. Damit stellen sich zwei Fragen: Sind die­se Friedmann-Modelle tatsächlich in der Lage, das Verhalten des Universums zu beschreiben, und wenn ja, welche Para­ meterwerte kennzeichnen speziell unser Universum? In jüngster Vergangenheit ist es nicht nur gelungen zu zeigen, dass die Friedmann-Modelle ein konsistentes Bild von der Entwicklung des Universums lie­ fern, sondern auch, ihre wesentlichen Pa­ rameter mit vorher ungeahnter Genauig­ Der Materie- und Energieinhalt des Universums bestimmt, ob und wie es sich ausdehnt oder zusammenzieht. des Universums bestimmt, ob und wie es sich ausdehnt oder zusammenzieht. Sie zeigt insbesondere auch, dass ein solches homogenes und isotropes Universum in der Regel nicht statisch sein kann. Erst ein Kunstgriff Einsteins, der zunächst von einem statischen Universum überzeugt war, erlaubte statische Modelle: Er führ­ te zu diesem Zweck die kosmologische Konstante ein. Wir stellen heute fest, dass wir sie brauchen, obwohl wir von einem nicht-statischen Universum überzeugt sind, und sie gibt uns gewaltige Rätsel auf. Die Logik bei der Konstruktion phy­ sikalischer Modelle für das gesamte Uni­ keit festzulegen. Die Kosmologie hat jetzt ein Standardmodell, das ihr einen festen theoretischen Rahmen gibt. Einsteins Spezielle Relativitätstheo­ rie hat gezeigt, dass eine Unterscheidung zwischen Masse und Energie nicht sinn­ voll ist, weil beide zueinander äquivalent sind. Dementsprechend entscheiden alle Beiträge zur kosmischen Energiedichte über die Entwicklung des Universums, unabhängig davon, ob sie in Gestalt ge­ wöhnlicher Materie oder exotischer For­ men von Energie auftreten. Zunächst muss die uns vertraute Ma­ terie eine Rolle spielen, die aus Protonen, In Kürze m Was wissen wir heute über den Aufbau und die Entwicklung unseres Universums? Aus der Allgemeinen Relativitätstheorie und zwei grundlegenden Symmetrieüberlegungen folgt eine Klasse von einfachen Weltmodellen, FriedmannModelle genannt. m Es zeigt sich, dass die Friedmann-Modelle ein konsistentes Bild von der Entwicklung des Universums liefern. Mehr noch: Ihre wesentlichen Parameter lassen sich präzise festlegen. Damit ver- fügt die Kosmologie nun über ein Standardmodell, das ihr einen festen theoretischen Rahmen gibt. m Beobachtungen bestätigen die Vorhersagen dieses Modells – zum Beispiel, dass sich das Universum ausdehnt. Aber: Offenbar besteht das Universum nur zu einem kleinen Teil aus Materie, wie wir sie kennen. Es gibt zusätzlich Dunkle Materie, die wir nicht sehen, und eine Dunkle Energie, die unser Universum immer schneller auseinandertreibt. Sterne und Weltraum August 2007 39 flach SuW negativ gekrümmt Abb. 2: Ob das Universum räumlich flach ist wie unser gewohnter Euklidischer Raum, oder positiv bzw. negativ gekrümmt, entscheidet die Gesamtdichte aller Arten von Energie oder Masse. Ist sie größer oder kleiner als die kritische Dichte, ist der Raum positiv oder negativ gekrümmt, anderenfalls flach. Galaxienflucht und Hubble-Konstante positiv gekrümmt Neutronen und Elektronen besteht, oder aus anderen Elementarteilchen, die da­ mit verwandt sind. Wir bezeichnen sol­ che Materie als baryonisch. Sie tritt unter anderem in Gestalt elektrisch geladener Teilchen auf und wechselwirkt daher mit Licht. Weiterhin trägt alle Strahlung, die im Universum enthalten ist, ebenfalls zur kosmischen Energiebilanz bei. Beobach­ tungen, von denen noch die Rede sein wird, zeigen uns, dass es darüber hinaus noch Dunkle Materie gibt, von der wir mit guten Gründen annehmen, dass sie gar nicht mit Licht in Wechselwirkung treten kann und vermutlich aus schwach wechselwirkenden Elementarteilchen be­ steht. Schließlich kommt das kosmolo­ gische Standardmodell nicht ohne Ein­ steins kosmologische Konstante aus, für die wir keinerlei wirklich befriedigende Erklärung haben. Zur Unterscheidung von der Dunklen Materie bezeichnen wir den Beitrag der kosmologischen Kons­ tante auch als Dunkle Energie. Universum räumlich flach, das heißt, die von der Allgemeinen Relativitätstheorie erlaubte Krümmung verschwindet dann (Abb. 2). Üblicherweise werden also vier Dichteparameter für den heutigen Zeit­ punkt angegeben, nämlich die Baryonen­ dichte Ωb0, die Dichte der Dunklen Mate­ rie Ωm0, die Strahlungsdichte Ωr0 und die Energiedichte der kosmologischen Kons­ tante ΩΛ0. Sie und die Hubble-Konstante gilt es zu bestimmen. Diese vier Parameter, also die Energieoder Massendichten der baryonischen Materie, der Strahlung, der Dunklen Materie und der Dunklen Energie, be­ stimmen im wesentlichen das Ausdeh­ nungsverhalten des Universums. Wenn wir sie kennen, wissen wir anhand der Fried­mann-Gleichung und aufgrund der Energieerhaltung, wie sich die Ausdeh­ nungsrate des Universums ändert. Um ein Friedmann-Modell genau festzulegen, brauchen wir als fünften Parameter noch die Ausdehnungsrate zu einem bestimm­ ten Zeitpunkt, zum Beispiel heute. Sie wird als Hubble-Konstante H0 bezeichnet und sagt aus, um welchen relativen Betrag sich beliebige Strecken im Universum pro Zeiteinheit ändern. Die kosmischen Energiedichten wer­ den gewöhnlich in Form dimensions­ loser Dichteparameter angegeben, indem man sie auf eine kritische Dichte bezieht. Wenn die Dichten aller Komponenten des kosmischen Materials zusammen ge­ rade die kritische Dichte ergeben, ist das Kurz nachdem Friedmann gezeigt hatte, dass kosmologische Modelle im Rahmen der Allgemeinen Relativitätstheorie in der Regel nicht statisch sein können, sich also ausdehnen oder zusammenziehen müs­ sen, zeigte Georges Lemaître, dass daraus ein linearer Zusammenhang zwischen den Fluchtgeschwindigkeiten benachbar­ ter Galaxien und ihrer Entfernung folgt (siehe SuW 6/2007, S. 36). Lemaître führte einen ersten Vergleich dieses Ergebnisses mit Messungen durch, die der Amerika­ ner Vesto Slipher gesammelt hatte. Dem­ nach bewegen sich die meisten Galaxien von uns weg, und zwar umso schneller, je weiter sie von uns entfernt sind. Mit Hil­ fe erheblich verbesserter Daten bestätig­ ten Edwin Hubble und Milton Humason schließlich Lemaîtres lineare Beziehung (Abb. 3). Das war zunächst eine erste Bestätigung der Friedmann-Modelle, er­ laubte aber auch eine Bestimmung der Hubble-Konstante H0. Zwar ergab sich ein viel zu großer Wert, aber wir verste­ hen heute, woher der Fehler kam. Wenn sich das Universum jetzt aus­ dehnt, war es offenbar in der Vergangen­ heit kleiner als heute. Damit ist aber noch nicht gesagt, dass es sich immer ausge­ dehnt haben muss. Insbesondere gibt es Friedmann-Modelle, die, rückwärts in der Zeit betrachtet, zunächst schrump­ fen, sich nach endlicher Zeit aber wie­ der ausdehnen und immer eine endliche Größe behalten. Wir wissen aber anhand sehr einfacher Beobachtungen, dass un­ ser Universum nicht von diesem Typ sein kann. Daher ist in unserem Universum der Schluss unvermeidlich, dass es einen Urknall gegeben haben muss. Da unsere physikalischen Theorien versagen, wenn man sich dem Urknall theoretisch zu nä­ hern versucht, können wir nur feststel­ Quelle: Hubble und Humason 1931 40 Sterne und Weltraum August 2007 Abb 3: Die lineare Beziehung zwischen der Fluchtgeschwindigkeit der Galaxien und ihrer Entfernung, die Hubble und andere um 1930 fanden, wird als Hubble-Gesetz bezeichnet. Die Steigung der Beziehung ist die Hubble-Konstante. 0.5 ( 65 ) 79 0.4 65 65 64 0.3 73 0.2 64 77 (Supernovae Ia) 79 (Supernovae II) 78 (Tully-Fisher-Relation) 91 (Fundamentalebene) 76 (Flächenhelligkeit elliptischer Galaxien) 0.1 0 50 60 70 80 90 Hubble-Konstante H0 [(km/s)/Mpc] Abb. 4: Im Rahmen des Hubble Key Project wurde die HubbleKonstante mit Hilfe zahlreicher verschiedener Entfernungsindikatoren gemessen. Genutzt wurden Supernovae der Typen Ia und II, die Tully-Fisher-Relation sowie die Fundamentalebene und die Flächenhelligkeit von ellip­ tischen Galaxien. Die Graphik zeigt die Wahrscheinlichkeitsverteilungen für den wahren Wert von H0, der allen Messungen zu Grunde liegen muss. Das ausgeprägte Maximum der Verteilung definiert den heute besten Wert von H0. Quelle: Hubble Key Project relative Verteilung der Wahrscheinlichkeitsdichte km/s H0 = (72 ± (3)r ± (7)s) – Mpc 100 Abb. 5: Zusammen mit der Hubble-Konstante deutet bereits das Alter des Universums darauf hin, dass die Materiedichte kleiner als die kritische Dichte sein muss. Die beiden farbigen Bänder geben das Alter des Universums für zwei verschiedene Modelluniversen an, eines mit und eines ohne kosmologische Konstante. Die Breite der Bänder ist durch die Unsicherheit in der HubbleKonstante bestimmt. Wenn das Universum etwa 13 Milliarden Jahre alt sein soll, muss die Materiedichte weniger als die Hälfte ihres kritischen Werts betragen. 20 18 räumlich flach, mit kosmologischer Konstante 16 14 12 10 M. Bartelmann Alter [Milliarden Jahre] len, dass dieser Urknall ein sehr heißer und dichter Anfangszustand gewesen sein muss, aus dem heraus sich das Uni­ versum entwickelte. Er muss eine end­ liche Zeit zurückliegen, die wir als das Al­ ter des Universums bezeichnen. Es kann einfach durch den Kehrwert der HubbleKonstante abgeschätzt werden. Obwohl das Prinzip einfach ist, lässt sich die Hubble-Konstante sehr schwer messen. Das liegt daran, dass Galaxien nur im Mittel der Hubble-Geschwindig­ keit folgen, zusätzlich aber Eigenbewe­ gungen von einigen hundert Kilome­ tern pro Sekunde aufweisen. Erst bei ge­ nügend großen Entfernungen wird die Hubble-Geschwindigkeit groß genug, um diese Pekuliargeschwindigkeiten zu über­ treffen. Da die Hubble-Konstante aber das Verhältnis aus der Geschwindigkeit und der Entfernung der Galaxien ist, müssen beide genau gemessen werden. Die Ge­ schwindigkeit ergibt sich einfach aus der Rotverschiebung der Spektrallinien auf­ grund des Dopplereffekts, aber es ist sehr schwer, große Entfernungen genau zu bestimmen. Direkte Messungen sind nur in unserer unmittelbaren Nachbarschaft möglich und versagen darüber hinaus. Die gängigsten Methoden beruhen auf der kosmischen Entfernungsleiter, bei der sekundäre Entfernungsindikatoren be­ nutzt werden. Dazu gehört eine Klasse veränder­ licher Sterne, die Cepheiden. Das sind Riesensterne in einem fortgeschrittenen Stadium ihrer Entwicklung, die durch eine Eigenart ihrer äußeren Schichten re­ gelmäßig pulsieren. Zwischen ihrer Pul­ sationsperiode und ihrer Leuchtkraft be­ steht eine Beziehung, sodass ihre wahre Helligkeit ermittelt werden kann, indem man die Periode misst. Aus dem Vergleich mit der scheinbaren Helligkeit erhält man dann die Entfernung. Dass die Cepheiden, ebenso wie die mit ihnen verwandte Klas­ se der RR-Lyrae-Sterne, eine derartige Pe­ rioden-Leuchtkraft-Beziehung aufweisen, war schon Hubble bekannt. Sie muss an­ hand naher Sterne geeicht werden, deren Entfernung noch direkt gemessen werden kann. Wenn es dann gelingt, solche Ster­ ne in fernen Galaxien zu finden, kann de­ ren Entfernung indirekt aus den Cephei­ den abgelesen werden. Natürlich braucht man dazu Teleskope, die in der Lage sind, entfernte Galaxien in Einzelsterne aufzu­ lösen. Mit zu diesem Zweck wurde das Weltraumteleskop Hubble gebaut. Es gibt etliche solcher Objektklassen, die sich als sekundäre Entfernungsindi­ katoren eignen, weil ihre wahre Hellig­ keit aus anderen Beobachtungsgrößen abgeleitet werden kann. Durch deren gemeinsame Analyse gelang es im so ge­ nannten Hubble Key Project, die Hubble- offen (negativ gekrümmt), ohne kosmologische Konstante 8 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 Materiedichte-Parameter -M 0.8 0.9 1 Sterne und Weltraum August 2007 41 3He (4 He ,D ) p 4He ) (n, D) d (d, p) Das Alter des Universums Unabhängig davon können wir das Min­ destalter des Universums auch anhand der ältesten in ihm enthaltenen Objekte ab­ schätzen. Es ist sicher nicht jünger als die Erde, das Milchstraßensystem oder ande­ re Himmelskörper, deren Alter wir durch verschiedene Methoden bestimmen oder zumindest eingrenzen können. Das Alter der Erde lässt sich aus den Häufigkeiten langlebiger Radioisotope wie Uran-235 und Uran-238 ableiten, die über verschiedene Zerfallsreihen und mit verschiedenen Halbwertszeiten in sta­ biles Blei übergehen. Im Lauf der Zeit än­ dert sich also ihr Häufigkeitsverhältnis auf charakteristische Weise. Zwar kennen wir seinen anfänglichen Wert bei der Ent­ stehung der Erde nicht, aber er lässt sich durch geeignete Kombination verschie­ dener Proben eliminieren. Auf diese Wei­ se findet man, dass die Erde etwa (4.6 ± 1) Milliarden Jahre alt sein muss. Das Prinzip dieser Methode lässt sich auf das Milchstraßensystem ausdehnen, indem man die Isotopenverhältnisse auf der Erde mit denen vergleicht, die bei ih­ rem Ursprung in Supernova-Explosionen erzeugt werden. Entsprechende Abschät­ zungen sind deswegen weniger genau, weil nicht bekannt ist, wie sich die Häu­ figkeit von Supernovae im Verlauf der Ge­ schichte des Milchstraßensystems entwi­ ckelt hat. Verschiedene plausible Annah­ men führen auf Werte zwischen 7 und 13 Milliarden Jahre (Abb. 5). Weitere Abschätzungen können aus Kugelsternhaufen bzw. aus weißen Zwergsternen gewonnen werden. Kugel­ sternhaufen gehören zu den ältesten Be­ standteilen des Milchstraßensystems und 42 Sterne und Weltraum August 2007 t SuW p ) (d, n) (d, n) (p, D) 4 He ) (d, p) 3He ,p (n Konstante mit einer zuvor unerreichten Zuverlässigkeit zu bestimmen (Abb. 4). Der gemessene Wert beträgt H0 = (72 ± 8) (km/s)/Mpc. Ihrer Definition gemäß hat die Hubble-Konstante die Dimension ei­ ner inversen Zeit. Ihr Kehrwert, 1/H0 = (3.1 ± 0.3)·1017 s = 9.8 Milliarden Jahre, liefert einen ersten Anhaltspunkt für das Alter des Universums. Wenn es sich mit konstanter Rate ausgedehnt hätte, hätte es genau dieses Alter. (p, 4He SuW n 7Li (4 He ,D d 7Be ) 1H d n Abb. 6: Die Fusion von Helium und weiteren leichten Elementen setzt die vorherige Fusion von Deuterium (schwerem Wasserstoff) voraus. Diese Erkenntnis erlaubte Gamow die Vorhersage der Temperatur des kosmischen Mikrowellenhintergrunds. ,p (n 1H p n anderer Galaxien und enthalten etwa 105 Sterne, die jeweils annähernd gleichzei­ tig entstanden sind. Aus bestimmten be­ obachtbaren Eigenschaften dieser Stern­ populationen kann man rekonstruieren, dass zumindest einige Kugelsternhaufen ein Alter von etwa 13 Milliarden Jahren haben müssen. Weiße Zwerge dagegen sind die Endprodukte der Entwicklung massearmer Sterne. Wenn deren Energie­ produktion versiegt, weil ihr Wasserstoff­ vorrat verbraucht ist, schrumpfen sie und kühlen auf eine Weise aus, die theoretisch gut verstanden ist. Zudem können Wei­ ße Zwerge keine größere Masse als etwa 1.4 Sonnenmassen haben. Zusammen mit dem bekannten Kühlverhalten und der beobachtbaren Helligkeitsverteilung der Weißen Zwerge kann anhand dieser oberen Massengrenze bestimmt werden, wie alt die ältesten von ihnen sind. Damit kommt man auf etwa (9.3 ± 2) Milliarden Jahre für das Alter der Population Wei­ ßer Zwerge. Berücksichtigt man plausib­ le Abschätzungen der Zeit, die zwischen dem Urknall und der Entstehung der ers­ ten Weißen Zwerge vergangen sein muss, so erhält man daraus etwa (11 ± 2) Milliar­ den Jahre für das Alter des Universums. Zusammen mit unserer Kenntnis der Hubble-Konstante ergeben sich daraus bereits sehr interessante Konsequenzen für die Materiedichte im Universum. Wäre sie hoch, so wäre die Ausdehnung des Universums im Lauf seiner Entwick­ Abb. 7: Die relativen Häufigkeiten der leichten Elemente, die kurz nach dem Urknall fusioniert wurden, hängen nur vom Anzahl­ verhältnis der Baryonen und der Photonen ab. lung deutlich abgebremst worden. Die heutige Expansionsrate, also die Hubb­ le-Konstante, wäre dann erheblich klei­ ner als früher. Daraus ergäbe sich dann eine verhältnismäßig kurze Zeit seit dem Urknall. Aus dem Alter des Universums zusammen mit dem Wert der HubbleKonstante folgt also bereits eine obere Beschränkung der kosmischen Materie­ dichte. Sie muss jedenfalls erheblich klei­ ner als die kritische Dichte sein, um das Alter des Universums mit der HubbleKonstante in Einklang zu bringen. Die Entstehung der leichten Elemente Eine Reihe weiterer wichtiger Schlussfol­ gerungen über das Universum beginnt mit der Feststellung, dass die Masse des baryonischen Materials zu etwa 25 Pro­ zent aus Helium besteht, was zum Bei­ spiel aus den Spektren von Sternen oder dem interstellaren Gas bestimmt werden kann. Woher kommt dieses Helium? Seit den bahnbrechenden Arbeiten zur Ele­ mentfusion in Sternen von Hans Bethe und Carl Friedrich von Weizsäcker Ende der 1930er Jahre war erkennbar, dass es durch Fusion in Sternen aus Wasserstoff entstehen kann (siehe auch den Beitrag auf S. 70 in diesem Heft). Schätzt man aber die gesamte Heliummenge ab, die seit der Entstehung des Universums durch Sterne fusioniert werden konnte, so stellt sich schnell heraus, dass dieser Mechanis­ 2MASS genau die richtige Menge Deuterium ent­ standen sein musste, um zu verstehen, dass es heute im Universum weder null Prozent noch 100 Prozent Helium gibt, sondern etwa 25 Prozent. Wäre zu viel Deuterium entstanden, so gäbe es heu­ te keinen Wasserstoff mehr, sondern nur Helium. Wäre zu wenig Deuterium fusio­ niert worden, so gäbe es heute im wesent­ lichen Wasserstoff, aber kein Helium. Daraus sowie aus einer Schätzung der Baryonendichte im heutigen Universum und den bekannten Wirkungsquerschnit­ ten der Fusionsreaktion von Wasserstoff zu Deuterium konnte Gamow schließen, dass die heutige Temperatur des Strah­ lungshintergrunds etwa fünf Kelvin be­ tragen müsse. Wäre sie geringer, so hätte mehr Deuterium und Helium entstehen müssen, und weniger, wenn sie höher ge­ wesen wäre. Ein Strahlungsfeld bei sol­ cher Temperatur hat seine größte Inten­ sität im Mikrowellenbereich. Auf diese Weise konnte Gamow aus der HeliumHäufigkeit die Existenz eines kosmischen Mikrowellenhintergrunds vorhersagen. Von diesem und seiner außerordent­ lichen Bedeutung für die Kosmologie wird später noch ausführlich die Rede sein. Vorläufig betrachten wir die Entste­ hung des Heliums und anderer leichter Elemente im frühen Universum näher. Bereits etwa drei Minuten nach dem Ur­ knall war das Universum so weit abge­ mus keinesfalls ausgereicht haben kann, um ein Viertel der kosmischen Gasmasse in Helium zu verwandeln. In den 1940er Jahren begann Geor­ ge Gamow, sich dieser Frage zu widmen. Der russisch-amerikanische Physiker ver­ mutete, dass das Universum als Ganzes das Helium erbrütet haben könnte. Dazu musste es zunächst im frühen Universum ausreichend heiß gewesen sein, damit Fu­ sionsprozesse ablaufen konnten. Im ther­ modynamischen Gleichgewicht bei sehr hohen Temperaturen musste dann aber auch eine thermische Strahlung entstan­ den sein, die zwar inzwischen ähnlich ab­ gekühlt sein musste wie das Universum selbst, aber immer noch vorhanden sein sollte. Gamow sagte also aus der Häufig­ keit des Heliums die Existenz eines gleich­ mäßigen Strahlungshintergrunds gerin­ ger Temperatur vorher (Abb. 6). Gamow konnte noch einen wesent­ lichen Schritt weiter gehen. Da der Kern eines Wasserstoffatoms aus einem einzel­ nen Proton, der Kern eines Helium­atoms aber aus zwei Protonen und zwei Neu­ tronen besteht, müssten vier Teilchen annähernd gleichzeitig aufeinandertref­ fen, um Helium zu fusionieren. Sehr viel wahrscheinlicher ist aber ein Prozess, in dem zunächst aus einem Proton und einem Neutron ein Deuteriumkern und dann aus zwei Deuteriumkernen ein He­ liumkern gebildet wird. Gamow sah, dass Abb. 8: Galaxienhaufen wie der Coma-Haufen enthalten einige hundert bis etwa tausend Galaxien, die sich mit Geschwindigkeiten von etwa 1000 km/s bewegen. Um sie zu halten, benötigen sie sehr viel mehr als die sichtbare Masse. kühlt, dass Fusionsprozesse nicht mehr in nennenswertem Umfang stattfinden konnten. Während dieser sehr frühen Phase spielten außer der elektromagne­ tischen Strahlung keine anderen Kom­ ponenten des kosmischen Materials eine Rolle, einschließlich der kosmolo­ gischen Konstante. Für den Verlauf der Elemententstehung war deswegen al­ lein das Anzahlverhältnis zwischen Ba­ ryonen und Photonen entscheidend. Die Photonendichte und damit die Dichte der Strahlungsenergie bestimmte die Aus­ dehnungsrate des Universums. Je größer sie war, desto schneller expandierte das Universum und kühlte sich ab. Demnach stand für die Elemententstehung eine umso kürzere Zeitspanne zur Verfügung, je größer die Photonen- oder Strahlungs­ dichte war. Umgekehrt konnten umso mehr Fusionsreaktionen ablaufen, je grö­ ßer die Baryonendichte war. Ein kleines Baryon-zu-Photon-Verhältnis führte da­ her zu einer geringen Heliumhäufigkeit, ein großes zu einer hohen. Sterne und Weltraum August 2007 43 Rotationsgeschwindigkeit [km/s] gemessen 200 100 berechnet 100000 MPIA, SuW 50 000 Abstand vom Zentrum [Lichtjahre] Abb. 9: Die Umlaufgeschwindigkeiten der Sterne in Spiralgalaxien nehmen nach außen nicht wesentlich ab, sondern bleiben annähernd konstant. Die Massenverteilung der Galaxien muss demnach sehr viel ausgedehnter als ihre Lichtverteilung sein. Abb. 10: Galaxien sind wesentlich größer, als sie optisch erscheinen. Neutraler Wasserstoff, hier blau leuchtend dargestellt, ist noch bei wesentlich größeren Abständen vom Galaxienzentrum zu finden als die Sterne. Die abgebildete Galaxie ist NGC 2915. Neben dem gewöhnlichen Helium-4 entstanden weitere leichte Elemente, dar­ unter das bereits erwähnte Deuterium, außerdem Tritium (überschwerer Was­ serstoff), Helium-3 und Lithium. Beson­ ders das Deuterium ist für die Analyse der Nukleosynthese im frühen Universum wichtig. Da es bei der Fusion des Heliums und der weiteren Elemente verbraucht wird, nimmt seine erwartete Häufigkeit mit zunehmendem Baryon-zu-PhotonVerhältnis ab. Die erwarteten Element­ häufigkeiten wurden in großem Detail numerisch berechnet (Abb. 7). Durch eine ganze Reihe verschiedener Beobachtungen können nun die Häufig­ keiten leichter Elemente bestimmt wer­ den. Dabei ist es sehr wichtig, dass mög­ lichst »primordiale« Gase beobachtet wer­ den müssen, die durch die spätere Fusion in Sternen möglichst wenig verunreinigt wurden. Besonders Absorptionslinien des Deuteriums in den Spektren weit ent­ fernter Quellen haben sich dafür als sehr nützlich erwiesen. Durch Vergleich der beobachteten mit den theoretisch erwar­ teten Elementhäufigkeiten lässt sich dann der einzige Parameter bestimmen, von dem letztere abhängen, eben das Bary­ on-zu-Photon-Verhältnis. Da die Anzahldichte der Photonen aus Beobachtungen des kosmischen Mikrowellenhinter­ grunds gut bekannt ist, kann schließlich daraus die Dichte des baryonischen Ma­ terials im Universum abgeleitet werden. Das Ergebnis ist, dass nur etwa vier Pro­ zent der kritischen Dichte aus baryo­ nischem Material bestehen. Eso DSS2, blaues Overlay nach: G. R. Meurer, ApJ 111, 1551 (1996) Dunkle Materie 44 Sterne und Weltraum August 2007 Bei weitem nicht das gesamte baryonische Material, das aufgrund seiner elektrischen Ladung elektromagnetisch wechselwir­ ken könnte, ist sichtbar. Wir schließen auf seine Existenz nur indirekt aus den Häufigkeitsverhältnissen der leichten Ele­ mente und, wie später noch zu beschrei­ ben sein wird, aus dem kosmischen Mi­ krowellenhintergrund. Was wir vor allem in Sternen und diffusem Gas direkt zu sehen bekommen, macht einen kleinen Bruchteil davon aus. Dass ein Großteil der Materie im Uni­ versum nicht sichtbar ist, wurde seit den 1930er Jahren erkennbar. Damals unter­ suchte Fritz Zwicky die Geschwindigkeit der Galaxien im Coma-Galaxienhaufen (Abb. 8). Galaxienhaufen wurden zu­ nächst als Gebilde identifiziert, in denen auf recht engem Raum einige hundert Ga­ laxien konzentriert sind. Ihre Geschwin­ digkeiten längs der Sichtlinie lassen sich anhand der Dopplerverschiebung von Spektrallinien bestimmen. Zwicky fand, dass sie im Bereich um 1000 km/s liegen. Die Frage ist nun, wieviel Masse erfor­ derlich ist, um Galaxien zusammenzu­ halten, die sich mit solchen Geschwin­ digkeiten bewegen. Sind Galaxienhaufen überhaupt Gebilde von Dauer, oder fin­ den sich in ihnen nur zufällig Galaxien zusammen, um sich hernach wieder auf­ zulösen? Galaxienhaufen haben typische Durchmesser im Bereich einiger Megaparsec, also einiger Millionen Lichtjahre. Bei Geschwindigkeiten um 1000 km/s braucht eine Galaxie etwa eine Milliarde Jahre, um eine solche Strecke zu durch­ queren. Galaxienhaufen hätten sich im Lauf der kosmischen Geschichte längst aufgelöst, wenn sie nicht gebunden wä­ ren. Ein weiteres zwingendes Argument dafür, dass Galaxienhaufen stabile Ob­ jekte sind, liefert das heiße Gas, mit dem sie angefüllt sind und von dem später noch die Rede sein wird. GALILEO /6-iÀi £Î{ÓÊ ÉnÎÊ€ /6ÇÈÊvÉÈ]Î ÊÓ£ÓäÊ É£ÎÓxÊ€ /6nxÊvÉÇ ÊÓnÎÓÊ É£ÇÇäÊ€ /6£äÓ-ÊvÉn]È {ÈÇÓÊ ÉÓÓäÊ€ *É--iÀi /6Èä-ÊvÉÈ ÓÈÎ{Ê É£È{ÈÊ€ *£ä£-ÊvÉx]{ xÇÈÊ ÉÎÈäÈÊ€ *£ÓÇ-ÊvÉx]Ó £ä£ÈÇÊ ÉÈÎxxÊ€ "Õ>Ài\ >}iÀÊÓ]xÊʣΠ,>`>ÊÎÊÊ£n Unter etwas vereinfachenden Annah­ men kann man aus der Geschwindigkeit der Galaxien und der Größe der Gala­ xienhaufen auf die Masse schließen, die notwendig ist, so riesige Gebilde in einer Art von Gleichgewicht zu halten. Zwicky fand, dass der Coma-Haufen etwa 1015 Sonnenmassen enthalten muss. Das ent­ spricht der Masse von etwa 10 000 Gala­ xien, sichtbar sind aber »nur« etwa 1000. Was verursacht diese große Diskrepanz? Ihr Woher kennen wir überhaupt die Mas­ se einzelner Galaxien? Das Argument ist ähnlich dem, das wir für Galaxien­ haufen angewandt haben, nur beobach­ tet man die Bewegung der Sterne in den Galaxien statt der Galaxien in den Gala­ xienhaufen. Spiralgalaxien mit ihrer aus­ geprägten Scheibenstruktur eignen sich hervorragend, weil sie die plausible An­ nahme erlauben, dass die Sterne in ihren Scheiben auf angenäherten Kreisbahnen Astrospezialist iÕÊLiÊ" Ê} ÌÀ`}iÊLÃÃÊiÕÝi n»]Ê£ä»]Ê£Ó»ÊÕ`ʣȻ /ii6Õi /6ÈäÊvÉÈ - Eso DSS2, Overlay nach: H. Böhringer (MPIE) Rosat (1993) Abb. 11: Die diffuse Röntgen­ emission des Coma-Galaxienhaufens ist hier in roten Schattierungen den optisch sichtbaren Galaxien überlagert. Offenbar füllt das heiße Röntgengas den gesamten Galaxienhaufen aus. iÊ{{ÇÊ ÉÓÇÊ€ iÊÎÈ{Ê ÉÓÓnÊ€ iÀ}BÃiÀ\ LÃÊ} ÌÀ`}iÊiÕÝiÊ ÊiV Ì}iÜV ÌÊÕÌiÀÊ`iÊLÃÌiiëi°ÊiÃÌiÊ iV >ÃV iÊ6iÀ>ÀLiÌÕ}]Ê iÊ«ÌÃV iÊ+Õ>ÌBÌ]Ê iv>V iÀÊ<ÕÃ>iL>ÕÊÕ`ÊÃi ÀÊ}ÕÌÊâÕÊÌÀ>ëÀÌiÀi° >LÊ>}iÀÊiviÀL>À ÌÌÃiÀÌÊV ÊLÃÊ âÕÊ£x°ÊÕÊÓääÇ n¿¿ÊvÉÈ\ Çn£Ê É{nÊ€ £ä¸ÊvÉx\ £äÎ£Ê ÉÈ{xÊ€ £Ó¿¿ÊvÉx\ £È¸vÉx\Ê Ên]xÝ{Ó ÓÇÈxÊ É£ÇÓÊ€ Ê£äÝ{Ó Ó£xÊ É£nÓÓÊ€ £ÈÓÓÊ É£ä£{Ê€ - Ê£xÝxÈ7 Ó£xÊ É£nÓÓÊ€ ÎÈnnÊ ÉÓÎäxÊ€ - Ê£äÝxä7 Óx{äÊ É£xnnÊ€ *ViÌÊnÝÓäÊ ÎäÊ ÉxnÓÊ€ -«iÌÛi\ Grüner Laserpointer iÃÌÕ}ÃÃÌ>ÀiÀÊÕ`ÊÃi ÀÊ}ÕÌÊ -V iÀÊ-iÊÃV ÊV ÊLÃÊâÕÊ£x°Ç°Ê ÃV ÌL>ÀiÀ]Ê}ÀØiÀÊ>ÃiÀ«ÌiÀ°Ê`i>Ê vØÀÊvviÌV iÊØ ÀÕ}iÊ`iÀÊâÕÊ LiÊiiÊ>ÕvÊØLiÀÊÓäääÊ Ê iiÊÃÌiÃiÊ>ÃiÀ«ÌiÀÊ`iÀÊ <i}iÊLiÊ/>}iÃV Ì° 149 CHF iÊ>ÀLÌiÀÃiÌt /-ÊÈxÊ ÓÈÓäÊ É£ÈÎnÊ€ /-Ênä Ó{{xÊ É£xÓÊ€ /-ÊnäÊ ÎÈ{äÊ ÉÓÓÇxÊ€ "Õ>À>`>«ÌiÀ £{Ê É{Ê€ Ê Ê ADM - Argo Navis - ASA - Astrodon - Astronomik - AstroZap - Atik - Bob Knob's - Canon - Celestron - Cercis Astro - Coronado - Denkmeier - Diffraction Limited - Discovery - Equatorial Platforms - FLI - Gemini Geoptik - Importations Chinoises - Intes Micro - Johnsonian Design - Losmandy - Lumicon - Lymax - Meade - Miyauchi - Obsession - OGS - Optec - RCOS - RoboFocus - SBIG - Sirius Observatories - SkyWatcher SolarScope - Software Bisque - Starlight Instruments - Starlight Xpress - StarryNight - StarWay - StellarCat - Swarovski - Takahashi - TEC - TeleVue - Vixen - William Optics www.galileo.cc [email protected] Limmattalstrasse 206 - CH-8049 Zürich - Tel: +41 (0) 44 340 23 00 - Fax: +41 (0) 44 340 23 02 Rue de Genève 7 - CH-1003 Lausanne - Tel: +41 (0) 21 803 30 75 - Fax: +41 (0) 21 803 30 77 Preise inkl. 7.6% MWSt. Preise, Angaben und Abbildungen ohne Gewähr. Änderungen ohne Vorankündigung vorbehalten. Abb. 12: Wenn Galaxien als Gravitationslinsen wirken, erzeugen sie häufig Mehrfachbilder ferner Quasare, wie hier das Vierfachbild des Quasars H 1413 (oben). Der Gravitationslinseneffekt von Galaxienhaufen erzeugt gelegentlich stark verzerrte, bogenförmige Bilder entfernterer Galaxien, wie hier im Galaxienhaufen SDSS J1004+4112 (rechts). 46 Sterne und Weltraum August 2007 sind als Galaxien, ist ihre Anzahldichte weit weniger genau zu bestimmen. Des­ halb geht man einen anderen Weg. Galaxienhaufen sind groß genug, dass man sie gegenüber ihrer Umgebung als abgeschlossen betrachten kann. Es findet also wenig oder kein Materieaustausch mit ihrer Umgebung statt. Wenn das so ist, sollte das Mischungsverhältnis aus ba­ ryonischer zu Dunkler Materie in Gala­ xienhaufen typisch für das gesamte Uni­ versum sein. Dann kann man aus dem Verhältnis der Gesamtmasse der Galaxi­ enhaufen und der in ihnen versammelten baryonischen Masse darauf schließen, wie groß das Verhältnis aus gesamter zu bary­ onischer Materiedichte im Universum ist. Da man aber die Dichte der baryonischen Materie aus den Häufigkeitsverhältnissen der leichten Elemente kennt, erhält man daraus die Dichte der gesamten Materie. Wie wiegt man Galaxienhaufen? Es ist prinzipiell einfach, aber praktisch schwierig, die Menge der gesamten ba­ ryonischen Materie in Galaxienhaufen zu messen. Zunächst kann man überle­ gen, wieviel baryonisches Material nö­ tig ist, um das Licht zu erzeugen, das die Haufengalaxien abgeben. Bereits dieser Schritt ist im Detail schwierig, weil er einige Kenntnisse über den Aufbau, die Entstehung und die Entwicklung der Ster­ ne voraussetzt. Ohne dies nachzuvollzie­ hen, nehmen wir hier an, dass wir solche Kenntnisse in ausreichendem Maß ha­ ben. Damit können wir aus der gesamten Leuchtkraft der Haufengalaxien die Men­ Esa, Nasa, K. Sharon (Tel Aviv University) und E. Ofek (Caltech) stoffgases beobachtet, das im Radiobe­ reich bei 21 cm Wellenlänge ausgesandt wird, stellt man fest, dass auch das Was­ serstoffgas bis zu sehr viel größeren Ab­ ständen vom galaktischen Zentrum sicht­ bar ist als die Sterne (Abb. 10). Die Um­ laufgeschwindigkeit dieses Gases eignet sich ebenso wie die der Sterne dazu, die Verteilung der Materie in Galaxien aus­ zumessen. Dabei stellt sich heraus, dass die Umlaufgeschwindigkeiten auch dort noch konstant bleibt, wo nur noch Was­ serstoffgas zu sehen ist, weit jenseits der Bahnen der äußersten Sterne. Wo enden also Galaxien? Vermutlich erst dort, wo sie in ihre kosmische Um­ gebung abtauchen, wo also ihre langsam abfallende Materiedichte sich der gleich­ mäßigen Dichte des Universums annä­ hert. Solche Überlegungen erlauben eine einfache Abschätzung der gesamten Ma­ teriedichte im Universum. Anhand der Geschwindigkeiten der Sterne und des neutralen Wasserstoffs in Galaxien kön­ nen wir Galaxienmassen messen. Wenn wir mittlere Galaxienmassen mit der An­ zahldichte der Galaxien multiplizieren, also mit der Anzahl der Galaxien pro Vo­ lumen, ergibt sich eine mittlere Materie­ dichte. Sie liegt bei knapp zehn Prozent der kritischen Dichte. Kehren wir zu Galaxienhaufen zurück. Im Prinzip ließe sich für sie dieselbe Rech­ nung durchführen wie für die Galaxien: Das Produkt aus der typischen Masse eines Galaxienhaufens und der mittleren Anzahldichte solcher Galaxienhaufen er­ gibt eine Abschätzung der Massendichte. Da Galaxienhaufen aber sehr viel seltener CfA-Arizona Space Telescope Lens Survey das Zentrum der Galaxie umlaufen. Wie­ der bestimmt man die Umlaufgeschwin­ digkeiten mittels Spektralanalyse und schließt aus ihnen auf die Masse, die not­ wendig ist, um Sterne mit solchen Ge­ schwindigkeiten zu binden (Abb. 9). Indem man Sterne mit wachsendem Abstand vom galaktischen Zentrum un­ tersucht, kann man die Umlaufgeschwin­ digkeit in Abhängigkeit vom Radius aus­ messen. Tut man dies mit den Planeten des Sonnensystems, das von der zentra­ len Masse der Sonne beherrscht wird, so stellt man fest, dass die Geschwindig­ keiten nach außen hin abnehmen. Bei Galaxien stellt sich heraus, dass die Um­ laufgeschwindigkeit der Sterne mit dem Abstand vom Zentrum schnell zunimmt, dann aber bis zu großen Entfernungen mehr oder weniger konstant bleibt. Der Vergleich mit dem Sonnensystem legt den Schluss nahe, dass Galaxien nicht durch eine zentrale Masse dominiert werden können, sondern dass die gesamte Mate­ rie in ihnen sehr breit verteilt sein muss, wesentlich breiter jedenfalls als das Licht, das wir von den Galaxien sehen. Je weiter man sich vom Zentrum einer typischen Galaxie entfernt, desto größer wird offen­ bar das Verhältnis von nicht-leuchtender zu leuchtender Materie. Es ist nicht klar, wo Galaxien enden. Die Verteilung ihres Sternlichts liefert of­ fenbar keinen guten Anhaltspunkt, weil wir aus der Bewegung der Sterne wissen, dass Galaxien auch dort noch beträcht­ liche Materiemengen enthalten, wo kei­ ne Sterne mehr zu sehen sind. Wenn man Galaxien im Licht des neutralen Wasser­ ge der Baryonen bestimmen, die dafür be­ nötigt wird. Dabei stellt sich heraus, dass die Baryonen in Sternen nur für wenige Prozent der Haufenmasse aufkommen. Galaxienhaufen sind aber starke Rönt­ genstrahler; sie sind sogar die stärksten Röntgenquellen im Universum. Verant­ wortlich dafür ist heißes Gas, das die Ga­ laxienhaufen anfüllt, und das aufgrund seiner hohen Temperatur weiche Rönt­ genstrahlung abgibt (Abb. 11). Aus der ge­ samten Röntgenleuchtkraft und der mitt­ leren Energie dieser Strahlung kann man die Gesamtmasse dieses Röntgengases abschätzen. Dabei stellt sich heraus, dass es etwa zehn Prozent zur gesamten Hau­ fenmasse beiträgt und damit die Baryo­ nenmasse in Galaxienhaufen dominiert. Nun kann man die vorhin angedeute­ te Rechnung zu Ende führen. Wenn etwa ein Zehntel der Masse in Galaxienhaufen baryonisch ist, wozu Sterne nur sehr we­ nig beitragen, und wenn dieses Verhält­ nis typisch für das gesamte Universum ist, dann muss die gesamte Materiedichte im Universum etwa das Zehnfache der baryonischen Dichte betragen. Letztere betrug etwa vier Prozent der kritischen Dichte, also sollte die gesamte Materie­ dichte etwa 40 Prozent der kritischen Dichte ausmachen. Genaue Rechnungen bestätigen dies im Prinzip, kommen aber auf Materiedichten um 30 Prozent der kritischen Dichte. Massenbestimmungen sind notorisch schwierig, und die erwähnten kinema­ Literaturhinweise: B. Majorovits, H.-V. KlapdorKleingrothaus: Das Rätsel der Dunklen Materie, SuW 1/2000, S. 22 – 29 A. Burkert: Das Problem der fehlenden Dunklen Materie, SuW 12/2000, S. 1055 – 1059 A. Burkert: Auf der Suche nach Dunkler Materie in Elliptischen Galaxien, SuW 10/2006, S. 22 – 28 SuW Dossier 1/2006 »Struktur des Kosmos«, Spektrum der Wissenschaft Verlagsges., ISSN 1612 4618 SuW Special 1/2006 »Unsere kosmische Heimat – das neue Bild der Milchstraße«, Spektrum der Wissenschaft Verlagsges., ISSN 1434 2057 M. Bartelmann Abb. 13: Gravitationslinsen sind miserable abbildende Systeme, wie hier am Beispiel der Mona Lisa gezeigt. Aber gerade auf ihrem Astigmatismus beruht ihre große Bedeutung für die Astrophysik. tischen Methoden setzen mindestens vor­ aus, dass die betrachteten Objekte in einer Art von mechanischem Gleichgewicht sind. Hier kommt ein Effekt zu Hilfe, der ebenso wie die gesamte Kosmologie auf der Allgemeinen Relativitätstheorie be­ ruht. Bereits aus dem Äquivalenzprin­ zip, das der Konstruktion der Allgemei­ nen Relativitätstheorie zu Grunde liegt, folgt, dass Licht von Gravitationsfeldern abgelenkt werden muss, und zwar so, dass Lichtstrahlen zu den ablenkenden Massen hin gekrümmt werden. Dies ist dem Verhalten optischer Sammellinsen vergleichbar, weshalb man von Gravitati­ onslinsen spricht. Von idealen optischen Linsen, denen etwa Brillengläser sehr nahe kommen, er­ wartet man eine treue Abbildung, durch die die betrachteten Gegenstände unver­ zerrt dargestellt werden. Dies ist bei Gra­ vitationslinsen nicht der Fall. Zwei be­ nachbarte Lichtstrahlen erfahren in aller Regel verschiedene Ablenkwinkel, was dazu führt, dass Objekte verzerrt erschei­ nen, die durch Gravitationslinsen abge­ bildet werden. In der gewöhnlichen geo­ metrischen Optik spricht man von Astig­ matismus (Abb. 13). So störend der Astigmatismus op­ tischer Systeme sein kann, so wichtig ist der Astigmatismus des Gravitationslin­ seneffekts. Wenn Gravitationslinsen treu abbilden würden, könnten wir sie nicht wahrnehmen. Erst ihr Astigmatismus und die dadurch hervorgerufenen Bild­ verzerrungen verraten ihre Anwesenheit und erlauben es, die Massenverteilungen zu rekonstruieren, die als Gravitations­ linsen wirken. Wenn die Lichtablenkung stark genug ist, kann sie dazu führen, dass das Licht von einer einzelnen Quelle auf verschiedenen Wegen zum Beobach­ ter gelangt. In einem solchen Fall sieht der Beobachter die Quelle mehrfach abgebil­ det (Abb. 12). Objekte ganz verschiedener Art kön­ nen als Gravitationslinsen wirken. Gala­ xien zum Beispiel können Mehrfachbilder solcher Quellen erzeugen, die ausrei­ chend nahe an der Sichtlinie vom Beob­ achter durch das Zentrum der Galaxie stehen. Dann treten typische Bildabstän­ de um eine Bogensekunde auf. Wenn die Entfernungen vom Beobachter zur Gra­ vitationslinse und zur Quelle bekannt sind, und wenn man plausible Modelle für die Massenverteilung in Galaxien zu Grunde legt, kann man aus der Größe der Bildaufspaltungen auf die Masse der Ga­ laxien schließen. Dabei ist es unwichtig, in welchem physikalischen Zustand sich die Massenverteilung in den Galaxien befindet, insbesondere ob sie im mecha­ nischen Gleichgewicht ist. Auf ähnliche Weise erlaubt es der Gra­ vitationslinseneffekt, auch die Masse von Galaxienhaufen zu bestimmen. Galaxi­ enhaufen, die als starke Gravitationslin­ sen wirken, können stark verzerrte, meist bogenförmige Bilder solcher Galaxien erzeugen, die vom Beobachter aus gese­ hen weit hinter ihnen stehen. Anhand der Lage solcher Bögen relativ zum Haufen­ zentrum und ihrer Form lassen sich Mas­ senmodelle für Galaxienhaufen rekons­ truieren. Sowohl bei Galaxien als auch bei Galaxienhaufen bestätigt der Gravita­ tionslinseneffekt die kinematischen Mas­ senbestimmungen. Von weiteren An­ wendungen des Gravitationslinseneffekts wird später noch die Rede sein. Im zweiten Teil: Kosmischer Mikrowellenhintergrund – Supernovae vom Typ Ia – Strukturen im Universum – Konsistenz in der Kosmologie – Inflation und Dunkle Energie. Matthias Bartelmann ist Direktor am Institut für Theoretische Astrophysik, einem der drei Institute des Zentrums für Astronomie der Universität Heidelberg, und Mitherausgeber von SuW. Sterne und Weltraum August 2007 47