Der Klinikverbund der gesetzlichen Unfallversicherung

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EINS
Der Klinikverbund der gesetzlichen
Unfallversicherung
EINS
Der Klinikverbund der gesetzlichen
Unfallversicherung
2 EINS | Inhaltsverzeichnis
Inhalt
Der KUV
Gemeinsam
Neues wagen
04 KURS AUF DIE ZUKUNFT
18 V
ERSORGUNG UND FORSCHUNG
IM VERBUND
Deutschland hat eine vielfältige medizinische Forschungs-
Vorwort der Vorsitzenden des Vorstandes und der
Mitgliederversammlung
landschaft. Doch in einem ist sich die Fachwelt einig:
An Versorgungsforschung mangelt es massiv. Diese Daten
braucht die Gesundheitspolitik, um Reformen in die
richtige Richtung weiterzutreiben. Der KUV liefert.
06 BLICK ZURÜCK NACH VORN
13 Standorte, über 11.000 Beschäftigte, mehr als 500.000
Patientinnen und Patienten pro Jahr – KUV-Geschäftsführer Reinhard Nieper über die Aufgaben und Ziele eines der
jüngsten und größten Klinikverbunde Deutschlands
22 E
HRGEIZIG, INNOVATIV, PATIENTENORIENTIERT
Zusammen
in die Zukunft
Hochleistungsfähige Medizintechnik richtig anwenden,
natürliche Mechanismen zur Heilung nutzen und Kranke
und Verletzte mit schonenden Methoden behandeln:
Berlin, Bochum, Murnau – drei Beispiele aus dem
Forschungsalltag im Klinikverbund der gesetzlichen
­Unfallversicherung e. V. (KUV)
08 FIT FÜR DIE GENERATION Y
24 DIE DIGITALE KLINIK IST DA
Pippi Langstrumpf im OP? Die kommende Ärzte­
generation hat ganz eigene Vorstellungen von Beruf
und Familie. Damit sie sich am Arbeitsplatz Krankenhaus wohl­fühlt, lässt sich der KUV e­ iniges einfallen.
Telemedizin wird zunehmend von der Ausnahme zur
Regel. Das gilt zumindest für die Teleradiologie im KUV.
Auch die innerklinische Organisation verlagert der
­Verbund schrittweise von Papier auf Computertechnik.
26 N EUE VERSORGUNGSSTANDARDS
SETZEN
Im Notfall muss es schnell gehen. Dafür sorgen o
­ ptimale Abläufe in Rettungsstellen und Notaufnahmen.
Neueste Standards haben die Verbundkliniken Berlin
und Frankfurt entwickelt.
14 DIE PFLEGE BRAUCHT PFLEGE
Dem Gesundheitswesen droht ein gigantischer Fach­
kräftemangel. Krankenhäuser werben daher zunehmend
um Nachwuchs, vor allem bei Pflegekräften, aber auch
bei Physiotherapeuten. Drei dicke Pluspunkte machen
den KUV zum attraktiven Arbeitgeber.
32 MELDUNGEN
EINS | Inhaltsverzeichnis 3
Inhalt
Miteinander
mehr erreichen
Füreinander da sein
34 D IE DGU-TRAUMANETZWERKE –
EINE ERFOLGSSTORY
50 ALLES AUF ANFANG
Der KUV wirkt maßgeblich an der Entwicklung
und Weiterentwicklung der Traumanetzwerke der
­Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie mit.
Auch die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung
treibt die Netzwerkbildung voran.
Nach einem schweren Unfall gilt: Das Leben geht weiter,
aber nicht immer so wie bisher. Diese Menschen haben
die Rückkehr in den Job gemeistert. Der KUV half ihnen
dabei – mit Spitzenmedizin und menschlich.
60 ZURÜCK IN EINEN NEUEN ALLTAG
40 Prozent aller Betten für Querschnittverletzte in
Deutschland stehen in berufsgenossenschaftlichen
­Kliniken. In deren Kompetenzzentren arbeiten Ex­
pertenteams Hand in Hand, um den Patienten zurück
in einen lebenswerten Alltag zu führen. Bereits auf
der Intensivstation beginnt die Rehabilitation.
36 R UNDUMVERSORGUNG
AUS EINER HAND
Deutschland hat ein hervorragendes Gesundheits­system.
Doch es knirscht an den Schnittstellen. Das beklagen
Fachleute seit Jahren. Dabei ist klar: P
­ atientinnen und
Patienten profitieren von vernetzter Versorgung. Die
­Kliniken der Unfallversicherung zeigen, wie es geht.
66 ERSTE LIGA
42 SAUBERE HÄNDE, KLARER KOPF
Ob Fußballprofi oder Patient in der Rehabilitation:
Wer Fachkräfte für Sportmedizin und -therapie aus der
ersten Liga sucht, ist in den berufsgenossenschaftlichen Kliniken richtig.
Immer wieder sorgen Fälle von Infektionen und
resistenten Erregern in Krankenhäusern für Aufsehen
in den Medien. Dabei steigen die Zahlen seit Jahren
nicht mehr. Was an den KUV-Kliniken für eine perfekte
Hygiene getan wird, zeigt der folgende Bericht.
68 ZAHLEN UND FAKTEN
46 AUS FEHLERN LERNEN
68 IMPRESSUM
Voneinander lernen
Nobody is perfect. Das galt lange Zeit überall, nur
nicht für die Ärzteschaft. Inzwischen hat sich aber auch
in der Medizin die Einsicht durchgesetzt, dass es ohne
Fehlerkultur und Qualitätsmanagement nicht geht.
48 MELDUNGEN
4 EINS | Der KUV
Vorwort
KURS AUF DIE
ZUKUNFT
Das deutsche Gesundheitswesen zählt zu den besten der Welt.
Damit das so bleibt, muss es sich ständig fortentwickeln. Der
nach dem Prinzip der Selbstverwaltung organisierte Klinikverbund der gesetzlichen Unfallversicherung (KUV) ist Garant
für Fortschritt in medizinischer Forschung und Ver­sorgung.
Seine Träger und Stützen sind die gewerblichen Berufsgenossenschaften und Unfallkassen mit dem Spitzenverband DGUV.
Ihren Patientinnen und Patienten bieten alle neun Unfallkli­
niken, zwei Unfallbehandlungsstellen und zwei Kliniken für
Berufserkrankungen absolute Spitzenleistungen.
Bei der Versorgung von schwer und mehrfach Verletzten
übernimmt der Klinikverbund eine führende Rolle im Rahmen
der Traumanetzwerke. Seine Expertise auf dem Gebiet der Hand-,
Brand- und Rückenmarkverletzungen ist unbestritten. Sie auszubauen ist ein Ziel der vielen Forschungsarbeiten in den K
­ liniken. Einige stellen wir Ihnen hier vor, in unserem Magazin
EINS. EINS steht für unseren Anspruch, gemeinsam erstklas­
sige medizinische Versorgung in Deutschland sicherzustellen.
Dabei zählt nicht nur medizinischer Fortschritt. Vielfach
sind es die Kleinigkeiten, die dem Patienten im Alltag Probleme
bereiten. Schnittstellen zwischen den Versorgungsbereichen
werden dann zu großen Hürden. Der Heilungsprozess stockt.
Der KUV baut diese Hürden ab. Denn es ist unser erklärtes
Ziel, allen Patientinnen und Patienten eine Rundumversorgung
aus einer Hand und auf höchstem Niveau zu bieten, die sie
schnell zurück in den Beruf bringt. Wie das auch mit einer Querschnittlähmung oder einer anderen Behinderung gelingt, zeigen Ihnen Menschen, die es selbst erlebt haben. Am Beispiel
der Notfallversorgung sehen Sie zudem, wie die Unfallkli­
niken Versorgungsketten gestalten und Abläufe optimieren.
Im Bereich der Unfallversicherung nach dem Siebten
Buch Sozialgesetzbuch sind die Übergänge zwischen den Sektoren offen. Davon profitieren auch alle Patientinnen und
­Patienten: unsere Kooperationen mit dem ambulanten Bereich
bauen wir systematisch aus. In Gesundheitszentren stellen
wir niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten Räume zur Verfügung oder bieten ambulante Reha unter einem Dach.
Vernetzung braucht Technik. Telemedizin ist das Mittel
der Wahl. Sie ist im Klinikverbund sehr weit entwickelt. Doch
auch innerhalb der Kliniken spielt die technische Vernetzung
eine immer größere Rolle. Automatische Datenübertragung
kann viele Abläufe erleichtern. Der Verbund investiert daher
laufend in technische Neuerungen. Wo es nötig ist, entstehen
auch neue räumliche Strukturen, um die Versorgung auf
höchstem Niveau weiterzuentwickeln.
All diese Spitzenleistungen wären nicht möglich ohne
unsere engagierte Belegschaft. Sie lebt unser Motto „Spitzenmedizin menschlich“ tagtäglich vor Ort. Egal ob medizinisches oder pflegerisches Personal, Angestellte in der Reha oder
Verwaltung – sie sind es, die die Höchstleistungen im Klinikverbund hervor- und zu den Patientinnen und Patienten bringen. Den wachsenden Fachkräftemangel beobachtet daher
auch der Klinikverbund mit Sorge. Doch wir sehen nicht tatenlos zu. Damit wir auch in Zukunft als Arbeitgeber attraktiv
bleiben und unsere Patientinnen und Patienten weiterhin von
kompetentem und freundlichem Personal umsorgt werden,
tun wir einiges. Unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bieten wir Arbeitsbedingungen, die auf ihre persönliche Situation
Rücksicht nehmen, seien es Kindererziehung, nachlassende
Kräfte oder eine Querschnittlähmung.
Mit den Beiträgen in diesem Magazin wollen wir Ihnen
zeigen, welche Antworten der Klinikverbund auf die drängenden
Fragen im Gesundheitswesen gefunden hat. Wir wünschen
­Ihnen eine spannende Lektüre!
Dr. Hans-Joachim Wolff Vorsitzender des Vorstandes
Jürgen ­Waßmann
Vorsitzender des Vorstandes
Manfred Wirsch
Dr. Fritz Bessell
Vorsitzender der Vorsitzender der
MitgliederversammlungMitgliederversammlung
BG Unfallkrankenhaus Hamburg
BG Unfallambulanz
und Rehazentrum Bremen
Unfallkrankenhaus Berlin
BG Unfallbehandlungsstelle
Berlin
BG Universitätsklinikum
Bergmannsheil Bochum
BG Kliniken
Bergmannstrost Halle
BG Unfallklinik Duisburg
BG Klinik für Berufskrankheiten
Falkenstein
BG Unfallklinik
Frankfurt am Main
BG Klinik Ludwigshafen
BG Klinik Tübingen
BG Klinik für Berufskrankheiten
Bad Reichenhall
BG Unfallklinik
Murnau
6 EINS | Der KUV
Interview
BLICK
ZURÜCK
NACH
VORN
13 Standorte, über 11.000 Beschäftigte, mehr als
500.000 Patientinnen und Patienten pro Jahr –
KUV-Geschäftsführer Reinhard Nieper über die Auf­gaben und Ziele eines der jüngsten und größten
Klinikverbunde Deutschlands
Nach Gründung des Klinikverbundes und Aufbau
von Strukturen in den Jahren 2010 und 2011 war 2012
sozusagen das erste „Betriebsjahr“ – wie fällt Ihre
Bilanz aus?
Unser erstes „Betriebsjahr“ war eine Herausforderung – die
wir gemeistert haben. Sowohl strategisch als auch operativ
konnten wichtige Weichen gestellt werden. Vor allem ist es
den Kliniken gelungen, über die bisherige Organisationsform
eine stabile Verbundstruktur zu legen, in der alle relevanten
Themen und Aufgaben abgebildet werden.
Dadurch wurde es möglich, bedeutende strategische
Grundsatzentscheidungen zu treffen und die Voraussetzungen
für deren Umsetzung zu schaffen, das sogenannte Klinik­
gesamtkonzept. Operativ können wir schon jetzt auf einen
bunten Strauß erfolgreich implementierter Einzel- und Gemeinschaftsprojekte zurückblicken, von denen unsere Häuser nachhaltig profitieren. Insbesondere die gemeinsame Wirtschaftsprüfung und Planung von Bauprojekten, der koordi-
nierte Einkauf von Großgeräten und anderer Medizintechnik
sowie das zentrale Controlling und weitere IT-Projekte bringen uns vielfältige Synergien und schaffen ein solides Fundament für die Zukunft.
Wie hat sich die interne Organisationsstruktur des Klinikverbundes entwickelt? Funktioniert die angestrebte
­Balance zwischen zentraler und dezentraler Steuerung?
Die Kliniken und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind
nicht primär Adressaten, sondern gestaltende Protagonisten
des Verbundes. Die Kombination von zentraler und dezentraler Steuerung sichert dabei die notwendige Entscheidungsfähigkeit innerhalb einer sich permanent weiterentwickelnden
Organisationsstruktur. Zentrale und dezentrale Verantwortungsbereiche schließen sich aber nicht aus, sondern ermöglichen uns durch ihre Verschränkung echten Mehrwert, zum
Beispiel indem einzelne übergreifende Aufgaben dezentralen
Verantwortungsträgern zugeordnet werden.
EINS | Der KUV 7
Welche konkreten Vorteile haben die Kliniken,
wenn sie sich als Verbund organisieren?
Erlauben Sie mir, dass ich die Frage umdrehe – die Kliniken sind
kein Selbstzweck. Entscheidend ist, welche Vorteile das System
der gesetzlichen Unfallversicherung hat. Nur eine V
­ erbundlösung
kann sicherstellen, dass die angestrebte hohe Qualität an allen
Standorten gleichermaßen erbracht wer-den kann. Es wäre un­
verantwortlich, wenn das Wissen und Können einzelner Häuser
nicht allen zur Verfügung gestellt würde und nicht die jeweils
beste Lösung für alle verbindlich wäre. Dies organisieren zu
können, verlangt einen handlungs­fähigen Verbund und davon
„profitiert“ auch jede Klinik. Um in Deutschland die Führungsrolle im Bereich der Versorgung unfallverletzter Menschen sicherzustellen, muss nicht nur die interne Struktur einzelner Kli­
niken, sondern auch ihr Zusammenwirken hoch professionell
sein und immer einem Ziel untergeordnet werden: die Versicherten mit allen geeigneten Mitteln zu versorgen.
Was unterscheidet den KUV von anderen Klinikgruppen?
Der KUV verfügt über drei wesentliche Strukturmerkmale,
die in dieser Kombination keine andere Klinikgruppe für sich
in Anspruch nehmen kann:
Im Rahmen der sektorübergreifenden Versorgung endet
die Betreuungsarbeit der Kliniken nicht mit der Entlassung
der Patientin oder des Patienten, sondern folgt einem übergeordneten Ziel: ihrer oder seiner Wiedereingliederung in das
berufliche und private Umfeld.
Weiterhin ist mit der durch Selbstverwaltung bis in die
Vorstandsebenen abgebildeten Einbeziehung von Versicherten
und Arbeitgebern die Ausrichtung unseres Handelns auf das
Grundziel der Unfallversicherung jederzeit gewährleistet.
Und schlussendlich gilt unsere Arbeit nicht dem Er­
wirtschaften von Gewinnen, sondern der erfolgreichen Ver­
sorgung von Menschen in Not. Dafür sorgen unsere Mitar­
beiterinnen und Mitarbeiter – jeden Tag, rund um die Uhr, in
höchster Qualität und auf internationalem Spitzenniveau.
Welche Großprojekte stehen 2013 und 2014 auf der Agenda?
Neben einer kontinuierlichen Weiterentwicklung des Ver­
bundes und seiner Organisationsstrukturen stehen derzeit
vor allem der Abschluss und erste Schritte zur Umsetzung
des Klinikgesamtkonzeptes sowie eine klinikübergreifende
Umstellung auf das neue fallpauschalenorientierte Vergütungssystem im Fokus.
Wie wird sich das System der gesetzlichen Unfallver­si­cherung weiter entwickeln und vor welchen Herausforderungen steht dabei der KUV?
Ich bin überzeugt: das einzigartige System sektorübergreifender Versorgung wird in Zukunft noch stärker als Modell für die
allgemeine Gesundheitsfürsorge in Deutschland herangezogen werden. Diese Ausnahmestellung auch inhaltlich zu füllen,
ist uns Herausforderung und Pflicht zugleich.
Was sind die langfristigen Unternehmensziele des KUV?
Alles zu tun, was notwendig und hilfreich ist, um mit den
zur Verfügung stehenden Mitteln eine bestmögliche Versorgung für unfallverletzte oder berufserkrankte Menschen
­sicherzustellen.
1.099.625.461
Euro Umsatz hat der Klinikverbund
der gesetzlichen Unfallversicherung
2012 erzielt.
11.387
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren
2012 im Klinikverbund beschäftigt.
8.219
Einsätze sind die Rettungshubschrauber der
Kliniken 2012 geflogen – 16.977 Mal rückten
ihre Notarztwagen aus.
507.348
Patientinnen und Patienten haben die
BG-Kliniken 2012 behandelt.
EINS | Zusammen in die Zukunft 9
Feature
FIT
FÜR DIE
GENE­
RATION
Y
Pippi Langstrumpf im
OP? Die kommende Ärzte­
generation hat ganz eigene
Vorstellungen von Beruf
und Familie. Damit sie sich
am Arbeitsplatz Krankenhaus wohl­fühlt, lässt sich der
KUV ­einiges einfallen.
Der 37-jährige Assistenzarzt Michael Kähler, seine vierjährige
Tochter und sein zweijähriger Sohn nehmen morgens mitunter
den gleichen Weg. Alle drei fahren zum Unfallkrankenhaus
Berlin (ukb). Bevor der Unfallchirurg seinen Dienst antritt,
bringt er die beiden Kinder in die Kita des ukb. Die Tochter ist
dort schon seit der Eröffnung 2011 untergebracht, der Sohn
kam vor einem Jahr dazu. Beide sind meist nur in den Kernzeiten dort. Doch das eine oder andere Mal musste auch Familie
Kähler schon auf die erweiterten Öffnungszeiten zurückgreifen.
„Es ist eine Entlastung zu wissen, dass die Kita offen ist,
wenn alle Stricke reißen“, sagt Michael Kähler.
Den Ausschlag für die Wahl der Kita gaben aber nicht
die erweiterten Öffnungszeiten, sondern das Konzept. Der Dussmann-KulturKindergarten am ukb hat die Eltern überzeugt.
Er zählt zweifelsohne zu den Vorzeigemodellen deutscher Klinik-Kitas. Der Name ist Programm: Für die kulturelle Bildung
der Kleinsten stehen Theaterbühne und Musikinstrumente zur
Verfügung. Tanzen und malen gehört auch zum Kita-Alltag.
Die Betreuung erfolgt zweisprachig, englisch und deutsch.
ukb-Chef Prof. Dr. Axel Ekkernkamp betrachtet das Kita-Angebot als Unterstützung für Familien. Und damit liegt er genau
richtig, wie der Marburger Bund bestätigt.
Kinder hereinspaziert!
Armin Ehl, Hauptgeschäftsführer der Gewerkschaft ange­
stellter und beamteter Ärztinnen und Ärzte Marburger Bund
(MB) Deutschland weiß, was die Ärzteschaft heute wünscht:
„Die Generation Y will leben vor dem Tod. Das ist nicht nur
ein Spruch. Sie will überschaubare und planbare Arbeits­
zeiten haben und legt großen Wert auf die Vereinbarkeit von
Familie und Beruf.“ Ehl verweist auf die regelmäßigen Um­
fragen des MB. Ein hervorstechendes Ergebnis: „Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist seit 2006 in der Wertigkeit
am stärksten gestiegen.“ Ganz wichtig ist es daher aus Ehls
„ES IST EINE
ENTLASTUNG ZU
­W ISSEN, DASS
DIE KITA OFFEN IST,
WENN ALLE
STRICKE REISSEN.“
Michael Kähler,
Unfallchirurg am
Unfallkrankenhaus Berlin
Sicht, dass Kliniken Betriebs­
kindergärten bereithalten, deren Öffnungszeiten an die Dienste der Eltern angepasst sind. Eine der ältesten Krankenhaus-Kitas in Deutschland
überhaupt ist die bereits 1977 eröffnete Kita der BG Unfallklinik Murnau. Die Öffnungszeiten von 5.30 Uhr bis 21.30 Uhr
an sieben Tagen in der Woche orientieren sich an den Dienstplänen der Angestellten. Kinder werden ab einem Alter von
acht Wochen bis zum zehnten Lebensjahr in vier altersgestuften Gruppen betreut. Das ist nicht nur für die Eltern von
Vorteil. Es rechnet sich auch für den Arbeitgeber: „Wir sparen
durch die Kita rund 80.000 Euro pro Jahr, denn sie bindet
­Personal, sodass wir deutlich weniger in Fachkräfteakquise
und Einarbeitungszeiten investieren müssen“, sagt der Ärzt­
liche Direktor Prof. Dr. Volker Bühren.
Arzttarif auf Vordermann
Zugleich ist dem Klinikverbund seine Ärzteschaft bares Geld wert.
Daher hat der KUV 2012 einen neuen Ärztetarifvertrag mit dem
MB vereinbart. Er bringt den rund 1.000 Ärztinnen und Ärzten
an elf Verbundkliniken und zwei Behandlungsstellen 3,4 Prozent
mehr Gehalt. „Mit diesem Tarifabschluss für die Ärztinnen und
Ärzte an den BG-Kliniken wurde die tarifliche Führungsposition
der BG-Kliniken bestätigt“, so der MB-Vorsitzende Rudolf Henke.
„Im Wettbewerb um die besten Ärztinnen und Ärzte auf dem
Arbeitsmarkt haben die BG-Kliniken nun sehr gute Chancen.“
Michael Kähler wusste schon in der Schule, dass er Arzt
werden will. Für ihn war auch klar, dass er nach dem Medizinstudium an der Berliner Humboldt-Universität in die Patientenversorgung geht. „Aber ich kann nachvollziehen, dass viele
das scheuen, wenn man sieht, was da alles dranhängt.“ Direkt
nach dem Studium kam er 2004 ans ukb. Die Klinik hat er sich
unter mehreren ausgesucht, die ihn gern schnell eingestellt
hätten. „Die Möglichkeiten, die das ukb mir im Bewerbungsgespräch aufgezeigt hat, haben mich überzeugt“, sagt Kähler
neun Jahre später. Das breite Spektrum der Ausbildung, die
Dichte und Vielfalt an Aufgaben und Gelegenheiten zum
Operieren in dem großen Krankenhaus haben von Anfang an
gelockt. Mit der Zeit hat er noch etwas anderes zu schätzen
gelernt: „Die Hierarchien sind recht flach, das Haus ist kompakt
gebaut, man hat viel Kontakt zu Kollegen und Vorgesetzten.“
Ausbildung vom Feinsten
Auch MB-Geschäftsführer Ehl bestätigt, dass der Klinikverbund
beim medizinischen Personal ein hohes Ansehen als Arbeitgeber
genießt. Die Dichte der Aufgaben in der Unfallchirurgie, Chirurgie und Anästhesie erlaubt es Assistenzärztinnen und -ärzten
in diesen Bereichen, eine strukturierte Weiterbildung innerhalb
der Mindest-Weiterbildungszeit abzuschließen. „Damit können
die Unfallkliniken bei der jungen Ärzteschaft punkten“, sagt Ehl.
Doch nicht nur für den Einstieg, sondern auch für eine
langfristige Arzttätigkeit bietet der Klinikverbund gute Rahmenbedingungen. Ehl: „Die Unfallkliniken sind technisch auf
dem neuesten Stand und haben in der Regel eine bessere Personaldecke als andere Krankenhäuser. Das macht sie für
Ärztinnen und Ärzte attraktiv.“
Vom Ärztemangel spüren viele Kliniken im Verbund mithin
noch nichts, auch nicht die BG Kliniken Bergmannstrost Halle im
ärztlich unterversorgten Sachsen-Anhalt. Sie punkten mit Familienfreundlichkeit, die im Audit „Beruf und Familie“ dokumentiert ist, und erstklassiger Ausbildung. „Die Ausbildung ist ein
ganz zentraler Faktor. Den muss man ernst nehmen“, sagt Dr. Joachim Zaage, stellvertretender Ärztlicher Direktor. Das „Bergmannstrost“ bietet jede Woche eine zweistündige Weiterbildungsveranstaltung für seine Medizinstudierenden im Prak­tischen
Jahr (PJ) und seine Assistenzärztinnen und -ärzte. Auch praktischer Unterricht, zum Beispiel ein Knüpf- und Nahtkurs in der
Chirurgie, findet statt. „So etwas kommt immens gut an“, sagt
Dr. Zaage. Zusätzlich gibt es zweimal im Jahr jeweils kurz vor den
Abschlussprüfungen einen Wochenendkompaktkurs. Diese Angebote machen das Haus beim Nachwuchs bekannt. „Dadurch
haben wir eher mehr Bewerbungen als zu wenig“, sagt Dr. Zaage.
Auch das BG Universitätsklinikum Bergmannsheil Bochum setzt auf Praxis in der
­Medizinerausbildung. Im „Skills Lab“ des
BG-Uni-Klinikums erwartet Medizinstudierende
ein sehr vielfältiges Programm. Unter anderem gibt es Sonografie-, Blutentnahme- und Anästhe­siekurse.
Der Geschäftsführer des „Bergmannsheils“ Johannes Schmitz
misst der Einrichtung einen hohen Stellenwert bei: „Skills
Labs sind ein wichtiger Baustein, um die prak­tische Ausbildung von Medizinstudierenden zu optimieren. Hier lernen
sie abseits des oft hektischen Stationsalltags unter realen
Bedingungen und mit fachlicher Anleitung, Untersuchungen
durchzuführen, zu interpretieren sowie Befunde und Diag­
nosen richtig zu stellen. Sie können sich somit auf praxisnahe
Weise und in einer sehr konzen­trierten Arbeitsumgebung auf
die Arbeit mit dem Patienten vor­bereiten“, sagt Schmitz.
Arbeitszeit nach Maß
Neben Familienfreundlichkeit, angemessener Bezahlung
und guter Ausbildung steht bei der Generation Y nicht zuletzt
die Freizeit hoch im Kurs. „Bei der Generation Y ist der
Wunsch nach einer ausgewogenen Work-Life-Balance sehr
ausgeprägt. Für die ältere Ärztegeneration hieß das nichts
anderes, als dass man gelegentlich auch mal freihat. Heute
hat das einen anderen Stellenwert. Darauf müssen sich Kli­
niken einstellen“, sagt ukb-Chef Ekkernkamp. Das ukb ist im
März 2013 mit einem Sonderpreis als einer der besten Arbeit­
geber Berlins ausgezeichnet worden. Elektronische Arbeitszeiterfassung mit Zeitkonten, individuelle Formen von Teilzeitarbeit und 30 Tage Urlaub für alle Beschäftigten im Jahr
2013 sind einige Pluspunkte des ukb für die neue Ärztegeneration. Im Klinikverbund ist das ukb bei Weitem nicht das einzige Krankenhaus, das die langjährige Forderung des Mar­
burger Bundes nach einer objektiven Zeiterfassung an Kliniken
bereits umgesetzt hat.
Michael Kähler gefällt das. „Grundsätzlich ist es schon
so, dass man für den Arztberuf lebt. Da schaut man nicht,
wann Feierabend ist“, sagt er. Doch seit Kähler Vater ist, hat
er einen großen Wunsch: mehr Zeit mit seinen Kindern zu
verbringen. Das will der Klinikverbund allen Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern ermöglichen.
„DIE UNFALLKLINIKEN
SIND TECHNISCH
AUF DEM NEUESTEN
STAND UND HABEN
IN DER ­R EGEL EINE
BESSERE PERSONALDECKE ALS ANDERE
KRANKENHÄUSER.
DAS MACHT SIE FÜR
ÄRZTINNEN UND
ÄRZTE ATTRAKTIV.“
Armin Ehl,
Hauptgeschäftsführer des Marburger
Bundes Deutschland
14 EINS | Zusammen in die Zukunft
Bericht
DIE PFLEGE
BRAUCHT PFLEGE
EINS | Zusammen in die Zukunft 15
Dem Gesundheitswesen droht ein gigantischer Fachkräftemangel. Krankenhäuser werben daher zunehmend
um Nachwuchs, vor allem bei Pflegekräften, aber auch
bei Physiotherapeuten. Drei dicke Pluspunkte machen
den KUV zum attraktiven Arbeitgeber.
Rund 8.000 Pflegestellen in Krankenhäusern sind schon heute
unbesetzt. Der Deutsche Pflegerat (DPR) geht davon aus, dass
im Jahr 2025 mehr als 100.000 Pflegefachpersonen in Deutschland fehlen werden. Denn der Altersdurchschnitt der Pflegekräfte steigt und damit die Zahl der Abgänge in den Ruhestand.
Gleichzeitig rücken immer weniger Auszubildende nach.
Die Politik hat den Handlungsbedarf erkannt. Doch
mit Förderprogrammen allein ist nach Ansicht des Pflegerates
nicht viel auszurichten. Nötig seien vielmehr neue Rahmen­
bedingungen. Konkret forderte der DPR in einem offenen Brief
an Bundeskanzlerin Angela Merkel unter anderem eine sys­
tematische Aus- und Weiterbildung, attraktive Weiterentwicklungs- und Karriereperspektiven, flexiblere Arbeitszeitmodelle
und nicht zuletzt eine realistische und angemessene Personalausstattung. All das und mehr finden Pflegekräfte beim KUV
schon heute.
Erstes Plus:
Aufstiegschancen eröffnen
Akademische Bildung für Gesundheitsberufe gewinnt im
­Klinikverbund wachsende Bedeutung. Damit trägt der KUV
auch den Forderungen des Wissenschaftsrates und der Gesundheitssachverständigen Rechnung. „Vor dem Hintergrund
der demografischen Entwicklung und des Fachkräftemangels
kommt es darauf an, differenzierte Ausbildungsangebote zu
machen, um möglichst viele junge Menschen für die Pflege
oder für therapeutische Berufe zu begeistern“, sagt Johannes
Schmitz, Geschäftsführer des BG Universitätsklinikums Bergmannsheil Bochum. Das „Bergmannsheil“ bietet Pflegeschülern in Kooperation mit der Hochschule für Gesundheit eine
grundständige akademische Pflegeausbildung. Auch für Physiound Ergotherapeuten gilt dieses Angebot. „Wir unterstützen
dieses bislang einzigartige Modellprojekt, weil wir dazu beitragen wollen, diesen Berufsgruppen neue berufliche Perspek­
tiven zu ermöglichen. Der besondere Charme dieses Konzeptes
besteht darin, dass die Studierenden einen Berufsabschluss
und einen akademischen Bachelorabschluss erhalten und damit
vielfältige Möglichkeiten für ihre berufliche Laufbahn haben“,
sagt Schmitz. Dass es ein solches Hochschulmodell gibt, zeigt
nach seiner Auffassung auch, wie hoch heutzutage die inhalt­
lichen Anforderungen an Pflege- und therapeutische Berufe
sind. Damit diese Berufe die Wertschätzung erhalten, die sie
verdienen, müssten viele weitere Stellschrauben bedient werden, so Schmitz. Unter anderem bietet das „Bergmannsheil“
in seinem klinikeigenen Bildungszentrum Kurse im Bereich der
Fachpflege oder für leitende Aufgaben und Funktionen.
Auch andere Verbundkliniken unterstützen den Trend
zur Akademisierung der Gesundheitsberufe. So ist das Unfallkrankenhaus Berlin 2012 zum ersten Klinischen Zentrum der
staatlichen Alice-Salomon-Hochschule (ASH) ernannt worden.
„Die Hochschule braucht Plätze, wo Therapierende etwas in
der Praxis lernen, und wir brauchen studierte Gesundheitsberufe“, sagt ukb-Geschäftsführer Prof. Dr. Ernst Haider. Die
­Zusammenarbeit hat bereits Tradition. Unter anderem betreuen Angestellte des ukb Studierende bei der Erstellung ihrer
Bachelor- oder Masterarbeit. „Das ist für die Ehrgeizigeren in
den Gesundheitsfachberufen eine sehr gute Möglichkeit,
Studium und Beruf zu kombinieren“, sagt Haider.
Ebenso eng sind die Schulen für Physiotherapie an den
BG-Unfallkliniken Tübingen und Ludwigshafen mit der akademischen Welt verzahnt. Gemeinsam mit der Hochschule Reut-
16 EINS | Zusammen in die Zukunft
lingen und der Universität Tübingen bieten sie eine vierjährige
duale Physiotherapeuten-Ausbildung mit Bachelorabschluss
an. Im Dezember 2012 erhielten die ersten 19 Absolventinnen
und Absolventen in Tübingen ihr akademisches Abschlusszeugnis. Wer will, kann den akademischen Weg weitergehen.
Die BG Klinik Tübingen beschäftigt als erste Klinik bundesweit einen Physiotherapeuten mit Doktortitel. Aufgrund seines
Titels wird Dr. Joachim Merk von anderen schon mal für
einen Arzt gehalten.
Zweites Plus:
Ausbildung organisieren
Mit der Eröffnung einer eigenen Krankenpflegeschule hat die
BG Unfallklinik Murnau 2012 auf den Nachwuchsmangel in der
Pflege reagiert. „Der Markt ist so eng, dass wir selbst ausbilden müssen. Eine eigene Krankenpflegeschule eröffnet uns
zudem die Auswahl der Personen, die zu unserem Haus passen“, sagt Prof. Dr. Volker Bühren. In diesem Zuge ist auch die
BGU Murnau dabei, weitere Aufstiegschancen für ihre Pflegekräfte zu schaffen: In Kooperation mit der Universität Salzburg
wird eine akademische Pflegeweiterbildung angeboten. Nach
dem Abschluss der Grundpflegeausbildung können Pflegekräfte
der BGU Murnau an der Uni Salzburg ein Bachelorstudium
mit der Möglichkeit, um Master oder Dissertation zu ergänzen,
absolvieren. Dafür werden sie von der Klinik freigestellt und
finanziell unterstützt. Zwei Schwestern haben sich schon dafür
angemeldet. „Die Pflege differenziert sich immer mehr. Wir
wollen zeigen, dass wir eine Berufsausbildung bieten, die nach
oben offen ist“, sagt Professor Bühren.
Die BG Kliniken Bergmannstrost Halle werben um den
Pflegenachwuchs schon an Gymnasien und Realschulen. Schülerinnen und Schüler werden zu Projekttagen in das Haus eingeladen, können sich dort beim Rollstuhltraining ausprobieren
und lernen anschließend das Haus kennen. Damit hat das
„Bergmannstrost“ vor mehr als zwei Jahren begonnen. „Das
trägt dazu bei, dass wir heute keine Probleme mit dem Pflegenachwuchs haben“, sagt Pflegedirektor Henry Rafler. Zusätzlich
werden die Ausbildungsplätze inzwischen bekannt gemacht.
„Das mussten wir früher nie machen, weil wir genug Bewerbungen hatten“, sagt Rafler. So ist es in Halle bisher gelungen,
selbst in den ausbildungsintensiven Bereichen der Intensiv-,
OP- und Anästhesiepflege immer alle Stellen zu besetzen.
„Das ‚Bergmannstrost‘ ist in der Pflegewelt als guter Arbeitgeber bekannt“, sagt Rafler, der auch Vorsitzender des Landespflegerates Sachsen-Anhalt ist.
Auf gute Ausbildungsbedingungen für den Nachwuchs
setzt auch die Pflegedienstleiterin der BG Unfallklinik Frankfurt am Main Beatrix Falkenstein. Die BGU Frankfurt stellt
­ihrem Pflegenachwuchs unter anderem Praxisanleiter zur Seite.
„Sie nehmen die Schülerinnen und Schüler an der Hand und
zeigen ihnen in der Praxis, was sie bislang nur aus der Theorie
kennen“, sagt Falkenstein.
Drittes Plus:
Pflege wertschätzen
Um Personal zu binden, setzt die Frankfurter Pflegedienst­
leiterin auf unbefristete Verträge, die nicht viele Kliniken bieten,
eine vergleichsweise gute tarifliche Bezahlung, aber auch auf
weiche Faktoren wie Personalentwicklung und Gesundheitsförderung. So können die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
der BGU Frankfurt bei der MAIN.BGMED vergünstigte Sportangebote nutzen.
Auch die Weiterbeschäftigung älterer Pflegekräfte mit
gesundheitlichen Einschränkungen liegt der BGU Frankfurt
am Herzen. „Wenn wir Stellen besetzen, bei denen wenig
körperlicher Einsatz gefordert ist, halten wir gezielt nach solchen Kräften Ausschau“, sagt Falkenstein.
Gesundheitsmanagement für ältere Angestellte hat
auch an anderen Verbundkliniken wachsende Bedeutung. In
der BG Unfallklinik Murnau ist ein Mitarbeiter des Sozialdienstes der Klinik inzwischen damit beschäftigt, sich um Klinikbeschäftigte zu kümmern, die länger oder wiederholt krank
sind. Er sucht unter anderem nach neuen Einsatzbereichen,
die der Leistungskraft der erkrankten Person entsprechen.
Die BG Kliniken Bergmannstrost Halle haben 2012 mit
den Vorarbeiten für ein systematisches betriebliches Gesundheitsmanagement begonnen. In einer Mitarbeiterbefragung
wurden die Probleme analysiert. In der Folge bietet das Haus
seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nun unter anderem
Raucherentwöhnung, kinästhetisches Arbeiten und ein Rückenkolleg an – damit sie möglichst lange im Beruf bleiben.
„VOR DEM
HINTERGRUND DER
DEMOGRAFISCHEN
ENTWICKLUNG
UND DES FACHKRÄFTE­
MANGELS KOMMT
ES DARAUF AN,
DIFFERENZIERTE
AUS­B ILDUNGSANGEBOTE
ZU MACHEN.“
Johannes Schmitz,
Geschäftsführer des BG Universitäts­klinikums
Bergmannsheil Bochum
„DIE PFLEGE
DIFFERENZIERT SICH
IMMER MEHR.
WIR WOLLEN ZEIGEN,
DASS WIR EINE
BERUFSAUSBILDUNG
BIETEN, DIE NACH OBEN
OFFEN IST.“
Prof. Dr. Volker Bühren,
Ärztlicher Direktor
der BG Unfallklinik Murnau
18 EINS | Gemeinsam neues wagen
Bericht
VERSORGUNG
UND FORSCHUNG
IM VERBUND
EINS | Gemeinsam neues wagen 19
Deutschland hat eine vielfältige medizinische Forschungslandschaft. Doch in einem ist sich die Fachwelt einig: An Versorgungsforschung mangelt es massiv. Diese Daten braucht
die Gesundheitspolitik, um Reformen in die richtige Richtung
weiterzutreiben. Der KUV liefert.
„Versorgungsforschung ist heute so wichtig, weil wir große
Probleme im Gesundheitswesen und in der Versorgung der
Kranken haben“, sagt Prof. Dr. Holger Pfaff von der Uniklinik Köln. Seine Forderung: Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) sollte ein Prozent ihres Gesamtbudgets für Ver­
sorgungsforschung zur Verfügung stellen.
Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV)
geht hier mit gutem Beispiel voran. Sie fördert zahlreiche Forschungsvorhaben in den Bereichen Prävention und Arbeitsmedizin. Auch der Klinikverbund ist aktiv. Er beobachtet immer wieder den Einsatz neuer Methoden oder Techniken
in der Praxis.
FORSCHUNG VERBESSERT
VERSORGUNG
Ob innovative Implantate, eine effizientere Behandlung oder
neuartige Wundversorgung – nur was in der Praxis Verbesserung bringt oder ohne Qualitätsverluste Kosten senkt, interessiert das Wissenschaftlerteam im Klinikverbund. Denn ein Ziel
eint alle Forschungsprojekte im KUV: Sie sollen die Lebensqualität des Patienten erhöhen und die Versorgungs- und Behandlungsqualität weiter verbessern.
Dabei sind die Forschungsthemen im Klinikverbund so
weitgefächert wie das Versorgungsspektrum: In Hunderten von
Projekten stellen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
etablierte Diagnose- und Behandlungsmethoden auch unter ökonomischen Aspekten auf den Prüfstand. Sie entwickeln neue
medizinische Verfahren und Materialien und testen Innovationen auf ihre Wirksamkeit. Um ihre hohen medizinischen
Standards zu sichern, kooperieren viele Verbundkliniken eng
mit Partnerinstituten und Universitäten.
Das BG Universitätsklinikum Bergmannsheil Bochum ist
im Lauf der Jahre selbst zum Uni-Klinikum geworden. Es wirkt
an rund 300 Forschungsprojekten mit. Unter anderem laufen
dort die bundesweit ersten Erprobungen des japanischen Exoskelett-Systems HAL zum Bewegungstraining bei Querschnittlähmungen. Seit Herbst 2012 steht das Training mit dem Roboteranzug im ersten „Zentrum für Neurorobotales Bewegungstraining“ außerhalb Japans am „Bergmannsheil Bochum“ für
die Versorgung von bewegungsbehinderten BG-Versicherten
zur Verfügung. Die Anwendung der nervengesteuerten Bewegungstherapie wird begleitend erforscht. Dabei wurden eine
deutlich gesteigerte Mobilität der gelähmten Personen, ein
intensivierter Muskelaufbau, mehr Muskelleistung und ein
höheres Aktivitätsniveau beobachtet. Die ersten Studiener­
gebnisse lassen neue Reha-Angebote erwarten.
Viele Forschungsprojekte der Bochumer BG-Uniklinik
sind preisgekrönt. So gab es zum Beispiel für die Erforschung
der Zusammenhänge zwischen Querschnittlähmungen und
krankhaften Knochenbildungen 2012 den Evidence-basedMedicine-Preis der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und
Unfallchirurgie. Ein Forschungsprojekt zum Einfluss von
Hormonen auf die Schmerzwahrnehmung wurde mit dem
„NachwuchsFörderPreis Schmerz“ ausgezeichnet.
Auch auf dem Gebiet der Krebsforschung hat sich das
„Bergmannsheil Bochum“ einen Namen gemacht, vor allem
mit Arbeiten über Weichgewebstumore (Sarkome). Ein Projekt zur Erforschung des Einsatzes körpereigener Eiweiße gegen Krebs wird seit 2012 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
ÜBER GRENZEN HINWEG
Bei allen Forschungsprojekten im Verbund gilt das Prinzip,
über Institute und Disziplinen hinweg zu kooperieren. Ein gutes
Beispiel dafür ist das Projekt „ICF Core Set Hand“, in dessen
Rahmen klinikübergreifend ein Leitfaden zur Behandlung von
Handverletzungen erstellt wird. Genaue Cluster sollen die Funk­
tionsfähigkeit und Behinderung von Menschen mit Verletzungen
oder einer Erkrankung der Hand konkret definieren. Das kann
eine standardisierte Behandlung erheblich vereinfachen.
20 EINS | Gemeinsam neues wagen
Im Labor für Biomechanik des BG Unfallkrankenhauses Hamburg untersuchen Fachleute aus Medizin, Ingenieurwesen und
Technik die Osteosynthese, also die Versorgung von Knochenbrüchen mit Implantaten. Das Team arbeitet unter anderem an
der Entwicklung sogenannter intelligenter Implantate. Sie enthalten einen mikroelektronischen Sensor, der die Belastung übermittelt. Dadurch kann der Arzt den Heilungsprozess besser beurteilen und den Patienten rechtzeitig vor Überbelastung warnen.
An den BG Kliniken Bergmannstrost Halle liegt ein Fokus
auf der Wirbelsäulenchirurgie. Forscherteams entwickeln und
testen neue Techniken und Implantate, wie eine neuartige
Bandscheibenprothese an der Halswirbelsäule.
Schwerbrandverletzte sind Forschungsthema an der
BG Klinik Ludwigshafen. Dort wird unter anderem Knochengewebe gezüchtet, das Knochen ersetzen kann, die durch
eine Verletzung oder Entzündung verloren gegangen sind.
Auch in der Versorgungsforschung leistet der Klinik­
verbund einen wichtigen Beitrag. So werden die Versorgungskonzepte für Versicherte mit Berufskrankheiten laufend überprüft und optimiert. Davon profitieren die Patientinnen und
Patienten der BG-Kliniken für Berufskrankheiten in Bad Reichenhall und in Falkenstein unmittelbar. Ihnen kommt auch
die wissenschaftliche Expertise des Klinikverbundes über
berufsbedingte Hautkrankheiten, Atemwegs- und Lungenerkrankungen und Psychotraumatologie zugute.
DIE UNFALLVERSICHERUNG
ALS WEGBEREITER
„Im Bereich der Unfallversicherung passiert dankenswer­
terweise schon sehr viel“, sagt der Versorgungsforscher Pfaff.
Er hält aber auch hier noch mehr Systematik für nötig.
Dieser Forderung kommt der KUV nun damit entgegen, dass
die Forschungsaktivitäten der einzelnen Kliniken gebündelt
werden sollen.
Der KUV koordiniert die Beantragung von Fördergeldern unter anderem bei der DGUV. Durch die Zusammenarbeit
im Verbund wird die höchstmögliche Qualität der Forschungsanträge gesichert. 2012 haben die Kliniken Forschungsschwerpunkte und Ziele für die kommenden zehn Jahre festgelegt.
Sie gliedern sich in die Bereiche Traumaversorgung, Berufskrankheiten, Versorgungsforschung und Rehabilitation.
VORBILDLICHE
VERSORGUNGSKETTEN
Die Versorgung in der Unfallversicherung betrachtet der Ex­
perte Pfaff insgesamt als vorbildlich. Sie zeige an einem Sondermodell, wie das Gesundheitssystem organisiert werden könne.
„Das ist der Idealfall, dass Arbeitgeber und Unfallversicherung
an einem Strang ziehen“, sagt er. Dem System der gesetzlichen Krankenversicherung attestiert er dagegen schlechte Anreizstrukturen. „Dort ist keiner für das Gesamtsystem und
das Gesamtergebnis verantwortlich“, so Pfaff.
Wegen der Besonderheiten der Versorgung in der Unfallversicherung sei aber auch eine eigene Versorgungsforschung
für diesen Bereich nötig. Wenn dort valide Ergebnisse vor­
liegen, kann das gesamte Gesundheitssystem von der Unfallversicherung lernen, wie man Versorgung optimiert. Dazu
Pfaff: „Die Unfallversicherung zeigt am lebendigen Beispiel,
wie man die Versorgungskette besser organisieren kann.“
FORSCHUNGSBEDARF
ZUR NACHHALTIGKEIT VON REHA
Speziellen Forschungsbedarf im Bereich der Rehabilitation
macht Pfaff auf dem Feld der Nachhaltigkeit von Reha-Maßnahmen aus: „Viele Patienten kommen fit aus dem System
­heraus und lassen dann nach, bis sie wieder versorgt werden
müssen. Das ist besonders bei chronisch Kranken ein Pro­
blem.“ Um die Probleme der Nachhaltigkeit und der langen
Krankschreibungsdauern zu lösen, hält der Versorgungsforschungsexperte dringend weitere Studien für nötig. Für den
Bereich der Unfallversicherung sieht er hier eine einmalige
Chance. Sie kann untersuchen, welche Effekte die enge Verzahnung mit Personen und Gegebenheiten am A
­ rbeitsplatz
auf Maßnahmen der Wiedereingliederung hat.
Diese Chance nutzt der Klinikverbund ausgiebig. Für
die Wiedereingliederung des Patienten in den Berufsalltag ist
die ambulante Rehabilitation nach einem stationären Aufenthalt oder einer Verletzung von entscheidender Bedeutung. Sie
zu optimieren ist unter anderem das Ziel der Forschung an
der BG Unfallambulanz und Rehazentrum Bremen. Dort erproben und evaluieren Reha-Fachleute Nachhaltigkeitskonzepte
in der ambulanten Rehabilitation und entwickeln verbindliche Standards. Auch die sogenannte „Erweiterte Ambulante
Physiotherapie (EAP)“, eine von den gesetzlichen Unfallver­
sicherungen entwickelte ambulante Therapieform, wird in
Bremen evaluiert.
Die Bedeutung der Forschung in den Kliniken wächst
weiter. 2012 sorgte die BG Klinik Tübingen mit der Gründung des
„Siegfried Weller Instituts für Unfallmedizinische Forschung“
für eine deutliche Aufwertung der klinikeigenen Forschung. Sie
setzte damit zugleich ein wichtiges Signal für die Zukunft.
EINS | Gemeinsam neues wagen 21
„Die Unfallversicherung
zeigt am l­ ebendigen
Beispiel, wie man die
Versorgungskette besser
organisieren kann.“
Prof. Dr. Holger Pfaff,
Direktor des ­Instituts für Medizinsoziologie,
Versorgungs­forschung und Rehabilitations­
wissenschaft der Universität Köln
Bericht
EHRGEIZIG,
INNOVATIV,
PATIENTENORIENTIERT
Hochleistungsfähige Medizintechnik richtig anwenden, natürliche Mechanismen zur Heilung nutzen
und Kranke und Verletzte
mit schonenden Methoden
behandeln: Berlin, Bochum,
Murnau – drei Beispiele
aus dem Forschungsalltag
im Klinikverbund der gesetzlichen Unfallversicherung e. V. (KUV)
EINS | Gemeinsam neues wagen 23
Die Forschungen der Medizinerinnen und Mediziner im KUV
finden weltweit Beachtung. Auch im Jahr 2012 haben sie hervorragende Ergebnisse auf ganz verschiedenen Gebieten vorgelegt.
KNOCHEN AUS EIGENEN
STAMMZELLEN
Knochen sind wahre Wunder der Natur. Sie sind das einzige
Gewebe des Menschen, das von selbst ohne Narbe verheilt.
Leider aber gibt es auch hier die Ausnahme – sogenannte
kritische Frakturen, bei denen die Knochen nicht mehr zusammenwachsen. Prof. Dr. Thomas A. Schildhauer, Direktor der
Chirurgischen Klinik, und Prof. Dr. Manfred Köller, Forschungs­
koordinator, am BG Universitätsklinikum Bergmannsheil
­Bochum sind dafür die Spezialisten. Ihr interdisziplinäres Team
erforscht, wie körpereigene Stammzellen und Wachstums­
faktoren aus körpereigenen Thrombozyten helfen können,
große und bislang irreparable Knochendefekte wieder mit
eigenem Knochenmaterial aufzufüllen.
Adulte Stammzellen, die alle Menschen in sich tragen,
spielen dabei die zentrale Rolle. Als undifferenzierte Zellen entwickeln sie sich erst im Austausch mit ihrer Umgebung zu
jenen Zellen, die vor Ort gebraucht werden – zum Beispiel Gelenk-, Knorpel- oder auch Knochenzellen. „Im Vergleich zu
Fremdtransplantationen ist unser Verfahren eine höchst in­
dividuelle Behandlung. Der entscheidende Vorteil ist: Der
­Patient bekommt seine eigenen Zellen zurück. Der Körper versucht daher nicht, die implantierten Zellen wieder abzustoßen“, sagt Prof. Dr. Manfred Köller.
In einem ersten Schritt werden die adulten Stammzellen durch eine Punktion des Beckenkammknochens gewonnen.
Da nur etwa eine von 10.000 Blutzellen des Knochenmarks
eine Stammzelle ist, werden sie im Labor vermehrt. Zusätzlich
wird patienteneigenes Blutplasma als Träger für diese Zellen
verwendet. Damit entsteht ein gelartiges Stammzell-Wachstumsfaktor-Komposit, das in der folgenden Operation direkt in
den Knochendefekt eingesetzt wird. Das Verfahren hat offenbar eine Erfolg versprechende Zukunft. „Die BG Klinik Bergmannsheil Bochum investiert derzeit in ein Reinraumlabor, das
für die zukünftige klinische Anwendung notwendig ist, um
zellbasierte Verfahren zur Standardreife weiterzuentwickeln“,
erklärt Forschungskoordinator Köller.
EIN SCAN
ZUR RECHTEN ZEIT
Gute Diagnostik ist eine Frage leistungsfähiger Technik und
des richtigen Gespürs. Davon ist Privatdozent Dr. Dirk Stengel,
Leiter des Zentrums für Klinische Forschung am Unfallkrankenhaus Berlin (ukb), überzeugt. Er weiß, wie schwer es ist, im
Notfall lebensrettende Entscheidungen zu treffen. Die Computertomografie (CT) kann als ideales Diagnostikinstrument wertvolle Hilfe leisten. Stengels Forschungen dürften dessen Einsatz noch sicherer machen.
Beim Ganzkörperscan werden Schwerverletzte von Kopf
bis Becken mittels CT durchleuchtet. Rechtfertigt die diagnostische Aussagekraft der Methode die zusätzliche Strahlenbelastung für den Patienten? Gemeinsam mit seinem Team hat
Stengel die Befunde und Krankenakten von 1.000 Patientinnen und Patienten des ukb ausgewertet. Das Ergebnis: Die CT-
Diagnostik liefert verlässliche Bilder aus dem Körperinneren,
aber sie zeigt längst nicht alle Krankheitsherde und Verletzungen. „Das CT ist spezifisch und sicher, aber nicht sensitiv
genug“, sagt Stengel. Verletzungen, die in der CT-Bildgebung
nachgewiesen werden, sind definitiv vorhanden und können
sofort behandelt werden.
Bestimmte Gewebeschäden in der Lunge, der Leber
oder der Milz zeigen sich jedoch erst im weiteren Krankheitsverlauf. Gefäßverletzungen zum Beispiel sind erst im CT zu
erkennen, wenn der Kreislauf des Patienten wieder stabil ist.
Unauffällige CT-Befunde bedürfen also der weiteren statio­
nären Beobachtung. Die Resultate der sogenannten PATRESStudie (Pan-Scan for Trauma Resuscitation Evaluation Study)
haben in Forschungskreisen für Aufsehen gesorgt. Sie wurden
im renommierten „Canadian Medical Association Journal“
veröffentlicht und Privatdozent Dr. Stengel war 2012 Key Note
Speaker bei der Jahrestagung der „British Trauma Society“
in Leeds, Großbritannien. Jetzt wollen Stengel und seine radiologischen sowie unfallchirurgischen Kolleginnen und Kollegen anhand von Routinedaten klären, wann genau die CTDiagnostik einzusetzen ist. In einer randomisierten Studie
mit 500 Patientinnen und Patienten soll dabei die Strahlen­
dosis auf das geringstmögliche Maß reduziert werden.
GUT VERPACKT
IST HALB GEHEILT
Zu den Spezialdisziplinen im KUV zählt die Versorgung von
Schwerbrandverletzten. Dass die BG-Ärztinnen und -Ärzte und
ihre Behandlungskonzepte auf diesem Feld international an
der Spitze stehen, hat viel mit Dr. Markus Öhlbauer zu tun, dem
leitenden Arzt für Plastische Chirurgie an der BG Unfallklinik
Murnau. In seinen klinischen Forschungen hat er gängige Behandlungskonzepte so weiterentwickelt, dass heute auch Verunfallte mit mehr als 70 Prozent brandverletzter Körperoberfläche
gute Heilungschancen haben. Mehr als 150 schwerstverletzte
Patientinnen und Patienten haben er und sein Team bereits mit
der Wundunterdrucktherapie behandelt – ein exzellentes
Therapiekonzept ist dabei entstanden.
Das Ärzteteam bringt in einem ersten Schritt offenporige
Polyurethan- oder Polyvinylalkoholschwämme auf den Brandwunden auf und dichtet die Körperteile mit einer Verbandfolie
luftdicht ab. Mit einem Drainagesystem wird das Wundsekret
kontinuierlich abgesaugt. Das schont den Organismus und
mindert Risiken, die bei den konventionellen Verfahren oft
schwere Komplikationen nach sich ziehen, zum Beispiel, dass
sich Ödeme bilden, die die Durchblutung erschweren und das
Absterben von Zellen begünstigen.
Die Rundumverpackung des Patienten hat viele Vorteile: Ein
Verbandswechsel ist nur ein Mal pro Woche nötig. Das mindert
das Infektionsrisiko. Der Schmerzmittelbedarf sinkt, denn der
Schwamm bleibt an der Wundoberfläche festgesaugt. Nicht zuletzt reduziert das Verfahren die Zahl der Hauttransplantationen:
„Dies war früher bei etwa zwei Drittel unserer Verletzten notwendig, heute sind es nur ein Drittel“, sagt Öhlbauer.
Egal ob Brandwunden, Diagnostik oder personalisierte Knochenheilung – die Beispiele zeigen die Forschungsexpertise im
Klinikverbund. Die Ärztinnen und Ärzte im Verbund machen
Spitzenforschung, von der der Patient unmittelbar profitiert.
24 EINS | Gemeinsam neues wagen
Bericht
DIE DIGITALE
KLINIK IST DA
Telemedizin wird zunehmend von der Ausnahme zur Regel.
Das gilt zumindest für die Teleradiologie und -neurologie im
KUV. Auch die innerklinische Organisation verlagert der
Verbund schrittweise von Papier auf Computertechnik.
EINS | Gemeinsam neues wagen 25
Die Digitalisierung von klinischen Prozessen birgt enormes
Potenzial. Diese Auffassung vertritt Ernst-Ulrich Hafa, KUVBereichsleiter Technische Infrastruktur. „Ziel ist es, ein kli­
nikweites Datennetz zu schaffen“, sagt der IT-Koordinator des
KUV. Die digitale Arztvisite ist dabei nur ein Bestandteil. An
den Standorten Berlin und Frankfurt ist sie schon umgesetzt,
auch Murnau und Halle ziehen mit, Ludwigshafen und Tübingen folgen als Nächstes.
Der Klinikverbund setzt nun in der Pflege verstärkt auf
mobile Arbeitsplätze. Für 2013 ist geplant, in mehreren Kliniken
mobile IT-Arbeitsplätze auf kabellos vernetzten Pflegewagen
einzurichten. Dabei zielt der KUV auf ein einheitliches Vorgehen
bei neuen IT-Projekten. „Wir werden künftig neue Systeme nur
noch gemeinsam einführen“, sagt Hafa. Dadurch könnten Kosten gespart, Qualität und Effizienz jedoch gesteigert werden.
AUTOMATISIERTE
DATENÜBERTRAGUNG
Ein aktuelles Projekt ist das Patientendatenmanagementsystem PDMS. Es soll als gemeinsames System in praktisch allen
Kliniken des Verbundes eingeführt werden. In das PDMS fließen die Daten der Überwachungsgeräte auf der Intensivstation
ein. Dazu werden die Stand-alone-Geräte mit dem Klinikinformationssystem verbunden. In Halle, Murnau und Berlin wird
PDMS bereits eingesetzt. „Überall dort, wo wir dafür sorgen,
dass Daten automatisch übertragen werden und nicht mehr die
Menschen die Datenträger sind, erreichen wir Qualitäts- und
Effizienzverbesserungen“, sagt Hafa. Angestrebt ist auch, dass
der Datenaustausch mit dem Reha-Management der Berufs­
genossenschaft zunehmend elektronisch erfolgt.
Nicht zuletzt soll die neue Technik die Patientensicherheit erhöhen. Das betont Hermann Breitinger, KUV-Bereichsleiter Kaufmännische Infrastruktur. Fehlerquellen werden reduziert, wenn Daten nicht mehrfach abgeschrieben werden müssen,
sondern einmal eingetragen überall zur Verfügung stehen. Ein
weiterer Vorteil: „PDMS kann auch die Entwicklung von Behandlungspfaden unterstützen“, sagt Breitinger. Zudem könne die
Medikamentenverabreichung elektronisch gestützt werden. Die
Medikation von der Anordnung über die Verabreichung bis
zur Nebenwirkungserfassung digital zu unterstützen ist nach
Hafas Auffassung sogar recht kurzfristig möglich. Dabei betont er die Koordinierungsrolle des Verbundes. „Wir wollen auch
organisatorisch und nicht nur medizinisch Spitze sein“, sagt
der IT-Experte.
ZUKUNFTSTRÄCHTIGE
NETZWERKE
Diese Kombination aus organisatorischen und medizinischen
Spitzenleistungen hat die Verbundkliniken auf dem Gebiet der
Telemedizin ganz weit nach vorn gebracht. Praktisch parallel
zum Aufbau der Traumanetzwerke haben viele Kliniken im Verbund teleradiologische Netze aufgebaut. Der Standort Berlin
betreut das größte teleradiologische Netz Deutschlands. Bochum
und Halle sind in der Teleradiologie ebenfalls vorne dabei.
Das teleradiologische Netz der BG Kliniken Bergmanns­
trost Halle ist praktisch identisch mit dem nun zertifizierten
Traumanetzwerk. 13 Krankenhäuser betreut die Radiologie in
Halle aus der Ferne mit. Der Ärztliche Direktor der BG-Kliniken Bergmannstrost Prof. Dr. Gunther O. Hofmann misst der
elek­tronischen Vernetzung einen hohen Stellenwert bei:
„Diese Netzwerke sind die Zukunft. Das gilt für alle Bereiche
der Medizin. In der Traumaversorgung gehen wir hier lediglich voran.“ Was zunächst folgt ist die Teleneurologie. Auch
auf diesem Gebiet sind die BG Kliniken Bergmannstrost Halle
als überregionales Stroke-Zentrum bereits aktiv.
VERTRAUENSVOLLE
ZUSAMMENARBEIT
Der Ärztliche Direktor des Unfallkrankenhauses Berlin (ukb)
Prof. Dr. Axel Ekkernkamp beobachtet hier im Berliner Telemedizinnetzwerk seit 2012 eine neue Entwicklung: „Bisher
war es so, dass die Teleneurologie der Teleradiologie folgte:
Jetzt gibt es eine Verzweigung. Das ist eine wichtige Weichenstellung“, sagt er. Erste teleneurologische Kooperationen entstehen mit Kliniken, die nicht teleradiologisch vernetzt sind,
so zum Beispiel mit zwei Kliniken im brandenburgischen
Landkreis Märkisch-Oderland.
Dem teleradiologischen Netz des ukb misst Professor
­Ekkernkamp aber eine besondere Bedeutung bei. Das ukb sendet regelmäßig eine ärztliche und eine medizinisch-technische Fachkraft zu den Netzwerkkliniken. „Es hat sich gezeigt,
dass es gegenseitigen Vertrauens bedarf“, sagt Professor
­Ekkernkamp. Keine Klinikerin und kein Kliniker zeige einer
anonymen Instanz mittelschlechte Ergebnisse, aber ebenso
produziere auch keiner nur perfekte Ergebnisse. Die vertrauensvolle Zusammenarbeit hat inzwischen dazu geführt, dass die
telemedizinische Kooperation über die Radiologie hinausgeht
und beispielsweise auch mal chirurgische Kräfte zur Beurteilung der Arbeit ihrer Kolleginnen und Kollegen an einem anderen Klinikum hinzugezogen werden. Zudem finden sich die
Kliniken auch zu gemeinsamen Studien zusammen. „Hier entstehen ganz viele Synergieeffekte“, sagt Professor Ekkernkamp.
Seine Diagnose für die Entwicklungen der Telemedizin im Jahr
2012: „Mit Freude kann konstatiert werden, dass die Dekade
des Zweifelns, ob Telemedizin der richtige Weg auch für die Bundesrepublik Deutschland und seine Flächenländer darstellt,
jetzt – endlich – abgelöst wird von der kontinuierlichen Verbesserung des telemedizinischen Einsatzes in der Routine.“
„Wir wollen auch
­organisatorisch und
nicht nur medizinisch
Spitze sein.“
Ernst-Ulrich Hafa,
KUV-Bereichsleiter ­
Technische Infrastruktur
26 EINS | Gemeinsam neues wagen
EINS | Gemeinsam neues wagen 27
Feature
NEUE
VERSORGUNGS­
STANDARDS
SETZEN
Im Notfall muss es schnell gehen. Dafür sorgen opti­male Abläufe in Rettungsstellen und Notaufnahmen.
Neueste Standards haben die Verbundkliniken Berlin
und Frankfurt entwickelt.
Dr. Uwe Schweigkofler liebt seinen Arbeitsplatz. Aber er
wechselt ihn auch gerne mal. Genauso gern wie er im OP, in
der Notfallambulanz oder auf der Intensivstation arbeitet,
ist er im Notarzteinsatzfahrzeug oder mit dem Rettungshubschrauber „Christoph 2“ unterwegs. „Ich freue mich auch
heute noch über jeden Tag, an dem ich Hubschrauber fliege“,
sagt der begeisterte Unfallchirurg. Sehr viel Gelegenheit
dazu hat er aber nicht mehr, seit er Leiter des Notfall- und
Rettungszentrums der BG Unfallklinik Frankfurt am Main ist.
Das Zentrum fasst den präklinischen Rettungsdienst
mit Notarzteinsatzfahrzeug und Rettungshubschrauber mit
der innerklinischen Notfallversorgung in Notfallambulanz,
Schockraum und chirurgischer Versorgung der interdisziplinären Intensivstation organisatorisch zusammen. Geplant
ist, dass auch der Notfall-OP und eine Aufnahmestation eingegliedert werden.
Diese Organisationsform hängt eng mit der Person
der Zentrumsleitung zusammen. Schweigkofler macht damit
praktisch einen Schritt zurück nach vorn. „Ich gehöre zu
den alten Allroundern hier im Haus“, sagt der 49-Jährige
leicht schmunzelnd. Entsprechend hat er die Behandlungs­
pfade für die Notfälle aufgestellt. Doch das entstandene
­ onzept ist keineswegs altbacken. „Wenn es komplett umgeK
setzt ist, haben wir wirklich einen neuen Standard gesetzt“,
sagt Schweigkofler.
Weniger Schnittstellen
Die Abläufe folgen dem Prinzip „One Face to the Customer“:
Wenn es möglich ist, dann begleitet ein Arzt den Verletzten
vom Unfallort durch die Rettungsstelle bis in den OP. Das
Ziel: „Wir wollen mit dieser neuen Ablauforganisation die innerklinischen Schnittstellen verringern und mehr Kontinuität
bei der Informationsweitergabe erreichen“, so Schweigkofler.
Jede Übergabe berge die Gefahr, dass Informationen verloren gehen. „Das neue System ist für beide Seiten vorteilhaft.
Der Arzt kennt den Patienten von Anfang an. Und Patientinnen und Patienten wissen es zu schätzen, wenn der Arzt auf
der Intensivstation weiß, was draußen los war.“ Wer den
Unfallort gesehen habe, wisse auch bei der weiterführenden
Diagnostik und Behandlung genauer, worauf er eventuell
noch achten sollte.
Das Modell hat der leitende Arzt aus eigener Erfahrung
ent­wickelt. „Ich rette gern, aber wenn ich weiß, dass ich auch
28 EINS | Gemeinsam neues wagen
EINS | Gemeinsam neues wagen 29
die Verantwortung für die initiale Notfallversorgung und
-operation in der Klinik trage, habe ich noch mal eine ganz
andere Motivation im Umgang mit dem Patienten, als wenn
ich ihn an der Krankenhaustür abgebe“, sagt Dr. Schweigkofler.
Mit dem neuen Konzept will er daher auch die Assistenzärztinnen und -ärzte motivieren, die im Rahmen ihrer Weiterbildung
meist für sechs Monate ins Notfall- und Rettungszentrum rotieren sollen. Allerdings sei dafür auch ein großer Pool an Notarztkräften nötig. Für den Dienstbetrieb müssen rechnerisch 13
Arztstellen besetzt werden. Sie betreuen an der BG Unfallklinik
Frankfurt am Main rund 5.000 Notarzteinsätze pro Jahr.
Sehr feine Arbeitsbedingungen
Zur Motivation trägt auch die neue Ausstattung des Rettungszentrums bei. „Wenn die Bauarbeiten abgeschlossen sind, haben
wir sehr feine Arbeitsbedingungen“, sagt Schweigkofler. Die
Wege sind wesentlich kürzer geworden. Der Hubschrauber landet praktisch auf dem Schockraum. „Das ist mit Blick auf Wege
und Prozesse ein wesentlicher Vorteil“, sagt der Ärztliche
­Direktor der BGU Frankfurt Prof. Dr. Reinhard Hoffmann. Auch
den neuen Schockraum selbst mit Platz für zwei Schwerverletzte und quasi integriertem CT schätzt Hoffmann sehr. Verkürzt haben sich zudem die Wege vom Schockraum in den OP.
Die Zusammenfassung von Rettungshubschrauber, fahrendem Rettungsdienst, Notaufnahme und Schockraum zum
Notfall- und Rettungszentrum bewirkt nach den Worten von
Professor Hoffmann einen „integrativen Ansatz, der auch die
Prozesse viel schlanker macht, sodass eine Maßnahme direkt
in die andere greifen kann“. Dazu trägt auch bei, dass die gesamte Führungsverantwortung für diese Prozesskette bei
Schweigkofler in einer Hand liegt. „Die Neuorganisation hat
damit auch standardisierte Abläufe bis in den OP hinein gebracht“, sagt Hoffmann.
Mehr Patientensicherheit
Auch in Berlin wird die zentrale Notaufnahme neu strukturiert und bei laufendem Betrieb erheblich erweitert, um den
mittlerweile über 60.000 Patientinnen und Patienten pro
Jahr gerecht zu werden. Ein Teil der neuen Räume wurde 2012
eröffnet. Der Neubau ermöglicht ein völlig neuartiges Not­
aufnahmekonzept. Die gesamte Rettungsstelle ist nach einem
offenen Konzept gestaltet, sodass ein Arzt alle Patienten im
Blick haben kann. Auch die Behandlungsplätze sind offen angelegt, wahren aber die Intimsphäre des Patienten.
Das hat mehrere Vorteile. Zunächst ist es leichter, die
Kranken und Verletzten zu überwachen. Das ist in einer Notaufnahme essenziell. „Es steigert die Patientensicherheit“,
sagt Privatdozent Dr. Gerrit Matthes, Chirurg und leitender
Oberarzt der Notaufnahme des Unfallkrankenhauses Berlin
(ukb). Gerade angesichts der Arbeitsverdichtung in der Krankenhausversorgung sei es gut, wenn ein Arzt alle Patienten,
die er akut versorgt, auch im Blick habe. Doch auch ansprechbare ärztliche und Pflegekräfte sind einfacher zu finden. Das
hat sich bereits ein halbes Jahr nach der Teileröffnung als Vorteil erwiesen, auch für den Austausch unter Kollegen. „Wenn
alle verdichtet in einem Areal arbeiten und einen gemeinsamen
30 EINS | Gemeinsam neues wagen
Arbeitsplatz haben, ist auch die Kommunikation schneller
und reibungsloser“, sagt Matthes.
„Das Konzept beinhaltet auch, dass alle Behandlungsplätze von jeder Disziplin besetzt werden können“, sagt Matthes.
Dazu wurden mobile Monitore angeschafft, die an jedem Platz
eingehakt werden können. Diese Abkehr von fachspezifischen
Behandlungsplätzen ermöglicht eine effektive Raumnutzung
und schafft mehr Flexibilität. Ein spezieller Monitor steht im
neuen Schockraum mit vier Plätzen auf 185 Quadratmetern.
Dort können Ankündigungen in einen digitalen Kalender eingetragen werden.
Kürzere Wege
Doch nicht nur baulich ändert sich in Berlin derzeit alles. Auch
die Abläufe werden neu organisiert. So sind die Schränke mit
Verbrauchsmaterial künftig nicht mehr alphabetisch sortiert,
sondern nach dem ATLS-Prinzip (Advanced Trauma Life Support). Alles, was für ein spezielles Patientenproblem gebraucht
wird, findet sich dann in einer Schublade. Das soll Arzt- und
Pflegekräften Wege ersparen. Zudem wurden vor der Eröffnung im Mai 2013 Ablaufpläne für typische Gesundheitsprobleme in der Rettungsstelle erstellt. Sie legen fest, wo und
wie Patienten in den neuen Räumlichkeiten versorgt werden.
Noch eine Neuerung: Um den Versichertenstatus der Patien­
tinnen und Patienten zu erfassen, arbeiten jetzt auch Angestellte aus der Administration direkt auf der Notaufnahme mit.
Die wesentliche organisatorische Änderung ist aber
­sicher die Einführung der sogenannten Manchester-Triage, einem System zur Klassifizierung von Notfallpatienten nach
­Behandlungsdringlichkeit. Einen positiven Effekt hat Matthes
schon bei der Einführung des Systems beobachtet. Rettungsdienste, die Patienten bringen, haben sofort einen Ansprechpartner in der Klinik: die speziell geschulte Pflegekraft am
zentralen Triage-Punkt. In der Innenorganisation der Notauf-
„DAS NEUE SYSTEM IST
FÜR BEIDE SEITEN
VORTEILHAFT.
DER ARZT KENNT
DEN PATIENTEN VON
ANFANG AN.“
Dr. Uwe Schweigkofler,
Leitender Arzt des Notfall- und Rettungszentrums
der BG Unfallklinik Frankfurt am Main
nahme führt die Triage unter anderem dazu, dass sich Ärztinnen
und Ärzte an digitale Arbeitslisten gewöhnen müssen. Dort
ist farblich gekennzeichnet, welcher Triage-Stufe eine Patientin
oder ein Patient zugeordnet wurde. Die Manchester-Triage ist
im ukb im Krankenhausinformationssystem (KIS) elektronisch
hinterlegt und wird wie die gesamte Dokumentation papierlos
vorgenommen. Matthes’ Zwischenfazit nach einem halben Jahr:
„Es gibt eine Lernkurve bei der Manchester-Triage, aber die
ersten Erfahrungen sind gut.“
32 EINS | Gemeinsam neues wagen
Meldungen
Gemeinsame
Großgeräte­beschaffung
Klinikneubauten
künftig nach
einheitlichem Konzept
Der KUV koordiniert die Anschaffung von
medizintechnischen Großgeräten und
­anderen Investitionsgütern. Die Kliniken
melden ihre geplanten Anschaffungen für
einen Zeitraum von fünf Jahren im Voraus.
Der KUV wertet die Meldungen aus, bündelt den Bedarf und führt gemein­same
Ausschreibungen durch.
„Auf diese Weise wollen wir Einsparpotenziale für die einzelnen Kliniken
realisieren“, sagt Hermann Breitinger,
KUV-Bereichsleiter Kaufmännische Infrastruktur. Vorangegangen war die Einführung von Standards in der Bezeichnung
der Investitionsgüter. Gebäudetechnik
wird nach der Systematik der DIN 276
erfasst. Für Medizintechnik wurde das
„Informationssystem Medizintechnik
(IMT)“ eingeführt. Es liefert nicht nur
technische und sicherheitsrelevante Informationen zu jedem Gerät, sondern
auch Hinweise, welche Geräte mit gleichartigem Zweck und Leistungsspektrum
am Markt angeboten werden.
„Wir können und wollen Innovationen eher eine Chance geben als andere
Kliniken. Auch das verstehen wir als Teil des
gesetzlichen Auftrags der Unfallversicherung, den zu erfüllen wir mithelfen“, sagt
Breitinger. Das setze aber auch voraus,
dass Technik so wirtschaftlich wie nur
möglich beschafft und betrieben werde.
Steht ein Neubau in einer Unfallklinik,
Klinik für Berufskrankheiten oder Unfallbehandlungsstelle an, dann soll künftig
das Klinikgesamtbaukonzept des Klinikverbundes zum Tragen kommen. Die Initiative dazu wurde 2012 angestoßen. Geplant
ist, dass eine Musterklinik entworfen wird,
bei der Patientenzimmer und sonstige
Flächen standardisiert sind. Sie dient
dann als Modell für alle Neubauten im
Klinikverbund.
Aktuell entsteht in Frankfurt für
rund 140 Millionen Euro ein kompletter
Klinikneubau. Die neuen OP-Säle, Radiologie und Funktionsräume sind schon am
Netz, die neuen Bettenhäuser und die Intensivstation noch im Werden.
Große Bauarbeiten laufen zudem
in Murnau. Weil die BG Unfallklinik Murnau bald aus allen Nähten platzt, baut
sie für insgesamt rund 75 Millionen Euro
ein sechsstöckiges Bettenhaus und ein
zweistöckiges Parkhaus. Der Bereich für
Rückenmarkverletzte wird erweitert und
ein Hörsaal für Fortbildungen und Symposien wird neu geschaffen.
Auch am BG Universitätsklinikum
Bergmannsheil Bochum wird in großem
Stil gebaut. Bereits Mitte 2013 werden
­Teile des neuen Funktionstraktes und des
Bettenhauses genutzt werden können.
Dazu gehören die neue Notfallaufnahme,
ein OP-Zentrum, Intensiv- und Normalpflegestationen sowie Funktionsabteilungen wie Radiologie, Labor und Zentral­
sterilisation. In einem zweiten Bauabschnitt
werden der neue Funktionstrakt und das
neue Bettenhaus noch einmal erweitert.
Die Gesamtbaumaßnahmen mit einer Investition von mehr als 100 Millionen Euro
sollen 2016 abgeschlossen sein.
EINS | Gemeinsam neues wagen 33
„Wir können und wollen
Innovationen eher eine Chance
geben als andere Kliniken.“
Hermann Breitinger, KUV-Bereichsleiter
Kaufmännische Infrastruktur
Die Bagger rollten auch in Ludwigshafen
im Sommer 2012 an. Dort entsteht für
rund 20 Millionen Euro bis Anfang 2014
ein neues Rehazentrum, das auch gesetzlich Krankenversicherten offenstehen
soll. Auf über 10.000 Quadratmetern
Nutzfläche werden 150 stationäre Betten
und 80 ambulante Plätze geschaffen.
Abgeschlossen wurden dagegen die
Bauarbeiten für das neue Reha-Wohnhaus der BG Kliniken Bergmannstrost
Halle. Nach rund einjähriger Bauzeit wurde das Gebäude mit 46 modernen Einzelzimmern, davon 22 barrierefrei, und einer
Gesamtinvestition von 3,5 Millionen Euro
im Mai 2012 eröffnet.
soll in einem dreijährigen Projekt mit Förderung der Berufsgenossenschaft Handel
und Warendistribution (BGHW) ein innovatives Rettungskettenkonzept erarbeitet
werden. Finanzierbarkeit, Wirtschaftlichkeit, Realisierbarkeit und die Sicherheit
des Systems werden dabei berücksichtigt.
Die BGHW erhofft sich davon auch Verbesserungen für den Arbeitsschutz an diesen noch recht neuen Arbeitsplätzen. Dabei geht es nicht nur um die Arbeiterinnen
und Arbeiter auf den Windrädern, sondern auch um die, die unter Wasser im
Taucheinsatz sind. Dem Projektteam gehören neben Fachleuten der Notfall-, Rettungs- und Unfallmedizin auch solche aus
den Disziplinen Biomechanik, Meereswissenschaft, Physik, Ingenieurwesen und
Jura sowie der Berufsgenossenschaften
an. Sie arbeiten in Kooperation mit anderen auch an einer maritimen Sicherheitspartnerschaft für Offshore-Windparks.
O-Arm für alle
Kliniken im KUV
Hamburg erforscht
­Rettungswege aus
­Windparks auf See
Wie können Unfallverletzte aus OffshoreWindkraftanlagen schnell und sicher geborgen werden? Das erforscht seit April
2012 das BG Unfallkrankenhaus Hamburg
(BUKH). „Bisher sind Notfallpläne für
komplexe Rettungssituationen vorhanden, die keine einheitliche Rettungskette
vorgeben“, erklärt der Ärztliche Direktor
des BUKH Prof. Dr. Christian Jürgens. Aus
wissenschaftlichen Erkenntnissen zur
Rettungslogistik, -technik und -medizin
Die BG Unfallklinik Murnau setzt im OP
zunehmend auf den O-Arm statt auf den
bisher üblichen C-Bogen. „Im Bereich der
Operationssaal-Technik sind wir die Klinik mit der meisten Erfahrung beim Einsatz von sogenannten O-Armen“, sagt
Prof. Dr. Volker Bühren, Ärztlicher Leiter
der BGU Murnau. Der O-Arm ermöglicht
Schnittbilder von Körperregionen, die mit
dem herkömmlichen C-Bogen mitunter
schwer erreichbar sind. Im OP hat er sich
laut Professor Bühren besonders bei Eingriffen an der oberen Halswirbelsäule oder
der Brustwirbelsäule und bei komplizierten Gelenkfrakturen bewährt. Der O-Arm
mache sichtbar, ob ein Gelenk korrekt reponiert ist und ob alle Schrauben richtig
liegen. „Durch die direkte CT-Kontrolle im
OP spart man in vielen Fällen eine zweite Operation“, sagt Professor Bühren. Der
KUV hat nun nach seinen Angaben einen
Rahmenvertrag zur Anschaffung dieser
Technik für den gesamten Klinikverbund
abgeschlossen.
Forschungspreis für
Brandwundenbehandlung in Bochum
Wie gezielte Stoßwellenbehandlung die
Wundheilung bei großflächigen Verbrennungen verbessern kann, hat Dr. Ole Goertz
vom BG Universitätsklinikum Bergmannsheil Bochum untersucht. Für seine Forschungsarbeit wurde der Oberarzt der
­Klinik für Plastische Chirurgie und Schwerbrandverletzte jetzt mit dem „Cicatrix Studienpreis 2012“ ausgezeichnet. Der Preis
zählt mit einem Preisgeld von 10.000 Euro
zu den höchstdotierten Auszeichnungen
in der Plastischen Chirurgie.
Großflächige Wunden bei Verbrennungen sind kritisch, weil sie zu Wundinfektionen und schlimmstenfalls zu einer
Blutvergiftung führen können. Die Stoßwellenbehandlung scheint ein neuer Weg
zu sein, den Heilungsprozess solcher
Wunden zu beschleunigen. Darauf deuten erste experimentelle Studien des
„Bergmannsheils“ hin. Die Forschergruppe beobachtete Verbesserungen bei einigen Parametern, die für die Wundheilung
entscheidend sind. „Mittelfristig wäre zu
prüfen, ob unsere Annahmen auch im
Rahmen klinischer Patientenstudien
standhalten“, so Goertz. Die Stoßwellentherapie ist in der Medizin bereits eta­
bliert. Sie wird zum Beispiel zum Zertrümmern von Nierensteinen und bei schlecht
heilenden Knochenbrüchen eingesetzt.
34 EINS | Miteinander mehr erreichen
Bericht
DIE DGUTRAUMANETZWERKE –
EINE ERFOLGSSTORY
Der KUV wirkt maßgeblich an der
­Entwicklung und Weiterentwicklung
der Traumanetzwerke der Deutschen
Gesellschaft für Unfallchirurgie mit.
Auch die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung treibt die Netzwerkbildung voran.
Als „Erfolgsstory“ bezeichnet Prof. Dr. Reinhard Hoffmann,
Präsident der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie
(DGU) und Ärztlicher Direktor der BG Unfallklinik Frankfurt
am Main die DGU-Traumanetzwerke. 38 zertifizierte Trau­
manetzwerke mit 521 zertifizierten Kliniken zählte die medi­
zinische Fachgesellschaft im Februar 2013. Eines der jüngsten ist das Traumanetzwerk „Sachsen-Anhalt Süd“. Es wurde
im Dezember 2012 zertifiziert. Insgesamt 13 Kliniken sind
dort organisiert.
Mit der Zertifizierung dieses Traumanetzwerkes sind
jetzt alle Kliniken im KUV als überregionale Versorgungszen­
tren in ein Traumnetzwerk eingebunden. Maßgeblichen Anteil an der Zertifizierung des Netzwerks in Sachsen-Anhalt hatten die BG Kliniken Bergmannstrost Halle. Sie haben die
notwendigen Kurse für die Fortbildung der Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter aus anderen Kliniken angeboten.
VERSORGUNG
FUNKTIONIERT BESSER
„Die Verbundkliniken spielen in ihren jeweiligen Traumanetzen in der Regel eine wichtige Rolle, auch in der Moderation,
Weiterbildung und Vernetzung mit anderen Kliniken“, sagt
Hoffmann. Die DGU hat inzwischen nachgewiesen, dass die
Netzwerke die Versorgung Schwerverletzter verbessern. Sie gewährleisten unter anderem, dass Schwerverletzte innerhalb
von 30 Minuten in eine passende Klinik gebracht und sofort
weiterbehandelt werden, wie die DGU anlässlich der Vorlage
des neuen Weißbuches mitteilte.
Das Weißbuch bildet praktisch die wissenschaftliche Basis
des dreigliedrigen Systems der Traumanetzwerke mit ihren lokalen, regionalen und überregionalen Zentren. In der 2012 erschienenen zweiten Auflage liegt der Fokus darauf, dass die Rehabilitation frühzeitig einsetzen muss. Ziel ist es laut DGU „die
noch deutlich vorhandenen Defizite in der funktionellen und
psychischen Wiederherstellung der Verunfallten“ zu verbessern.
EINS | Miteinander mehr erreichen 35
NETZWERKSTRUKTUREN ­
MACHEN SCHULE
Die dreigliedrige Struktur der Traumanetzwerke spiegelt sich
seit 2012 auch in der Struktur des neuen stationären Heilver­
fahrens der DGUV. Wie für die Zentren der Traumanetzwerke
werden auch für die verschiedenen Versorgungsstufen in der
Unfallversicherung unterschiedliche personelle, apparative
und strukturelle Voraussetzungen gefordert. „Hier gibt es
­einen engen logischen Zusammenhang“, sagt Prof. Dr. Volker
Bühren, Ärztlicher Direktor der BG Unfallklinik Murnau und
Moderator der DGU-Traumanetzwerke in Bayern.
Gab es in der Unfallversicherung bislang nur das D-ArztVerfahren (DAV) und das Verletzungsartenverfahren (VAV), so
ist nun das Schwerverletzungsartenverfahren (SAV) neu hinzugekommen, das quasi den überregionalen Zentren der Traumanetzwerke entspricht. Es stellt deutlich höhere Anforderungen
an die Präsenz und Verfügbarkeit von Fächern außerhalb der
Unfallchirurgie, aber auch an die apparative Ausstattung. So ist
für das SAV unter anderem eine neurochirurgische Vollabteilung am Standort des Krankenhauses gefordert, während für die
Versorgungsstufe VAV ein neurochirurgischer Kooperationspartner genügt. Zudem müssen Krankenhäuser, die am SAV
teilnehmen wollen, zwei betriebsbereite OP-Säle vorhalten.
REHA RÜCKT INS BLICKFELD
„Ganz wesentlich neu ist, dass die Rehabilitation und die
­Organisation der Reha mit eingeschlossen sind“, sagt Professor Bühren. Das SAV fordert ausdrücklich, dass ein Reha-­
Management für die Unfallversicherten eingeleitet wird. Es
muss immer eine Oberärztin oder ein Oberarzt mit Weisungskompetenz für Reha-Maßnahmen verfügbar sein und eine
­Kooperation mit der Reha-Medizin bestehen. Professor Bühren
spricht in diesem Zusammenhang von einem Paradigmenwechsel: „Bis zum Jahr 2000 zählte das Überleben, seitdem
rückt die Lebensqualität immer mehr in den Vordergrund.“
Von dieser Neuordnung des Heilverfahrens könne auch
die Struktur der Traumanetzwerke profitieren, meint Professor
Bühren. „Ich denke, dass die Neuordnung der Heilverfahren
diese Netzwerkstruktur sehr stärkt. Die DGU beleuchtet das von
der wissenschaftlichen Seite und das neue Verletzungsartenverfahren der DGUV trägt nun auf Basis des Siebten Buches
Sozialgesetzbuch die gesetzliche Grundlage dazu bei“, sagt er.
TELEMEDIZIN SCHAFFT
FORTSCHRITT
Professor Hoffmann hält es für besonders zukunftsweisend, dass
in den Traumanetzen zunehmend die Teleradiologie etabliert
wird. So sind ortsübergreifende Fallkonferenzen und der Austausch von Bildern problemlos möglich. Der Ärztliche Direktor
der BG Unfallklinik Frankfurt würde es begrüßen, wenn die
DGUV diesen Standard auch für den Datenaustausch zwischen
Häusern der Versorgungsstufen SAV und VAV fördert. „Es wäre
günstig, wenn die DGUV die teleradiologische Vernetzung zwischen SAV- und VAV-Kliniken im Sinne einer Qualitätssicherung unterstützt. Ich bin überzeugt, dass der elektronische Datenaustausch im Klinikverbund immer wichtiger wird“, sagt er.
Zudem plädiert Hoffmann für einen Schulterschluss
zwischen DGUV und DGU im Bereich der Versorgungsdaten.
„Das würde im Bereich der Schwerverletztenversorgung eine
einzigartige Möglichkeit für Versorgungsforschung öffnen“,
sagt Hoffmann. Das DGU-Traumaregister einerseits und die
Statistiken der DGUV andererseits ergäben zusammen eine
Datenquelle von großem Wert für die Versorgungswissenschaften und die Versorgungspolitik.
36 EINS | Miteinander mehr erreichen
EINS | Miteinander mehr erreichen 37
Bericht
RUNDUMVERSORGUNG AUS
EINER HAND
Deutschland hat ein hervorragendes Gesundheits­
system. Doch es knirscht an den Schnittstellen.
Das beklagen Fachleute seit Jahren. Dabei ist klar:
Patientinnen und Patienten profitieren von vernetzter Versorgung. Die Kliniken der Unfallversicherung
zeigen, wie es geht.
38 EINS | Miteinander mehr erreichen
An den Schnittstellen der Gesundheitsversorgung knirscht
es laut und deutlich. Das Paradebeispiel: Eine Patientin oder
ein Patient wird ohne Medikamente am Freitagnachmittag
aus dem Krankenhaus nach Hause geschickt. Weder Hausarzt noch Pflegedienst sind erreichbar oder vorher informiert. Der Patient muss zwei Tage lang sehen, wie er zurechtkommt. Im schlimmsten Fall ruft er wegen seiner
Schmerzen den Notdienst.
Das ist nicht nur für den betroffenen Patienten alles
andere als gut. Es schadet auch dem Gesamtsystem. Der Heilungsprozess verzögert sich. Zusätzliche Kosten entstehen,
im Gesundheitssystem und darüber hinaus. Denn bis der
Patient wieder arbeiten kann, vergeht mehr Zeit als nötig.
Sachverständige fordern
­Schnittstellenmanagement
Leider sind solche und ähnliche Fälle nicht die Ausnahme,
sondern eher die Regel in der Versorgung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung. Und das Knirschen wird
immer lauter. Das stellt auch der Sachverständigenrat für das
Gesundheitswesen in seinem Sondergutachten 2012 fest. Seine
Diagnose: „Durch die strukturellen Veränderungen in der Krankenhausversorgung ebenso wie durch die demografische Entwicklung und den damit einhergehenden Wandel der Patientenstruktur sind an dieser Schnittstelle neue Probleme und
Herausforderungen entstanden.“ Patienten haben beim Verlassen des Krankenhauses einen höheren Weiterversorgungsbedarf als früher. Das Durchschnittsalter steigt. „Die Vorbe­
reitung der Anschlussversorgung ist daher oftmals aufwändig
und anspruchsvoll. Zugleich haben sich die dafür zur Verfügung stehenden zeitlichen Spielräume verringert“, so die Ge-
„IN DER BERUFSGENOS­
SENSCHAFTLICHEN
­V ERSORGUNG KÖNNEN
PATIENTEN ZEITLICH
­N AHEZU UNBEGRENZT
UND ÜBER SEKTOREN
HINWEG BETREUT
WERDEN.“
Prof. Dr. Ernst Haider, Geschäftsführer
des Unfallkrankenhauses Berlin
EINS | Miteinander mehr erreichen 39
sundheitssachverständigen. Als Therapie verordnen sie umfassendes Schnittstellenmanagement, in dem Arzt, Pflege
und Sozialarbeit zusammenwirken. Dabei konzentrieren sich
die Fachleute auf die Schnittstelle zwischen Krankenhäusern
und ambulanter Versorgung durch Arztpraxen und medizinische Versorgungszentren. Von Physiotherapie, Rehabilitation
und psychosozialer Betreuung ist hier noch keine Rede.
Fallmanagement koordiniert
die Versorgung
Glück im Unglück hat, wer aufgrund eines Arbeitsunfalls oder
einer Berufskrankheit im Klinikverbund behandelt wird. Denn
er erfährt meist eine vorbildliche Versorgung aus einer Hand.
Von der Akutversorgung bis zur Wiedereingliederung in den
Beruf wird die gesamte Versorgungskette koordiniert. Weil
der Klinikverbund alles aus einer Hand anbietet, können viele
Behandlungsschritte miteinander verknüpft werden, die in
der gesetzlichen Krankenversicherung in getrennter Verantwortung nacheinander kommen. So können Unfallversicherte
auch lange nach ihrer Entlassung zu Sprechstunden in die
­Kliniken des Verbundes kommen, um Spätfolgen mit den vertrauten Personen zu besprechen. Zudem beginnt die Reha
meist direkt mit der Akutversorgung. Physiotherapeutisches
Personal ist oft schon am Tag nach einer Operation beim
­Patienten. Das beschleunigt den Heilungsverlauf enorm. Auch
für frühzeitige psychosoziale Betreuung ist gesorgt. Das ist
vor allem dann wichtig, wenn ein Berufsunfall das Leben einschneidend verändert.
In solchen Fällen und bei besonderem Hilfebedarf
­unterstützt zusätzlich der persönliche Reha-Manager der Berufsgenossenschaft den Patienten dabei, zurück in seinen
­Alltag zu finden. Er nimmt meist schon im Krankenhaus Kontakt zu dem Patienten auf und bespricht mit ihm die Schritte
von der Krankenhausentlassung bis zum beruflichen Wieder-
einstieg. Das geht weit über Medizin und Reha hinaus. Wenn
nötig, veranlasst er zum Beispiel, dass ein Auto so umgebaut
wird, dass ein Querschnittgelähmter damit zum Büro fahren
kann, und kümmert sich auch um die entsprechende Gestaltung des Arbeitsplatzes.
Dieses umfassende Fallmanagement hat die gesetzliche
Krankenversicherung (GKV) inzwischen im Rahmen von sogenannten integrierten Versorgungsangeboten stellenweise
übernommen. In der Regelversorgung der GKV ist eine solche
koordinierte Behandlung jedoch noch Wunschtraum. Die
­Kliniken der Unfallversicherung arbeiten dagegen schon weiter an der Optimierung ihrer vernetzten Strukturen. Sie wollen GKV-Versicherten die gleiche umfassende Versorgung bieten wie ihren BG-Versicherten. Dazu rücken sie vielerorts
enger mit Arztpraxen Niedergelassener zusammen, wie es der
Sachverständigenrat fordert.
Klinikverbund rückt mit
­Niedergelassenen zusammen
Als „Brücke in den ambulanten Sektor“ betrachtet Prof. Dr.
Ernst Haider, Geschäftsführer des Unfallkrankenhauses Berlin
(ukb), das Gesundheitszentrum, das seit 2012 am ukb entsteht. „In der berufsgenossenschaftlichen Versorgung können
Patienten zeitlich nahezu unbegrenzt und über Sektoren
hinweg betreut werden. Diese Möglichkeit gibt es in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht. Das ist aus Patientensicht teilweise problematisch. Sie verstehen das nicht und fühlen sich alleingelassen“, sagt Haider. Er hofft daher, dass die
Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Ärztinnen und
Ärzten im Gesundheitszentrum Hürden auf den Behandlungspfaden der GKV-Versicherten abbaut.
Der symbolische erste Spatenstich zu dem 30-MillionenEuro-Projekt mit zwei Gebäudeteilen auf 10.000 Quadratmetern Grundfläche erfolgte am 7. September 2012. Die Eröffnung
der Gebäude ist für das Jahr 2014 geplant. In dem L-förmigen
Gebäude für das Gesundheitszentrum sollen 40 Arztpraxen auf
40 EINS | Miteinander mehr erreichen
fünf Etagen unterkommen. Eine große Fläche ist für ambu­
lante Physiotherapie vorgesehen. Das ukb will in dem Gesundheitszentrum ein eigenes medizinisches Versorgungszentrum
betreiben. Doch auch Arztpraxen sollen sich einmieten. Es
gibt bereits zahlreiche Mieter und Interessenten.
„Wir versuchen das komplette Facharztspektrum in
­seiner ganzen Breite abzubilden. Dabei können manche Fachrichtungen auch doppelt vorhanden sein, ohne dass sie sich
Konkurrenz machen. Der Bedarf ist hier vor Ort gegeben“, sagt
Cornelia Iken, Leiterin Strategie und Organisation des ukb.
Der Fokus liege auf dem berufsgenossenschaftlichen Auftrag,
doch auch der Versorgungsauftrag für den Berliner Bezirk
Marzahn spiele eine Rolle. „Wir wollen hier am Standort der
Gesundheitsanbieter schlechthin sein und komplett von am­
bulant über stationär bis Reha alles anbieten“, so Iken.
Angestrebt ist ein reger Austausch zwischen den Ärztinnen und Ärzten aus Praxis, Medizinischem Versorgungszentrum (MVZ) und Klinik bei der gemeinsamen Patientenbehandlung, sodass die Niedergelassenen genau wissen, welche
Unterlagen ihre Patientinnen und Patienten für den Klinikaufenthalt brauchen. Mehrfachuntersuchungen können dann
vermieden werden. Auch bei der Entlassung aus dem Krankenhaus soll eine enge Abstimmung mit den nachbehandelnden Kolleginnen und Kollegen erfolgen, damit es nicht zu
­einem Bruch in der Behandlung kommt. Synergien will das
ukb zudem erschließen, indem es den Niedergelassenen
zum Beispiel die Nutzung der Krankenhaus-Sterilisation oder
Laborleistungen anbietet.
Verbundkliniken bauen die
­Versorgungskette aus
Auch die BG Unfallklinik Frankfurt am Main sucht die sek­
torübergreifende Zusammenarbeit – und zwar nicht nur in der
Akutmedizin, sondern auch in der Reha. Dazu hat sie die
MAIN.BGMED ins Leben gerufen. Unter dieser Dachmarke sind
alle ambulanten Angebote der BGU Frankfurt zusammengefasst. Das sind bislang das Medizinische Versorgungszen­trum
mit fünf Kassenärztinnen und -ärzten als 100-prozentige Tochter der BGU und das ambulante Rehazentrum, bei dem die
BGU einen Managementpartner mit 49 Prozent beteiligt hat.
Die Rehaklinik und das MVZ sollen im Sommer 2014 in
das neue Gesundheitszentrum umziehen, das die BGU Frankfurt seit Herbst 2012 für 13 Millionen Euro baut. Zusammen
werden sie rund 2.000 Quadratmeter in der ersten und zweiten
Etage des dreigeschossigen Baus belegen. Im Erdgeschoss
werden weitere 1.000 Quadratmeter an Arztpraxen und Gesundheitsdienstleister vermietet. Der Vermietungsstand ist ausgezeichnet. Ein Neurologe, ein Psychologe, ein Unfallchirurg mit
D-Arzt-Zulassung und ein Kardiologe haben bereits Praxis­
räume reserviert. Bewusst setzt die BGU Frankfurt auf die Zusammenarbeit mit diesen Fachgruppen, weil sie einen wichtigen Baustein für die Rundumversorgung der Patienten bilden.
Das Rehazentrum ist erst im Juli 2012 gestartet und
jetzt schon voll ausgelastet. „Wir mussten bisher einige Patientinnen und Patienten nach der stationären Reha wegschicken.
Dem wollten wir mit dem Ausbau des letzten Elements in der
Versorgungs- und Wertschöpfungskette entgegenwirken und
vor allem den Unfallversicherungsträgern ein umfassendes Leistungsangebot bieten“, sagt Dr. Uwe Kage, Kaufmännischer
­Geschäftsführer der BGU Frankfurt. Mit 20 Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern und einer Million Euro Umsatz 2012 ist das
ambulante Rehazentrum auf klarem Expansionskurs. Die Strategie hinter dem neuen Geschäftszweig: „Es war unser Ziel,
eine integrierte Versorgungskette anzubieten, damit der Patient
die gesamte Behandlung aus einer Hand hat“, so Dr. Kage.
Der Vorteil aus Patientensicht ist, dass bei der integrierten ambulanten Reha die medizinische Vorgeschichte deutlich besser
berücksichtigt werden kann als bei einem externen Anbieter.
EINS | Miteinander mehr erreichen 41
„Die Rückkopplung zwischen ambulantem Therapeuten und
behandelnden Klinikärzten ist eng, was den Unfallversicherungsträgern besonders wichtig ist“, sagt Kage. Der Patient
lernt seinen ambulanten Therapeuten schon beim Klinikaufenthalt kennen und wird bis in den Arbeitsalltag hinein von ihm
begleitet. Denn geplant ist, dass die ambulante Reha, wie bei
der arbeitsplatzbezogenen Reha üblich, auch Arbeitsplatzanalysen durchführt. Auf dieser Basis werden individuelle Trainingsangebote entwickelt – übrigens zukünftig auch für die
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der BGU Frankfurt selbst.
Bedeutung der Reha wächst
Das Vorzeigemodell der berufsorientierten Reha in Deutschland ist und bleibt aber das B.O.R-Reha-Zentrum der BG Unfallklinik Duisburg. Nirgends sonst werden so viele realitätsgetreue Trainingsmöglichkeiten für den Wiedereinstieg in den Job
geboten. Brummifahrer und Logistiker finden dort zum Beispiel einen halben LKW mit Ladefläche, an dem sie alle Bewegungsabläufe üben können. Die Kassiererin setzt sich zum
Training an die Supermarktkasse mit Laufband. Dachdecker
und Zimmermänner probieren sich am Übungsdach aus. So
wird die funktionelle Leistungsfähigkeit des Patienten gleichzeitig gesteigert und geprüft. Auch lässt sich so ermitteln,
­welche Therapiemaßnahmen noch nötig sind, damit der Patient
seinen alten Beruf wieder ausüben kann. „Die berufsorientierte
Reha ist ungeheuer wichtig, denn sie bringt eine hohe Quote
an Berufsrückkehrern“,sagt Friedhelm Bohla, Geschäftsführer
des B.O.R-Reha-Zentrums.
Auch im Rahmen der berufsgenossenschaftlichen Heilverfahren wächst der Stellenwert der berufsorientierten Reha und
der Reha im Allgemeinen zusehends. Dabei überwindet der
Klinikverbund die Trennung in ambulant und stationär in
diesem Bereich schon durch die baulichen Voraussetzungen.
Unter anderem ist an der BG Klinik Ludwigshafen ein großes Rehazentrum geplant. Ab 2014 sollen auf vier Ebenen mit
10.000 Quadratmetern Nutzfläche insgesamt 150 Betten für
BG- und GKV-Patientinnen und -Patienten und ein ambu­
lantes Therapiezentrum entstehen. „Die Vorteile liegen auf
der Hand“, sagt Prof. Dr. Paul A. Grützner, Ärztlicher Direktor der BGU Ludwigshafen. Der akutstationäre Bereich werde
so mit qualifizierter Reha eng verknüpft. Zusätzliche Syner­
gieeffekte ergäben sich durch die unmittelbare Nähe zum Gesundheitszentrum Rhein-Neckar.
Das Gesundheitszentrum hat die BGU Ludwigshafen bereits 2010 eröffnet. Betrieben wird das OP-Zentrum von vier niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten als Praxisklinik. Es kann
von der BGU selbst genauso wie von Mietern des Gesundheitszentrums oder extern Niedergelassenen genutzt werden.
Dieses ambulante Angebot sichert wie andere Versorgungskooperationen des Klinikverbundes den Patienten eine
Rundumversorgung, bei der es nicht knirscht. Ohne Reibungsverluste versorgen der Klinikverbund und seine Partner ihre
BG-Patientinnen und -Patienten. Auch gesetzlich Krankenversicherte profitieren von den Angeboten aus einer Hand.
EINS | Voneinander lernen 43
Bericht
SAUBERE HÄNDE,
KLARER KOPF
Immer wieder sorgen Fälle von Infektionen und resistenten
Erregern in Krankenhäusern für Aufsehen in den Medien.
­Dabei steigen die Zahlen seit Jahren nicht mehr. Was an den
KUV-Kliniken für eine perfekte Hygiene getan wird, zeigt
der folgende Bericht.
Wenn es in einem Krankenhaus zu einer
schweren Infektion kommt, ist Aufregung
vorprogrammiert. Besonders besorgt
reagiert die Öffentlichkeit, wenn Antibio­
tika nicht mehr anschlagen. Dann geht
schnell das hässliche Wort von den resistenten „Krankenhauskeimen“ um – und
das sogar dann, wenn der Grund der Infektion weit außerhalb des Krankenhauses liegt. Doch 20 bis 30 Prozent dieser
Infektionen könnten laut Expertenmeinung vermieden werden.
Grund genug, sich dieses wichtigen Themas anzunehmen. Auch die Poli­
tik hat mit der jüngst in Kraft getretenen
Novelle des Infektionsschutzgesetzes reagiert. Wie erfolgreich der Kampf gegen
die Krankenhausinfektionen ausgeht,
hängt aber letzten Endes von den Krankenhäusern selbst ab. Der KUV kann hier
auf ein breites Engagement verweisen.
PRAKTISCHE
UMSETZUNG
Vielfach beklagen Krankenhäuser Per­
sonalmangel als Hürde bei der Umsetzung der neuen gesetzlichen Vorgaben.
Die Krankenhaushygiene des BG Universitätsklinikums Bergmannsheil Bochum
hat gehandelt und 2012 ein neues Schulungskonzept eingeführt, um Pflegefachkräfte zu sogenannten Hygienebeauftragten entsprechend den gesetzlichen
Anforderungen weiterzubilden. Das
Themenspektrum der 40-stündigen Basisschulung reicht von normativen
Hygieneregeln über Maßnahmen zur
Infektionsprophylaxe bis zu organi­
satorischen, baulichen und technischen
Anforderungen an die Krankenhaus­
hygiene. Die ersten elf Teilnehmer haben die Fortbildung Ende 2012 erfolgreich abgeschlossen. Sie unterstützen
nun die hauptamtlichen Hygienefachkräfte der Klinik bei der Überwachung
und Durchführung der nötigen Hygie­
nestandards, sind in ihren Teams Ansprechpartner in Hygienefragen, wirken
aber auch in übergreifenden Qualitätszirkeln und Arbeitsgruppen mit, um
die betrieblichen Hygienestandards weiterzuentwickeln. Noch 2013 soll es in
Bochum auf jeder Station und in jedem
Funktionsbereich eine pflegerische
Hygienebeauftragte bzw. einen pflegerischen Hygienebeauftragten geben, die
oder der nach dem neuen Curriculum
geschult wurde. „Wir freuen uns, dass
wir damit sehr zeitnah die neuen Anfor-
derungen erfüllen“, so Pflegedirektor
Peter Fels.
SYSTEMATISCHE
ERFASSUNG
Ein Qualitätssiegel für den Umgang mit
MRSA und anderen antibiotikaresistenten
Erregern hat das Unfallkrankenhaus
Berlin erhalten. Aber was kann ein Krankenhaus gegen diese tückischen Erreger
tun, gegen die nur wenige wirksame Mittel existieren? „Das Erste ist, sich Klarheit zu verschaffen“, sagt Therese Köln,
leitende Hygienefachkraft am ukb. „Risikopatienten werden bei der Aufnahme
systematisch auf MRSA untersucht.“
Ein Schnelltest verschafft in anderthalb
Stunden Gewissheit. Zu Risikopatienten
zählen etwa solche, die in den vergangenen zwölf Monaten schon einmal in einem Krankenhaus zur Behandlung waren. Fällt der Test positiv aus, wird der
Patient isoliert und einer Behandlung mit
einer Nasensalbe und speziellen antiseptischen Waschungen unterzogen.
Dabei ist das ukb nicht auf sich a
­ l­lein gestellt. Die Erfassung von Infek­tionen wird im sogenannten KrankenhausInfektions-Surveillance-System (KISS)
44 EINS | Voneinander lernen
koordiniert, das vom Nationalen Referenzzentrum (NRZ) des Robert-Koch-Instituts
betreut wird. Das System wurde bereits
Ende der 90er-Jahre entwickelt. Inzwischen hat sich gezeigt, dass seit 17 Jahren
die Häufigkeit nosokomialer Infektionen
nicht weiter gestiegen ist, trotz zunehmender invasiver Fortschritte und einer
steigenden Zahl von Risikopatienten.
GEFAHR DURCH GRAMNEGATIVE ERREGER
Auch die BG Unfallklinik Duisburg nimmt
seit 2004 an mehreren KISS-Modulen teil.
Die sogenannte Surveillance, also die Erfassung der Infektionen, ist die Basis für
einen Vergleich, zum Beispiel mit anderen
Kliniken oder im Zeitverlauf. „Benchmarking ist ein in der Wirtschaft etabliertes Verfahren. Der große Vorteil am KISS
ist, dass es ein validiertes Verfahren ist“,
so Hygienefachkraft und Gesundheitsmanagerin Ute Storm von der BGU Duisburg.
Doch während die Technik Fortschritte macht und das Klinikpersonal
immer weiter dazulernt, entwickeln
sich auch die Gefahren weiter. Inzwischen gilt den MRSA gar nicht mehr
­unbedingt die größte Sorge. „Schlimmer ist, dass die sogenannten gram­
negativen Erreger in letzter Zeit zunehmen“, sagt Storm. „Gegen diese gibt
es so gut wie gar keine wirksamen Anti-
biotika mehr.“ Kliniken können gegen
diese heimtückischen Erreger kaum etwas
tun. „Leider treten diese Resistenzen
immer wieder bei Überführungen aus
Krankenhäusern aus dem Ausland auf –
vor allem aus Südeuropa oder der Türkei“, so Storm. Hier stehen die Krankenhäuser am Ende einer Kette, auf die
sie nur wenig Einfluss haben. „Das
Grundproblem ist der Antibiotika-Missbrauch in vielen Ländern, wo sie oft
schon wegen Kleinigkeiten verschrieben
werden oder sogar ganz frei in der Dro­
gerie erhältlich sind“, so Storm.
BRANDWUNDEN
IM FOKUS
Sehr viel mehr Handlungsmöglichkeiten haben Kliniken bei der Vermeidung
von Infektionen in den Krankenhäusern
selbst. Die BGU Duisburg hat sich hier
vor allem dem Thema Brandwunden gewidmet. Brandverletzte sind besonders
anfällig für Infektionen. Ein Fokus liegt
auf Infektionen der Atemwege. An den
Standorten Duisburg und Hamburg des
Klinikverbundes werden inzwischen
versuchsweise Mundhygiene-Sets ohne
Wasser mit dem Wirkstoff Chlorhexidin
genutzt. So sollen Infektionsrisiken durch
Wasser reduziert werden.
Seit 2010 koordiniert Ute Storm
ein spezielles Projekt zum Benchmarking
„Händehygiene
ist das A und O.“
Therese Köln, leitende Hygienefachkraft
am Unfallkrankenhaus Berlin
der Infektionen bei Schwerbrandver­
letzten im Klinikverbund. Daraus sollen
Handlungsempfehlungen abgeleitet
­werden. Denn anders als bei anderen
Infektionen gibt es bei Brandwunden
bislang noch keine internationalen Behandlungsstandards. Um Fortschritte
zu erzielen, muss auch hier erst einmal
Klarheit geschaffen werden, denn bei
Brandwunden lässt sich besonders schwer
sagen, ob eine Infektion die direkte Folge der Verletzung ist.
ZENTRALE
HÄNDEHYGIENE
Die größte Wirkung gegen vermeidbare
Infektionen hat, da sind sich Fachleute
einig, jedoch eine ganz einfache, scheinbar banale Sache: die Händehygiene.
Wohl mit nichts anderem lassen sich in
Kliniken Menschenleben so einfach und
mit so wenig Kosten retten, wie mit sauberen Händen. „Händehygiene ist das
A und O“, sagt daher Therese Köln, leitende Hygienefachkraft am ukb. Das Per­
sonal wurde geschult und gezielt darauf
angesprochen. „In diesem Jahr liegt der
Schwerpunkt auch bei den Besuchern“,
sagt Köln. Diese seien oft viel zu wenig
sensibilisiert. „Hier kann man mit recht
wenig Aufwand viel erreichen.“
In Krankenhäusern kommt es
zu vielen Kontakten. Einen besonders
stark ausgeprägten Bedarf an Hilfe­
stellungen durch das Personal haben
querschnittgelähmte Patienten. Am
­Zentrum für Rückenmarkverletzte im
ukb wird das Thema Hygiene darum
besonders hoch gehängt.
Auch dem Reinigungspersonal
kommt dabei eine wichtige Rolle zu. Seine Gründlichkeit ist letztlich die Voraussetzung für die Sauberkeit in der Klinik.
Von der Perfektion, mit der medizinische Geräte nach einem ausgeklügelten
Verfahren sterilisiert werden, ist gar
nicht zu reden. Perfekte Sterilisation ist
ohnehin Standard.
EINS | Voneinander lernen 45
46 EINS | Voneinander lernen
Bericht
AUS FEHLERN
LERNEN
Nobody is perfect. Das galt lange Zeit überall, nur nicht
für die Ärzteschaft. Inzwischen hat sich aber auch in
der Medizin die Einsicht durchgesetzt, dass es ohne Fehlerkultur und Qualitätsmanagement nicht geht.
„Patientensicherheit ist gerade in Zeiten gestiegenen Drucks,
schneller Behandlung und höherer Standards ein zentrales
Thema“, sagt Dr. Günther Jonitz, Vorsitzender der Qualitäts­
sicherungsgremien der Bundesärztekammer und Ärztekammerpräsident in Berlin. Kein Krankenhaus könne es sich leisten,
nichts zu diesem Thema zu tun. „Kluge Krankenhäuser haben
darüber hinaus erkannt, dass eine bessere Sicherheitskultur,
also ein offener, konstruktiver und wertschätzender Umgang bei
Fehlern und Beinahefehlern, Schäden und Aufwand reduziert
und darüber hinaus auch andere Reibungsverluste und Organisationsmängel ausgleichen kann“, so Dr. Jonitz.
KOLLEGIALES LERNEN
Die Initiative Qualitätsmedizin (IQM), der alle Kliniken im KUV
bereits seit 2008 als Gründungsmitglieder angehören, bewertet der
Qualitätssicherungsexperte der Bundesärztekammer als eines
der besten Verfahren zur Qualitätsdarlegung und Qualitätsentwicklung im Krankenhaus. „Durch die Routinedaten wird Dokumentationsaufwand reduziert und Transparenz über harte Endpunkte erzeugt“, sagt Dr. Jonitz. Die größte Bedeutung misst er aber
dem Peer-Review-Verfahren bei. Es sei für den Erfolg ausschlaggebend. „Das kollegiale Gespräch vor Ort bringt unmittelbar
wirksame Erkenntnisse – auch für die Peers“, so Dr. Jonitz.
An manchen Stellen im IQM fehlen ihm jedoch noch aussagekräftige Qualitätsindikatoren. „Die Sterblichkeit bei Leistenbruchoperationen ist ein mäßiger Qualitätsindikator. Die Kliniken im KUV können gerade mit ihrer größeren Erfahrung
Vorreiter sein“, sagt Dr. Jonitz. Er verweist auf die „Qualitätsberichterstattung durch D-Arzt und andere Berichte“.
Für die Zukunft der Qualitätssicherung in Krankenhäusern
fordert Dr. Jonitz mehr politische Unterstützung. „Die Politik
muss zeigen, dass sie Interesse an guter Versorgung und an deren Nachweis hat. Das hat sie in der Vergangenheit explizit nicht
gemacht, sogar konkret abgelehnt. Solange die Politik Geld vor
Qualität setzt, ist Qualitätssicherung ein Rudern gegen den
Strom. Es lohnt sich trotzdem“, so das Plädoyer von Dr. Jonitz.
HUNDERTPROZENTIGE
TRANSPARENZ
Prof. Dr. Axel Ekkernkamp, stellvertretender Präsident der IQM und
Ärztlicher Direktor des Unfallkrankenhauses Berlin (ukb) weist
auf drei Vorteile des IQM-Verfahrens hin. Als größten Vorteil wertet er, dass die Ärztinnen und Ärzte keine Extradokumentationen
dafür vornehmen müssen, wie das bei vielen anderen Qualitätsmanagementsystemen der Fall ist. „Der zweite Pluspunkt ist,
dass die Ergebnisse hundertprozentig transparent sind“, sagt
Professor Ekkernkamp. Sie sind im Internet für jedermann nachlesbar. Eine weitere Stärke von IQM sieht Professor Ekkernkamp
im Peer-Review-Verfahren. Dieses Verfahren der kollegialen Fehlerkritik ist inzwischen weit über IQM hinaus etablierte Praxis.
Ekkernkamp verweist darauf, dass Peer-Review-Kurse der Ärztekammern hoffnungslos überbucht sind.
Weil nicht genug externe Peer Reviews angeboten werden,
hat das ukb bereits zwei interne Peer Reviews vorgenommen. In
der Allgemeinchirurgie und in der Neurologie wurde simuliert,
dass externe Peers vor Ort sind. Dabei war auch die Pflege eingebunden. „Dieser interprofessionelle Ansatz bringt hervorragende Ergebnisse“, sagt Professor Ekkernkamp. Peer Reviews
der IQM wurden 2012 unter anderem an den KUV-Standorten
Bochum und Halle vorgenommen.
„Solange die Politik Geld vor
Qualität setzt, ist Qualitätssicherung
ein Rudern gegen den Strom.
Es lohnt sich trotzdem.“
Dr. Günther Jonitz, Vorsitzender der Qualitäts­
sicherungsgremien der Bundesärztekammer
und ­Ä rztekammerpräsident in Berlin
48 EINS | Voneinander lernen
Meldungen
KUV erarbeitet spezifische Murnau entwickelt
Qualitätskennzahlen
eigenes Reha-Zertifikat
Bad Reichenhall
komplett neu zertifiziert
Der KUV arbeitet auf eine spezifische
­Weiterentwicklung von Qualitätskennzahlen hin. Denn allgemeine QM-Systeme
sind selten in der Lage die spezielle Fachexpertise des Klinikverbundes bei der
Schwerverletztenversorgung bis in die
Tiefe darzustellen. „Damit wir unsere
Qualitätsführerschaft besser darstellen
können, streben wir an, spezielle für den
Verbund und die berufsgenossenschaft­
liche Versorgung relevante Qualitätskennzahlen zu entwickeln“, sagt Dr. Beate
Schmucker, KUV-Bereichsleiterin Qualität
und Prozesse. Langfristig ist zudem geplant, dass alle Kliniken des Verbundes
ein einheitliches Risikomanagement einführen. Das sieht schon die Satzung des
KUV vor.
Die BG Klinik für Berufskrankheiten Bad
Reichenhall kann ihre Qualität seit September 2012 mit einem doppelten Zertifikat belegen. Sie wurde für ihr Qualitätsmanagement nach DIN EN ISO 9001:2008
und nach den Qualitätsgrundsätzen der
DEGEMED (Deutsche Gesellschaft für Medizinische Rehabilitation) ausgezeichnet.
Im Vormonat war bereits das Bergmannsheil Bochum erstmals nach dem international anerkannten DIN-Standard zerti­
fiziert worden.
„Wir sind stolz, unseren hohen Anspruch an Qualität mit dem Zertifikat
sichtbar machen zu können. Das Vertrauen unserer Patienten und der Kostenträger ist grundlegend für unsere Arbeit. Die
Zertifizierung gibt ihnen nun ein klares
Zeichen“, so Dr. Wolfgang Raab, Ärztlicher
Direktor in Bad Reichenhall.
Er verwies auch auf die Bedeutung
des Qualitätsmanagements für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die interne Strukturentwicklung in der Klinik:
„Das Qualitätsmanagementsystem zeigt
uns alle Möglichkeiten auf, wie wir die
fachliche Vernetzung unseres Teams und
damit den Erfolg der Klinik auch zukünftig vorantreiben können“, so Dr. Raab.
Die BG Unfallklinik Murnau hat ein eigenes Qualitätsmanagementsystem für die
Rehabilitation entwickelt. Anlass dazu
gab die gesetzliche Forderung nach einer
Zertifizierung für Rehakliniken gemäß den
Vorgaben der Bundesarbeitsgemeinschaft
für Rehabilitation (BAR).
Viele Rehakliniken setzen dabei auf das
Qualitätsmanagementsystem der „Kooperation für Transparenz und Qualität im
Gesundheitswesen (KTQ)“. „Das hat uns
nicht gereicht“, sagt Prof. Dr. Volker Bühren. Die BGU Murnau hat sich in der Folge daran gemacht, die Qualitätsnormen
der DIN ISO 9001:2008 auf den Reha-Bereich anzuwenden. Herausgekommen ist
ein QM-System mit dem Titel „BGU Murnau QM Reha Version 1.1“. „Das ist deutlich
prozessorientierter“, so Professor Bühren.
„Alles ist maximal praxisorientiert“, ergänzt der stellvertretende Geschäftsführer Karl-Heinz Kaufmann. Reha beginne
schließlich schon am Unfallort.
Die Eigenkreation der BG Unfallklinik Murnau erfüllt die gesetzlichen Anforderungen und ist von der BAR anerkannt.
Sämtliche Prozesse wurden gründlich
beschrieben. Am Ende der Entwicklung
stand das Zertifikat. Es wurde im März
2012 verliehen. Das Verfahren steht nun
allen interessierten Rehakliniken und Kliniken mit Reha-Abteilung in Deutschland
zur Verfügung.
EINS | Voneinander lernen 49
Frankfurt für
Alterstraumatologie
aus­gezeichnet
Als dritte Klinik bundesweit ist die BG
Unfallklinik Frankfurt am Main im Juni
2012 in Kooperation mit der Geriatrie des
Agaplesion-Diakonissen-Krankenhauses
Frankfurt nach dem neuen Auditverfahren
„Kompetenz zur Steigerung von Qualität
und Sicherheit in der Alterstraumatologie“
zertifiziert worden. Das Audit hat die Arbeitsgruppe Alterstrauma der Deutschen
Gesellschaft für Unfallchirurgie erarbeitet
und in insgesamt 16 Pilotkliniken erprobt.
Die BGU Frankfurt hat für die wachsende Zahl älterer Patienten eine unfallchirurgisch-orthopädische und medizinisch-geriatrische Mit- und Weiterbehandlung unter Einbeziehung aller erforderlichen pflegerischen, ärztlichen und therapeutischen Kompetenzen implementiert,
um älteren Patientinnen und Patienten
die bestmögliche Versorgung zu bieten.
Für das Zertifikat nahmen die Auditorinnen und Auditoren unter anderem die
interdisziplinäre Zusammenarbeit der Fach­
abteilungen, den Sozialdienst, die Versorgung mit Hilfsmitteln und die Einbeziehung der Angehörigen unter die Lupe.
Besonders positiv bewerteten sie die fachlich hoch qualifizierte interdisziplinäre
Behandlung und Therapie der alterstraumatologischen Patienten. Zudem wurde die
Kooperation mit der Geriatrie als optimal bewertet. So finden auch nach der Verlegung
in das Agaplesion regelmäßig Rücksprachen mit der Unfallchirurgie der BGU statt.
„Durch bestens ausgebildete und motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
sowie die konstruktive Zusammenarbeit
mit der Geriatrie ist die BGU Frankfurt am
Main für den demografischen Wandel
bestens aufgestellt“, so Prof. Dr. Reinhard
Hoffmann, Ärztlicher Direktor und Geschäftsführer der BGU Frankfurt am Main.
ukb erhält neues
Qualitätssiegel für
vorbildliches
Infektionsmanagement
Mit einem neuen Qualitätssiegel des
MRSA-Netzwerks Berlin für die Vorbeugung von Infektionen durch Krankenhauskeime ist das Unfallkrankenhaus
Berlin (ukb) am 7. November 2012 ausgezeichnet worden. „Der Kampf gegen Krankenhauskeime gehört zu den größten medizinischen Herausforderungen unserer
Zeit. Die Entwicklung unseres Pilotprojekts von unverbindlicher Zertifizierung
bis zur Vergabe eines standardisierten
Qualitätssiegels ist dabei ein wichtiger Erfolg“, so Prof. Dr. Julia Seifert, Unfallchirurgin und leitende Oberärztin am ukb.
Gemäß einer Empfehlung der Gesundheitsministerkonferenz der Länder
wurden seit 2010 zahlreiche MRSA-Netzwerke auf Länderebene und darunter eingerichtet. Das lokale MRSA-Netzwerk Marzahn-Hellersdorf von Berlin hat das Siegel
als Pilotprojekt der Qualitätssicherung in
der Klinikhygiene entwickelt. Das ukb wurde in diesem Rahmen bereits 2011 als „Aktives Krankenhaus im Netzwerk zur Prävention nosokomialer Infektionen und Anti­biotikaresistenzen in Berlin“ ausgezeichnet.
Das darauf basierende neue Qua­
litätssiegel dokumentiert die strikte Einhaltung hoher Hygienestandards. Dazu
zählen unter anderem die frühzeitige Untersuchung von Risikopatienten auf MRSAKeime, das Patientenmanagement bei
MRSA und das Antibiotika-Management.
Auch regelmäßige Schulungs- und Präventionsmaßnahmen des Krankenhauspersonals und eine ausreichende Zahl
von speziell ausgebildeten Hygienefachkräften sind gefordert. Eine kontinuierliche Datenanalyse und eine aktive Teilnahme am Austausch des MRSA-Netzwerks dürfen ebenfalls nicht fehlen.
Dreifaches KTQ-Siegel
in Halle
Die BG Kliniken Bergmannstrost Halle haben im März 2012 bereits zum dritten Mal
das Krankenhauszertifizierungsverfahren
der „Kooperation für Transparenz und Qualität im Gesundheitswesen (KTQ)“ abgeschlossen, erstmals aber unter Einbeziehung des Rehabilitationsbereiches. Diese
Kombination der Zertifikate können nur
zehn Kliniken in Deutschland vorweisen.
„Das ‚Bergmannstrost‘ hat hier einen Standard etabliert, von dem auch wir als Gesellschaft lernen können“, so die stellvertretende Vorsitzende des KTQ-Gesellschafterausschusses Marie-Luise Müller.
Für die Zertifizierung hat das „Bergmannstrost“ die Bereiche Patientenorientierung, Mitarbeiterorientierung, Sicherheit,
Informationswesen, Führung und Qualitätsmanagement systematisch geprüft.
Besonderes Augenmerk legt der Ärztliche
Direktor Prof. Dr. Gunther Hofmann auf
die interdisziplinäre, fach- und hierarchieübergreifende Zusammenarbeit.
Aber auch das „papierlose Krankenhaus“ mit einer nahezu vollständig di­gita­
len Patientenakte und das gesellschaftliche Engagement bei der Förderung des
Rehabilitations- und Behindertensports
stellten weitere wesentliche Aspekte dar.
Das KTQ-Verfahren ist mit einer
Ausnahme seit 2005 in allen Verbundkliniken eingeführt worden. Halle wurde bereits 2006 erstmals nach KTQ zertifiziert.
„Der Kampf gegen Krankenhauskeime
gehört zu den größten medizinischen
­Herausforderungen unserer Zeit.“
Prof. Dr. Julia Seifert, Unfallchirurgin und leitende
Oberärztin am Unfallkrankenhaus Berlin
50 EINS | Füreinander da sein
BJÖRN BOGDANSKI, 30, HAFENARBEITER
VERLETZUNG: MEHRFACHVERLETZUNGEN AN
UNTERSCHENKEL, UNTERARM UND BECKEN
BG-KLINIK: BG UNFALLKRANKENHAUS HAMBURG
EINS | Füreinander da sein 51
Bildstrecke
ALLES
AUF
ANFANG
Nach einem schweren Unfall gilt: Das Leben geht
weiter, aber nicht immer so wie bisher. Diese
Menschen haben die Rückkehr in den Job gemeistert. Der KUV half ihnen dabei – mit Spitzenmedizin und menschlich.
52 EINS | Füreinander da sein
DANIELA HALBFAS, 43, REITTHERAPEUTIN
V E R L E T ZU N G : D I S TA L E ­R A D I U SF R A K T U R
BG-KLINIK: BG UNFALLAMBULANZ UND
REHAZENTRUM BREMEN
EINS | Füreinander da sein 53
SV E N J A B O N N E B E R G, 36, A LT E N P F L EG E R I N
VERLETZUNG: BÄNDERRISS AM HANDGELENK
BG-KLINIK: UNFALLBEHANDLUNGSSTELLE BERLIN
CHRISTIAN GERG, 42, BAGGERFAHRER
VERLETZUNG: OPERATIVER FINGER­E RSATZ
NACH MITTELHANDAMPUTATION
BG-KLINIK: BG UNFALLKLINIK MURNAU
D R. SIEGHA RD BELOW, 57,
SPORTWISSENSCHAFTLER
VERLETZUNG: TIBIAKOPFFRAKTUR
BG-KLINIK: UNFALLKRANKENHAUS BERLIN
HEIKE FRIEDRICH, 36, SELBSTS TÄ N D I G E P H YS I OT H E R A P E U T I N
VERLETZUNG: UNTERSCHENKELTEILLÄHMUNG NACH KNIEVERLETZUNG
BG-KLINIK: BG UNFALLKLINIK
FRANKFURT AM MAIN
JÖRG MOZER, 44, AUSSENDIENSTMITARBEITER MIT MASCHINENMONTAGE
VERLETZUNG: MEHRFACHFRAKTUREN UND NERVENVERLETZUNGEN
AN HAND, ARM UND BEIN
BG-KLINIK: BG KLINIK TÜBINGEN
Feature
ZURÜCK IN
EINEN NEUEN
ALLTAG
EINS | Füreinander da sein 61
40 Prozent aller Betten für Querschnittverletzte in
Deutschland stehen in berufsgenossenschaftlichen
Kliniken. In deren Kompetenzzentren arbeiten Exper­
tenteams Hand in Hand, um den Patienten zurück in
­einen lebenswerten Alltag zu führen. Bereits auf der
­I ntensivstation beginnt die Rehabilitation.
An einem sonnigen Wintertag auf Teneriffa im Februar 2010
veränderte sich das Leben von Klaus Greif schlagartig. Der
durchtrainierte Fahrradhändler aus Tübingen war auf einer
beruflichen Testfahrt mit einem Mountainbike in den Bergen
der Insel unterwegs. Als er an einem Hang absteigen wollte,
blieb er mit dem Fuß hängen und stürzte kopfüber in eine
Schlucht. „Ich hörte einen Knacks in meiner Wirbelsäule und
fühlte einen elektrischen Schlag, als würde ich in eine Steck­
dose fassen“, erinnert sich der heute 59-Jährige. Als er seine
Beine nicht mehr spürte, wusste Klaus Greif sofort, dass er
querschnittgelähmt war.
Drei endlos lange Stunden dauerte seine Bergung in
dem steilen Gelände. Helfer zogen den Schwerverletzten
schließlich mit einer Seilwinde den Hang hinauf und brachten ihn in ein Krankenhaus auf der Insel. Einen Tag später
wurde Klaus Greif auf Drängen seiner Lebensgefährtin in die
BG Klinik Tübingen geflogen.
Hier begann, was er sein zweites Leben nennt, eines, für
das er „unglaublich dankbar“ ist – dankbar für das, was er
menschlich nach seinem Unfall erlebte, dankbar vor allem
aber auch für die exzellente Versorgung und Therapie in
­Tübingen. Sie hat ihn Schritt für Schritt in den Alltag und
seinen Beruf zurückgeführt. Selbstmitleid ist nicht seine
Art. „Ich habe Glück gehabt“, sagt er stattdessen: „Ich kann
meine Arme noch bewegen.“
Modernste Behandlungsmethoden
Klaus Greif ist einer von rund 2.000 Menschen, die jährlich
in Deutschland eine Querschnittlähmung erleiden. 40 Prozent
der 1.263 Betten, die es hierzulande für die Behandlung von
Querschnittverletzten gibt, stehen im Klinikverbund. Die Häuser des Verbundes sind damit Spitzenreiter bei der medizinischen Versorgung und Reintegration von Unfallverletzten.
62 EINS | Füreinander da sein
In spezialisierten Behandlungszentren versorgen interdiszi­
plinäre Expertenteams Patienten, die durch Unfälle, aber auch
Tumore, angeborene Fehlbildungen oder Entzündungen eine
Querschnittlähmung erlitten haben. Viele der dort eingesetzten
Techniken, Geräte und Materialien sind Innovationen, die
in den Häusern selbst erforscht und entwickelt wurden.
Allein das Querschnittgelähmten-Zentrum am BG Unfallkrankenhaus Hamburg (BUKH) behandelt jährlich rund
200 neue Patientinnen und Patienten und damit etwa zehn
Prozent der in Deutschland jedes Jahr eintretenden Querschnittlähmungen. Das Hamburger Zentrum ist eine Modelleinrichtung der Berufsgenossenschaften und mit seinen
121 Betten nicht nur im Klinikverbund, sondern unter allen
deutschen Kliniken das größte. Der Klinikverbund hat den
Bereich der Wirbelsäulenchirurgie in den vergangenen
Jahren ständig ausgebaut. Dabei wurde das Spektrum der
konservativen und chirurgischen Behandlungsverfahren
kontinuierlich erweitert, zum Beispiel in der Stabilisierung
von Wirbelbrüchen.
Von Kunden und Bekannten wusste Klaus Greif, dass
die BG Klinik Tübingen eine exzellente Adresse für die Versorgung und Betreuung Querschnittgelähmter ist. Er empfand
daher eine „unglaubliche Erleichterung“, als er 30 Stunden
nach seinem Unfall dort ankam, und wusste sich in den besten Händen. „Ab dem Moment habe ich mich entspannt.“ Zunächst wurde seine Wirbelsäule chirurgisch stabilisiert.
Dann begann gleich nach der Operation die Rehabilitation –
ein Ansatz, der den Klinikverbund auszeichnet.
EINS | Füreinander da sein 63
Bereits auf der Intensivstation arbeiten Physiotherapeuten
mit dem frisch verletzten Patienten. Dabei richtet sich die
­Behandlung an den Verletzungen und dem Alter der Betrof­
fenen aus. „Unser oberstes Ziel ist es, jede Patientin und
jeden Patienten so selbstständig wie möglich zu machen“,
sagt Privatdozent Dr. Andreas Badke, der in der Tübinger
­Klinik den Bereich Wirbelsäulenchirurgie leitet. Wenn möglich sollen die Rückenmarkverletzten zurück in ihre gewohnte Umgebung und in den Arbeitsalltag.
Angehörige einbeziehen
Anfangs stehen die Betroffenen vor der großen Herausfor­
derung, die mit der Verletzung einhergehenden enormen Einschränkungen zu akzeptieren. „Für viele Patienten ist es
allerdings schwieriger, damit klarzukommen, dass sie Blase
und Darm nicht kontrollieren können, als dass sie nicht
mehr laufen können“, sagt Patrick Mayer, psychologischer
Psychotherapeut am Unfallkrankenhaus Berlin (ukb). In
­diesen Zeiten sind Psychologen und Seelsorger Ansprechpartner. Ihre Arbeit ist in den berufsgenossenschaftlichen Kli­
niken fest in das stationäre Behandlungskonzept integriert.
In einer ersten Phase kurz nach der Diagnose schützt
häufig eine Art emotionaler Airbag vor einem psychischen
Zusammenbruch. „Viele Patienten setzen plötzlich unglaub­
liche Kräfte frei“, hat Patrick Mayer beobachtet. Es sind eher
die Angehörigen, die in dieser Phase überfordert sind und
Stresssymptome zeigen. Daher werden Angehörige von Beginn an in die Therapie einbezogen. „Vor ihnen liegt ein
­Marathonlauf und wir müssen dafür sorgen, dass sie nicht
ihre gesamte Kraft in die ersten Kilometer investieren“, er­
läutert der Psychotherapeut. Das Berliner Behandlungszen­
trum für Rückenmarkverletzte veranstaltet regelmäßig
­Seminare für Patienten und Angehörige, in denen sie Informationen und Unterstützung im Umgang mit der neuen
­Situation erhalten. Ziel ist es körperliche, seelische und
soziale Komplikationen, die ihre Krankheit oder Verletzung mit sich bringt, zu vermeiden oder zu minimieren.
Mobiler als je zuvor
Eine Heilung ihrer Krankheit ist jedoch derzeit nicht in
Sicht. Zahlreiche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
arbeiten an dem Ziel, einen Rückenmarkdefekt zu über­
brücken und dem Patienten die Lähmung zu ersparen. „Hierzu gibt es interessante Ansätze, der große Durchbruch im
­Sinne einer Reparatur des Rückenmarkschadens ist jedoch
noch nicht geglückt“, sagt Prof. Dr. Christian Jürgens, Ärzt­
licher Direktor des BG Unfallkrankenhauses Hamburg.
Zumindest hat sich die Lebensqualität Querschnitt­
gelähmter in den letzten Jahrzehnten erheblich verbessert:
„In der Rehabilitation und den Möglichkeiten der Wieder­
eingliederung haben wir große Fortschritte erzielt“, betont
der Tübinger Arzt Badke. Das Training motorischer Funk­
tionen macht den Patienten heute erheblich mobiler als früher, zudem sind elektronische Hilfen und Assistenzsysteme
weiterentwickelt worden und im Alltag unentbehrlich.
Hand in Hand arbeiten Ärzte, Physio- und Ergotherapeuten, Logopäden, Sozialarbeiter, Psychotherapeuten, Seelsorger, Sporttherapeuten sowie Krankenschwestern und
-pfleger an dem jeweiligen Therapieziel. Sie alle sind speziell
für die Behandlung und Betreuung Querschnittgelähmter
­ausgebildet. In der Physiotherapie werden Muskelkräftigungen, Körperkontrolle und Bewegungsübergänge erarbeitet.
In der Ergotherapie steht das Alltagstraining im Vordergrund:
Fähigkeiten, die verloren gegangen sind, werden durch
neue ersetzt.
Im Rahmen eines Rollstuhltrainings wird der Patient
beispielsweise auf die Hürden des Alltags vorbereitet. Außerhalb der Klinik sind Straßen und Wege nicht so glatt und bar­
rierefrei wie die Krankenhausflure. Klaus Greif erinnert sich:
„Die ersten Wochen in der realen Welt waren wirklich hart.“
„Man muss Geduld haben.“
Doch Schritt für Schritt arbeitete sich der Fahrradhändler
in den Alltag zurück. Am Anfang konnte er nicht aufrecht im
Rollstuhl sitzen und hatte ständig Angst nach vorn zu fallen.
Mit intensiver und dauerhafter Physio- und Ergotherapie schaffte
er es schließlich, seinen Rollstuhl zu beherrschen. „Man muss
Geduld haben“, sagt Klaus Greif. Auch sein Optimismus und
sein Wille halfen bei den sichtbaren Fortschritten. Den Tübinger spornte es an, zu sehen, dass andere Patienten mit ähnlichen Verletzungen nach einigen Monaten Dinge tun konnten,
von denen er kurz nach seinem Unfall noch weit entfernt war.
Das kann ich bald auch – war sein Motto. Und tatsächlich
fuhr er in seinem Rollstuhl schon bald durch den Klinikpark.
Klaus Greif half es in dieser Zeit, dass er offen war und auf
die Kom­petenzen des Teams vertraute. „Ich wusste, das sind
Experten, die ihr Bestes für mich tun.“
In allen Kliniken ist das Sportprogramm ein wichtiger
Baustein der Therapie (siehe Beitrag Seite 66). Auch die Vorbereitung auf den neuen Alltag nach der Klinik nimmt viel
Raum ein. Wer will, kann noch während der Reha-Phase das
Autofahren in speziell umgebauten Fahrzeugen lernen. Der
Sozialdienst berät den Patienten hinsichtlich der häuslichen
Versorgung und meist notwendiger Umbaumaßnahmen,
beispielsweise in Küche und Bad.
Fünf Monate nach seinem Unfall, im Sommer 2010,
konnte Klaus Greif die Klinik verlassen. Er kehrte nicht nur
in seine Wohnung, sondern auch in seine berufliche Selbstständigkeit zurück: in sein Fahrradfachgeschäft „Rad & Tat“,
mit dem er sich vor dem Unfall einen guten Namen in der Radszene und ein gutes Einkommen gesichert hatte. Dort arbeitet
er an drei Tagen pro Woche im Verkauf und gelegentlich auch
in der Werkstatt.
64 EINS | Füreinander da sein
Neues Leben im alten Job
Heute ist Klaus Greif mit seinem „neuen Leben“ sehr zufrieden und steht damit repräsentativ für die Mehrheit: Rund 70
Prozent der Menschen mit einer Querschnittlähmung stufen
ihre Lebensqualität als gut bis sehr gut ein. Klaus Greif genießt den Kontakt zu seinen „tollen Kunden“ und deren positive Rückmeldung. Im Geschäft und in der Werkstatt hilft
ihm ein hydraulischer Rollstuhl, Material und Ware aus Regalen
zu erreichen und mit Kunden quasi auf Augenhöhe zu kommunizieren. Statt früher 60 Stunden arbeitet er nun 35 Stunden
in der Woche. Genau richtig, findet Klaus Greif, seine Arbeit
sei seine beste Ablenkung und Therapie.
Nicht nur die Versorgung in den berufsgenossenschaft­
lichen Kliniken ist anerkannt exzellent, auch die weitere Rehabilitation setzt alles daran, den Patienten möglichst vollständig in einen Arbeitsalltag zurückzuführen – durch umfassende
Therapien, aber auch durch finanzielle Hilfe beim Umbau von
Arbeitsplatz und Wohnung. 300 Meter von seinem Geschäft
entfernt hat sich Klaus Greif vor zwei Jahren gemeinsam mit
seiner Partnerin eine behindertengerechte Wohnung gekauft
und sie seinen Bedürfnissen entsprechend ausgestattet.
Klinik bleibt Ansprechpartnerin
Nach wie vor kommt der Tübinger zweimal in der Woche zur
Physiotherapie in seine Klinik. Die Ärztinnen und Ärzte dort
bleiben für ihn Ansprechpartner in allen medizinischen Fragen. Querschnittgelähmte Patienten benötigen eine lebenslange Nachsorge. Regelmäßige Kontrolluntersuchungen sichern
ihre Lebensqualität und helfen, Komplikationen frühzeitig zu
begegnen. Zum Beispiel leiden viele durch das ununterbrochene Sitzen unter Druckstellen (Dekubitus), die je nach Ausprägung plastisch-chirurgisch behandelt werden müssen.
­Hinzu kommen Blasenfunktionsstörungen und ein erhöhtes
Risiko einer Gallenblasenentzündung oder einer Versteifung
von Gelenken. Chirurgische Eingriffe lindern etliche Symptome,
verhindern können sie sie bislang nicht. „Es existieren heute
bessere Möglichkeiten zur Vermeidung oder Beherrschung typischer Komplikationen als früher. Die Lebenserwartung der
­Betroffenen steigt und trotz zweifellos vorhandener Mängel verbessern sich die Chancen auf Teilhabe am gesellschaftlichen
Leben“, sagt Dr. Roland Thietje, Chefarzt des Querschnittgelähmten-Zentrums am Hamburger Unfallkrankenhaus.
Klaus Greif ist zurück im Leben, wenn auch in einem anderen als zuvor. Der anpackende Tübinger empfindet den neuen
Abschnitt als ein großes Geschenk, eine Art Zugabe nach 56
gesunden Jahren. Früher lief er Marathonstrecken, heute begleitet Klaus Greif manchmal seine Lebensgefährtin, wenn sie
Rennrad fährt, auf seinem umgebauten Rollstuhl mit Handantrieb und 27 Gängen. Ein elektrischer Zusatzantrieb kann die
Leistung seiner Handkurbel um das bis zu Vierfache verstärken.
Damit schafft er bis zu 90 Kilometer am Tag. Klaus Greif hat
sich von seinem Unfall nicht aus der Bahn werfen lassen. Er
ist überzeugt:„Dass es mir heute so gut geht, habe ich zu
­einem guten Teil der Tübinger Klinik zu verdanken.“
„ICH WUSSTE,
DAS SIND
EXPERTEN,
DIE IHR
BESTES FÜR
MICH TUN.“
Klaus Greif,
Patient der BG Klinik Tübingen
66 EINS | Füreinander da sein
Bericht
ERSTE LIGA
Ob Fußballprofi oder Patient in der Rehabilitation: Wer F
­ achkräfte für Sportmedizin und -therapie aus der ersten Liga
sucht, ist in den berufsgenossenschaftlichen Kliniken richtig.
Ein wichtiger Wettkampf naht. Plötzlich meldet sich stechender
Schmerz im Knie. In Momenten wie diesen schrillen bei Profisportlern und ihren Trainern die Alarmglocken. Jetzt kann eine
exzellente medizinische Betreuung karriereentscheidend sein.
Die sportmedizinischen Zentren der berufsgenossenschaftlichen
Kliniken genießen das Vertrauen vieler bekannter Leistungssportlerinnen und -sportler im In- und Ausland und sind deren
feste medizinische Partner.
Dabei ist die Expertise der Mediziner und Therapeuten nicht
nur im Verletzungsfall und bei Komplikationen gefragt, sondern
auch im sportlichen Alltag der Athletinnen und Athleten. Die
Teams in den Kliniken unterstützen und begleiten Profisportler
häufig über viele Jahre. Auch mit professioneller Leistungsdiagnostik helfen sie, sportliche Spitzenleistungen zu erbringen.
SPITZENMEDIZIN FÜR
SPITZENSPORTLER
In der Hauptstadt ist das Unfallkrankenhaus Berlin offizieller
Partner des Olympiastützpunktes Berlin und zahlreicher prominenter Profisportlerinnen und -sportler. Die Mannschaft des
Fußball-Erstligisten Hannover 96 wird von Ärztinnen und Ärzten des BG Unfallkrankenhauses Hamburg betreut. In Duisburg
steht das „Zentrum für Sportmedizin und Sporttraumatologie“
der dortigen BG-Unfallklinik den Fußballern des MSV Duisburg
zur Seite. Und die BG Unfallklinik Frankfurt am Main unterstützt während der Rollstuhlbasketball-EM 2013 in ihrer Stadt
die teilnehmenden Sportlerinnen und Sportler mit Rat und Tat.
Auch auf wissenschaftlicher Ebene spielen die Kliniken
ganz oben mit. Bereits zum neunten Mal veranstaltete das Unfallkrankenhaus Berlin 2012 gemeinsam mit der
Verwaltungs-Berufsgenossenschaft das Symposium Hochleistungssport. Die BG Unfallklinik
EINS | Füreinander da sein 67
Frankfurt am Main wiederum richtet regelmäßig das „Sportmedizinische Forum“ aus. Die Veranstaltungen haben sich zum
Muss für Sportmediziner und zum renommierten Treffpunkt für
Vereinsverantwortliche und Mediziner entwickelt.
SPORTTHERAPIE HILFT
BEI DER REHA
Die positive Kraft der Bewegung nutzen die berufsgenossenschaftlichen Kliniken im Rahmen der Sporttherapie seit vielen
Jahren. In angegliederten Sporthallen und Einrichtungen können
Patientinnen und Patienten im Rahmen der Rehabilitation gemeinsam mit anderen wiedererlernte Fähigkeiten spielerisch testen.
„Sport unterstützt den Rehabilitationsprozess entscheidend.
Er motiviert die Betroffenen nicht nur im Sport selbst, sondern
auch im Leben allgemein”, unterstreicht der Ärztliche Direktor der
BG Unfallklinik Frankfurt am Main, Prof. Dr. Reinhard Hoffmann.
Die Verfahren und Methoden der Sporttherapie im Klinikverbund genießen weltweit hohe Anerkennung. Viele Häuser haben enge Verbindungen zu Interessenverbänden und Sportvereinen. So hat beispielsweise der Deutsche Rollstuhl-Sportverband
(DRS) seinen Sitz im BG Unfallkrankenhaus Hamburg. Gemeinsam führen beide Einrichtungen das Projekt „Rollstuhlsport
macht Schule“ durch, bei dem Schüler und Lehrer für Rollstuhlsport und Inklusion im Sportunterricht sensibilisiert werden.
BEHINDERTE SPORTLER
SIND VORBILDER
Welche große Bedeutung Sport für Menschen mit Behinderungen gewinnen kann, belegen auf eindrucksvolle Weise drei Goldmedaillengewinnerinnen, die zugleich im Klinikverbund tätig
sind: Kirsten Bruhn, Edina Müller und Ilke W
­ yludda.
Die Hallenserin Ilke Wyludda hatte bereits 1996 bei den Olympischen Spielen von Atlanta Gold im Diskuswerfen gewonnen
und ihre Profikarriere seit zehn Jahren beendet, als ihr 2010 das
rechte Bein über dem Knie amputiert werden musste. Sie erhielt
2011 ihre Approbation als Ärztin und arbeitet seitdem in den Berufsgenossenschaftlichen Kliniken Bergmannstrost Halle. Daneben kämpfte sie sich mit Ausdauer und Willenskraft in den
Spitzensport zurück. Der Lohn: ein fünfter Platz im Kugelstoßen
bei den Paralympischen Spielen 2012 in London.
Für die querschnittgelähmte Schwimmerin Kirsten Bruhn
eröffnete der professionelle Behindertensport nach einem Motorradunfall eine neue Lebensperspektive. Sie krönte in London ihre
erfolgreiche Karriere mit einer Goldmedaille. Seit 2013 unterstützt sie die Pressestelle des Unfallkrankenhauses Berlin. „Ich
habe gelernt, mich nicht über meine Behinderung zu definieren,
sondern über das, was ich zu leisten imstande bin“, resümiert die
Spitzensportlerin. Das Kinopublikum kennt die Schwimmerin
durch den Film „Gold – du kannst mehr, als du denkst“, der Kirsten Bruhns Weg zum Olympiasieg einfühlsam nachzeichnet.
In Hamburg inspiriert die Rollstuhlbasketballerin und
Goldmedaillengewinnerin Edina Müller die Stadt und die Patientinnen und Patienten des BG Unfallkrankenhauses Hamburg
gleichermaßen. Edina Müller arbeitet in der Klinik als Trainerin in der Sporttherapie und ist dort ein wichtiges Vorbild, wie
Dr. Roland Thietje, Chefarzt des Querschnittgelähmten-Zentrums
betont: „Sie zeigt unseren Patienten, dass es nach einem schweren Schicksalsschlag weitergehen kann, dass es lohnt zu kämpfen.“ Zugleich zeigen Bruhn, Müller und Wyludda, dass sie sich
im Klinikverbund gut aufgehoben fühlen – als Mitarbeiterinnen
ebenso wie zuvor als Patientinnen.
68 EINS | Zahlen und Fakten/Impressum
Zahlen und Fakten
Die Nachfrage nach dem Versorgungsangebot der BG-Kliniken
nimmt stetig zu. Weitere Leistungszahlen des Klinikverbundes
auf einen Blick:
101.177.978
91.920
Euro wurden 2012 in Bauprojekte,
Forschung, Medizintechnik und
Ausstattung ­investiert.
stationäre und 16.012 ambulante
Ope­rationen wurden 2012 in den
Kliniken des KUV durchgeführt.
4.507
87%
Planbetten wurden im Jahr 2012 in
den BG-Kliniken vorgehalten.
von 2.200 befragten Patienten würden
ihre BG-Klinik weiterempfehlen.
Impressum
HERAUSGEBER
REDAKTION
Klinikverbund der gesetzlichen Unfallversicherung e. V. (KUV)
Friedrichstraße 152
10117 Berlin
Hubert Beyerle, Dr. Petra Krimphove, Angela Mißlbeck,
­Susanne Werner
KOORDINATION UND REDAKTIONELLE
VERANTWORTUNG
Alle Fotos Jan Pauls,
außer Seite 66 und 67: Andreas Joneck, Peter Lindoerfer
und Ralf Kuckuck
Eike Jeske
FOTOGRAFIE
KONZEPTION UND GESTALTUNG
DRUCK
BÜRO WEISS
Königsdruck
Klinikverbund der gesetzlichen
Unfallversicherung e. V. (KUV)
Friedrichstraße 152
10117 Berlin
Telefon:030 330960-200
Telefax:030 330960-222
[email protected]
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