„Wenn der Wurm Drin ist!“ Strategische Entwurmung in Zucht- und Mastbetrieben Parasitenbefall in der Schweinehaltung ist immer noch ein aktuelles Thema. Oftmals steckt der Wurm nicht nur im Tier sondern auch in der Bekämpfung. Die „Wurmkur“ scheint einfach nicht zu wirken. Ein konsequentes Antiparasitenmanagement ist hier gefordert. Die Auswertungen von 2009 des Schlachthofs der Vion in Zeven zeigen einen durchschnittlichen Anteil der Leberbefunde am Schlachtband von 11,5 %. Hatte sich bis 2006 der durchschnittliche Parasitenbefall an nordwestdeutschen Schlachthöfen auf unter 8 % eingependelt, ist er seitdem stetig gestiegen. Eine Ursache könnte in der Umstellung von Fütterungsarzneimitteln auf die direkte Zudosierung des Arzneimittels im Bestand liegen. Denn seit Januar 2006 ist die Herstellung von Fütterungsarzneimitteln nur noch über lizenzierte Mühlen und mit vollem Mehrwertsteuersatz möglich. Die Zudosierung auf dem Hof birgt Fehlerquellen und nicht jedes Tier erhält so die notwendige Wirkstoffmenge. Zudem wird aus Kostengründen oftmals auf die Einstallentwurmung verzichtet. Starker Wurmbefall in der Mast hat Konsequenzen: Futterverwertung verschlechtert sich (bis zu 0,25 kg Futter/kg Zuwachs mehr) Wachstum ist vermindert (18-36 Tage längere Mastdauer, Zunahmen -100g/Tag) Sekundärinfektionen nehmen zu Arzneimittelaufwand steigt Verlustraten steigen Schlachterlöse sinken (Fleisch- und Schlachtkörperqualität vermindert) Leberverwürfe vermehrt Dadurch ergeben sich Mindererlöse von bis zu 6,30 € pro Schlachttier. Aber auch in der Ferkelerzeugung leidet die Zuchtleistung unter Magen-Darm-Würmern. Der Futterverbrauch kann um bis zu 50 kg Futter je Sau und Jahr erhöht sein. Die Fruchtbarkeitsleistung und die Zahl der abgesetzten Ferkel pro Sau sinkt durch schlechtere Rausche, mangelnde Milchleistung und Ferkelverluste. Der Anteil an Kümmerern steigt. Schadwirkungen der Parasiten Die Schadwirkungen der Parasiten fußen auf mehreren Ebenen: mechanisch Zerstörung von Gewebe, Verlegung oder Kompression von Hohlorganen und Gefäßen nutritiv Entzug von Nahrung, Vitaminen, Blut, gestörte Nährstoffaufnahme durch geschädigte Darmzellen toxisch Ausscheidung von giftigen Stoffwechselprodukten immunbiologisch Abwehrmechanismen, allergische Reaktionen Den „Feind“ kennen Beim Schwein spielen folgende Magen Darm Parasiten eine Rolle: 1. Ascaris suum - Spulwurm 2. Oesophagostomum dentatum - Knötchenwurm 3. Trichuris suis - Peitschenwurm 4. Hyostrongylus rubidus - Roter Magenwurm 5. Strongyloides ransomi – Zwergfadenwurm Ascaris suum, der Spulwurm ist der wichtigste Endoparasit in der Schweineproduktion. Die Weibchen werden bis zu 40 cm lang und 5 mm dick und legen täglich ca. 100.000 Eier, die in der Außenwelt bis zu 10 Jahre infektiös sein können. Die Milkspots in der Leber sind ein direkter Indikator für wandernde Spulwurmlarven im Tier. Die Larven verursachen Blutungen und Entzündungen im Lebergewebe. Die bindegewebigen Vernarbungen können sich nach 4-6 Wochen wieder zurückbilden. Nach erneuter Infektion mit Ascaris suum ist die Ausprägung der Milkspots aber umso stärker und dauerhafter. Oesophagostomum dentatum, der Knötchenwurm ist in allen Altersgruppen und Nutzungsrichtungen vorzufinden. Die Infektion verläuft klinisch meist symptomlos. Da der Knötchenwurmbefall mit zunehmendem Alter der Schweine immer stärker wird, sind besonders ältere Sauen betroffen, die Fruchtbarkeitsstörungen zeigen können. Trichuris suis, der Peitschenwurm lebt nur in feuchten, schattigen Freilandausläufen oder unter schlechten Hygienebedingungen, da seine Eier sehr empfindlich gegen Austrocknung sind. Infektionen verlaufen klinisch meist symptomlos. Ebenfalls sehr selten unter modernen Produktionsbedingungen und nur verstärkt in Freilandhaltung kommt der Rote Magenwurm, Hyostrongylus rubidus vor. Er verursacht im Magen knötchenartige Schleimhautveränderungen und saugt Blut. Klinisch treten Abmagerung, Blutarmut und Magengeschwüre auf. Währen der Laktation kommt es zur Aktivierung der im Drüsengewebe ruhenden Larven und somit post Partum zur verstärkten Eiausscheidung. Strongyloides ransomi , der Zwergfadenwurm ist der einzige Darmparasit junger Saugerkel Die Larven ruhen im Unterhautfettgewebe der Sau bis zur Laktation und werden dann mit der Muttermilch von der Ferkeln aufgenommen. Die Ferkel scheiden schon 3 Tage nach der Infektion wieder Eier aus. Die wandernden Larven verursachen Lungenläsionen, so dass es gelegentlich zu Husten kommen kann. Das Leitsymptom ist jedoch gelblich pastöser Durchfall in der zweiten Lebenswoche der Ferkel mit Abmagerung und Blässe. Die in der Außenwelt geschlüpften Larven können aber auch die durch die Haut der Schweine wandern. Quaddeln, Rötung der Haut an Bauch, Brust, Innenschenkel mit Juckreiz sind Anzeichen dafür. Diagnostik und Therapie Für die Diagnostik liefern Schlachtbefunddaten wertvolle Informationen zum Grad des Wurmbefalls im Betrieb. Auch der Nachweis von Magen-Darm- Würmern über Untersuchung von Sammelkotproben ist möglich. Bei Leberbeanstandungen von über 5 % am Schlachthof sollten Entwurmungsmaßnahmen im Bestand forciert werden. Zum Entwurmen gibt es eine Vielzahl von Wirkstoffen, die beim Schwein zugelassen sind. Es gilt hier aber das Wirkspektrum zu beachten. So hat das wasserlösliche Piperazin nur eine Wirkung gegen adulte Spulwürmer nicht aber gegen die Larven und ist nicht ausreichend bei anderen Magen-Darm-Parasiten wirksam. Levamisol ist ebenfalls nur gut in der Wirksamkeit bei Ascaris suum, hier allerdings auch gegen die Larven. Febantel, Fenbendazol, Flubendazol bieten da ein breiteres Wirkspektrum und sind für die Schweineentwurmung über das Futter zu empfehlen. Mit den Wirkstoff Flubendazol u. Fenbendazol ist auch die Trinkwassermedikation möglich. Der Zwergfadenwurm wird aber auch von diesen drei Wirkstoffen nicht ausreichend erfasst. Hier bieten sich Ivermectine an, die gleichzeitig auch Ektoparasiten wie Läuse und Räudemilben abtöten. Die Regel sind Injektionspräparate, die sich zum Teil erheblich in der Wartezeit unterscheiden (56 bis 14 Tage). Mit dem Alfamectin®/Noromectin® steht auch ein verschreibungspflichtiges Ivermectin Präparat zur oralen Verabreichung zur Verfügung. Fahrplan für die Entwurmung 1. Sauen A: Räude frei alle 6 Monate eine Bestandsbehandlung mit Fenbendazol oder Flubendazol über Futter oder über das Trinkwasser B: nicht Räude frei alle 6 Monate eine Bestandsbehandlung mit Ivermectin über Futter oder mit Ivermectin per Injektion Alternativer Entwurmungszeitpunkt: 7-10 Tage vor dem Abferkeln um verstärkte Eiausscheidung und Ansteckung der Ferkel zu unterbinden Aber nicht im gereinigten und desinfizierten Abferkelabteil entwurmen! Die Sauen vor der Einstallung in Abferkelung mit Tierwaschmittel (z.B. Venno Oxygen Spezial) waschen. 2. Jungsauen und Jungeber in der Quarantäne gegen Ekto- und Endoparasiten mit Ivermectin über Futter oder mit Ivermectin per Injektion 3. Aufzuchtferkel Behandlung in der letzten Flatdeckwoche bzw. 8 bis 10 Tage vor Ausstallung mit Fenbendazol oder Flubendazol über Futter oder über das Trinkwasser 4. Mastschweine A: entwurmte Ferkel Einmalige Behandlung mit Ivermectin, Fenbendazol oder Flubendazol über Futter bzw. das Trinkwasser in der Mittelmast B: nicht entwurmte Ferkel → bei Einstallung eine Behandlung mit Ivermectin, Fenbendazol oder Flubendazol über Futter bzw. das Trinkwasser → zweite Entwurmung 5-6 Wochen später (mit 60-65 kg) → dritte Behandlung nach weiteren 5-6 Wochen (bei starkem Druck) Der Abstand der zweiten und dritten Entwurmung errechnet sich aus der Präpatenzzeit von Ascaris suum als Leitparasit. Die Präpatenzzeit ist die Zeitspanne von der Infektion bis zum Ausscheiden von Ei bzw. Larve und beträgt beim Spulwurm 35 bis 42 Tage. Eine Langzeitentwurmung über mindestens 5, besser 10 Tage, ist der Kurzzeitentwurmung (1-4 Tage) immer vorzuziehen, da der Wirkstoff über mehrere Tage im Blut ist. Der Behandlungserfolg ist v.a. bei Trichuris u. Hyostrongylus größer und insbesondere bei Ascaris suum werden auch die Wanderlarven, also die nicht im Darm befindlichen Larven erfasst. Hygiene unverzichtbar Ohne die gründliche Reinigung und Desinfektion mit wurmwirksamen Produkten ist Wurmbekämpfung sinnlos. Dazu sind in der DVG-Liste mehrere Produkte, die allesamt Kresole enthalten, verzeichnet (z.B. Desintec FL-P-garant, Neopredisan, Endosan Forte S). Seit Herbst letzten Jahres gibt es aber auch zwei Komponenten-Systeme, die Viren, Bakterien und Würmer in einem Arbeitsgang erledigen (Ascarosteril A - Kesla Pharma Wolfen GmbH oder Desintec FL-desAllround - AGRAVIS Raiffeisen AG). Schwierig, schwierig… Schwierig wird das Antiparasitenmanagement, wenn der Stall nicht Rein-Raus belegt wird und keine entsprechende Reinigung und Desinfektion stattfindet. Freilandhaltung aber auch nur stundenweiser Auslauf bedingen auf jeden Fall eine höhere Verwurmungsrate als reine Stallhaltung. Auf Teilspalten und in Stroh ist die Reinfektionsgefahr deutlich stärker als auf Vollspalten. Ein weiterer Schwachpunkt ist die fehlende Bekämpfung der Vektoren wie Ratten, Mäuse, Fliegen. Führt das Entwurmungsverfahren dennoch nicht zum Erfolg sind auch Behandlungsintervalle und die Dosierung der „Wurmkur“ noch einmal zu überprüfen. Fazit Leberbefunde haben Signalwirkung! Schadwirkungen (wirtschaftlich) der Parasiten werden oft verkannt! Misserfolge sind meist auf Unterschätzung der flankierenden Maßnahmen zurückzuführen! Ein konsequentes Antiparasitenmanagement ist erforderlich! D. Norden