Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 1 A

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Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
1
A. Einleitung
Die Möglichkeiten der Anwendung von Radionukliden sind
vielfältig. Die Wirkungen ionisierender Strahlung auf den Menschen
können jedoch nachweislich schädlich sein. Ein verantwortbarer
Umgang muss den Nutzen und das Risiko abwägen.
Janus !
1. Allgemeine Gesichtspunkte
Die Anwendung von Radionukliden und der davon ausgehenden
ionisierenden Strahlung hat sich in den Natur- und Lebenswissenschaften als Routinearbeitsmethode durchgesetzt. Die Bedeutung
dieser Arbeitsmethoden beruht auf den folgenden Merkmalen:
- Hohe Nachweisempfindlichkeit ionisierender Strahlung
- Möglichkeit der Markierung
Die Nachweisempfindlichkeit ist für viele hauptsächlich kurzlebige
Radionuklide grundsätzlich größer als die vieler anderer
analytischer Methoden. Nach Lieser [1] „kann man im Prinzip ein
einzelnes radioaktives Atom erkennen, wenn man gerade in dem
Augenblick misst, in dem dieses Atom zerfällt. Im der Praxis muss
allerdings eine größere Anzahl von Atomen vorhanden sein, damit
ein Nachweis des betreffenden Radionuklids möglich ist“. Dabei
spielt die Halbwertszeit des Radionuklids eine wichtige Rolle.
Aktivität A und Halbwertszeit t1/2 sind verknüpft nach:
A=
Tabelle 1:
Quantitativ
nachweisbare Mengen
von Radionukliden
verschiedener
Halbwertszeit
t1/2
bei einer Aktivität
von 1 Bq (nach [1]).
t1/2
1h
1d
1y
105 y
109 y
dN
dt
= λ·N =
ln2
·N
t1/2
Zahl
der mol
Kerne N
5200
8,64·10-21
125000
2,08·10-19
7
4,55·10
7,55·10-17
12
4,55·10
7,55·10-12
4,55·1016
7,55·10-21
2. Offene radioaktive Stoffe
Offene
Stoffe
3
radioaktive
H, 14C, 18F, 32P,
35
45
P,
S,
Ca,
99m
125 131
Tc, I, I
33
Ein weiteres wichtiges Merkmal kernchemischer Methoden ist die
Möglichkeit der Markierung. So werden Radionuklide z.B. 3H, 14C,
32
P, 33P, 35S, 45Ca, 125I heute routinemäßig als radioaktiv markierte
Verbindungen in der Biochemie, der pharmazeutischen Chemie
und der Pharmakologie, der Nuklearmedizin z.B. 18F, 99mTc, 131I der
klinischen Chemie (z. B. Radioassays 125I), der Industrie, der
analytischen Chemie (Isotopenverdünnungs-,
Neutronenaktivierungsanalyse)
eingesetzt.
Sie
werden
gemäß
§3
Strahleschutzverordnung (StrlSchV) als offene radioaktive Stoffe
bezeichnet. Ein weiteres Anwendungsgebiet von Radionuklide ist
die Altersbestimmung (z.B. durch die Radiokohlenstoff-Methode).
Da sich Radionuklide in ihren chemischen und biologischen
Verhalten praktisch nicht von ihren stabilen Isotopen unterscheiden
und die beim radioaktiven Zerfall emittierte ionisierende Strahlung,
in der Regel sehr empfindlich zu detektieren, ist die Anwendung
sehr effizient.
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2
Definition: Offene
radioaktive Stoffe
nach §3 StrlSchV
Nach §3 StrlSchV sind
„a) Stoffe, offene radioaktive: Alle radioaktiven Stoffe mit
Ausnahme der umschlossenen radioaktiven Stoffe;
Definition:
umschlossene
radioaktive Stoffe
nach §3 StrlSchV
b) Stoffe, umschlossene radioaktive:
aa) Radioaktive Stoffe, die ständig von einer allseitig dichten,
festen, inaktiven Hülle umschlossen oder in festen inaktiven Stoffen
ständig so eingebettet sind, dass bei üblicher betriebsmäßiger
Beanspruchung ein Austritt radioaktiver Stoffe mit Sicherheit
verhindert wird; eine Abmessung muss mindestens 0,2 cm
betragen;
bb) Strahlenquellen, hochradioaktive (HRQ): Radioaktive Stoffe
nach Doppelbuchstabe aa, deren Aktivität den Werten der Anlage
III Tabelle 1 Spalte 3a StrlSchV entspricht oder diese überschreitet,
ausgenommen Brennelemente und verfestigte hochradioaktive
Spaltproduktlösungen aus der Aufarbeitung von Kernbrennstoffen;
ständig dichte und feste Transport- oder Lagerbehälter mit
radioaktiven Stoffen sind keine hochradioaktiven Strahlenquellen
3. Umschlossene radioaktive Stoffe
Umschlossene
radioaktive Stoffe
60
Co, 137Cs und 192Ir
Neutronen:
Forensik (NAA)
Prüfstrahler und
andere z.B. 3H, 14C,
63
Ni, 90Sr, 133Ba,
226
Ra, 241Am
Neben den Anwendungen von Radionukliden in offener Form
nutzen umschlossene Strahler die physikalischen Eigenschaften
ionisierender Strahlung wie die große Durchdringungsfähigkeit von
γ-Strahlung durch Materie, das genau bekannte Schwächungsgesetz, die abtötende Wirkung auf maligne Zelle oder
Mikroorganismen sowie die Erzeugung von Ionen in Gasen. Die
Anwendungsgebiete sind vielfältig: Perkutane Strahlentherapie,
Bestrahlung von chirurgischen Instrumenten und Lebensmittel z.B.
Gewürze zum Zwecke der Desinfektion oder die berührungsfreie
Messung der Dicke von Glas, Metall oder Kunststoff. Weitere
industrielle Anwendungen sind die berührungsfreie Messung der
Füllstandshöhe von Behältern von außen sowie die Feuchte von
Rohstoffen bei Ihrer Aufarbeitung, die Grobstrukturanalyse von
Schweißnähten, die Kontrolle der Restwandstärke von sich
abnutzenden Hochofenauskleidungen durch eingebaute Strahler.
Üblich werden als Radionuklide 60Co, 137Cs und 192Ir eingesetzt. Um
den gewünschten Bestrahlungseffekt bei den eben genannten
Anwendungen zu erreichen, müssen die Quellen sehr hohe
Aktivitäten enthalten und werden deshalb hoch radioaktive Quellen
(HRQ) genannt. Die Vorteile dieser Strahlenquellen sind Kleinheit,
Unabhängigkeit der Quelle vom Stromnetz sowie ein definierte
Tiefendosisverteilung der Strahlung. Nachteile sind ständig
notwendiger Strahlenschutz und Aufsicht sowie Kosten der
Entsorgung und Schutz vor Missbrauch.
Neben den HRQ kommen auch umschlossene Strahler mit
niedrigen Aktivitäten zum Einsatz z.B. als Elektronenquellen in
ECD der Gaschromatographen (63Ni), als Prüfstrahler zur
Kalibrierung von Kernstrahlungsmessgeräten (z.B. 3H, 14C, 90Sr,
133
226
Ba,
Ra),
in
Ionisationsrauchmeldern
(241Am),
als
Anregungsquellen
bei
der
Röntgenflouresenz
und
als
Beimengungen von Leuchtstoffen (3H, 147Pm , 232Th).
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
3
4. Neutronen
Neutronenaktivierung und Neutronenstreuung
Neutronen werden bei der Neutronenaktivierungsanalyse (NAA)
zur Bestimmung von Elementen im Ultraspurenbereich
angewendet. Aufgrund ihres Wellencharakters eignen sie sich
auch zu Streuexperimenten an Materialien. Das Spektrum der
Anwendung der Neutronenstreuung ist sehr breit. Es reicht von der
Strukturaufklärung von z.B. YBaCuO mit Neutronenbeugung
(analog zur Röntgenbeugung), über die Verwendung als Sonde zur
Untersuchung von magnetischen Strukturen mit polarisierten
Neutronen,
der
Anwendung
durch
die
Methode
der
Pulverdiffraktion zur Untersuchung kovalenter Effekte von z.B.
Oxiden und Flouriden der Übergangsmetalle,
der TOFSpektroskopie zur Untersuchung der Bewegung von Atomen und
magnetischer Momente im Festkörper, die Untersuchung der
Diffusion von Wasserstoff in Pd durch quasielastische
Neutronenstreuung (QENS) bis hin zur Bestimmung der
Stressverteilung für Legierungen und Kompositwerkstoffe (neutron
strain imaging) und den Biowissenschaften (nicht invasive
Untersuchungen).
Die Bedeutung der Neutronenstreuung für die Chemie umfasst die
Bestimmung von leichten Elementen neben schweren, die
Lokalisierung von H-Brücken und H-Atomen, die Bestimmung der
Position von Elementen ähnlicher Ordnungszahl (∆ Z ≤ 3) und von
Isotopen, die Untersuchung von Tensiden, die Bestimmung der
Orientierung von H2O-Molekülen in der Hydratationssphäre von
gelösten Ionen, die Strukturbestimmung von Biopolymeren,
Bestimmung magnetischer Strukturen, Einsicht in Dynamik von
Molekülen.
5. Röntgenstrahlung
Röntgenstrahlung
Eigenschaften
Ionisation,
Schwächung,
Fluoreszenz,
Beugung,
Absorption
Bei den meisten Anwendungen von Röntgenstrahlung spielt ihre
Durchdringungsfähigkeit und einfache Messbarkeit die
entscheidende Rolle. Neben den klassischen Anwendungen in
Diagnostik und Therapie wird Röntgenstrahlung auch in Forschung
und Industrie angewendet. Dabei werden die Eigenschaften der
Strahlung zur Ionisation, Schwächung Fluoreszenz, Beugung und
Absorption genutzt:
bei der diagnostischen Radiologie
der medizinischen und technischen Radiographie
(Materialprüfung)
der elementspezifischen Fluoreszenz von Röntgenstrahlung bei
Absorption (Röntgenfluoreszenzanalyse in der Chemie)
Strukturspezifische Beugung und Interferenz kohärenter
Röntgenstrahlung an Kristallen bei der Röntgenstrukturanalyse in der Kristallographie
Absorption der Röntgenstrahlung bei der Röntgentherapie und
Röntgenlithographie in der Mikroelektronik. Röntgenstrahlung und
γ-Strahlung sind sich in ihren physikalischen Eigenschaften ähnlich.
Vorteile der Nutzung von Röntgenstrahlung sind die einfache
Verfügbarkeit und Bedienung von Röntgenquellen und deren
unproblematische Entsorgung (keine radioaktiven Abfälle).
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
4
Von Nachteil ist, dass durch die hohe Dosisleistung schnell
Grenzwerte überschritten werden können und die Anlagen gegen
Missbrauch zu schützen sind.
6. Schwerpunkte und Gliederung
Diese Veranstaltung legt den Schwerpunkt auf radiobioanalytische
Arbeitsmethoden. Methoden zur Kernstrahlungsmessung und zur
Radioanalytik sind dabei unverzichtbares Werkzeug zum Nachweis
ionisierender Strahlung und zum Schutz von Mensch und Umwelt
vor den schädlichen Auswirkungen (kurz Strahlenschutz).
Tabelle 2: Ausgewählte Bereiche, in
denen Radioanalytik angewendet
wird.
Bereich
Anwendungszweck
Diagnostik z.B. 99mTc
Therapie, z.B. 131I , 192Ir, 60Co
z.B. Eintritt des Todes (PMI), z.B.
Medizin
Toxikologie, Datierung
(Artenschutz) z.B. 14C, 90Sr, 228Th,
232
Th , 228Ra
Arzneimittelkinetik, z.B. 32P, 14C
Wirkmechanismen, z.B. 3H
Pharmazie, Biochemie
Wirkstoffscrenning, z.B. 125I
Eignung von
Knochenersatzstoffen, 125I
Radioimmunoassay, z.B. 125I
Chemie,
Neutronenakivierungsanalyse
Materialwissenschaften
Neutronenstreuung
Einzelnuklidbestimmung in
Mensch, Umwelt, Materialien, z.B.
3
H, 14C, 41Ca, 55Fe, 63Ni, 60Co,
89
Strahlenschutz
Sr,90Sr, ,99Tc, 129I, 131I, 137Cs, Pu,
Am, Cm
in Materialien z.B. 60Co, 90Sr137Cs,
Pu, Am, Cm
Industrie
Sicherer Betrieb, Zusatz von
Radionuk-liden, z.B. 14C, Th, 241Am,
147
Pm, DU (abgereichertes Uran)
Fachgebiet
Nuklearmedizin
Strahlentherapie
Rechtsmedizin (Forensik)
Pharmakologie
Pharmazeutische Chemie
Arzneinmittelentwicklung
Pharmazeutische
Technologie
Klinische Chemie
Analytische Chemie
Physikalische Chemie
Umgebungsüberwachung
und
Rückbau kerntechnischer
An-lagen,
Inkorporationskontrolle
Rückbau kerntechnischer
Anlagen
Kernenergienutzung,
Leucht-mittel, WIGSchweißen, Rauch-melder,
Dickenmessung,
Verschleiß, Flugzeugbau
Sie werden bei den oben genannten Anwendungen zur
Erfolgskontrolle ebenso eingesetzt wie zum Nachweis, dass die
Grenzwerte der benutzten Strahlenquellen nicht nur für den
Anwender, sondern auch für jede Einzelperson der Bevölkerung
sowie für den Boden, das Wasser und die Luft eingehalten werden.
Dies muss gelten für den Zeitraum der Anwendung aber auch für
die Zukunft. Der Gesetzgeber gibt den Anwendern in verbindlichen
Strahlenschutzvorschriften Regeln vor wie er mit den beiden Seiten
der Radioaktivität wie auch der Neutronen- und der RöntgenStrahlung verantwortungsvoll umgehen kann.
Dabei gelten die
international anerkannten Grundregeln des Strahlenschutzes, die
sich in drei Begriffe zusammenfassen lassen: „Rechtfertigung,
Optimierung und Begrenzung“.
Dem entsprechend sind für die verantwortungsvolle Anwendung
Radiaktivität und ionisierender Strahlung fundierte Kenntnisse über
Arbeitsmethoden, der physikalischen Grundlangen sowie der
rechtlichen Regelungen notwendig, die hier vermittelt werden
sollen. Natürlich muss eine Auswahl getroffen werden, die sich in
folgender Gliederung widerspiegelt:
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
A. Einleitung
1. Allgemeine Gesichtspunkte
2. Offene radioaktive Stoffe
3. Umschlossene radioaktive Stoffe
4. Neutronen
5. Röntgenstrahlung
6. Schwerpunkte und Gliederung
7. Literatur zu Abschnitt A.
B. Erzeugung von Radionukliden und markierten
Verbindungen
1. Produktion in Kernreaktoren
1.1 Neutroneneinfangreaktionen (n, γ)
1.2 Kernspaltung (n,f)-Reaktionen
1.3 Zusammenfassung der Trennungsmethoden
2. Erzeugung in Beschleunigern
3. Radionuklidgeneratoren
4. Markierte Verbindungen
4.1 Markierung durch biochemische Methoden
4.2 Austauschreaktionen
4.3 Spezielle Aspekte der Chemie von Radionukliden
4.4 Radionuklide mit hoher spezifischer Aktivität
4.5 Radiokolloide
4.6 Spurentechniken
4.7 Methoden zur Radionuklidmarkierung von Peptiden und
Proteinen
4.8 Radioaktive Nachweissysteme (Blotverfahren)
5. Literatur zu Abschnitt B.
C. Radioaktivität
1. Stabilität des Atomkerns
2. Naturgesetze des radioaktiven Zerfalls
2.1 Zeitgesetz des radioaktiven Zerfalls
2.2 Statistik des radioaktiven Zerfalls
2.3 Aktivität und Masse
2.4 Bezuggrößen der Aktivität
2.5 Zerfallsreihen
3. Zerfallsarten und Kernstrahlung
3.1 α−Strahlung
3.2 β− Strahlung
3.3 γ− Strahlung
3.4 n −Emission
3.5 Zusammenfassung: Eigenschaften von Kernstrahlung
D. Strahlenexposition
1. Wirkungen
2. Dosisbegriffe
3. Die natürliche Strahlenexposition des Menschen
5
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
E. Rechtliche Grundlagen des Strahlenschutzes
1. Die beiden Seiten der Radioaktivität
2. Entstehung der Strahlenschutzverordnung
3. Die Strahlenschutzverordnung im Rechtssystems
4. Die materiellen Grundlagen für die Strahlenschutz-vorschriften
5. Die Grundzüge der Strahlenschutzverordnung
6. Gefahren durch ionisierende Strahlung
7. Inhaltsübersicht über die Strahlenschutzverordnung
8. Schutzvorschriften und Grenzwerte
9. Dosimetrische Größen und Gewebe- und StrahlenWichtungsfaktoren
9.1 Messgrößen für äußere Strahlung
9.2 Berechnung der Körperdosis
9.3 Werte des Strahlungs-Wichtungsfaktors wR
9.4 Werte des Gewebewichtungsfaktors wT
9.5 Berechnung der Organ- und der effektiven Folgedosis
10. Begriffsbestimmungen (§3 StrlSchV)
11. Literaturverzeichnis zu Abschnitt E
F. Die physikalische Strahlenschutzkontrolle
G. Methoden zur Detektion von Kernstrahlung
1. Einzelnuklidbestimmung
2. Multinuklidbestimmung
3. Physikalischer Wirkungsgrad ηPhys
4. Kalibrierfaktor κ
5. Totzeit tD
6. Methoden der Kernstrahlungsmessung
6.1 Gasgefüllte Detektoren
6.2 Szintillationsdetektoren
6.2.1 Grundlagen
6.2.2 Liquid Scintillation Counting (LSC)
6.2.3 Cerenkov-Counting
6.3 Halbleiterdetektoren
6.4 Auswahl der Detektoren
7. Spektrometrie
8. Detektion von Neutronen
9. Zählunsicherheit
10. Ortsauflösende Detektoren
10.1 Photografische Emulsionen (Autoradiographie)
10.2 Dielektrische Spurdetektoren
11. Isotopenverdünnungsanalyse
11.1 Radioaktiver Ausbeuteträger
11.2 Stabiler Ausbeuteträger
H. Praktischer Teil: Übungen und Praktikum
1. Kontaminationskontrolle und LSC
2. Zerfallsarten und Wechselwirkung mit Materie
3. Sicherer Umgang mit offenen radioaktiven Stoffen
6
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
7
7. Literatur zu Abschnitt A
[1] H. Lieser, Einführung in die Kernchemie, 2. Auflage, Verlag
Chemie, Weinheim, Deerfield Beach, Florida, Basel, 1980.
[2] H. von Phillipsborn, Radioaktivität und Strahlungsmessung,
Hrsg.: Bayerisches Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und
Verbraucherschutz, 8. überarbeitete Auflage, April 2006.
[3] Kiefer, Koelzer, Strahlenschutz, 1988.
[4] E. Sauter, Grundlagen des Strahlenschutzes, Thiemig Verlag,
August 1982.
[5] R. G. Jaeger, Dosimetrie und Strahlenschutz, Georg Thieme
Verlag, Stuttgart, 1959.
[6] H. E. Johns, J. R. Cunningham, The Physics of Radiology, Ed.
Charles C Thomas, Springfield, Illinois, USA, 3. ed., 1969.
[7] Richtlinie 2003/122/EURATOM, Kontrolle hoch radio-aktiver
herrenloser Strahlenquellen, Abl. EU Nr. L. 346 S. 57,
[8] Gesetz zur Kontrolle hochradioaktiver Strahlenquellen, BGBl.
Jahrgang 2005 Teil I, Nr. 49, ausgegeben zu Bonn am 17. August
2005.
[8] Atomgesetz (AtG), BGBl. I, Seite 1565 vom 15. Juli 1985 zuletzt
geändert durch Artikel 8 des Gesetzes vom 6. Januar 2004 (BGBl. I
S. 2)
[9] Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) in der Fassung von BGBl.
I, Seite 1714, 2002 I S 1459 vom 20. Juli 2001 zuletzt geändert
durch Artikel 2 der Verordnung vom 18. Juni 2002 (BGBl. I S.
1869)
[10] Schiwy, Strahleschutzvorsorgegesetz (StrlSchVG), Verlag R.S.
Schulz, aktualisierte Gesetzessammlung.
[11] Verordnung über den Schutz durch Röntgenstrahlung
(Röntgenverordnung RöV) vom 8. Januar 1987 (BGBl.l 1987, S.
114), Neufassung vom 30. April 2003 (BGBl.l 2003, Nr. 17)
[12] Richtlinie für die physikalische Strahlenschutzkontrolle zur
ermittlung der Körperdosis (RiPhyKo), Rundschreiben vom
12.01.2007 RS II 3 – 15530/1 (GMBl 2007, S. 623).
[13] G. F. Knoll, Radiation Detection and Measurement, 1987.
[14] Seelmann-Eggebert, Radioaktivität, 1965.
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
8
B. Erzeugung von Radionukliden und markierten
Verbindungen
Abbildung 1:
Überblick über die
Umwandlungen von
Radionukliden bei
Kernreaktionen
(schraffiert:
Targetkern).
Anzahl der Protonen P = Z
Radionuklide werden in Kernreaktionen erzeugt. Die allgemeine
Gleichung nach der Kernreaktionen formuliert werden:
A (x, y) B
A ist der Targetkern (Ziel)
x ist das Projektil
y ist das Teilchen oder Photon, das emittiert wird
B ist das produzierte Nuklid.
p, 2n
p, n
d, 2n
α, 2n
α, n
α, t
p, γ
d, n
t, n
t, p
d, p
n, γ
t, d
t, p
d, t
n, 2n
γ, n
p,pn
p, α
d, α
n, d
γ, p
n, p
d, 2p
n, α
Anzahl der Neutronen N = A-Z
Abhängig von
den Projektilen
und der
emittierten
Teichen – oder
Photonenstrahl
ung
unterscheidet
man folgende
Typen von
Kernreaktionen.
1. Produktion in Kernreaktoren
Einige Radionuklide werden in Kernreaktoren produziert, da dort
hohe Neutronenflussdichten Φ ≈ 1010 bis 1016 cm-2 s-1 vorliegen. Die
kann durch Neutroneneinfangreaktionen (n, γ) oder durch
Kernspaltung (n,f) geschehen.
(n, γ)-Reaktionen
1.1 Neutroneneinfangreaktionen (n, γ)
Neutroneneinfangreaktionen (n, γ) mit dem Einfangquerschnitt σ
sind Reaktionen des Typs: AZX + n → A+1ZX* + γ
Diese Neutronen wandeln durch Neutroneneinfangreaktionen
stabile Kerne in radioaktive Kerne um. Voraussetzung dafür sind
ausreichend hohe Neutroneneinfangquerschnitte. Die folgende
Tabelle gibt einen Überblick über die neutroneninduzierten
Reaktionen in Kernreaktoren. Durch diese Reaktionen werden
Radionuklide X* gebildet. Die Aktivität A(X*) des Radionuklids X*
nimmt zu nach:
−λ
A(X*) = σ·Φ
Φ·H·m·NA·M-1·(1
1− e−λ·t
)
σ: Neutroneneinfangquerschnitt. Einheit: [σ]= 1 b(arn) = 1·10-24 cm2
Φ: Neutronenflussdichte. Einheit: [Φ] = 1 cm-2·s-1
λ: Zerfallskonstante. Einheit: [λ] = 1 s-1
t: Bestrahlungszeit. Einheit: [t] = 1 s
NA: Avogadro-Konstante. NA= 6,022·1023 mol-1
H: Häufigkeit des bestrahlten Isotops X
m: Masse des Isotops X
M: Atommasse. Einheit: [M] = 1 g·mol-1
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
Tabelle 3: Übersicht
über Neutroneneinfangreaktionen.
Reaktion
(n, γ)
(n, 2n)
Beispiel:
Zerfallsarten der
Produkte
hauptsächlich β−,
+
selten β oder ε
+
hauptsächlich β ,
−
manchmal β
(n, p)
fast immer β−
(n, α)
hauptsächlich β−
(n, f)
Thermische Neutronen: immer β−
Hochenergetische
Neutronen: auch
β+ oder ε
Bemerkungen
allgemein anwendbar, hohe Aus-beuten
mit thermischen Neutronen
stark endoenergetisch; hochenergetische Neutronen (>10 MeV)
erforderlich
meist endoenergetisch (Ausnahme:
14
35
Produktion von C, S), häufig bei
kleinen Massenzahlen (A < 40)
meist endoenergetisch (Ausnahme:
3
7
Produktion von H, Li), hauptsächlich
bei kleinen Massenzahlen
Nuklide mit Atommassen A >90;
233
235
239
Spaltung von U, U und Pu mit
thermischen Neutronen
Bestrahlung von 1 g NaCl mit thermischer Neutronen einer
Neutronenflußdichte von Φ = und1013 cm-2 s-1
Zielisotope
Prozess
n, γ
23
Na
24
Na
n, p
n, α
23
20
Ne
9
F
35
Cl
36
Cl
35
S
32
P
37
Cl
38
Cl
37
S
34
P
Bei der Bestrahlung von 1 g NaCl mit thermischen Neutronen
laufen die folgenden Reaktionen ab:
23
Na (n, γ) 24Na (σ = 0,53 b; t1/2 = 14,96 h)
Cl (n, γ) 36Cl (σ = 0,43 b; t1/2 = 3,0·105 y)
35
Cl (n, p) 35S (σ = 0,4 b; t1/2 = 87,5 d)
37
Cl (n, γ) 3(Cl (σ = 0,43 b; t1/2 = 37,18 min)
35
Bei der Bestrahlungszeit von 24 h erhält man die Aktivitäten:
3,7·1010 Bq 24Na (2,2·1012 Bq/mol)
2,1·104 Bq 36Cl (1,2·106 Bq/mol)
1,1·104 Bq 38Cl (6,4·1010 Bq/mol)
3,0·108 Bq 35S.
Die Werte der erhaltenen Aktivität wie der spezifischen Aktivität
steigen mit steigender Neutronenflußdichte.
Die (n, γ)-Reaktionen führen teilweise zu isomeren (angeregten)
Kernzuständen und teilweise zum Grundzustand so dass
radioaktive Zwischenkerne und die eigentlichen Zerfallsprodukte
gleichzeitig vorliegen.
Beispiele der durch Neutronenreaktionen des Typs (n, γ)
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
erzeugten
Radionuklide des
Elements Jod:
Te (n, γ)
(H = 0,338)
130
131m
β −, γ
β −, γ
IT 1
131
131
Te ―→ Te ―→ I ―→
30 h
25 min
8,02 d
IT 1
β −, γ
β −, γ
128
Te (n, γ) 129mTe ―→ 129Te ―→ 129I ―→
33,6 d
69,6 min
15.700.000
(H = 0,317)
Te (n, γ)
(H = 0,189)
126
(n, p)(n, α)-Reaktionen
127m
10
y
IT 1
β−
127
Te ―→ Te ―→ 127I (stabil)
109 d
9,35 h
Aus obigem Beispiel folgt, dass eine Wartezeit von mehreren
Tagen vor der radiochemischen Trennung günstig ist, um die
Ausbeute von 131I zu steigern.
3
He (n, p) 3H (σ = 5327 b; t1/2 = 12,323 y)
14
N (n, p) 14C (σ = 1,81 b; t1/2 = 5730 y)
6
Li (n, α) 3H (σ = 940 b; t1/2 = 12,323 y)
40
Ca (n, α) 37Ar (σ = 0,0025 b; t1/2 = 35,0 d)
Da die Produktnuklide nicht isotopisch sind, verursacht ihre
Abtrennung aus einem Targetnuklid keine Probleme.
Beispiele:
Einige Radionuklide
können durch (n, p)oder (n, α)Reaktionen mit
thermischen
Neutronen erzeugt
werden z. B.
Erzeugung und
Abtrennung von 3H
Anwendung von
Tritium
(n, f)- Reaktionen
Erzeugung und Abtrennung von 14C:
- Bestrahlungszeit: > 1 Jahr, wegen langer Halbwertszeit von 14C
- Hitze- und strahlungsbeständiges Target (Ziel)
- Nitride wie AlN oder Be2N2
- Nach der Bestrahlung: Erhitzen im Sauerstoffstrom
- 14C wird als 14CO2 freigesetzt und in NaOH-Lösung eingeleitet:
Ba(OH)2 + 14CO2 → Ba14CO3 + H2O
- Die spezifische Aktivität erreicht Werte in der Größenordnung
von 2GBq/mmol)
- Ba14CO3 und 14CO2 werden verwendet zur Präparation einer
großen Vielfalt von 14C-markierten organischen Verbindungen
durch chemische oder biochemische Methoden
- Kurze Synthesewege und hohe Ausbeuten werden bevorzugt,
um die Verluste möglichst gering zu halten
Erzeugung und Abtrennung von 3H:
- Tritium (T = 3H) wird erzeugt durch die Bestrahlung von Lithium
oder lithiumhaltigen Verbindungen
- T ist zu 90% als Gas enthalten und kann zu tritiertem Wasser
T2O oxidiert werden.
- 1Ci = 3,7·1010 Bq T wiegt um 0,104 mg und hat als T2-Gas ein
Volumen von 0,38 cm³ unter normalen Druck und Temperatur.
- in hohen Aktivitäten zur Kernfusion
- in niedrigen Aktivitäten zur Markierung organischer
Verbindungen
1.2 Kernspaltung (n,f)-Reaktionen
Durch Kernspaltung entsteht ein Gemisch verschiedener
Radionuklide (Spaltprodukte), die durch chemische
Reinigungsverfahren abgetrennt werden müssen:
1
IT: Internal Transition, innerer Übergang.
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
Radionuklid
133
11
Reinigungvefahren
Austreiben der Edelgase aus siedender Spaltproduktlösung.
Adsorption an aktiviertem Kohlestoff. Reinigung durch wiederholte
De- und Adsorption.
85
Kr,
90
Sr
Fällung von Sr und Ba als Nitrate aus HNO3. Abtrennung von Sr
und Ba durch Oxalatfällung.
95
Zr
(a) Adsorption auf Silicagel. Elution anderer Spaltprodukte mit
H2SO4/HNO3. Elution von Zr mit 0,5 M Oxalsäure.
(b) Extraktion mit Thenoyltriflouroaceton (TTA) in Benzol.
Rückextraktion mit 2 M HF und Fällung als BaZrF6. Trennung
von Ba als BaSO4.
99
Mo
(a) Adsorption von Mo aus 2 M HNO3 auf Al2O3. Elution mit 1M
NH3. Trennung von I durch Filtration durch frisch gefälltes AgCl.
(b) Extration mit Ether aus 6 MHCl. Rückextraktion in Wasser.
Trennung von anderen Spaltprodukten durch Mitfällung an
Eisen-(III)-hydroxid.
(c) Extration mit organischen Komplexbildnern, gefolgt von
Reinigungsprozedur.
99
Tc
(a) Fällung als Tetraphenylarsenpertechnetat.
(b) Extraktion als Tetraphenylarsenpertechnetat in CHCl3 und
Rückextraktion mit 0,2 M HClO4.
Xe
103
Ru
(a) Oxidation in H2SO4 zu RuO4 und Destillation.
(b) Destillation aus HClO4 in Anwesenheit von NaBiO4.
(c) Extraktion von RuO4 aus saurer Lösung in CCl4. Fällung von
RuO2 mit Methanol.
131
I
(a) Reduktion zu I2. Dampfdestillation. Extraktion in CCl4.
Reinigung durch wiederholte Reduktion und Oxidation.
(b) Trennung von I- oder I2 auf AgCl. Elution mit hypochloritischer
Lösung pH 9.
137
Cs
(a) Extraktion als Cäsiumtetraphenylborat in Amylacetat.
Rückextraktion mit 3 M HCl.
(b) Nach Abtrennung er Alkaliionen, Ru und seltenen Erden,
Fällung von Cs als CsAl(SO4)2.
141
Ce, 144Ce
(a) Extraktion von Ce(IV) aus HNO3 mit Tributhylphosphat oder
Di(2-ethylhexyl)phosphat.
(b) Fällung von Ce(IV) aus CeHIO6.
140
Ba
Fällung als BaCl2·H2O mit einer Mischung als conc. HCl und Ether
(5:1). Reinigung durch wiederholte Fällung.
147
Pm
Trennung der seltenen Erdenfraktion auf einem
Kationenaustauscher. Elution mit Milchsäure steigendr
Konzentration (0,85 bis 1,0 M) bei pH3 und rund 80°C.
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
12
1.3 Zusammenfassung der Trennungsmethoden
Tabelle
4: Trennungsmethoden
Tabelle 7: Trennungsmethoden.
Trennungsmethode
Kristallisation
Beispiel
Trennung von
von BaCl2
Fällung, bzw.
Mitfällung
14
Elektrolyse
Po an Cu, Pt, oder Ag
Pu, Am, Th an Fe
Destillation
Trennung von 131I von Te
Verflüchtigung von
Tc als Tc2O7;
32
P als PCl5 im Cl2-Strom
z.B.
Di(2ethylhexyl)phosphorsäure
in
Toluol
zur
Abtrennung des Y von Sr in
HCl saurer Lösung
Wasserhaltige Oxide
z.B. Al2O3·xH2O
226
RaCl2
C als Ba14CO3
Aktinoiden an LaF3
Flüssig-Flüssig-Extraktion
Ionenaustausch
Gaschromatographie (GC)
HPLC bei Flüssigkeiten
Organische Extrationsmittel
an stationärer Phase zur
Aktinoidentrennung
Chromatographie
reversed-phase-extraction
(RPC)
Vorteile
Nachteile
hohe Spezifität
hohe Ausbeuten
hohe Robustheit
hohe Ausbeuten
hohe Robustheit
schnell
große Probenmenge
Dünnschichtpräparation
sehr langsam
sehr aufwändig
hohe Spezifität
einfache Technik
geringe Spezifität
erniedrigt
spez.
Aktivität
begrenzt einsetzbar
langsam
geringe Spezifität
geringe Robustheit
geringe
Probenmengen
begrenzt einsetzbar
begrenzt einsetzbar
Ausbeutenverluste
hohe Spezifität
große Probenmenge
hohe Salzfracht
sehr weit einsetzbar
mittlere Robustheit
org. Lösungsmittel
kann komplex sein
hohe Spezifität
weit einsetzbar
große Robustheit
hohe Spezifität
große Robustheit
Vorteile
von
Ionenaustausch und
Flüssig-FlüssigExtraktion
geringe
Probenmenge
geringe Salzfracht
begrenzt einsetzbar
teuer
Geringe
Probenmenge,
geringe Salzfracht,
geringe Robustheit
2. Erzeugung in Beschleunigern
Teilchenbeschleuniger eröffnen die Möglichkeit einer großen
Vielfalt von Projektilen und verschiedenen Energien. Die am
häufigsten verwendeten Projektile sind Protonen, Deuteronen und
α-Teilchen. Neutronen können indirekt durch Kernreaktionen, γStrahlen durch die Bremsstrahlung in Elektronenbeschleunigern
und schwere in Schwerionenbe-schleunigern erzeugt werden.
Deuteronen werden oft als Projektile bevorzugt, da mit Ihnen relativ
hohe Einfanquerschnitte erzielt werden können. Für die
Anwendung in der nuklearmedizinischen Diagnostik (PET) können
durch Beschleuniger Positronenemitter erzeugt werden:
Tabelle 5:
Erzeugung von Positronenemittern mit
Beschleunigern
Radionuklid
C
11
Halbwertszeit
20,38 min
15
O
2,03 min
18
F
109,7 min
Zerfallsart
β− (99,8%)
(0,96 MeV)
β− (100%)
(1,19 MeV)
β− (97%)
(0,635MeV)
Kernreaktion
14
N (p, α) 11C
11
B (p, n) 11C
10
Be (d, n) 11C
14
N (d, n) 15O
16
O (p, pn) 15O
20
Ne (d, α) 18F
18
O (p, n) 18F
16
O (3He, p) 18F
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
13
3. Radionuklidgeneratoren
Die Anwendung kurzlebiger Radionukliden hat den Vorteil, dass die
Aktivität nach relativ kurzer Zeit verschwindet. Dies ist besonders
wichtig in der Nuklearmedizin. Kurzlebige Radionuklide können
zwar mit Beschleunigern produziert werden, ihr Transport zum
Patienten ist jedoch problematisch. Diese Probleme werden durch
die Anwendung von Radionuklidgeneratoren vermieden, da sie ein
längerlebiges Radionuklid enthalten, von dem ein kurzlebiges
Zerfallsprodukt möglichst einfach abgetrennt werden kann. Nach
jeder Abtrennung steigt die Aktivität des Zerfallsprodukts wieder an
und es kann nach einer Wartezeit wiederholt abgetrennt werden.
Tabelle 6:
Beispiele MutterTochternuklide, die
sich in Radionuklidgeneratoren eignen.
99
Mo/99mTc
Nuklid
72
Zn
68
Ge
90
Sr
99
Mo
Mutternuklid
T1/2
Zerfallsart
46,5 h
β−, γ
270,8 d ε
28,64 y
β−
66,0 h
β−, γ
Nuklid
72
Ga
68
Ga
90
Y
99m
Tc
Tochternuklid
T1/2
Zerfallsart
14,1 h
β−, γ
67,63 m β+, ε, γ
64,1 h
β−,(γ)
6,0 h
IT
Voraussetzung für eine sichere Anwendung ist die hohe
Radionuklidreinheit. Der 99Mo/99mTc-Generator ist der am
häufigsten verwendete Radionuklidgenerator in der Nuklearmedizin
wegen der vorteilhaften Eigenschaften von 99mTc (Halbwertszeit:
6,0 h; IT mit Emission von 141 keV, γ-Quanten). Die Produktion von
99
Mo geschieht entweder durch
Neutronenbestrahlung des Mo (rel. Niedrige spezifische
Aktivität) oder
Spaltung des 235U mit nachfolgender radiochemischer
Reinigung (hohe spezifische Aktivität)
99
1/2
Mo (66,0 h)
0,0
Abbildung 2:
Zerfallsschema des
99
Mo nach ICRP38 [5]
(1/2, 3/2ι
1,1418
3/2
1,004
0,9206
3/2
0,6715
(1/2, 3/2ι
0,5091
5/2
0,1811
(1/2)
0,1426
(7/2)
9/2
0,1405
0,0
99
5
Tc (2,13·10 y)
In der Regel wird es als MoO42- an hydriertem Al2O3 fixiert. Dort ist
es stark gebunden, während 99mTcO4- leicht mit physiologischer
Kochsalzlösung eluiert werden kann.
99
Mo
β−
IT
β−
99m
99
─→
Tc ─→ Tc ─→ 99Ru (stabil)
66,0 h
6,0 h
2,13·105 y
−
β
99
Tc ─→ 99Ru (stabil)
2,13·105 y
Y(99mTc) = 0,876
Y(99Tc) = 0,124
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
14
Es ergeben sich folgende zeitliche Verläufe der Aktivitäten
(Abbildung 3a) und des Verhältnisses der Massen von
99
Tc/99mTc(Abbildung 3b).
99
99m
Mo/ Tc-Generator
Abbildung 3a:
Aktivität gegen die
Zeit.
99mTc
1
99Mo
0,8
A i/A 01
0,6
0,4
0,2
0
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 110 120 130 140
t [h]
99
99m
Mo/ Tc-Generator
5
m ( 9 9 T c )/ m ( 9 9 m T c )
Abbildung 3b:
Verhältnis der
Massen von
99
Tc/99mTc.
4
3
2
1
0
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 110 120 130 140
t [h]
Abbildung a zeigt, dass bereits nach ca. 24 Stunden rund 90% des
99
Mo an 99mTc wieder regeneriert ist. Abbildung b zeigt, dass durch
den Aufbau des 99Tc die Nutzungszeit des Generators zur 99mTcGewinnung begrenzt ist, da 99Tc im Körper ab einer gewissen
Konzentration toxisch wirkt. Der 99mTc/99Mo-Generator ist der am
häufigsten benutzte Radionuklidgenerator in der Medizin wegen
der vorteilhaften Eigenschaften von 99mTc (kurze Halbwertszeit, IT
durch Emission von 141 keV γ−Quanten).
4. Markierte Verbindungen
Markierte Verbindungen sind von großer Bedeutung in der
Nuklearmedizin in Diagnose und Therapie und in der Biochemie
zur Untersuchung von Metabolismen. In der Chemie werden
markierte Verbindungen angewendet, um Reaktionsmechanismen
aufzuklären und um Diffusions- und Transportprozesse zu
untersuchen. Weitere Anwendungen sind die Untersuchung von
Transportprozessen in der Geosphäre, der Biosphäre und
bestimmten Ökosystemen, sowie die Erforschung von Korrosionsund Transportprozessen in Industrieanlagen, in Röhren und
Motoren.
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
15
Organische und anorganische Verbindungen können an
verschiedenen Positionen durch unterschiedliche Radionuklide
markiert werden. Zu diesem Zweck müssen bestimmte Atome
durch isotopische Radionuklide, durch stabile Isotope oder auch
durch nichtisotopische Radionuklide substituiert werden. Es gibt
eine Vielzahl von Möglichkeiten. Bei der Präparation müssen
folgende Parameter berücksichtigt werden:
Art des Nuklids
Position der Markierung (bestimmte Position innerhalb eines
Moleküls oder aller Atome eines bestimmten Elements
insgesamt)
die spezifische Aktivität (Aktivität pro Masseneinheit eines
Elements)
die chemische Reinheit (Anteil der Verbindung in der
gewünschten chemischen Form)
die Radionuklidreinheit (Anteil der gesamten Radioaktivität, die
in dem das spezifizierte Radionuklid vorliegt)
die radiochemische Reinheit (Anteil des Radionuklids, das in
der gewünschten chemischen Form vorliegt und sich in der
spezifizierten Position im Molekül befindet)
Die Auswahl der Parameter hängt von der Anwendung der
markierten Verbindung ab. Markierte Verbindungen können auf
verschiedene Arten präpariert werden:
einfache Verbindungen werden gewonnen durch die Auswahl
geeigneter Targets z.B. 11CO und 11CO2 durch Bestrahlung von
Stickstoff, der Spuren von Sauerstoff enthält, mit Protonen.
chemische Synthese (wird am häufigsten angewendet)
biochemische Methoden, die es ermöglichen, komplexe
organische Verbindungen zu markieren.
Austauschreaktionen,
die
die
Möglichkeit
eröffnen,
Radionuklide oder stabile Nuklide in inaktive Verbindungen
einzufügen.
Rückstoß- und strahlungsinduzierte Markierung
Bei der Synthese von markierten Verbindungen sind folgende
Aspekte zu beachten:
In den meisten Fällen ist die Masse des Radionuklids, die in der
Synthese eingesetzt wird, sehr klein (in der Größenordnung von
einigen Milligramm oder weniger), insbesondere wenn hohe
spezifische Aktivitäten erforderlich sind.
Entsprechende Methoden müssen gewählt werden, um die
Radioaktivität
sicher einzuschließen, z.B. Benutzung von
kleinen geschlossenen Gefäßen.
Zur Abfallminimierung und aus Kostengründen sind möglichst
einfache Reaktionen mit hoher chemischer Ausbeute zu
wählen.
Für
Routinesynthesen
markierter
Verbindungen
wurden
automatisierte Abläufe entwickelt, die eine schnelle, sichere,
reproduzierbare und zuverlässige Produktion ermöglichen. Solche
Prozeduren haben bei der Synthese von Radiopharmazeutika eine
breite Anwendung gefunden. Alle Schritte müssen möglichst
effektiv sein. Zu diesem Zweck ist die Targetpositionierung, die
Kühlung, die Bestrahlung, die Rückführung der Targets nach der
Bestrahlung, die Zugabe der Chemikalien, Temperatur und
Reaktionszeit, Reinigung des Produkts und die Verteilung zur
Anwendung automatisch unter Einsatz von EDV und Robotik
kontrolliert.
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
16
4.1 Markierung durch biochemische Methoden
Die meisten biochemischen Methoden basieren auf der
Assimilierung von 14CO2 durch Pflanzen und der Zufuhr von
markierten Verbindungen zu verschiedenen Arten von
Mikroorganismen oder Tieren. Danach werden die Verbindungen
isoliert, die in den Pflanzen, Mikroorganismen und Tieren
synthetisiert wurden. Auf diese Art werden Glukose, Aminosäuren,
Adenosintriphosphat, Proteine, Alkaloide, Antibiotika, Vitamine und
Hormone mit 14C, 35S oder 32P markiert. Kulturen verschiedener
Mikroorganismen wie Clorella Vulgaris werden angewendet und
genutzt als „Radionuklidfarmen“. Die markierten Verbindungen
sind im Allgemeinen zufällig, d.h. nicht an einer bestimmten
Position markiert.
4.2 Austauschreaktionen
Austauschreaktionen
haben
den
Vorteil,
dass
langen
Synthesewege mit Radionukliden oder Radionuklidverbindungen
vermieden werden. Dies ist von besonderer Bedeutung, wenn die
chemischen ausbeuten der Synthese gering sind. Homogen
Austauschreaktionen können angewendet werden zur Markierung
von halogenhaltigen Verbindungen z.B. RCl + Li36Cl → R36Cl + LiCl
RCl und LiCl werden in polaren organischen Lösungsmitteln gelöst
und der Austausch läuft bei erhöhter Temperatur schnell ab.
Anstatt des isotopischen Austauschs kann auch nichtisotopischer
Austausch angewendet werden z.B. RCl + Li131I → R131I + LiCl
Kurzlebige
Radionuklide
die
Rolle
Trägern
und
von
Mikromengen
radioaktiver
Verbindungen
Tabelle 7: Anzahl der
Atome und Massen
ausgewählter Radionuklide
mit
einer
Aktivität von 10 Bq.
Definition: Träger
4.3 Spezielle Aspekte der Chemie von Radionukliden
Die wichtigsten Aspekte der Chemie kurzlebiger Radionukliden
sind die Masse der Radionuklide ist klein und die chemischen
Abläufe müssen schnell ablaufen. Die Masse eines Radionuklids
ist proportional zu dessen Halbwertszeit:
M
t1/2
ln2 · NAv
Folgende Tabelle zeigt diese Beziehung für ausgewählte
Radionuklide der Aktivität 10 Bq. Je kürzer die Halbwertszeit, desto
kleiner die Masse. Spuren in der Größenordnung von 10-10 g oder
weniger können in der Regel nur durch ihre Radioaktivität detektiert
werden und erfordern bei der Handhabung besondere
Aufmerksamkeit. Folgende Parameter spielen dabei eine Rolle:
• Die Masse des Radionuklids
• Die Anwesenheit von isotopischen Trägern
• Die Anwesenheit von nicht isotopischen Trägern
m=A
Radionuklide Halbwertszeit Anzahl
Atome
238
U
4,468·109 y
2,0·1018
210
Po
138,38 d
1,7·108
32
P
14,26 d
1,8·107
24
Na
14,96 h
7,7·105
*) falls gelöst in 10 mL
Masse [g]
8,0·10-4
6,0·10-14
9,5·10-16
3,1·10-17
Konzentration
[mol/L]*)
3,4·10-4
2,9·10-14
3,0·10-15
1,3·10-16
Träger sind Elemente oder Verbindungen mit dem Radionuklid
identischen oder sehr ähnlichen chemischen Eigenschaften. In
Bezug auf die Eignung als Träger ist der chemische Zustand
entscheidend. Träger werden häufig hinzugefügt,
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
17
um normales chemisches Verhalten des Radionuklids sicher zu
stellen. Zu diesem Zweck müssen die Träger in denselben
chemischen Zustand wie das Radionuklid gebracht werden. Im
Falle der Radioisotope von stabilen Elementen wie 60Co, 32P und
24
Na sind kleine Mengen (Spuren) dieser Elemente aufgrund ihrer
ubiquitären Verteilung immer vorhanden. Die Massen sind im
Allgemeinen höher als die Massen der kurzlebigen Radionuklide
und die allgegenwärtigen Spuren wirken als isotopische Träger der
kurzlebigen Radionuklide, vorausgesetzt sich befinden sich im
selben chemischen Zustand. Spuren von Elementen oder
Verbindungen anderer Elementen mit ähnlichen chemischen
Eigenschaften können als nicht isotopische Träger für Radionuklide
von stabilen wie instabilen Elementen dienen. Die folgenden
Parameter spielen eine Rolle:
4.4 Radionuklide mit hoher spezifischer Aktivität
In Abwesenheit von stabilen Isotopen ist die spezifische Aktivität
gegeben durch
A
m =
ln2
t1/2
NAv
M
Sogar für langlebige Radionuklide wie 14C (Halbwertszeit: 5730 y)
ist die spezifische Aktivität sehr hoch und die Substanzmasse sehr
gering, falls stabile Isotope abwesend sind.
Beispiel:
1 GBq 14C (≈ 27mCi) hat eine Masse von nur 6,06 mg 14C und eine
spezifische Aktivität von 165 GBq pro g 14C. Wegen der
Anwesenheit von stabilem Kohlenstoff werden in der Praxis
spezifische Aktivitäten von bis zu 100 GBq 14C pro g Kohlenstoff
erhalten.
Die Handhabung von Mikromengen (nichtwägbare Mengen <1 µg)
an Material, die besonders bei kurzlebigen Radionukliden zu
berücksichtigen sind, erfordert spezielle Vorkehrungen, da durch
die Abwesenheit messbarer Mengen an Träger das chemische
Verhalten von Radionuklide von dem der beobachteten
Makrokomponenten abweicht. Diese Aspekte sind von besonderer
Wichtigkeit
bei
Systemen
die
Flüssigkeiten/Festkörper,
Gase/Festkörper oder Flüssigkeit/Flüssigkeit Berührungsflächen
enthalten. Der Prozentsatz der sorbierten Radionuklide an den
Wänden eines Behälters hängt ab von der chemischen Form
(Spezies) des Radionuklids, seiner Konzentration und spezifischen
Aktivität sowie den Eigenschaften des Behältermaterials. Bei hohen
spezifischen Aktivitäten eines Radionuklids in Lösung bietet die
Oberfläche eines Becherglases ein Übermaß an Oberflächensorptionsstellen.
Mehrere
Maßnahmen
können die Sorption
oder Chemisorption
an
Radionukliden
auf Glasoberflächen
unterbinden:
•
•
Hohe Konzentration von H+, um Ionenaustausch und Hydrolyse
zu unterdrücken;
Hoche Konzentration nichtisotopischer Kationen, Anionen oder
andere Substanzen zur Unterdrückung des Ionenaustauschs
und der Adsorption Von Radionukliden;
Hydrophobisation der Glasoberfläche (z.B. durch Behandlung
mit Silikonen), um dem Ionenaustausch und der Chemisorption
vorzubeugen.
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
18
Die Oberflächen von Plastikmaterial, wie Polyethylen, Polypropylen
oder Perspex entfalten keinen Ionenaustausch, aber Adsorption
kann hervorgerufen werden durch besondere Adsorption
organischer Verbindungen einschließlich organischer Komplexe
von Radionukliden.
Radiokolloide
Spurentechniken
4.5 Radiokolloide
Radiokolliode sind kolloidale Formen von Mikromengen
radioaktiver Subtanzen. Radiokolloide können aus wässrigen
Lösungen durch Ultrafitration, Zentrifugation und Elektrophorese
getrennt werden. Sie können mit hoher Sensitivität durch
Autoradiographie detektiert werden. Viele organische Moleküle sind
groß genug, um Kolloide zu bilden. Deshalb werden organische
Kolloide häufig in den Lebenswissenschaften verwendet. Allgemein
werden Radiokolloide auf zwei unterschiedliche Arten gebildet:
Das Radionuklide oder die markierte Verbindung kann ein
intrinsisches Kolloid (Eigenkolloid oder wirkliches Kolloid)
bilden.
Das Radionuklide oder die markierte Verbindung kann an ein
bereits existierendes Kolloid, das als Träger fungiert, angelagert
werden (Fremdkolloid oder Pseudokolloid).
4.6 Spurentechniken
Spurentechniken
umfassen
alle
Methoden,
bei
denen
Mikromengen (Spuren) von Radionukliden oder markierten
Verbindungen zu einem System gegeben werden, um das
Verhalten, den Transport oder die chemische Reaktion eine
bestimmten Elements oder Verbindung in diesem System zu
markieren. Radioaktive Spuren (Tracer) werden bevorzugt genutzt,
weil sie in sehr geringen Konzentrationen mit hoher Empfindlichkeit
(Sensitivität) detektiert und bestimmt werden können wie Tabelle
12 zeigt. Bei einer Messzeit von 10 Minuten und einem
physikalischen Wirkungsgrad von 20% können 10 Bq mit einem
statistischen
Fehler
von
3%
bestimmt
werden.
Die
Grundvoraussetzung für die Anwendbarkeit der Tracertechnik ist,
dass das verwendete Radionuklid in der chemischen Form
eingesetzt werden muss wie die zu untersuchende Spezies. Das
gleiche chemische Verhalten kann angenommen werden im Falle
von istopischen Tracern, soweit Isotopieeffekte ausgeschlossen
werden können. Isotopieeffekte machen sich in der Regel nur bei
leichten Elementen bemerkbar besonders bei Wasserstoff für den
der kinetische und Gleichgewichtsisotopieeffekt berücksichtigt
werden muss bei der Substitution von H durch Deuterium oder
Tritium.
4.7 Methoden zur Radionuklidmarkierung von Peptiden und
Proteinen
Radioimmunoassay
In einigen Bereichen der Biochemie, wie für bestimmte
Bindungsstudien oder Radioimmunoassays, werden Peptide oder
Proteine in vitro radioaktiv markiert und dann quantitativ bestimmt.
Der große Vorteil dieser Methode besteht in der hohen Selektivität
und Sensitivität. So können mittels LSC noch Konzentrationen bis
10-15 mol/L eines mit 125I markierten Peptids oder Proteins
nachgewiesen werden. Für die Markierung kommen vorwiegend
Peptide in Betracht.
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
19
Diese Methode ist unter bestimmten Bedingungen ebenso für
Proteine geeignet. Einen Überblick über die gängige
Markierungsstrategien und Marker gibt die folgende Tabelle.
Tabelle 8:
Übersicht über
häufig angewendete
Methoden zur
radioaktiven
Markierung von
Proteinen (nach
Lottspeich, Zorbas,
Bioanalytik [2]) .
Aminosäurerest Eingeführter
Marker
125 131
Histidin,
I, I
Tyrosin
125 131
Tyrosin
I, I
125 131
Lysin, NI, I
Terminus
14
Lysin, NC, 3H
Terminus
14
Cystein
C, 3H
3
Tyrosin
H
14
jeder Rest
C, 3H
3
Zuckerrest
H
Methode
Cloramn T, Iodo-Beads
Lactoperoxidase
Bolton-Hunter-Reagenz
a) Anhydrid
b) Aldehyd, Borhydrid
Iodessigsäure
Reduktion von 127I
Peptidsythese
Periodat, Borhydrid
Die Wahl des Radionuklids hängt davon ab, welche
Aminosäurereste
modifiziert
werden
können,
welche
Halbwertszeiten für die biologischen Untersuchungen gewünscht
sind, und welche Methode kompatibel mit der biologischen Aktivität
der Peptide oder Proteine ist. Eine häufige Methode ist die Markierung mit 125I (t1/2: 60 Tage) oder, wenn eine kürzere Halbwertszeit
bei höherer spezifischer Aktivität im Bereich von Ci/mmol gewünscht ist, mit 131I (t1/2: 8,02 Tage). Iod ist ein γ-Strahler, was für
die Detektion günstig ist. 14C- oder 3H-Markierungen haben im Vergleich dazu zwei wichtige Vorteile: Zum einen können andere
Aminsäurereste modifiziert werden (Lysin oder Cystein); zum anderen können durch de novo-Synthese
mit zuvor radioaktiv
markierten Aminosäuren chemisch identische Peptide hergestellt
werden. Die Halbewertszeiten von 14C (t1/2: 5730 Jahre) und 3H
(t1/2: 12,34 Jahre) sind jedoch sehr lang und beide sind β−-Strahler.
Im Radioimmunoassay werden bei immunochemischen Reaktionen
Radionuklide
als
Tracer
zur
Isolation
verwendet.
Radioimmunoassay wurde erstmals 1959 von Yalow und Berson
beschrieben und wird seitdem breit angewendet in klinischer
Medizin insbesondere zur Messung von Serumproteinen,
Hormonen, Enzymen, Viren, bakterielle Antigene, Drogen und
anderen Substanzen im Blut, Körperflüssigkeiten oder Geweben.
Nur ein Tropfen Blut ist notwendig. Heute werden jährlich mehr als
10.000.000 Immunoassays allein in den USA durchgeführt. Die
wichtigsten Vorteile dieser Methode sind ihre hohe Sensitivität und
Spezifität. In günstigen Fällen können Mengen bis zu 10-13 g und
Antigenkonzentrationen von 0,5 pg/mL bestimmt werden.
Sonden zur
Nukleinsäureanalytik
4.8 Bestimmung der Basensequenzen von DNA
Die Strategien des sequenzspezifischen Nucleinsäurenachweises
über Sequenzierung oder Hybridisierung spielen markierte
Nucleinsäuren in Form von Oligonucleotiden oder längeren
Nucleinsäuren als Primer oder Hybridisierungssonden eine zentrale
Rolle. Dabei werden sowohl radioaktiv wie auch nicht radioaktiv
markierte Sonden eingesetzt. Radionuklide haben den Vorteil,
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
20
die chemische Struktur und somit die Hybridisierungseigenschaften
der Sonden bei den in der Nucleinsäureanalytik hauptsächlich
verwendeten Isotope 3H, 14C, 32P, 33P, 35S und 125I unverändert
bleibt. Die Basensequenz von DNA wird auf folgende Weise
bestimmt: Die Zellwände werden aufgebrochen und die
doppelsträngige DNA wird denaturiert in Einzelstrangstücke, die
durch Zentrifugation konzentriert werden. Durch Anwendung von
Enzymen werden die Nukleotidketten weiter in kleinere Stücke
zerteilt. Zu diesen werden markierte Verbindungen hinzugefügt die
selektiv an die verschiedenen Fragmente binden. Die
Verbindungen können markiert werden mit Radionuklid wie 3H, 14C
oder 32P. Der ursprüngliche DNA-Strang kann in einem
Klonprozess direkt markiert werden, z.B. mit 32P. Die geklonte
DNA wird dann aufgeschnitten in Fragmenten mit verschiedenen
Restrktionsenzymen. Alle Proben, die man so erhält, werden der
Eletrophorese in einem Gel wie Agarose oder Polyakrylamid
zugeführt, wobei die Fragmente nach ihrer Migrationsgeschwindigkeit separiert werden. Mittels Autoradiographie kann man
charakteristische Bande oder Linien erhalten, die Informationen
über das Individuum enthält, von dem die DNA entnommen wurde.
Bei radioaktiver Markierung erfolgt der Austausch stabiler
natürlicher Isotope durch instabile Isotope - abhängig von der Art
des Isotops – an verschiedenen Positionen von
Nucleosidtriphophaten. Dies bedeutet, dass die
Reaktionsbedingungen für den enzymatischen Einbau markierter
Nucleotide in Hybridisierungssonden und die
Hybridisierungsbedingungen nicht geändert werden müssen. Im
Fall der am häufigsten verwendeten 32P oder 33PPhosphatmarkierung ist die Austauschposition entweder die
α− oder γ−Position der Phosphatreste in 2`-Desoxyribo-, 3`Desoxyribo(Cordycepin)- oder 2`-Ribonucleotiden. Im Fall von 35S
erfolgt der Austausch gegen ein Sauerstoffatom des α-Phosphats.
Markierungspositionen
Abbildung 4:
Strukturformel
Cytosin.
von
NH2
│
C
5
C H
32
Die
P35
oder
SCytosin
markierte
6
C H
1
α-Position
O
N
wird über
homogene
H
Sondermar
kierung durch Polymerasen (z.B. random-primed-Markierung, NickTranslation, Reverse Transkription oder PCR-Amplifikation)
erhalten; die markierte γ-Position durch Übertragung des
markierten γ-Phosphats von ATP auf freie 5`-OH-Sondenenden
(T4-Polynucleo-tidkinase).
Die
wegen
der
geringeren
Streustrahlung und längeren Lebensdauer vorwiegend für in situApplikationen verwendeten 3H-Isotope werden in unterschiedlichen
Positionen, der Basenringgerüste eingeführt. Die Markierung mit
125
I erfolgt an der C5-Position von Cytosin. 14C-Isotope werden
wegen geringer Strahlungsdichte nur nach selten benutzt.
N3
│
C2
4
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
Abbildung 5:
Austauschpositionen für
radioaktive
Markierungen.
A:
A
Purin- oder
Pyrimidinbase
−
−
−
O
O
O
γ│
β│
α│
−
O − P − O − P − O − P − O − CH2
││
││
││
│
O
O
O
│
H
H
Nucleosidtriphosphat.
B:
Positionen der
Basengerüste
1
B
N3
│
C2
R1
4
5
C
H
R1
R3
Pyrimidin
6
1
H
C H
N
N3
│
C2
R1
R2
│
C
O
R2
2`-Desoxyribose
3`-Desoxyribose
Ribose
2
R = H;
R = OH
1
R = OH; R2 = H
R1 = R2 = OH
Tabelle 9:
Charakteristische
Eigenschaften der
Radioisotope zur
Sondenmarkierung.
21
R2
│
C
4
5
C
N
7
8
CH
6
1
N
C
Purin
9
N
4.8 Radioaktive Nachweissysteme (Blotverfahren)
Für radioaktive Sonden bei Blotverfahren werden meist die beiden
β−-Strahler 32P- oder 35S eingesetzt. 3H ist ebenfalls ein
β−−Strahler, jedoch mit nochmals zehnfach geringerer Emissionsenergie. Wegen der hohen Stabilität und der geringeren
Streustrahlung wird dieses Isotop in situ und für Gewebeschnitte
eingesetzt. 14C wurde früher für TCA-Fällungen verwendet. In folgender Tabelle sind die Kenndaten der zur Sondenmarkierung und
Sequenzierung häufig verwendeten Isotope zusammengefasst.
Isotop Art der
EMax
t1/2
Strahlung [MeV]
3
0,0118 12,3 y
H
β−
Anwendungen
Eigenschaften
in situ
35
FilterHybridisierung
in situ
niedrige Sensitivität
hohe Auflösung
mittlere Sensitivität
gute Auflösung
mittlere Sensitivität
hohe Auflösung
S
125
32
I
P
β−
0,167
87,4 d
γ
β−
β−
0,035
0,035
1,71
60,0 d
14,2 d
höchste
FilterHybridisierung Strahlungsenergie
Sequenzierung höchste Sensitivität
mittlere Auflösung
(Streustrahlung)
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
22
32
P hat die höchste Strahlungsenergie und damit die höchste
Dekontaminationsempfindlichkeit. Jedoch limitieren die sehr kurze
Halbwertszeit und die hohe Streustrahlung beim Einsatz dieses
Radionuklids bei der Sequenzierung und der Analyse komplexer
Fargmentemuster, da die Auflösung nahe zusammenliegender
Banden begrenzt ist. Auch ist die Lesbarkeit von Sequenzgelen
nach oben hin begrenzt. Ist die Sensitivität nicht entscheidend,
aber hohe Auflösung gefordert, werden vorteilhaft 33P- oder 35SIsotope eingesetzt. Beispiele dafür sind die enzymatische
Sequenzierung und die Analyse von DNA- oder RNA.-bindenden
Proteinen über veränderte Wanderungsgeschwindigkeiten der
proteinbeladenden Fragmente in Gelen (gel shift assay).
Neben 3H ist die niedrige Strahlungsintensität von 35S für in situAnwendungen geeignet, wo die begrenzte β−-Emission
entscheidend für die exakte zelluläre Lokalisierung ist.
Radioisotope in Form von Nucleotiden, die an den erforderlichen
Positionen markiert sind, kommerziell erhältlich. Die wässrigen
Lösungen enthalten Stabilisatoren, um die Zerstrahlung der
biologisch aktiven Substanzen zu verhindern. Die Isotope werden
bei -20°C bzw. -70°C gelagert, um den Zerfall zu verlangsamen.
Wegen der fortschreitenden Zerstrahlung und Radikalbildung sollen
radioaktive Nucleotide möglichst rasch eingesetzt werden.
Die Detektion radioaktiver Nucleinsäuren erfolgt in Blotformaten
über Autoradiographie mit Röntgenfilmen, die zur Dokumentation
dauerhaft aufbewahrt werden können.
Es gibt verschiedene Detektionsmöglichkeiten:
• Direkte Autoradiographie: Die strahlende Fläche (Membran,
Gel, Zellrasen oder Gewebsschnitt) wird direkt mit dem
Röntgenfilm in Kontakt gebracht. Diese Methode ist für alle

S
trahler anwendbar; für 3H sind Filme ohne Schutzschichten
notwendig, damit die energiearmen Elektronen in die
photoaktive Schicht eindringen können.
• Flourographie: Die strahlende Fläche wird mit floureszierenden
Chemikalien überschichtet; die die radioaktive
Strahlungsenergie in Floureszenz umwandelt; die
gebräuchlichsten Flourophore sind 2,5-Diphenyloxazol (PPO)
und Natriumsalicylat.
• Indirekte Autoradiographie mit Verstärkungsfolien (intensifyer
screens): Hochenergetische β−−-Strahlung wird durch
Phosphatreste der Verstärkungsfolie absorbiert und in blaues
Licht umgewandelt.
• Flüssige Emulsionen für cytologische oder cytogenetische in
situ-Anwendungen: Die niedrig- bis mittelenergetischen 3Hbzw. 35S-Zerfallsprodukte verlangen direkten Kontakt des
Detektionsmediums; die feste Emulsion wird bei 45°C
verflüssigt und der Objektträger eingetaucht. Nach Trocknen
erfolgt die Exposition bei 4 °C unter Lichtausschluss für Tage
bis zu mehreren Monaten.
• Vorexponierte Röntgenfilme für direkte Autoradiographie und
Fluorographie: Eine kurze Vorexposition aktiviert die SilbersalzKörner, die dann weniger Photonen zur Signaerzeugung
benötigen. Die Voraktivierung kann nur für Fluorographie oder
Verstärkungsfolien (Lichtprozesse) angewandt werden.
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
23
5. Literatur zu Abschnitt B
[1] Karl Heinrich Lieser, Nuclear and Radiochemistry, 2. Edition,
Wiley-VCH, Berlin, 2001
[2] F. Lottspeich, H. Zorbas, Bioanalytik, Spektrum Akademischer
Verlag, Heidelberg, Brlin, 1998.
[3] Glenn F. Knoll, Radiation Detektion and Measurement, 2.
Edition, John Wiley & Sons, New York, 1989.
[4] G. Stöcklin und V. W. Pike, Radiopharmaceuticals for Positron
Emission Tomography, Kluwer Academic Publishers, Dordrecht,
1993.
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
24
C. Radioaktivität
1. Stabilität des Atomkerns
Heute sind über einhundert chemische Elemente bekannt. Einen
schnellen Überblick über die Vielfältigkeit ihrer Eigenschaften
erlaubt das Periodensystem. Das Periodensystem der Elemente
wurde im Jahre 1869 von L. Meyer und D. Mendelejeff unabhängig
voneinander aufgestellt, um die verwandtschaftlichen Beziehungen
der Elemente deutlich zu machen. Daneben entdeckte Henri
Becquerel 1896 das Phänomen der Radioaktivität des Elements
Uran (entdeckt von Klaproth 1789). Ab 1898 entdecken Pierre und
Marie Curie weitere radioaktive Elemente und tragen entscheidend
zur Klärung des Phänomens der Radioaktivität bei. Die neu
entdeckten Elemente sind nur in unwägbar geringen Mengen
vorhanden und lassen sich meist nur durch die von ihnen emittierte
ionisierende Strahlung nachweisen. Sie gehören zu den natürlichen
Radionukliden. In einer weiteren Periode wurden die Lücken im
Periodensystem geschlossen (Z = 43 und Z = 61). Diese fehlenden
Elemente konnten künstlich durch Kernreaktionen hergestellt
werden. Sie werden als künstliche Radionuklide bezeichnet. Bei
der Untersuchung der Zerfallsprodukte des Uran und des Thoriums
hatte man 40 verschiedene radioaktive Atomarten mit
unterschiedlichen Halbwertszeiten gefunden. Für die 40 Atomarten
gibt es jedoch nur 12 Plätze im Periodensystem. Soddy schlug
1913 vor, jeweils mehrere dieser Atomarten auf dem gleichen Platz
des Periodensystems unterzubringen. Damit wird der Begriff
Isotop, d. h. "auf dem gleichen Platz" eingeführt. Isotope sind
Atomarten, die sich nur durch ihre Massenzahlen nicht aber durch
ihre chemischen Eigenschaften unterscheiden. Ein weiterer
wichtiger Begriff zur Charakterisierung von Atomarten bzgl.
Ordnungs- oder Massenzahlen ist der Begriff „Nuklid“. Atomkerne
setzen sich aus Neutronen und Protonen, den Nukleonen
zusammen. Die Nukleonen werden durch die Kernkräfte
zusammengehalten. Nuklide sind verschiedene Atomarten, die sich
in ihrer Ordnungszahl Z und ihrer Massenzahl A unterscheiden.
Regeln für die Schreibweise nach einer Empfehlung der
Internationalen Union für Reine und Angewandte Chemie (IUPAC):
A
Z
(Symbol) oder
(Symbol) oder
(Symbol)-A
Radionuklide sind Atomarten mit bestimmten Ordnungs- und
Massenzahlen, die instabil sind und sich unter Aussendung von
ionisierender Strahlung in andere Nuklide umwandeln. Für eine
vollständige Charakterisierung von Radionukliden sind Angaben
über die Art, die Energie und der Emissionswahrscheinlichkeit der
von dem Radionuklid ausgesandten ionisierenden Strahlung
notwendig. Es sind insgesamt 104 verschiedene Elemente mit ca.
1300 Nukliden bekannt. Es gibt 270 stabile Nuklide. Die Stabilität
der Nuklide läßt sich durch das Tröpfchenmodell des Atomkerns
(Bethe-Weizäcker-Formel) erklären.
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
25
2. Naturgesetze des radioaktiven Zerfalls
2.1 Zeitgesetz des radioaktiven Zerfalls
Zeitgesetz
des
radioaktiven Zerfalls
Einheit: [λ] = 1 s-1
Differentielle Form
des Zeitgesetzes
Aktivität
Radioaktivität ist die Eigenschaft von Atomkernen, die sich nahezu
ohne Einfluß von außen, spontan unter Emission von ionisierender
Strahlung in einen niederenergetischen Zustand umwandeln. Man
hat ein Radionuklid mit N instabilen Kernen. Die Wahrscheinlichkeit
dafür, dass ein Kern in der Zeit zwischen t + ∆t zerfällt, ist im
statistischen Mittel λ⋅∆t und unabhängig von t. λ ist die
Zerfallskonstante.
Die Zahl der Zerfälle n beträgt im statistischen Mittel
N⋅λ⋅∆t, wenn N die Anzahl der in zur Zeit t vorhandenen Kerne ist.
- N⋅λ⋅∆t ist zugleich die Abnahme ∆N der Anzahl der instabilen
Kerne in der Probe während des Zeitintervalls ∆t.
∆N = - N⋅λ⋅∆t
Geht man zu infinitesimal kleine Zeitintervallen über dann ist:
dN/dt = A (t) = - N⋅⋅λ
mit A(t): Aktivität zum Zeitpunkt t. Die Aktivität gibt die Zahl der
Kerne an, die pro Zeiteinheit zerfallen.
Einheit: [A]=1 Bq (Becquerel) =1 s-1
Alte Einheit: [A] = 1 Ci (Curie) =3,7⋅1010 Bq.
1 Ci: Aktivität von annähernd 1 g Ra-226 im radioaktiven
Gleichgewicht mit allen Zerfallsprodukten.
Die Integration der obigen Gleichung ergibt das Zeitgesetz des
radioaktiven Zerfalls:
−λ⋅t
N(t) = N0⋅e−λ⋅
oder
Integrale Form des
Zeitgesetzes
−λ⋅t
A(t) = A0⋅e−λ⋅
N0:= N(t=0): Anzahl der Kerne zum Zeitpunkt t =0.
A0:=A(t=0): Aktivität der Probe zum Zeitpunkt t=0.
Beziehung zwischen Zerfallskonstante λ und Halbwertszeit T1/2.
T1/2= ln(2)/λ
λ
Die Halbwertszeit T1/2 ist die Zeit, nach der die Hälfte der in der
Probe enthaltenen Kerne zerfallen ist. Die Halbwertszeit überdeckt
einen sehr weiten Zeitbereich von µs bis > 1021 Jahre (76Ge). Die
mittlere Lebensdauer τ ist die Zeit nach der die Aktivität auf 1/e
(rund 37%) des Anfangswerts A0 abgefallen ist.
Mittlere
Lebensdauer τ
τ = 1/λ
λ ≈ 1,443·T1/2
(
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
26
Abbildung 6:
Relative Abnahme
der Aktivität beim
mononuklearen
Zerfall nach dem
radioaktiven
Zerfallsgesetz.
2.2 Statistik des radioaktiven Zerfalls
Die Häufigkeit zn =λ⋅∆t, dass innerhalb eines Zeitintervalls eine
Anzahl von n Zerfällen auftritt, ist unabhängig von t und folgt der
Poissonverteilung. Bei Z Wiederholungen findet man zn mal die
Zerfälle n innerhalb einer bestimmten Zeit t
mit ν: Mittelwert der Anzahl der Zerfälle
Mit Z =100 und ν = 5, 10, 15 und 20 ergibt die Poissonverteilung
folgenden Kurven der relative Häufigkeit zn gegen die Anzahl der
Zerfälle n.
20
18
ν=
5
10
15
20
16
14
12
zn
Abbildung 7:
Häufig- keit von
Zerfällen gegen die
Anzahl der Zerfälle
n bei verschiedenen
Mittelwerten ν.
10
8
6
4
2
0
0
5
10
15
20
25
30
35
n
Die Standardabweichung ∆n der Zerfälle n um den Mittewert ν ist
bei der Poissonverteilung: ∆n = √ν
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
27
2.3 Aktivität und Masse
Die Aktivität eines Radionuklids ist der Masse der momentan
vorhandenen Kerne proportional:
T1/2·M
m=
A
ln2·NA·h
Dabei bedeuten:
m: Masse des Radionuklids in der Probe
A: Aktivität des Radionuklids in der Probe
T1/2: Halbwertszeit des Radionuklids
M: Atom- bzw. Molekülmasse der Verbindung, in der das
Radionuklid in der Probe vorkommt.
NA: Avogadro-Konstante
h: relative Häufigkeit des Nuklids
Folgende Abbildung zeigt die Massen von Radionukliden mit 1 Bq.
F-18
Tc-99m
I-131
P-32
P-33
I-125
S-35
H-3
Cs-137
Pu-239
Tc-99
K-40
1,E-03
1,E-04
1,E-05
1,E-06
1,E-07
1,E-08
1,E-09
1,E-10
1,E-11
1,E-12
1,E-13
1,E-14
1,E-15
1,E-16
1,E-17
1,E-18
Th-232
1,E-19
Abbildung 8:
Massen von
Radionukliden der
Aktivität 1 Bq.
Masse pro Akti vität [g/Bq]
2.4 Bezuggrößen der Aktivität
Masse:
spezifische Aktivität = Aktivität pro Masse [Bq/g]
Volumen:
Aktivitätskonzentration = Aktivität pro Volumen [Bq/m³]
Fläche:
Oberflächenkontamination = Aktivität pro Fläche [Bq/cm²]
Teilchenzahl:
Aktivität pro Teilchenzahl [Bq/mol] oder [Ci/mol]
Die Größe der Aktivität bedeutet die Angabe der Menge eines
Radionuklids in einer Probe. Der Vergleich mit abgeleiteten
Grenzwerten ermöglicht den Nachweis der Einhaltung bestimmter
Schutzziele im Strahlenschutz. Der Bezug auf die Teilchenzahl
ermöglicht
die
quantitative
Bestimmung
biochemischer
Reaktionsprodukte.
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
Zerfallsreihen
28
2.5 Zerfallsreihen
Zwei oder mehrere Radionuklide wandeln sich gemäß dem
Zeitgesetz des radioaktiven Zerfalls ineinander um. Als Beispiel sei
im Folgenden ein System mit zwei Radionukliden angeführt, wie es
z. B. beim Zerfall des 90Sr auftritt:
Nuklid 1 → Nuklid 2 → Nuklid 3 (stabil)
N2 = λ1/(λ
λ2-λ
λ1)·N1·[1-e-(λλ2-λλ1)·t]
Es gilt: A2 = λ⋅·N2
Α2 = λ2/(λ
λ2-λ
λ1)·A1·[1-e-(λλ2-λλ1)·t]
N1 bzw. N2: Anzahl der Kerne des Nuklids 1 bzw. 2
A1 bzw. A2: Aktivitäten der Nuklide 1 bzw. 2
λ1 bzw. λ 2: Zerfallskonstanten der Nuklide 1 bzw. 2
T1/2,1 bzw. T1/2, 2: Halbwertszeiten der Nuklide 1 bzw. 2
Bestimmte berechenbare Beziehungen zwischen den Aktivitäten
von Mutter- und Tochternuklid werden radioaktives Gleichgewicht
genannt:
Radioaktives
Gleichgewicht
Säkulares
radioaktives
Gleichgewicht
Schreibweise
Transientes
radioaktives
Gleichgewicht
Betrachtet man die Werte der Aktivitäten A1 und A2 zu Zeiten
t >> T1/2, 2 dann gelten folgenden Aussagen, je nach Verhältnis der
Werte der Halbwertszeiten der Nuklide 1 und 2:
T1/2,1 >> T1/2, 2
(7a)
A1 (t >>T1/2, 2) ≈ A1(t)
(7b)
Grundvoraussetzung für die Bestimmung des Kalibierfakors für
Oberflächenkontaminationsmessungen durch Anwendung
des
Flächenkalibrierstrahlers mit 90Sr. 90Sr ist im radioaktiven
Gleichgewicht mit 90Y: 90Sr(90Y).
Transientes radioaktives Gleichgewicht stellt sich ein, wenn gilt:
wenn: T1/2,1 < T1/2, 2 oder T1/2,1 ≈T1/2, 2
Ist T1/2,1 << T1/2, 2, so gilt für t >> T1/2,1 und t >> T1/2, 2:
A2/A1 ≈ λ2/λ1
Kein
radioaktives
Gleichgewicht
Kein radioaktives Gleichgewicht stellt sich ein, wenn gilt:
T1/2,1 < T1/2, 2
Bei mehreren aufeinander folgenden Zerfällen des Typs
Nuklid 1 → Nuklid 2 → Nuklid 3 → .... → Nuklid n (stabil)
Bildet sich eine radioaktive Zerfallsreihe aus. Typische Beispiele
sind die natürlichen Zerfallsreihen beginnend mit 238U, 235U und
232
Th. Es gilt:
dNi/dt = λi-1⋅Ni-1 - λi⋅Ni
Dieses gekoppelte lineare Differentialgleichungsystem kann durch
Summen von Exponentialfunktionen gelöst werden (siehe z.B.
Lieser, Kernchemie). Bei gegebenen Voraussetzungen kann sich
radioaktives Gleichgewicht einstellen.
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
Abbildung 9a:
Die
natürlichen
Zerfallsreihen:
Thorium
232
Ra
β-Zerfall
212
208
212
238
228
Pb
Tl
208
Abbildung 9ba:
Die
natürlichen
Zerfallsreihen:
Uran-Radium
228
α-Zerfall
Th
29
216
Po
212
Po
220
Ra
Pb
Pb
218
Po
214
Po
210
Po
Th
234
Th
β-Zerfall
214
228
Bi
α-Zerfall
U
Th
Ac
224
Rn
232
238
U
234
U
234
Pa
222
Rn
226
230
Ra
Th
214
Bi
210
Pb
210
Bi
206
Pb
Abbildung 9c:
Die natürlichen Zerfallsreihen:
Uran-Aktinium
235
231
α-Zerfall
U
β-Zerfall
211
207
Bi
207
Pb
219
Rn
223
Ra
U
231
Ac
Po
211
Tl
227
215
Pb
235
Th
Pa
227
Th
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
30
3. Zerfallsarten und Kernstrahlung
Beim radioaktiven Zerfall wird ionisierende Strahlung isotrop
emittiert. Diese kann aus elektro-magnetischer Strahlung
(γ−Strahlung) oder elektrisch geladener (α−, β−Strahlung) oder
ungeladener Teilchenstrahlung (z.B. Neutronen n) bestehen. Die
Energie dieser Strahlungen ist so hoch, dass sie bei der
Wechselwirkung mit Material oder dem Gewebe des menschlichen
Körpers Ionen oder Kernreaktionen erzeugen können. Die
Energieverteilung der α− und γ− Strahlung ist diskret, die der
β− und n- Strahlung ist kontinuierlich. α−, β− und γ− Strahlung kann
anhand ihrer charakteristischen Energieverteilung einzelnen
Radionukliden zugeordnet werden. Neutronen werden durch Kernreaktionen oder Kernspaltung erzeugt.
3.1 α−Strahlung
Die Kernreaktion für den α−Zerfall lautet: AZ → A-4(Z -2) + 42He2+.
Zusammenhang zwischen der -Energie E und der Halbwertzeit
t1/2: log t1/2 ∝ E.
Die Energie als Reichweite R in Gasen durch die Geiger-Nutallsche
Regel (1911) beschrieben werden
logλ = a + B·log R,
mit λ: Zerfallskonstanten und A, B: Konstanten.
200
relative Anzahl der β -Teilchen
Abbildung 10:
β−−Strahlung des
147
Pm.
3.2 β−Strahlung
Beim β−Zerfall wird ein Elektron e− oder ein Positron e+ und das
entsprechende Neutrino ν bzw. Antineutrino ν´ durch die
Umwandlung von Nukleonen im Kern nach:
β−: 10n → 11p + 0-1e + 00ν´
β+: 11p → 10n + 0+1e + 00ν
Beim Elektroneneinfang (ec: electron capture) wird aus der
Atomschale ein Elektron eingefangen. Diese Reaktion wird
beschrieben nach ε:
1
0

1
0
1p + -1e → 0n + 0νe
150
100
50
EMax = 227 keV
0
0
50
100
150
200
250
Energie [keV]
Da sich Energie und Impuls auf drei Reaktionspartner verteilt,
werden ist die Energieverteilung des β−Teilchen kontinuierlich
(Abbildung). Es ist Emax = Ee- +En
Zwischen der Maximalenergie Emax und der Zerfallskonstante λ gilt:
log λ= a + b·log Emax
Emax ist charakteristisch für einen β−Strahler.
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
31
3.3 γ −Strahlung
Im Kern ändert ein Nukleon sein Energieniveau, indem es von
einem höher angeregten in eine niedriger angeregten oder dem Grundzustand übergeht. Dabei werden
elektromagnetische Wellen mit diskreter Energie als Photonen (-Quanten) emittiert. Die
Emissionswahrscheinlichkeiten können zwischen 10-5 % und
nahezu 100% liegen.
3.4 n −Emission
Neutronen entstehen aus Kernreaktionen. Eine Möglichkeit der
Produktion von Neutronen ist die induzierte oder die spontane
Kernspaltung (spontaneous fission: sf). Spontane Spaltung ist eine
weitere Art des radioaktiven Zerfalls, die nur bei hohen
Massenzahlen A auftritt. Für 238U ist das Verhältnis der Wahrscheinlichkeit der spontanen Spaltung zu der des α−Zerfalls rund
1:106. Spontane Spaltung kann beschreiben werden nach:
A
Z → A´Z´ + A-A´-1(Z – Z´) + νn + ∆E;
ν (2 – 4) ist die Anzahl der Neutronen und ∆E ist
die bei der Spaltung freiwerdende Energie. Die Energie weist eine
kontinuierliche Verteilung auf. Die freien Neutronen sind
β−− Strahler mit einer Halbwertzeit von 10,6 Minuten und einer
Maximalenergie von 0,78 MeV. Die für die Neutronenaktivierungsanalyse verwendbaren Neutronen müssen auf sehr
niedrige Energien abgebremst werden. Man unterscheidet
Neutronen nach ihren Energien (Tabelle 10).
3.5 Zusammenfassung: Eigenschaften von Kernstrahlung
Tabelle 10:
Eigenschaften von
Kernstrahlung
Strahlung
Art der
Strahlung
α
4
2He
β
e−
Elektron
β+
ec
γ
n
e+
Positron
e−,
RöntgenStrahlung
Photon
[MeV]
2+
1-
2 – 11
0,005 – 3
1+
1-, 0
0,003 – 0,1
0
0,005 – 3
1
n Neutron
thermisch
epithermisch
schnell
ultraschnell
*)
EnergieLadung bereich
0
0 – 0,1
-6
(0,025·10 )
-6
0,1·10 – 0,1
-6
(1·10 )
0,1 – 10
(0,1)
>10 (14)
Reichweit
e
in Luft
einige cm
Abschirmung
durch z.B.
Blatt
Papier
bis mehrere
m
einige cm
Plexiglas
bis einige
dm
unendlich
unendlich
wenige cm
Plexiglas,
Blei
mehrere
cm Blei
Reichweite
*
23 km
146 km
Kombination
- Moderator
- Reflektor
- n-Absorber
- γ−Absorber
46.300 km
550.000 km
Reichweite innerhalb der Halbwertszeit (10,6 Minuten) eines freien
Neutrons.
Bemerkun
g
< 70 µm
häufig
γ−Strahlu
ng
+ e e : 511
keV
RöntgenStrahlung
Schwächung
z.B.
C, H2O
Be
Cd,Gd,Eu
Pb,
Bioschild
(2 m Beton)
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
32
D. Strahlenexposition
Definition nach
§3 StrlSchV:
1. Wirkungen
Ganzkörperexposition ist
die Einwirkung
ionisierender Strahlung
auf den ganzen Körper,
Teilkörperexposition ist
die Einwirkung
ionisierender
Strahlung auf einzelne
Organe, Gewebe oder
Körperteile.
Äußere
Strahlenexposition ist
die Einwirkung
durch Strahlungsquellen
außerhalb des Körpers,
innere
Strahlenexposition ist
die Einwirkung
durch Strahlungsquellen
innerhalb des Körpers
Die Einwirkung ionisierender Strahlung auf den menschlichen
Körper nennt man Strahlenexposition. Befindet sich die Quelle
ionisierender Strahlung im Körper, so spricht man von innerer
Strahlenexposition, befindet sie sich außerhalb spricht man von
äußerer oder externer Strahlenexposition. γ−Strahler können innere
und äußere Strahlenexposition verursachen. Ionisierende
Strahlung ist so energiereich, dass sie, wenn sie Materie trifft, aus
den Atomen oder Molekülen, Elektronen aus dem Atom- bzw.
Molekülverband entfernt und dadurch chemische Veränderungen
erzeugen kann. Die schädliche Wirkung ionisierender Strahlung
verläuft nach folgendem Schema:
Übertragung der Strahlungsenergie auf Atome und Moleküle
⇓
Bildung von chemischen Verbindungen im Körper (z. B. Radikale, Zellgifte)
⇓
Veränderung von Biomolekülen
⇓
Abbildung 11:
Schematische Darstellung der schädlichen
Auswirkungen
ionisierender Strahlung
auf den Menschen
Veränderung des Zellstoffwechsels (Schädigung der Zelle)
Reparatur durch körpereigene Mechanismen
Zelltod
fehlerhaft
fehlerfrei
Krebs, Mißbildungen
Tod des Menschen
bei großer Dosis:
≥ einige Sv
Wirkungen
Kennzeichen
stochastische
Strahlenwirkung
R ≈ 0,054 Sv-1
Kennzeichen
deterministischer
Strahlenwirkung
LD50/30 ≈ 4 Gy
Keine feststellbaren Auswirkungen
bei ≤ 0,4 Sv
Tod des Menschen
keine Auswirkungen
Die Wirkungen der Exposition von ionisierender Strahlung auf den
Menschen unterscheidet man, je nachdem, ob die Eintrittswahrscheinlichkeit oder die Schwere des Schadens durch die Strahlenexposition von der Strahlendosis abhängig ist, zwischen
stochastischer und deterministischer Strahlenwirkung.
Die stochastische Strahlenwirkung ist gekennzeichnet durch:
Keine Dosisschwelle der Eintrittswahrscheinlichkeit
Die Eintrittswahrscheinlichkeit steigt mit steigender (linear)
Dosis an
Die Höhe des Schadens (letale Tumorerkrankung durch die
Strahlenexposition und genetische Schäden bei den
Nachkommen der exponierten Person) ist nicht dosisabhängig
Dosiseinheit ist das Sievert (Sv)
Risikokoeffizient R ≈ 0,054 Sv-1
Die deterministische Strahlenwirkung ist gekennzeichnet durch:
Dosisschwelle der Eintrittswahrscheinlichkeit (rund 0,4 Sv)
Die Eintrittswahrscheinlichkeit oberhalb der Dosisschwelle ist
unabhängig von der Dosis
Die Höhe des Schadens (Blutbildveränderung, Petechien,
Linsentrübung, Übelkeit, Erbreichen, Gaastroinestinales
Syndrom, Haarausfall, Immunschwäche, Lähmung des
zentralen Nervensystems) ist dosisabhängig
Dosiseinheit ist das Gray (1 Gy)
Die letale Dosis, bei der 50% der exponierten Personen
innerhalb von 30 Tagen sterben: LD50/30 ≈ 4 Gy.
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
Tabelle 11: Die
Arten der Strahlenexposition.
33
Unterschiedliche Begriffe der Dosis für Messung und Schutzziel
Quelle (Q)
Abstand Q zu
Körperoberfläche
> 0,1 m
< 10 m
außerhalb Körper
homogen in Luft
*)
ca. 0,001 m
im Körper
*)
Zufuhrpfad
Inhalation
Ingestion
Wundkontamination
Radionuklid Strahlenexposition
α-Strahler
keine
3
H
32
P
extern
γ-Strahler
β-Strahler
β-Submersion
γ-Strahler
γ-Submersion
α-Strahler
keine
3
H
gering
32
P
extern
γ-Strahler
αβγ-Strahler
innere
kritisches
Organ/Gewebe
Haut
Haut, Ganzkörper
Haut
Haut, Ganzkörper
Haut
Haut
Haut, Ganzkörper
abhängig vom Nuklid
Kontamination der Handschuhe
2. Dosisbegriffe
Bewertung
der
Wirkung der Strahlenexposition:
Dosisbegriffe
(Einheiten)
R ≈ 0,054 Sv-1
Inkorporation und
Dosiskoeffizient
Ermittlung
der
Dosis
nach
Inkorporation
Die Einheit
der
Dosiskoeffzienten
ist: [δ] =1 Sv⋅Bq-1
Viele Dosisbegriffe sind gebräuchlich. Die Begriffe unterscheiden
sich prinzipiell nach dem Zweck der Anwendung: Messung oder
Schutzziel. Für die quantitative und einheitliche Beschreibung der
Wirkung von ionisierender Strahlung zur Gewährleistung eines
ausreichenden Schutzes der Einzelperson vor den schädlichen
Auswirkungen ionisierender Strahlung verwendet man die Begriffe
effektive Dosis und die Organ- bzw. Gewebedosis. Die
Strahlenschutzverordnung gibt Grenzwerte für diese Größen an.
Der Begriff „Dosis“
beschreibt das Risiko R, an einer
strahleninduzierten Tumorerkrankung zu sterben und genetische
Schäden bei den Nachkommen zu verursachen (stochastische
Strahlenwirkungen). Die Einheit der Äquivalentdosis ist das mSv
(milliSievert). Man nimmt heute an, dass durch 1 Sv effektiver
Äquivalentdosis ca. 540 tödlich verlaufende Tumorerkrankungen
verursacht werden können, wenn 10000 Personen 1 Sv erhalten.
Bei der Organ- bzw. Gewebedosis wird die Menge der auf das
Gewebe
übertragenen
Energie
(Energiedosis)
ebenso
berücksichtigt, wie die Wirkung verschiedener Arten ionisierender
Strahlung und die unterschiedliche biologische Wirksamkeit auf ein
Organ bzw. Gewebe. Man berücksichtigt 24 Organe bzw. Gewebe.
Bei der Ermittlung der effektiven Dosis werden die Strahlenempfindlichkeiten der Einzelorgane gewichtet.
Die Zufuhr von Radionukliden in den menschlichen Körper wird
Inkorporation genannt. Je nach der Art, wie die Zufuhr zustande
kommt unterscheidet man:
Inhalation: Zufuhr erfolgt mit der Atemluft
Ingestion: Zufuhr mit Nahrung bzw. Trinkwasser
Wundkontamination: Aufnahme durch eine Wunde oder durch
die nicht mehr intakte Haut.
Die für jedes Radionuklid individuell berechneten und tabellierten
Dosiskoeffizienten δ geben für alle Inkorporationspfade an, welche
effektive Äquivalentdosis (bei Erwachsenen für 50 Jahre und bei
Kindern (für 70 Jahre) durch die einmalige Zufuhr eines
Radionuklids der Aktivität 1 Bq verursacht wird. Die effektive
Äquivalentdosis DE bzw. die Organdosis DO ist bei einmaliger
Zufuhr der Aj des Radionuklids j durch den Zufuhrpfad k wie folgt
zu ermitteln: DE = δEjk⋅ Aj bzw. DO = δOjk⋅ Aj
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
34
In der folgenden Tabelle sind einige Dosiskoeffizienten aufgelistet.
Dosiskoeffizienten / Sv/Bq
Nuklid
Inhalation (5µ AMAD)
effektiv
kritisches Organ
δE
δO
effektiv
δE
3
4,1.10-11
enfällt
4,1.10-11
4,2.10-11
14
5,8.10-10
entfällt
5,8.10-10
5,8.10-10
rotes
Knochenmark
rotes
Knochenmark
40
3,0.10-9
U Dickdarm
9,0.10-9
6,2.10-9
U Dickdarm
1,9.10-8
60
1,7.10-8
Lunge
9,6.10-8
3,4.10-9
1,8.10-8
7,7.10-8
Lunge
6,3.10-7
2,8.10-8
U Dickdarm
rotes
Knochenmark
1,7.10-9
U Dickdarm
1,3.10-8
2,7.10-9
U Dickdarm
3,1.10-8
137
6,7.10-9
Uterus
6,9.10-9
1,3.10-8
1,4.10-8
226
2,2.10-6
1,7.10-5
2,8.10-7
228
1,7.10-6
Lunge
Knochenoberfläche
3,6.10-5
6,7.10-7
228
2,5.10-5
2,1.10-4
7,2.10-8
232
2,9.10-5
Lunge
Knochenoberfläche
1,5.10-3
2,2.10-7
235
6,1.10-6
ET Luftwege
6,9.10-5
4,6.10-8
238
5,7.10-6
ET Luftwege
Knochenoberfläche
6,5.10-5
4,4.10-8
1,0.10-3
2,5.10-7
Uterus
Knochenoberfläche
Knochenoberfläche
Knochenoberfläche
Knochenoberfläche
Knochenoberfläche
Knochenoberfläche
Knochenoberfläche
H
Tabelle 12: Dosiskoeffizienten
(auswahl)
C
K
Co
90
90
Sr( Y)
90
Y
Cs
Ra
Ra
Th
Th
U
U
239/240
Pu
Beispiel 1:
Beispiel 2:
3,2.10-5
Ingestion
kritisches Organ
δO
4,1.10-11
5,7.10-10
1,8.10-7
1,2.10-5
2,2.10-5
2,5.10-6
1,2.10-5
7,4.10-7
7,1.10-7
1,8.10-6
Eine Person inkorporiert einmalig 1000 Bq 3H durch Inhalation.
Welche effektive Dosis erhält die Person?
Lösung: DE(3H) = 4,1⋅10-11 Sv/Bq⋅1000 Bq 3H
= 4,1⋅ 10-8 Sv = 41 nSv = 0,041 µSv
Die natürliche Ortsdosisleistung beträgt unter 0,1 µSv/h.
Der ermittelte Dosiswert würde also der natürlichen externen
Strahlenexposition von ca. 35 bis ca. 50 Minuten entsprechen.
Welche effektive Dosis und welche Dosis für das kritische Organ
bzw. Gewebe verursacht die einmalige Inhalation von 1000 Bq
232
Th (ca. 250 mg 232Th)?
Lösung:
Effektive Dosis: DE(232Th) = 2,9⋅10-5 Sv/Bq⋅1000 Bq 232Th
= 2,9⋅10-2 Sv = 29 mSv
für das kritische Organ bzw. Gewebe: Knochenoberfläche
DO(232Th) = 1,5⋅10-3 Sv/Bq⋅1000 Bq 232Th
= 1,5⋅100 Sv = 1500 mSv
Dosisgrenzwerte nach Strahlenschutzverordnung:
Effektive Dosis: 20 mSv/Jahr.
Bewertung: Dosisgrenzwert knapp überschritten.
Organdosis: Knochenoberfläche: 300 mSv/ Jahr.
Bewertung: Dosisgrenzwert weit (Faktor 5) überschritten.
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
35
3. Die natürliche Strahlenexposition des Menschen
Die mittlere jährliche Strahlenexposition des Menschen beträgt ca.
2,4 mSv pro Jahr. Die Hauptanteile der inneren Strahlenexposition
aus natürlichen Quellen sind die Inhalation des 222Rn mit den
Zerfallsprodukten und die Ingestion des 40K. Die Größenordnungen
von typischen Strahlenexpositionen sind:
Abbildung 11: Die
Strahlenexposition
des Menschen.
Quelle: Parlamentsbericht der Bundesregierung:Mittlere
effektive Jahresdosis
durch ionisierende
Strahlung im Jahr
2009 (gemittelt über
die Bevölkerung
Deutschlands)
Im Durchschnitt tragen Erwachsene Personen in Mitteleuropa die
folgenden Aktivitäten an künstlichen und natürlichen Radionukliden
in sich:
Kalium-40
Radionuklide
C-14
Abbildung 12:
Aktivitäten an
künstlichen und
natürlichen
Radionukliden
Rubidium-87
Tritium (H-3)
Blei-210
Polonium-210
Uran-238
Radium-226
sonstige
0
1000
2000
3000
Aktivität in Bq
4000
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
Wichtige
Radionuklide
Zerfall:
(nach ICRP 38)
Strahlenexposition
Beispiel:
Effektive Dosis E
bei
einmaliger
Zufuhr von 1000 Bq
OBT:
E = 4,2·10-8 Sv =
0,000042 mSv
Aktivitätsgrenzwerte
3
H (Tritium)
Halbwertszeit:
Zerfallsart:
Emissionswahrscheinlichkeit:
Mittlere Energie:
Maximale Energie:
Hauptanteil:
Chemische Form: HTO, Gas
Dosiskoeffizient (effektiv):
Strahlenexposition
Effektive Dosis E
bei
einmaliger
Zufuhr von 1000
Bq:
E = 5,8·10-7 Sv =
0,00058 mSv
Aktivitätsgrenzwerte
12, 35 Jahre
β− (keine γ)
Y(β−) = 1 (Bq·s)-1
Ē(β−) ≈ 5,683 keV
Emax(β−) ≈ 20 keV
intern
δE,HTO =1,8·10-11Sv/Bq
δE,Gas =1,8·10-15Sv/Bq
Dosiskoeffizient (Rotes Knochenmark):
δO,HTO =1,8·10-11Sv/Bq
δO,Gas =1,8·10-15Sv/Bq
Dosiskoeffizient (effektiv):
δE
=1,8·10-11Sv/Bq
Dosiskoeffizient (Rotes Knochenmark):
δO
=1,8·10-11Sv/Bq
Chemische Form: OBT (Organic Bound Tritium)
Dosiskoeffizient (effektiv):
δE,OBT =4,1·10-11Sv/Bq
Dosiskoeffizient (Rotes Knochenmark):
δO,OBT =4,1·10-11Sv/Bq
Dosiskoeffizient (effektiv):
δE,OBT =4,2·10-11Sv/Bq
Dosiskoeffizient (Rotes Knochenmark):
δO
=4,1·10-11Sv/Bq
Zufuhrpfad, der maximalen effektiven Dosis: Ingestion von OBT
Uneingeschränkte Freigabe (§29 StrlSchV):
1000 Bq/g
Freigabe Metall (Rezyklierung) (§29 StrlschV):
1000 Bq/g
Oberflächenkontamination (§44 StrlSchV):
100 Bq/cm²
Ableitung von Abwasser (§48 StrlSchV)
HTO, Gas:
1·107 Bq/m³
OBT:
7·106 Bq/m³
Ableitung von Abluft (§48 StrlSchV):
1·102 Bq/m³
14
Zerfall:
(nach ICRP 38)
36
C
Halbwertszeit:
Zerfallsart:
Emissionswahrscheinlichkeit:
Mittlere Energie:
Maximale Energie:
Hauptanteil:
intern
Chemische Form: Dampf, CO, CO2
Dosiskoeffizient (effektiv):
5730 Jahre
β− (keine γ)
Y(β−) = 1 (Bq·s)-1
Ē(β−) ≈ 49,45 keV
Emax(β) ≈ 200 keV
δE,Dampf=5,8·10-10 Sv/Bq
δE,CO =8,0·10-13Sv/Bq
δE,CO2 =6,5·10-12Sv/Bq
Dosiskoeffizient (Rotes Knochenmark):
δO,D =5,8·10-10 Sv/Bq
δO,CO =8,0·10-13Sv/Bq
δE,CO2 =6,5·10-12Sv/Bq
Dosiskoeffizient (effektiv):
δE
=5,8·10-10Sv/Bq
Dosiskoeffizient (Rotes Knochenmark):
δO
=5,7·10-10Sv/Bq
Zufuhrpfad für maximale effektive Dosis: Ingestion (jede Form)
oder Inhalation von 14C als Dampf
Uneingeschränkte Freigabe (§29 StrlSchV):
80 Bq/g
Freigabe Metall (Rezyklierung) (§29 StrlschV):
80 Bq/g
Oberflächenkontamination (§44 StrlSchV):
1000 Bq/cm²
Ableitung von Abwasser (§48 StrlSchV):
6·105 Bq/m³
Ableitung von Abluft (§48 StrlSchV):
6 Bq/m³
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
32
Zerfall:
(nach ICRP 38)
Strahlenexposition
Beispiel:
Effektive Dosis E
bei
einmaliger
Zufuhr von 1000
Bq:
E = 2,9·10-6 Sv =
0,0029 mSv
Aktivitätsgrenzwerte 32P
37
P
Halbwertszeit:
Zerfallsart:
Emissionswahrscheinlichkeit:
Mittlere Energie:
Maximale Energie:
Hauptanteil:
Stoffklasse: F → f1 = 0,8; M → f1 = 0,8
Dosiskoeffizient (effektiv):
14,29 Tage
β− (keine γ)
Y(β−) = 1 (Bq·s)-1
Ē(β−) ≈ 694,7 keV
Emax(β−) ≈ 1700 keV
intern
δE,F =1,1·10-9 Sv/Bq
δE,M =2,9·10-9Sv/Bq
Dosiskoeffizient (Rotes Knochenmark):
δO,F =4,5·10-9 Sv/Bq
δO,M =3,6·10-9Sv/Bq
Dosiskoeffizient (effektiv):
δE =2,4·10-9 Sv/Bq
Dosiskoeffizient (Rotes Knochenmark):
δO =8,2·10-9 Sv/Bq
Zufuhrpfad für maximale effektive Dosis pro inkorporierte Aktivität:
Inhalation von 32P (M)
Uneingeschränkte Freigabe (§29 StrlSchV):
Freigabe Metall (Rezyklierung) (§29 StrlschV):
Oberflächenkontamination (§44 StrlSchV):
Ableitung von Abwasser (§48 StrlSchV):
Ableitung von Abluft (§48 StrlSchV):
33
20 Bq/g
20 Bq/g
100 Bq/cm²
3·104 Bq/m³
10 Bq/m³
P
25,4 Tage
β− (keine γ)
Y(β−) = 1 (Bq·s)-1
Ē(β−) ≈ 76,60 keV
Emax(β−) ≈ 100 keV
Zerfall:
(nach ICRP 38)
Halbwertszeit:
Zerfallsart:
Emissionswahrscheinlichkeit:
Mittlere Energie:
Maximale Energie:
Strahlenexposition
Hauptanteil:
intern
Stoffklasse: F → f1 = 0,8; M → f1 = 0,8
Dosiskoeffizient (effektiv):
δE,F =1,4·10-10 Sv/Bq
δE,M =1,3·10-9 Sv/Bq
Dosiskoeffizient (Rotes Knochenmark):
δO,F =2,8·10-10 Sv/Bq
δO,M =2,3·10-10Sv/Bq
Dosiskoeffizient (effektiv):
δE
=2,4·10-10 Sv/Bq
Dosiskoeffizient (Rotes Knochenmark):
δO
=5,1·10-10 Sv/Bq
Beispiel:
Effektive Dosis E
bei
einmaliger
Zufuhr von 1000
Bq:
E = 1,3·10-6 Sv =
0,0013 mSv
Aktivitätsgrenzwerte 32P
Zufuhrpfad für maximale effektive Dosis pro inkorporierte Aktivität
führt: Inhalation von 33P (M)
Faktor der Dosiseinsparung bei Verwendung von 33P anstatt 32P:
ca. 2,3.
Uneingeschränkte Freigabe (§29 StrlSchV):
200 Bq/g
Freigabe Metall (Rezyklierung) (§29 StrlschV):
200 Bq/g
Oberflächenkontamination (§44 StrlSchV):
1000 Bq/cm²
Ableitung von Abwasser (§48 StrlSchV):
3·105 Bq/m³
Ableitung von Abluft (§48 StrlSchV):
20 Bq/m³
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
Zerfall:
(nach ICRP 38)
Strahlenexposition
Beispiel:
Effektive Dosis E
bei
einmaliger
Zufuhr von 1000
Bq:
E = 1,1·10-6 Sv =
0,0011 mSv
Aktivitätsgrenzwerte 35S
Zerfall:
(nach ICRP 38)
Strahlenexposition:
Aktivitätsgrenzwerte:
125
I
35
38
S
Halbwertszeit:
87,44 Tage
Zerfallsart:
β− (keine γ)
Emissionswahrscheinlichkeit:
Y(β−) = 1 (Bq·s)-1
Mittlere Energie:
Ē(β−) ≈ 48,83 keV
Maximale Energie:
Emax(β−) ≈ 200 keV
Hauptanteil:
intern
Chemische Verbindung: anorganisch
Stoffklasse: F → f1 = 0,8; M → f1 = 0,8; Dampf
Dosiskoeffizient (effektiv):
δE,F =8,0·10-11 Sv/Bq
δE,M =1,1·10-9 Sv/Bq
δE,Dampf=1,2·10-10 Sv/Bq
Dosiskoeffizient (ET-Luftwege):
δO,F =6,6·10-10 Sv/Bq
Dosiskoeffizient (Lunge):
δO,M =8,6·10-9Sv/Bq
Dosiskoeffizient (rotes Knochenmark):
δO,Dampf=9,7·10-11 Sv/Bq
Stoffklasse: f1 = 0,8; f1 = 0,1
Dosiskoeffizient (effektiv):
δE,0,8 =1,4·10-10 Sv/Bq
δE,0,1 =1,9·10-10 Sv/Bq
Dosiskoeffizient (unterer Dickdarm):
δO,0,8 =7,5·10-10 Sv/Bq
δO,0,1 =2,2·10-9 Sv/Bq
Chemische Verbindung: organisch, Stoffklasse:
f1 = 1,0
-10
Dosiskoeffizient (effektiv):
δE,1 =7,7·10 Sv/Bq
Dosiskoeffizient (rotes Knochenmark): δO,1 =7,5·10-10 Sv/Bq
Zufuhrpfad für maximale effektive Dosis pro inkorporierte Aktivität.
Inhalation von anorganisch gebundenem 35S (M) .
Uneingeschränkte Freigabe (§29 StrlSchV):
60 Bq/g
Freigabe Metall (Rezyklierung) (§29 StrlschV):
600 Bq/g
Oberflächenkontamination (§44 StrlSchV):
1000 Bq/cm²
Ableitung von Abwasser (§48 StrlSchV):anorganisch: 7·105 Bq/m³
organisch: 1·105 Bq/m³
Ableitung von Abluft (§48 StrlSchV):
20 Bq/m³
125
I
Halbwertszeit:
60,14 Tage
Zerfallsart: ec, γ1, Röntgenquanten, Auger-Elektronen
Emissionswahrscheinlichkeit:
Y(γ1) = 0,0667(Bq·s)-1
Energie γ1:
E(γ1) = 35,39 keV
Energie (Röntgen):
E(X) 4,09-31,71 keV
Energie (Auger-El.):
E(e-) 3,09-30,13 keV
Hauptanteil:
intern
Stoffklasse: F → f1 = 1,0; Dampf → f1 = 1,0
Dosiskoeffizient (effektiv):
δE,F =7,3·10-9 Sv/Bq
δE,Dampf=1,4·10-8 Sv/Bq
Dosiskoeffizient (Schilddrüse):
δO,F =1,5·10-7 Sv/Bq
δO,Dampf=2,7·10-7 Sv/Bq
Dosiskoeffizient (effektiv):
δE,1,0 =1,5·10-8 Sv/Bq
δE,1,0 =3,0·10-7 Sv/Bq
Uneingeschränkte Freigabe (§29 StrlSchV):
3 Bq/g
Freigabe Metall (Rezyklierung) (§29 StrlschV):
3 Bq/g
Oberflächenkontamination (§44 StrlSchV):
10 Bq/cm²
Ableitung von Abwasser (§48 StrlSchV):
4·104 Bq/m³
Ableitung von Abluft (§48 StrlSchV):
0,5 Bq/m³
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
Gründung der
ICRP: 1928
Gründung der
europäischen
Atomgemeinschaft
EURATOM im
Jahre 1957
Artikel 74 Nr. 11a
Grundgesetz (GG):
Katalog der konkurrierenden Gesetzgebung
Strahlenschutzverordnung 1976 [1]
39
E. Einführung
1. Die beiden Seiten der Radioaktivität
Die Anwendung radioaktiver Stoffe und ionisierender Strahlung ist
in unserer Zivilisation weit verbreitet. Diese Anwendungen sind in
einer stürmischen Weiterentwicklung begriffen, was auch die
relative Kurzlebigkeit der damit verbundenen Rechtsvorschriften
erklärt. Allerdings waren einige segensreiche wie schädlichen
Wirkungen ionisierender Strahlung bereits in früheren Zeiten
bekannt. So wurde die nach ihrem Entdecker, dem
Nobelpreisträger und Würzburger Professor Dr. Wilhelm Konrad
Röntgen benannte Strahlung exzessiv eingesetzt. Im Laufe der Zeit
fiel auf, dass sehr viele Radiologen, die diese innovative Technik
angewendet hatten, an Leukämie erkranken oder sogar daran
starben. Bereits 1928 wurde deshalb auf dem internationalen
Kongress für Radiologie in Stockholm die Internationale Strahlenschutzkommission
mit
der
Bezeichnung
International
Commission on Radiological Protection (ICRP) gegründet, deren
Empfehlungen in der Folgezeit den Strahlenschutz maßgeblich
beeinflusst haben und auch die Grundlage für die EURTOMGrundnormen geworden sind, auf denen die Vorschriften der
Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) weitgehend beruhen.
2. Entstehung der Strahlenschutzverordnung
Nach der Gründung der europäischen Atomgemeinschaft
EURATOM im Jahre 1957 schuf dann der Bund die Grundlagen für
die Normierung des Strahlenschutzrechts durch Einfügung von
Artikel Nr. 74 11a Grundgesetz (GG) und den Erlass des
Atomgesetzes im Jahre 1959. Nachdem die EURATOM ebenfalls
noch 1959 mit den „Richtlinien zur Festlegung der Grundnormen
für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung und der Arbeitskräfte
gegen die Gefahren ionisierender Strahlungen“ die erste Fassung
der EURATOM-Grundnormen geschaffen hatte, kam die
Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1960 ihrer Verpflichtung aus
Artikel 33 Abs. 1 des EURATOM-Vertrages nach und setzte diese
Richtlinien durch die „Erste Strahlenschutzverordnung“ in
innerdeutsches Recht um. Gleichzeitig versuchte sie hiermit
erkannte Missstände und Lücken der bisherigen Regelungen zu
schließen. Der ersten Strahleschutzverordnung folgte 1964 die
„Zweite
Strahlenschutzverordnung“.
Nach
Erlass
der
Röntgenverordnung im Jahre 1973 wurden die erste und zweite
Strahlenschutzverordnung in dem Bestreben nach weiterer
Konzentrierung und Harmonisierung im Jahre 1976 durch die im
Prinzip bis 2001 geltenden Strahleschutzverordnung, die
„Verordnung über den Schutz vor ionisierender Strahlung“ vom 13.
Oktober
1976
[1],
abgelöst.
Sie
brachte
zahlreiche
Verbesserungen,
insbesondere
durch
Neuregelung
des
Umgebungsschutzes, und bezog diejenigen Anlagen zur
Erzeugung ionisierender Strahlung (Teilchenbeschleuniger) in
ihren
Anwendungsbereich
neu
ein,
die
nicht
der
Röntgenverordnung
von
1973
unterlagen.
Außerdem
berücksichtige sie die zwischenzeitlichen Änderungen der
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
Zweite Verordnung
zur Änderungen der
Strahlenschutzveror
dnung vom 18.Mai
1989 [2].
Neubekanntmachun
g vom 30. Juni 1989
[3]
Verwaltungsvorschri
ft zu §45 Strahlenschutzverordnung
[4]
Richtlinie
96/29/EURATOM
[5]
die
Richtlinie
97/43/EURATOM
[6]
40
EURATOM-Grundnormen und der OECD-Grundnormen für den
Strahleschutz sowie das Übereinkommen Nr. 115 über den Schutz
der Arbeitnehmer vor ionisierender Strahlen der allgemeine
Konferenz der internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Schließlich
wurde den praktischen Erfahrungen und dem Fortschritt der
wissenschaftlichen Erkenntnis aus den vergangenen 15 Jahren der
Anwendungszeit der „ersten Strahlenschutzverordnung“ Rechnung
getragen. Die am tiefsten eingreifenden Veränderungen erfuhr
diese Strahlenschutzverordnung durch die am 1. November 1989
in kraft getretene
Zweite Verordnung zur Änderung der
Strahlenschutzverordnung vom 18.Mai 1989 [2], die kaum eine
Bestimmung
unverändert
ließ
und
deswegen
die
Neubekanntmachung vom 30. Juni 1989 [3] erforderlich machte.
Die Änderungen wurden vor allem deshalb so umfangreich, weil die
Vollständige Neuregelung der EURATOM-Grundnormen-Richtlinie
aus dem Jahre 1980 und deren Änderungen 1984 in
innerdeutsches Recht umgesetzt werden musste. Im Übrigen
handelte es sich wieder um Änderungen, deren Notwendigkeit im
Laufe der Jahre aus praktischen Erfahrungen oder dem
fortgeschrittenen Erkenntnisstand erwuchs. Entsprechend den
Bestimmungen der EURATOM-Grundnormen-Richtlinie lag einer
der Schwerpunkte bei der Einführung des Konzepts der effektiven
Dosis: Bis dahin wurden lediglich Grenzwerte für die
Ganzkörperdosis oder für Teilkörperdosen gebildet. Nunmehr
wurden durch entsprechende Gewichtungen die Voraussetzungen
für die zutreffende Bestimmung einer effektiven Dosis geschaffen.
Weiter wurden die Grundzüge des Berechnungsverfahren in die
Verordnung selbst übernommen, ergänzt durch die Allgemeine
Verwaltungsvorschrift zu §45 Strahlenschutzverordnung: Ermittlung
der Strahlenexposition durch die Ableitung radioaktiver Stoffe aus
kerntechnischen Anlagen oder Einrichtungen vom 21. Februar
1990 [4]. Ein ganz wesentlicher Punkt war auch die Einführung
eines Grenzwertes in §49 Abs. 1 Strahleschutzverordnung für das
gesamte Berufsleben einer beruflich strahlenexponierten Person.
Die Summe der in allen Kalenderjahren ermittelten effektiven Dosis
durften danach 400 mSv nicht überschreiten. Wird dieser
Grenzwert erreicht, darf der betreffende Berufstätige nicht mehr
beruflich in strahlenbelasteten Bereichen eingesetzt werden.
Schließlich wurde die Ablieferungspflicht für radioaktive Abfälle und
der Umgang mit diesen weitaus detaillierter geregelt.
Vor 2001 waren es erneut die überarbeiteten und neu gefassten
EURATOM-Grundnormen-Richtlinien
• die Richtlinie 96/29/EURATOM des Rates vom 13. Mai
1996 zur Festlegung der grundlegenden Sicherheitsnormen
für den Schutz der Gesundheit der Arbeitskräfte und der
Bevölkerung gegen die Gefahren durch ionisierende
Strahlungen [5]
• die Richtlinie 97/43/EURATOM des Rates vom 30. Juni
1997 über den Gesundheitsschutz von Personen gegen die
Gefahren ionisierender Strahlung bei medizinischer
Exposition
und
zur
Aufhebung
der
Richtlinie
84/466/EURATOM [6]
die eine so grundlegende Neuordnung der Strahlenschutzverordnung erforderlich machte, dass diesmal eine vollständige
Ablösung des bisherigen Regelwerks durch ein komplett neues
unumgänglich ist. Die wichtigsten Neuerungen sind:
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
•
•
•
•
•
•
•
41
Erweiterung des Anwendungsbereichs auf den Schutz vor
natürlicher Radioaktivität insbesondere im Bereich des
Arbeitsschutzes, die erst durch eine Änderung der
Ermächtigungsgrundlage
für
den
Erlass
der
Strahlenschutzverordnung im Atomgesetz möglich wurde,
Daraus folgend die Einbeziehung von Flugpersonal, das
während der häufigen Flüge einer erhöhten kosmischen
Strahlung ausgesetzt ist,
Im übrigen die Anpassung an die neuen EURATOMGrundnormen erneut die Senkung der Dosisgrenzwerte zum
Schutz von Arbeitnehmern am Arbeitsplatz sowie der übrigen
Bevölkerung; der allgemeine Grenzwert zum Schutz der
Bevölkerung aus zielgerichteter Nutzung wird von 1,5 mSv auf
1 mSv im Kalenderjahr abgesenkt; bei natürlichen
Strahlenquellen ist dieser Dosiswert als Richtwert ausgestaltet;
der Grenzwert zum Schutz beruflich strahlenexponierten
Personen wird- unter Zulassung von Ausnahmemöglichkeitenvon 50 mSv auf 20 mSv herabgesetzt.
Die Verminderung von Strahlenbelastung bei medizinischen
Anwendungen
Um gemeinschaftsrechtlichen Bedenken Rechnung zu tragen
die weitergehende Umsetzung der Richtlinie 89/618/EURATOM
über die Unterrichtung der Bevölkerung über die bei einer
radiologischen
Notstandssituation
geltenden
Verhaltensmaßregeln
und
zu
ergreifenden
Gesundheitsschutzmaßnahmen in der Rechtsverordnung selbst
anstatt in daraus abgeleiteten Verwaltungsvorschriften,
Die Ablösung bislang noch fort geltenden DDRStrahleschutzrechts, das nur noch für die Sanierung der
Hinterlassenschaften früherer Tätigkeiten, insbesondre des
Uranbergbaus in Kraft bleibt und
Unabhängig von weiter geltenden Freigrenzen ein System der
Entlassung wenig radioaktiven Materials aus der Überwachung
durch eine behördliche Freigabe, durch die eine Befreiung von
unnötigen
bürokratischen
Hindernissen
erreicht
und
insbesondere auch der Abbruch und die Beseitigung
vorhandener kerntechnischer Anlagen erleichtert werden soll.
3. Die Strahlenschutzverordnung im Rechtssystems
a) Verfassungsrechtliche Aspekte
Durch die Einfügung von Nr. 11a zu Artikel 74 Abs. 1 Grundgesetz
(GG) traf der Verfassungsgesetzgeber 1959 die grundlegende
Entscheidung zur friedlichen Nutzung der Kernenergie und übertrug dem Bund die konkurrierende Gesetzgebung auf den dort
genannten Gebieten wie
• die Erzeugung und Nutzung der Kernenergie zu friedlichen
Zwecken,
• die Errichtung und der Betrieb von Anlagen, die diesen Zwecken
dienen,
• den Schutz gegen Gefahren,
- die bei Freiwerden von Kernenergie oder
- durch ionisierende Strahlung generell
entstehen, und
• die Beseitigung radioaktiver Stoffe.
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
Atomgesetz (ATG) [7]
Aktuelle
[8]
Artikel
Fassung
87c
GG:
Verwaltung
bei
Erzeugung und Nutzung
von Kernenergie
Gesetze, die aufgrund
des Artikels 74 11c GG
ergehen, können mit
Zustimmung
des
Bundesrates
bestimmen, dass sie von
den Ländern im Auftrage
des Bundes ausgeführt
werden.
Artikel 85 GG:
Landesverwaltung
Bundesauftrag
im
„…
die
Landesbehörden
unterstehen
den
Weisungen
der
zuständigen obersten
Bundesbehörden. …
“.
§24 Abs. 1 AtG:
Zuständigkeit
Landesbehörden
der
42
Von dieser Kompetenzzuweisung hat der Bundesgesetzgeber
durch den Erlass des Gesetzes über die friedliche Verwendung von
Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (Atomgesetz;
AtG) vom 23. Dezember 1959 [7] – jetzt anzuwenden in der
Fassung der Bekanntmachung vom 15. Juli 1985 - Gebrauch
gemacht. Bis zum Erlass des Gesetzes zur geordneten
Beendigung der Kernenergienutzung zur gewerblichen Erzeugung
von Elektrizität vom 22. April 2002 [9] war es nach Nr. 1 des § 1
AtG noch Zweck des Gesetzes, die Erforschung, die Entwicklung
und die Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken zu
fördern. Dementsprechend ist nach §1 die Zweckbestimmung
dieses Atomgesetzes
• die Nutzung der Kernenergie zur gewerblichen Erzeugung von
Elektrizität geordnet zu beenden und bis zum Zeitpunkt der
Beendigung den geordneten Betrieb sicher zu stellen,
• Leben, Gesundheit und Sachgüter vor den Gefahren der
Kernenergie und der schädlichen Wirkungen ionisierender
Strahlen zu schützen und durch Kernenergie oder ionisierende
Strahlen verursachte Schäden auszugleichen,
• zu verhindern, dass durch Anwendung oder Freiwerden der
Kernenergie oder ionisierender Strahlen die innere oder äußere
Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet wird,
• die Erfüllung internationaler Verpflichtungen der Bundesrepublik
Deutschland auf dem Gebiet der Kernenergie und des
Strahlenschutzes zu gewährleisten.
Diese Zweckbestimmungen sind bei der Auslegung der auf dem
Atomgesetz beruhenden Rechtsverordnungen, zu denen auch die
Strahlenschutzverordnung gehört, zu berücksichtigen.
Nach Artikel 87c GG i. V. m. §24 Abs. 1 AtG wird das Atomgesetz
nicht von den Ländern nach dem Grundsatz des Artikel 83 GG als
eigene Angelegenheit ausgeführt, sondern im Wege der
Auftragsverwaltung nach Artikel 85 GG (Zitat: „… die
Landesbehörden unterstehen den Weisungen der zuständigen
obersten Bundesbehörden. … “. Das hat erweiterte
Aufsichtsbefugnisse gegenüber den Ländern zur Folge bis hin zu
Einzelweisungen des Bundes in Gestalt der zuständigen obersten
Bundesbehörde, des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit (BMU), an die jeweils zuständigen obersten
Landesbehörden nach Artikel 85 Abs. 3 GG.
b) Friedliche Nutzung der Kernenergie
Artikel 74 Nummer 11a GG und dem folgend §1 AtG beziehen sich
auf die friedliche, nicht aber auf die militärische Nutzung von
Kernenergie und radioaktiven Stoffen. Dies hat z. B. folgende
Konsequenzen:
Wird abgereichertes Uran zur Herstellung von besonders
kompakten Ausgleichsgewichten in Verkehrsflugzeugen verwendet,
so sind die Vorschriften der Strahlenschutzverordnung anwendbar.
Bei Verwendung von abgereichertem Uran in Kriegswaffen, z.B.
panzerbrechende Munition, so ist das Kriegswaffenkontrollgesetz in
der Fassung vom 22. November 1990 [9] zuständig.
c) Atomgesetz und Strahlenschutzvorsorgegesetz
Atomgesetz und Strahlenschutzverordnung beziehen sich nur auf
Radioaktivität, die aus Anlass der Nutzung der Kernenergie
entsteht und den Schutz vor natürlicher Radioaktivität, soweit sie in
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
Strahlenschutzvorsorgegesetz vom 19.
Dezember 1986 [10]
43
diese Regelwerke einbezogen ist. Sie beziehen sich insbesondere
nicht auf den Schutz der Bevölkerung vor Radioaktivität in der
Umwelt, wie sie sich z.B. aus dem Fallout nach
Kernwaffenversuchen oder dem Reaktorunfall von Tschernobyl
ergibt. Für die Überwachung der Umweltradioaktivität und
Maßnahmen nach Ereignissen wie dem Unfall von Tschernobyl
sind die Bestimmungen des Strahlenschutzvorsorgegesetzes vom
19. Dezember 1986 [10] zuletzt geändert durch Artikel 43 der
Verordnung vom 25. November 2003 [11].
d) Atomgesetz und Strahlenschutzverordnung
In §2 Abs. 1 definiert das Atomgesetz die radioaktiven Stoffe im
sinne
dieses
Gesetzes
und
unterscheidet
zwischen
Kernbrennstoffe
und
sonstigen
radioaktiven
Stoffen.
Kernbrennstoffe sind danach besondere spaltbare Stoffe in Form
von 239Pu, 241Pu, 233U, mit den Isotopen 233U und 235U
angereichertes Uran sowie jeder Stoff, der einen der genannten
Stoffe enthält und außerdem alle Stoffe, mit deren Hilfe in einer
geeigneten Anlage eine sich selbst tragende Kettenreaktion
aufrecht erhalten werden kann und die in einer Rechtsverordnung
bestimmt werden. Alle übrigen Stoffe, die ionisierende Strahlen
spontan aussenden, sind „sonstige radioaktiven Stoffe“. Stoffe mit
einem nur geringen Anteil an Isotopen des Pu oder U dürfen im
Wesentlichen den „sonstigen radioaktiven Stoffen zugerechnet
werden. Der Umgang mit Kernbrennstoffen wird weitgehend im
Atomgesetz unmittelbar geregelt. Es finden sich dort Vorschriften
über Ein- und Ausfuhr, die Beförderung, die Verwahrung, den
Besitz, die Genehmigung von Anlagen zur Erzeugung, zur
Bearbeitung, Verarbeitung oder zur Spaltung von Kernbrennstoffen
oder zur Aufarbeitung bestrahlter Kernbrennstoffe sowie zur
Behandlung
kernbrennstoffhaltiger
Abfälle.
Die
Strahlenschutzverordnung als eine Verordnung zur Ausführung des
Atomgesetzes kann dementsprechend für Kernbrennstoffe nur
ergänzende Regelungen enthalten, soweit das Atomgesetz selbst
keine Regelungen enthält. Im Übrigen gelten die Bestimmungen
der Strahlenschutzverordnung für die im Atomgesetz nicht näher
geregelten sonstigen radioaktiven Stoffe. So bezieht sich §7 Abs. 1
Strahlenschutzverordnung, der den Umgang mit radioaktiven
Stoffen generell genehmigungspflichtig macht, bereits seinem
Wortlaut nach nicht auf Kernbrennstoffe; dagegen finden z.B. die
Vorschriften der Strahlenschutzverordnung über Strahlenschutzbereiche (§§36ff StrlSchV), Dosisgrenzwerte für beruflich strahlenexponierte Personen (§§54 ff StrlSchV) und Grenzwerte für nach
außen dringende Strahlung (§§47, 48 StrlSchV) auch auf
Kernkraftwerke Anwendung , da das Atomgesetz insoweit keine
Regelungen enthält, sondern §7 AtG
lediglich generelle
Erfordernisse für die Genehmigung aufstellt. Anlagen nach §7 AtG,
also Anlagen zur Erzeugung, zur Bearbeitung, Verarbeitung oder
zur Spaltung von Kernbrennstoffen oder zur Aufarbeitung
bestrahlter Kernbrennstoffe unterliegen zusätzlich der Verordnung
über den kerntechnischen Sicherheitsbeauftragten und über die
Meldung von Störfällen und sonstigen Ereignissen (Atomrechtliche
Sicherheitsbeauftragten- und Meldeverordnung vom 14. Oktober
1992 [12] , zuletzt geändert durch Art. 5 der Verordnung vom 18.
Juni 2002 [13]).
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
44
e) Strahlenschutzverordnung und Röntgenverordnung
Röntgenverordnung
[14]
Die Strahlenschutzverordnung gilt nach ihrem §2 Abs.2 Nr. 3 nicht
für die Errichtung und den Betrieb von Röntgeneinrichtungen und
Störstrahlern, die der Röntgenverordnung unterliegen. Nach §1
Abs. 1 der Verordnung über den Schutz vor Schäden durch
Röntgenstrahlen (Röntgenverordnung) vom 8. Januar 1987 [14] in
der Fassung der Bekanntmachung vom 30. April 2003 [15] gilt
diese für Röntgeneinrichtungen und Störstrahler, bei denen
Röntgenstrahlen durch Beschleunigung von Elektronen auf eine
Grenzenergie von mindestens 5 Kiloelektronenvolt und höchsten 1
Megaelektronenvolt erzeugt werden. Störstrahler, die dazu
bestimmt sind, andere Teilchen als Elektronen in dem genannten
Energiebereich zu beschleunigen, unterliegen nicht der
Röntgenverordnung, sondern der Strahlenschutzerordnung (§ Abs.
2 Nr. 1 Röntgenverordnung), §2 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe d
Strahlenschutzerordnung)
f) Weitere den Strahlenschutz betreffende Vorschriften
Daneben befinden sich materiell den Strahlenschutz betreffende
Vorschriften in
einer ganzen Reihe weiterer Gesetze und
Verordnungen, beispielsweise:
•
•
•
Arzneimittelgesetz vom 24. August 1976 [16]
Verbot, radioaktive Arzneimittel oder Arzneimittel, bei deren
Herstellung ionisierender Strahlung verwendet worden sind,
in den Verkehr zu bringen, wenn dies nicht durch
Rechtsverordnung zugelassen ist.
Verordnung über radioaktive oder mit ionisierenden
Strahlen behandelte Arzneimittel [17] zuletzt geändert durch
Artikel 6 des Gesetzes vom 10. Februar 2005. Die
Vorschriften der §§ 106ff StrlSchV über den Zusatz von
radioaktiven Stoffen und die Aktivierung, beziehen sich auf
die
Herstellung
und
lassen
die
speziellen
arzneimittelrechtlichen
Vorschriften
über
das
Inverkehrbringen unberührt.
In ähnlicher Weise bestimmt §8 des Lebensmittel und
Futtermittelgesetzbuches (LFGB) vom 1. September 2005
[18], BGBl. I S. 2618, dass es grundsätzlich verboten ist, bei
Lebensmitteln gewerbsmäßig ionisierende Strahlung
anzuwenden oder derartige Lebensmitteln in Verkehr zu
bringen, wenn dies nicht durch Rechtsverordnung
zugelassen ist. Die entsprechende Rechtsverordnung ist
die noch auf §13 des Gesetzes über den Verkehr mit
Lebensmitteln, Tabakerzeugnissen, kosmetischen Mitteln
und sonstigen Bedarfsgegenständen (Lebensmittel- und
Bedarfsgegenständegesetz – LMBG) in der Fassung der
Bekanntmachung vom 9. September 1997 [19], zuletzt
geändert durch Artikel 2 §15 des Gesetzes vom 20. Juli
2000 [20] beruhende Verordnung über die Behandlung von
Lebensmitteln
mit
Elektronen,
Gammaund
Röntgenstrahlen, Neutronen, oder ultraviolette Strahlen
(Lebensmittelbestrahlungsverordnung) vom 14. Dezember
2000 [21] zuletzt geändert durch Artikel 312 der Verordnung
vom 29. Oktober 2001 [22], die den Einsatz von
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
45
ionisierenden Strahlen nur in sehr engen grenzen und bei
sehr wenigen Lebensmitteln zulässt. Für kosmetische Mittel
untersagt §1 i. V. m. Anlage 1 Teil A Nr. 293 der
Kosmetikverordnung in der Fassung der Bekanntmachung
vom 7. Oktober 1997 [23], zuletzt geändert durch Artikel 2
der Verordnung vom 13. Juli 2005 [24], den Zusatz
radioaktiver Stoffe. Im Übrigen verbietet §105 StrlSchV für
Lebensmittel und Bedarfsgegenstände den Zusatz
radioaktiver Stoffe und die Aktivierung.
•
Nach § 7 i. V. m. Anlage 3 Nr. 20 der Verordnung über die
Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch
(Trinkwasserverordnung TrinkwV 2001) vom 21. Mai 2001
[25], zuletzt geändert durch Artikel 263 der Verordnung vom
25. November 2003 [26] darf die durch Trinkwasser
verursachte Strahlenbelastung 0,1 mSv/Jahr, nach Nr. 19
der Anlage 3 die vom Tritium im Trinkwasser ausgehende
Strahlung 100 Bq/L nicht überscheiten.
•
Die verschiedenen Gefahrgutverordnungen enthalten für die
Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße, mit der
Eisenbahn, in See- und Binnenschiffen jeweils besondre
Vorschriften für die Beförderung radioaktiver Güter, auf die
im Zusammenhang mit den Beförderungsvorschriften
eingegangen wird.
4. Die materiellen
vorschriften
Grundlagen
für
die
Strahlenschutz-
Eine Vielzahl von staatlichen und privaten Organisationen und
Vereinigungen haben durch Untersuchungen, Empfehlungen und
Richtlinien zur Entwicklung der Strahlenschutzregelungen und der
Festlegung von Grenzwerten beigetragen. Zu nennen sind hier:
•
•
•
•
UNSCEAR (United Nations Scientific Committee on the Effects
of Atomic Radiation) hat die Aufgabe, Informationen über die
Wirkungen ionisierender Strahlen zu sammeln und darüber zu
berichten.
Die
internationale
Arbeitsorganisation
ILO
hat
ein
Übereinkommen über den Schutz der Arbeitnehmer vor
ionisierenden Strahlen verabschiedet, das von der
Bundesrepublik Deutschland ratifiziert und deshalb auch in der
Strahlenschutzverordnung berücksichtigt worden ist.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat – teilweise
zusammen
mit
anderen
Organisationen
–
Strahleschutzstandards ausgearbeitet und technische Berichte
veröffentlicht.
Die internationale Atomenergie-Organisation (IAEA) hat teilweise im Zusammenwirken mit den Spezialorganisationen
der Vereinten Nationen wie ILO, WHO, FAO –
Sicherheitsnormen erarbeitet und veröffentlicht. Ihrer Arbeit ist
insbesondere der Vereinheitlichung der Vorschriften über den
Transport radioaktiver Stoffe zu verdanken.
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
•
•
•
46
Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung OECD hat im wesentlichen mit den EURATOMGrundnormen übereinstimmende Strahlenschutzbestimmungen
beschlossen, denen die Bundesrepublik Deutschland
beigetreten ist. Die OECD hat weiter Strahlenschutznormen für
Leuchtzifferblätter und andere Lichtquellen mit radioaktivem
Material sowie für Radionuklidquellen zum Antrieb von
Herzschrittmachern erarbeitet.
Die Internationale Strahlenschutzkosmission ICRP wird
allgemein mit ihren Empfehlungen zum Strahlenschutz als die
Maßgebliche
Quelle
zur
Schaffung
von
Strahlenschutzvorschriften angesehen.
Die europäischen Atomgemeinschaft EURATOM hat mit ihren
Grundnormen-Richtlinien zum Strahlenschutz verbindliches
europäisches Recht gesetzt, das die Bundesrepublik
Deutschland in innerdeutsches Recht umsetzen muss.
Die Aktivitäten der verschiedenen Organisationen beeinflussen sich
wechselseitig, so dass die Arbeit der übrigen Organisationen auch
ihren Niederschlag in den Empfehlungen der ICRP gefunden hat.
Diese bildeten zusammen mit den die EG-Staaten bindenden
internationalen Abkommen die Grundlage für die EURATOMGrundnormen-Richtlinien. Derzeit maßgeblich sind
Die Richtlinie 96/29/EURATOM des Rates vom 13. Mai 1996 zur
Festlegung der grundlegenden Sicherheitsnormen für den Schutz
der Gesundheit der Arbeitskräfte und der Bevölkerung gegen die
Gefahren durch ionisierende Strahlungen [5] und
die Richtlinie 97/43/EURATOM des Rates vom 30. Juni 1997 über
den Gesundheitsschutz von Personen gegen die Gefahren
ionisierender Strahlung bei medizinischer Exposition und zur
Aufhebung der Richtlinie 84/466/EURATOM [6], die zum 13. Mai
2000 im Hinblick auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse, wie sie
insbesondere in neuen Empfehlungen der ICRP zum Ausdruck
gekommen sind, die Richtlinien 80/836/EURATOM und
84/466/EURATOM abgelöst haben und die durch die
Strahlenschutzverordnung vom 20. Juli 2001 [27] in deutsche
Recht umgesetzt worden sind. Die Richtlinie 2003/122/EURATOM
vom 22. Dezember 2003 zur
Kontrolle hoch radioaktiver
umschlossener Strahlenquellen und herrenloser Strahlenquellen
[28], die – auch zur Verhinderung des Missbrauchs von
Strahlenquellen
für
terroristische
Zwecke
–
deren
Abhandenkommen verhindern will, ist durch das Gesetz
zur
Kontrolle hochradioaktiver Strahlenquellen vom 12. August 2005
[29] BGBl. I S. 2365 in deutsches Recht umgesetzt worden und hat
durch Einfügung des §12d in das Atomgesetz zur Schaffung eines
Registers
für
hochradioaktive
Strahlenquellen
und
zu
bedeutenderen
Änderungen
und
Ergänzungen
in
der
Strahlenschutzverordnung
geführt.
Weitere
ergänzende
EURATOM-Vorschriften wurden - soweit erforderlich – im Rahmen
des Strahlenschutzvorsorgegesetzes und im Transportrecht
umgesetzt.
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
47
5. Die Grundzüge der Strahlenschutzverordnung
Die Strahlenschutzverordnung soll das ganze Strahlenschutzrecht
neben den Vorschriften des Atomgesetzes, der Röntgenverordnung, und den speziellen Regelungen im Lebensmittel-,
Arzneimittel- und Beförderungsrecht möglichst lückenlos regeln. Es
erschien dem Gesetzgeber sinnvoll, sowohl im Interesse der
Betreiber von Atomanlagen, von Teilchenbeschleunigern, und von
sonstigen Anlagen, die ionisierende Strahlung erzeugen, wie von
Verwendern von radioaktiven Stoffen als auch im Interesse der
Wirksamkeit des Strahlenschutzes und seiner behördlichen und
betrieblichen Überwachung, die gesamte Rechtsmaterie neben
dem Atomgesetz und den unvermeidlichen Spezialregelungen
aufgrund der Ermächtigungen des Atomgesetzes in einer einzigen
Rechtsverordnung zu regeln [30]. Die Strahlenschutzverordnung
gliedert sich in fünf Teile:
1. Teil: Allgemeine Vorschriften (§§ 1-3)
Zweckbestimmung (§1), Anwendungsbereich (§2), Begriffsbestimmungen (§3)
2. Teil: Schutz von Mensch und Umwelt vor radioaktiven Stoffen
oder ionisierender Strahlung aus zielgerichteter Nutzung bei
Tätigkeiten (§§ 4 bis 94)
Nach den Strahlenschutzgrundsätzen und Grundpflichten
finden sich dort unter Zugrundelegung der neuen Grenzwerte
im wesentlichen die Regelungen, die dem Schutz des
Menschen und der Umwelt bei der zielgerichteten Nutzung
radioaktiver Stoffe oder ionisierender Strahlung dienen, d.h. bei
derjenigen Nutzung radiaktiver Stoffe, die speziell zur
Ausnutzung ihrer Radioaktivität, als Kernbrennstoff oder zur
Erzeugung von Kernbrennstoff vorgenommen wird.
3. Teil: Schutz von Mensch und Umwelt vor natürlichen
Strahlungsquellen bei Arbeiten (§§93 bis 104)
enthält aufgrund des Titels VII der Richtlinie 96/29/EURATOM
neu geschaffene Regelungen für Expositionen durch natürliche
Strahlenquellen, die nicht zielgerichtet
wegen ihrer
Radioaktivität genutzt werden, sondern sich durch ihr schlichtes
Vorhandensein auf die Arbeitsbedingungen auswirken.
4. Teil: Schutz des Verbrauchers beim Zusatz radioaktiver Stoffe
zu Produkten (§§105 bis 110) setzt die Artikel 4 und 6 der
Richtlinie 96/29/EURATOM um. Er enthält ein grundsätzliches
Verbot der Verwendung radioaktiver oder aktivierter Stoffe in
Konsumgütern, insbesondere in Lebensmitteln und der ihrer
Herstellung dienenden landwirtschaftlichen Produkten aber
auch in anderen Konsumgütern, und sieht nur sehr
eingeschränkte Erlaubnismöglichkeiten vor.
5. Teil: Er enthält gemeinsame Vorschriften wie die
Berechnungsvorschriften für die Strahlenexposition, die
Bestimmungen über das Strahlenschutzregister, Vorschriften
über die Befugnisse der Behörden, Bußgeldvorschriften und die
notwendigen Übergangs- und Schlussvorschriften.
Es folgen umfangreiche für die Praxis wichtige Anlagen.
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
48
6. Gefahren durch ionisierende Strahlung
Bei einem Aufenthalt in Strahlenschutzbereichen, in denen mit
radioaktiven Stoffen umgegangen wird, kann eine Strahlenexposition durch ionisierende Strahlung nicht ausgeschlossen werden.
Der erforderliche Umgang mit offenen und umschlossenen
radioaktiven Stoffen kann zu einer externen und/oder zu einer inneren Strahlenexposition durch die Inkorporation von radioaktiven
Stoffen führen.
Jede Strahlenexposition, sei sie auch noch so gering, kann beim
exponierten Menschen somatische und genetische Schäden
verursachen und damit schwere Erkrankungen, wie z.B. Krebs
und Schädigung der Leibesfrucht, auslösen, die eine Lebensverkürzung der exponierten Person bzw. genetische Defekte
bei den Nachkommen der exponierten Person zur Folge haben
können. Jede Strahlenexposition einer werdenden Mutter kann
auch das ungeborene Kind schädigen.
Damit ein Umgang mit radioaktiven Stoffen bzw. ein Aufenthalt in
Strahlenschutzbereichen verantwortbar ist und die schädlichen
Auswirkungen für Mensch und Umwelt auf ein Minimum beschränkt
bleiben. Dies sicher zu stellen, ist ein Zweck der Strahlenschutzverordnung.
7. Inhaltsübersicht über die Strahlenschutzverordnung
Teil 1: Allgemeine Vorschriften
§1 StrlSchV: Zweckbestimmung
Zweck dieser Verordnung ist es, zum Schutz des Menschen und
der Umwelt vor der schädlichen Wirkung ionisierender Strahlung
Grundsätze und Anforderungen für Vorsorge- und Schutzmaßnahmen zu regeln, die bei der Nutzung und Einwirkung ionisierender Strahlung zivilisatorischen und natürlichen Ursprungs
Anwendung finden.
§2 Abs. 1 Nr. 1:
Tätigkeiten
§2 StrlSchV: Anwendungsbereich
§3 StrlSchV: Begriffsbestimmungen .
Die Strahlenschutzverordnung ist unter der Adresse
www.bfs.de/de/recht als pdf-Datei im Internet abrufbar. §3 StrlSchV
erklärt die wichtigsten Begriffe, die auch weitestgehend in diesem
Skript (siehe Abschnitt 10) verwendet werden.
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
49
Teil 2: Schutz von Mensch und Umwelt vor radioaktiven
Stoffen oder ionisierender Strahlung aus der zielgerichteten
Nutzung bei Tätigkeit
Kapitel 1: Strahlenschutzgrundsätze, Grundpflichten und
allgemeine Grenzwerte
§4 StrlSchV: Rechfertigung (Auszug)
(1) Neue Arten von Tätigkeiten, die unter §2 Abs. 1 Nr. 1 fallen
würden,
mit
denen
Strahlenexpositionen
und
Kontaminationen von Mensch und Umwelt verbunden sein
können, müssen unter Abwägung ihres wirtschaftlichen,
sozialen, sozialen oder sonstigen Nutzens gegenüber der
möglicherweise von ihnen ausgehenden gesundheitlichen
Beeinträchtigung gerechtfertigt sein. Die Rechtfertigung
bestehender Arten von Tätigkeiten kann überprüft werden,
sobald wesentliche neue Erkenntnisse über den Nutzen
oder die Auswirkungen der Tätigkeit vorliegen.
(2) Medizinische Strahlenexpositionen im Rahmen der
Heilkunde, Zahnheilkunde oder der medizinischen
Forschung müssen einen hinreichenden Nutzen erbringen.
Der gesundheitliche Nutzen für den Einzelnen und für die
Gesellschaft ist abzuwägen gegenüber der von der
Strahlenexposition
möglicherweise
verursachten
Schädigung des Einzelnen.
Kurz:
Es muss ein positiver Nettonutzen vorhanden sein:
Grenzwerte §46 (1)
effektive Dosis
• für Einzelperson
der Bevölkerung:
1 mSv pro Jahr
• beruflich strahlenexponierte
Person:
20 mSv pro Jahr
§2 Abs. 1 AtG: Begriffsbestimmungen.
Was ist im Sinne
des
AtG
ein
„sonstiger
radioaktiver Stoff?
Was ist im Sinne
des
AtG
ein
Kernbrenn-stoff?
§5 StrlSchV: Dosisbegrenzung (Auszug)
Wer eine Tätigkeit nach §2 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a bis d StrlSchV
plant, ausübt oder ausüben lässt, ist verpflichtet dafür zu sorgen,
dass die Dosisgrenzwerte der §§ 46, 47, 55, 56 und 58 StrlSchV
nicht überschritten werden. Die Grenzwerte der effektiven Dosis im
Kalenderjahr betragen nach §46 Abs. 1 StrlSchV für den Schutz
von Einzelpersonen der Bevölkerung 1 Millisievert, für den Schutz
beruflich strahlenexponierter Personen bei deren Berufsausübung
20 Millisievert.
Kurz: Die gültigen Dosisgrenzwerte müssen eingehalten werden.
§6 StrlSchV: Vermeidung unnötiger Strahlenexposition und
Dosisreduzierung (Auszug)
(1) Wer eine Tätigkeit nach §2 Abs. 1 Nr. 1 StrlSchV plant oder
ausübt, ist verpflichtet, jede unnötige Kontamination von Mensch
und Umwelt zu vermeiden
Kurz: Der Umgang mit radioaktiven Stoffen darf nur in den Mengen
und Häufigkeiten erfolgen, die zur Erreichung des Ziels unbedingt
erforderlich sind (siehe auf gültige Strahleschutzanweisung).
(2) Wer eine Tätigkeit nach §2 Abs. 1 Nr. 1 StrlSchV plant oder
ausübt, ist verpflichtet, jede Strahlenexposition oder Kontamination
von Mensch und Umwelt zu vermeiden unter Beachtung des
Standes von Wissenschaft und Technik und unter Berücksichtigung
aller Umstände des Einzelfalles auch unterhalb der Grenzwerte so
gering wie möglich zu halten. Kurz: Die Strahlenexposition muss
auch unterhalb der Grenzwerte reduziert werden.
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
50
Kapitel 2: Genehmigungen, Zulassungen, Freigabe (§§7 -29
StrlSchV)
Dieses Kapitel des Teil 1 der Strahlenschutzverordnung umfasst
die §§ 7 bis 29 in 9. Abschnitten. Hier in Ausschnitten eine
Auswahl:
Abschnitt 1: Umgang mit radioaktiven Stoffen
HRQ
§7 StrlSchV: Genehmigungsbedürftiger Umgang mit radioaktiven
Stoffen.
(1) Wer mit sonstigen radioaktiven Stoffen nach §2 Abs. 1 AtG
oder mit Kernbrennstoffen nach § 2 Abs. 3 AtG umgeht,
bedarf der Genehmigung. Einer Genehmigung bedarf
ferner, wer von dem in der Genehmigungsurkunde
festgelegten Umgang wesentlich abweicht.
(2) Bestimmte Genehmigungen des AtG oder nach §11
StrlSchV können eine Genehmigung nach §7 StrlSchV
überflüssig machen.
(3) Eine Genehmigung nach Absatz 1 ist nicht erforderlich bei
dem Aufsuchen, Gewinnen oder aufbereiten von
radioaktiven Bodenschätzen, wenn hierrauf die Vorschriften
des Bundesberggesetzes Anwendung finden.
§8 StrlSchV: Genehmigungsfreier Umgang, genehmigungsfreier
Besitz von Kernbrennstoffen
§9 StrlSchV: Genehmigungsvoraussetzungen für den Umgang mit
radioaktiven Stoffen
nicht bei HRQ
§10 StrlSchV: Befreiung von der Pflicht zur Deckungsvorsorge
Abschnitt 2: Anlagen zur Erzeugung ionisierender Strahlung
§11
StrlSchV:
Genehmigungsbedürftige
Errichtung
und
genehmigungsbedürftiger Betrieb von Anlagen zur Erzeugung
ionisierender Strahlen.
§12 StrlSchV: Genehmigungsfreier Betrieb von Anlagen zur
Erzeugung ionisierender Strahlen.
§13 StrlSchV: Genehmigungsvoraussetzungen für die Errichtung
von Anlagen zur Erzeugung ionisierender Strahlen.
§14 StrlSchV: Genehmigungsvoraussetzungen für den Betreib von
Anlagen zur Erzeugung ionisierender Strahlen.
Abschnitt 3: Beschäftigung
Einrichtungen
in
fremden
Anlagen
oder
§15 StrlSchV: Genehmigungsbedürftige Beschäftigung in fremden
Anlagen oder Einrichtungen.
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
51
Abschnitt 4: Beförderung radioaktiver Stoffe
§16 StrlSchV: Genehmigungsbedürftige Beförderung
§17 StrlSchV: Genehmigungsfreie Beförderung
§18 StrlSchV: Genehmigungsvoraussetzungen für die Beförderung
Abschnitt 5: Grenzüberschreitende Verbringung radioaktiver
Stoffe
§19 StrlSchV: Genehmigungsbedürftige grenzüberschreitende
Verbringung
§20 StrlSchV: Anzeigebedürftige grenzüberschreitende
Verbringung
§21 StrlSchV: Genehmigungs- und anzeigefreie grenzüberschreitende Verbringung
§22 StrlSchV: Genehmigungsvoraussetzungen für die grenzüberschreitende Verbringung
Abschnitt 6: Medizinische Forschung
§23 StrlSchV: Genehmigungsbedürftige Anwendung radioaktiver
Stoffe oder ionisierender Strahlung am Menschen in der
medizinischen Forschung
§24 StrlSchV: Genehmigungsvoraussetzungen für die
Anwendung radioaktiver Stoffe oder ionisierender Strahlung am
Menschen in der medizinischen Forschung
Abschnitt 7: Bauartzulassung
§25 StrlSchV: Verfahren der Bauartzulassung
§26 StrlSchV: Zulassungsschein und Bekanntmachung der Bauart
§27 StrlSchV: Pflichten des Inhabers einer Bauartzulassung
Abschnitt 8: Ausnahmen
§28 StrlSchV: Ausnahmen von der Erfordernis der Genehmigung
oder Anzeige
Abschnitt 9: Freigabe
Freigabe: Was
bedeute das?
Behördlicher Akt
Entscheidungsmessung
Genehmigung
§29 StrlSchV: Voraussetzungen für die Freigabe
Kurz: Unter bestimmten Voraussetzungen kann die zuständige
Aufschichtbehörde genehmigen, dass mit radioaktiven Stoffen so
verfahren werden darf, als wären sie nicht radioaktiv.
Kapitel 3: Anforderungen bei der Nutzung radioaktiver Stoffe
und ionisierender Strahlung
Abschnitt 1: Fachkunde im Strahlenschutz
§30 StrlSchV: Erforderliche Fachkunde im Strahlenschutz
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
52
Abschnitt 2: Betriebliche Organisation des Strahlenschutzes
§31 StrlSchV: Strahlenschutzverantwortliche und Strahlenschutzbeauftragte
§32 StrlSchV: Stellung des Strahlenschutzverantwortlichen und
des Strahlenschutzbeauftragten
§33 StrlSchV: Pflichten des Strahlenschutzverantwortlichen und
Strahlenschutzbeauftragten
§34 StrlSchV: Strahlenschutzanweisung
§35 StrlSchV: Auslegung oder Aushang der Verordnung
Abschnitt 3: Schutz von Personen in Strahlenschutzbereichen;
Physikalische Strahlenschutzkontrolle
Siehe Abschnitt F
des Skripts
§
§
§
§
§
36
37
38
39
40
Strahlenschutzbereiche
Zutritt zu Strahlenschutzbereichen
Unterweisung
Messtechnische Überwachung in Strahlenschutzbereichen
Zu überwachende Personen
§ 41
§ 42
Ermittlung der Körperdosis
Aufzeichnungs- und Mitteilungspflicht
§ 43
§ 44
Schutzvorkehrungen
Kontamination und Dekontamination
§ 45
Beschäftigungsverbote und Beschäftigungsbeschränkungen
Abschnitt 4: Schutz der Bevölkerung und der Umwelt bei
Strahlenexpositionen aus Tätigkeiten
§46 StrlSchV: Begrenzung der Strahlenexposition der Bevölkerung
§47 StrlSchV: Begrenzung der Ableitung radioaktiver Stoffe
§48 StrlSchV: Emissions- und Immissionskontrolle
Abschnitt 5: Schutz vor sicherheitstechnisch bedeutsamen
Ereignissen
§49 StrlSchV: Sicherheitstechnische Auslegung für den Betrieb
von Kernkraftwerken, für die standortnahe Aufbewahrung
bestrahlter Berennelemente und für Anlagen des Bundes zur
Sicherstellung und zur Endlagerung radioaktiver Abfälle.
§50 StrlSchV: Begrenzung der Strahlenexposition als Folge von
Störfällen bei sonstigen Anlagen und Einrichtungen und bei
Stilllegung.
§51 StrlSchV: Maßnahmen bei sicherheitstechnisch bedeutsamen
Ereignissen
§52 StrlSchV: Vorbereitung der Brandbekämpfung
§53 StrlSchV: Vorbereitung der Schadensbekämpfung bei
sicherheitstechnisch bedeutsamen Ereignissen.
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
Kategorien A, B, C
Grenzwerte
Effektive Dosis:
400 mSv
< 10 mSv/Jahr
schriftl. Einwilligung der
exponierten Person
Abschnitt HRQ
< 100 mSv/Jahr
< 250 mSv/Leben
53
Abschnitt 6: Begrenzung der Strahlenexposition bei der
Berufsausübung
§54 StrlSchV: Kategorien der beruflichen Strahlenexposition
§55 StrlSchV: Schutz bei beruflicher Strahlenexposition
§56 StrlSchV: Berufslebensdosis
Die zuständige Behörde kann im Benehmen mit einem Azt nach
§64 Abs. 1 Satz 1 StrlSchV eine weitere berufliche
Strahlenexposition unter bestimmten Bedingungen zulassen
§57 StrlSchV: Dosisbegrenzung bei Überschreitungen
§58 StrlSchV: Besonders zugelassene Strahlenexpositionen
§59 StrlSchV: Strahlenexposition bei Personengefährdung und
Hilfeleistung
(1) Bei Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren für Personen ist
anzustreben, dass eine effektive Dosis von mehr als 100
milliSievert nur einmal im Kalenderjahr und eine effektive Dosis
von mehr als 250 milliSievert nur einmal im Leben auftritt.
(2) Die Rettungsmaßnahmen dürfen nur von Freiwilligen über 18
Jahren ausgeführt werden, die zuvor über die Gefahren dieser
Maßnahmen unterrichtet worden sind.
(3) Die Körperdosis einer bei Rettungsmaßnahmen eingesetzten
Person durch eine Strahlenexposition bei den
Rettungsmaßnahmen ist unter Berücksichtigung der
Expositionsbedingungen zu ermitteln. Die Rettungsmaßnahme
und die ermittelte Körperdosis der bei der Rettungsmaßnahme
eingesetzten Personen sind der zuständigen Behörde
unverzüglich mitzuteilen. Die Strahlenexposition nach Satz 1 ist
bei der Summe der in allen Kalenderjahren ermittelten
effektiven Dosen nach §56 (Berufslebensdosis) zu berücksichtigen. §58 Abs. 4 Satz 2 und Abs. 5 gilt entsprechend.
Abschnitt 7: Arbeitsmedizinische Vorsorge beruflich
strahlenexponierter Personen
§60 StrlSchV: Erfordernis der arbeitsmedizinischen Vorsorge
§61 StrlSchV: Ärztliche Bescheinigung
§62 StrlSchV: Behördliche Entscheidung
§63 StrlSchV: Besondere arbeitsmedizinischen Vorsorge
bei Strahlenexposition von mehr als 50 mSv/Jahr bei effektiver
Dosis, 150 mSv/Jahr bei Augenlinse, 500 mSv/Jahr für die Haut,
die Hände, die Unterarme, die Füße oder Knöchel.
§64 StrlSchV: Ermächtigte Ärzte
Abschnitt 8: Sonstige Anforderungen
§65 StrlSchV: Lagerung und Sicherung radioaktiver Stoffe
§66 StrlSchV: Wartung, Überprüfung und Dichtheitsprüfung
§67 StrlSchV: Strahlungsmessgeräte
§68 StrlSchV: Kennzeichnungspflicht
§69 StrlSchV: Abgabe radioaktiver Stoffe
§69a StrlSchV: Rücknahme hochradioaktiver Strahlenquellen
§70StrlSchV: Buchführung und Mitteilung
§70a StrlSchV: Register über hochradioaktive Strahlenquellen
§71 StrlSchV: Abhandenkommen, Fund, Erlangung der
tatsächlichen Gewalt
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
Abschnitt 9: Radioaktive Abfälle
72 StrlSchV: Planung für Anfall und Verbleib
73 StrlSchV: Erfassung
74 StrlSchV: Behandlung und Verpackung
75 StrlSchV: Pflichten bei der Abgabe radioaktiver Abfälle
76 StrlSchV: Ablieferung
77 StrlSchV: Ausnahme von der Ablieferungspflicht
78 StrlSchV: Zwischenlagerung
79 StrlSchV: Umgehungsverbot
Kapitel 4: Besondre Anforderungen bei der medizinischen
Anwendung radioaktiver Stoffe und ionisierender Strahlung
Abschnitt 1: Heilkunde und Zahnheilkunde
§80 StrlSchV: Rechtfertigende Indikation
§81 StrlSchV: Beschränkung der Strahlenexposition
§82 StrlSchV: Anwendung radioaktiver Stoffe oder ionisierender
Strahlung am Menschen
§83 StrlSchV: Qualitätssicherung bei der medizinischen
Strahlenanwendung
§84 StrlSchV: Bestrahlungsräume
§85 StrlSchV: Aufzeichnungspflichten
§86 StrlSchV: Anwendungen am Menschen außerhalb dr
Heilkunde oder Zahnheilkunde
Abschnitt 2: Medizinische Forschung
§87 StrlSchV: Besondere Schutz- und Aufklärungspflichten
§88 StrlSchV: Anwendungsverbote und
Anwendungsbeschränkungen für einzelne Personengruppen
§89 StrlSchV: Mitteilungs- und Bereichtspflichten
§90 StrlSchV: Schutzanordnung
§91 StrlSchV: Deckungsvorsorge im Falle klinischer Prüfungen
§92 StrlSchV: Ethikkommisssion
Teil 3: Schutz von Mensch und Umwelt vor natürlichen
Strahlungsquellen bei Arbeiten
Kapitel 1: Grundpflichten
§93 StrlSchV: Dosisbegrenzung
§94 StrlSchV: Dosisreduzierung
Kapitel 2: Anforderungen bei terrestrischer Strahlung an
Arbeitsplätzen
§95 StrlSchV: Natürlich vorkommende radioaktive Stoffe an
Arbeitsplätzen
§96 StrlSchV: Dokumentation und weitere Schutzmaßnahmen
54
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
55
Kapitel 3: Schutz der Bevölkerung bei natürlich
vorkommenden radioaktiven Stoffen
§97 StrlSchV: Überwachungsbedürftige Rückstände
§98 StrlSchV: Entlassung von Rückständen aus der Überwachung
§99 StrlSchV: In der Überwachung verbleibende Rückstände
§100 StrlSchV: Mitteilungspflicht, Rückstandskonzept,
Rückstandbilanz
§101 StrlSchV: Entfernung von radioaktiven Verunreinigungen von
Grundstücken
§102 StrlSchV: Überwachung sonstiger Materialien
Kapitel 4: Kosmische Strahlung
§103 StrlSchV: Schutz des fliegenden Personals vor Expositionen
durch kosmische Strahlung
Kapitel 5: Betriebsorganisation
§104 StrlSchV: Mitteilungspflichten zur Betriebsorganisation
Teil 4: Schutz des Verbrauchers beim Zusatz radioaktiver
Stoffe zu Produkten
§105 StrlSchV: Unzulässiger Zusatz von radioaktiven Stoffen und
unzulässige Aktivierung
§106 StrlSchV: Genehmigungsbedürftiger Zusatz von radioaktiven
Stoffen und genehmigungsbedürftige Aktivierung
§107 StrlSchV: Genehmigungsvoraussetzungen für den Zusatz von
radioaktiven Stoffen und die Aktivierung
§108 StrlSchV: Genehmigungsbedürftige grenzüberschreitende
Verbringung von Konsumgütern
§109 StrlSchV: Genehmigungsvoraussetzungen für die
grenzüberschreitende Verbringung von Konsumgütern
§110 StrlSchV: Rückführung von Konsumgütern
Teil 5: Gemeinsame Vorschriften
Kapitel 1: Berücksichtigung von Strahlenexpositionen
§111 StrlSchV: Festlegungen zur Ermittlung der
Strahlenexposition; Duldungspflicht
§112 StrlSchV: Strahlenschutzregister
Kapitel 2: Befugnisse der Behörde
§113 StrlSchV: Anordnung von Maßnahmen
§114 StrlSchV: Behördliche Ausnahme von
Strahlenschutzvorschriften
Kapitel 3: Formvorschriften
§115 StrlSchV: Schriftform und elektronische Form
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
Kapitel 4: Ordnungswidrigkeiten
§116 StrlSchV: Ordnungswidrigkeiten
Kapitel 5: Schlussvorschriften
§117 StrlSchV: Übergangsvorschriften
§118 StrlSchV: Abgrenzung zu anderen Vorschriften, Sanierung
von Hinterlassenschaften
Tabelle 13: Anlagen zur Strahlenschutzverordnung
2001
Anlage zu §§
StrlSchV
I
8,12,17,21
II
9, 14, 107
III
IV
V
VI
VII
VIII
IX
X
XI
XII
XIII
XIV
XV
Inhalt
Genehmigungsfreie Tätigkeiten
Erforderliche Unterlagen zur Prüfung
von Genehmigungsanträgen
3,8,10,18,20, Freigrenze, Freigabewerte für ver29,43,44,45,
schiedene Freigabearten, Werte der
Oberflächen-Kontamination, Liste
50,35,65,66,
68,70,71,105, der Radionuklide im radioaktiven
106, 107,117 Gleichgewicht
29
Festlegungen zur Freigabe
25
Voraussetzungen für die Bauartzulassung von Vorrichtungen
3, 47, 49, 55, Dosimetrische Größen, Gewebe117
und Strahlungs-Wichtungsfaktoren
29, 47
Annahmen bei der Ermittlung der
Strahlenexposition
61,62,63
Ärztliche Bescheinigung
68
Strahlenzeichen
72 – 79
Radioaktive Abfälle: Benennung,
Buchführung, Transprotmeldung
93,95,96
Arbeitsfelder, bei denen erheblich
erhöhte Expositionen durch natürliche terrestrische Strahlungsquellen
auftreten können
97-102
Verwertung und Beseitigung
überwachungsbedürftiger
Rückstände
51,53
Information der Bevölkerung
48 Abs. 4
Leitstelle des Bundes für die Emissions- und Immissionsüberwachung
70, 70a, 71
Standarderfassungsblatt für
hochradioaktive Strahlenquellen
HRQ
56
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
57
8. Schutzvorschriften und Grenzwerte
Das Strahlenschutzrecht, so komplex es auf den ersten Blick
erscheinen mag, hat den großen Vorteil, dass es auf mehr als 100
Jahre Erfahrung des Menschen im Umgang mit radioaktiven
Stoffen und ionisierender Strahlung zurückgreifen kann und
aufgrund der weitestgehenden internationalen Harmonisierung von
Rechtsnormen und dosimetrischen Modellen Anlage VI StrlSchV
für die meisten der bekannten Umgangsarten einen einheitlichen
Schutz bietet. Daraus abgeleitet und auf den konkreten Umgang
mit radioaktiven Stoffen in Strahlenschutzbereichen bezogen gibt
die Strahlenschutzanweisung verbindliche Anweisungen.
Tabelle 14:
Grenzwerte der
jährlichen effektiven
Dosis GE und der
Organ- oder
Gewebedosen GO
und die Anteile p
der Überwachungsintervalle (p: Anzahl
der Überwachungsintervalle pro Jahr).
Nr.
Organ bzw. Gewebe
GO bzw.
GE /mSv
gO bzw.
gE /mSv
Nr.
Organ bzw. Gewebe
GO bzw.
GE /mSv
gO bzw.
gE /mSv
1
ET Luftwege
150
15/p
14
Unterer Dickdarm
150
15/p
2
Lunge
150
15/p
15
Dickdarm
150
15/p
3
Blase
150
15/p
16
Milz
150
15/p
4
Brust
150
15/p
17
Muskel
150
15/p
5
Gehirn
150
15/p
18
Nebenniere
150
15/p
6
Haut
500
50/p
19
Nieren
150
15/p
7
Hoden
50
5/p
20
Ovarien
50
5/p
8
Knochenoberfläche
300
30/p
21
Pankreas
150
15/p
9
Leber
150
15/p
22
Rotes Knochenmark
50
5/p
10
Speiseröhre
150
15/p
23
Schilddrüse
300
30/p
11
Magen
150
15/p
24
Thymus
150
15/p
12
Dünndarm
150
15/p
25
Uterus
50
5/p
13
Oberer Dickdarm
150
15/p
26
effektiv
20
1/p
9. Dosimetrische Größen und Gewebe- und StrahlenWichtungsfaktoren
9.1 Messgrößen für äußere Strahlung
Messgrößen für äußere Strahlung sind
a) für die Personendosimetrie die Tiefen-Personendosis Hp(10) und
Oberflachen-Personendosis Hp(0,07). Die Tiefen-Personendosis
Hp(10) ist die Äquivalentdosis in 10 mm Tiefe im Körper an der
Tragestelle
des
Personendosimeters.
Die
OberflachenPersonendosis Hp(0,07) ist die Äquivalentdosis in 0,07 mm Tiefe
des Körpers an der Tragestelle des Personendosimeters.
b) für die Ortsdosismetrie die Umgebungs-Äquivalentdosis H*(10)
und die Richtungs-Äquivalentdosis H'(0,07, W).
Die Umgebungs-Äquivalentdosis H*(10) am interessierenden Punkt
im tatsächlichen Strahlungsfeld ist die Äquivalentdosis, die im
zugehörigen ausgerichteten und aufgeweiteten Strahlungsfeld in
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
International
Commission on
Radiation
Units
58
10 mm Tiefe auf dem der Einfallsrichtung der Strahlung
entgegengesetzt orientierten Radius der ICRU-Kugel erzeugt
würde.
Die Richtungs-Äquivalentdosis
H'(0,07, W) am
interessierenden Punkt im tatsächlichen Strahlungsfeld ist die
Äquivalentdosis, die im zugehörigen ausgerichteten und
aufgeweiteten Strahlungsfeld in 0,07 mm Tiefe auf einem in
festgelegter Richtung W orientierten Radius der ICRU-Kugel
erzeugt würde.
Dabei ist ein aufgeweitetes Strahlungsfeld ein idealisiertes
Strahlungsfeld,
im dem die Teilchenflussdichte und die Energie- und
Richtungsverteilung der Strahlung an allen Punkten eines
ausreichend großen Volumens die gleichen die gleichen Werte
aufweisen,
wie
das
tatsächliche
Strahlenfeld
am
interessierenden Punkt,
das aufgeweitet und in dem die Strahlung zusätzlich in eine
Richtung ausgerichtet ist.
Die ICRU-Kugel ist ein kugelförmiges Phantom von 30 cm
Durchmesser aus ICRU-Weichteilgewebe. Dies ist ein
gewebeäquivalentes Material der Dichte 1 g/cm³ mit der
Elementzusammensetzung 76,2% Sauerstoff, 11,1 % Kohlenstoff,
10,1 % Wasserstoff und 2,6 % Stickstoff.
Die Einheit der Äquivalentdosis ist das Sievert (Sv).
9.2 Berechnung der Körperdosis
Die Organdosis HT,R ist das Produkt aus der über das Gewebe
oder Organ T gemittelten Energiedosis, der Organ-Energiedosis
DT,R, die durch die Strahlung R erzeugt wird, und dem StrahlungsWichtungsfaktor wR nach Teil C Nummer 1:
HT,R = w R·DT,R
Besteht die Strahlung aus Arten und Energien mit
unterschiedlichen Werten von wR, so werden die einzelnen
Beiträge addiert. Für die gesamte Organdosis HT gilt dann:
Organdosis HT
HT =
Σw ·D
R
T,R
R
Die Einheit der Organdosis ist das Sievert (Einheitszeichen Sv).
Soweit in den §§ 36, 46, 47, 49, 54, 55 und 58 Werte oder
Grenzwerte für die Organdosis der Haut festgelegt sind, beziehen
sie sich auf die lokale Hautdosis. Die lokale Hautdosis ist das
Produkt der gemittelten Energiedosis der Haut in 0,07 mm
Gewebetiefe mit dem Strahlungswichtungsfaktor nach Teil C. Die
Mittelungsfläche beträgt 1 cm², unabhängig von der exponierten
Hautfläche.
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
Effektive Dosis E
59
Die effektive Dosis E ist die Summe der Organdosen HT, jeweils
multipliziert mit dem zugehörigen Gewebe-Wichtungsfaktor wT
nach Teil C Nummer 2. Dabei ist über alle in Teil C Nummer 2
aufgeführten Organe und Gewebe zu summieren.
ET =
Σw ·H
T
T
=
Σ w · Σ w ·D
T
R
T,R
T
T
R
Die Einheit der effektiven Dosis ist das Sievert (Einheitszeichen
Sv). Bei der Ermittlung der effektiven Dosis ist die Energiedosis der
Haut in 0,07 mm Gewebetiefe über die ganze Haut zu mitteln.
Bei der Berechnung der Strahlenexposition durch Inkorporation
oder
Submersion
sind
die
Dosiskoeffizienten
des
Bundensanzeigers (auch unter www.bfs.de/bfs/recht/recht.html ...
heranzuziehen, soweit die zuständige Behörde nichts anderes
festlegt.
Bei äußerer Strahlenexposition gilt die Organdosis der Gebärmutter
als Äquivalentdosis des ungeborenen Kindes.
9.3 Werte des Strahlungs-Wichtungsfaktors wR
Die Werte des Strahlungs-Wichtungsfaktor wR richten sich nach Art
und Qualität des äußeren Strahlungsfeldes oder nach Art und
Qualität der von einem inkorporierten Radionuklid emittierten
Strahlung.
Art und Energiebereich
Tabelle 15:
StrahlungsWichtungsfaktor wR
Photonen, alle Energien
Elektronen und Myonen, alle Energien
Neutronen, Energie < 10 keV
10 keV bis 100 keV
> 100 keV bis 2 MeV
> 2 MeV bis 20 MeV
> 20 MeV
Protonen, außer Rückstoßprotonen,
Energie > 2 MeV
Alphateilchen, Spaltfragmente, schwere Kerne
Strahlungs-Wichtungsfaktor wR
1
1
5
10
20
10
5
5
20
Für die Berechnung von Organdosen und der effektiven Dosis für
Neutronenstrahlung wird die stetige Funktion
wR =
5 + 17 · e-[ln(2·En)]²/6
benutzt, wobei En der Zahlenwert der Neutronenenergie in MeV ist.
Für die nicht in der Tabelle enthaltenen Strahlungsarten und
Energien kann wR dem mittleren Qualitätsfaktor Q in einer Tiefe
von 10 mm in einer ICRU-Kugel gleichgesetzt werden.
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
60
9.4 Werte des Gewebewichtungsfaktors wT
Tabelle 16:
GewebeWichtungsfaktor wR
Gewebe-Wichtungsfaktor wT
Gewebe oder Organe
Keimdrüsen
Knochenmark (rot)
Dickdarm
Lunge
Magen
Blase
Brust
Leber
Speiseröhre
Schilddrüse
Haut
Knochenoberfläche
andere Organe und Gewebe 1, 2
9.5 Berechnung
Folgedosis
der
0,20
0,12
0,12
0,12
0,12
0,05
0,05
0,05
0,05
0,05
0,01
0,01
0,05
Organ-Folgedosis
und
der
effektiven
Die Organfolgedosis HT(τ) ist das Zeitintegral der OrganDosisleistung im Gewebe oder Organ T,
.
HT(ττ) = HT(t) dt
t0 + τ
t0
Organfolgedosis
HT(ττ)
für eine Inkorporation zum Zeitpunkt t0 mit
.
HT(t)
τ
mittlere Organ-Dosisleistung im Gewebe oder Organ T zum Zeitpunkt t
Zeitraum, angegeben in Jahren, über den die Integration erfolgt. Wird kein Wert für
τ ist für Erwachsene der Zeitraum von 50 Jahren und für Kinder der Zeitraum vom
jeweiligen Alter bis zum Alter von 70 Jahren zu Grunde zu legen.
Die effektive Folgedosis E(τ) ist die Summe der Organ-Folgedosen
HT(τ), jeweils multipliziert mit dem zugehörigen GewebeWichtungsfaktor wT nach Teil C Nr. 2. Dabei ist über alle in Teil C
Nummer 2 aufgeführten Organe und Gewebe zu summieren.
E(ττ) =
Σw ·H (ττ)
T
T
R
10. Begriffsbestimmungen (§3 StrlSchV)
Der Strahlenschutz erfordert zur Vorbeugung von Mißverständnissen die einheitliche Anwendung von wissenschaftlichen
Fachbegriffen. So suggeriert z.B. das Wort „verstrahlt“ eine nicht
greifbare Bedrohung und wird daher hauptsächlich zur Erzeugung
von Emotionen wie Angst missbraucht. Der Begriff „belastet“ wird
dann verwendet, wenn man die Schädlichkeit betonen will.
Empfindet aber ein Patient, der durch die Anwendung radioaktiver
Stoffe von einer lebensbedrohlichen Tumorerkrankung geheilt
wurde, dessen Schmerzen wirksam gelindert wurden oder dessen
Erkrankung frühzeitig diagnostiziert wurde, die ionisierende
Strahlung als Belastung oder Bedrohung?
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
61
Ein wirksamer Schutz vor den schädlichen Auswirkungen
ionisierender Strahlung beim Umgang mit Radionukliden und bei
der Anwendung ionisierender Strahlung darf aber nicht von Angst
bestimmt, sondern muss vom Wissen über den sicheren Umgang,
das aus fundierten und anerkannten naturwissenschaftlichen Erkenntnissen resultiert, sowie von verantwortungsbewussten Handeln geprägt sein. Daher werden wichtiger Begriffe im
Strahlenschutz gemäß §3 StrlSchV zitiert und in diesem Sinne
verwendet.
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
62
11. Literaturverzeichnis zu Abschnitt E
[1]
[2]
[3]
[4]
[5]
[6]
[7]
[8]
[9]
[10]
[11]
[12]
[13]
[14]
[15]
„Verordnung über den Schutz vor ionisierender Strahlung“ vom 13.
Oktober 1976, BGBl. I S. 2905, 1977, S.184, 269.
Zweite Verordnung zur Änderungen der Strahlenschutzverordnung
vom 18.Mai 1989, BGBl. I S. 943).
Neubekanntmachung vom 30. Juni 1989, BGBl. I S. 1321,
berichtigt S 1926.
Allgemeine Verwaltungsvorschrift zu §45 Strahleschutzverordnung:
Ermittlung der Strahlenexposition durch die Ableitung radioaktiver
Stoffe aus kerntechnischen Anlagen und Einrichtungen vom 21.
Februar 1990, BAnz. Nr. 64a vom 31. März 1990.
.
Richtlinie 96/29/EURATOM des Rates vom 13. Mai 1996 zur
Festlegung der grundlegenden Sicherheitsnormen für den Schutz
der Gesundheit der Arbeitskräfte und der Bevölkerung gegen die
Gefahren durch ionisierende Strahlungen, ABl. EG Nr. L 159, S.1.
Richtlinie 97/43/EURATOM des Rates vom 30. Juni 1997 über den
Gesundheitsschutz von Personen gegen die Gefahren
ionisierender Strahlung bei medizinischer Exposition und zur
Aufhebung der Richtlinie 84/466/EURATOM, ABl. EG Nr. L 180
S.22.
Gesetz über die friedliche Verwendung von Kernenergie und den
Schutz gegen ihre Gefahren (Atomgesetz; AtG) vom 23. Dezember
1959, BGBl. 1 S. 814.
Atomgesetz,
jetzt
anzuwenden
in
der
Fassung
Bekanntmachung vom 15. Juli 1985, BGBl. 1 S. 1565.
der
Gesetz
über
die
Kontrolle
von
Kriegswaffen
Kriegswaffenkontrollgesetz in der Fassung vom 22. November
1990, BGBl. I S. 2506.
Strahlenschutzvorsorgegesetz vom 19. Dezember 1986,
BGBl. I S. 2610.
zuletzt geändert durch Artikel 43 der Verordnung vom 25.
November 2003, BGBl. I S. 2304.
Atomrechtliche Sicherheitsbeauftragten- und Meldeverordnung
vom 14. Oktober 1992, BGBl. I S. 1766.
zuletzt geändert durch Art. 5 der Verordnung vom 18. Juni 2002,
BGBl. I S. 1869.
Verordnung über den Schutz vor Schäden durch Röntgenstrahlen
(Röntgenverordnung) vom 8. Januar 1987, BGBl. I S. 114.
in der Fassung der Bekanntmachung vom 30. April 2003,
BGBl. I S. 604.
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
63
[16]
Arzneimittelgesetz vom 24. August 1976, BGBl. I S. 2445, 2448.
[17]
Verordnung über radioaktive oder mit ionisierenden Strahlen
behandelte Arzneimittel (AMRadV) zuletzt geändert durch Artikel 6
des Gesetzes vom 10. Februar 2005, BGBl. I S. 234.
[18]
Lebensmittel und Futtermittelgesetzbuches
September 2005, BGBl. I S. 2618.
[19]
Gesetz über den Verkehr mit Lebensmitteln, Tabakerzeugnissen,
kosmetischen Mitteln und sonstigen Bedarfsgegenständen
(Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz – LMBG) in der
Fassung der Bekanntmachung vom 9. September 1997,
BGBl. I S. 2296,
[20]
zuletzt geändert durch Artikel 2 §15 des Gesetzes vom 20. Juli
2000, BGBL. I S. 1045.
[21]
Verordnung über die Behandlung von Lebensmitteln mit
Elektronen, Gamma- und Röntgenstrahlen, Neutronen, oder
ultraviolette Strahlen (Lebensmittelbestrahlungsverordnung) vom
14. Dezember 2000, BGBl. I S. 1730,
[22]
zuletzt geändert durch Artikel 312 der Verordnung vom 29. Oktober
2001, BGBl. I S. 2785.
[23]
Kosmetikverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 7.
Oktober 1997, BGBl. I S. 2410,
[24]
zuletzt geändert durch Artikel 2 der Verordnung vom 13. Juli 2005,
BGBl. I S. 2159
[25]
Nach § 7 i. V. m. Anlage 3 Nr. 20 der Verordnung über die Qualität
von
Wasser
für
den
menschlichen
Gebrauch
(Trinkwasserverordnung TrinkwV 2001) vom 21. Mai 2001,
BGBl. I S. 959,
[26]
zuletzt geändert durch Artikel 263 der Verordnung vom 25.
November 2003, BGBl. I. S. 2304.
[27]
Strahlenschutzverordnung vom 20. Juli 2001, BGBl. I S. 1714.
[28]
Richtlinie 2003/122/EURATOM VOM 22. Dezember 2003 zur
Kontrolle hoch radioaktiver umschlossener Strahlenquellen und
herrenloser Strahlenquellen, ABl. EU Nr. L 246 S. 57.
[29]
Gesetz zur Kontrolle hochradioaktiver Strahlenquellen vom 12.
August 2005, BGBl. I S. 2365.
[30]
Vergl. Bundesrats-Drucksache 375/76, Begründung Seite 6.
(LFGB)
vom
1.
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
64
F. Physikalische Strahlenschutzkontrolle
Die physikalische Strahlenschutzkontrolle hat zum Ziel, den Schutz
von Personen in Strahlenschutzbereichen zu gewährleisten.
Tabelle 17:
Übersicht über die
physikalische
Strahlenschutzkontrolle
§
§
§
§
§
36
37
38
39
40
Strahlenschutzbereiche
Zutritt zu Strahlenschutzbereichen
Unterweisung
Messtechnische Überwachung in Strahlenschutzbereichen
Zu überwachende Personen
§ 41
§ 42
Ermittlung der Körperdosis
Aufzeichnungs- und Mitteilungspflicht
§ 43
§ 44
Schutzvorkehrungen
Kontamination und Dekontamination
§ 45
Beschäftigungsverbote und Beschäftigungsbeschränkungen
Überwachungsbereiche sind nicht zum Kontrollbereich gehörende betriebliche
Bereiche,
in denen Personen im Kalenderjahr
eine effektive Dosis von mehr als 1 mSv oder
höhere Organdosen als 15 mSv für die Augenlinse oder
50 mSv für die Haut, die Hände, die Unterarme, die Füße und Knöchel
erhalten können,
§36 StrSchV: Strahlenschutzbereiche
Definition nach ODL
Kontrollbereiche sind Bereiche,
in denen Personen im Kalenderjahr
eine effektive Dosis von mehr als 6 mSv oder
höhere Organdosen als 45 mSv für die Augenlinse oder
150 mSv für die Haut, die Hände, die Unterarme, die Füße und Knöchel
erhalten können,
Sperrbereiche sind Bereiche des Kontrollbereiches,
in denen die Ortsdosisleistung höher als 3 mSv·h-1 sein kann.
Personen darf der Zutritt
1. zu Überwachungsbereichen nur erlaubt werden, wenn
a) sie darin eine dem Betrieb dienende Aufgabe wahrnehmen,
b) ihr Aufenthalt in diesem Bereich als Patient, Proband oder helfende Person erforderlich ist,
c) bei Auszubildenden oder Studierenden dies zur Erreichung ihres Ausbildungszieles erforderlich ist oder
d) sie Besucher sind,
2. zu Kontrollbereichen nur erlaubt werden, wenn
a) sie zur Durchführung oder Aufrechterhaltung der darin vorgesehenen Betriebsvorgänge tätig werden müssen,
b) ihr Aufenthalt im diesem Bereich als Patient ....
c) bei Auszubildenden oder Studierenden dies zur Erreichung ihres Ausbildungszieles erforderlich ist,
§37 StrSchV:
Zutritt zu Strahlenschutzbereichen
3. zu Sperrbereichen nur erlaubt werden, wenn
a) sie zur Durchführung der im Sperrbereich ...
b) ihr Aufenthalt in diesem Bereich als Patient, Proband oder helfende Person ...
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
§39 StrlSchV:
Messtechnische
Überwachung von
Strahlenschutzber
eichen
§40 StrlSchV: Zu
überwachende
Personen
§41 StrlSchV: Ermittlung der
Köperdosis
§44 StrlSchV:
Kontamination
und
Dekontamination
Kontaminationskontrolle
65
Maßnahmen bei Überschreitung nuklidspezifischer Grenzwerte der
Oberflächenkontamination unter Anwendung der Summenformel
(1) Beim Vorhanden sein offener radioaktiver Stoffe …
ist in Strahlenschutzbereichen festzustellen, ob Kontaminationen
durch diese Stoffe vorliegen. An Personen, die den Kontrollbereich
verlassen, in denen offene radioaktive Stoffe vorhanden sind ist zu
prüfen, ob diese kontaminiert sind. Wird hierbei eine Kontamination
festgestellt, so sind unverzüglich Maßnahmen zu treffen, die
geeignet
sind,
weitere
Strahlenexpositionen
und
eine
Weiterverbreitung radioaktiver Stoffe zu verhindern.
(2) Zur Verhinderung der Weiterverbreitung radioaktiver Stoffe oder
ihrer Aufnahme in den Körper sind unverzüglich Maßnahmen zu
treffen, wenn Grenzwerte der nicht festhaftenden oder der
festhaftenden Oberflächenkontamination überschritten sind.
1. auf Verkehrsflächen, an Arbeitsplätzen oder an der Kleidung in
Kontrollbereichen festgestellt wird, dass die nicht festhaftende
Oberflächenkontamination das 100-fache der Werte der Anlage III
Tabelle 1 Spalte 4 überschreitet oder
2. auf Verkehrsflächen, an Arbeitsplätzen oder an der Kleidung in
Überwachungsbereichen festgestellt wird, dass die nicht
festhaftende Oberflächenkontamination das zehnfache der Werte
der Anlage III Tabelle 1 Spalte 4 überschreitet oder
an Personen
an Sachen
Kontrollbereich:
nicht festhaftende
Oberflächenkontamination > 100
GW
außerhalb eines Strahlenschutzbereiches auf dem Betriebsgelände
die Oberflächenkontamination von Bodenflächen, Gebäuden und
beweglichen Gegenständen, insbesondere Kleidung, die Werte der
Anlage III Tabelle 1 Spalte 4 überschreitet.
In Strahlenschutzbereichen ist in dem für die Ermittlung der Strahlenexposition erforderlichen Umfang
jeweils einzeln oder in Kombination
1. die Ortsdosis oder die Ortsdosisleistung oder
2. die Konzentration radioaktiver Stoffe in der Luft oder
3. die Kontaminations des Arbeitsplatzes
zu messen.
An Personen, die sich im Kontrollbereich aufhalten, ist die Körperdosis zu ermitteln. Die Ermittlungsergebnisse müssen bis spätestens neun Monate nach Aufenthalt im Kontrollbereich vorliegen. Ist
beim Aufenthalt im Kontrollbereich sichergestellt, dass im Kalenderjahr eine effektive Dosis von
1 mSv oder höhere Organdosen als ein Zehntel der Organdosisgrenzwerte des § 55 Abs. 2 nicht
erreicht werden können, so kann die zuständige Behörde Ausnahmen von Satz 1 zulassen.
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
Tabelle 18:
Dokumentation der
Kontaminationsmessu
ng an Gegenständen
im Zentralen Radionuklidlaboratorium
66
Kontaminationskontrolle für Materialien, die aus dem KB gebracht werden sollen
Messgerät: Kleidersonde des LB 146 (LB) oder S.E.A. CoMo 170 (CoMo)
Datum
Uhrzeit
Lfd. Nr.
Beschreibung
des Messguts
Messgerät
NE / Ips
alpha
beta
N / Ips
alpha
beta
Befund
alpha
Name
beta
M
M
M
M
M
M
M
M
M
M
M
M
M
M
M
M
M
M
M
M
Einordnung
Befundung:
Eintrag Verfahren
Bruttozählrate R´ < GW
ohne Befund
o. B.
Verbringung aus KB gestattet
Bruttozählrate R´ > GW oder R´ = GW
Kontaminiert
K
Verbringung aus KB nicht gestattet
SSB entscheidet
Grenzwert GW LB 146
Grenzwert GW CoMo170
alpha:
1 Ips
alpha:
1 Ips
beta:
20 Ips
beta:
20 Ips
Nulleffekt
für Am-241 und alle anderen alpha - Strahler
für C-14, P-32, S-35, Ca-45, Ni-63, Co-60, Sr-90,
I-131, Cs-134, Eu-152, Eu-154, Pb-210, Ac-227
Min
Max
alpha
0,01
0,05
nicht erhöht
ok
0,028 Ips
beta
3,0
4,0
nicht erhöht
ok
3,54 Ips
alpha
0,00
0,04
nicht erhöht
beta
11,0
13,2
nicht erhöht
Nachweisgrenze bei 10 s Messzeit
LB 146
alpha
0,012 Bq Am-241/cm²
beta
0,11 Bq Sr-90/cm²
ok
ok
0,013 Ips
12,1 Ips
Mittelwert
LB 146
CoMo 170
CoMo170
alpha
beta
0,04 Bq Am-241/cm²
0,1 Bq Sr-90/cm²
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
67
G. Methoden zur Detektion von Kernstrahlung
Aktivitätsbestimmung
1. Einzelnuklidbestimmung
Bei der Detektion der Kernstrahlung eines Radionuklids gilt
allgemein: Die Anzahl der durch die Kernstrahlung in der Probe
hervorgerufenen Impulse I ist proportional zur Anzahl der während
der Messzeit tL (life time) zerfallenen Kerne N: I(tL) ∝ N(tL)
Da die Aktivität A sich als die pro Zeiteinheit zerfallenden Kerne
definiert ist gilt bei der Detektion des i-ten Kernübergangs für die
Nettozählrate R(0) und die Aktivität A(0) zum Zeitpunkt des Messbeginns die Grundgleichung:
R(0) = yi·ηphys·ηchem·A(0)
mit: R(0) = R´(0) - R0(0) nulleffektbereinigte Nettozählrate zum
Messbeginn t = 0
R´(0) = ΣI´
tL,P
Bruttozählrate
ΣI´: Summe der Impulse von Probe und Nulleffekt im
Messzeitintervall ∆tL zu Messbeginn t =0.
R0 (0) = R0 (tM) =
Frage: Wieviele
cpm sind 1 cps?
I0
TL0
Nulleffektszählrate
I0: Impulszahl des Nulleffekts innerhalb der Messzeit tL0
Einheit: [R] = 1 Impuls pro Sekunde = 1 ips (oder 1 count per
second =1 cps) oder: [R] = 1 Impuls pro Minute = 1 ipm (oder 1
count per minute =1 cpm)
ηphys: absoluter physikalischer Wirkungsgrad
ηchem: chemische Ausbeute in %
yi: Emissionswahrscheinlichkeit für den i-Kernübergang
Einheit: [yi] = 1 (Bqs)-1 = 100%
A(0): Aktivität zum Zeitpunkt des Messbeginns.
Zwei Fälle sind zu betrachten:
tM << t1/2: Der Zerfall des Radionuklids während der Messzeit ist
vernachlässigbar gering. Die Aktivität ändert sich während der
Messzeit nicht signifikant: A(0) ≈ A(tM). Dann ist:
R´(0) = R´(tM) = I´(tM)
Bruttozählrate
tM
I´: Summe der Impulszahl aus Probe und Nulleffekt innerhalb der
Messzeit tM.
tM ≥ t1/2: Der Zerfall des Radionuklids mit der Zerfallskonstante λ
während der Messzeit ist nicht vernachlässigbar. Die Aktivität
ändert sich während der Messzeit signifikant: A(tM) = A(0)·e−λ·tM
Dann ist: λ·[I´(t )-I (t )]
M
0 M
R´(0) =
1-e−λ·tM
I0(tM): Impulszahl durch den Nulleffekt innerhalb der Messzeit tM
Durch das Umstellen der obigen Gleichung kann die Aktivität A
ermittelt werden.
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
68
2. Multinuklidbestimmung
Die nulleffektbereinigte Nettozählrate R einer radioaktiven Probe,
die mehrere Radionuklide enthält, berechnet sich aus der Summe
der Zählraten R1, R2, … der Beiträge der einzelnen Nuklide 1,2, …
nach R = R1 + R2 + … = η·A1 + η2·A2 + …
für alle yi = 1 und ηchem.= 1.
3. Physikalischer Wirkungsgrad ηPhys
Die Größe, die quantitativ beschreibt, wie viele Zerfälle notwendig
sind, um eine bestimmte Anzahl von Impulsen zu erzeugen, heißt
physikalischer Wirkungsgrad oder Zählausbeute (englisch:
efficiency) und muss experimentell bestimmt werden. Man
unterscheidet:
Intrinsischer physikalischer Wirkungsgrad ηPhys,i =
I
M
I: Anzahl der während der Messzeit tM registrierten Impulse
M: Anzahl der während der Messzeit tM in den Detektor
eintretenden Quanten
Absoluter physikalischer Wirkungsgrad ηPhys,a =
I
Z =
R
yi·A
I: Anzahl der in der Messzeit tM registrierten Impulse
Z: Anzahl der in der Messzeit tM in der Probe stattfindenden
Zerfälle. Einheit: [ηPhys,a] = [ηPhys,i] = 1 Impuls pro Zerfall = 1 Ips/Bq
Der intrinsische physikalische Wirkungsgrad bewertet das Detektormaterial. Der absolute physikalische Wirkungsgrad beurteilt
zusätzlich zum Detektor auch die räumliche Aktivitätsverteilung im
Verhältnis zur räumlichen Verteilung des Detektormaterials (Messgeometrie). Für die Aktivitätsbestimmung muss der absolute physikalische Wirkungsgrad bestimmt werden. Bei einer punktförmigen
Aktivitätsverteilung gibt es einen einfachen Zusammenhang
zwischen intrinsischen und absoluten physikalischen Wirkungsgrad:
d
ηPhys,a = ηPhys,i · 0,5· [1 −
1/2 ]
(d² + a²)
Quelle
Abbildung 13:
Punktförmige
Aktivität im Abstand
d von der
Oberfläche eines
zylindrisch
geformten
Detektors mit
Radius a.
Ω
a
d
Es gelten die Näherungen:
Falls d → 0: ηPhys,a = 0,5·ηPhys,i
Falls d >> a: ηPhys,a ∝
Falls a → 0: ηPhys,a → 0
1
d²
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
69
4. Kalibrierfaktor κ
Der Kalibrierfaktor κ kann aus dem absoluten physikalischem
Wirkungsgrad ηPhys,a und der Emissionswahrscheinlichkeit yi
berechnet werden.
1
κ=
Einheit: [κ] = 1 Zerfall/Impuls = 1 Bq/ips
yi·ηPhys,a
Abhängigkeit des absoluten physikalischen Wirkungsgrads ηPhys, a
Allgemein kann man den Zusammenhang zwischen absoluten und
intrinsischen physikalischen Wirkungsgrad schreiben:
ηPhys, a = (1-S)·(1+B)·G·(1-W)·ηPhys, i
Der physikalische
Wirkungsgrad ist
von folgenden
Faktoren abhängig:
•
•
•
•
•
•
•
•
Detektormaterial
Detektorgeometrie (Volumen und Form des
Detektormaterials)
Umgebung des Detektors z.B. Abschirmmaterial (B:
Rückstreustrahlung)
Probenmaterial (Selbstabsorption S)
Abstand der Aktivität im Verhältnis zum Detektor (W:
Absorption der Strahlung in der Luft)
Verteilung der Aktivität im Verhältnis zum Detektor (G)
Art der emittierten Strahlung
Energie der emittierten Strahlung
5. Totzeit tD
Es ist typisch, dass während eines gewissen Zeitintervalls, der
Todzeit tD, die Impulse nicht detektiert werden können. Die Todzeit
wird relativ zur realen Messzeit tR (real time) als Prozentwert
angegeben.
tD [%] = 100· tR-tL
tR
Die Todzeit ist abhängig von der Aktivität A und dem Wert von
ηPhys.
6. Methoden der Kernstrahlungsmessung
Abbildung 14:
Schema des
Stromkreises eines
Kernstrahlungsdete
ktors nach Knoll [3].
In geeigneten Detektormaterialien finden Energieübertragungsprozesse statt, die je nach Detektormaterial zur Bildung von Ionen,
Elektronen, Photonen oder Elektron-Lochpaaren führen. Ein
Kernstrahlungsdetektor sammelt diese Informationsträger und
verarbeitet die dabei entstehen Ladungs- oder Lichtpulse je nach
dem Zweck der Messung weiter. Grundsätzlich sind alle Detektoren
so aufgebaut und liefern Stromausgangsignale, wie in Abbildung 9
gezeigt. Dargestellt ist schematisch der Eingangsstromkreis eines
Kernstrahlungsdetektors:
Detektor
R
C
V(t)
Spannungssignal V(t)
bei kleiner Zeitkonstante τ. τ = R·C << tC
V(t) gleiches Zeitverhalten wie das Stromsignal. Geeignet für:
- Hohe Zählraten
-Gewinnung
von
Zeitinformationen
Nicht geeignet für die
Energiebestimmung
(Spektrometrie)
tC
t
V(t)
Stromausgangssignal
i(t).
Ladungssammelzeit tC
im Stromkreis aus
Kondensator
der
Kapazität C und
Widerstand R gilt für
die Menge der gesamelten Ladung Q:
tC
Q = ∫i(t)dt
0
70
i(t)
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
Spannungssignal V(t)
bei großer Zeitkonstante τ. τ = R·C >> tC
V(t)
hinkt
dem
Stromsignal hinterher.
Es
entsteht
ein
Spannungsmaximum
Vmax (Pulshöhe) gegen
Ende
der
Ladungssammelzeit:
Die Pulshöhe ist
proportional
zur
gesammelten Ladung
und es ist
Abbildung 15: oben
V(t)
t
t
Vmax = Q ∝ Energie der Strahlung
C
Diese
Betriebsart ist geeignet für die Energiebestimmung
(Spektrometrie) Detektors unter verschiedenen Bedingungen
Diese Betriebsart ist nicht geeignet für:
• Hohe Zählraten (große Todzeit)
• Gewinnung von Zeitinformationen
Die Wechselwirkung ionisierender Strahlung mit Materie hängt von
der Art der Strahlung ab. Geladene Teilchen (α, β−, β+) geben ihre
Energie beim Durchtritt durch Materie über Stöße ab und erzeugen
so direkt Ionen (direkt ionisierende Strahlung). Da ein α−Teilchen
wegen der sehr viel größeren Masse langsamer Materie
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
71
durchdringt als ein β−Teilchen und sich somit länger im CoulombFeld von geladenen Kernen des Detektormaterials befinden,
übertragen sie bei gleicher Energie sehr viel mehr Energie pro
Wegstrecke als β−Teilchen. Daher nennt man α−Strahlung dicht
ionisierend und β−Strahlung dünn ionisierend. γ−Strahlung und
Neutronenstrahlung erzeugen indirekt Ionen. Neutronen geben ihre
Energie mittels elastischer oder inelastischer Streuung oder durch
Kernreaktionen an Materie ab. γ−Strahlung wechselwirkt mit
Detektormaterial mittels Photo-, Compton- und Paarbildungseffekt.
Für die hochauflösende Detektion von γ−Strahlung ist der
Photoeffekt von herausragender Bedeutung. Die Wechselwirkungswahrscheinlichkeit des photoelektrischen Effekts steigt mit Z4 bis
Z5. Je nach Zweck der Bestimmung und der Zerfallsart der Nuklide
können Gase, Flüssigkeiten und Festkörper als Detektormaterialien
verwendet werden.
6.1 Gasgefüllte Detektoren
Gasgefüllte Detektoren wurden seit Beginn der Radioanalytik
genutzt. Ionisierende Strahlung die Gas durchdringt erzeugt eine
Spur von Ionenpaaren (positive Ionen und freie Elektronen). Legt
man ein elektrisches Feld an, bewegen sich die Elektronen in
entgegengesetzte Richtungen. Die Bewegung der Ladungen führt
zu Stromflüssen, die gemessen werden. Eine einfache Anordnung
zeigt folgende Abbildung.
Detektor
Abbildung 16:
Schematischer
Aufbau eines gasgefüllten
Ionisationsdetektors.
V
i
Spannungsmessung V
Strommessung i
ionisierende Strahlung
-
+
Folgende Abbildung zeigt die Pulshöhe als Funktion der Spannung.
Auslösebereich
(Geiger-Müller-Zählrohr)
1E+12
Zahl der an die Elektrode gelangenden
Ionen
Abbildung 17:
Pulshöhe als
Funktion der
Spannung eines
gasgefüllten
Detektors.
1E+11
Proportionalitätsbereich
1E+10
1E+09
1E+08
Ionisationskammer
1E+07
1E+06
1E+05
alpha
beta
1E+04
1E+03
1E+02
1E+01
1E+00
0
200
400
600
800
1000
Spannung in V
1200
1400
1600
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
72
In einer typischen zylindrischen Anordnung benötigen Elektronen
wenige µs, um die Anode und die langsameren positiven Ionen
wenige ms, um die Kathode zu erreichen. Die Anzahl der
Ionenpaare, die zu den Elektroden gelangen und die Höhe des
Ladungspulses, der im Stromkreis entsteht, hängen ab von der
elektrischen Feldstärke oder der Spannung, die am Detektor
anliegt. Die Energie die aufgewendet werden muss, um ein
Ionenpaar zu erzeugen, beträgt ca. 35 eV. Ein α−Teilchen mit einer
Energie von 3,5 MeV erzeugt demnach 105 Ionenpaare. Dies entspricht einem Ladungspuls von rund 10-14 As. Damit solch kleine
Ladungen gemessen werden können, sind leistungsfähige Verstärker erforderlich. Im Gegensatz dazu erzeugen β−Strahler um
den Faktor 1000 niedrigere Ladungen und sind daher bei niedrigen
Spannungen kaum zu detektieren. In Abhängigkeit von der
Spannung kann α− und β−Strahlung getrennt detektiert werden.
Die Detektoren werden als Ionisationskammern (Dosisbestimmung), Proportionalzähler und Geiger-Müller-Zählrohre eingesetzt.
6.2 Szintillationsdetektoren
6.2.1 Grundlagen
Die wesentlichen Teile eines Szintillationsdetektoren sind in
folgender Abbildung schematisch gezeigt. In einem durchsichtigen
Kristall oder Flüssigkeit wird die Strahlung absorbiert und dabei
Licht erzeugt.
Kristall
Photkathode
Abbildung 18:
Schema eines
Szintillationszählers.
Photomultiplier
Schutzkappe
Tabelle 19:
Szintilatoren und
eigenschaften
Anorganische
Kristalle
Organische Kristalle
Flüssigkeiten
An der Photomultiplierröhre lösen die Photonen Elektronen, die
mittels einer Dynode vervielfacht werden und zu Pulsen von
mehreren mV führen. Je nach Bauart können Szintillationsdetektoren zur Messung von γ−Strahlung und β−Strahlung auch
niedriger Energie verwendet werden. Folgende Tabelle zeigt einige
Eigenschaften fester und flüssiger Szintillatoren. Zur Bildung von
Photonen muss bei Szintillationsdetektoren eine Energie von ca.
100 eV aufgebracht werden. Geeignete Szintillatoren sind in
folgender Tabelle aufgelistet.
Szintillator
Dichte
[g/cm³]
λmax Rel.
[nm] Pulshöhe
Halbwertszeit
angeregter
Zustands [µs]
Anwendung
NaJ(Tl)
CsI(Tl)
ZnS(Ag)
Anthrazin
Trans-Stilbene
P_Terphenyl
5 p-terphenyl in 1 L
Toluol
2,5-Diphenyloxazol
(3g) in 1 L Toluol
3,67
4,51
4,09
1,25
1,16
1,23
410
500
450
440
410
400
355
210
55
100
100
60
40
35
0,175
0,770
7
0,022
0,004
0,004
0,0015
γ-Strahlung
γ-Strahlung
α-Strahlung
382
40
0,0021
β−Strahlung
Niederenergetische
β-Strahlung
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
73
6.2.2 Liquid Scintillation Counting (LSC)
In folgender Abbildung ist das Prinzip des Liquid Scintillation
Counting (LSC) schematisch dargestellt. Durch Gemische aus
einem organischen Lösungsmittel und einer flüssigen,
fluoreszierenden, organischen Verbindung (Szintillationscocktail)
wird die ionisierende Strahlung, die beim radioaktiven Zerfall
emittiert wird, in Licht umgewandelt. Dabei laufen die folgenden
Prozesse ab:
Aufnahme der Zerfallsenergie durch Lösungsmittelmoleküle
Übertragung der Energie auf die Szintillatormoleküle
Anhebung der Szintillatormoleküle in den angeregten Zustand
Rückkehr in den Grundzustand geschieht mit Abgabe von Licht.
Mit einem Szintillationscocktail können prinzipiell Gase,
Flüssigkeiten und Festkörper gemischt werden. Es muss eine
möglichst farblose, homogene, zeitlich und chem-isch stabile
Mischung entstehen.
Aus einer großen Anzahl kommerziell
verfügbarer Szintillationscocktails kann das individuell am besten
geeignete System gewählt werden. Das Volumenverhältnis des zu
messende Probenmaterials (mit oder ohne radiochemischer
Reinigung) muss experimentell bei der Kalibrierung optimiert und
auf die jeweilige Messprobenart und zu bestimmende Radionuklid
angepasst werden.
Radionuklid
Ionisierende
Strahlung
Szintillationscocktail
Licht
Registrierung
Photomultiplier→MCA→PC
→Pulshöhe
→Kanalnummer
→Strahlungsenergie
Abbildung 19:
Prinzip des Liquid
Scintillation
Counting (LSC).
Pulshöhenspektrum
→Pulsrate
→Impulse pro Kanal
→ROI-Wahl
→Aktivtität
Kalibrierung
Nulleffektszählrate
Qualitätssicherung
Aktivitätsbestimmung
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
Tabelle 20:
Typische Werte des
physikalischen
Wirkungsgrads bei
LSC-Messungen.
Energiebereich
Nuklid
41
Ca
Pu
241
niedrig
3
H
55
mittel
Fe
63
Ni
14
C
45
Ca
99
Tc
36
Cl
40
hoch
90
89
/90
Sr/ Y
Sr
241
Die Wahrscheinlichkeit, dass bei der Emission eines α−Teilchens,
eines Elektrons oder eines γ−Quants ein Szinitillatormolekül
getroffen und in der Folge ein Lichtblitz erzeugt und detektiert wird,
ist in dieser Messgeometrie besonders hoch, falls sonstige
Störungen,
z.B.
Farbquench
oder
Chemolumineszenz,
vernachlässigbar sind. Dadurch können auch bei niederenergetischen Strahlungen hohe physikalische Wirkungsgrade
erreicht werden (siehe Tabelle 20).
Halbwertszeit
T1/2
Emissionswahrscheinlichkeit y(i)
−
/ (Bq·s)-1
Zerfalls-art
β ) /keV ηPhys/Ips/Bq
Emax /keV Ē(β
100000 y
14,4 y
ec
12,346
2,775
100,1
5730
163
213000
301000
β
ec
y
y
y
y
d
y
y
Am
β-
1,00
12
-
1,00
18
-
1,00
1,00
1,00
1,00
0,981
0,8933
< 0,006
0,1067
1,00/1,00
1,00
1
0,36
67
156
257
292
714
1314
483
1460,83
546/2279
1500
5486
59,54
β
β
β
β
β
β
+
β
γ
β
β
α
γ
1,28E+09 y
K
74
28,6 y
50,55 d
432 y
≈ 3,5
5,236
0,1
0,15
5,683
≈ 5,9
17,1
49,45
77,23
85
278,8
585
3
0,3
0,3
0,5
0,55
0,63
0,67
0,92
0,99
196/935
583
1
6.2.3 Cerenkov-Counting
Wenn sich ein hochenergetisches geladenes Teilchen, z.B. ein
Elektron, das nach dem Zerfall von ³²P in einem geeigneten,
transparentem Medium befindet (siehe Abbildung 20), kann es die
Lichtgeschwindigkeit in diesem Medium überschreiten, wenn gilt:
β·n > 1
mit β =
cn
c0
n: Brechungsindex
cn: Lichtgeschwindigkeit im transparenten Medium mit
Brechungsindex n
c0: Lichtgeschwindigkeit im Vakuum
In diesem Fall wird elektromagnetische Strahlung in Form von
sichtbarem Licht kurzer Wellenlänge (blau in Wasser) emittiert, die
Cerenkov-Strahlung genannt wird. Diese Strahlung pflanzt sich als
Schockwelle ähnlich der nach dem Durchbruch eines Flugzeugs
durch die Schallmauer fort. Die Energie des Elektrons muss einen
bestimmten Schwellenwert überschreiten, der abhängig ist vom
Brechungsindex n. Bei der Anwendung von Wasser mit einem
Brechungsindex von n = 1,33 liegt diese Schwellenenergie bei 270
keV.
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
75
Abbildung 20:
Prinzip: CerenkovCounting.
Flüssigkeit: n > 1
Cerenkov-Licht
Photomultiplier
Photomultiplier
e³²P
Glas- oder PE-Vial (20 mL)
Hochenergetische β-Strahler
n: Brechungsindex
Allerdings geht bei der Entstehung des Cerenkov-Lichts die
Beziehung zwischen der Energie des Elektrons und der Pulshöhe
verloren, so dass energieauflösende Messungen nicht möglich
sind. Zur Detektion mit Cerenkov-Counting sind Radionuklide wie
³²P, 90Y oder 40K besonders geeignet. Charakteristisch für
Cerenkov-Counting ist:
• schnelle Lichterzeugung (10-12 s)
• niedrige Lichtausbeute ⇒ niedriger physikalischer
Wirkungsgrad (100 Lichtquanten pro MeV)
• ca. 0,1% der Teilchenenergie wird sichtbares Licht
In der folgenden Abbildung 21 ist der physikalische Wirkungsgrad
gegen die maximale β-Energie für LSC und Cerenkov-counting
aufgetragen.
LSC
η Phys [cps/Bq]
1
Abbildung 21:
Physikalischer
Wirkungsgrad
gegen die
Maximalenergie von
β−Strahler bei
Cerenkov-Counting
in Wasser im
Vergleich zu LSC
mit dem
Szintillationscocktail
QSA.
0,1
Cerenkovcounting
0,01
1
10
100
1000
10000
Em ax [keV]
Die Unterschiede zu Szintillationslicht bei LSC sind:
• Szintillationslicht wird isotrop emittiert
• Cerenkov-Licht wird hauptsächlich längs der Teilchenbahn
emittiert.
• Cerenkov-Counting ermöglicht keine Energieauflösung
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
76
6.3 Halbleiterdetektoren
Detektoren aus Halbleitermaterial (HL) in kristalliner Form sind
Festkörperdetektoren, deren elektronische Struktur aus dem
Valenzband und dem Leitungsband besteht, die durch die
Bandlücke getrennt sind. Typisch für Halbleiterkristalle ist das die
Bandlückenenergie Egap Werte von um 1 eV aufweist. Dadurch ist
ionisierende Strahlung in der Lage, Elektronen aus dem
Valenzband, in dem sie gebunden sind, in das Leitungsband, in
dem sie beweglich sind, in großer Zahl zu bringen.
Leitungsband
Energie
Abbildung 22:
Elektronische
Struktur eines HL.
Elektron
Lückenenergie
Egap
Bandlücke
Valenzband
+
Loch
Dadurch bleibt eine Lücke im Valenzband, das als positive
Elementarladung ebenfalls beweglich ist. Legt man an einer Diode
in Sperrrichtung eine Spannung an und werden darin durch
ionisierende Strahlung Elektron-Lochpaare gebildet, so entstehen
Ladungspulse, die gesammelt und detektiert werden können. In der
Praxis werden häufig Silizium (Si) und Germanium (Ge)
verwendet.
Wegen
der
starken
Abhängigkeit
der
Wechselwirkungswahrscheinlichkeit von der Ordnungszahl Z des
Detektormaterials wird γ−Strahlung in Ge weitaus stärker absorbiert
als in Si. Deshalb ist Ge besser zur Detektion von γ−Strahlung
geeignet. Andere Halbleitermaterialien mit noch höheren
Kernladungszahlen wie CdTe oder HgI2 wurden auf Eignung zur
γ−Messung untersucht, haben sich aber nicht durchgesetzt. Wegen
der geringen Bandlückenenergie bei Halbleitern von nur rund 1 eV
können schon bei Raumtemperatur Elektron-Loch-Paare und damit
(thermisches) Rauschen erzeugt werden. Bei Raumtemperatur
beträgt die durch thermische Anregung erzeugte Leitfähigkeit bei Si
rund 4·10-4 S/m2 bei Ge dagegen rund 1·10-2 S/m. Um hohes
thermisches Rauschen zu vermeiden, muss bei Verwendung von
Ge (EGap = 0,79 eV) der Detektorkristall gekühlt werden. Dies geschieht mit flüssigem Stickstoff (Siedepunkt: 77 K) oder durch
elektrische Kühlung (Peltiereffekt). Si-Detektoren (EGap = 1,09 eV)
können
bei
Raumtemperatur
betrieben
werden.
Halbleiterdetektoren müssen in extrem hochreiner Form vorliegen,
da Verunreinigungen weitere Ladungsträger erzeugen und so
Leckströme verursachen,
die
die Ladungssammlung durch
ionisierende Strahlung signifikant stören und so Spektrometrie
unmöglich machen. Hochreine Ge-Kristalle (HPGe: High Purity
Germanium) erhalten nur ein Fremdatom pro 1010 Ge–Atome. In
Halbleiterdetektoren wird eine Energie von ca. 3 eV benötigt, um
ein Elektron-Lochpaar zu erzeugen. Daher entsteht bei Si und bei
Ge eine Energie von 1 MeV über 330.000 Elektron-Loch-Paare.
2
S/m: Siemens pro Meter: Einheit für die elektrische Leitfähigkeit
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
77
6.4 Auswahl der Detektoren
Die Auswahl der Detektoren richtet sich nach den Anforderungen
der radioanalytischen Aufgabenstellung, die in der Praxis sehr
unterschiedlich sein können. Einfluss auf die Auswahl der
geeigneten
Detektoren
nehmen
die
Strahlungsart,
die
Energieauflösung, die Nachweisgrenze, Richtigkeit und Präzision,
das Radionuklid (Gemisch oder Einzelnuklid, Brutto- oder
Einzelbestimmung),
die
chemische
Form
und
der
Aggregatszustand der zu messenden Medien. Die folgende Tabelle
21 zeigt die für die Messung unterschiedlicher Strahlungsarten
geeigneten Detektoren.
Tabelle 21:
Kriterien zur
Auswahl von
Kernstrahlungsdetektoren.
Strahlenart
α
Ionisations
-kammer
Proportionalzähler
Günstig
sehr
günstig
geeignet
Ungeeingnet
Ungeeingnet
Ungeeingnet
Ungeeingnet
β
(>1 MeV)
β
(<0,5 MeV)
γ
(>0,1 MeV)
γ
(<0,1 MeV)
günstig
Ungeeingnet
Ungeeingnet
GeigerMüllerZähler
ungünstig
Szintillationsdetektor
geeignet
sehr
günstig
ungünstig
günstig
ungünstig
sehr
günstig
günstig
geeignet
geeignet
HalbleiterDetektor
sehr
günstig
geeignet
günstig
sehr
günstig
sehr
günstig
7. Spektrometrie
Unter geeigneten Betriebsbedingungen ist die Pulshöhe der
gesammelten Ladung, die durch die im Detektormaterial
absorbierte ionisierende Strahlung erzeugt wurde, und der
Strahlungsenergie proportional. Wenn man eine große Anzahl
solcher Pulse aufnimmt und prüft, so wird man feststellen, dass
ihre Pulshöhen nicht gleich sind. Änderungen dieser Pulshöhen
entstehen durch Unterschiede in den Strahlungsenergien
(Rückstoß, nuklear bedingte Fluktuationen) oder durch
Fluktuationen im Ansprechverhalten des Detektors auf
monoenergetische Strahlung. Die Verteilung der Pulshöhe ist eine
grundlegende Eigenschaft des Detektors, aus der die Information
über Energie und Aktivität (Spektrometrie) abgeleitet wird. Die
wichtigste Methode der Darstellung der Verteilung der Pulshöhe ist
das Pulshöhenspektrum (Abbildung 23).
Differentielles
Pulshöhen-spektrum
am Beispiel eines
energieauflösenden
Detektors und
monoenergetischer
Strahlung nach Knoll
[3].
dN/dH
Abbildung 23:
0
5
10
15
Pulshöhe H
H0
20
25
30
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
78
Auf der Abzisse sind die Pulshöhen (Energie) aufgetragen. Die
Ordinante gibt die in den einzelnen Pulshöhenintervallen dH
innerhalb der Messzeit angesammelten Impulse dN.
Bei
monoenerge-tischer Strahlung hat die differentielle Pulshöhenverteilung im Idealfall die Form einer Normalver-teilung (Peak). Bei
verschiedenen Detektormaterialen ergeben sich unterschiedliche
Formen (folgende Abbildungen 24a –d) der Pulshöhenspektren:
Abbildung 24a:
Pulshöhenspektren
bei monoenergetischer Strahlung
(ideal).
dN/dH
Ideales Pulshöhenspektrum
FWHM
0
5
10
H
200
15
25
30
Pulshöhe H
Pulshöhenspektrum eines monenergtischen γ-Strahlers mit einerErergie von > 1022 keV
double escape
Eγ - 1022 keV
Eγ - 1022 keV
single escape
Eγ - 511 keV
counts per channel
Abbildung 24b:
Pulshöhenspektren
bei monoenergetischer Strahlung: γSpektrum
(schematisch)
Eγ - 511 keV
Vernichtungspeak
511 keV
Eγ
channel number
300
Abbildung 24c:
Pulshöhenspektren
für α−Strahlung:
(α−Spektrum) von
239
Pu, 241Am, 244Cm.
250
239
Pu (5,157 MeV )
241
200
Am (5,486 MeV)
150
100
244
Cm (5,805 MeV)
50
0
200
240
280
320
360
400
440
480
520
560
600
640
680
720
760
800
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
LSC-Spektrum von
Abbildung 24d:
LSC-Spektrum von
89
Sr und 90Sr
90
Sr,
89
79
90
Sr und Y nach radioachemischer Reinigung von
10 g Milchasche
30
90
Sr
25
Ipm pro Kanal
20
15
89
Sr
10
90
5
Y
0
0
100
200
300
400
500
600
700
800
900
1000
Kanäle
2g B aC O 3 + HP #1001338 +5mL H 2O + 14mL QS A
0,4
Abbildung 24e:
LSC-Spektrum von
14
C
0,35
0,3
c pm /c hn
0,25
0,2
0,15
0,1
0,05
0
0
100
200
300
400
500
600
700
800
900
1000
-0,05
c hn
Die Größe FWHM (Full Width at Half Maximum) (siehe Abbildung
24a) ist definiert als volle Breite des halben Maximmun eines
idealen Pulshöhenpeaks und wird als Maß für die Energieauflösung
verwendet.
Um
die
Energieauflösung
verschiedener
Detektorssysteme vergleichen zu können,
wird
die
Energieauflösung R in % angegeben. R ist definiert als:
R=
FWHM
H0
H0: Pulshöhe am Maximum der Impulszahlen
Für verschiedene Detektormaterialen ergeben sich folgende Werte.
Tabelle 22:
Energieauflösung
bei verschiedenen
Detektorarten.
Detektor- Detektierte FWHM Nuklid Energie
R
material
Strahlung [keV]
[MeV]
[%]
ArMethan
35
0,6
α
241
Am 5,486
50
0,9
(3-11 MeV)
Si
Ge
NaJ(Tl)
γ
(<0,05MeV)
γ
(≈ 0,1 MeV)
γ
(0,1-0,5MeV)
0,1-0,2
55
0,2-0,4
122
Co
0,122
≈66
137
Cs
0,662
Fe
0,006
Bemerkung
R ist
unabhängig
von der
Energie
abhängig
2,5
von der
0,16 Energie
0,23
≈10
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
80
8. Detektion von Neutronen
Neutronen werden zu den indirekt ionisierenden Strahlungsarten
gezählt. Daher basiert die Detektion weitestgehend auf der
Produktion von sekundärer ionsierender Strahlung durch Neutronen. Je nach Neutronenenergie müssen verschiedene Methoden
angewendet werden: Thermische Neutronen treffen auf Kerne von
geeigneten Detektormaterialien, in denen diese geladene Teilchen
durch neutroneninduzierte Kernreaktionen emittieren, wie z.B. (n,
p) oder (n, α)-Reaktionen oder Kernspaltung.
Beispiel: Detektion thermischer Neutronen: Reaktionen:
10
B (n, α) 7Li, 3He (n, p) 3H , 235U(n, f) …
Detektorarchitektur: Ionisationskammern werden auf deren innerer
Schicht mit 10B oder 235U ausgekleidet oder sie sind mit 10BeF3 oder
3
He gefüllt.
Hochenergetische Neutronen können z.B. detektiert werden, wenn
man wasserstoffhaltiges Füllgas verwendet, in dem man die
Rückstoßprotonen misst, die von den Neutronen erzeugt werden.
9. Zählunsicherheit
Radioaktiver Zerfall folgt der Poissonverteilung. Daher kann der
Zeitpunkt des Zerfalls eines einzelnen Kerns nicht vorhergesagt
werden und jede gemessene Zählrate ist mit einer statistischen
Unsicherheit verbunden. Wird die Anzahl der Impulse I eines
langlebigen Radionuklids wiederholt (n mal) unter identischen
Bedingungen gemessen so wird eine Verteilung der Bruttoimpulse
Ii´ um den Mittelwert δ beobachtet
I 1´ + I 2´ + I 3´ + … + I n´ = 1 Σ I ´
i
n
n
Die Breite der Verteilung ist charakterisiert durch die
Standardabweichung σ (Wurzel der Varianz σ²):
Σ(Ii´ - δ)²
σ² =
n
δ=
Für n → ∞ und kleine δ gilt die Poisson-Verteilung (folgende
Abbildung 17a):
(δ)I´
W(I´) =
·e-δ
I´!
W(I´): Wahrscheinlichkeit dafür, dass innerhalb der Messzeit die
Bruttoimpulse I´ gezählt werden.
δ: Mittelwert der Impulse.
Frage: Wie lange muss man messen, wenn eine 32P-haltige
wässrige Probe (A(32P) = 350 Bq) mit Cerenkov-Counting
(ηPhys = 35%; R0 = 30 cpm) gemessen werden soll und dabei die
Zählunsicherhiet < 1% betragen muss?
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
81
Abbildung 25:
Poissonverteilung
der Wahrscheinlichkeit W(I´) I´ Impulse
während der
Messzeit tM zu
registrieren, wenn
der Mittelwert δ
beträgt
W(I´)
Poissionverteilung
0,2
0,18
0,16
0,14
0,12
0,1
0,08
0,06
0,04
0,02
0
δ= 70 Imp
δ= 30 Imp
δ= 10 Imp
δ= 5 Imp
1
10
I´[Imp]
100
Bei höheren Werten von I´ geht die asymmetrische
Poissonverteilung in eine symmetrische Gauss-verteilung über.
Gemäß dieser Verteilung gibt es eine Wahrscheinlichkeit von
68,3% dass die Anzahl der Impulse im Intervall │Ii´- Î│< σ, 95%
innerhalb von 1,96σ und 99,7% innerhalb von 3σ ist. Für die
Poissonverteilung gilt: σ =± √δ
Beispiel: I´= 10.000 Impulse; Zählunsicherheit: σ = √10.000 Impulse
= 100 Impulse.
Relative Zählunsicherheit :
σ/I´ = 100 Impulse /10.000 Impulse = 1%.
10. Ortsauflösende Detektoren
10.1 Photografische Emulsionen (Autoradiographie)
Die ortsauflösenden Detektoren machen die Spuren der
ionisierenden Strahlung sichtbar. Die ältesten Detektoren dieser Art
sind photographische Platten (Becquerel 1896). Photografische
Emulsionen auf Platten oder Filmen zeigen die Position von
Radionukliden an (Autoradiographie). Der Hauptvorteil der
Autoradiographie ist die Möglichkeit der genauen Lokalisation von
Radionukliden, die α− oder β-Strahlen emittieren. Glatte
Oberflächen sind erforderlich. Die Proben können sein: Metalle,
polierte Oberflächen von Mineralien, Papierchromatogramme oder
dünne Schnitte von Gewebe biologischen oder medizinischen
Ursprungs. Die Dicke der photographischen Emulsion sollte nicht
größer sein als 10 µm.
Abbildung 26:
Autoradiographie:
Einfluss des
Abstands zwischen
der radioaktiven
Probe und der
photographischen
Emulsion.
Bereich der Schwärzung
Bereich der Schwärzung
Photographische Emulsion
Luft
radioaktive Probe
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
82
10.2 Dielektrische Spurdetektoren
Schwere ionisierende Teilchen erzeugen Spuren von Strahlungsschäden in isolierenden oder halbleitenden Materialien. Die Spuren
haben die Form zylindrischer Kanäle mit Abmessungen von 1 bis
10 nm. Ohne weitere Behandlung kann sie nur mit einem
Elektronenmikroskop beobachtet werden aber nach Ätzung z.B.
durch HF werden sie auch mit dem normalen Lichtmikroskop
sichtbar. Bereiche, die von ionisierender Strahlung vorgeschädigt
sind, werden sehr viel schneller weggeätzt als nicht geschädigtes
Material. Es gibt unterschiedliche Verfahren der Ätzung in
verschiedene Materialien, wie Mineralien, Gläser, anorganische
Kristalle und Plastikmaterialien. Mica wird häufig angewendet. Da
die Ätzrate von der Ionisationsdichte abhängt, können die
Kernladungszahl
Z
der
Teilchen
identifiziert
werden.
Festkörperspurdetektoren wurden angewendet zur Untersuchung
der Spontanspaltung von Transurannukliden, von kosmischer
Strahlung in großen Höhen (ca. 20 km) und bei der Datierung von
Mineralien durch das Auszählen der Anzahl der Spuren. Eine
weitere Anwendung ist die Dosimetrie von α−Teilchen und
Neutronen.
11. Isotopenverdünnungsanalyse
Die Isotopenverdünnungsanalyse ist eine in der Radioanalytik weit
verbreitete
Anwendung
der
Verdünnungsanalyse.
Die
Verdünnungsanalyse wird insbesondere dann angewendet, wenn
eine quantitative Abtrennung des gesuchten Elements bzw. der
gesuchten Verbindung nicht möglich ist. Die quantitative Trennung
wird umgangen. An ihrer Stelle tritt die Abtrennung einer beliebigen
Menge Substanz in reiner Form. Die quantitative Isolierung von
kleinsten Mengen eines Radionuklids ist oft sehr schwierig, da
praktisch alle Trennmethoden mit Ausbeuteverlusten verbunden
sind. Um bei unbekannten Ausbeuteverlusten dennoch richtige und
präzise Wert der Aktivität AX des zu bestimmenden Radionuklids X
ermitteln zu können, wendet man das Prinzip der Isotopenverdünnungsanalyse an.
11.1 Radioaktiver Ausbeuteträger
Man fügt der unbekannten Aktivität AX einer Probenlösung eine
bekannte Aktivität AT eines radioaktiven Trägerisotops T zu. Es ist
darauf zu achten, dass sich die Strahlungsenergien des Trägerisotops T und des zu bestimmenden Radionuklids X unter Berücksichtigung des Energieauflösungsvermögens des verwendeten
Detektorsystems signifikant unterscheiden. Nach Beendigung der
radiochemischen Reinigungsverfahren wird das Präparat gemessen und die Nettozählraten RT bzw. RX des Trägerradionuklids
T bzw. des zu bestimmenden j Radionuklids X er-mittelt. Nach
folgender Gleichung sind die Nettozählraten RT bzw. RX
RX = ηphy,X · ηch,X · YX · AX
RT = ηphy,T · ηch,T · YT · AT
und
In dieser Gleichung steht
− ηphy,X bzw.ηphy,T: für die physikalischen Wirkungsgrade der
Strahlungen von X bzw. T.
Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler
83
 ch,T: für die chemischen Ausbeuten von X bzw. T.
− ηch,X bzw. η
− YX bzw. YT für die Emissionswahrscheinlichkeiten X bzw. T.
Da X und T Isotope desselben Elements sind, gilt:
ηch,X = ηch,T = ηch
Aus den obigen Gleichungen kann man ableiten:
RX
=
RT
ηphy,X · ηch · YX · AX
ηphy,T · ηch ·YT · AT
Daraus ergibt sich für AX:
AX = AT
·
ηphy,T ·YT RX
ηphy,X · Y·X RT
Beispiel: α-spektrometrische Bestimmung von 239Pu (5,156 MeV)
unter Anwendung des Ausbeuteträgers 242Pu (4,901 MeV). Im
Rahmen der Bestimmungsunsicherheiten gilt:
ηphy,X = ηphy,T ≈ 0,25 Ips/Bq und YX = YT ≈ 1,000 (Bq·s)-1
Unter diesen Voraussetzungen gilt:
AX = AT ·RX/RT
Frage: Nach einer Messzeit von TL = 1000 min wird nach einer
radiochemischen Abtrennung unter Anwendung von 0,14 Bq 242Pu
bei der α−Linie des 239Pu eine Impulszahl von NX = 52 und bei dem
Ausbeuteträger 242Pu NT = 1420 bestimmt. Die Nulleffektszählraten
R0,X bzw. R0,T betragen für beide Radionuklide jeweils 0,001 Ipm. a)
Berechnen Sie die Aktivität des 239Pu. b) Berechnen Sie unter
Verwendung der in obigen Beispiel genannten Daten die
chemische Ausbeute des Pu.
11.2 Stabiler Ausbeuteträger
Analog zur Verwendung eines Radionuklids als Ausbeuteträger
kann auch eine bestimmte Menge mT,1 eines inaktiven isotopen
Trägers vor Beginn der Abtrennung zugegeben werden. Nach
Beendigung des radiochemischen Trennungsgangs wird die
Aktivität AX,2 bestimmt und ebenfalls die Menge mT,2 des Trägers.
Diese Bestimmung kann z. B. grafimetrisch, photo-metrisch,
titrimetrisch oder unter Einsatz der AAS erfolgen. Die gesuchte
Aktivität AX,1 des Radionuklids X vor der des radiochemischen
Trennung beträgt dann:
AX,1 = AX,2·
mT,1
mT,2
Das Verhältnis mT,2/mT,1 gibt die chemische Ausbeute ηch. des
Trennverfahrens an.
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