Dark Matter Katharina Müller Universität Zürich [email protected] 28. Juni 2002 Inhaltsverzeichnis 1 Dark matter 1.1 1.2 2 Materiedichte im Universum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 1.1.1 Supernovae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 1.1.2 Nukleosynthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 1.1.3 Kosmische Hintergrundstrahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Dark Matter Kandidaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 1.2.1 MACHO, braune Zwerge, schwere Planeten . . . . . . . . . . . . . 8 1.2.2 Gravitationslinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 1.2.3 Nicht-barionische dunkle Materie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 1.2.4 WIMPs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1.2.5 Axionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 1.2.6 Neutrinos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Katharina Müller 1 Dark Matter Kapitel 1 Dark matter 1.1 Materiedichte im Universum Es gibt sehr deutliche Hinweise darauf, dass der überwiegende Teil der Materie im Universum dunkel ist, also nicht leuchtet. Die wichtigsten Beobachtungsbefunde sind die Folgenden: • Rotationskurven von Spiralgalaxien: • Zusammenhalt von Galaxiehaufen. Die Galaxiecluster können nur zusammenhalten, wenn die Galaxien sehr viel mehr Materie haben als tatsächlich sichtbar ist. • Strukturbildung und kosmische Hintergrundstrahlung zusammen ergeben, dass sich die heute sichtbaren Strukturen nicht hätten bilden können, wenn unser Universum nur normale Materie enthalten würde. Abzählen von Sternen Nukleosynthese Dunkle Materie in Halos (Rotationskurven) Relativbewegung der Galaxien Ausbildung grosser Strukturen Supernova + Hintergrundstrahlung Supernova + Hintergrundstrahlung ΩSterne = 0.005 − 0.01 0.0095 < ΩBaryon < 0.023 ΩHalo > 0.1 ΩM atter > 0.3 ΩM atter > 0.3 Ωtot = 1 ΩΛ = 1 dabei ist ΩM atter = ΩBaryon + ΩDark und wir wissen vor allem aus Messungen der Isotropie der Hintergrundstrahlung, dass Ωtot = ΩM atter + ΩΛ = 1. ΩLambda nennt man auch Dark Energy oder Vakuumsenergie über die man gar nichts weiss Katharina Müller 2 Dark Matter Die Messung von ΩHalo kann nur eine untere Grenze geben, da wir nicht wissen, wie weit sich der Dark-Matter Halo über den sichtbaren Bereich hinaus noch ausdehnt. Er wird vermutlich eine grössere Ausdehnung haben, als die sichtbare Galaxis, da die Rotationskurven bis zum Ende keinen Abfall zeigen. Das heisst 95% der Materie und Energie des Universums wurde noch nicht im Labor gesehen. Sie strahlt nicht und bewirkt keine detektierbare Absorption. Man nimmt deshalb an, dass sie nur schwach und gravitativ wechselwirkt. Rotationskurven Starke Hinweise auf zusätzliche Massen erhält man aus Rotationskurven von Spiralgalaxien. Sterne und Gas in Spiralen rotieren um deren Zentrum. Aufgrund des steilen (exponentiellen) Helligkeitsabfalls der sichtbaren Materie erwartet man, dass die Rotationsgeschwin√ digkeit weit draussen wie 1/ r abfÄllt. Dies ist nicht der Fall: die Rotationskurve für grosse r bleibt flach, v(r) const. für grosse r. Daraus schliesst man, dass es mehr Materie in Spiralen geben muss als man sieht, M (r)r: Spiralen sind von einem Dunklen Halo umgeben, der sich vermutlich bis über 100kpc vom Zentrum erstreckt (der optische Radius ist etwa nur 10kpc). Bis zu diesen Radien enthalten Spiralen etwa 10 mal mehr Masse, als man in den Sternen allein sieht. Die gemessenen Geschwindigkeiten steigen stark mit zunehmendem Radius. Wenn man annimmt, dass es nur Gravitation gibt kann man die erwartete Geschwindigkeit aus den Newtonschen Gesetzen ausrechnen: v 2 (r)/r = GM (r)/r2 , → v(r) = s GM (r) r (1.1) Wenn man für M(r) die Masse des Galaktischen Zentrums einsetzt, erwartet man, q dass die Geschwindigkeit für grosse Distanzen (ausserhalb des sichtbaren Radius) mit 1/ (r) abnimmt. Beobachtet wird aber, dass die Geschwindigkeit für grosse Distanzen stark ansteigen und sich dann einer konstanten Geschwindigkeit von etwa 100-200 km/s nähert. Das Verhältnis M (r)/r muss also etwa konstant sein. Die folgende Figur zeigt die Rotationskurve von M33, einer Galaxie aus der Lokalen Gruppe, der auch wir zusammen mit etwa 45 anderen Galaxien angehören. Die untere Kurve zeigt die erwartete Geschwindigkeit, für die sichtbare Masse von M33, 4 × 1010 MSonne . Katharina Müller 3 Dark Matter Abbildung 1.1: Rotationskurve von M33, einer Galaxie aus der Lokalen Gruppe.. Die untere Kurve zeigt die erwartete Geschwindigkeit, für die sichtbare Masse von M33, 4 × 1010 MSonne Diese flachen (oder auch ansteigenden) Rotationskurven wurden für etwa 1000 Spiralgalaxien gemessen, darunter auch die Milchstrasse. Wenn man annimmt, dass die Newtonschen Gesetze weiterhin gültig sind, folgt aus der Beobachtung M (r)/r ≈ konst, dass es zusätzlich zu der sichtbaren leuchtenden Materie einen ausgedehnten Dark Matter Halo gibt. Bei kleinen Distanzen macht die Dunkle Masse nur einen kleinen Bruchteil der Gesamtmasse aus, dominiert aber bei grossen Abständen. Die totale dunkle Masse muss etwa 10 mal grösser sein als die sichtbare. Zusätzlich wird diese Beobachtung auch gestützt durch Messungen der Relativbewegung von Galaxien zueinander (am einfachsten natürlich, wenn das System nur 2 Galaxien enthält) und von Galaxiehaufen mit heissem Gas. Ohne zusätzliche Materie wäre es nicht möglich, das Gas zu halten . An dieser Stelle ist es wichtig, zu bemerken, dass die Notwendigkeit für Dunkle Materie Katharina Müller 4 Dark Matter auf Messungen beruht. Sie ist unabhängig vom Urknall Modell und dessen Parametern. Die Verteilung der dunklen Materie kann aus den Rotationskurven abgeschätzt werden. Sie unterscheidet sich sehr stark von der Verteilung der leuchtenden Materie: Viel dunkle Materie ist weit weg vom Zentrum. Wenn man annimmt, dass sie etwa sphärisch verteilt ist, erhält man die Verteilung wie in Figur 1.2. Die Dichte der sichtbaren Materie ist ebenfalls eingezeichent. Abbildung 1.2: Verteilung der Dunklen Materie in unserer Galaxie aus der Messung der Rotationskurve unter der Annahme einer sphärischen Verteilung. 1.1.1 Supernovae Bis Ende der 90er Jahre waren Supernovas selten zu beobachtende Ereignisse. Mit dem Supernova Cosmology Project mit Teleskopen, die den Himmel immer beobachten wurden ganz viele Supernovas auch bei grosser Rotverschiebung beobachtet. Das sogenannte Supernova Hubble Diagramm erlaubt Aussagen über die Ausdehnung des Universums über eine sehr lange Zeit. Daraus ergibt sich eine Abschätzung von ΩM und Ωtot Typ Ia Supernovas werden als kosmische Kerzen benutzt, da ihre maximale Helligkeit nicht sehr stark variiert (15%). Aus der gemessenen Helligkeit lässt sich dann die Distanz abschätzen. Zwei Gruppen haben die Eigenschaften von Supernova I Explosionen im frühen Kosmos Katharina Müller 5 Dark Matter (0.1 < z < 1.3), dies entspricht einem Alter von 4·109 −7·109 Jahre untersucht. Supernova Cosmology Project seit 1989 (Perlmutter et al.) und High-z Supernova Search Team seit 1995 (Garnavich et al.) Nun beobachtet man bei Supernovas aus dem frühen Universum, dass sie eine geringere Leuchtkraft besitzen, als sie aufgrund ihrer Distanz - aus der Rotverschiebung - haben müssten. Eine Erklärung wäre dass die Supernova weiter entfernt ist, als aus der Rotverschiebung geschlossen, also H(t) < H(heute) (beschleunigte Expansion). Dies bedeutet umgekehrt, dass die Dichte der gravitativ wirkenden Materie kleiner als ρcrit sein muss. Die Analyse ergibt einen Wert von ΩM = 0.2 mit einem grossen Fehler. 1.1.2 Nukleosynthese Für Temperaturen grösser als 109 K liegen alle Nukleonen als freie Teilchen vor, wenn sich Deuterion bildet, wird es sofort von den hochenergetischen Photonen wieder zerstört. (Bem. es gibt sehr viel mehr Photonen als Baryonen η = nB /nγ ' 3·10−8 Ωb h2 ). Erst wenn die Temperatur genügend klein ist, ist die Dichte der Photonen mit Energie grösser als 2.2 MeV so klein, dass Deuterion gebunden bleibt (T < 109 K). In den folgenden Reaktionen werden praktisch alle Neutronen in 4 He gebunden, der Massenanteil von 4 He beträgt etwa 25%. Diese Vorhersage der Kosmologie wurde durch Messungen eindrucksvoll bestätigt. • Baryonenkonzentration grösser: späterer Abbruch, kleinerer Rest Deuterium Deuterium kann umso effizienter gebildet werden, je kleiner das Photon/Barion Verhältnis ist. Deswegen liefert der gemessene Wert der Häufigkeit von 4 He einen Schätzwert für η und somit auch Ωb , da die Photondichte aus der Hintergrundstrahlung bekannt ist. Noch empfindlicher auf Ωb sind allerdings D, 3 He und 7 Li. • Zahl der Neutrinofamilien grösser: schnellere Expansion, mehr Neutronen, mehr Helium Die Zeit zwischen dem Ausfrieren des n/p Verhältnis und dem Einsetzen der Nukleosynthese - und damit die Anzahl Neutronen, die zur Verfügung stehen - hängt von der Expansiosrate ab. Diese umgekehrt ist stark ahängig von der Anzahl relativistischer Teilchen, insbesonders von der Anzahl Neutrinos. Die Messung ist kompatibel mit 3 Neutrinofamilien(Nν < 3.6). • Starke Wechselwirkung stärker: Mehr Neutronen zu Helium, kleinerer Rest Deuterium. Eventuell 2He stabil Katharina Müller 6 Dark Matter schwächer: Weniger Neutronen zu Helium, grösserer Rest Deuterium, eventuell sogar Deuterium instabil • Elektromagnetische Wechselwirkung strker: Mehr Neutronen, aber weniger Neutronen zu Helium, grerer Rest Deuterium. schwcher: Weniger Neutronen, aber mehr Neutronen zu Helium, kleinerer Rest Deuterium. Eventuell 2He stabil • Schwache Wechselwirkung stärker: Weniger Neutronen, Eventuell 2He stabil schwächer: Mehr Neutronen, Eventuell bleibt kein Wasserstoff übrig Aus den gemesssenen Häufigkeiten schliesst man 0.0095 < Ωb < 0.025. 1.1.3 Kosmische Hintergrundstrahlung Die Anisotropie der kosmischen Hintergrundstrahlung gibt uns Informationen über Dichtefluktuationen im Universum vor zur Zeit der Auskopplung der Photonen (300000 Jahre). Sie ist empfindlich sowohl auf die totale Dichte als auch auf Ωb (siehe nächste Vorlesung). Die Messungen von Boomerang geben Ωtot 0.98 ± 0.15 ΩΛ 0.62 ± 0.15 ΩM 0.39 ± 0.13 Ωb 0.05 ± 0.02 Die Messung der barionischen Dichte ist Konsistent mit dem Resultat aus der Nukleosynthese. 1.2 Dark Matter Kandidaten Mögliche Kandidaten für Dark Matter sind sowohl astronomische Objekte als auch Teilchen aus der Teilchenphysik. Kandidaten für Dark Matter müssen neutral sein, damit sie keine Photonen emittieren und Masse haben, damit sie das Problem lösen. • Barionisch ΩB < 0.023 aus Nukleosynthese Katharina Müller 7 Dark Matter – MACHOs (Massive Astronomical Compact Halo Objects): Sterne mit kleiner Masse - Braune Zwerge; almost stars - Jupiter; Schwarze Löcher mit weniger als Sonnenmasse • Nicht barionisch ΩM − ΩB ≈ 0.3 – WIMPs (Weakly Interacting Massive Particles): zB SUSY: LSP (Neutralino) schwere (10 to 1000GeV ) Neutrino – Neutrino: (Tau) Neutrino hat Masse 10 bis 30 eV – Axionen, etc.: Leichte Teilchen, Masse < 0.1eV – modifizierte Gravitation - auf galaktischer Skala 1.2.1 MACHO, braune Zwerge, schwere Planeten MACHO (massive compact halo objects) sind gute Kandidaten für barionische dunkle Materie in den Galaxien, es sind entweder braune Zwerge, Riesenplanete (Jupiter-ähnlich), schwarze Löcher oder Neutronensterne. Braune Zwerge sind sternartige Objekte, deren Masse (m< 0.1MS ) nicht reicht, um eine thermonukleare Verbrennung zu beginnen. Da sie kaum Licht abgeben, sind sie sehr schwierig zu beobachten. Neue Beobachtungen zeigen, dass braune Zwerge sehr häufig sind. Die Suche nach MACHOs benutzt Gravitationslinsen um nach schweren, nicht leuchtenden Objekten zu suchen. Etwa 1/4-1/2 der barionischen dunklen Materie könnte aus diesen nicht leuchtenden Objekten bestehen. 1.2.2 Gravitationslinsen Die Ablenkung von Licht in der Nähe von grossen Massen wurde zum erstem Mal von Eddington 1919 beobachtet. Dies war eine beeindruckende Bestätigung der allgemeinen Relativitätstheorie. Die Ablenkung ∆φ hängt nur von der Masse M und dem Abstand b ab: ∆φ = 4GM bc2 für die Sonne und b = Sonnenradius, kriegt man eine Abweichung von 1.74 Bogensekunden. Umgekehrt kann die Krümmung des Lichtes auch zur Bestimmung von Massen von Sternen, Galaxien oder Galaxiehaufen benützt werden. Die massiven Objekte (auch MACHOS) wirken wie Linsen, wenn sie sich zwischen uns und das beobachtete Objekt schieben. Das beobachtete Objekt wird dann scheinbar heller. Katharina Müller 8 Dark Matter Für ein Objekt direkt hinter der Linse erhält man als Abbild einen Ring (kann aber häufig nicht aufgelöst werden), dessen Öffnungswinkel nur von Geometriedaten und der Masse der Linse abhängt: 4GM DLO θE = c2 DBL DBO DLO : Distanz Linse-Objekt, DBL Beobachter-Linse, DBO Beobachter-Objekt a) beobachtete Position 1.74’’ wahre Position Sonne Erde b) Linsen θe Beobachter Objekt Linse Abbildung 1.3: a) Ablenkung des Lichts durch Gravitation, b) Gravitationslinseneffekt Nur etwa einer von 100 hellen Quasaren wird durch den Linseneffekt einer Vordergrundgalaxie mehrfach abgebildet. Denn dazu muss eine Galaxie in unmittelbarer Nähe der Katharina Müller 9 Dark Matter Sichtlinie zwischen uns und dem Quasar liegen. Ist die Galaxie zu weit weg davon, wird die Lichtablenkung zu schwach um Mehrfachbilder zu erzeugen. Bei der Suche nach MACHOS kann der Einsteinradius nicht aufgelöst werden, aber man beobachtet eine erhöhte Helligkeit. Verschiedene Gruppen (EROS, MACHO, OGLE und DUO) suchen mit Hilfe dieser Technik nach MACHOS (braune Zwerge, Neutronsterne, schwarzen Löchern und auch grossen Planeten) 1.2.3 Nicht-barionische dunkle Materie Der grösste Teil der dunklen Materie ist offenbar nicht barionisch: ΩM − ΩB ≈ 0.3 − 0.02 ΩB ist aus der Messung vom Verhältnis von He zu Wasserstoff bekannt, ΩM aus der Rotationsgeschwindigkeit von Spiralgalaxien oder der Bewegung von Galaxien.. Diese nichtbarionische Dunkle Materie hat bei der Galaxieentstehung im frühen Universum eine wichtige Rolle gespielt. Man nimmt an, dass Dichtefluktuationen im frühen Universum erst die Entstehung von Galaxien ermöglichte. Diese darf nicht dadurch gedämpft werden, dass die für die Erklärung der Dunklen Materie betrachteten Teilchen den Raumbereich schnell verlassen. Deshalb kann sich die Geschwindigkeit der Teilchen sehr verschieden auf die Bildung der Galaxiensysteme auswirken. Man unterscheidet zwischen heisser und kalter DM je nachdem ob sie sich bei der Entkopplung von Strahlung und Materie relativistisch verhalten hat. Heisse dunkle Materie (HDM), Kandidaten: Neutrinos besteht aus Teilchen, die sich kurz vor der Galaxieentstehung relativistisch das heisst sehr schnell bewegt haben. Dadurch wären kleinere Stukturen, die zu Galaxien führen können verwaschen worden. Damit wären die einzigen Fluktuationen im frühen Universum Quantenfluktuationen, die zu grossräumigen Strukturen (Galaxiehaufen) und dann zu Galaxien durch Fragmantation führen würden. Die Galaxien wären also vor -in kosmologischen Massstäben- kurzer Zeit entstanden. Beobachtungen von sehr alten Galaxien (sehr grosse Rotverschiebung) scheinen dem Bild jedoch zu widersprechen. Insbesonders zeigen Beobachtungen, dass die Quasare in den Zentren von Galaxien sehr alt sind. Kalte dunkle Materie (CDM) Kann die Entstehung von Galaxien erklären. Die CDM hätte schon Cluster bilden können, lange bevor die Strahlung von den Barionen entkoppelte. Dies wären dann die Keime für die Galaxien gewesen. Simulationen zeigen, dass für die Beschreibung der beobachteten Strukturen eine Mischung von CDM und HDM favorisiert werden. (Messungen von der Anisotropie der kosmischen Hintergrundstrahlung von COBE und BOOMERANG) Beobachtungen zeigen, dass sich Supercluster von Galaxien erst heute bilden, während Galaxien sehr alt sind (z=2-4) Katharina Müller 10 Dark Matter 1.2.4 WIMPs Die exotischen Teilchen, die als Kandidaten für die Dunkle Materie betrachtet werden, werden WIMPs (Weak Interakting Massive Particles) genannt. Sie müssen alle in der Frühphase der Entstehung des Universums erzeugt worden sein. Ihre Bedeutung für die Beschreibung der Entwicklung des Universums ist von ihrer Masse und ihrer Geschwindigkeit oder Temperatur abhängig. Der beste Kandidat für ein WIMP ist das leichteste supersymmetrische Teilchen LSP. Bei SUSY Theorien mit erhaltener R-Parität ist das leichteste supersymmetrische Teilchen (LSP) stabil. Normalerweise ist es das Neutralino χ̃, ein elektrisch neutrales Fermion. Das Neutralino ist eine Mischung von neutralen Gauginos und Higgsinos: χ̃ = a1 B̃ + a2 W̃ ( 3) + a3 H̃10 + a4 H̃20 | {z Gaugino } | {z Higgsino } mit einer erwarteten Masse im Bereich 100 -1000 GeV (MSSM). Nachweis von WIMPs Eine Möglichkeit der Suche nach WIMPS basiert darauf, dass WIMPs an Atomkernen elastisch streuen können und dabei einen Rückstoss auf die Kerne übertragen. Die Energie, die dabei übertragen wird, hängt von der Masse der Atomkerne und der WIMPS und der Geschwindigkeit der WIMPs ab ∆E = mT mW IM P v 2 (1 − cos θ) 2 (mT + mW IM P ) und ist im eV Bereich. Die erwartete Ereignisrate ist im Bereich eV/kg/Tag. Dies stellt grosse Anforderungen an das Experiment. • grosse Detektormasse 1kg- Tonne • Untergrund Experimente • High Purity Material • Gute Abschirmung gegen Radioaktivität und Neutronen • Untergrundunterdrückung Eine wichtige Rolle spielt das Detektormaterial Katharina Müller 11 Dark Matter • Anregungsmöglichkeiten des Materials: Licht, Ionisation, Phononen • Radio-Purity • Atommasse definiert den WIMP-Massenbereich mit grösster Sensitivität σ ∝ A2 für skalare Kopplung. • Nuklearer Spin σ ∝ JN Für die ersten Experimente wurde die Ionisation im Germanium oder aber das Szintillationslicht in NaI Kristallen verwendet, die Detektionseffizienz ist allerdings sehr klein. Neuerdings benutzt man auch Tieftemperatur-Kalorimeter (10-50 mK). Die Rückstossenergie wird direkt als Temperaturerhöhung nachgewiesen. Am besten gelingt das, wenn die Temperatur gerade an einem Phasenübergang liegt. Da wir uns auf der Erde durch die WIMPs durchbewegen, ändert sich die mittlere Geschwindigkeit der Erde relativ zu den WIMPs mit der Jahreszeit. Die WIMPs haben eine Maxwellsche Geschwindigkeitsverteilung im nicht-rotierenden HALO, die wird überlagert mit der Geschwindigkeit der Sonne in der Galaxie und der Erde um die Sonne. Man erwartet eine Modulation vom WIMP Fluss von maximal 7%. Wenn man die Richtung des Rückstosses bestimmen kann, kann man auch eine tägliche Modulation messen. Dazu möchte man die Spur des Rückstoss-Nukleons im low-pressure Gas nachweisen. Szintillationsexperimente NaI (DAMA (100kg),UKDMC,ELEGANT-V), CaF2 (ELEGANT-VI), flüssiges Xe (ZEPLIN (3.6kg), DAMA) haben den Nachteil, dass der Untergrund nur statistisch bestimmt werden kann. Die Signal-Untergrund Unterscheidung basiert auf der Analyse der PulseVerteilung, die nicht sehr effizient ist. Es ist nicht möglich direkt Kernrückstösse (WIMPS oder Neutronen) von Elektronrückstössen (Photonen, Elektronen, Alpha) zu unterscheiden. Das DAMA Experiment hat jährliche Schwankungen des Signals über 4 Jahre gemessen. Die Periode und Phase des Signals sind kompatibel mit einem WIMP Signal. Die Resultate sind allerdings umstritten und bis jetzt von keinem anderen Experiment bestätigt worden. Ionisationsdetektoren Ge Heidelberg-Moscow (Gran Sasso), IGEX, GENIUS (100 -1000kg) GENIUS (Gran Sasso) (Germanium detectors in liquid nitrogen) Germaniumdetektoren haben eine bessere Event-zu Event Erkennung von Untergrund durch Korrelation von Energie- und Lichtmessung. Katharina Müller 12 Dark Matter Kryogenische Experimente CDMS Cryogenic Dark Matter Search (Soudan Minen), CRESST (Gran Sasso) Cryogenic Rare Event Search with Superconducting Thermometers, Edelweiss (320 Ge Ionisation+Phononen) Die Wechselwirkung wird als Temperaturerhöhung nachgewiesen. Die temperaturerhöhung für einen Energieübertrag von 1keV ist etwa ein µK. Man kann Phononen Energien von meV nachweisen, und damit einen Bereich abdecken, der den Szintillationsoder Ionisationsdetektoren nicht zugänglich ist. Eine Beispiel CRESST Die beiden experimentellen Herausforderungen denen man sich stellen muss, sind die sehr niedrige Rate, die man für Streuungen der WIMPS zu erwarten hat und die sehr geringe Energie, die dabei übertragen wird. Beiden Problemen begegnet CRESST mit neuartigen Tieftemperatur-Detektoren basierend auf supraleitenden Thermometern. Die Sensitivität ist durch die verbleibende Rate des radioaktiven Untergrundes gegeben. Deshalb ist das Experiment aus ausgesucht reinen Materialien hergestellt und wird unter Reinraumbedingungen betrieben. Zur Abschirmung vor Umgebungsradioaktivität ist der Kryostat, in dem die Detektoren installiert sind, mit insgesamt 35cm Kupfer und Blei umgeben. Zur Abschirmung von kosmische Strahlung befindet sich das Experiment im Gran Sasso Untergrundlabor in den Abruzzen in Italien. Die Detektoren von CRESST bestehen aus Saphir- oder CaWO4 -Kristallen. Durch Streuung von WIMPs an Atomkernen wird Energie deponiert. Die resultierende Temperaturerhöhung wird gemessen und liefert so das Detektorsignal. Um mit diesen thermischen Detektoren bei den geringen Energien eine messbare Temperaturerhöhung zu erhalten, müssen die Betriebstemperaturen der Detektoren sehr niedrig sein. Die Betriebstemperatur liegt bei etwa 0.02K. Als Thermometer verwendet CRESST supraleitende Filme, die an ihrem Phasenübergang zur Supraleitung stabilisiert werden. Eine kleine Temperaturschwankung wird damit in eine relativ grosse Änderung des Widerstandes übertragen. Mit solchen Detektoren lassen sich sehr niedrige Energieschwellen realisieren. Je leichter die WIMPs sind, desto geringer sind die bei Kernstössen übertragenen Energien. Daher sind rein thermische Detektoren besonders geeignet, um nach WIMPs mit niedriger Masse zu suchen. Katharina Müller 13 Dark Matter Abbildung 1.4: CRESST: Rückstoss-Spektren von leichten WIMPs an GermaniumKernen. Je kleiner die Masse, desto stärker ist das Spektrum zu kleinen Energien verschoben. Bis jetzt hat CRESST mit 1 kg Detektormasse gemessen. In diesem Sommer sollte ein 10kg CaWO4 Kristall (szintillierender Absorber) in Betrieb genommen werden. Zusätzlich zur Wärme kann mit diesen Kristallen auch Licht gemessen werden. Das Verhältnis von Licht zu Wärme ist unterschiedlich für Gammastrahlung und Kernrückstösse. Wird nun gleichzeitig Wärme und Licht gemessen, so können die WIMP-Streuungen vom radioaktiven Untegrund unterschieden werden. Das vom Absorberkristall emittierte Licht wird mit einem zweiten benachbarten kleineren Tieftemperatur-Detektor gemessen. DaKatharina Müller 14 Dark Matter mit steigt die Sensitivität fr kleine Zählraten und kleine Wirkungsquerschnitte um viele Grössenordnungen. Indirekte Suche WIMPs können auch gravitativ gebunden werden, deshalb sucht man auch nach WIMPs in der Sonne oder der Erde. Durch Annihilation der WIMPs entstehen hochenergetische Neutrinos oder Photonen. Man sucht nach hoch energetischen Muonen vom Zentrum der Erde (Sonne, Galaxie) die aus CC-WW des νµ stammen. (ZB Limiten von Super-K) 1.2.5 Axionen Axionen werden durch Erweiterungen des Standard Modells hervorgesagt sie wurden vor etwa 30 Jahren postuliert, um zu erklären warum es bei der starken Wechselwirkung anders als bei der schwachen Wechselwirkung keine CP Verletzung gibt. Gäbe es eine Verletzung von CP, müsste das Neutron ein elektrisches Dipolmoment haben, was etwa 10 mal grösser ist als die durch Messungen bestimmte obere Grenze. Theoretisch wird das Problem dadurch gelöst, dass eine neue Symmetrie eingeführt wird (Peccei Quinn Symmetrie UP Q (1)), die bei einer Skala fa spontan gebrochen wird. Dadurch entsteht ein neues Boson, das Axion (Pseudo-Goldstone Boson mit einer sehr kleinen Masse). Es gleicht einem sehr leichten neutralen Pion und wechselwirkt nur sehr schwach mit Materie. Ein langlebiges und praktisch unsichtbares Axion ist ein idealer Kandidat für dunkle Materie. Es hat eine hohe Teilchendichte, eine kleine Masse und kaum Wechselwirkung, da die Kopplungskonstante sehr klein ist. Die Masse der Axione ist über ihre Zerfallskonstante fAxion , welche den Vakuumserwartungswert eines Higgsfeldes angibt, bestimmt. fAxion kann irgendwo zwischen der Planckund der elektromagnetischen Skala liegen. Masse mAxion = 0.62eV 107 GeV /fAxion Kopplung an Fermionen gF ermion ' mf /fAxion Kopplung an Photonen gaγγ = αgπγ /fAxion gγ = 0.97(KSV Z), −0.36(DF SZ) Alle Kopplungen des Axions sind proportional zu 1/fAxion also sehr schwach. Man kann sich folgende Grenzen für die Masse der Axionen überlegen: • Bei einer Masse von etwa 1 keV würde die Sonne durch Emission von Axionen zu viel Energie verlieren und zu schnell abkühlen. Katharina Müller 15 Dark Matter • Bei einer Masse grösser als 10−2 eV könnte das Heliumbrenenn in roten Riesen nicht einsetzen. • Aus der Breite des Neutrinopulses der Supernova SN 1987A ergibt sich eine maximale Masse von 10−3 eV • Damit die Axiondichte unter der kritschen Dichte des Universums liegt, muss die Masse grösser als 10−5 sein 10−5bis6 eV < ma < 10−2bis3 eV Der Nachweis von Axionen wäre ein enormer Erfolg für die Modelle in der Teilchenphysik und in der Kosmologie. Nachweis von Axionen Der Nachweis von Axionen ist sehr schwierig, da sie nur schwach wechselwirken und zudem eine extrem kleine Masse haben (neutral und kein Spin). Deswegen können sie nicht über Rückstösse nachgewiesen werden. In einem starken Magnetfeld können sie an ein virtuelles Photon koppeln und dieses in ein reelles Photon umwandeln (Primakoff Effekt). Das Magnetfeld dient als Katalysator für die Reaktion. Wir wissen, dass der ’Dark Matter Halo’ in unserer Galaxie etwa 5 · 1025 g/cm3 sein muss. Mit einer Axionmasse von 2 · 1038 g erwarten wir also 1013 Axionen/cm3 . Folgende Experimente beteiligen sich an der Suche nach Axionen • CAST (CERN) sucht nach Axionen von der Sonne, Magnet: 9 Tesla, 10 m lang • The Large Scale US Axion Search: 7.6 Tesla supraleitende Spule • PVLAS (INFN) Katharina Müller 16 Dark Matter Abbildung 1.5: Limiten für Axionen (PDG2001 http://pdg.web.cern.ch/pdg/2001) aus kosmologischen und astrophysikalischen Argumenten 1.2.6 Neutrinos Ursprünglich galten Neutrinos als die wahrscheinlichste oder zumindest naheliegendste Form von Dunkler Materie. Ihre Dichte ist hoch (Nn = 3/11Nγ = 112cm3 ), so dass auch eine kleine Masse einen grossen Effekt hat. Es gibt jedoch gute Argumente gegen Neutrinos als Hauptbestandteil der dunklen Materie zumindest in den Galaxien. • Die Formation von Galaxien im Urknallmodell geschah genügend früh, dass NeutriKatharina Müller 17 Dark Matter nos noch relativistisch waren. Das heisst, sie wären nicht in der Galaxie geblieben. (’free-streaming’ aus der Galaxie) • Simulationen für die Ausbildung und Entwicklung von Strukturen im Universum mit dominierender Neutrino-DarkMatter, zeigen ganz andere Strukturen als wir beobachten. (Erst die Grossen Strukturen, dann die Galaxien) • Dark Matter wird auch beobachtet in sogenannten Zwerggalaxien, die Fermi-Dirac Statistik beschränkt aber die Anzahl Neutrinos, die in einem bestimmten Phasenraum Platz finden. Um die Rotationskurven von Zwerggalaxien erklären zu können, müssten die Neutrinos eine Masse von mehr als 80 eV haben. Ein Bereich, der von Messungen der Neutrinomischung nicht bevorzugt wird. Abschätzung für die Anzahl Neutrinos in einer Galaxie: damit die Neutrinos in der Galaxie bleiben, muss ihre Geschwindigkeit kleiner als die Fluchtgeschwindigkeit ve sein: ve = 2GM , R Beispiel M = 1011 MS , R = 104 kpc, ve = 0.3c nichtrelativistische Neutrinos können also an die Galaxie gebunden werden, aber da die Neutrinos Fermionen sind, darf es in einem Phasenraumvolumen Ω nur ein Neutrino geben.: nν < 4π 3 4π 3 4π 3 4π R p = R (mν ve )3 3 3 3 3 s 2GM 3 16π 2 (mν R ) = 9 R 16π 2 M = mν nν < m4ν (2RGM )3/2 9 (1.2) Daraus folgt als Grenze für die Neutrionomasse: mν > (G3 R3 M )1/8 = 10eV (100eV für Zwerggalaxien) Neutrinos sind also nicht für Dark Matter im Halo geeignet. Neutrinomischung gibt eine Massendifferenz in der Grösse von 0.05 eV zwischen dem Muon-Neutrino und dem Tauneutrino. Nimmt man eine Hierarchie der Massen an ähnlich wie für die geladenen Leptonen oder die Quarks, würde diese kleine Massendifferenz bedeuten, dass die Neutrinomassen unter einem 1 eV liegen. Damit folgt für die Dichte Ων 3 · 10−2 < mν < 2eV → 0.001 < Ων < 0.1 Katharina Müller 18 Dark Matter von der Grössenordnung der barionischen Dichte (Ωb = 0.02. (Die Massen könnten aber auch nahezu degeneriert sein. In diesem Fall wären die Neutrinomassen etwa 30 eV und Ων ' 1) Zusätzliche schwere Neutrinos Aus der sehr genauen Bestimmung der Z-Breite bei LEP weiss man, dass es keine zusätzlichen Neutrinos mit einer Masse kleiner als die halbe Z-Masse (45 GeV) geben kann. Eine vierte Neutrinogeneration ist aber auch mit den Messungen der leichten Elemente (siehe Nukleosynthese) unverträglich. Katharina Müller 19 Dark Matter Ω = 0.01 Leuchtende Materie Ω B= 0.04 MACHOS Ω M= 0.30 non barionic dark matter Neutrinos Axionen WIMPS Ω = 0.7 Dunkle Energie Lumi E barionisch nicht barionisch Abbildung 1.6: Katharina Müller 20 Dark Matter Literaturverzeichnis [1] D. Tytler, J.O’Meara, N. Suzuki, D. Lubin: Review of BigBang Nucleosynthesis and primordial Abundances astro-ph/0001318 [2] http://pdg.web.cern.ch/pdg The Review of Particle Physics D.E. Groom et.al, The European Physics Journal C15, 1(2000) Links: http://zebu.uoregon.edu/2000/astr123.html http://www.Physik.Uni-Dortmund.DE/e5/skript/modern/ http://wwwth.mppmu.mpg.de/members/raffelt/ Homepage G. Raffelt (Neutrinos, Axionen) Axionen: U.S. Axion search : http://www-phys.llnl.gov/N Div/Axion/axion.html CAST: http://axnd02.cern.ch/CAST/ Katharina Müller 21 Dark Matter