Die absolute Temperaturskala und der 3. Hauptsatz der

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Kapitel 1
Die absolute Temperaturskala und der
3. Hauptsatz der Thermodynamik
1.1
Die allgemeine Definition der absoluten Temperatur
Bisher haben wir die Temperatur über die thermische Zustandsgleichung
pV = nRT
des idealen Gases definiert. Diese Gleichung ist an einen speziellen Substanztyp gebunden. Sie gilt darüber
hinaus, nicht bei tiefen Temperaturen, denn dann gewinnen die Wechselwirkungen zwischen den Teilchen
Bedeutung. Daher ist der Zugang über die Zustandsgleichung des idealen Gases nicht geeignet, eine absolute Temperaturskala einzuführen.
Um zu einer substanzunabhängigen Definition zu kommen, stellen wir zunächst fest, dass alle reversiblen
Maschinen den gleichen Wirkungsgrad haben und daher von einer speziellen Substanzklasse unabhängig
sind. Wie vorher betrachten wir zwei Wärmekraftmaschinen, die zwischen zwei Temperaturnieveaus reversibel arbeiten. In diesem Fall seien die Wärmereservoirs durch eine empirische Temperaturskala θ definiert,
z. B. die Celsiusskala, bei der wir die Feststellbarkeit voraussetzen, dass bei θ1 > θ2 sich der Körper 1
heißer als der Körper 2 ’anfühlt’. Die zweite der beiden Maschinen arbeite als Wärmepumpe, die die Arbeit
der ersten Maschine aufnimmt und Wärme von θ2 auf das obere Temperaturniveau θ1 bringt.
1
Aus dem ersten Hauptstatz folgt
Q1 − Q2 = A = A0 = Q01 − Q02
(1.1)
Aus dem zweiten Hauptsatz folgt
Q1 = Q01
und
Q2 = Q02
Folgender Beweis wird angestellt:
1.) angenommen
2.) angenommen
Q1 < Q01 ⇒ Q2 < Q02
→ Die Wärme wird von T 2 nach T 1 transportiert, was einen Widerspruch zum 2. Hauptsatz darstellt.
Q1 > Q01 ⇒ Q2 > Q02
Lässt man beide reversiblen Maschinen andersherum laufen, bleibt der
Widerspruch erhalten.
⇒ Der Koeffizient f mit
Q2
= f (θ1 , θ2 )
Q1
ist von der speziellen Art der Maschine und der Betriebsart dieser Maschine (z. B. Laufzeit und Laufgeschwindigkeit) unabhängig, und ist nur von den Temperaturen abhängig, d. h. nur eine Funktion von θ1 und
θ2 . (Wie für die Carnotmaschine explizit gezeigt.)
Weitehin ist
A
Q1 − Q2
η12 =
=
= 1 − f (θ1 , θ2 )
(1.2)
Q1
Q1
der Wirkungsgrad aller idealen Carnot-äquivalenten (reversiblen) Maschinen. Hierbei ist f charakteristisch
für die gewählte empirische Skala.
f ≡
Wir untersuchen die Funktion f (θ1 , θ2 ) :
Wir betrachten zwei hintereinander geschaltete Carnot-äquivalente Maschinen M und M 0
A = Q1 [1 − f (θ1 , θ2 )]
(1.3)
A0 = Q2 [1 − f (θ2 , θ3 )]
= Q1 f (θ1 , θ2 )[1 − f (θ2 , θ3 )]
2
(1.4)
Die hintereinander geschalteten Maschinen brauchen das Reservoir θ2 nicht, stellen also eine reversibel
zwischen θ1 und θ3 arbeitende Carnot-äquivalente Maschinen dar.
A + A0 = Q1 (1 − f (θ1 , θ3 ))
(1.5)
Einsetzen von 1.3 und 1.4 bringt:
1 − f (θ1 , θ2 ) f (θ2 , θ3 ) = [1 − f (θ1 , θ3 )]
⇒ f (θ1 , θ2 )
f (θ2 , θ3 ) = f (θ1 , θ3 )
(1.6)
Wenn man die logarithmische Form dieser Gleichung nach ∂θ1 differentiert, erhält man:
⇒
∂ln f (θ1 , θ2 ) ∂ln f (θ1 , θ3 )
=
∂θ1
∂θ1
⇒ f (θ1 , θ2 ) = a(θ1 )b(θ2 )
(1.7)
Aus 1.6 folgt dann:
a(θ1 ) b(θ2 ) a(θ2 ) b(θ3 ) = a(θ1 )
⇒
a(θ2 ) =
b(θ3 )
1
b(θ2 )
Wir erhalten
f (θ1 , θ2 ) = a(θ1 )b(θ2 ) =
b(θ2 ) Q2
=
b(θ1 ) Q1
⇒ b(θ1 ) ∝ Q1 .
Die Funktionen b sind also ein Maß für die mit den Reservoiren ausgetauschte Wärme. Weil die aufgenommene Wärme Q1 mit wachsender Temperatur zunimmt, muss b(θ1 ) eine monoton wachsende Funktion
sein. Definiere die absolute Temperaturskala T durch die Wahl der funktionalen Abhängigkeit b(θ) als eine
lineare Funktion,
b(θ) = aT.
Daraus folgt dann:
Q1 T 1
=
Q2 T 2
(1) und η12 =
T1 − T2
<1
T1
(2)
(1.8)
Bestimmung von a:
Lege für ein bestimmtes Referenzsystem z. B. ein Koexistenzsystem aus Eis, Wasser und Wasserdampf die
Temperatur fest (273 K).
Temperaturmessung:
Bestimme die Temperatur anderer Systeme durch die ausgetauschte (infinitesimale) Wärmemenge (1) oder
durch den Wirkungsgrad einer Carnot-äquivalenten Maschine (2), die zwischen dem Referenzsystem und
dem zu messenden System arbeitet.
3
1.2
Die absolute Temperatur als integrierender Faktor der Wärme
Nur mit der in 5.1. beschriebenen Definition der absoluten Temperatur können wir
dS =
δQ
T
definieren.
δQ
θ
ist im Allgemeinen kein vollständiges Differential. Als Beweis dieser Aussage wiederholen wir die
Herleitung des Clausiusschen Satzes. Dort haben wir im “Zusatzprozess” angenommen, dass die reversible
Carnotmaschine den Wirkungsgrad
η12 =
T1 − T2
T1
θ1 − θ2
θ1
,
hat. Wir haben dort also explizit die absolute Temperaturskala benutzt.
1.3
Der 3. Hauptsatz der Thermodynamik
Plancksche Formulierung (1911, schwächere Formulierung von Nernst 1906): Für jeden Stoff strebt die
Entropie im limes T → 0 eine von Druck, Aggregatzustand und chemischer Zusammensetzung unabhängige Konstante an. Die Konstante kann man Null setzen und damit die Entropie absolut normieren.
- Der 3. Hauptsatz ist eine Konsequenz der Quantenstatistik. Bei T = 0 geht das System in den eindeutigen quantenmechanischen Grundzustand über. Probleme treten auf bei Entartung dieses Zustandes.
- Mathematisch kann der 3. Hauptsatz als
lim S (T, V) = 0 = lim S (T, p)
T →0
T →0
(1.9)
ausgedrückt werden. Oder allgemein für die Zustandsgröße x
lim S (T, x) = 0
T →0
Wir schreiben dann
Z T
δQ| x
Cx 0
=
dT
0
0
T
T =0 T
T =0
Damit das Integral in Gl. (1.10) mit dem Grenzwert Gl. (1.9) existiert, muss gelten
S (T, x) =
Z
T
(1.10)
lim C x (T ) = 0,
T →0
insbesondere limT →0 CV = 0 und limT →0 C p = 0. Weiterhin muss auf Grund der Maxwell-Relation gelten:
!
!
!
!
∂S
∂V
∂S
∂p
=
=
(1.11)
∂p T
∂T p
∂v T
∂T v
man findet: Ausdehnungskoeffizient α = ∂V
∂T p und
∂p ⇒ Spannungskoeffizient β = ∂T verhalten sich wie
v
lim α = lim β = 0
T →0
T →0
4
1.4
Die Unerreichbarkeit des absoluten Temperaturnullpunktes
Im Folgenden soll demonstriert werden, dass auf Grund des 3. Hauptsatzes der absolute Temperaturnullpunkt T = 0 nicht erreichbar ist. Stellen wir uns vor, man würde ein Medium mit Hilfe einer als Wärmepumpe arbeitenden reversiblen Wärmekraftmaschine abkühlen wollen.
Wir bilden den Koeffizienten
Q2
Q1 − A
1
T1
T2
=
= car − 1 =
−1=
.
A
A
η
T1 − T2
T1 − T2
Die bei vorgegebener Arbeit A vom ’tiefen’ Reservoir abgeführte Wärmemenge sinkt mit fallender Temperatur. Daher bräuchten wir für T → 0 bei ferstem Q2 unendlich viel Arbeit A. Mikroskopische Erklärung:
Bei fallenden Temperaturen sinkt gemäß der Maxwellschen Verteilung die mittlere Geschwindigkeit ⇒ der
Druck, gegen den im Kühlprozess gearbeitet werden kann fällt ⇒ Q2 → 0. bei Annährung an den absoluten
Nullpunkt werden die Teilchen immer langsamer und es wird immer schwerer, ihnen weiterhin Energie zu
entziehen.
5
1.4.1
Kühlung durch adiabatische Entmagnetisierung
Für eine weitgehende Annäherung an den absoluten Nullpunkt kann man ausnutzen, dass die Entropie nicht
nur eine Funktion der Temperatur ist, sondern noch von mindestens einem weiteren Parameter (p oder M
zum Beispiel) abhängt. Wir betrachten einen hypothetischen Kühlprozess, der periodisch zwischen den
Werten X1 und X2 des Parameters X wechselt.
Isotherme und adiabatische Vorgänge wechseln sich ab. ⇒ Es ist unmittelbar aus der Abbildung ersichtlich,
dass der Temperaturnullpunkt nicht mit endlich vielen Schritten erreicht werden kann.
6
1.4.2
Experimentelle Realisierung
1.4.3
Thermodynamische Berechnungen
Betrachte für einen Festkörper:
dU = T dS + HdM − pdV.
(1.12)
⇒ dU = T dS + HdM
(1.13)
Vernachlässige die Volumenarbeit
Für die innere Energie schreiben wir allgemein,
dU =
∂U
∂T
!
dT +
M
∂U
∂M
!
dM
(1.14)
T
d. h. wir benutzen T und M als unabhängige Variablen. Bei der adiabatischen Entmagnetisierung ist
!
(
!
)
1 ∂U
1
∂U
dS =
dT +
− H dM
(1.15)
T ∂T M
T ∂M T
!
!
∂S
∂S
dT +
dM
=
∂T M
∂M T
= 0
(1.16)
Wir haben weiterhin nach einer Maxwellrelation:
!
!
∂ ∂S
∂ ∂S
=
,
∂M ∂T M ∂T ∂M T
(1.17)
also:
⇔
⇔
!
"
!#
∂ 1 ∂U
∂ 1 ∂U
=
−H
∂M T ∂T
∂T T ∂M
!
1 ∂H
1 ∂U
0=−
−
−H
T ∂T T 2 ∂M
∂U
∂H
−
H = −T
∂M
∂T
(1.18)
Setzen wir dieses in Gl. (1.15) ein, folgt entlang der Adiabaten (dS = 0) mit (∂U/∂T ) M = C M > 0
!
∂H
T dS = C M dT − T
dM = 0
∂T M
Wir erhalten dann
∂T
∂M
!
=
S
T ∂H
C M ∂T
!
.
Wir benutzen nun M und S als unabhängige Variablen
!
!
Z M0
Z M0
∂T
T ∂H
∆T adiabat = T (M0 , S ) − T (M1 , S ) =
dM =
< 0 für M0 < M1
∂M S
M1
M1 C M ∂T M
Die Kühlung erfolgt durch die abiatische Verringerung der Magnetisierung M0 < M1 .
7
(1.19)
M
(1.20)
8
Es gilt (∂H/∂T ) M > 0, da bei konstanter Magnetisierung und steigender Temperatur das ordnende Magnetfeld wachsen muss. Daher folgt für M0 < M1 ∆T adiabat < 0
Die historische Entwicklung der Erzeugung tiefer Temperaturen
Methode
Name
Jahr
erreichte
Temp.
Erste Verflüssigung von Helium unter erniedrigtem Dampfdruck
KAMERLINGHONNES (Holland)
1908
4,2
Sieden von Helium unter erniedrigtem
Dampfdruck
KAMMERLINGHONNES (Holland)
1908
1,0
Erste adiabatische Entmagnetisierung
GIAUQUE
und
MAC DOUGALL
(USA)
SIMON
UND
KÜRTI (England)
1933
0,25
1960
10−5
KÜRTI
1960
10−6
Erste adiabatische Entmagnetisierung mit
Kernmomenten
Adiabatische Entmagnetisierung mit Kernmomenten
9
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