Karl Lenz: Soziologie der Zweierbeziehung, 2009

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Friedrich-Alexander-Universität Erlangen/Nürnberg
Institut für Soziologie
HS: Der Wandel von Freundschaft und Liebe in der Moderne
Prof. Dr. Michael v. Engelhardt
Thema: Liebe und Partnerschafte heute
Referenten: Sandra Döbler, Francesca Constantin, Nikolai Huber
Liebe und Partnerschaft heute
Karl Lenz: Soziologie der Zweierbeziehung, 2009
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Die Zweierbeziehung wurde bisher von der Psychologie behandelt und von der Soziologie
vernachlässigt
Ein mikrosoziologischer Standpunkt muss eingenommen worden, dieser fehlt bisher
Die Grundsteine für Lenz' weiterführende Forschung wurden bereits von Weber, Schütz und
Simmel gelegt, so gelingt es Lenz seine Theorie mit dem Grundlagenwissen der Soziologie
zu verbinden
Lenz beschreibt „Ehen als Randthema der Familienforschung“ und definiert die Familie als
eine persönliche Generationsbeziehung,, die aus mindestens 2 Personen besteht
Eine Mann – Frau Beziehung ist der wichtigste Typus einer persönlichen Beziehung, eine
Soziologie der persönlichen Beziehung muss zunächst erarbeitet werden
Ehen und eheähnliche Konstellationen sind die Prototypen der persönlichen Beziehungen
Neue Leitkategorie: Zweierbeziehung, denn sie bildet den Prototyp der Vergemeinschaftung
Definition der Zweierbeziehung: die Zweierbeziehung ist ein Strukturtypus zwischen zwei
Personen unterschiedlichen oder gleichen Geschlechts. Sie zeichnet sich durch einen hohen
Grad an Exklusivität aus und schließt die Praxis sexueller Interaktion – oder zumindest
deren Möglichkeit – ein (s. S. 48).
Das Analysemodell für Zweierbeziehungen besteht aus den folgenden Phasen:
1. Aufbauphase:
Er stellt eine Ähnlichkeits- und Komplementaritätshypothesen vor => man geht zwar von
der Einzigartigkeit des Partners aus, allerdings ist für das Entstehen einer Beziehung eine
Ähnlichkeit der Persönlichkeit notwendig. Die Ähnlichkeiten sind auf verschiedenen Ebenen
wiederzufinden. Der interaktive Prozess ist in dieser Phase besonders ausgeprägt und basiert
auf sozialstrukturellen Grundlagen.
2. Bestandsphase:
In dieser Phase werden Grenzen und Wendepunkte markiert, die für den Fortbestand einer
Beziehung relevant sind. Die Machtverhältnisse werden geklärt und Schwellen definiert.
3. Krisenphase:
In der Krisenphase setzten sich die Partner mit Konfliktthemen und deren Folgen
auseinander.
4. Auflösungsphase:
Lenz beschreibt ein Grundmodell von Auflösungen. Darin unterscheiden sich die Rollen des
Verlassenen und Sich – Trennenden stark voneinander.
=> diese Phasen sind ständigen Veränderungen unterlegen!
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In Zweierbeziehungen wird auf verschiedenen Ebenen ein neues Bild der Wirklichkeit
konstruiert, allerdings ist dies auch nur bis zu einer bestimmten Grenze möglich
Ein hoher Grad an Vertrautheit kann vor der prinzipiellen Mehrdeutigkeit von Handlungen
und Aussagen nicht schützen, denn es gibt keine Sicherheit dafür, dass die andere Person
dasselbe empfindet/denkt
Zitat: „Eine endgültige Gewissheit, dass zwei Personen übereinstimmen, kann es nicht geben“
(S.193).
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Dadurch wird das eigene Selbstbild durch den Partner beeinflusst
Jedes Paar entwickelt in der Beziehungsarbeit eine Art Skript, das das Alltagsleben der Paare
berechenbar macht.
Es entstehen Rahmen, in den sich das Paar miteinander auseinandersetzt, dabei gilt es
Ausdrucksformen zu beachten und einzuhalten
Liebe in Zweierbeziehungen
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Eine Paar - Identität entsteht, aus einem „Ich“ und einem „Du“ wird das „Wir“
Emotionen, die sich in einer Zweierbeziehung entwickeln, übersteigern in ihrer Stärke die
aller anderen Bindungen (ausgenommen sind die emotionalen Beziehungen zu den eigenen
Kindern)
Die kulturelle Prägung ist maßgeblich für die Umsetzung der Liebe zwischen zwei Personen
verantwortlich
kulturelle Codierungen formen unsere Erwartungen und Vorstellungen von der Liebe, sie
gibt eine Sprache und Symbole vor
Es existieren verschiedene Realisierungsstufen des romantischen Liebesideals, die Leitbilder
der Liebe hervorbringen
Durch die Interpretation wird die Liebe von der Nicht-Liebe unterschieden, die Liebe wird
in der Abgrenzung zur Nicht-Liebe erfahrbar
Es kann allerdings keinen kulturellen Determinismus für die Liebe geben, da die Codes
einige Lücken haben und von jedem Paar aufgrund der persönlichen Interpretationsleistung
anders übersetzt werden
„richtige Liebe“ wird von Person zu Person anders definiert, allerdings dominieren
romantische Liebescodes bei der „Messung“ der Liebe
Die Formenvielfalt von Liebe ist mit diesen Liebescodes nicht erfassbar
Die Vorstellung von Liebe entsteht durch die Mischung von Erscheinungsformen aus
verschiedenen Zeiten, ohne auf den aktuellen Kontext Bezug zu nehmen
Zusammenfassung der Kennzeichen des romantischen Liebesideals
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Einheit sexueller Leidenschaft und affektiver Zuneigung Sexualität und Zuneigung
sind vereint
Verbundenheit von Liebe und Eheechte Ehe nur durch Liebe möglich
Krönung der Liebesehe ist die Elternschaft
Ehe ist durch eine Dauerhaftigkeit ausgezeichnet
Wertschätzung des/r Partners/in in ihrer vollen Individualität
Möglichkeit zur Steigerung der eigenen Individualität
Wichtiges Phänomen: Treue, die als selbstverständlich angesehen wird – wobei
Eifersucht keine Rolle spielt
Gefühle und Emotionen der Frau haben den selben Stellenwert, wie die der Männer
das Glück beider Eheleute steht im Mittelpunkt
Der Wandel von Liebe und Partnerschaft ab dem 20. Jahrhundert
60er-Jahre:
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Kriegs- und Nachkriegsehen wurden von den daraus entstandenen Kindern als trostlos
und leer empfunden – was in dieser Generation zu sehr frühen Ehen führte, um dem
Elternhaus zu entkommen und ein besseres, liebevolleres Leben zu führen
Mitte der 60er Jahre kam die sogenannte „Sex-Welle“ aus Skandinavien in die
Bundesrepublik
1966 hatte die „Pille“ ihren Siegeszug in des BRD
Sexualität wurde sowohl in wissenschaftlicher Literatur thematisiert (empirische
Untersuchen aus den USA wurden herausgebracht; van de Velde, Kinsey Reporte) –
als auch pornographische Filme („Schweden-Filme“), die die BRD überrollten
Die Idee aus den 20er Jahren, durch eine Lockerung der Sexualmoral Prostitution
einzudämmen, blieb eine Illusion - auch heute noch werden sexuelle Bedürfnisse oft
außerhalb einer Beziehung gelebt, da es dort keinerlei Verpflichtungen gibt
Studentenbewegungen rüttelten in der zweiten Hälfte der 60er Jahre eine erneute Kritik
an der bürgerlichen Ehe auf – sie bezogen sich dabei u.a. auf Werke und Gedanken von
Wilhelm Reich, „Der Einbruch der sexuellen Zwangsmoral“ (1932) „die sexuelle
Revolution“ (1936) und auf Max Horkheimers Studie über „Autorität und Familie“
(1936)
Die Kommune I , die Ende der 60er Jahre entstand sah in ihrem Kampf gegen die
bürgerliche Zwangsehe“ und ihrer „sexuellen Revolution“ eine Möglichkeit auch
gegen den Kapitalismus anzugehen – sie stellten sich damit gegen jegliche
Zweierbeziehungen
70er-Jahre:
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Eine neue Frauenbewegung machte sich stark und kämpfte gegen das noch immer
verbreitet patriarchalische Beziehungsbild
Eine Gleichberechtigung der Frauen und ihrer sexuellen Wünsche und Vorstellungen
wurde gefordert
„Wirklichen Liebe zwischen Frau und Mann könne es in der patriarchalischen
Gesellschaft nicht geben, weil jede Mann-Frau-Beziehung ein Herrschaftsverhältnis
sei“ (Schenk, Herrad, S. 200) – so war die Aussage von Alice Schwarzer in ihrem
Eine weitere feministische Forderung war die Gleichstellung von Homosexuellen Paaren
Offene Ehe (Unabhängiges Leben, persönliche Entwicklung, individuelle Freiheit,
flexible Rollenteilung…) im Widerspruch zur geschlossenen, traditionellen Ehe (Besitz des
Partners, Selbstverleugnung, nur als Paar auftreten, völlige Gebundenheit…) –
Diese neuen Ansichten brachten u.a. die Kommunikation als wichtigstes Werkzeug in
einer Beziehung hervor – damit könne an einer Beziehung gearbeitet werden und damit
die Bindung immer wieder gestärkt werden
Daraus folgt eine Pluralisierung der Lebensformen:
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Normale Kernfamilie
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Familie als normatives Ideal
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Kinderlose Paarbeziehung
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Nichteheliche Beziehung mit Kindern
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Postmoderne Beziehung mit Kindern
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Nichteheliche Ehebeziehung ohne Orientierung an einer Idealnorm
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Verheiratete Paare mit Kindern ohne normatives Ideal
3 vorherrschende Veränderungen in der Beziehungsnorm:
→
Eigenständigkeit der Person mit Verknüpfung der Anerkennung der Individualität des
Partners
→
Verschwinden der Geschlechtsspezifik: weg von „feminisierter Liebe, hin zu androgyner
Liebe“
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Aufwertung der Kommunikation, Konfliktsbewältigung als Teil der Beziehung.
Fazit:
Individualisierung des Einzelnen in der Beziehung wird aufgewertet auf Kosten der
Dauerhaftigkeit der Ehe/Beziehung. Seelische und sinnliche Liebe als „Eins“, Elternschaft
dagegen auch ohne Liebe der Beziehungspartner untereinander möglich. Liebe ist somit auch
ohne Ehe möglich, wobei der Beziehungspartner nicht mehr zwingend als einziger
Bezugspartner auftritt.
Literatur:
Karl Lenz: Soziologie der Zweierbeziehung. Eine Einführung. VS Verlag für Sozialwissenschaften
(Wiesbaden) 2009.
Herrad Schenk: Freie Liebe, wilde Ehe. Über die allmähliche Auflösung der Ehe durch die Liebe,
München 1987.
(http://www.familienhandbuch.de/cmain/f_Fachbeitrag/a_Familienforschung/s_379.html)
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