Virushepatitis - Medizinische Klinik und Poliklinik II

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Virushepatitis
H. Klinker
Virushepatitiden gehören zu den weltweit häufigsten Infektionskrankheiten. In
Deutschland wird die Prävalenz der chronischen Hepatitis B und C auf zusammen
ca. 700.000 – 1.200.000 Erkrankungsfälle geschätzt. In der Folge eines chronischen
Verlaufs können eine Leberzirrhose und/oder ein Leberzellkarzinom entstehen. Eine
frühzeitige Diagnose und eine adäquate Behandlung sind entscheidend, um das
Risiko der Langzeitkomplikationen zu minimieren. Die Unterschiede der einzelnen
Hepatitisformen in der Biologie der Erreger, der Transmission, dem klinischen
Verlauf, der Prognose, den in letzter Zeit deutlich verbesserten therapeutischen
Optionen und den Möglichkeiten der Prävention durch eine aktive Impfung sind
beträchtlich.
Schlüsselwörter: Virushepatitis A, B, C, D, E, G - Epidemiologie - Prävention Diagnostik - Komplikationen - Therapie - Interferon - Nukleosidanaloga
Viral hepatitis is among the most frequent infectious diseases worldwide. For
hepatitis B and C together, the prevalence in Germany is estimated around 700.000
– 1.200.000 cases. During the chronic course, liver cirrhosis and/or hepatocellular
carcinoma can follow. An early diagnosis on the one hand and an adaequate
treatment on the other hand are decisive factors to reduce these long-term
complications. The various types of viral hepatitis differ considerably in the infectious
agens’ biological nature, the transmission route, the clinical course, the prognosis,
the recently improved therapeutic options, and in the possibilities of prevention with
active vaccination.
Key words: viral hepatitis A, B, C, D, E, G – epidemiology – prevention – diagnostic –
complications – therapy – interferon – nucleoside analogues
Klinische und laborchemische Charakteristika der Virushepatitiden
Die Klinik der akuten Virushepatitis variiert von asymptomatischen bis hin zu
lebensbedrohlich fulminanten Verläufen. Treten Symptome auf, so sind dies
zunächst uncharakteristische Prodromi wie Abgeschlagenheit, Appetitlosigkeit,
Übelkeit oder Gelenkbeschwerden. Zur Einleitung einer spezifischen Diagnostik
führen oft erst die Symptome Ikterus, Stuhlentfärbung und Dunkelverfärbung des
Urins, die jedoch insbesondere bei einer Hepatitis C-Infektion sehr häufig fehlen.
Laborchemische Hauptmerkmale sind die Erhöhung der Transaminasen SGOT und
SGPT. In den allermeisten Fällen ist die SGPT stärker erhöht als die SGOT.
Cholestatische Verläufe (Cholestaseenzyme GGT und alkalische Phosphatase)
finden sich gelegentlich bei der Hepatitis A und E. Nur bei komplizierten Verläufen
kommt
es
zur
signifikanten
Erniedrigung
der
Syntheseparameter
Albumin,
Cholinesterase und Quickwert. Die spezifische Diagnose ergibt sich aus der
Konstellation der AK- und ggf. Molekular-Diagnostik (Tabelle 1).
Tabelle 1:
Das Hepatitis-ABC
Hepatitis
Erreger
Transmission
A
HAV
fäkal-oral
Picornaviridae
B
HBV
Klinischer Verlauf
akutes, bei älteren Erwachsenen gelegentlich
schweres Krankheitsbild, keine Chronifizierung
parenteral
akutes, gelegentlich schweres Krankheitsbild,
Ortho-Hepdna-
chronischer Verlauf in 5-10%, lebenslange
Virus
Persistenz des Virus
Hepadnaviridae
C
HCV
parenteral
Pestivirus
Akute Infektion oft inapparent, in 50-80 %
chronischer Verlauf
Flaviviridae
D
HDV
parenteral
inkomplettes RNA-
als Simultaninfektion bei akuter oder als
Superinfektion bei chronischer Hepatitis B
Virus (Viroid)
E
HEV
fäkal-oral
Caliciviridae
akutes, oft schweres Krankheitsbild, fulminantes
Leberversagen besonders bei Schwangeren,
kein chronischer Verlauf
-
F
G
HGV/GB-Virus C
parenteral
Keinerlei Krankheitsbild
Differenzialdiagnose
In den Fällen, in denen die Serodiagnostik nicht rasch Hinweise auf die Art der
Hepatitis ergibt, müssen verschiedene andere Erkrankungen in Erwägung gezogen
werden, die als "akute und/oder chronische Hepatitis" verlaufen können.
So kann eine Entzündungsreaktion der Leber durch primär nicht hepatotrope,
systemische Virusinfektionen im Sinne einer Begleithepatitis hervorgerufen werden
(Adenoviren, Coxsackieviren, Epstein-Barr-Virus, Cytomegalievirus, Herpes-simplexVirus, Varizella-Zoster-Virus, Gelbfiebervirus). Toxische Hepatitiden durch Alkohol
oder Medikamente zeigen oft eine stärker erhöhte SGOT als SGPT.
Wichtig ist die differentialdiagnostische Abgrenzung zur autoimmunen Hepatitis, die
sich durch eine Erhöhung der Gammaglobuline (IgG) und den Nachweis von
Autoantikörpern (v. a. ANA, ASMA) auszeichnet. Eine zunehmend häufige Ursache
für eine Transaminasenerhöhung stellt die Nicht Alkoholische Steatohepatitis (NASH)
dar.
Die Differentialdiagnose umfasst weiterhin Stoffwechselerkrankungen wie den
Morbus Wilson, die Hämochromatose oder den Alpha-1-Antitrypsinmangel, daneben
primär cholestatische Erkrankungen wie die primär biliäre Zirrhose oder die primär
sklerosierende Cholangitis. Selten finden sich als Ursache für ein hepatitisches Bild
eine diffuse Lymphominfiltration oder anderweitige diffuse Metastasierung. Bei
entsprechender Anamnese ist darüber hinaus an eine Leptospirose oder auch an
tropische Infektionen (z. B. auch Malaria) zu denken.
Hepatitis A
Die Hepatitis A ist die klassische infektiöse Gelbsucht. Sie wird durch ein Enterovirus
hervorgerufen,
das
fäkal-oral
über
Schmierinfektionen,
Nahrungsmittel
(Meeresfrüchte) und Trinkwasser übertragen wird. Nach oraler Aufnahme des
Erregers kommt es mit einer Inkubationszeit von 15 bis 50 Tagen zunächst zu einem
unspezifischen Prodomalstadium mit Fieber, Gliederschmerzen und häufig Durchfall.
In
dieser
Phase
ist
die
Hepatitis
A
klinisch
von
zahlreichen
anderen
Infektionskrankheiten nicht unterscheidbar.
Wenige Tage später wird im typischen Fall eine Gelbfärbung der Skleren, später der
gesamten
Haut
sichtbar,
die
mit
einem
teils
dramatischen
Anstieg
der
Serumtransaminasen bis hin zu 4-stelligen Bereichen verbunden ist. Mit dem
Auftreten des Ikterus (Abbildung 1) geht typischerweise das Fieber zurück, die
Patienten fühlen sich dann insgesamt besser. Dies unterscheidet den klinischen
Verlauf der Hepatitis A von dem zahlreicher anderer Infektionskrankheiten, bei denen
das Auftreten des Ikterus nicht von einem typischen Fieberabfall mit klinischer
Besserung begleitet wird (Malaria, Gelbfieber, Leptospirose und viele andere).
Abbildung 1: Patient mit deutlichem Sklerenikterus bei Hepatitis A
Die Hepatitis A ist eine akute Erkrankung, die nie chronifiziert und eine lebenslange
Immunität hinterlässt. Je jünger die Patienten, umso milder die klinischen Verläufe.
Patienten
im
höheren
Lebensalter
und
solche
mit
einer
vorbestehenden
Lebererkrankung sind durch eine akute Hepatitis A durchaus vital gefährdet.
Letalitätsraten von mehreren Prozent werden in der Literatur angegeben.
Eine spezifische Therapie der Hepatitis A ist nicht etabliert. Bettruhe im akuten
Stadium, Alkoholkarenz und die Vermeidung hepatotoxischer Medikamente sind die
Grundlagen des therapeutischen Managements.
Die Hepatitis A ist inzwischen eine überflüssige Krankheit! Auf Grund der
hervorragenden Effektivität und äußerst geringen Nebenwirkungsraten der auf dem
Markt befindlichen Impfstoffe sollte die Indikation zur Aktivimmunisierung heute sehr
großzügig gestellt werden. Bei Reisenden, die vor 1955 geboren sind, oder
Personen, die im südlichen oder östlichen Ausland aufgewachsen sind, empfiehlt
sich zunächst eine AK-Titerbestimmung, die billiger als die Impfung ist. Im Falle
eines positiven Nachweis von anti-HAV besteht eine lebenslange Immunität. Eine
aktive Immunisierung ist in so einem Fall unnötig, allerdings auch nicht gefährlich.
Nach einmaliger Injektion des Aktivimpfstoffs besteht bereits nach spätestens zehn
Tagen ein verlässlicher Schutz, der allerdings nur einige Monate anhält. Aus diesem
Grund ist eine Auffrischungsimpfung frühestens nach sechs Monaten, danach (nach
derzeitigem Kenntnisstand) alle zehn Jahre indiziert.
Hepatitis B
Die Hepatitis B ist die früher als Serumhepatitis bezeichnete Infektion, die durch Blut
übertragen wird. Global gesehen sind der vertikale (von der Mutter auf ihr Kind,
besonders in Asien) und der sexuelle Übertragungsweg (in den USA und
Westeuropa) am wichtigsten. Heute ist die nosokomiale Übertragung der Hepatitis B
in der westlichen Welt sehr selten geworden (8). Das Restrisiko bei Transfusion von
Blutprodukten liegt bei ca. 1:250.000.
Zur Serodiagnostik der akuten und chronischen HBV-Infektion stehen eine Reihe von
Antigen- und Antikörpernachweisen zur Verfügung (Tabelle 2).
Tabelle 2:
Diagnostik der Virushepatitis A-E
Diagnostik
Hepatitis A
Anti-HAV
Anti-HAV-IgM
Hepatitis B
HBsAg
Anti-HBc
HBeAg
Anti-HBe
Anti-HBs
HBV-DNA
HBV-Genotyp
Hepatitis C
Anti-HCV
HCV-RNA
HCV-Genotyp
Interpretation
Stattgehabte Infektion mit HAV/Immunität
Kürzliche Infektion mit HAV
Infektiosität (bei isoliert positivem Anti-HBc
Infektiosität auch ohne HBsAg-Nachweis möglich!)
Stattgehabte HBV-Infektion
Hinweis auf hohe Virusreplikation
Hinweis auf eher niedrige Virusreplikation
(cave: Infektion mit pre-core-Mutante!)
Immunität
Empfindlichster Nachweis der aktiven
Virusreplikation (→ Infektiosität)
Relevanz für das mutmaßliche
Ansprechen einer geplanten InterferonTherapie (keine Routine)
Stattgehabte HCV-Infektion
Aktive Virusreplikation (→ Infektiosität),
Quantifizierung mit Relevanz für Art und
Dauer einer antiviralen Therapie
Relevanz für Art und Dauer einer
antiviralen Therapie
Hepatitis D
Anti-HDV
HDV-RNA
Hepatitis E
Anti-HEV
Anti-HEV-IgM
Stattgehabte HDV-Infektion
Aktive Virusreplikation
Stattgehabte Infektion mit HEV
Kürzliche Infektion mit HEV
Für die Diagnose einer akuten Hepatitis B ist neben dem klinischen Bild und der
Transaminasenerhöhung
der
Nachweis
von
HBs-Antigen
(Surface-Antigen)
ausreichend. Daneben sind im Serum HBe-Antigen (envelope-Antigen) und HBcIgM-AK (core-AK) nachweisbar. Der Nachweis von HBe-Antigen zeigt die aktive
Virusreplikation an. Mit Abklingen des akuten Krankheitsbildes kommt es innerhalb
von zwei bis vier Monaten zur Konversion von HBe-Antigen zu Anti-HBe. HBc-IgGAK persistieren lebenslang und zeigen die stattgehabte Infektion mit dem Wildvirus
an (nach Impfung wird ausschließlich Anti-HBs gebildet!). Innerhalb von vier bis
sechs Monaten nach Erkrankung wird HBs-Antigen negativ, Anti-HBs dokumentiert
die serologische Ausheilung der Hepatitis und ist normalerweise nach sechs bis acht
Monaten positiv. Beim chronischen Hepatitis-B-Verlauf persistiert HBs-Antigen,
meistens bleibt auch HBe-Antigen als Zeichen der persistierenden Virusreplikation
positiv.
Klinisch
bedeutsam
sind
bei
chronischem
Krankheitsverlauf
sog.
Prae-
Core/Coremutationen, die mit einem Verlust von HBe-Antigen einhergehen. Dieser
Befund suggeriert ein Sistieren der Virusreplikation, die jedoch oft in diesen Fällen
weiterhin vorhanden ist, erkennbar am unverändert positiven Nachweis von HBVDNA im Serum.
Molekularbiologische und immunologische Untersuchungen der letzten Jahre sowie
Erfahrungen der klinischen Verläufe bei immunsupprimierten Patienten haben unsere
Sicht der Hepatitis B verändert. Wir gehen heute davon aus, dass das Virus nach
einer erfolgten Infektion nicht mehr vollständig eliminiert werden kann, selbst wenn
Zeichen der Virusaktivität bei laborchemischen und histologischen Untersuchungen
verschwunden
sind.
In
Zeiten
der
Immunsuppression
können
intrazellulär
persistierende Viruspartikel reaktiviert werden und der Erkrankung einen neuen
Schub verleihen. Daher sollten asymptomatische „HBsAg-Träger“ im Falle einer
notwendigen immunsuppressiven Therapie in Bezug auf eine HBV-Reaktivierung
engmaschig kontrolliert werden, denkbar ist eine Reaktivierung auch bei Patienten,
die isoliert Anti-HBc positiv sind und sogar in seltenen Fällen bei Anti-HBs-Nachweis.
Die Inkubationszeit der B-Hepatitis ist mit zwei bis sechs Monaten lang, die klinische
Krankheitsphase dauert bei normalem Verlauf ca. drei bis sechs Wochen.
Bei Erwachsenen heilt die Hepatitis B in 90-95% der Fälle aus, bei Neugeborenen
und Kindern geht der HBV-Infekt dagegen in ca. 90% in einen HBV-Trägerstatus
über. Die chronisch aktive Hepatitis prädisponiert zur Leberzirrhose und zum
hepatozellulären Karzinom. In großen Kohortenstudien konnte gezeigt werden, dass
die Hepatitis B-Viruslast für den langfristigen Verlauf von entscheidender Bedeutung
ist (1, 9).
Die Therapie der akuten Hepatitis B erfolgt symptomatisch. Bei fulminaten Verläufen
sollte eine antivirale Therapie mit Lamivudin erwogen und frühzeitige Verlegung des
Patienten in ein Transplantationszentrum angestrebt werden.
Die therapeutischen Möglichkeiten zur Behandlung einer chronischen Hepatitis B
(Verlauf > 6 Monate) haben sich in den vergangenen Jahren erheblich erweitert.
Eine Behandlungsindikation besteht nach den aktuellen Konsensusempfehlungen (3)
bei Patienten mit signifikanter Virämie (HBV-DNA ≥ 104 Kopien/ml entsprechend ≥ 2
x 103 IU/ml), erhöhten Leberwerten (GPT ≥ 2 x ULN/= oberer Normwert) oder
histologisch mehr als minimaler Entzündungsaktivität/geringer Fibrose.
In Deutschland sind für die Behandlung der chronischen Hepatitis B Interferon-α,
Lamivudin, Adefovir, Entecavir und Telbivudin zugelassen. Verfügbar und Hepatitis
B-wirksam, jedoch nicht für diese Indikation zugelassen, sind darüber hinaus
Emtricitabin (HIV-Therapie) und Tenofovir (HIV-Therapie). Die einzelnen Präparate
und ihre Dosierungen sind Tabelle 3 zu entnehmen.
Tabelle 3: Behandlung der chronischen Hepatitis B (Stand 1.6.2007)
Medikamente, die zur
Zugelassene Dosierung
Behandlung der chronischen
Hepatitis B zugelassen sind
Alfa-Interferone
Pegyliertes Interferon alfa-2a
180 µg 1 x wöchentlich für 48 Wochen
(Pegasys®)
Interferon alfa-2a (Roferon®)
2,5-5 Mio. IU pro m2 Körperoberfläche 3 x
wöchentlich für 4-6 Monate
Interferon alfa 2b (Intron A®)
5-10 Mio. IU 3 x wöchentlich für 4-6 Monate
Nukleosidanaloga
Lamivudin (Zeffix®)
100 mg 1 x täglich
Entecavir (Baraclude®)
0,5 mg 1 x täglich, 1,0 mg bei Patienten mit
Lamivudin-Resistenz
Telbivudin (Sebivo®)
600 mg 1 x täglich
Nukleotidanaloga
Adefovir dipivoxil (Hepsera®)
10 mg 1 x täglich
Durch eine Interferon-α-Therapie kann eine Transaminasen-Normalisierung und
Serokonversion von HBeAg zu Anti-HBe bei ca. 25-40% der Patienten erzielt
werden, eine Konversion von HBsAg zu Anti-HBs bei ca. 5-10%. Patienten mit einer
Prae-Core-Mutanten-Infektion sprechen deutlich schlechter an. Als günstige
Faktoren für ein Therapieansprechen wurden ein HBV-Genotyp A, eine niedrige
Viruslast (< 106 Kopien/ml bzw. < 2 x 105 IU/ml) sowie mindestens 2-fach erhöhte
Transaminasen identifiziert.
Die Behandlung mit Nukleosid-/Nukleotidanaloga führt nach einjähriger Therapie zu
einer HBeAg-Serokonversionsrate von 15-25%, eine längere Therapiedauer erhöht
diese Serokonversionsrate noch beträchtlich. Bei primär HBeAg-negativer, chronisch
aktiver Hepatitis B sind Nukleosid-/Nukleotidanaloga im Gegensatz zu Interferon-α
ebenfalls gut wirksam. Eine feste Behandlungsdauer ist in dieser Situation derzeit
nicht zu definieren. Vieles spricht dafür, eine solche Therapie als virustatische
Dauersuppressionstherapie,
wie
bei
der
HIV-Infektion,
durchzuführen.
Bei
langfristigem Einsatz ist mit dem Auftreten von HBV-Mutationen im Polymerase-Gen
zu rechnen. Nach den bisherigen Daten ist das Risiko hierfür bei Lamivudin am
größten, bei Entecavir am geringsten (2).
Um die Selektion resistenter Virusvarianten zu vermeiden, sollten Kontrollen der
HBV-DNA und der GPT initial nach 4-6 Wochen und anschließend alle 3-6 Monate
erfolgen. Bei Nichtansprechen, welches durch eine persistierende Viruslast nach 6
Monaten von > 103 Kopien/ml bzw.200 IU/ml definiert werden kann, sollte die
Therapie modifiziert werden. Bei einem sekundären Therapieversagen infolge
Resistenzentwicklung (Anstieg der HBV-DNA um > 1-log-Stufe über den Nadir) ist
ebenfalls eine Therapieanpassung unter Berücksichtigung der Resistenzprofile der
einzelnen Substanzen vorzunehmen. Dabei bietet sich auch die zusätzliche Gabe
eines zweiten Präparates („add-on“-Therapie) an (11).
Nach
Beendigung
einer
Nukleosid-/Nukleotidanaloga-Therapie
kann
es
zur
Reaktivierung der Hepatitis kommen, weshalb engmaschige Kontrollen notwendig
sind.
Auch die Hepatitis B ist eine impfpräventable Erkrankung! Seit 1995 ist in
Deutschland die aktive Hepatitis B-Impfung auch in den allgemeinen Impfkalender für
Kinder und Jugendliche aufgenommen.
Bei Erwachsenen sollte die Indikation für eine Impfung großzügig gestellt werden.
Aufgrund der hohen Infektiosität des Hepatitis B-Virus (10 x mehr als HCV, 100 x
mehr als HIV) besteht ein konkretes Infektionsrisiko selbst bei Bagatellereignissen
wie Nassrasur mit ungereinigten Messern, Tätowierungen, Piercing und vielen
Verrichtungen im Alltag. Die allgemeine Beratung vor einer Fernreise bietet sich
deshalb als Gelegenheit an, dem Reisenden einen aktiven Schutz vor der Hepatitis B
anzubieten.
Um eine wirksame Protektion der Hepatitis B zu erreichen, sind zwei Impfungen im
Abstand von mindestens vier Wochen notwendig. Eine dritte Impfung erfolgt nach
frühestens sechs Monaten. Dieses Impfschema wird auch zugrunde gelegt, wenn
man sich für den kombinierten Hepatitis A/B-Impfstoff entscheidet.
Hepatitis C
Nach Schätzungen der WHO haben weltweit rund 170 Millionen Menschen, 3 % der
Weltbevölkerung, Kontakt mit dem HCV gehabt. Mindestens 130 Millionen gelten als
chronisch infiziert. In Deutschland leben schätzungsweise 500 000 chronisch HCVInfizierte.
Das Hepatitis C-Virus wird parenteral übertragen. Die meisten Infektionen sind auf
intravenösen Drogenabusus sowie Dialyse-Behandlung und die Transfusion von
Blutprodukten vor 1990 zurückzuführen. Das Restrisiko einer Neuinfektion über
Blutprodukte ist heute sehr gering (1:4.500.000 nach Einführung der HCV-PCR aller
Blutspender). Ein sehr geringes Risiko besteht weiterhin bei Sexualkontakten mit
HCV-Infizierten sowie für den perinatalen Übertragungsweg (sofern nicht gleichzeitig
eine HIV-Infektion vorliegt).
Nach der gebräuchlichen Klassifikation werden sechs Genotypen (1a/b, 2 a/b, 3, 4, 5
und 6) unterschieden. In Europa kommt am häufigsten Genotyp 1 vor, welcher ca.
die Hälfte bis zwei Drittel der HCV-Infektionen ausmacht. Das Vorliegen eines
bestimmten HCV-Genotypes hat eine prognostische Relevanz bezüglich der
Interferontherapie.
Eine HCV-Infektion
wird diagnostiziert durch den Nachweis von Hepatitis C-
Antikörpern. Positive HCV-Antikörper lassen allerdings keine Schlußfolgerungen zu,
ob es sich um eine akut oder chronisch aktive oder um eine inaktive, abgelaufene
Infektion handelt. Die einzige Möglichkeit des Nachweises einer bestehenden
Virämie besteht im HCV-RNA-Nachweis im Serum mittels PCR-Amplifikation.
Die Inkubationszeit der Hepatitis C beträgt drei bis zwölf Wochen. In der Regel
entwickelt sich eine klinisch inapparente Hepatitis, so dass akute Infektionen nur
selten diagnostiziert werden.
In einem Prozentsatz zwischen 50 und 80% nimmt die Hepatitis-C-Infektion einen
chronischen Verlauf. Charakteristisch ist, dass die Transaminasen erheblich
schwanken, zeitweise auch völlig normal sein können, nur sehr selten ein Ikterus
auftritt und die Erkrankung zunächst symptomarm verläuft. Dennoch ist bei vielen
Patienten der Verlauf langsam progredient mit einem erheblichen Leberzirrhoserisiko
(nach einer Laufzeit von 10-25 Jahren bei 25-40%). Die Entzündungsaktivität und vor
allem der für den Progress der Erkrankung entscheidende Fibrosegrad ist am
zuverlässigsten nach wie vor histologisch zu beurteilen (Abb 2 und 3). Regelmäßiger,
auch moderater Alkoholkonsum beschleunigt die Progression zur Zirrhose. Weiterhin
besteht ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines hepatozellulären Karzinoms.
Abbildung 2: Chronisch aktive Hepatitis C (Histologie, HE-Färbung): Periportales Feld
mit deutlicher chronischer Entzündung in der Grenzlamelle und Mottenfraßnekrosen (1),
"aktives Septum" mit Fibrose und deutlicher chronischer Entzündung (2), das sich in
Richtung Zentralvene (3) ausbreitet (Beginn des zirrhotischen Läppchenumbaues)
Abbildung 3: Chronisch aktive Hepatitis C mit hepatocellulärem Carcinom/HCC
(Histologie, HE-Färbung): Pseudolobulus, mit deutlicher chronischer Entzündung in
der Grenzlamelle (1), HCC G2 (2)
Wegen der hohen Chronifizierungsrate im Gegensatz zur akuten Hepatitis B ist bei
akuter C-Hepatitis eine antivirale Behandlung in Erwägung zu ziehen, zumal gezeigt
werden konnte, dass bereits durch eine Mono-Therapie mit Interferon-α ein
chronischer Hepatitis-Verlauf in weit über 90% verhindert werden kann (10). Diese
Therapie sollte vorzugsweise in Studien erfolgen.
Primäres Ziel einer antiviralen Therapie einer chronischen Hepatitis C ist heute die
Ausheilung der Hepatitis mit dauerhafter HCV-Elimination, um die weitere
Krankheitsprogression zu verhindern.
Die Standardtherapie der chronischen Hepatitis C beinhaltet die Gabe von
pegyliertem Interferon-α-2a oder -2b in Kombination mit Ribavirin. Patienten mit einer
HCV-Genotyp 1-Infektion werden üblicherweise 48 Wochen, Patienten mit einer
HCV-Genotyp
2-oder
3-Infektion
24
Wochen
behandelt.
Ein
dauerhaftes
virologisches Ansprechen, welches einer langfristigen klinischen Ausheilung der
Erkrankung gleichkommt (4), kann bei der HCV-Genotyp 1-Infektion in 42-52%, bei
der HCV-Genotyp 2/3-Infektion in 76-84% erzielt werden (6, 12).
Eine hohe prädiktive Bedeutung hat der initiale Abfall der Hepatitis C-Viruslast. Sinkt
diese nach 12-wöchiger Therapie einer HCV-Genotyp 1-Infektion nicht mindestens
um 2 log-Stufen gegenüber dem Wert vor Therapie ab, liegt die Wahrscheinlichkeit
eines definitiven Nicht-Ansprechens bei 97-100% (5). Deshalb wird empfohlen, bei
Nicht-Erreichen dieses Viruslast-Abfalls die Therapie abzubrechen.
Neuere Studien haben gezeigt, dass bei niedriger Ausgangs-Viruslast (< 600.000800.000 IU/ml) und Negativierung der HCV-RNA bereits in Woche 4 die Behandlung
auch beim Genotyp 1 auf 24 Wochen beschränkt werden kann (16).
Auch die Therapie bei HCV-Genotyp 2/3-Infektion wird entsprechend des initialen
Viruslast-Abfalls zunehmend individualisiert und kann bei vielen Patienten ohne
Reduktion der Erfolgsrate verkürzt werden.
Gerade für Patienten mit milder chronischer Hepatitis C (Genotyp 2/3 und auch
Genotyp 1) ist eine antivirale Therapie in hohem Maße kosteneffektiv (7), sodass
auch in dieser Hinsicht eine frühe Diagnosestellung von großer Bedeutung ist.
Patienten mit HCV-HIV-Koinfektion haben ein besonderes Risiko für eine rasche
Krankheitsprogression der Hepatitis C mit Entwicklung einer Leberzirrhose. Diesen
Patienten sollte deshalb frühzeitig eine Therapie angeboten werden.
Hepatitis D
Die Hepatitis D-Infektion ist an die Anwesenheit des Hepatitis B-Virus gekoppelt,
dessen Hülle das HDV für seine Replikation benötigt. Der Infektionsmodus ist
parenteral und erfolgt als Simultan- oder Superinfektion einer Hepatitis B. In
Deutschland trat die Hepatitis D bisher sehr selten und fast ausschließlich bei
drogenabhängigen Patienten auf. Die chronische HDV-Infektion ist mit einem
besonders hohen Leberzirrhose-Risiko (30-60% der Patienten!) vergesellschaftet.
Eine Therapie mit Interferon-α ist möglich, wegen nur sehr geringer Ansprechraten
jedoch nicht etabliert.
Hepatitis E
Die Hepatitis E ist ebenfalls eine fäkal-oral übertragene virale Hepatitis, die erst seit
1980 als Ursache der enterischen „Non A non B-Hepatitis“ identifiziert wurde (15).
Die Erkrankung ist in zahlreichen Ländern der Tropen und Subtropen bei Mensch
und Tier relativ weit verbreitet, wenngleich unsere Kenntnisse zur genauen
Epidemiologie der Erkrankung noch sehr lückenhaft sind. Als importierte Infektion
und sehr selten auch als autochthon erworbene Erkrankung wird die Hepatitis E
immer wieder, vielleicht sogar viel zu wenig diagnostiziert (14). Die Hepatitis E
verläuft meist als unspezifische Allgemeinerkrankung, kann aber auch mit einer
schweren
Leberfunktionsstörung
einhergehen,
bei
Schwangeren
sogar
als
fulminante Hepatitis mit einer Letalität von 20 %. Wie bei der Hepatitis A ist auch hier
ein chronischer Verlauf nicht beschrieben.
Vor kurzer Zeit wurde eine rekombinante Hepatitis E Vakzine erfolgreich an einer
Hochrisiko-Population getestet (13), für den Routineeinsatz steht diese aktive
Impfung allerdings noch nicht zur Verfügung.
Hepatitis G/GB Virus C
In den Jahren 1995 und 1996 wurde unabhängig voneinander in zwei Laboratorien
ein neues, dem Hepatitis C-Virus ähnliches, zur Gruppe der Flaviviridae gehörendes
Virus entdeckt. Die Nomenklatur dieses Virus ist bis heute nicht einheitlich:
gebräuchlich sind die Bezeichnungen GB-Virus C (GB sind die Initialen des ersten
Patienten, in dessen Serum das Virus nachgewiesen werden konnte), Hepatitis GVirus (HGV) sowie GBV-C/HGV.
Das
GBV-C-Virus
ist
offensichtlich
weit
verbreitet.
Für
die
USA
wurden
Prävalenzraten von 1-7%, für Westeuropa 1-10% angegeben. Die Übertragung des
Virus erfolgt parenteral über Blut bzw. Blutkontakte und ist damit identisch mit der
Übertragung von HBV, HCV und HIV.
Nachdem man zunächst angenommen hatte, dass GBV-C für einen Großteil von
Non A-E Hepatitiden verantwortlich sein könnte, ergaben vielfältige Untersuchungen
bis heute keinen sicheren Anhalt dafür, dass das Virus Krankheiten verursachen
kann. Insbesondere konnte kein Zusammenhang mit akuten und/oder chronischen
Hepatitiden gefunden werden. Es wurden lediglich anhaltende Virämien beobachtet.
Danksagung:
Für die Überlassung der Abbildungen 2 und 3 bedanke ich mich herzlich bei Prof. Dr.
Justus Müller vom Pathologischen Institut der Universität Würzburg
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Verfasser:
Prof. Dr. med. Hartwig Klinker
Schwerpunkt Infektiologie
Medizinische Klinik und Poliklinik II
Klinikum der Universität Würzburg
Josef-Schneider-Str.
97070 Würzburg
E-Mail: [email protected]
www.medpoli.uni-wuerzburg.de/hepinf
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