Untersuchung von Kopf, Hals, Nase, Ohren 8 8.6 Larynx und Hypopharynx Tab. 8.14 · Fortsetzung. Befunde Differenzialdiagnose Zunge und Zungengrund (Forts.) Abweichen der Zunge Parese des N. hypoglossus narbige, postoperative oder tumoröse Fixierung der Zunge Zungengrundschwellung Zungengrundhyperplasie ektope Schilddrüse Raumforderungen (Zysten, Tumoren) Tonsillen Vergrößerung Tonsillenhyperplasie, Lymphom, Karzinom Beläge beidseitig chronische Tonsillitis, akute Tonsilitis, ­Mononucleosis infectiosa Beläge einseitig Karzinom Peritonsillarabszess Angina Plaut-Vincent Gaumen/Rachenhinterwand Rötung und Schwellung akute Pharyngitis, Seitenstrangangina, Retropharyngealabszess hyperplastische, granulierende, vergrößerte Lymphfollikel chronische Pharyngitis Gaumenasymmetrie bei Artikulation „aaaah“ Parese des N. glossopharyngeus Nasenrachenraum Verlegung der Choanen Choanalatresie Raumforderungen Choanalpolyp adenoide Vegetation juveniles Nasen-Rachen-Fibrom Meningo-(Enzephalo-)zele Zyste (Thornwald-Zyste) Nasen-Rachen-Karzinom (gehäuft in Asien) ▶▶ Apparative Diagnostik: • Nasopharyngoskopie: Ergänzend zur Rhinoscopia posterior mit dem Spiegel lässt sich der Nasopharynx transoral mit einer 70 °-Optik oder transnasal mit flexiblem Endoskop beurteilen. 8.6 Larynx und Hypopharynx Anatomie ▶▶ Larynx (wird in 3 Ebenen eingeteilt): • Supraglottis: Laryngeale Epiglottis, aryepiglottische Falte, Taschenbänder, Sinus Morgagni (Raum zwischen Taschenfalten und Stimmfalte). • Glottis: Stimmbänder bis 1 cm nach kaudal (Linea arcuata inf.). 118 aus: Neurath u. a., Checkliste Anamnese (ISBN 9783131273338) © 2010 Georg Thieme Verlag KG • Subglottis: Linea arcuata inf. bis zum Unterrand des Ringknorpels. • N. laryngeus superior: Innervierung der Stimmlippenspanner M. vocalis und M. cricothyroideus sowie sensible Versorgung des Bereichs oberhalb der Stimmlippen. • N. laryngeus inferior: Innerviert die restliche Kehlkopfmuskulatur inklusive dem einzigen Stimmritzenöffner (M. cricoarytaenoideus lateralis, „Posticus“) sowie die Schleimhaut unterhalb der Stimmlippen. • Lig. conicum: Bindegewebige Verbindung zwischen Ring- und Schildknorpel. Hier wird bei Atemnot die Koniotomie durchgeführt. ▶Merke: Die Koniotomie ist nur im absoluten Notfall indiziert, da sie oft mit Vernarbungen der Subglottis einhergeht. Sofern möglich, ist immer eine Tracheotomie zwischen 2. und 3. oder 3. und 4. Trachealknorpel zu bevorzugen. ▶▶ Hypopharynx: • Sinus piriformis. • Postkrikoidaler Raum (spaltförmig hinter dem Larynx). Anamnese • Heiserkeit: Akut oder langsam zunehmend, rezidivierend, räumliche oder zeitliche Abhängigkeit? ▶Beachte: Bei innerhalb von Wochen (langsam) zunehmender Heiserkeit ist immer ein tumoröses Geschehen auszuschließen. ▶Merke: Heiserkeit nicht mit „kloßiger“ Sprache (raumfordernde Prozesse in Supraglottis, Pharynx oder Mundhöhle) verwechseln. • Atemnot: Hörbares Atemgeräusch bei der Einatmung, bekannter Tumor, Entzündungen, Fehlbildungen? ▶Merke: Inspiratorischer Stridor ist typisch für eine Enge im Bereich der oberen Atemwege. • Schmerzen (können in die Ohren ausstrahlen)? • Schluckstörungen (Dysphagie, bei Entzündungen oder Tumoren), Globus- oder Fremdkörpergefühl (bei Karzinophobie oder funktionellen und organischen Erkrankungen, z. B. Refluxerkrankung)? • Hustenreiz? 8 Untersuchung von Kopf, Hals, Nase, Ohren 8.6 Larynx und Hypopharynx Klinische Untersuchung ▶▶ Palpation und Inspektion: • Untersuchungsposition: Der Untersucher sitzt vor dem Patienten. • Praktisches Vorgehen: Abtasten des Kehlkopfes von außen. Dann den Patienten schlucken lassen: Normalerweise gleitet dabei der Kehlkopf nach oben und unten. ▶Hinweis: Ein fixierter Kehlkopf kann auf ein tumoröses Geschehen hinweisen. ▶▶ Indirekte Kehlkopfspiegelung: • Untersuchungsposition: Der Untersucher sitzt (Kilian-Position, bessere Beurteilbarkeit der hinteren Strukturen) oder steht (Türck-Stellung, vorteilhaft für vordere Strukturen). • Praktisches Vorgehen: –– Patienten auffordern, bei weit geöffnetem Mund die Zunge herauszustrecken, diese mit einem Mullläppchen o. Ä. zwischen Daumen und Mittelfinger fixieren, dabei mit dem Zeigefinger die Oberlippe nach oben drängen. –– Sobald der Patient durch den Mund atmet, den angewärmten Kehlkopfspiegel vorsichtig Richtung Oropharynx vorschieben. Dabei die Uvula mit der Metallseite des Spiegels vorsichtig aufladen (Abb. 8.29 a). ▶Merke: Rachenhinterwand und Zungengrund wie bei der Nasopharyngoskopie nicht berühren (Würgereiz)! Bei starkem Würgereiz kann die Sprühanästhesie mit Xylocain hilfreich sein. aus: Neurath u. a., Checkliste Anamnese (ISBN 9783131273338) © 2010 Georg Thieme Verlag KG 119 Untersuchung von Kopf, Hals, Nase, Ohren 8 8.6 Larynx und Hypopharynx a b Abb. 8.29 · Indirekte Laryngoskopie. a Einsatz des Spiegels, b normaler Larynxbefund: (Respirationsstellung). –– Durch Kippbewegungen lassen sich Zungengrund, Valleculae (beide gehören zum Oropharynx), Larynx (Abb. 8.29 b) und Hypopharynx einsehen. Indem man den Patienten „Hii“ sagen lässt, kann man Phonation (Stimmgebung) und Inspiration und somit die Stimmbandbeweglichkeit beurteilen. ▶Beachte: Im Bereich von Oropharynx (Valleculae), Larynx (Subglottis und Sinus Morgagni) und Hypopharynx gibt es Nischen, die man bei der indirekten Laryngoskopie oft nicht ausreichend einsehen kann. Daher bei chronischen, therapieresistenten Beschwerden immer eine Endoskopie in Narkose (Pan­ endo­skopie) und/oder eine Bildgebung vornehmen, um einen Tumor auszuschließen. Klinisch relevante Erkrankungen ▶▶ Akute Epiglottitis: • Insbesondere im Kindesalter und vor allem in den Grippemonaten auftretende Infektion mit Streptokokken oder Haemophilus influenzae. Charakteristisch ist eine kloßige Sprache, Schluckschmerzen und eine zunehmende Atemnot mit inspiratorischem Stridor. • Therapie: Antibiose, Stichinzision, Intubation im Notfall. ▶▶ Pseudokrupp (Laryngitis subglottica): • Schwellung der Subglottis bei Infektion mit Parainfluenza- und Influenzaviren, bellender Husten und gehäuft Atemnot mit inspiratorischem Stridor ohne Dysphonie. • Therapie: Glukokortikoide, Antibiose, Inhalationen, selten Intubation. ▶▶ Akute Laryngitis : • Virale oder bakterielle Entzündung des Larynx mit Schmerzsymptomatik und Heiserkeit bis zur Aphonie, selten mit Stridor/Atemnot. • Therapie: Antibiotika, Stimmschonung, Inhalationen, bei Schwellungen Kortison. ▶▶ Chronische Laryngitis: • Multifaktorielle Genese (Mundatmung, Noxen, chronische Rhinosinusitis); Hustenreiz, Fremdkörpergefühl. • Therapie der Ursache. ▶▶ Larynxödem: • Multifaktorielle Genese (Allergie, Wespenstich, Intubation, Radiatio etc.); Dysphagie, Fremdkörpergefühl, z.T. Stridor und Dyspnoe. • Therapie: Kortikoide und je nach Ursache Antihistaminika, Antibiotika, ggf. Schutzintubation oder Konio-/Tracheotomie. ▶▶ Reinke-Ödem: • Ödematöse Schwellung der Stimmbänder mit Dysphonie bei Patienten mit starker Stimmbelastung und Nikotinabusus, selten Atemnot. • Therapie: Schlitzung der Ödeme in Vollnarkose, oft Rezidive. 120 aus: Neurath u. a., Checkliste Anamnese (ISBN 9783131273338) © 2010 Georg Thieme Verlag KG Abb. 8.30 · Larynxkarzinom. Abb. 8.31 · Kontaktgranulom. ▶▶ Larynxkarzinom: Heiserkeit ist oft das Frühsymptom bei Karzinomen der Glottis (Abb. 8.30). Hingegen finden sich bei Tumoren der Supra- bzw. Subglottis oft Halslymphknotenmetastasen als Erstsymptom. Oft wird ein in die Ohren ausstrahlender Schmerz beschrieben. ▶▶ Hypopharynxkarzinom: Meist im Sinus piriformis, Schluckprobleme als Erstsymptom, oft frühe Metastasierung. ▶▶ Rekurrensparese (= Stimmbandstillstand): Heiserkeit, bei beidseitigem Stillstand auch Stridor/Dyspnoe, Ursache: Tumor/OP im Bereich des Halses oder oberer Thoraxapertur (z. B. Schilddrüsen-OP oder OP an der Aorta). ▶Merke: Bei unklarer Genese eines Stimmbandstillstands ist eine weiterführende Diagnostik notwendig, um ein tumoröses Geschehen auszuschließen; CT des Halses einschließlich oberer Thoraxapertur. ▶▶ Kontaktgranulom: Organische Stimmstörung, durch mechanischen Reiz (Stimmfehlbelastung) oder evtl. durch Magensäurereflux bedingte gutartige Schleimhautpathologie (Abb. 8.31). 8 Untersuchung von Kopf, Hals, Nase, Ohren 8.6 Larynx und Hypopharynx Differenzialdiagnose Larynx und Hypopharynx (Tab. 8.15) Tab. 8.15 · Differenzialdiagnose Larynx und Hypopharynx. Befund Differenzialdiagnose Rötung und Schwellung der Epiglottis Epiglottitis Abszess superinfizierter Tumor Rötung der Epiglottis und der Stimmbänder akute Laryngitis subglottische Schleimhautschwellung Laryngitis subglottica glasige Schwellung des Kehlkopfes Larynxödem verdickte Stimmbänder chronische Laryngitis Reinke-Ödem Reinke-Ödem Forts. ▶ aus: Neurath u. a., Checkliste Anamnese (ISBN 9783131273338) © 2010 Georg Thieme Verlag KG 121 Untersuchung von Kopf, Hals, Nase, Ohren 8 8.6 Larynx und Hypopharynx Tab. 8.15 · Fortsetzung. Befund Differenzialdiagnose Raumforderung Papillom Stimmbandpolyp Karzinom selten: Zysten, Amyloidose, Tbc Speichelsee Malignom Fremdkörper, Ösophagusbolus Hypopharynxdivertikel Stridor/Dyspnoe: inspiratorisch beidseitige Rekurrensparese Tumor Larynxödem, Laryngitis, Epiglottitis Fremdkörper exspiratorisch Dysphonie (Heiserkeit) Lungenerkrankungen Reinke-Ödem, Larynxödem (z. B. allergisch) einseitiger Stimmbandstillstand Tumor Laryngitis funktionelle Heiserkeit neurologische Erkrankungen Schluckprobleme (Dysphagie, Globusgefühl) gutartige/bösartige Raumforderungen Zungengrundhyperplasien psychogene Schluckstörungen, neurogene Schluckstörung postradiogen, postoperativ Mundatmung bei Nasenatmungsbehinderung Refluxerkrankung Ösophaguserkrankungen (z. B. Achalasie), Ösophagusfremdkörper, narbige Strikturen anatomisch-ossäre Ursache: Verlängerung des Processus styloideus, Vorwölbung der Wirbelsäule Apparative Diagnostik ▶▶ Endoskopie: Ergänzend zur Untersuchung mit dem Spiegel lässt sich der Larynx auch transoral mit einer 70 °-Optik oder einem 90 °-Lupenendoskop oder transnasal mit einem flexiblen Endoskop beurteilen. ▶▶ Laryngostroboskopie: Mittels einer elektronisch gesteuerter Blitzfrequenz kann man die Feinschwingung der Stimmbänder lupenendoskopisch sichtbar machen → Diagnostik von Stimmstörungen und Früherkennung des Larynxkarzinoms. ▶▶ Bildgebende Verfahren: • CT: Bei Stimmbandstillstand unklarer Genese, Raumforderungen der Schilddrüse oder des Kehlkopfes, Frakturen, Ausdehnung von Tumoren. • MRT: Weichteiltumoren. 122 aus: Neurath u. a., Checkliste Anamnese (ISBN 9783131273338) © 2010 Georg Thieme Verlag KG