Islam in Europa

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Islam in Europa
Mit wachsenden muslimischen Bevölkerungsgruppen nehmen Europäer
eine Neubewertung der Qualität vor, mit der sie religiöse Minderheiten
integrieren
Niemand weiß genau, wie viele Muslime heute in Europa leben, was teilweise darauf
zurückzuführen ist, dass mehrere europäische Nationen in ihren nationalen
Volkszählungen die Religionszugehörigkeit nicht erfassen. Die meisten Experten
schätzen, dass es 15 bis 20 Millionen Muslime gibt, die unter den 400 Millionen
Menschen zählenden, vorwiegend christlichen Bevölkerungen in Westeuropa leben.
Ohne dass man die mögliche Aufnahme der Türkei in die Europäische Union
berücksichtigt, wird allgemein erwartet, dass die Zahl der Muslime bis 2050 auf mehr
als 40 Millionen anwachsen wird, womit sie dann etwa 15% der Bevölkerung in Europa
ausmachen werden.
Angesichts dieser wachsenden muslimischen Bevölkerung – die in erster Linie durch
Einwanderung aber auch durch höhere Geburtenraten zunimmt – sind im
Zusammenhang mit einer Muslim-feindlichen Haltung, die sich nach den
terroristischen Anschlägen vom 11. September 2001 in den Vereinigten Staaten
entwickelt und nach den Bombenanschlägen auf die Nahverkehrszüge in Madrid im
Jahre 2004 und London im Jahre 2005 weiter verschärft hat, Spannungen
entstanden.
Verschiedene Ereignisse haben Ängste ausgelöst, dass zumindest einige Muslime sich
nicht in die europäischen Gesellschaften assimilieren oder westliche Werte
akzeptieren. Ein Beispiel: die umfangreichen Proteste von Muslimen. nachdem eine
dänische Zeitung im Jahr 2006 Karikaturen des Propheten Mohammed veröffentlichte.
„Es steht außer Frage, dass die Menschen zu sehr unter sich bleiben”, sagte Asaf
Hussain, interreligiöser Führer und Wissenschaftler an der Universität Leicester in
England. „Ein Hindu würde nicht in eine Moschee gehen, und ein Muslim geht nicht in
einen Tempel.”
Hussain vertrat die Auffassung, dass er die Art und Weise, wie Menschen häufig zuerst
ihre Religion nennen, wenn man sie fragt, ob sie Briten oder Muslims sind, nicht ertragen
kann. „Ich glaube, ich bin britischer Pakistani und nicht britischer Moslem”, sagte er und
fügte hinzu: „In Amerika sagen die Leute, dass sie amerikanische Inder sind und nicht
amerikanische Christen. Brite zu sein, sollte das zentrale Element sein, dass alle
zusammenhält.” Wegen der schnellen Veränderungen, die durch das Einströmen von
Moslems ausgelöst wurden, haben kommunale und nationale Politiker in Großbritannien
und ganz Europa Schwierigkeiten gehabt, sich anzupassen und zu reagieren.
In Frankreich, dessen muslimische Minderheit von 5 Millionen Menschen die größte in
Westeuropa ist, trat im Jahre 2004 ein Verbot von religiösen Symbolen und
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Kleidungsstücken in öffentlichen Schulen in Kraft. Dieses Verbot umfasste alle
offensichtlich religiösen Kleidungsstücke und Zeichen einschließlich des Kopftuchs der
Muslime, der Turbans der Sikhs, jüdischer Kipas und großer christlicher Kreuze. Es war
ein kontroverser Schritt, aber einer, der von den Mitgliedern aller religiöse Gruppen
stillschweigend akzeptiert wurde.
Andererseits waren viele Franzosen im Juni erzürnt, als ein Gericht in Lille die Heirat
von zwei Muslimen annullierte, nachdem der Ehemann behauptete, seine Frau sei
keine Jungfrau. Die Kritiker sagten, dass dieser Schritt die Frauenrechte um viele
Generationen zurückgeworfen habe.
Ebenfalls im Juni bestätigte das Oberste Gericht von Frankreich einen Beschluss, einer
muslimischen Frau, die eine Kopf-bis-Fuß-Verschleierung trägt, die französische
Staatsbürgerschaft zu verweigern, weil sie sich nicht ausreichend in die französische
Gesellschaft integriert habe. Die Kritiker sagten, dass dieses Urteil den französischen
Säkularismus zu weit getrieben habe. Trotzdem sagen viele Muslime, dass sie sich in
Frankreich willkommen fühlen, wo die Bevölkerung sich anscheinend so daran gewöhnt
hat, dass es in ihrer Mitte große Moscheen gibt, dass viele Bürgermeister für diese
Bauten sogar Land zu geringen Preisen zur Verfügung stellen.
„Es gibt großes Theater im Zusammenhang mit Islamisierung, aber die französische
Gesellschaft zeigt große Akzeptanz”, sagte Deborah Remmane, die Sekretärin des
Verbandes der muslimischen Studenten von Frankreich in Paris. „Die Leute wedeln das
rote muslimische Tuch, wenn sie von anderen Themen ablenken wollen.” Remmane
unterstrich aber gleichzeitig, dass es normalerweise mehr mit der finanziellen Situation
als mit der Religion zu tun hat, wenn bestimmte Bevölkerungsgruppen nicht
miteinander auskommen. „Wenn sie Muslima und Tochter eines Arztes sind, haben sie
keine Probleme mit der Eingliederung”, sagte sie.
In der Schweiz hat es wesentlich größere Sorge im Hinblick auf die Ausbreitung des
radikalen Islamismus und von Moscheen gegeben, wobei es in diesem Monat ein
nationales Referendum zum Verbot der als Minarette bekannten hohen Türme von
Moscheen gibt. Die Unterstützer sagen, dass das Verbot notwendig ist, weil die
Minarette zu einer Störung des sozialen Zusammenhalts führen könnten, während die
Kritiker behaupten, dass das Verbot die Menschenrechte verletzen und den
Extremismus anheizen würde.
Die zunehmende Zahl von Moscheen ist auch in anderen Teilen Europas zu einem
Katalysator für Spannungen geworden. In Köln in Deutschland wurden Demonstrationen
organisiert, um gegen das zu protestieren, was die Kritiker angesichts der Pläne, eine
große Moschee mit einer Kuppel und zwei circa 60 m hohen Minaretten zu bauen, als
„Islamisierung” ihrer multi-ethnischen Stadt bezeichnen.
In London haben die Pläne für den Bau einer „Mega-Moschee” für 12.000 Gläubige
direkt neben dem Platz der Olympischen Spiele im Jahre 2012 zu mehr als 250.000
Unterschriften von Baugegnern geführt. Es gibt etwa 1.600 Moscheen in
Großbritannien, einem Land, das ein gemeinsames Gefühl der nationalen Identität zu
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Forum 21 [Policy]
fördern versucht hat. Im Allgemeinen hat die britische Regierung sich bemüht,
muslimische Gemeinschaften seit den Selbstmordanschlägen von London im Jahre
2005, als vier britische Staatsangehörige sich im Nahverkehrsnetz der Stadt in die Luft
sprengten und dabei 52 Menschen töteten, stärker einzubinden.
Die Kritiker sagen, dass manche zu weit gegangen sind, um die muslimische
Minderheit in Großbritannien zu beschwichtigen. Anfang dieses Jahres sagte Rowan
Williams, der Erzbischof von Canterbury, dass ein Element der Scharia oder des
islamischen religiösen Rechts unvermeidlich in britisches Recht eingegliedert werden
müsse, und löste damit Protestwellen aus.
Denis MacEoin, ein Experte für Islamstudien an der Universität Newcastle, wies darauf
hin, dass laut Umfragen eine Mehrheit der Muslime ihre Loyalität gegenüber
Großbritannien ausdrücken. Aber MacEoin sagte auch, dass es weniger Hingabe
gegenüber britischen Werten gibt, als viele gerne sehen möchten. „Es gibt immer noch
umfangreiche islamische Literatur, in der Muslime aufgefordert werden, sich von
Nicht-Muslimen und einer nicht-muslimischen Gesellschaft fernzuhalten”, betonte er.
MacEoin sagte, dass Muslime dadurch, dass sie sich um größere AutarkieMöglichkeiten bemühen, eine Gesellschaft innerhalb der Gesamtgesellschaft schaffen.
„Das Tragen des Schleiers bei den Frauen ist beispielsweise dazu gedacht, Menschen
auf Distanz zu halten”, sagte er. „Muslimische Schulen stellen sicher, dass
heranwachsende Muslime nie ganz in die sie umgebende Gesellschaft hinein passen.”
Aber Peter Willetts, ein Professor für Weltpolitik an der City-Universität in London, hob hervor,
dass Menschen häufig pauschale Verallgemeinerungen gegenüber Muslimen machen, die
einfach nicht zutreffen. Er unterstrich, dass es so große Vielfalt unter den islamischen
Gemeinschaften in Europa gibt, dass man nicht alle Muslime über den gleichen Kamm
scheren kann. „In Europa haben wir gleichzeitig Muslime, die gut integriert sind, Muslime
die sich um Integration bemühen, Muslime, die zwar getrennt aber zufrieden und sicher
leben, und andererseits Muslime, die getrennt und entfremdet leben”, betonte er.
In Leicester sagt Hussain, dass sowohl die Regierung als auch religiöse Gruppen mehr
tun müssen, um eine aussagekräftige Integration zu fördern. Anstelle einer einfachen
Koexistenz verlangt er, dass Menschen aus unterschiedlichen Religionen echte
Beziehungen zueinander aufbauen müssen. Zu diesem Zweck hat Hussain damit
begonnen, weiße Engländer auf „interkulturelle Safaris” mitzunehmen, auf denen er mit
ihnen Tempel, Moscheen, die Gurudwaras der Sikhs und ethnische Restaurants besucht,
so dass die Menschen ein Verständnis für andere Kulturen entwickeln können.
„Selbst an der Universität haben wir Muslime, die beim Mittagessen zusammen in
einer Ecke sitzen, und die Hindus sitzen in einer anderen”, sagte er. „Es gibt einen
Mangel an Integration. Das ist das wirkliche Problem.”
(The Austin American-Statesman, 12.Oktober 2008:
www.statesman.com/insight/content/editorial/stories/
insight/10/12/1012europemuslims.html)
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