Der Europäische Forschungsraum und die Förderung von Forschung und Innovation durch die Europäische Union Ein Beitrag zur politischen Debatte Berlin, November 2015 Hintergrund und Anlass Die Wettbewerbs- und die Zukunftsfähigkeit Europas werden entscheidend von seiner Stärke in den Bereichen Forschung und Innovation (FuI) geprägt. Kreativität, Anpassungsfähigkeit und der Wille zu Innovation sind dabei wesentliche Kriterien für den Erfolg. Eine dem Exzellenzprinzip verpflichtete Wissenschaft und eine wettbewerbsfähige Wirtschaft in den Mitgliedsstaaten benötigen für ihr Wirken zukunftsfähige und belastbare Rahmenbedingungen in der EU. Wie sich der Europäische Forschungsraum (EFR) in den nächsten Jahren entwickelt und wie er auf neue Chancen, insbesondere die der Digitalisierung, reagiert, wird eine erhebliche Bedeutung zukommen. Horizont 2020 ist ein zentrales Instrument zur Verwirklichung des EFR. Die Akzente, die die EU zukünftig über Horizont 2020 und mögliche Nachfolgeprogramme setzt, stellen zentrale Weichen für die Forschungs- und Innovationskraft Europas. Vor diesem Hintergrund werden derzeit in den Mitgliedsstaaten und in den Gremien der EU eine Reihe von Vorschlägen und Anregungen zur Weiterentwicklung des gemeinsamen Engagements diskutiert. Diese Debatte ist notwendig und sie findet zum richtigen Zeitpunkt statt. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung will hierzu mit dem vorliegenden Positionspapier frühzeitig einen Beitrag leisten. 1 Der Europäische Forschungsraum 1. Den Europäischen Forschungsraum weiter gemeinsam gestalten • Die Ausgestaltung des EFR ist ein langfristiges Vorhaben der Union gem. Art. 179 Abs. 1 AEUV. Der Erfolg des EFR liegt in der gemeinsamen Verantwortung der Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission. Der EFR ist auf europäischer Ebene rechtlich Anker und Gestaltungsrahmen der gemeinsamen forschungspolitischen Anstrengungen der Mitgliedstaaten, der nationalen Wissenschaftsakteure wie auch der Europäischen Kommission auf europäischer Ebene. Er muss es auch faktisch bleiben. • Seit 2008 wurden in den einzelnen EFR-Prioritäten erhebliche Fortschritte erzielt, etwa durch die Implementierung von zehn Initiativen zur gemeinsamen Programmplanung oder die Errichtung und den Betrieb von Forschungsinfrastrukturen im gesamteuropäischen Interesse. Die Mitgliedsstaaten haben mit dem 2015 beschlossenen „Fahrplan zum Europäischen Forschungsraum („ERA-Roadmap“)“ ihre Handlungsfähigkeit erneut unter Beweis gestellt. Alle Mitgliedsstaaten sind angehalten, die Entwicklung des EFR durch eigene nationale Strategien und konkrete Maßnahmen zu begleiten und voranzutreiben. Die Europäische Kommission ist weiterhin aufgefordert, die Mitgliedsstaaten in ihren Anstrengungen ausreichend zu unterstützen. • Deutschland ist aktuell in der Phase der Umsetzung der nationalen Strategie zum Europäischen Forschungsraum, die im Juli 2014 verabschiedet wurde. Deutsche Forschungsund Mittlerorganisationen weisen laut EFR-Fortschrittsbericht 2014 bereits eine überaus hohe Übereinstimmung (90 %) mit den politischen Prioritäten des EFR auf. So wollen wir uns in Deutschland beispielsweise bei der Mobilität von Forschenden oder der Gleichstellung der Geschlechter noch weiter verbessern. • Der EFR unterliegt selbst der Wandlung. Er muss Impulsgeber sein und auf globale Veränderungen reagieren. Seine Dynamik wird er nur erhalten, wenn die Mitgliedsstaaten und die Europäische Kommission auch in Zukunft ein gemeinsames Verständnis dafür entwickeln, wie seine Leistungsfähigkeit nach innen und außen gestärkt werden kann. Dazu gehört auch eine stärkere Verzahnung mit dem europäischen Hochschulraum. • Wir begrüßen den Vorschlag der Europäischen Kommission, 2016 im Rahmen einer weiteren EFR Konferenz gemeinsam mit allen Mitgliedstaaten eine vorläufige Bilanz zu ziehen und den Blick in die Zukunft zu richten. Hier gilt es vor allem, die gemeinsame Agenda im EFR für die nächsten Jahre stärker zu konturieren und Kräfte sinnvoll zu bündeln. • Die Entwicklungen im EFR und sein Ausbau sollten mehr denn je über ein belastbares System der Bilanzierung („Monitoring“) nachgehalten werden können. Es gilt daher, das bisherige Monitoringsystem kontinuierlich weiterzuentwickeln. Dies indem die Qualität, politische Relevanz und Nutzung der Daten aus dem bisherigen Monitoring einer unabhängigen Evaluation unterzogen werden. Darüber hinaus sollte das Monitoring u.a. um Aspekte der Bilanzierung der „ERA-Roadmap“ sowie von „Open Science“ und „Open 2 Innovation“ ergänzt werden. Vor diesem Hintergrund begrüßen wir die Bemühungen der Europäischen Kommission und der OECD um eine verstärkte Kooperation im Bereich des Monitoring. Die ersten Absprachen sehen wir lediglich als ersten und notwendigen Schritt. Es sollte angestrebt werden, mehr Synergien bei der Datenerhebung als bisher zu nutzen, um auch die Last der Mitgliedsstaaten und ihrer Organisationen im Bereich der Berichtspflichten im internationalen Bereich zu reduzieren, ohne die Qualität der Erhebungen zu verringern. 2. Multilaterale Aktivitäten ausbauen • Ein wesentliches und erfolgreiches Element zur weiteren Vertiefung des EFR sind Aktivitäten, die nationale und europäische FuI-Aktivitäten bündeln und auf gemeinsame Ziele ausrichten. So wurden Maßnahmen nach Art. 185 AEUV, die Initiativen der Gemeinsamen Programmplanung („Joint Programming Initiatives“) und viele ERAnets in den letzten Jahren erfolgreich umgesetzt. Sie sollten zentraler Kern des Engagements der Mitgliedsstaaten bleiben. • Die Mitgliedsstaaten sind dabei aufgefordert, die unterschiedlichen Förderverfahren, soweit europäische Kooperationen betroffen sind, soweit wie möglich zu synchronisieren und zu harmonisieren. Diese Anstrengungen müssen in den nächsten Jahren intensiviert werden. So könnten für künftige 185er Maßnahmen die im Rat und EP vereinbarten europäischen Förderregeln des nächsten Rahmenprogramms ab 2020 auch für die Administrierung der nationalen Fördermittel gelten. Eurostars 2 sollte als Pilotprogramm dafür dienen. Dies setzt aber ein stark vereinfachtes Förderregelwerk auf europäischer Ebene voraus. Für grenzüberschreitende Projektkonsortien reduzieren sich so die administrativen Kosten. Dies gilt insbesondere für den Mittelstand und erleichtert die Teilnahme von KMUs. 3. Unabhängige wissenschaftliche Politikberatung sicherstellen • Die Etablierung des „Science Advice Mechanism/SAM“ in der Europäischen Kommission unterstreicht die hohe Bedeutung von unabhängiger und evidenzbasierter wissenschaftlicher Politikberatung. • Wir begrüßen den Ansatz zu einer strukturierten Zusammenarbeit mit den wissenschaftlichen Beratungsgremien der Mitgliedstaaten und stärkere Einbeziehung der nationalen Akademien der Wissenschaften. Hier muss den unterschiedlichen nationalen Systemen zur wissenschaftlichen Beratung Rechnung getragen werden. Transparente Prozesse sind wichtig. Darüber hinaus müssen die Rollen der Akteure, wie dem SAM, der Gemeinsamen Forschungsstelle der Europäischen Kommission (Joint Research Center, JRC) und dem European Political Strategy Centre (EPSC), klar definiert werden. • Ein wesentliches Merkmal guter Politikberatung ist der angemessene Umgang mit Unsicherheit und abweichenden Meinungen. Um diese zu verarbeiten und transparent zu machen, bedarf es eines professionellen Prozessmanagements. Die Gestaltung der Beratungsprozesse sollte deshalb angemessene Expertise einschließen. 3 4. Nationales Engagement für Forschung und Innovation stärken • Europas Wettbewerbsfähigkeit hängt maßgeblich von leistungsfähigen nationalen FuISystemen ab. Denn wer national stark ist, ist im internationalen Wettbewerb erfolgreicher. So ist ein ausreichendes finanzielles Engagement auf nationaler Ebene erforderlich. Das gemeinsam gesetzte 3 %-Ziel für FuE-Investitionen am Gesamt-BIP mahnt alle Mitgliedstaaten, in ihren nationalen Anstrengungen nicht nachzulassen. • Die Förderung seitens der EU stellt keinen Ersatz für ein fehlendes nationales Engagement dar. Europa lebt vom Engagement jedes einzelnen Mitgliedsstaats und von der Vielfalt der Themensetzungen. Diese Kraft der nationalen Systeme muss nicht nur erhalten, sondern weiter entwickelt werden. 5. EUREKA und COST als Säulen des EFR stärken • Über die beiden intergouvernementalen Organisationen EUREKA und COST koordinieren europäische Mitgliedstaaten gemeinsam mit der Europäischen Kommission seit vielen Jahren erfolgreich nationale Fördermittel. EUREKA und COST ergänzen das Portfolio zwischenstaatlicher innovativer Forschung in Europa. • In beiden Organisationen laufen aktuell wichtige Strategieprozesse mit dem Ziel, EUREKA und COST im EFR stärker zu verankern. Wir unterstützen diese Anstrengungen, da aus unserer Sicht beide integrale Bestandteile des EFR sind. So ist es wichtig, das Angebot der EU mit dem von EUREKA und COST stärker abzustimmen, um die jeweiligen Beiträge zur Vertiefung des EFR effizient und optimal nutzen zu können. 6. Außenbeziehungen gemeinsam gestalten • Wir begrüßen, dass die Europäische Kommission unter den Stichworten „open to the world“ und „science diplomacy“ die wissenschaftlichen Außenbeziehungen der EU zur forschungspolitischen Priorität erklärt hat. Allerdings greift der Ansatz der Wissenschaftsdiplomatie als Hauptantrieb für internationale Zusammenarbeit zu kurz. Diese ist geprägt von der wissenschafts- und qualitätsgetriebenen Kooperation zwischen den Staaten. Europa braucht diese wissenschaftsgetriebene Zusammenarbeit mit Partnern weltweit vor allem deshalb, um an der akademischen Weltspitze zu bleiben, um langfristig die Wettbewerbsfähigkeit auf globalen Märkten zu sichern, um wissenschaftlichen Nachwuchs weltweit gewinnen zu können und um Lösungen für globale Herausforderungen zu erarbeiten. • „Open to the World“ bedeutet auch, die internationale akademische Mobilität zu fördern. Europäische Studierende, Promovierende und Forschende sollen weltweit Erfahrungen sammeln und dauerhafte Brücken bauen zu Partnerländern. Allein zur langfristigen Sicherung des Fachkräftebedarfs einer abnehmenden europäischen Bevölkerung heißt Offenheit aber auch, Studierende und Nachwuchswissenschaftler aus Drittstaaten vorübergehend oder dauerhaft nach Europa einzuladen und zu integrieren. Hierzu gehört ein 4 europäischer Erfahrungsaustausch über Initiativen zur Stärkung einer Willkommenskultur an Hochschulen und Forschungseinrichtungen. • Wissenschaftliche Außenbeziehungen und internationale Forschungszusammenarbeit berühren die Kernkompetenzen der Mitgliedsstaaten. Ein abgestimmtes Vorgehen von Europäischer Kommission und Mitgliedstaaten gegenüber Drittstaaten ist daher notwendig. Wir müssen strategische Ziele noch enger als bisher gemeinsam definieren und umsetzen, um eine neue Qualität der EU-Drittstaatenkooperation zu erreichen. Dazu gehört auch die gemeinsame Entscheidung über Zielländer und -regionen. • Wir nehmen zur Kenntnis, dass die Europäische Kommission Lateinamerika, Asien und den Südatlantik als relevante Partnerregionen vorschlägt. Diese vorgeschlagene Priorisierung bedarf insbesondere im Hinblick auf die transatlantische Partnerschaft und andere wichtige Regionen der Erläuterung und eines intensiven Dialogs zwischen Europäischer Kommission und den Mitgliedstaaten. Gemäß den Ratsschlussfolgerungen vom 02.12.2008 „Europäische Partnerschaft für die internationale wissenschaftliche und technologische Zusammenarbeit“ sollte die Europäische Kommission ihre Aktivitäten – ebenso wie weitere Schwerpunkte der internationalen Zusammenarbeit – frühzeitig mit den Mitgliedstaaten im Strategieforum für internationale FuE-Zusammenarbeit (SFIC) abstimmen. Die ausreichende Beteiligung des Rates in allen Phasen der Verhandlungen muss auch in den Verhandlungsmandaten sichergestellt werden. Das BMBF wird prüfen, inwieweit seine Drittstaatenpolitik im Verhältnis zur Außenraumpolitik der EU weiterentwickelt werden muss. Dies gilt insbesondere für Themenfelder, auf denen deutsche Interessen in europäische Initiativen der Drittstaatenkooperation eingebracht werden können, um gemeinsam mit anderen Mitgliedsländern „kritische Massen“ zu bilden und dadurch gemeinsame Interessen, insbesondere gegenüber den anderen globalen Wirtschaftsräumen, besser durchzusetzen zu können. • Wir halten es für notwendig, dass die gegenseitigen Beteiligungsmöglichkeiten von Europäischer Kommission und Mitgliedstaaten an politischen Dialogen und an regelmäßigen bilateralen Verhandlungen auf Regierungsebene zu FuI verbessert werden. Die Europäische Forschungs- und Innovationsförderung: Horizont 2020 und darüber hinaus 7. Innovation braucht eine starke Forschung • Horizont 2020, das EU-Rahmenprogramm für Forschung und Innovation, legt im Vergleich zu früheren Forschungsrahmenprogrammen einen verstärkten Fokus auf die Innovationsförderung. Es leistet damit einen wichtigen Beitrag für ein wettbewerbsfähiges Europa, indem es die Verwertbarkeit und die Anwendungsmöglichkeit von Forschungsergebnissen stärker berücksichtigt. Darüber hinaus begreift es FuI als Teil eines Gesamtsystems. 5 • Es darf dabei jedoch nicht übersehen werden, dass Forschung nach wie vor die Basis der Innovationen schafft. Daher wird in Zukunft stärker und genauer darauf zu achten sein, dass wir auf europäischer Ebene alle Bereiche des Innovationsgeschehens in einem effektiven Verhältnis fördern – ausgehend von einer starken Grundlagenforschung, der anwendungsorientierten sowie der industriellen Forschung und der Forschung zu gesellschaftlichen Herausforderungen. Dabei kann Verbundforschung die Brücke zwischen Grundlagenforschung und Anwendung bilden und darf daher nicht zu einseitig auf die Anwendung orientiert sein. Innovationsförderung sollte sowohl die Gewinnung grundlegender Erkenntnisse als auch Maßnahmen der Marktumsetzung adressieren. Denn Innovationen, die im Markt ankommen, können mittelfristig nur erreicht werden, wenn durch Forschung die Grundlagen gelegt werden. • Mit dem wissenschaftsgesteuerten Europäischen Forschungsrat (ERC) wurde ein europaweiter Exzellenz-Wettbewerb der besten Köpfe, Ideen und Standorte geschaffen. Dieser strahlt inzwischen weltweit aus und orientiert sich an den Grundlagen der europäischen Forschungspolitik: Exzellenz, Internationalität und wissenschaftliche Autonomie. Da die ERC-Förderung zunehmend als Bezugsgröße in internationalen Standortvergleichen aufgegriffen und zum Exzellenzmerkmal sowohl für die Einrichtung als auch für die individuelle wissenschaftliche Laufbahn wird, ist der ERC für die europäische Forschungsförderung von herausragender Bedeutung und sollte weiter gestärkt werden. • Deutschland steht dem Vorschlag zur Einrichtung eines European Innovation Council (EIC) offen gegenüber, sieht jedoch noch Klärungsbedarf insbesondere im Hinblick auf die Analyse der bereits existierenden Innovationsinstrumente und ihrer Effizienz. Es bedarf einer klaren Bestimmung, welche Lücke ein EIC schließen kann und soll. Deutschland erachtet ein System, welches die exzellenzbasierte Individualförderung des Europäischen Forschungsrats (ERC) auf das Innovationssystem kopiert, für nicht zielführend. Der Cluster-Ansatz hat sich im Innovationsbereich bewährt. Es sollte geprüft werden, wie der Ansatz des Europäischen Instituts für Innovation und Technologie (EIT) gestärkt, weiterentwickelt und ggf. zu einem Innovationslabel ausgebaut werden kann, welches auch die weitere Innovationsförderung im Rahmen von Horizont 2020 einschließt. Wir befürworten vor diesem Hintergrund auch eine kritische Überprüfung der Europäischen Innovationspartnerschaften (EIP). Die Weiterentwicklung der bestehenden Instrumente im Innovationsbereich sollte auch mit dem Ziel betrieben werden, die KMU-Beteiligung insgesamt zu stärken und zu erleichtern. • Um Forschung an der internationalen Spitze zu betreiben und die besten Köpfe anzuziehen, muss der Zugang zu exzellenten Forschungsinfrastrukturen sichergestellt sein. Die Öffnung der wichtigsten Forschungsinfrastrukturen über die (inner-) europäische Grenze hinweg ist eine der großen Errungenschaften der europäischen Rahmenprogramme. Die Förderung der gemeinsamen Arbeit an Forschungsinfrastrukturen in Horizont 2020 sollte daher gestärkt werden. • Individuelle internationale Erfahrungen von Promovierenden und Forschenden erweitern deren Horizont, befördern wissenschaftliche Netzwerke und beschleunigen den wissenschaftlichen Austausch. Das Marie Skłodowska-Curie-Programm trägt seit Jahren erfolgreich dazu bei und muss weiter gestärkt werden. Dies kann auch die Beteiligung von 6 Forschenden aus den EU 13-Staaten erhöhen. Ebenso tragen nationale Förderprogramme für internationalen Wissenschaftsaustausch zu diesen Zielen bei. • Die zivile Ausrichtung der Forschung in Horizont 2020 muss auch im folgenden Rahmenprogramm beibehalten werden. 8. Vereinfachung in Horizont 2020 weiter vorantreiben • Deutschland unterstützt weiterhin das gemeinsame Anliegen der Europäischen Kommission und der Mitgliedstaaten, die Programmatik und die Teilnahmebedingungen an EUForschungsprogrammen zu vereinfachen. Mit dem Übergang zu Horizont 2020 konnten diesbezüglich erste Erfolge erzielt werden, die den Antragstellern zugutekommen. • Diesem Ziel wiederspricht jedoch die Einführung neuer Instrumente (z. B. die „Framework Partnership Agreements“ oder die Maßnahmen des „European Joint Programming“). Neue Instrumente sollten klare Alleinstellungsmerkmale und einen Mehrwert gegenüber etablierten Instrumenten haben sowie abgrenzbar und komplementär zu bereits eingeführten Verfahren sein. Die Gesamtzahl der Förderinstrumente sollte nicht erhöht, sondern eher reduziert werden. • Bestimmte Schlüsselthemen aus den Bereichen „Führende Rolle der Industrie“ und „Gesellschaftliche Herausforderungen“ werden mit mehreren unterschiedlichen Instrumenten adressiert (z. B.: Knowledge and Innovation Communities (KICs), European Innovation Partnerships (EIPs), Joint Technology Initiatives (JTIs) oder Eureka-Cluster), was zu einer zum Teil ineffektiven Redundanz und im Ergebnis zu einer administrativen Überforderung der teilnehmenden Akteure führt. So haben auch große Mitgliedstaaten zunehmend Schwierigkeiten, die Vielzahl von bestehenden Instrumenten effektiv zu nutzen. 9. Beteiligung der Mitgliedstaaten auf eine breitere Basis stellen • Derzeit bestehen große Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten sowohl was die Beteiligung als auch die erfolgreiche Einwerbung von Drittmitteln betrifft. Auch wenn sich die starke Konzentration der Zuwendungen auf wenige Mitgliedstaten in hohem Maße aus der Stärke der jeweiligen nationalen FuI-Kapazitäten erklären lässt, so gibt es doch auch andere Faktoren, die diese Verteilung beeinflussen. • Die in Horizont 2020 neu eingeführte Förderlinie „Verbreitung von Exzellenz und Ausweitung der Beteiligung“ leistet einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der Beteiligung bisher unterrepräsentierter Regionen. Sie reicht jedoch in der vorliegenden Form nicht aus. Es bedarf weiterer Anstrengungen sowohl der Europäischen Kommission als auch der Mitgliedsstaaten, hier voranzukommen. Wir befürworten eine Ausweitung der bestehenden Programmlinie in Horizont 2020. • Aber auch die Mitgliedstaaten, die bisher in Horizont 2020 unterrepräsentiert sind, müssen vermehrte Anstrengungen unternehmen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit und Exzellenz der nationalen Forschungsstandorte zu erhöhen. Von besonderer Bedeutung sind nationale Investitionen in Hochschulen, Forschung und Innovation sowie Anstrengungen für 7 strukturelle Verbesserungen (Hochschulautonomie, Qualitätssicherung in Forschung und Lehre usw.). Daneben müssen insbesondere die EU-Struktur- und Investitionsfonds sowie der neu eingerichtete Europäische Fonds für strategische Investitionen (EFSI) verstärkt und komplementär zu den nationalen FuI-Mitteln für innovationsorientierte Aktivitäten eingesetzt werden. • Das BMBF ist bereit, über gesonderte Programme auf Basis bestehender Kooperationen mit in Horizont 2020 unterrepräsentierten Mitgliedstaaten unterstützend tätig zu werden. Ein Engagement weiterer Mitgliedstaaten in diesem Sinne begrüßen wir. 10. Verbundforschung in Horizont 2020 stärken • Die europäische Verbundforschung ist ein Kernelement von Horizont 2020. Die Zusammenarbeit der besten europäischen Forschungsakteure in Verbundvorhaben und der dabei generierte Austausch bzw. die gemeinsame Nutzung von Wissen, Methoden, Infrastrukturen und Daten sind der entscheidende Mehrwert der EU-Forschungsförderung. Weiterhin sollte an der Regel, dass an Verbundprojekten mindestens drei Partner aus drei verschiedenen Mitgliedstaaten oder assoziierten Ländern beteiligt sein müssen, festgehalten werden. • Darüber hinaus bieten die Verbundforschungsprojekte den besten Einstieg für neue Akteure, insbesondere für KMU in europäische Kooperationsnetzwerke. Die Verbundprojekte setzen die notwendigen Anreize für die Forschenden, über die Landesgrenzen hinweg zusammenzuarbeiten. Dies sollte auch in der KMU-Förderung berücksichtigt werden. • Daher muss auch in Zukunft die gemeinsame Zusammenarbeit von Akteuren aus mehreren Ländern in der Verbundforschung das Identitätsmerkmal und der Kern der europäischen Forschungsförderung sein. 11. Exzellenz und Wettbewerb fördern, aber für angemessene Erfolgschancen sorgen • Der Wettbewerb um Projekte und die Einwerbung von Drittmitteln aus Horizont 2020 hat sich im Vergleich zu den Vorgängerprogrammen verschärft. Dabei gibt es große Unterschiede der Überzeichnung in den einzelnen Förderlinien von Horizont 2020. Das Ziel, nur die exzellentesten Anträge zu fördern, die sich in einem offenen Wettbewerb durchgesetzt haben, darf nicht in Frage gestellt werden. Sind die Erfolgsaussichten jedoch zu gering, hat dies eine abschreckende Wirkung auch auf europaweit exzellente FuI-Akteure, da die Antragsstellung mit erheblichen Kosten verbunden ist und ggf. nationale alternative Fördermöglichkeiten bestehen. • Die für die nächsten Arbeitsprogramme bzw. Ausschreibungen eingeleiteten Maßnahmen, wie z.B. zweistufige Auswahlverfahren mit angepassten Schwellenwerten oder eine stärkere Fokussierung der einzelnen Ausschreibungstexte, sind wichtige Schritte, um mit diesen Problemen umzugehen und einem möglichen Akzeptanzverlust von Horizont 2020 entgegenzuwirken. Der Erfolg der Maßnahmen sollte genau überprüft werden, um ggf. weiter nachzusteuern. 8 • Das „Seal of Excellence“ kann ein sinnvoller Baustein sein, um alternative Fördermöglichkeiten (z. B. aus den Europäischen Struktur- und Investitionsfonds) für bereits als exzellent begutachtete Anträge zu erschließen. Es muss in der Verantwortung des jeweiligen Mitgliedstaats liegen, ob dieser das „Seal of Excellence“ für seine nationalen Förderprogramme anerkennt. 12. Zuwendungen nicht durch Darlehen ersetzen • Die Darlehensfinanzierung von FuI stellt einen wichtigen Baustein für eine bessere Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit Europas dar. Mit dem EFSI, über den explizit auch Projekte im Bereich FuI gefördert werden können, stehen in den nächsten Jahren hohe Summen zur Darlehensfinanzierung von FuI zur Verfügung. • Im Rahmen von Horizont 2020 sollte jedoch darauf geachtet werden, dass die Darlehensfinanzierung nicht zu Lasten der zuwendungsbasierten FuI-Förderung weiter ausgebaut wird. Die breite Förderung von Forschung kann dann besonders erfolgreich sein, wenn das der Forschung inne liegende finanzielle Risiko durch Zuwendungen getragen wird. Wir halten eine weitere Substitution von FuE-Zuwendungen durch Darlehensfinanzierung für nicht zielführend. Es besteht die Gefahr, dass die Darlehensfinanzierung zu weniger risikoreichen Projekten führt. Der Einsatz der Finanzierungsinstrumente sollte im Rahmen von Horizont 2020 auf marktnahe Bereiche beschränkt bleiben, wie z. B. industrielle Demonstrations- und Marktumsetzungsprojekte. Die Rolle der Digitalisierung 13. Digitalisierung als Treiber auch auf der europäischen Ebene entfalten • Bildung, Forschung und Wissenschaft entwickeln zentrale Bauelemente für den Digitalen Binnenmarkt. So ermöglichen Schlüsseltechnologien wie IKT oder Produktionstechnologien Innovationen für eine digitale Wirtschaft. Konkrete Anwendungsfelder ergeben sich bei Themen wie Industrie 4.0, Cloud Computing oder Big Data. Ohne Forschung, Innovation und entsprechende Infrastrukturen wäre die Anwendung im Markt nicht möglich. Gleichzeitig muss die Transformation der Wirtschaft hin zur Industrie 4.0 auch den gezielten digitalen Kompetenzaufbau für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ermöglichen. • Von zentraler Bedeutung für die ganze Gesellschaft sind Fragen der IT-Sicherheit/ Cybersicherheit, die Betriebssicherheit, die digitale Übertragungsgeschwindigkeit sowie die intelligente Nutzung von Daten. IT-Lösungen müssen Daten und Kommunikation verlässlich gegen Angriffe, Spionage und Manipulation schützen. Die Entwicklung vertrauenswürdiger und sicherer IT-Systeme ist Aufgabe der Forschung und Wissenschaft. Sie sind die Voraussetzung für die Nutzung der Chancen der Digitalisierung und die Sicherung der demokratischen Grundordnung der Union. 9 14. Urheberrecht auf europäischer Ebene harmonisieren und vereinfachen • Wir begrüßen die Initiative der Europäischen Kommission, das europäische Urheberrecht insbesondere an die Erfordernisse von Digitalisierung und Vernetzung anzupassen. Es geht darum, geänderte Schaffens-, Verwertungs- und Nutzungsmodelle angemessen auch im Urheberrechts-Acquis der Europäischen Union abzubilden. • Das Bestreben der Europäischen Kommission, mehr Rechtssicherheit bei der grenzüberschreitenden Nutzung von Inhalten für Zwecke der Bildung und Forschung durch harmonisierte Ausnahmeregelungen zu schaffen, ist positiv zu bewerten. Hierbei darf jedoch in keinem Fall die bestehende Schranke für Bildung und Forschung in der Urheberrechtsrichtlinie im Zuge einer Reform enger gefasst werden. Wir müssen gemeinsam Sorge tragen, dass der Wissenschaft, Bildung und Forschung moderne Nutzungsmöglichkeiten, wie Text- und Data-Mining zur Verfügung stehen und die Produktion, das Management sowie die Nutzung und Weitergabe von Datenbeständen – auch über Ländergrenzen – hinweg ermöglicht wird. Hier besteht dringender Handlungsbedarf. Der bisherige Rechtsrahmen ist zu komplex, um grenzüberschreitende Forschung wirksam zu unterstützen. • Ein wichtiger Fortschritt in Richtung eines wissenschaftsfreundlicheren Urheberrechts wurde in Deutschland mit der Einführung des unabdingbaren Zweitverwertungsrechts für wissenschaftliche Autoren erzielt. Diese Regelung stellt einen Schritt zur Stärkung des Open Access dar und wird nun auch von anderen Mitgliedsstaaten aufgegriffen. Sie könnte damit Vorbild für eine europäische Regelung sein. 15. Open Science verstärkt fördern • Die Möglichkeiten der digitalen Partizipation unterschiedlicher Gruppen in der wissenschaftlichen Arbeit, z.B. durch die Ansätze wie "Open Science" und "Science 2.0", erleichtern den Austausch und die Kooperation mit Wirtschaft und Gesellschaft. Mitgliedstaaten und die Europäische Kommission sollten diese zentrale Dimension künftig gemeinsam stärker in die bisherigen Initiativen zum EFR integrieren, unter Berücksichtigung der Einschränkungen, die für marktnahe Forschung gelten. Nötig sind geeignete Rahmenbedingungen, die die Vielfalt der vorhandenen, aus der Wissenschaft vorangetriebenen Initiativen berücksichtigen. Außerdem erhält der Aspekt der wissenschaftlichen Integrität als Grundlage für Forschungsexzellenz und Vertrauen in die Forschung im Rahmen von Open Science neue Relevanz. Die Hauptverantwortung sehen wir hier allerdings insbesondere bei den Wissenschaftsakteuren selbst. • Ein einfacher Zugang zu wissenschaftlichen Erkenntnissen ist Grundvoraussetzung für jede Forschungstätigkeit, aber auch für den Transfer von wissenschaftlichen Erkenntnissen in die Wirtschaft und die Gesellschaft insgesamt. Open Access trägt zu einem besseren Informationsfluss in der Wissenschaft und zu besserer Sichtbarkeit von Forschungsergebnissen bei. Publikationen, die aus öffentlich geförderter Forschung entstanden sind, sollen daher „Open Access“ veröffentlicht werden. 10 • Der digitale Wandel schafft völlig neue Möglichkeiten, Forschungsdaten weit über die ursprünglichen Forschungszwecke hinaus zu nutzen. Eine breite Verfügbarkeit von Forschungsdaten fördert neue Erkenntnisse und Innovation. Der Zugang zu Forschungsdaten sollte so offen wie möglich gestaltet werden. Dies unter Berücksichtigung aller legitimer Interessen und der Chancen und Risiken für die europäische Wettbewerbsfähigkeit. Zur Förderung des strategischen Ziels „Open Science“ sind Investitionen in Speicherkapazitäten wie auch für Projekte zur Implementierung von Datenmanagementplänen erforderlich. • Europa benötigt leistungsfähige, international konkurrenzfähige Informationsinfrastrukturen. Wir unterstützen deshalb grundsätzlich den Vorschlag einer „European Science Cloud“. Dazu müssen zum einen optimale Bedingungen für die Erschließung und langfristige Speicherung von Daten und Wissensbeständen geschaffen werden. Zum anderen muss deren grenz- und disziplinübergreifende Nutzung ermöglicht werden. Jede europäische Initiative sollte auf bereits vorhandene nationale Aktivitäten aufbauen. Auf europäischer Ebene sollte daher auch der Austausch von Erfahrung unter Berücksichtigung internationaler Initiativen wie der „Research Data Alliance“ ausgebaut werden. Es gilt in Folge insbesondere Fragen der notwendigen Rahmenbedingungen, z.B. in Form von einheitlichen Standards, zu klären. In jeder Phase muss die Anschlussfähigkeit zu nationalen und internationalen Initiativen gewährleistet sein. • Die zunehmende Digitalisierung erleichtert zudem die Schaffung virtueller Forschungsnetzwerke. Diese sehen wir als sinnvolle Ergänzung, aber nicht als Ersatz für die Förderung regionaler Cluster, die den Nukleus der erfolgreichen Innovationspolitik auf nationaler und europäischer Ebene darstellen. In diesem Zusammenhang sollten Fördermöglichkeiten für die Digitalisierung der Forschung verstärkt auch in der europäischen Strukturpolitik berücksichtigt werden. 11