Die Blütenvergrünung des Rapses – verursacht durch von Zikaden

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Die Blütenvergrünung des Rapses –
verursacht durch von Zikaden übertragene Phytoplasmen
Norddeutsche Pflanzenzucht Hans-Georg Lembke KG, Mareike Schaardt, Juni 2007
In diesem Jahr fallen in den Rapsbeständen
vereinzelt Deformationen der Blütenanlagen auf. Besonders in der Region Ostholstein sind vermehrt Symptome beobachtet
worden, wohingegen an der Westküste und
im Raum Rendsburg-Eckernförde kaum Fälle
aufgetreten sind. Die Triebe der betroffenen
Pflanzen ragen häufig über die gesunden
Pflanzen hinaus und können dadurch problemlos erkannt werden. Das Schadbild der
Blütenvergrünung des Rapses ist in den folgenden Abbildungen dargestellt:
Abb.3: Großaufnahme der taschenförmigen
Verformung des Blütenstandes (WEIMAR, 2007)
Die Blütenblätter sind vergrünt und aus den
Blüten wachsen taschenförmig aufgetriebene, schotenartige Gebilde, die sich zum
Teil auf längeren Stielen befinden. Im Inneren dieser Gebilde entwickeln sich anstelle
der Samen kleine grüne Blätter. Die deformierten Blütenstände bleiben bis zum vorzeitigen Absterben der Pflanze grün und es
findet keine Schotenbildung statt. Früh infizierte Pflanzen weisen einen Zwergwuchs
auf, zudem sind Vergilbungen, Verformungen und Adernaufhellungen der Blätter zu
beobachten. Infizierte Pflanzen ragen häufig über den Bestand hinaus, es können jedoch auch betroffene, kleinwüchsige Pflanzen unentdeckt bleiben.
Die Blütenvergrünung findet in der Literatur
nur wenig Erwähnung. Ende der 1960er Jahre wurden Untersuchungen in der ehemaligen DDR bezüglich der Verbreitung, Ähiologie und der Vektorübertragbarkeit durchgeführt.
Die Blütenvergrünung, auch Phylloidie, Blütenverlaubung oder Green petal genannt,
sind typische Merkmale für sog. Vergilbungskrankheiten, die anfangs zu den Virosen gezählt wurden. Es ist jedoch bekannt,
dass diese Symptome durch eine Infektion
mit mycoplasmaähnlichen Organismen
(MLO), neuerdings als Phytoplasmen bezeichnet, hervorgerufen werden. Als Überträger der Phytoplasmen wurden verschiedene Zikadenarten nachgewiesen. Zikaden
Abb.1 und 2: Symptome der Blütenvergrünung des
Rapses (PAUL, 2003)
1
sind auf warme und trockene Witterungsbedingungen angewiesen, aus diesem
Grund tritt die Krankheit periodisch, besonders in wärmeren Jahren und Regionen auf.
Des Weiteren werden Phytoplasmen durch
Pfropfung übertragen, wodurch sie im Weinund Obstbau eine größere Rolle spielen.
Die Blütenvergrünung kann an verschiedenen Pflanzenarten, darunter auch einige
Baumarten, vorkommen. Durch Phytoplasmen werden weiterhin Vergilbungen (aster
yellows),
Hexenbesenwuchs
(witches
broom) und Verzwergungen (clover dwarf)
verursacht.
Wirtschaftlich
bedeutende
Schäden durch Phytoplasmakrankheiten
wurden bisher nur im Wein - und zum Teil im
Obstbau verzeichnet. Aber auch die Sonnenblume (Sunflower phyllody), die Kartoffel
(Stolburkrankheit) und der Weißklee (Kleeverlaubung) werden von Phytoplasmen
infiziert. Zum Teil wird berichtet, dass im Getreide Schäden durch Viren verursacht
werden, welche neben anderen Insekten
auch von Zikaden übertragen werden und
schwer zu bekämpfen sind.
dae und Psyllidae sowie einigen anderen.
Der Vektor kann die Phytoplasmen nicht
unmittelbar nach dem Fraß, bzw. dem Saugen an infizierten Pflanzen weitergeben,
sondern erst nach einer bestimmten Inkubationsperiode (Latenzphase), deren Länge
unter anderem von der Temperatur abhängig ist. Die Dauer der Latenzphase ist sehr
unterschiedlich und beträgt bei einigen
Zikadenarten bis zu vier Wochen. Während
dieser Zeit kommt es zu einer Vermehrung
und Verbreitung der Phytoplasmen im Insekt. Bei dieser Art der Übertragung handelt
es sich um die zirkulativ-propagative Übertragung. Die Phtoplasmen haben demnach
neben dem pflanzlichen Wirt einen weiteren Wirt, nämlich das übertragende Insekt.
Nach der Aufnahme vermehren sich die
Mikroorganismen zuerst in den Darmzellen
des Wirtes und gelangen dann in die Haemolymphe und von dort in die inneren Organe, unter anderem in die Speicheldrüse.
Ist eine bestimmte Konzentration von Phytoplasmen in der Speicheldrüse erreicht,
können sie auf eine Pflanze übertragen
werden. Das Insekt selbst nimmt durch die
Phytoplasmen in den meisten Fällen keinen
Schaden. Eine einmalige Inkubation führt
zur dauerhaften Infektion der besaugten
Pflanze.
Für die Übertragungsart der Erreger auf die
Nachkommen gibt es unterschiedliche Meinungen: Einige vermuten, dass eine transovarialen Übertragung der Phytoplasmen
stattfindet, das heißt, der Erreger wird über
das Ei an die Nachkommen weitergegeben. Andere dagegen schließen diese Art
der Weitergabe aus.
Von den Phytoplasmen werden bestimmte
Pflanzenteile besiedelt. Die Erreger befinden
sich hauptsächlich in den Siebröhren des
Leitgefäßsystems, dem Phloem. Durch ihren
Speichel werden die Leitbahnen verstopf
wodurch es zu den genannten Schädigungen und zum Teil auch zu Kräuselungen der
Blätter kommt. Aufgrund des Verhaltens der
Vektoren werden häufig besonders die Blätter (durch Adulte) und die Wurzeln (durch
Larven) infiziert.
Phytoplasmen
Phytoplasmen sind pflanzenpathogene Bakterien, welche keine Zellwand besitzen und
nur in lebendem Wirtsgewebe wachsen. Im
Unterschied zu Viren besitzen sie einen eigenen Stoffwechsel, dieser ist jedoch so
stark reduziert, dass zahlreiche lebensnotwenigen Moleküle aus der Wirtszelle importiert werden müssen (obligat biotrophe Lebensweise). Aufgrund ihrer Ähnlichkeit zu
humanpathogenen Mycoplasmen wurden
Phytoplasmen lange Zeit als MLO’s bezeichnet, bevor ihr jetziger Name 1994 eingeführt wurde. Durch Phytoplasmen werden sehr viele Pflanzenkrankheiten verursacht. Ihre geographische Verbreitung
reicht von den warmen gemäßigten bis hin
zu den tropischen Zonen. Bevorzugt werden
verholzte und krautige Pflanzen befallen
(Dikotyledonen). Nachweisverfahren für
Phytoplasmen im Pflanzenmaterial sind der
ELISA- Test und die PCR- Analyse.
Phytoplasmen sind unbeweglich und werden über Insektenvektoren verbreitet. Die
Verbreitung erfolgt hauptsächlich durch
Zikaden und Blattsauger mit saugendstechenden Mundwerkzeugen der Ordnung
Hemiptera und den Familien Jassidae, Cixii2
Zikaden
Neben Blattläusen, Schildläusen, Blattsaugern und Wanzen ist eine weitere Gruppe
von Pflanzensaftsaugern bekannt: die Zikaden. Diese Gruppe umfasst einen großen
Komplex verschiedener Arten, die sich teilweise durch ihr Äußeres oder durch das
verursachte Schadbild unterscheiden. Die
Zikaden zählen zu den Schnabelkerfen
(Hemiptera), weltweit sind etwa 40.000 Arten beschrieben. Allen gemeinsam ist, dass
sie die Flügel in Ruhestellung dachförmig
über den Hinterkörper legen und der Körper
sich von vorn nach hinten verjüngt. Zikaden
verfügen über ein beachtliches Sprungvermögen und weisen zum Teil nur eine sehr
geringe Größe auf (2 bis 30 mm). Aus diesem Grund bleiben sie häufig unentdeckt.
Wahrgenommen werden sie durch den arttypischen Gesang sowie durch den so genannten Kuckucksspeichel, der von der Larve der Wiesenschaumzikade produziert
wird. Die folgenden Abbildungen zeigen
einige Zikadenarten, die in Deutschland
anzutreffen sind. Neben den hier abgebildeten gibt es eine Vielzahl weiterer Zikadenarten (z.B. auf Rhododendron und Rosen).
Abb.6: Grüne Zwergzikade
(Cicadella viridis)
Die wärmeliebenden Zikaden befallen zahlreiche Wirtspflanzen unter anderem auch
die Brennnessel und die Ackerwinde. Die
Entwicklung der Larven erfolgt im Boden,
wobei die Wurzeln der Wirtspflanzen angesaugt werden. Ab Ende April bis Anfang
Juni (je nach Art) treten die flugfähigen
Adulten der Zikaden in Rapsbeständen auf.
Diese suchen neue Wirtspflanzen auf und
legen an deren Wurzeln die Eier für die
nächste Generation ab. Zum Teil werden
jedoch auch im Herbst Individuen gefunden, die evtl. zu einer Herbstinfekion der
Bestände führen können.
Neben Phytoplasmen können Zikaden auch
pflanzenphatogene Viren übertragen und
auf diese Weise Schaden an Kulturpflanzen
verursachen. Im Getreideanbau können sie
aufgrund ihrer Vektoreignung zum Teil erheblichen Schaden durch Virusinfektionen
hervorrufen (Gelbverzwergungsvirus, Weizenverzwegungsvirus).
Gegenmaßnahmen
Bei der Vermeidung des Phytoplasmenbefalls der Kulturpflanzen muss in direkte Bekämpfung der Phytoplasmen und indirekte
Bekämpfung der Vektoren unterschieden
werden. Da Phytoplasmen keine Zellwand
besitzen, sind sie resistent gegen Antibiotika
und Pflanzenschutzmittel und es kann eine
direkte Bekämpfung ausgeschlossen werden.
Um den Befall der Rapsbestände durch
Phytoplasmen zu verhindern und sie dadurch vor der Blütenvergrünung zu schützen, müssen die Vektoren bekämpft werden. Eine Vektorenbekämpfung umfasst
chemische und kulturtechnische Methoden.
Insektizidbehandlungen sind oft schwer zu
planen, da die Vektoren (meist Zikaden) nur
Abb.4: Die Winden-Glasflügelzikade
(Hyalesthes obsoletus)
Abb.5: Amerikanische Rebzikade
(Scaphoideus titanus)
3
relativ kurze Zeit als Adulte fliegen und die
Nymphen sich meist gut geschützt im Boden
entwickeln. Zudem halten sich die Arten,
welche verschiedenen Wirtspflanzen anfliegen (polyphag), oft nur kurze Zeit in der
betreffenden Kulturfläche auf. Sie fliegen
die Bestände aus umliegenden Wäldern
und Knicks an.
Der genaue Zeitpunkt der Infektion der
Rapsbestände ist bisher noch nicht bekannt. Versuche ergaben, dass vermutlich
auch späte Infektionen zur Zeit des Schossens zur Ausbildung von Krankheitssymptomen führen können. Eine Inokulation der
Winterrapspflanzen im Herbst kann nicht
ausgeschlossen werden.
Im Raps sind derzeit keine Insektizide speziell
gegen Zikaden zugelassen. Im Gemüseund Weinbau werden Wirkstoffe wie Indoxacarb, Dimethoat, Imdidacloprid, und andere eingesetzt. Im Rapsanbau (und Getreidebau) werden Zikaden durch Phyretroide und Chlotianidin mit erfasst. Die
Frage, in wie weit die Beizung vor einem
Befall durch Zikaden schützt, ist noch nicht
hinreichend beantwortet. Eine Bekämpfung
der Zikaden durch Insektizide ist schwierig:
Aufgrund ihrer hohen Mobilität sind sie mit
Kontaktmitteln schwer zu treffen, zudem
besaugen und infizieren sie eine große Anzahl von Pflanzen, bis sie ausreichend systemischen Wirkstoff aufgenommen haben.
Kulturtechnische Methoden zur Reduzierung
der Vektoren wären z.B. Pflügen oder Mulchen. Dadurch werden die Larvenstadien
vernichtet und alternative Wirtspflanzen
(bes. Ackerwinde und Brennnessel) entfernt
was die weitere Ausbreitung verhindert. Zu
den natürlichen Feinden der Zikaden gehören die Schlupfwespen, die deren Eigelege
parasitisieren. Ein großflächiger Einsatz dieser Nützlinge zur Bekämpfung von Zikaden
im Raps ist jedoch nicht wirtschaftlich.
durch diesen Erreger kommt es zu auffälligen Deformationen der Blütenstände, woraufhin die Schotenbildung ausbleibt. Zur
Vermeidung der Blütenvergrünung ist eine
Bekämpfung der Vektoren notwendig. Im
Raps sind bislang keine speziellen Insektizide
gegen Zikaden zugelassen.
Die Bedeutung und die zukünftige Entwicklung der Befallssituation lassen sich derzeit
nur sehr schwer abschätzen. Im Rapsanbau
sind im Gegensatz zum Wein- und Obstbau
bei durchschnittlicher Befallshöhe bisher
keine wirtschaftlich bedeutenden Schäden
bekannt. Infizierte Pflanzen können aber als
Reservoir dienen und daher für die Ausbreitung des Erregers eine wichtige Rolle spielen.
Literatur
Neben Aussagen und Meinungen verschiedener Berater und anderer Fachleute wurden folgende Literaturstellen herangezogen:
BERTACCINI, A., VORACKOVA, Z., VIBIO, M.,
FRANOVA, J., NAVRATIL, M., SPAK, J.,
NEBESA-ROVA, J., 1998: Comparison of phytoplasmas infecting winter oilseed rape in
teh Czech Republic with Italian Brassica
phytoplasmas and their relationship to the
aster yellows group. – Plant Pathology – 47,
317-324.
BÖRNER, H., 1989: Pflanzenkrankheiten und
Pflanzenschutz, S. 230f, 6. Auflage, Verlag
Eugen Ulmer Stuttgart.
HOFFMANN und SCHMUTTERER, 1983: Parasitäre Krankheiten und Schädlinge an landwirtschaflichen Kulturpflanzen, Verlag Eugen Ulmer Stuttgart.
LEHMANN, W. 1969: Blütenvergrünung des
Rapses – eine Virose, Naturwissenschaften
56, 2, S. 94-95 .
LEHMANN, W. SKADOW, K. 1971: Untersuchungen zur Verbreitung, Äthioloie und
Vektorübertragbarkeit der Blütenvergrünung des Rapses. Archiv für Phytopathologie und Pflanzenschutz – 7, 323 – 336.
PAUL, V. H., 2003: Blütenvergrünung des
Rapses. Raps – Krankheiten, Schädlinge,
Schadpflanzen, S. 23.
SCHWEIGKOFLER, W. 2007: Phytoplasmen –
Allgemeine Informationen. Land- und Forstwirtschaftliches Versuchszentrum Laimburg.
Zusammenfassung
Die Blütenvergrünung tritt periodisch, besonders in warmen Regionen und Jahren
auch im Raps auf. Sie wird von Phytoplasmen verursacht, welche von tierischen Vektoren, vor allem den Zwergzikaden, übertragen werden. Phytoplasmen sind pflanzenpathogene, zellwandlose Bakterien, die
lange Zeit als „Mycoplasma- like organisms“
(MLO) bezeichnet wurden. Bei Infektion
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