Entwicklung praxistauglicher Strategien zur Regulierung von Zikaden im ökologischen Arznei- und Gewürzpflanzenanbau H. Blum1, W. Dercks2, G. Fausten3, K. Jung4, M. Neuber2, H. Nickel5*, J. Planer3, R. Pude3 1 Ökoplant e. V., Himmelsburger Str. 95, 53474 Ahrweiler Erfurt, Fachbereich Landschaftsarchitektur, Gartenbau, Leipziger Str. 77, 99085 Erfurt 3 Universität Bonn, Lehr- und Forschungsstationen Klein-Altendorf, 53359 Rheinbach 4 Julius-Kühn Institut – Bundesforschungsinstitut f. Kulturpflanzen, Institut f. biologischen Pflanzenschutz, Heinrichstr. 243, 64287 Darmstadt 5 * Korrespondenz-Autor, Universität Göttingen, Institut für Zoologie, Abt. Ökologie, Berliner Str. 28, 37073 Göttingen, [email protected] 2 Fachhochschule Die Situation Durchgeführte und geplante Tests Neuartige Schäden werden von verschiedenen, 2-4 mm großen Blattzikaden-Arten (Cicadellidae, Typhlocybinae) verursacht, v.a. Schwefel-, Schwarzpunkt-, Goldund der sich seit den 1980-er Jahren ausbreitenden Ligurischen Blattzikade (Emelyanoviana mollicula, Eupteryx atropunctata, Eu. aurata, Eu. decemnotata). Alle sind mehr oder weniger polyphag, bevorzugen aber aromatische Lippenblütler (Lamiaceae). In fast allen Teilen Deutschlands waren Melisse, Salbei, Thymian und Minze durchweg zumindest in geringen Dichten befallen und vielerorts auch geschädigt. Durch die Besaugung des Palisadenund Schwammparenchyms entstehen die typischen, mit Luft gefüllten, nekrotischen Blattzikaden-Tüpfel. Versuche werden bzw. wurden im Labor und im Freiland durchgeführt. Hierzu wurden Zuchten von Eupteryx atropunctata, decemnotata, aurata sowie florida angelegt. Geplant bzw. schon durchgeführt sind Tests chemischer, biologischer und kulturtechnischer Maßnahmen: • Pyrethrum (Spruzit) • Azadirachtin (NeemAzal-T/S) • Entomopathogene Pilze (Mycotal) • Entomopathogene Nematoden (Steinernema) • Florfliegen-Larven (Chrysoperla carnea) • Mulchen • Kulturschutznetze • Gelbbänder Erste Ergebnisse konnten für Neem, Mycotal und eine Kombination von Neem mit Spruzit erzielt werden. Ausbreitung von Eupteryx decemnotata 1983 (Erstfund) – 2000 (Kreise) und 2001 – 2007 (Punkte, Oberrhein-Vorkommen nicht mehr dargestellt) Oben: Saugschäden der Schwefelblattzikade an Majoran. Unten: Streifnetzfang von Blattzikaden in einem Melissefeld. Das Projekt • • • • Im Rahmen des Bundesprogramms Ökologischer Landbau (BÖL) wird derzeit (2007-2009) ein interdisziplinäres Vorhaben der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) zu neuartigen und stellenweise gravierenden Zikaden-Schäden durchgeführt. Schwerpunkte sind: Erhebung von Grundlagen zum Schaderreger-Komplex (Identifizierung, Populationsdynamik, etc.). Aufklärung des Zusammenhangs zwischen Befall und Produkteigenschaften bzw. Schadsymptomen. Prüfung mechanischer, pflanzenbaulicher, chemischer und biologischer Methoden zur Reduktion der Schaderreger, Validierung der Praxistauglichkeit. Wissenstransfer: Enger Austausch mit Erzeugern, Verfügbarmachen der gewonnenen Erkenntnisse über Merkblätter, Veranstaltungen und Internet. Zusammenfassung Von oben nach unten: Die Hauptschaderreger Gartenblattzikade (Eupteryx florida), Goldblattzikade (Eu. aurata), Ligurische Blattzikade (Eu. decemnotata), Schwefelblattzikade (Emelyanoviana mollicula), Larve Eu. florida. Fotos: 3. von oben K. Schrameyer, übrige G. Kunz •Im Arznei- und Gewürzpflanzenbau in ganz Mitteleuropa mehren sich seit einigen Jahren die Meldungen von Blattschäden durch Zikaden. •Ursache ist ein Artenkomplex polyphager Blattzikaden (Typhlocybinae), besonders der Gattung Eupteryx, welche bevorzugt aromatische Lippenblütler (Lamiaceae) besaugen. •Im ökologischen Landbau gibt es noch keine Bekämpfungsstrategien, doch sind erste, vorläufige Ergebnisse dieses Projektes positiv. •Durch Arealerweiterungen von Zikaden, Ausweitung ökologischer Anbauflächen und der Erschließung neuer Wirtspflanzen durch Zikaden wird das Problem künftig wahrscheinlich an Bedeutung gewinnen.