Hämoglobin-Erkrankungen - research

Werbung
NEUE THERAPIEANSÄTZE FÜR HÄMOGLOBIN-ERKRANKUNGEN
Therapien für
kranke Blutkörperchen
Befördern unsere roten Blutkörperchen nicht genug Sauerstoff, leidet der ganze Körper: Organe werden unterversorgt
oder versagen sogar. Eine genetische Mutation im Sauerstofftransporter Hämoglobin liegt einer Reihe von Erkrankungen
zugrunde, die unter dem medizinischen Begriff Hämoglobinopathien eingeordnet werden. Aber derzeitige Behandlungsmethoden sind begrenzt und gehen häufig mit Nebenwirkungen einher. Forscher von Bayer HealthCare arbeiten deshalb
an neuen Therapien, um den Hämoglobinopathie-Patienten zu helfen.
Unser Blut transportiert Sauerstoff und Nährstoffe zu jeder
einzelnen Zelle. Rund die Hälfte des Blutvolumens besteht aus
Zellen – vorwiegend roten Blutkörperchen, auch Erythrozyten
genannt. Diese Sauerstofftransporter nutzen den roten Blutfarbstoff Hämoglobin, ein eisenhaltiges Protein: Wie ein molekulares
Gefäß nimmt es das wichtige Gas in der Lunge auf – und gibt
es in Zellen und Organen im ganzen Körper wieder ab. Manche
Menschen haben eine erblich bedingte Veränderung in ihrem Hämoglobin-Gen – das kann den Transport von Sauerstoff im Blut
negativ beeinflussen. „Die Betroffenen bilden beispielsweise eine
fehlerhafte Version des Blutfarbstoffs, das sogenannte SichelzellHämoglobin oder Hämoglobin S. Es kann nicht so viel Sauerstoff transportieren wie die normale Form. Diese Erkrankung ist
bekannt als Sichelzellanämie, da die roten Blutkörperchen wie
eine Sichel geformt sind“, sagt Dr. Katalin Kauser, Leiterin der
Hämoglobinforschung bei Bayer HealthCare in San Francisco‘s
US Innovation Center. Sichelzellen sind steif und klebrig. Sie neigen
dazu, den Blutfluss in Gefäßen von Organen zu blockieren, die
Die Form der Krankheit: Sind die roten Blutkörperchen geformt wie eine Sichel, können sie weniger Sauerstoff transportieren.
42
Bayer research 28 Juli 2015
Hämoglobinopathien
dann nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt werden. Dadurch
ermüden die Patienten schneller. In schlimmeren Fällen können
kleine Blutgefäße verstopfen und Schmerzen sowie Organschäden auslösen. „Das kann zu Organversagen führen. Die Lebenserwartung der Sichelzellanämie-Patienten beträgt nur 40-50 Jahre,
begleitet von starken Schmerzattacken“, so Kauser.
Die Sichelzellanämie ist die häufigste und schwerwiegendste
Hämoglobinopathie. Sieben Prozent der Weltbevölkerung tragen
die zugrunde liegende Genmutation. Vor allem um den Äquator
sind viele Menschen betroffen. In manchen Gebieten erkranken
von 1.000 Neugeborenen über 19 Kinder. Derzeit gibt es nur ein
zugelassenes Medikament. Es wurde ursprünglich gegen Krebs
entwickelt und vermag die Häufigkeit und Schwere der Schmerzkrisen zu reduzieren. „Heilung bietet im Moment nur eine Knochenmarkstransplantation“, erklärt Kauser. „Doch einen geeigneten Spender zu finden, ist schwierig. Und die Operation birgt
Risiken.“ Die Bayer-Wissenschaftler arbeiten schon seit 2012 eng
mit dem UCSF Benioff Children‘s Hospital Oakland zusammen.
MEDIZIN
Verteilung von Sichelzellanämie
Rund um den Äquator leiden viele Menschen an Sichelzellanämie.
Besonders Afrika ist betroffen.
Anteil der Bevölkerung, der die genetische
Anlage für Sichelzellanämie trägt (%)
0,18 0,15 0,12 0,09 0,06 0,03 0,00
Quelle: Sickle Cell Information Center
Fotos: Omikron Science/Gettyimages (1), Josh Edelson (1)
Gemeinsam gegen Schmerz: Dr. Katalin Kauser will mit ihrem
Team die Symptome von Hämoglobinopathie-Patienten lindern.
Das Krankenhaus ist eines der führenden Zentren der akademischen Hämoglobinopathie-Forschung in den USA und das größte
klinische Zentrum für Sichelzellanämie an der Westküste.
Die Wissenschaftler und Ärzte des UCSF Benioff Oakland
arbeiten mit den Bayer-Teams gemeinsam daran, eine Therapie
gegen Sichelzellanämie zu entwickeln. „Durch die Sichelzellform
sind die roten Blutkörperchen der Betroffenen fragil und kurzlebig“, so Kauser. Im Gegensatz zu gesunden Blutzellen sterben sie
leicht ab und setzen ihr Hämoglobin frei. Die zerstörten Zellen
und ein Überschuss an eisenhaltigem roten Pigment müssen aus
der Blutbahn entfernt werden, sonst schädigen die Bestandteile
die Organe, wie zum Beispiel das Herz. Kauser: „Wir wollen den
Körper bei dieser Entgiftung unterstützen. Unser Team arbeitet
an neuen Ansätzen, um die Konzentration von Abbauprodukten
des Hämoglobins im Blut zu senken.“ Dadurch sollen Leber und
Milz beim Abbau entlastet und die verschiedenen Organe vor
Schäden geschützt werden. „Derzeit gleichen wir Messwerte aus
Versuchen mit Zellkulturen und Tiermodellen mit Werten aus
realen Patientenproben vom UCSF Benioff Oakland ab“, fasst
Kauser zusammen. „Wenn alles klappt, könnten wir mit einem
ersten Wirkstoffkandidaten bald in die frühe klinische Testphase
eintreten.“ Die Behandlung könnte die Symptome der Erkrankung
lindern. Für Betroffene wäre das bereits ein enormer Fortschritt.
„Das langfristige Ziel ist jedoch, die Erkrankung tatsächlich zu
heilen“, sagt Kauser. Dazu forscht sie mit ihrem Team auch an
neuartigen Therapien, die direkt auf der Ebene der Gene wirken.
Auch eine andere Hämoglobinopathie beschäftigt die BayerForscher: die sogenannte Thalassämie. Dabei sehen die Erythrozyten von außen normal aus, doch im Innern verbirgt sich ein
fehlerhafter Blutfarbstoff, eine weitere abnormale Version des
Hämoglobins. Diese verursacht einen beschleunigten Abbau von
Blutzellen. Die übliche Behandlung für Patienten besteht aus regelmäßigen Bluttransfusionen, um die entstehende Blutarmut,
Anämie, auszugleichen. Doch mit jeder Transfusion wird auch das
in den roten Blutkörperchen gebundene Eisen übertragen, das
der Körper von Thalassämie-Patienten nicht aktiv ausscheiden
kann. „Dadurch kommt es zu einem Eisenüberschuss, der zum
Teil in Leber, Herz oder Nieren abgelagert wird. Überschüssiges
Eisen kann die Organe schädigen und zu Organversagen führen“,
so Kauser. Der Fokus ihrer Gruppe liegt deshalb auch darauf, die
Eisenaufnahme ins Blut zu regulieren – gemeinsam mit den Experten des UCSF Benioff Oakland.
Bayer-Forscher bringen ihre Erfahrungen aus der Wirkstoffentwicklung in die Kooperation ein – und das UCSF Benioff
Oakland umfassende Grundlagenforschung und Erfahrungen mit
Patienten. „Wir haben den Vertrag mit dem UCSF Benioff Oakland
gerade um zwei Jahre verlängert“, so Dr. Lisa Mendoza, stellvertretende Direktorin beim US Science Hub von Bayer HealthCare
und Alliance Managerin der Kollaboration. Wenn der Forschungsweg erfolgreich ist, können Hämoglobinopathie-Erkrankte bald
mehr Lebensqualität zurückerlangen. Denn die Symptome dieser
Krankheiten zu lindern und sie in Zukunft möglicherweise sogar
heilen zu können, ist eine hoffnungsvolle Aussicht.
www.research.bayer.de/haemoglobinopathien
Weitere Infos zum Thema
Bayer research 28 Juli 2015
43
Herunterladen