P O L I T I K MEDIZINREPORT Wende in der refraktären Chirurgie Ringhälften aus Kunststoff korrigieren Kurzsichtigkeit Implantat bewirkt Abflachung der Kornea und damit eine Reduktion der Brechkraft. Der reversible Eingriff führt bei sorgfältiger Auswahl der Patienten zu guten Resultaten. K tomeleusis (LASIK), eine Gewebeabtragung durch Laser nach Herstellung eines Hornhautlappens. Gegenüber der oberflächlichen Abtragung hat die LASIK den Vorteil, in der postoperativen Phase weniger Schmerzen zu bereiten. Die Nachteile aller bisher praktizierten refraktiv-chirurgischen Eingriffe sind einmal die Endgültigkeit, andererseits die Tatsache, daß die photorefraktive Keratektomie und die LASIK im Zentrum der Hornhaut vorgenommen werden und in Abhängigkeit von der Höhe der Korrektur der Myopie Narbenbildungen auftreten können, die dann das Sehvermögen beeinträchtigen. Darüber hinaus dauert die visuelle Rehabilitation in vielen Fällen mehrere Monate. Außerdem ist eine postoperative Behandlung mit Kortikosteroiden erforderlich, die eine Katarakt-Entwicklung induzieren kann. urzsichtigkeit (Myopie) ent- und eine Welle solcher Eingriffe steht, wenn die Brechkraft des schwappte um den Globus. Relativ optischen Apparates des Au- schnell zeigten sich aber die Nachteiges zu hoch ist und daher die Netzhaut le: häufig entstanden Überkorrektufür das entworfene Bild zu weit entfernt ist. Dieser Fehler wird vor allem durch eine zu stark gekrümmte Hornhaut (Kornea) verursacht, die Intrakorneale den Hauptteil der Implantate Brechkraft von etAlle genannten Nachteile der rewa 44 Dioptrien befraktiven Chirurgie können nun verwirkt. Die Augenmieden werden: Das neue Verfahren linse dagegen steuder intrakornealen Implantation von ert nur etwa 16 zwei Ringsegmenten aus Kunststoff in Dioptrien bei. Die der Peripherie des Hornhaut-Stromas älteste Vorrichtung Intrakorneal-Ringhälfte vor der Implantation Fotos: KeraVision Inc. ist umkehrbar; das heißt, das Implantat zur Brechkraftkorrektur ist die Brille. Einsatzfähige ren, und die Kornea wölbte sich oft kann ohne Schaden für das Auge wieKontaktlinsen kennt man seit Ende unregelmäßig, was das Sehvermögen der entfernt werden, und der ursprüngliche Zustand ist wiederhergestellt. des Ersten Weltkrieges. sehr beeinträchtigt. Die ideale Lösung zur Korrektur Obwohl die rader Brechkraft sah man aber stets diale Keratotomie darin, am Auge selbst geeignete Ver- ausgereift ist, wird änderungen vorzunehmen. In den dieses Verfahren 50er Jahren ritzte man in Japan die langsam von der Kornea von der Innenseite ein. Der photorefraktiven Innendruck des Auges wölbte nun die Keratektomie verHornhaut vor, ihr Zentrum aber wur- drängt, die mit dem de flacher, die Brechkraft damit redu- Argon®-Excimerziert. Die verletzten Endothelzellen Laser durchgeführt der Kornea regenerieren sich jedoch wird. Das emittiernicht mehr, die Hornhaut trübt sich, te UV-Licht trägt die Patienten erblinden, erinnerte von der Hornhautoberfläche kleine Prof. Thomas Neuhann (München). In den 60er Jahren hatte der Rus- Gewebepartikel ab se Svyatoslav N. Fjodorov begonnen, und flacht sie damit Intrakorneal-Halbringe in Position die Kornea von außen anzuritzen, in ab. Die Brille wird der Kenntnis, daß die Epithelzellen in die Kornea „eingehobelt“. Diese Die beiden Ringhälften werden in der der Hornhaut sich sehr gut regenerie- Methode wurde inzwischen mehrfach Peripherie der Kornea eingesetzt, das ren können. Damit war die „sternför- variiert und weiterentwickelt. Das Hornhautzentrum bleibt also unbemige radiale Keratotomie“ geboren, modernste ist die Laser-in-situ-Kera- rührt. Die beiden Implantate veränA-724 (32) Deutsches Ärzteblatt 95, Heft 13, 27. März 1998 P O L I T I K MEDIZINREPORT dern die Spannung in der Kornea und damit ihre Brechkraft, berichtete Prof. Helmut Höh (Neubrandenburg). Die Implantation des KeraVision®-Ringes ist eine elegante Methode, die in Lokal-, Para- beziehungsweise Retrobulbäranästhesie, aber auch in Vollnarkose durchgeführt werden kann. Die Operation dauert etwa 30 Minuten. Nach Markierung des Hornhautzentrums mit einer Spezialvorrichtung und Ansaugen des Bulbus zur Ruhigstellung werden mit einem einstellbaren Diamantmesser zwei etwa 1,8 mm lange und rund 330 mm tiefe Schnitte in die etwa 500 mm dicke Hornhaut an ihrer Peripherie gesetzt. Von diesen Schnitten ausgehend, wird mit einem Spezialinstrument (Dissektor) jeweils eine Tasche in der Länge des Ringsegmentes in das Stroma laminiert, in die dann die beiden Ringhälften eingeschoben werden. Die winzigen Wunden werden mit Hornhautnähten verschlossen. Nach etwa vier Wochen werden die Nähte in Tropfanästhesie entfernt. Postoperativ empfinden die Patienten keinerlei Schmerzen. Nach der Entfernung der Fäden ist in der Regel auch die Endfraktion erreicht. Voll reversible Operation Die voll reversible Operation ist für jeden geübten Hornhautchirurgen kein Problem. Laut Prof. Günther Grabner (Salzburg) wurden weltweit bisher über 1 600 Personen mit diesem Verfahren korrigiert. Nur in zwei Fällen kam es zu einer leichten Einbuße des Sehvermögens infolge einer unregelmäßigen Hornhautkrümmung. In Europa wurde die MECCAStudie initiiert (Multicenter European Corneal Correcture Assessment). Ihre Resultate umfassen Daten von 200 Augen aus elf Kliniken und mit fünf Ringstärken. (Durch sie wird der gewünschte Dioptrien-Wert steuerbar. Der dünnste Ring ist 0,25 mm dick; er erbringt 1,5 Dioptrien. Eine Ringstärke von 0,450 mm erbringt 4 bis 4,5 Dioptrien.) Voraussetzung für ein gutes Resultat ist eine sorgfältige Auswahl der Patienten. Gegenwärtig beschränkt sich der Korrekturbereich auf 1,0 bis 5,0 Dioptrien, wobei der refraktive Astigmatismus nicht mehr als 1 Dioptrien betragen darf. Alle Erkrankungen des Auges oder seines Halteapparates sind eine Kontraindikation für den Eingriff, ebenso wie frühere Operationen am Auge und außergewöhnliche Hornhautdimensionen. Im Rahmen der MECCA-Studie wurden an der Salzburger Landesaugenklinik bisher 25 Augen nach der neuen Methode versorgt. Auch hier sind die Ergebnisse überzeugend. Langzeitergebnisse fehlen allerdings noch. Die am weitesten zurückliegenden Eingriffe dieser Art sind rund sechs Jahre alt. Es handelt sich um neun Patienten aus Brasilien. In diesem Zeitraum ist die damals erreichte Refraktion stabil geblieben. Die europäischen Daten sind maximal erst 18 Monate alt. Aber auch hier zeigte sich bisher keine Instabilität der Korrektur. Siegfried Hoc Stammzellen aus dem Bioreaktor Wissenschaftlern des Forschungszentrums Jülich ist es gelungen, Blutstammzellen in einem Bioreaktor innerhalb von 14 Tagen um das Zehnfache zu vermehren. Das neue Zellkultursystem ahmt die Bedingungen im menschlichen Knochenmark nach. In Kooperation mit der MainGen Biotechnologie GmbH (Frankfurt) soll die Methode nun bis zum klinischen Einsatz weiterentwickelt werden. Stammzellen spielen eine wichtige Rolle bei der Hoch-DosisChemotherapie von Krebspatienten. Hierfür werden die wenigen, im Blut frei schwimmenden Stammzellen vor der Therapie in einer Art Blutwäsche gewonnen, anschließend gelagert und dem Patienten später wieder zugeführt. Eine weitere Quelle für diese pluripotenten Zellen findet sich im Nabelschnurblut der Neugeborenen. Oft reicht die Menge des gewonnenen Materials jedoch nicht aus. Bisher wurden Stammzellen im kleinen Maßstab in Kulturflaschen vermehrt. Ein biotechnisches Verfahren, um eine ausreichende Zellmenge unter kontrollierten Bedingungen herzustellen, fehlte jedoch. Ein Jülicher Forscherteam setzt nun zur Vermehrung der Stammzellen ein neues Zellkulturverfahren mit offenporigen Mikrokügelchen ein. Diese ähneln in der 1 000fachen elektronenmikroskopischen Vergrößerung einem Schwamm. In ihren Nischen, welche die Struktur des Knochenmarks nachahmen, sie- deln sich die Stammzellen besonders gut an. Mit Hilfe eines Bioreaktors werden die Zellen dann optimal mit Nährmedium versorgt. Im menschlichen Knochenmark sorgen neben den räumlichen Besonderheiten auch die Stromazellen für eine optimale Umgebung der Stammzellen. Stromazellen beeinflussen nämlich durch das geregelte Ausschütten von Wachstumsfaktoren die Reifung der Blutzellen. Dem Biologen Bernd Schröder gelang es, Stromazellen und Stammzellen gemeinsam auf den Mikrokügelchen anzusiedeln. Durch dieses Nachahmen der natürlichen Bedingungen konnten die Stammzellen im Bioreaktor innerhalb von zwei Wochen um das Zehnfache vermehrt werden. Auch in der Gentherapie hofft man auf die neuen Zellkultursysteme. Die Anwendung kann an folgendem Beispiel verdeutlicht werden: Das Gen zur Produktion des Gerinnungsfaktors VIII, das Hämophilie-A-Patienten fehlt, soll unter Laborbedingungen in die defekten Stammzellen eingeschleust werden. Die Zellen werden dann entsprechend in einem Bioreaktor vermehrt und anschließend dem Patienten zurückgegeben. Diese veränderten Stammzellen siedeln sich selbständig im Knochenmark an, vermehren sich und bilden nunmehr Blutzellen, die wieder zur Herstellung von Faktor VIII fähig sind: Die regelmäßige Einnahme von Faktor-VIII-Präparaten wäre dann nicht mehr erforderlich. EB Deutsches Ärzteblatt 95, Heft 13, 27. März 1998 (33) A-725