Thieme-Verlag Frau Holzer Sommer-Druck Feuchtwangen Ludwig/Rieger/Ruppert Gefäßmedizin in Klinik und Praxis WN 952548/01/02 TN 110192 10.8.2010 Umbruch Arterienerkrankungen 1 van Jaarsveld BC et al. Interobserver variability in the angiografic assessment of renal artery stenosis. DRASTIC study group. Dutch Renal Artery Stenosis Intervention Cooperative. J Hypertens 1999; 17: 1731–1736 van Jaarsveld BC, Derkx FHM et al. Preliminary results of the Dutch renal artery stenosis intervention cooperative study (DRASTIC). Neth J Med 1994; 44: A65 (Abstract) van Jaarsveld BC, Krijnen P, Pieterman H et al. The effect of balloon angioplasty on hypertension in atherosclerotic renal-artery stenosis. Dutch Renal Artery Stenosis Intervention Cooperative Study Group. N Engl J Med 2000; 342: 1007– 1014 Vasbinder GB, Nelemans PJ, Kessels AG et al.; Renal Artery Diagnostic Imaging Study in Hypertension (RADISH) Study Group. 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Abhängig von Ausmaß der geschädigten Wandschichten sind histologisch drei Formen von Aneurysmabildungen bekannt (Abb. 1.69): ● Aneurysma verum ● Aneurysma dissecans ● Aneurysma spurium Ein echtes Aneurysma (Aneurysma verum) ist eine lokalisierte Aufweitung der Arterien, die alle Gefäßwandschichten betrifft (Abb. 1.69a). a Aneurysma fusiformis 1.7 Arterielle Aneurysmen Abb. 1.68 men. b Aneurysma sacciformis c Aneurysma fusisacciformis Morphologische Einteilung arterieller Aneurys- 1.7.1 Allgemeine Vorbemerkungen Definition Arterielle Aneurysmen sind umschriebene Gefäßerweiterungen. Eine lokalisierte Arterienerweiterung im Sinne eines Aneurysma verum kann bei einer Verdopplung der normalen Lumenweite angenommen werden. Die Normalweite von Arterien hängt vom Geschlecht, Alter, Körperoberfläche und Körpergröße des Menschen ab. Im Bereich der Aorta nimmt z. B. die normale Lumenweite mit der Körpergröße und dem Alter zu, wobei Frauen eine schmalere Aorta als Männer haben. Auf die genauen Lumengrenzwerte, ab denen ein Aneurysma definiert ist, wird bei der Abhandlung der Aneurysmen der einzelnen Körperregionen eingegangen. a Aneurysma verum Abb. 1.69 b Aneurysma dissecans c Aneurysma spurium Histologische Einteilung arterieller Aneurysmen. 150 aus: Ludwig u. a., Gefäßmedizin in Klinik und Praxis (ISBN 9783131101921) © 2010 Georg Thieme Verlag KG Thieme-Verlag Frau Holzer Sommer-Druck Feuchtwangen Ludwig/Rieger/Ruppert Gefäßmedizin in Klinik und Praxis WN 952548/01/02 TN 110192 10.8.2010 Umbruch 1.7 Arterielle Aneurysmen Unter einem Aneurysma dissecans wird ein Aneurysma auf dem Boden einer Längsspaltung der Arterienwand im Bereich der Mediaschicht verstanden, wobei ein inneres („wahres“) und ein äußeres („falsches“) Lumen entsteht. Die äußere Begrenzung des falschen Lumens (Media-, Adventitiaschicht) ist dünner als die innere (Intima-, Mediaschicht). Aufgrund einer Ruptur der Vasa vasorum der Arterienwand oder eines Einrisses der Gefäßintima (ca. in 70 % der Fälle) kann Blut in die Mediaschicht der Arterie eindringen und zu einer Dissektion der Gefäßwand im Sinne eines Aneurysma dissecans (Abb. 1.69b) führen. Der Ort des primären Einrisses wird als Eintrittspforte (Entry), die Austrittsstelle (Reentry) bezeichnet. Eine Aortendissektion kann mehrere Entrys und Reentrys haben. Dissektionen von Arterien müssen aber nicht immer mit aneurysmatischen Erweiterungen einhergehen, sondern können auch in histologisch normalen Gefäßen auftreten. Dies ist z. B. bei iatrogener Arterienwandspaltung im Rahmen einer arteriellen Katheteruntersuchung der Fall. Für die Bezeichnung Aneurysma dissecans muss eine umschriebene Gefäßerweiterung nicht immer zutreffen. Beim falschen Aneurysma (Aneurysma spurium) handelt es sich um eine perivaskulär mit Blut durchströmte Gewebehöhle, die mit dem Arterienlumen über einen kompletten Wanddefekt in Verbindung steht (Abb. 1.69c). Das Aneurysma spurium ist von Endothel ausgekleidet und mit einer bindegewebigen Kapsel umhüllt. Gefäßwanddefekte, die zu einem Aneurysma spurium führen, können entweder traumatischer (nach Operation, nach Bypassanlage, nach Herzkatheteruntersuchung oder interventionellen Eingriffen) oder entzündlicher Genese sein. Nach transfemoralem Herzkatheterzugang kommt es in bis zu 4,5 % der Fälle zum Auftreten eines Aneurysma spurium im Bereich der Punktionsstelle. Nach PTA und PTCA ist in bis zu 2,3 und 5,2 % der Fälle mit der Bildung eines Aneurysma spurium zu rechnen. Ursache ist dann meist eine unzureichende Kompression des punktierten Gefäßes im Anschluss an die Untersuchung. 1 a b Abb. 1.70 Häufigste Formen und Lokalisationen der thorakalen Aortenaneurysmen. Aortenaneurysmen sind häufiger im abdominellen (92 %) als im thorakalen Abschnitt (8 %) (Abb. 1.70) lokalisiert. Etwa 95 % der abdominellen Aortenaneurysmen liegen infrarenal, 5 % suprarenal mit Einschluss der Nierenarterien (Kunz 1980). Aortale Aneurysmen im Rahmen einer Luesinfektion betreffen typischerweise die Aorta thoracica. In ca. 50 % der Fälle treten arterielle Aneurysmen an multiplen Lokalisationen auf. So liegen mit einer Häufigkeit von bis zu 28 % bei Bauchaortenaneurysmen gleichzeitig Popliteaaneurysmen vor (Lange 1990). Bei 10 % der abdominellen Aortenaneurysmen kommt es zur Mitbeteiligung der A. iliaca communis. Seltener sind isolierte extraaortal gelegene Aneurysmen. Sie können im Bereich der A. iliaca (ohne gleichzeitiges Aortenaneurysma) (1,3 %), der A. poplitea, A. femoralis, A. subclavia oder in den Intrazerebralarterien vorkommen. In etwa zwei Dritteln der Fälle betreffen Aneurysmen der A. poplitea beide Extremitäten (Lange 1990). Aneurysmen der Viszeralarterien kommen mit einer Häufigkeit von 0,1–0,8 % vor. Aneurysmen, die auf eine poststenotische Dilatation hinter funktionellen Engen zurückzuführen sind, betreffen bevorzugt die A. subclavia (Mm. scaleni, Halsrippe, kostoklavikuläre Enge) oder die A. poplitea (Gastroknemiusenge). Lokalisation Ätiologie Die bevorzugte Lokalisation von Arterienaneurysmen ist von ihrer Genese abhängig. So finden sich arteriosklerotische Aneurysmabildungen am häufigsten im Verlauf der Aorta (Aortenaneurysmen). Ätiologisch können Aneurysmen in 6 Gruppen eingeteilt werden, wobei die arteriosklerotische Genese am häufigsten ist (ca. 95 %): ● angeboren 151 aus: Ludwig u. a., Gefäßmedizin in Klinik und Praxis (ISBN 9783131101921) © 2010 Georg Thieme Verlag KG Thieme-Verlag Frau Holzer Sommer-Druck Feuchtwangen Ludwig/Rieger/Ruppert Gefäßmedizin in Klinik und Praxis WN 952548/01/02 TN 110192 10.8.2010 Umbruch Arterienerkrankungen 1 ● ● ● ● ● arteriosklerotisch traumatisch mykotisch inflammatorisch poststenotisch Seltene Ursachen arterieller Aneurysmen sind: ● Marfan-Syndrom, Ehlers-Danlos-Syndrom ● zystische Medianekrose (Erdheim-Gesell) ● Aortenisthmusstenose ● Vaskulitiden (z. B. Takayasu-Aortitis) Angeborene Ursachen. Etwa 15 % der Patienten mit abdominellem Aneurysma haben einen Verwandten 1. Grades, der ebenfalls diese Gefäßerkrankung aufweist (Webster et al. 1991). Das Marfan-Syndrom ist durch eine angeborene Bindegewebeerkrankung, die die Augen, das Skelett und das kardiovaskuläre System betrifft, charakterisiert. Sowohl dem Marfan- als auch dem Ehlers-Danlos-Syndrom Typ IV liegt eine angeborene Synthesestörung von Bindegewebe zugrunde. In der Mediaschicht von Arterien kommt es zum Untergang von Muskelzellen. Das Marfan-Syndrom führt typischerweise zu Aneurysmen in der Aorta thoracalis (Abb. 1.71). Arteriosklotische Genese. In Zusammenhang mit Aortenaneurysmen sind strukturelle und biochemische Umbauvorgänge in der Arterienwand beschrieben, die zu einem Ungleichgewicht zwischen Kollagenabbau und Regeneration führen. So kommt es zu einer Abnahme des Elastingehaltes, bedingt durch ein Überangebot von Proteinasen wie der Matrixmetalloproteinase 9 und einer erniedrigten Konzentration von Antagonisten wie dem α1-Antitrypsin (Sakalihasan et al. 2005). Hauptsächlicher Risikofaktor arteriosklerotisch bedingter Arterienaneurysmen ist das Rauchen. Die Koinzidenz mit einer pAVK ist häufig (Hirsch et al. 2006). Bei ca. 60 % der Patienten mit Bauchaortenaneurysmen besteht eine therapiebedürftige arterielle Hypertonie. Traumatische Genese. Arterienaneurysmen können Folge einer iatrogenen Gefäßwandverletzung im Rahmen einer Arteriografie (s. o.) sein. Traumatische Aortenaneurysmen entstehen meist nach Autounfällen oder anderen Dezelerationstraumen, wobei es zu einem unvollständigen Einriss der Aortenwand im deszendierenden Aortenbogen am Ansatz des Lig. botalli (locus minoris resistentiae) kommt. Abb. 1.71 Typisches, riesiges thorakales Aneurysma bei einem Patienten mit Marfan-Syndrom. Kontrastmittelgestützte MRA bei einem 8-jährigen Kind. Mykotische Aneurysmen (Abb. 1.72a, siehe auch Kap. 1.7.8) sind in der Aorta beschrieben und entstehen als Folge einer bakteriellen Entzündung, verursacht durch z. B. Staphylococcus aureus, Brucellen, Salmonellen, Chlamydien, Tuberkulosebakterien oder auch Treponema pallidum (Hirsch et al. 2006). Mykotische Aortenaneurysmen als Folge einer Syphillis sind heute aufgrund der rechtzeitigen und guten antiobiotischen Therapie der Grunderkrankung selten. Inflammatorische Arterienaneurysmen sind selten und basieren vermutlich auf einem Autoimmunprozess, der zu einer typischen perivaskulären Fibrose mit retroperitonealer Inflammation und Adhäsionen im Bereich der V. cava und/oder der Ureteren führt. Charakteristisch im Ultraschall, CT oder MRT ist die konzentrische zwiebelschalenartige Verdickung der Aortenwand, die Kalkspangen enthält (Abb. 1.72b). 152 aus: Ludwig u. a., Gefäßmedizin in Klinik und Praxis (ISBN 9783131101921) © 2010 Georg Thieme Verlag KG Thieme-Verlag Frau Holzer Sommer-Druck Feuchtwangen Ludwig/Rieger/Ruppert Gefäßmedizin in Klinik und Praxis WN 952548/01/02 TN 110192 10.8.2010 Umbruch 1.7 Arterielle Aneurysmen ● ● ● Vermehrte Belastung der Aortenwand. Diese ist durch die Asymmetrie der Aortenbifurkation und die Lateralverlagerung der Kräftevektoren bedingt. Es ist bekannt, dass sich infrarenale Aortenaneurysmen aufgrund des geringeren Expansionswiderstandes vorwiegend nach links ausbreiten. Erhöhter peripherer Abflusswiderstand. Er kann im Bereich der Aortenbifurkation aufgrund der Verstärkung der Pulswellenreflexion zu einer Verdoppelung der Druckpulsamplitude führen. Abnahme der Stromstärke und Flussgeschwindigkeit. Ferner kommt es zur Ausbildung von Turbulenzen. Eine retrospektive Untersuchung (Vollmar et al 1988) an 545 Patienten, die wegen eines geschlossenen oder rupturierten infrarenalen Aortenaneurysmas operiert wurden, zeigte eine auffallend hohe Inzidenz von unilateraler Beinamputation (28 Personen = 5,1 %). Keiner der untersuchten Patienten war doppelseitig amputiert. Das Ergebnis dieser Arbeit wird durch das Resultat einer prospektiven kontrollierten klinischen Verlaufsbeobachtung an 600 Kriegsversehrten mit und ohne Beinverlust unterstützt. Die Inzidenz infrarenaler Aortenaneurysmen betrug bei den Beinamputierten 7,6 %, bei den Personen ohne Beinverlust 0,9 %. Somit scheint das Risiko der Ausbildung eines Aortenaneurysmas nach Beinamputation erhöht. a Pathophysiologische Grundlagen Die Ausbildung von Arterienaneurysmen basiert auf folgenden pathophysiologischen Faktoren: ● Verlust der Wandstabilität durch strukturelle und morphologische Gefäßwandveränderungen (s. o.) ● Veränderung der Hämodynamik im Gefäß mit Zunahme abnormer Scherkräfte ● Zunahme des seitlichen Wanddrucks und der Wandspannung b Abb. 1.72a Mykotisches Aneurysma. b CT-Bild eines inflammatorischen Aneurysmas mit konzentrischer zwiebelschalenartiger Verdickung der Aortenwand mit Kalkspangen (Aufhellungen in verdickter Aortenwand). Beinamputation. Eine häufige Frage in Zusammenhang mit Gutachten ist: Kann eine Beinamputation langfristig die Ausbildung eines Aortenaneurysmas begünstigen? Theoretisch könnten folgende Mechanismen die Ausbildung von Aortenaneurysmen bei einseitig amputierten Personen begünstigen: Strukturelle Wandveränderungen sind im Rahmen oben genannter Mechanismen die Voraussetzung für die Ausbildung von Arterienaneurysmen. Hämodynamische Faktoren scheinen dann die Ausbildung von Aneurysmen zu begünstigen. So verursachen turbulente Jetströmungen im poststenotischen Bereich erhöhte Scherkräfte, die die Arterienwandstruktur mechanisch schädigen. Zum Beispiel wird eine gegenüber der suprarenalen Aorta geringere arterielle Blutflussrate (bis zu 25 %) in der infrarenalen Aorta als Ursache für die bevorzugte Aneurysmalokalisation in diesem Aortenabschnitt angesehen. Die hierdurch bedingten geringeren Scherkräfte (low shear stress area), die an der infrarenalen Aortenwand angreifen, können 153 aus: Ludwig u. a., Gefäßmedizin in Klinik und Praxis (ISBN 9783131101921) © 2010 Georg Thieme Verlag KG 1 Thieme-Verlag Frau Holzer Sommer-Druck Feuchtwangen Ludwig/Rieger/Ruppert Gefäßmedizin in Klinik und Praxis WN 952548/01/02 TN 110192 10.8.2010 Umbruch Arterienerkrankungen 1 die Ausbildung dilatierender und obliterierender Umbauvorgänge fördern. Hinzu kommt, dass die Pulswelle an der abdominellen Aortenbifurkation steiler und höher ist als im Bereich des Aortenbogens. Zu einer Erhöhung des seitlichen Wanddrucks und der Wandspannung kommt es bei poststenotischen Dilatationen im Zusammenhang mit Arterienverengungen durch die plötzliche poststenotische Abnahme der Strömungsgeschwindigkeit. Die Spannung der Arterienwand ist dem Produkt aus Blutdruck und Gefäßdurchmesser proportional (Laplace-Gesetz). Wandspannung bei arterieller Hypertonie. Unter Berücksichtigung des La-Place-Gesetzes (Wandspannung = Gefäßradius × Gefäßinnendruck) steigt bei konstantem Gefäßinnendruck die tangentiale Wandspannung proportional mit einem zunehmenden Gefäßradius an. Gleichfalls nimmt mit einer Blutdruckerhöhung bei gleichbleibendem Gefäßradius die Wandspannung zu, wobei sich die Wanddicke umgekehrt zur Wandspannung verhält. Ist in einer thrombosierten oder verkalkten Arterie die Blutströmungsgeschwindigkeit herabgesetzt, so erhöht sich gemäß dem Energiegesetz von Bernoulli der Seitendruck auf die Gefäßwand, sodass dies die Aneurysmabildung begünstigt. Die elastischen Fasern der normalen Arterienwand können Änderungen der Gefäßwandspannung ausgleichen. Hierzu sind die Gewebestrukturen der krankhaft veränderten Arterienwand nicht mehr in der Lage. In der Arterienwand von Hochdruckpatienten ist der Gehalt an Elastin und Kollagen vermindert und somit die Dehnbarkeit herabgesetzt. Ein vermehrter Gefäßinnendruck bei Hypertonie fördert und beschleunigt die Überdehnung der veränderten Gefäßwand. Frühzeitig ist die Kompensationsfähigkeit der Arterienwand bezüglich zunehmender Wandspannung erschöpft. Das Gefäß dilatiert irreversibel und kann rupturieren. Die Kombination eines arteriellen Bluthochdrucks mit der Abnahme von kollagenem Bindegewebe wird auch als Ursache der Ruptur von Aortenaneurysmen angenommen. Bei Aneurysmen steigt mit der Zunahme des Blutdruckes und des Durchmessers das Rupturrisiko. 1.7.2 Aneurysma verum der infrarenalen Aorta abdominalis Definition Das Aneurysma der infrarenalen Aorta abdominalis ist definiert als Erweiterung des Querdurchmessers von mehr als 3 cm (Hirsch et al. 2006). Die Rupturgefahr nimmt ab einem Außendurchmesser von 5 cm drastisch zu. Epidemiologie Die Inzidenz abdomineller infrarenaler Aortenaneurysmen wird in Sektionsstatistiken mit 0,3–2,8 % angegeben (Kortmann 1990). Bauchaortenaneurysmen werden häufiger bei Männern als bei Frauen (2–7 : 1) gefunden (Bengtsson et al. 1991). In Schweden beträgt die jährliche Inzidenz infrarenaler Bauchaortenaneurysmen bei über 50-jährigen Männern und Frauen 4,7 und 3 % (Bengtsson et al. 1992). In der 8. Lebensdekade steigt die Inzidenz auf 12 % an. Altersunabhängig beträgt die Inzidenz 40 Erkrankungen pro 100 000 Einwohner. Die Prävalenz abdomineller Aortenaneurysmen in der Normalbevölkerung liegt bei über 60-Jährigen bei 2 %. Sie wird durch das Alter, männliches Geschlecht, familiäre Disposition und Rauchen beeinflusst. So ist die Prävalenz eines infrarenalen Aortenaneurysmas bei Personen mit Nikotinabusus gegenüber Nichtrauchern um das Dreifache gesteigert und beträgt über 7 % (Bengtsson et al. 1991). Für Männer und Frauen im Alter zwischen 45 und 54 Jahren betragen die Prävalenzen infrarenaler Aortenaneurysmen 1,3 %, in der Altersgruppe zwischen 75 und 84 Jahre bis zu 12,5 % und 5,2 % (Hirsch et al. 2006, Sakalihasan et al. 2005). Letalität. In den Vereinigten Staaten steht das abdominelle Aortenaneurysma mit nahezu 15 000 Todesfällen pro Jahr an 13. Stelle der Todesursachenstatistik (Silverberg und Luvera 1983). Das Risiko einer Aortenruptur nimmt mit dem Durchmesser des Aneurysmas zu und ist ab einem Durchmesser von 5 cm überproportional hoch. Die Letalität des rupturierten Bauchaortenaneurysmas ist mit über 50 % sehr hoch (Lederle et al. 2002). Begleiterkrankungen. 8 % der Patienten mit Bauchaortenaneurysma haben gleichzeitig eine periphere arterielle Verschlusskrankheit. Die Koinzidenz von abdominellem Aortenaneurysma und koronarer Herzerkrankung liegt bei 29 %. Die Häufigkeiten von Begleiterkrankungen bei Patienten mit abdominellen Aortenaneurysmen sind in Tab. 1.45 wiedergegeben. Klinische Symptomatik Meist ist das infrarenale Aortenaneurysma symptomlos, Allgemeinsymptome größerer Aortenaneurysmen können abdominelle Schmerzen mit Ausstrahlung in den Rücken, chronische Obstpation, Übelkeit, Erbrechen, Appetitlosigkeit und blutige Stühle sein. 154 aus: Ludwig u. a., Gefäßmedizin in Klinik und Praxis (ISBN 9783131101921) © 2010 Georg Thieme Verlag KG Thieme-Verlag Frau Holzer Sommer-Druck Feuchtwangen Ludwig/Rieger/Ruppert Gefäßmedizin in Klinik und Praxis WN 952548/01/02 TN 110192 10.8.2010 Umbruch 1.7 Arterielle Aneurysmen Tabelle 1.45 Begleiterkrankungen bei Patienten mit abdominellen Aortenaneurysmen. Erkrankung Häufigkeit (%) Hypertonie 49 % KHK 29 % Pulmonalerkrankung 25 % Linksherzinsuffizienz 21 % Niereninsuffizienz 14 % Carotisstenosen 10 % Diabetes mellitus 8% periphere AVK 8% Komplikationen eines infrarenalen Aortenaneurysmas, die indirekt auf diese Erkrankung hinweisen, können Embolien in die Beinarterien sein. Sind hiervon die Digitalarterien betroffen, so wird dieses Krankheitsbild als „trash foot“ bezeichnet. Somit muss bei einer arteriellen Embolie im Bereich der Beinarterien ursächlich an ein abdominelles oder auch thorakales Aortenaneurysma gedacht werden. Bei jeder Embolie muss die Emboliequelle identifiziert und wenn möglich ausgeschaltet werden. Diagnose Körperliche Untersuchung Etwa 30–60 % infrarenaler abdomineller Aortenaneurysmen sind asymptomatisch. Kommt es zur Ausbildung von Symptomen wie einem plötzlichen akuten Abdomen, Flankenschmerz, Schock, oder einer pulsierenden abdominellen Raumforderung, so weist dies meist auf drohende Komplikationen wie Dissektion oder Ruptur hin. Durch das raumfordernde Wachstum der Aortenaneurysmen kommt es zur Ausbildung von Symptomen, die denen folgender Erkrankungen ähnlich sind und daher mit ihnen verwechselt werden können: ● Appendizitis ● Pyelonephritis ● Urolithiasis ● Leistenhernie Tab. 1.46 fasst Symptome und indirekte klinische Zeichen abdomineller Aortenaneurysmen zusammen. Tabelle 1.46 Spektrum der klinischen Symptomatik eines abdominellen Aortenaneurysmas. Wichtige Symptome und Zeichen ● abdominelle Schmerzen Indirekte klinische Zeichen ● Ileussymptomatik ● Claudicatio intermittens ● periphere Embolien, „trash foot“ (häufiger) ● Rückenschmerzen ● Ischialgie ● Parästhesien ● aortoenterale Fisteln (selten) ● Flankenschmerzen ● ● pulsierender Abdominaltumor aortocavale Fistel mit Rechtsherzinsuffizienz (selten) ● Knöchelödeme (bedingt durch die Cava-Kompression) ● ischämische Kolitis, Verschlüsse von Mesenterialgefäßen Die Palpation von Bauchaortenaneurysmen ist ein unzuverlässiges diagnostisches Werkzeug, da sie mit einem hohen Anteil falsch negativer Befunde behaftet ist. Sie ist somit als Screeningverfahren nicht geeignet. Eine hohe diagnostische Treffsicherheit der Palpation infrarenaler Aortenaneurysmen ist erst dann gegeben, wenn es sich um große Gefäßerweiterungen handelt. Über Aortenaneurysmen kann die Auskultation turbulenter Strömungsgeräusche möglich sein. Das Vorliegen einer arteriellen Hypertonie, die medikamentös schwer einstellbar ist, kann durch eine stenosierende Mitbeteiligung der Nierenarterien bei einem abdominellen Aortenaneurysma verursacht werden. Bildgebende Diagnostik Prinzipiell sollten apparative diagnostische Verfahren folgende Fragen klären: ● Lokalisation (Aortenabschnitt I–V)? ● Größe (größter Durchmesser, Länge) ● Form (fusi- oder sacciform, exzentrisch, perforiertes arteriosklerotisches Ulkus [PAU]) ● Bezug zu anderen Gefäßen (Aortenbifurkation, Viszeralarterien) ● Teilthrombosierung (Abb. 1.73) (mögliche Emboliequelle) ● Besteht eine Ruptur/gedeckte Ruptur/Perforation/Dissektion? ● Mögliche Genese (arteriosklerotisch, inflammatorisch)? ● Wachstum im Verlauf? Wie schnell ist das Wachstum des Aneurysmas im Verlauf eines Jahres? ● Therapieoptionen (konservativ-medikamentös, operativ oder endovaskulär?) 155 aus: Ludwig u. a., Gefäßmedizin in Klinik und Praxis (ISBN 9783131101921) © 2010 Georg Thieme Verlag KG 1