Grundlagen der Kontaktlinsen-Praxis

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Grundlagen der Kontaktlinsen-Praxis
Teil 4 – Beurteilung des Tränenfilms
Im vierten Teil der Serie über die Grundlagen der
Kontaktlinsen-Praxis erläutern Jane Veys, John Meyler
und Ian Davies die klinische Überprüfung des Tränenfilms.
Auf dem Auge ist die Kontaktlinse vollständig vom
Tränenfilm umgeben. Eine Grundvoraussetzung für das erfolgreiche Tragen von Kontaktlinsen ist ein dauerhaft intakter Tränenfilm, das heißt, die Kontaktlinse sollte den Tränenfilm nicht
beeinträchtigen. Störungen des Tränenfilms an der Grenzfläche zur Kontaktlinse sind der häufigste Grund für einen Misserfolg beim Kontaktlinsentragen. Ein nicht intakter Tränenfilm
macht sich beim Träger hauptsächlich durch ein Trockenheitsgefühl auf dem Auge bemerkbar. Die Kontrolle des Tränenfilms
durch den Kontaktlinsen-Spezialisten sowohl vor als auch während des Tragens ist daher sehr wichtig. In diesem Beitrag wird
die Überprüfung des Tränenfilms in der Kontaktlinsen-Praxis erläutert.
■ Der Tränenfilm
Der Tränenfilm wird üblicherweise als dreischichtige Struktur
beschrieben. Er besteht aus einer Mucinschicht als Basis, einer
wässrigen Komponente und einer Lipidschicht an der Oberfläche. Diese klassische Beschreibung wurde durch die Arbeiten
von Nichols et al. und Pyral in den letzten Jahren etwas modifiziert. Letzterer ist überzeugt, dass der Tränenfilm wesentlich
dicker und mucinhaltiger ist als bisher angenommen.
Um den Tränenfilm insgesamt zu erhalten, wirken alle drei
Schichten zusammen. Funktion und Ursprung der einzelnen
Komponenten werden in Tabelle 1 zusammengefasst.
Tabelle 1: Wichtigste Bestandteile und Funktionen der TränenfilmSchichten
88
Die Lipid- und die Mucinschicht haben den größten Einfluss
auf die Qualität des Tränenfilms. Die wässrige Schicht
hingegen sorgt für die erforderliche Tränenmenge. Sowohl
Tränenqualität als auch -quantität sind wichtig, um die Gesamtwie auch Oberflächen-Hydratation bei weichen Kontaktlinsen
zu gewährleisten.
Der Tränenfilm wird durch den Lidschlag gebildet und aufrechterhalten. Wenn sich das Auge beim Lidschlag schließt,
wird die Lipidschicht zwischen den Lidrändern zusammengedrückt. Durch den Lidschlag reißt der Tränenfilm auf. Die
Mucinschicht, in die sich durch den Lidschlag Lipide aus der
äußeren Schicht mischen, wird zum oberen und unteren
Fornix (Umschlagteil der Bindehaut) bewegt und fließt durch
den Tränengang ab. Beim Schließen der Augen wird durch
den Druck der Lider auf die Augenoberfläche eine neue
Mucinschicht gebildet.
Beim Öffnen des Auges breitet sich eine neue wässrige
Phase über der jetzt hydrophilen Epitheloberfläche aus. Darüber bildet sich eine neue monomere Lipidschicht. Der neue
Tränenfilm ist eine relativ instabile Struktur, da die sehr dünne
Lipidschicht die Verdunstung der Tränen nur vermindern, aber
nicht vollständig verhindern kann. Durch die Verdunstung
nimmt die Dicke des Tränenfilms ab. Währenddessen diffundieren Lipidanteile in Richtung Mucinschicht, wodurch diese
ihre Hydrophilität verliert. Dadurch wird die Mucinschicht
zunehmend wasserabweisend und der Tränenfilm beginnt an
einigen Stellen aufzureißen. Es bilden sich einzelne „Tränenfilm-Inseln“, wodurch wiederum der Lidschlag angeregt wird
und der Kreislauf von vorne beginnt. Dieser Mechanismus wird
in Tabelle 2 zusammengefasst. Die normale Tränenfilmaufreißzeit kann länger dauern als der übliche Zeitraum zwischen
zwei Lidschlägen.
Werden keine Kontaktlinsen getragen, kann die Struktur des
Tränenfilms durch systemische oder augenspezifische Medikamente, allgemeine gesundheitliche Beschwerden oder eine
Reihe von Augenerkrankungen wie Keratokonjunktivitis Sicca
beeinträchtigt werden. Das Volumen der Tränenflüssigkeit
wie auch die Stabilität des Tränenfilms verändern sich mit
zunehmendem Alter.
Die Beurteilung des normalen Tränenfilms wird dadurch
erschwert, dass er durchsichtig ist, ein kleines Volumen von
sieben Mikrolitern hat und nur sieben Mikrometer dick ist.
Darüber hinaus wird bei der Überprüfung häufig der Tränenreflex ausgelöst, wodurch die normale Tränenflussmenge um
mehr als das Hundertfache ansteigen kann. Das kann auch die
Zusammensetzung der Tränen verändern. Jede Methode zur
Abnahme einer Tränenprobe bewirkt eine Reizung des Auges
und führt somit zu reflexartigem Tränenfluss. Dadurch stellt
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Kontaktlinsen-Anpasser sollten diese Unterschiede bei der
Auswahl des Oberflächenreinigers berücksichtigen.
Tabelle 2: „Kreislauf“ des Tränenmechanismus
sich die Frage, wie repräsentativ die Probe ist. Für eine erschöpfende Zusammenfassung der Struktur und Biochemie
des Tränenfilms siehe Bright und Tighe1 sowie Lydon und
Guillon.2
■ Der Tränenfilm beim Kontaktlinsentragen
Tragen formstabiler sauerstoffdurchlässiger
Kontaktlinsen
Das Aufsetzen formstabiler Kontaktlinsen führt zu einer beträchtlichen Störung des Tränenfilms, was wiederum den
Hauptgrund für geringeren Tragekomfort darstellt. Klassische
Beurteilungen der Nicht-invasiven Aufreißzeit des Tränenfilms
(NIBUT) zeigen beim Tragen einer formstabilen Kontaktlinse
eine signifikante Abnahme der Nicht-invasiven Aufreißzeit auf
der Kontaktlinsen-Oberfläche nach dem Aufsetzen der Kontaktlinse im Vergleich zur Nicht-invasiven Aufreißzeit vor dem
Aufsetzen der Kontaktlinse. Diese und andere Beobachtungen
zeigen, dass es schwierig ist, die Lipidschicht auf der Oberfläche zu erhalten. Noch schwieriger ist dies, wenn der Fehlsichtige einen inkompletten Lidschlag aufweist, denn dadurch wird
verhindert, dass die ganze Kontaktlinse adäquat benetzt wird.
Im Laufe der Zeit führen Ablagerungen an der Oberfläche einer
formstabilen Kontaktlinse zu weiteren Störungen des dünnen
Tränenfilms, der die Kontaktlinse dann nicht mehr vollständig
bedecken kann. Das Ergebnis sind unbenetzte Bereiche und
Folgekomplikationen.
Die Ablagerungstendenzen können sich je nach Material der
formstabilen Kontaktlinse unterscheiden. Fluor-Silikon-Akrylate
neigen eher zu Lipidablagerungen als die früheren SilikonAkrylate, auf denen sich hauptsächlich Proteine ablagerten.
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Tragen weicher Kontaktlinsen
Auch bei weichen Kontaktlinsen ist es zur Erhaltung eines
stabilen Tränenfilms notwendig, dass die vordere Fläche der
Kontaktlinse gut benetzbar ist. Es ist aber auch eine ausreichende Hydratation der Kontaktlinse erforderlich, denn diese
kann bis zu 70 Prozent aus Wasser bestehen. Wie bei formstabilen Kontaktlinsen nimmt die Nicht-invasive Aufreißzeit beim
Tragen einer weichen Kontaktlinse im Vergleich zum Auge
ohne Kontaktlinse signifikant ab. Bei Untersuchungen hat sich
jedoch gezeigt, dass die Lipidschicht über einer weichen Kontaktlinse stabiler ist als über einer formstabilen Kontaktlinse.
Silikon-Hydrogelmaterialien neigen zu mehr Lipid- und weniger Proteinablagerungen als Hydrogelmaterialien. Das Erscheinungsbild von Lipiden kann sich bei verschiedenen SilikonHydrogelmaterialien unterscheiden. Entweder bildet sich eine
Lipidschicht über der ganzen Kontaktlinsen-Oberfläche oder
es entstehen lokale Ablagerungen. Die Forschung hat gezeigt,
dass Reiben und Abspülen eine wirksame Methode ist, Lipidablagerungen auf Silikon-Hydrogelen zu reduzieren.
Auch die Geometrie, Sitz und Bewegung einer weichen
Kontaktlinse auf dem Auge beeinflusst die Stabilität des
Tränenfilms. Weniger bewegliche Kontaktlinsen begünstigen
die Bildung eines stabileren Tränenfilms. Alle weichen Kontaktlinsen dehydrieren nach dem Aufsetzen in einem bestimmten
Ausmaß. Die Dehydratation ist im Allgemeinen stärker, je
höher der ursprüngliche Wassergehalt der Kontaktlinse ist. Ein
Zusammenhang zwischen der Dehydratation einer Kontaktlinse und einem subjektiven Trockenheitsgefühl oder dem empfundenen Tragekomfort besteht nicht.3 Bei zu starker Dehydratation kann häufig im unteren Quadranten der Hornhaut eine
punktförmige Hornhautstippung auftreten – die sogenannte
„Smile“-Stippung (Abbildung 1).
Abb. 1: „Smile“-Stippung
Bei Benetzungstropfen ist man davon ausgegangen, dass
sie das Problem des Trockenheitsgefühls bei Trägern von
Hydrogel-Kontaktlinsen lösen könnten. Signifikante Veränderungen der Qualität oder Quantität des Tränenfilms sind
jedoch nicht erwiesen.4
In letzter Zeit haben die Hersteller weicher Kontaktlinsen
Benetzungswirkstoffe in ihre Hydrogel- bzw. Silikon-Hydrogelmaterialien und/oder in die Blisterlösungen integriert.
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Dadurch sollen die dauerhafte Benetzbarkeit und die Oberflächeneigenschaften der Kontaktlinse verbessert und ein
länger anhaltender Tragekomfort erzielt werden.
Im Folgenden werden Methoden zur Überprüfung des
Tränenfilms im Zusammenhang mit dem Tragen von Kontaktlinsen vorgestellt.
■ Instrumente
Die Technik besteht darin, das gefaltete, fünf Millimeter lange Ende eines saugfähigen Papierstreifens über den Rand des
Unterlides zu hängen. Es gibt verschiedene Varianten des Papierstreifens. Am häufigsten wird jedoch der Schirmer-Tränenteststreifen, ein saugfähiger Papierstreifen mit den Maßen 35x5
Millimeter, verwendet (siehe Abbildung 2). Nach fünf Minuten
wird die Länge des benetzten Bereichs ab der Markierung
(Knick) gemessen. Ein intakter Tränenfilm sollte zu einer Benetzungslänge von über fünfzehn Millimetern führen.
Die Beurteilung des Tränenfilms kann mit verschiedenen
Methoden erfolgen. Wie auch bei anderen KontaktlinsenÜberprüfungen ist die Spaltlampe das wichtigste Instrument.
Um die Strukturen und die Integrität des Tränenfilms beobachten zu können, ist eine starke Vergrößerung und eine hervorragende Optik erforderlich. Zu diesem Zweck werden eine
spiegelnde Beleuchtung und das damit verbundene Interferenzmuster verwendet. Die Tränenstabilität kann auch mit
einem Keratometer beurteilt werden. Dabei wird die Klarheit
der Miren zwischen zwei Lidschlägen beobachtet.5
Zur detaillierten Beurteilung des Tränenfilms kann das
Spaltlampenzubehör verwendet werden, z. B. das Tearscope.
In der klinischen Praxis können vorhandene Geräte auch so
modifiziert werden, dass sie zu einer Beurteilung des Tränenfilms beitragen können.
Abb. 2: Schirmer-Tränen-Teststreifen im Einsatz
■ Technik
Insbesondere in der klinischen Forschung gibt es zahlreiche
Techniken zur Beurteilung des Tränenfilms, die ständig weiterentwickelt werden. Die Techniken, die für eine routinemäßige
Anwendung in der Kontaktlinsen-Praxis geeignet sind, werden
hier erläutert. Die Evaluierung des Tränenfilms lässt sich in den
qualitativen und den quantitativen Bereich aufteilen: quantitativ durch Beurteilung des Tränenvolumens und qualitativ durch
Beurteilung der Tränenfilmstabilität.
Bei der Begutachtung von Kontaktlinsenträgern ist die Tageszeit ein wichtiger Aspekt. Die üblichen Symptome, Trockenheit
und mangelnder Tragekomfort, nehmen mit längerem Kontaktlinsentragen zu. Daher empfehlen sich Nachkontrolltermine gegen Ende des Tages.6
Phenolrot-Fadentest
Diese Methode zur Beurteilung der Tränenmenge hat den
Vorteil, weniger invasiv zu sein als der Schirmer-Test. Hierfür
wird ein mit dem Farbstoff Phenolrot imprägnierter zweisträhniger Baumwollfaden verwendet (Abbildung 3). Phenolrot ist
ein pH-Indikator und ändert seine Farbe von gelb auf rot, wenn
es mit der leicht alkalischen Tränenflüssigkeit (pH 7,4) benetzt
wird.
■ Tränenquantität
Schirmer-Test
Der Schirmer-Test ist seit seiner Einführung 1903 eine in der
klinischen Praxis weit verbreitete Methode zur Beurteilung der
Tränenproduktion. Bezüglich ihrer Effektivität wurde diese
Methode in der Fachliteratur häufig kritisiert. Da es sich um
eine invasive Methode handelt, setzt ein exzessiver reflektorischer Tränenfluss ein, der die Genauigkeit und Reproduzierbarkeit des Tests in der klinischen Praxis einschränkt.
Obwohl dieser Test in der Kontaktlinsenpraxis immer unpopulärer wird, zögern manche Kontaktlinsenspezialisten, auf ihn
zu verzichten. Das liegt zum Teil daran, dass er immer noch der
einfachste, schnellste und günstigste verfügbare Test zur Beurteilung der Tränenproduktion ist. Die Autoren dieses Beitrags
sind jedoch der Meinung, dass der Test nur in einer Hinsicht
von Nutzen ist: Um festzustellen, welche Patienten bzw. Kunden ernsthaft trockene Augen haben.
90
Abb. 3:
Verwendung des
Phenolrot-Fadens
Dabei wird das Ende eines 70 Millimeter langen Fadens in
dem unteren Bindehautsack im temporalen Bereich platziert.
Der Patient bzw. Kunde wird angewiesen, seine Augen für
15 Sekunden zu schließen. Danach wird der Faden wieder
entfernt. Verfärbt wird dabei das Stück des Fadens, das von
den Tränen benetzt wurde. Normalerweise sollte die Länge
zwischen 9 und 20 Millimetern liegen. Bei Werten unter
9 Millimetern besteht erwiesenermaßen ein Zusammenhang
mit subjektiven Trockenheitssymptomen.
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Höhe des unteren Tränenprismas
Die Messung des Tränenmeniskus auf dem Rand des Unterlids liefert nützliche Hinweise auf das Tränenvolumen. Die Autoren empfehlen diesen Test als integrierten Bestandteil der
Vorüberprüfung bei potenziellen Kontaktlinsen-Trägern. Bei
dieser einfachen Überprüfung wird das Spaltlampenmikroskop
verwendet. Es sollte vermieden werden, das Auge zu stark
bzw. zu lange zu beleuchten, um das Tränenprisma nicht
künstlich auszutrocknen. Mit einiger Erfahrung lässt sich die
Größe des Tränenprismas als minimal, normal oder zu groß
einstufen. Bei reflexartigem Tränenfluss ist keine genaue Einstufung möglich.
Abbildung 4 zeigt das Erscheinungsbild des Tränenprismas
beim Blick durch die Spaltlampe. Für eine genaue Messung
kann ein Messokular an der Spaltlampe verwendet werden.
Abb. 5: Höhenverteilung des unteren Tränenprismas9
Abb. 4:
Unteres Tränenprisma, durch das
Spaltlampenmikroskop gesehen
Bei einer alternativen Technik wird die Höhe des Tränenprismas mit der Breite des Lichtspalts verglichen. Dafür wird der
Lichtspalt horizontal auf dem unteren Lidrand ausgerichtet,
und die Breite wird so weit verändert, bis sie scheinbar der Höhe des Tränenprismas entspricht. Nach einmaliger Kalibrierung
des Drehknopfes zur Steuerung der Spaltbreite lässt sich mit
einer Mikroskopskala ein Millimeterwert ablesen.
Guillon schlägt eine klinische Routine vor, bei der die
Messung der Tränenfilm-Prismenhöhe in folgenden Positionen
erfolgt:
• unmittelbar unter dem Zentrum der Pupille
• 5 Millimeter nasal
• 5 Millimeter temporal.
Abbildung 5 zeigt die normale Verteilung der Tränenprismenhöhe. Die Spitze liegt bei 0,22 Millimetern.7 Wichtig ist, dass
sich der Kunde bzw. Patient in einer Position befindet, in der er
starr blickt, denn davon kann die sichtbare Höhe des Meniskus
abhängen. Zusätzlich zum Volumen des Tränenfilms lässt sich
auf diese Weise auch die Regelmäßigkeit des Tränenprismas
beurteilen. Unterbrechungen deuten eher auf trockene Augen
hin.
■ Tränenqualität
Die Schwierigkeit bei der Beurteilung der Tränenfilmqualität
besteht darin, ein System zu entwickeln, mit dessen Hilfe die
transparente Struktur genau beobachtet werden kann.
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Fluoreszeinaufreißzeit (BUT)
Traditionell wurde die Tränenaufreißzeit gemessen, indem
die „transparenten“ Tränen mit Fluoreszein eingefärbt wurden,
um ihre Beobachtung zu erleichtern. Der eingefärbte Tränenfilm wurde unter kobaltblauem Licht betrachtet. Die zusätzliche Verwendung eines gelben „Wratten“-Filters erleichtert die
Beobachtung fluoreszierenden Materials. Der Farbstoff wird
üblicherweise appliziert, indem ein mit Fluoreszein versetzter
Streifen mit Kochsalzlösung benetzt wird. Dann wird die überschüssige Flüssigkeit abgeschüttelt und die untere Bindehaut
mit der Spitze des Streifens berührt. (Abbildung 6)
Abb. 6: Fluoreszein-Anfärbung: links ideales Minimum, rechts zu viel
Das Einträufeln einer ein- oder zweiprozentigen Fluoreszeinlösung ist nicht zu empfehlen, weil ein einzelner Tropfen
mehr als das Drei- bis Sechsfache des ursprünglichen
Tränenvolumens ausmachen kann und den Tränenfilm
dadurch zu sehr destabilisiert. Eine Fluoreszeinaufreißzeit von
20 Sekunden gilt als Normalwert für die mit Fluoreszein
gemessene Stabilität des Tränenfilms. In der Fachliteratur ist
jedoch eine große Bandbreite von Werten zu finden.
Es ist anzumerken, dass diese Technik invasiv ist. Durch das
Berühren des Auges mit einem Papierstreifen kommt es in einem gewissen Ausmaß zu reflexartigem Tränenfluss. Durch
das Einträufeln von 20 bis 30 Millilitern Fluoreszeinlösung wird
der Tränenfilm, der circa sieben Millilitern Flüssigkeit entspricht,
„überflutet“. Außerdem verändert das hinzugefügte Fluoreszein die physikalische Interaktion zwischen den Tränenfilmschichten. Die Oberflächenspannung wird verringert, was
die Aufreißzeit verändert. Darüber hinaus ist zu bedenken,
dass das Fluoreszein Hydrogellinsen verfärbt, weshalb die
Überprüfungsmethode bei diesen Kontaktlinsen nicht in Frage
kommt.
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Lissamingrün
Fluoreszein macht den Verlust von Epithelzellen sichtbar. Andere Farbstoffe wie Lissamingrün oder Bengalrosa hingegen
heben devitalisierte bzw. abgestorbene Zellen optisch hervor.
Im Gegensatz zu Bengalrosa hat Lissamingrün den Vorteil,
dass es die Augen von Patienten bzw. Kunden mit trockenen
Augen nicht reizt. Ein gesundes Auge verfärbt sich mit
Lissamingrün nicht. Ein Rotfreifilter (Wratten 25) erleichtert die
Beobachtung von Verfärbungen.
Kontaktlinsenanpasser sollten sich über alle Einschränkungen bei invasiven Techniken und der Verwendung von Farbstoffen im Klaren sein und deshalb andere, zuverlässigere und
nicht-invasive Techniken zur Beurteilung der Tränenstabilität in
Betracht ziehen.
Abb. 7:
Ungestörtes
reflektiertes
Rasterbild
Nicht-invasive Aufreißzeit (NIBUT)
Hierbei handelt es sich um die Messung der Zeit zwischen
dem letzten vollständigen Lidschlag und dem ersten Aufreißen
des Tränenfilms in Sekunden. Zur Messung der Nicht-invasiven
Aufreißzeit können verschiedene Instrumente verwendet werden. Die für eine routinemäßige Verwendung in der Kontaktlinsen-Praxis geeigneten Instrumente sind in Tabelle 3 angeführt.
Alle dort genannten Techniken können mit und ohne Kontaktlinsen angewendet werden.
Tabelle 3: Techniken zur NIBUT-Messung
Es handelt sich in allen Fällen um optische Methoden. Die
Messung erfolgt durch die Beobachtung der Veränderung bzw.
der Verzerrung einer Keratometermire, d. h. eines reflektierten
Rasterbildes veränderlicher Interferenzmuster. Der Kontaktlinsen-anpasser betrachtet das erste Purkinje-Bild und vermerkt
die Zeit, bis sich das Bild verändert bzw. verzerrt. Die Abbildungen 7 und 8 zeigen unveränderte sowie veränderte reflektierte
Rasterbilder.
Gut dokumentierte Forschungsarbeiten bestätigen, dass die
Nicht-invasive Aufreißzeit üblicherweise länger ist als die
Fluoreszeinaufreißzeit. Oft ist sie länger als 30 Sekunden
(Abbildung 9). Werte unter 15 Sekunden gelten als abnorm.
Die Methoden zur Messung der Nicht-invasiven Aufreißzeit
sind patienten- bzw. kundenfreundlicher, genauer und zudem
auch leichter reproduzierbar. Wie die meisten klinischen
Methoden zur Beurteilung von Tränen sind auch diese Messergebnisse unzuverlässig, wenn es zu ungewollter Stimulation
des Tränenfluss kommt.
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Abb. 8:
Gestörtes
reflektiertes
Rasterbild
Abb. 9: NIBUT-Verteilung9
■ Beobachtung mittels
spiegelnder Beleuchtung
Bei dieser Methode zur Beobachtung des Tränenfilms ist das
Einträufeln eines Farbstoffs nicht erforderlich. Folgende zwei
Techniken können angewendet werden:
Spiegelnde Beleuchtung mit hoher Vergrößerung
Hierbei wird auf den hellen Lichtspaltreflex einer Spaltlampe
mit starker Vergrößerung (30- bis 40-fach) fokussiert. Dabei ist
es wichtig, die Lichtintensität zu verringern, um den Tränenfilm
nicht künstlich auszutrocknen. Außerdem muss die Lichtquelle
in einem möglichst großen Winkel zum beobachteten Auge
stehen. Diese Technik ist zwar leicht anwendbar, ermöglicht
aber immer nur die Beobachtung eines relativ kleinen Bereichs
(maximal 1x2 Millimeter).
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■ Tearscope
In der Forschung kommen zur Beobachtung des Tränenfilms
immer häufiger Interferenzmethoden zum Einsatz. Die Beobachtung mittels Interferometrie ist in der klinischen Praxis mit
einem handlichen Gerät kombiniert mit einem Spaltlampenmikroskop möglich. Das von Guillon 1986 entwickelte Tearscope (Keeler) verfügt über eine 90 Millimeter große halbkugelförmige Schale mit einem Griff und einer Beobachtungsöffnung von 15 Millimetern Durchmesser (Abbildung 10).
Die Innenseite der Schale wird mit einer kalten Kathodenringleuchte beleuchtet. Diese ist so konstruiert, dass der
Tränenfilm während der Überprüfung nicht künstlich austrocknet. Das Licht ist diffus und muss nicht fokussiert werden,
um den Tränenfilm zu beobachten.
Mit diesem Gerät lässt sich sowohl die Nicht-invasiven Aufreißzeit messen als auch die Lipidschicht beurteilen. Um die
Interferenzmuster exakt interpretieren zu können, ist ausreichende Erfahrung nötig. Es gibt jedoch auch ausgezeichnetes
Video-Schulungsmaterial. Abbildung 12 zeigt die bei der
Durchschnittsbevölkerung üblicherweise auftretenden Muster.
In Tabelle 4 sind die Klassifikation, Häufigkeit und klinische
Interpretation der verschiedenen Muster dargestellt.
Abb. 10: Tearscope Plus
Die Lichtquelle der Spaltlampe sollte in die nasale Position
gebracht und ausgeschaltet werden, während der Kopf des Patienten bzw. Kunden auf der Kinnstütze ruht. Stattdessen kann
die Beleuchtung am Tearscope selbst verwendet werden (Abbildung 11). Das Tearscope sollte so nah wie möglich vor das
Auge des Patienten bzw. Kunden gehalten und in Position gebracht werden, damit man durch die Beobachtungsöffnung
sowie durch eines der Objektive des Biomikroskops sehen
kann. Optimalerweise ist das Tearscope so nah wie möglich
am Auge, da dadurch der beleuchtete Bereich umso größer ist.
Das vom Tränenfilm reflektierte Licht wird als weißer kreisförmiger Bereich mit 10 bis 12 Millimetern Durchmesser sichtbar.
Anfangs sollte eine geringe Vergrößerung gewählt werden.
Diese kann jedoch bis auf das 20- bis 40-fache erhöht werden,
um die Interferenzmuster genauer untersuchen zu können.
Abb. 11: Tearscope bei gleichzeitiger Verwendung
der Spaltlampe
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Abb. 12:
Typische Muster beim Blick durch das Tearscope: (a) Maschen und
Wellen (b) Wellen (c) Farbrand
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Tabelle 4: Klassifizierung von Lipidmustern, Häufigkeit und klinische Interpretation, adaptiert nach Guillon & Guillon
■ Lider, Wimpern und Lidschlag
Die umfassende Überprüfung des Tränenfilms sollte
nicht isoliert erfolgen. Es ist wichtig, auch die Wimpern und
Lidränder, die inneren und äußeren Augenwinkel sowie die
Meibom’schen Drüsen zu begutachten. Die Überprüfung
sollte mit Hilfe einer Spaltlampe bei diffusem Licht erfolgen.
Spuren von Make-up wie auch eine Blepharitis sowie andere
Auffälligkeiten haben Einfluss auf den Tränenfilm.
Auch die Lidschlaghäufigkeit und -vollständigkeit muss beobachtet werden. Das geschieht idealerweise im Rahmen der
Anamnese. Ein typisches Lidschlagmuster entspräche zum
Beispiel elf Lidschlägen pro Minute. Bei Kontaktlinsen-Trägern
treten häufig unvollständige Lidschläge auf. Häufigeres ZwinKONTAKTLINSE DOZ 9-2008
kern kann der unbewusste Versuch sein, zumindest eine dünne Lipidschicht aufrechtzuerhalten.
Darüber hinaus liefert eine sorgfältige Befragung des Patienten bzw. Kunden wichtige Informationen zur Beurteilung des
Tränenfilms. Bei der Gesamtüberprüfung sind vor allem die
Symptome des Patienten bzw. Kunden zu beachten.8 Von Vorteil kann es sein, einen speziellen Fragebogen zur klinischen
Beurteilung zu verwenden. Der Fragebogen nach McMonnies
ist am weitesten verbreitet. Er ist ein ausgezeichnetes Hilfsmittel, um Personen mit trockenen Augen zu identifizieren.9
Dieser Fragebogen unterteilt die Symptome in primär/nicht
provoziert (Schmerzhaftigkeit, Sandigkeit) und sekundär/provoziert (Reizung durch Rauch oder Chlor). Das Ergebnis zeigt,
ob Kontaktlinsen-Toleranz oder -Intoleranz zu erwarten ist.
95
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■ Zusammenfassung
Literaturhinweise:
1
Die Überprüfung des Tränenfilms ist einer der wichtigsten
Aspekte bei der Erstüberprüfung potenzieller KontaktlinsenTräger wie auch bei der Nachkontrolle von KontaktlinsenTrägern. Das Tragen von Kontaktlinsen führt an sich immer zu
einem dünneren und weniger stabilen Tränenfilm. Aufgrund
ihrer Transparenz sind Tränen schwer zu untersuchen. Die
Herausforderung für den Kontaktlinsenanpasser besteht darin,
eine Technik zu entwickeln bzw. anzuwenden, mit der die
Struktur sichtbar gemacht werden kann, ohne diese zu beeinträchtigen. Nicht-invasive oder minimal-invasive Techniken
(mit minimalem Einsatz von Fluoreszein oder einem Phenolrot-Faden) erhöhen die Genauigkeit bei der Überprüfung des
Tränenfilms. Diese Methoden sollten möglichst immer miteinander kombiniert werden, da ein einzelner Test nicht ausreichend ist, um die Qualität und Quantität des Tränenfilms beurteilen zu können. Darüber hinaus ist es entscheidend für die
gesamte klinische Beurteilung, die Symptome des Patienten
bzw. Kunden zu berücksichtigen.
Wichtigste Punkte
• Die Beurteilung des Tränenfilms sollte minimal-invasiv
erfolgen – wenn möglich sollten nicht-invasive Techniken
angewandt werden.
• Eine Beurteilung ist sowohl vor dem Kontaktlinsen-Tragen als
auch während des Tragens erforderlich. Die Qualität des
Tränenfilms muss sowohl mit als auch ohne Kontaktlinse
beurteilt werden.
• Durch die Verwendung des Tearscopes ist eine genauere
Überprüfung der Tränen möglich.
• Bei der vollständigen Beurteilung des Tränenfilms sind
Symptome und nicht nur Anzeichen wichtig.
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3
4
5
6
7
8
9
Bright AM and Tighe BJ. The composition and interfacial properties of
tears, tear substitutes and tear models. J BCLA, 1993; 16:2 57-662.
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CL-related dryness. Optician, 2005 6000:229 25 – 31
McMonnies C. Key questions in a dry-eye history. J Amer Optom Assoc, 1986; 57: 512-517.
Autoren:
Jane Veys ist Director Clinical Education für The Vision Care
InstituteTM von Johnson & Johnson Vision Care. John Meyler
ist Senior Director Professional Affairs bei Johnson & Johnson
Vision Care für Europa, Mittleren Osten und Afrika. Ian Davies
ist Vizepräsident des The Vision Care InstituteTM von Johnson
& Johnson Vision Care.
Danksagung
Wir danken Jean-Pierre Guillon für die Abbildungen 7, 8, 10
und 12 und Caroline Christie für die Abbildung 4.
Dieser Artikel wurde von Johnson & Johnson Vision
Care unterstützt und erstmals veröffentlicht im
Optician 1. Juni 2007.
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