Dunkle Materie Katja Konias Astro-, Kern- und Teilchenphysik Seminar WS 02/03 9.12.02 Dunkle Materie Inhaltsverzeichnis Massenbestimmung unserer Milchstraße Stellarstatistik Rotationskurven Massenbestimmung von Galaxien allgemein Spiralgalaxien Elliptische Galaxien Massendichte im Universum Kandidaten für Dunkle Materie Baryonische MACHOs Suche nach MACHOs Nicht-Baryonische HDM CDM Direkter Nachweis von WIMPs Indirekte Suche Massenbestimmung unserer Milchstraße Stellarstatistik • Sternzählungen Problem: Annahme, dass alle Sterne gleich hell • erneute Sternzählungen (Anfang des 20 Jhd.) unter Berücksichtigung der Leuchtkraftfunktion Massendichte Bewegung der Sterne in vertikaler Richtung erlaubt eine Bestimmung der lokalen Massendichte: ρ = 0,7 * 10^-20 kg/m^3 ≈ 0,1 Sonnenmassen/pc^3 zum Vergleich: • Beobachtete Sterne (≤ 20 pc): 0,04 Sonnenmassen/pc^3 • Lokale ISM: 0,04 Sonnenmassen/pc^3 ð Daten zu unsicher, um auf Dunkle Materie (in Scheibe) zu schließen (±20%) Rotationskurven Annahme: Newtonsche Mechanik gilt • Rotation um Zentrum • Erwartetes Verhalten der Rotationsgeschwindigkeit: Gravitationskraft = Zentrifugalkraft ⇒ • Rotation der inneren Galaxis über Dopplereffekt ð Entfernung Sonne ↔ Zentrum der Milchstraße etwa 8.5 kpc (etwa 25 Mio. Lj) ð Umlaufgeschwindigkeit der Sonne um Zentrum der Milchstraße etwa 220 km/s Beobachtung: ð Flache Rotationskurve ð Galaxis enthält mehr Masse als berücksichtigt wurde ð Hinweis auf Dunkle Materie! Massenbestimmung in Galaxien allgemein Spiralgalaxien Unterscheidung: - außerhalb: M entspricht Gesamtmasse der Galaxie - innerhalb: M entspricht der Masse innerhalb der Bahn mit Radius r Annahme: Bulge ist kugelförmig mit konstanter Dichte ⇒ mit M = ρV= 4/3ρπr^3 folgt v = (4/3πGρr^2) ∼ r - Helligkeitsabfall der sichtbaren Materie deutet auf - Seit 1971: Radio-Teleskope ð Beobachtung: Rotationskurve flach, d.h. v(r) = const. ð M∼r ð Sphärisch verteilte Masse mit Dichte ρ ∼ 1/r^2 ð Erklärung durch Dunkle Materie in einem sphärischen Halo um die Galaxie Elliptische Galaxien • Geschwindigkeitsverteilung über anisotropes Geschwindigkeitsfeld • Maß für statistische Bewegung: • Massenbestimmung über Virialsatz (Annahme: abgeschlossenes System im mechanischen Gleichgewicht) N: Anzahl der Galaxien (hier: N = 1) ð Abschätzung für die dynamische Masse ð Gesamtmasse größer als sichtbare Masse ð Hinweis auf Dunkle Materie • Messung der Röntgenemission von Gashalos ⇒ Temperatur von damit ist die Geschwindigkeit höher als die Fluchtgeschwindigkeit, d.h. Es muss mehr Masse vorhanden sein: Massenbestimmung in Galaxienhaufen über Röntgenemission • Röntgengasemission vom Galaxienhaufen NGC 2300: mit T=10 Millionen K, zum Haufenzentrum hin konzentriert, d.h. gravitative Bindung des Gases ist wahrscheinlich Beobachtungen an kleineren Galaxienhaufen: 10 – 30% heißes Röntgengas über Virialsatz Galaxien bewegen sich im Haufen aufgrund gegenseitiger Anziehung relativ zueinander. Geschwindigkeiten der Galaxien von Gesamtmasse aller Galaxien im Haufen abhängig, d.h. durch Messung der Geschwindigkeiten kann man den Galaxienhaufen „quasi“ wiegen Mit N: Anzahl der Galaxien σ = √(< v^2 >) ≈ 1500 km/s R ≈ 5 Mpc ð Masse vom Galaxienhaufen ≈ 10^15 Sonnenmassen Aber: Summation der „sichtbaren“ Masse aller einzelnen Galaxien kleiner ð Hinweis auf Dunkle Materie! Massendichte des Universums Annahme eines expandierenden Universums ρ<ρcrit bzw. Ω = ρ/ρcrit <1, aus beobachteter Galaxienbewegung: Ωdyn ~ 0.3 (untere Grenze für gesamte Massendichte) sichtbare Materiedichte: 0.002 < Ωlum < 0.010 aus Nukleosynthese: 0.008 < Ωbar < 0.100 (gesamte Baryonendichte = sichtbar + unsichtbar) ð Woraus besteht der Rest? Kandidaten für Dunkle Materie Baryonisch Wir wissen: Ωbar > Ωlum - Leuchtende Sterne - heiße Staubwolken - galaktischer Staub - kalte galaktische Gaswolken + Braune Zwerge + Weiße Zwerge + Neutronensterne + Schwarze Löcher MACHOs (MAssive Compact Halo Objects) Braune Zwerge: • sternartige Objekte mit m < 0,1 Sonnenmassen • Masse zu klein für thermonukleare Verbrennung • sehr häufig • macht ¼ bis ½ der baryonischen Dunklen Materie aus ð guter Kandidat, da klein und dunkel ð Problem: schwierig zu beobachten Weiße Zwerge: • Endstadium der Entwicklung massenarmer Sterne • 0,5 Sonnenmassen < m < 1,2 Sonnenmassen • kalte Oberfläche, daher lichtschwach • werden erst nach einigen Mrd. Jahren gebildet ð Universum nicht alt genug für ausreichend viele Weiße Zwerge Neutronensterne: • Endstadium der Entwicklung massereicher Sterne • Masse m ≈ 1,4 Sonnenmassen • sehr hoche Dichte: d = 2* 10^18 kg/m3 Schwarze Löcher: • Masse m > 2,2 Sonnenmassen • so kompakt, dass Licht nicht mehr entkommt ð Massereiche Sterne erzeugen schwere Elemente. Anzahl der schweren Elemente zu gering für Ausreichend Neutronensterne und Schwarze Löcher Suche nach MACHOs über Lichtkrümmung zur Massenbestimmung mit sogenannten Gravitationslinsen (EROS, MACHO, OGLE und DUO) Wenn Masse des Deflektors zu klein ð Helligkeitsanstieg des Sternes zu beobachten Untersuchung in Magellanscher Wolke: ∼ 12 Ereignisse Nicht-baryonisch wir wissen: größter Teil der Dunklen Materie nichtbaryonisch • wichtige Rolle bei Dichtefluktuationen im frühen Universum • Geschwindigkeit der Teilchen können sich unterschiedlich auf Bildung von Galaxiensystemen auswirken ð Unterscheidung in • Heiße Dunkle Materie (HDM) (leichte, schnelle Teilchen) • Kalte Dunkle Materie (CDM) (schwere, langsame Teilchen) HDM CDM Heiße Dunkle Materie Kandidaten: leichte Neutrinos • Superkamiokande: Neutrinos haben Masse • relativistisch • Problem: verwaschen kleinere Strukturen Kalte Dunkle Materie wir brauchen: Teilchen, das über Standardmodell hinausgeht! ð WIMP (Weakly Interacting Massive Particle) Eigenschaften: • schwach wechselwirkend • nicht relativistisch • Masse von einigen GeV – TeV • Häufigkeit invers proportional zum Vernichtungsquerschnitt, d.h. je schwächer Teilchen wechselwirken, desto häufiger sind sie bester Kandidat: LSP (leichtestes supersymmetrisches Teilchen) Supersymmetrisches Teilchen (SUSY) • Jedem Teilchen wird ein supersymmetrischer Partner zugeordnet (Fermion ↔ Boson) • R-Parität: neue erhaltene multiplikative Quantenzahl R = 1: Teilchen R = -1: Partnerteilchen • Wegen R-Erhaltung muss ein stabiles SUSYTeilchen existieren, das LSP (leichtestes Supersymmetrisches Teilchen) • Bester Kandidat für LSP: Neutralino (ein elektrisch neutrales Fermion, Mischung aus Photino γ, Zino Z° und zwei Neutralen Higgsinos H°) Direkter Nachweis von WIMPs Idee: elastischer Stoß mit Atomkern Problem: • niedrige Streurate • Energiedepositionen durch Radioaktivität viel häufiger ð hochreine Detektormaterialien nötig ð Abschirmung vor kosmischer Höhenstrahlung (tiefe Mine oder Tunnel) DAMA (DArk MAtter search) • Unterirdisches Experiment im Gran Sasso Tunnel, Italien • Szintillationsexperiment mit NaI • Beobachten jährliche Modulation der Rate Umstritten: e /A Diskriminierung nicht effektiv ⇒ evtl. verursacht der Hintergrund die Modulation CDMS (Cryogenic Dark Matter Search) • Halbleiterdetektor aus Si/Ge auf ≈ 10 mK gekühlt • Misst neben Ionisation auch Erwärmung durch Phononen ≈ 2µK • unterscheidet Elektronen und Kerne, da letztere weniger Energie über Ionisation als über Photonen abgeben • bisher kein Signal gemessen, widerspricht DAMA-Messung CDMS I etwa 10 m unter der Erde CDMS II wird in einer Mine in Minnesota 740 m unter der Erde sein Aktueller Stand Indirekte Suche ð Neutralino-Annihilation Gravitativer Einfang von WIMPs in der • Sonne oder • Erde ð Wechselwirkung führt zu Energieverlust ⇓ Geschwindigkeit < Fluchtgeschwindigkeit ⇓ Annihilation Literaturverzeichnis • Unsöld/Baschek: Der neue Kosmos, Springer • Klapdor-Kleingrothaus/Zuber: Teilchenastrophysik, Teubner • Grupen: Astroteilchenphysik, Vieweg • Spektrum der Wissenschaft: Kosmologie • http://www.astroteilchenphysik.de • zerla1.physik.uni-erlangen.de/~katz/