Lumbalgie http://www.ebm-guidelines.com/ebmga/ltk.naytaartikkeli?p_artikkeli=... Lumbalgie Guidelines 19.5.2014 Wichtiges in Kürze Epidemiologie Klinische Untersuchung Psychosoziale Risikofaktoren Klinische Dringlichkeitsstufen Gravierende oder spezifische Grunderkrankungen („red flags“) Laboruntersuchungen Bildgebende Diagnostik Elektrophysiologische Untersuchungen Ischiassyndrom Unverzügliche Diagnostik (CT oder MRT) und Behandlung Akute Lumbalgie (Dauer kürzer als 6 Wochen) Subakute Lumbalgie (Dauer 6–12 Wochen) Chronische Lumbalgie (Dauer über 12 Wochen) Medikamentöse Therapie Informationen für Patienten Weitere Quellen Literatur Wichtiges in Kürze sorgfältige Erhebung der Anamnese und klinische Untersuchung Gravierende Ursachen für Lumbalgien und Nervenkompressionssyndrome müssen schnell erkannt werden („red flags“). Vermeidung einer Chronifizierung („yellow flags“) Suffiziente Schmerztherapie: entsprechend der Intensität der Schmerzen Paracetamol, NSAR oder eine Kombination von NSAR und schwachem Opioid Von Bettruhe wird abgeraten. Der Patient soll seinen normalen Tagesablauf beibehalten bzw. möglichst bald seine gewohnten Aktivitäten wieder aufnehmen. Aufklärung des Patienten über die gute Prognose seiner Erkrankung ist wichtig. Er sollte auch wissen, dass es zu Rezidiven kommen kann. Vereinbaren Sie mit dem Patienten regelmäßige Kontrollen; die Wiederherstellung der Funktion ist das Ziel. Bei Beschwerden, die länger als 6 Wochen anhalten: multidisziplinärer Ansatz mit Erfassung der Situation des Patienten, inklusive psychosozialer Faktoren, in Verbindung mit aktiver Rehabilitation Bei chronischer Lumbalgie, die länger als 3 Monate anhält: intensive, multidisziplinäre Rehabilitation Epidemiologie Kreuzschmerzen sind weit verbreitet: Beinahe 80% aller Menschen leiden einmal in ihrem Leben an einer Lumbalgie, die sie arbeitsunfähig macht. Unter den Patienten einer Hausarztpraxis bezeichnen 4–6% aller Frauen und 5–7% der Männer im arbeitsfähigen Alter Kreuzschmerzen als ihr Hauptproblem. Schätzungsweise 15 bis 20% aller Erwachsenen leiden mindestens einmal pro Jahr an Kreuzschmerzen und 50 bis 80% weisen in ihrer Anamnese 1 von 11 24.02.2016 12:56 Lumbalgie http://www.ebm-guidelines.com/ebmga/ltk.naytaartikkeli?p_artikkeli=... mindestens eine Lumbalgie-Episode auf 15% aller Erwachsenen 2 . 1 . Die Prävalenz liegt bei etwa Klinische Untersuchung Anamnese Bei einem Patienten mit Rückenschmerzen, ist die Anamnese der wichtigste Teil der klinischen Untersuchung. Die Erhebung kann folgendermaßen gegliedert werden: frühere Episoden von Kreuzschmerzen (erstes Auftreten, Arztbesuche, frühere Untersuchungen, bisherige Therapien und Krankenstände) aktuelles Beschwerdebild (Beginn, Art und Intensität der Symptome, Schmerzen und Sensibilitätsstörungen der unteren Extremitäten, Einschätzung des Patienten hinsichtlich Ausmaß der Beeinträchtigung seiner gewohnten Aktivitäten, bisher durchgeführte Untersuchungen, Behandlungen und das Ansprechen darauf) andere Krankheiten (Operationen, Traumen oder sonstige pathologische Erscheinungen im Bereich des Bewegungsapparats, sonstige Leiden wie Diabetes und Arteriosklerose in den unteren Extremitäten, Erkrankungen des Urogenitaltrakts, Allergien) und aktuelle Medikationen Sozialanamnese (Partnerschaft, Familie, Ausbildung) Lebensstil (sportliche Aktivitäten, Freizeitaktivitäten, Rauchen, Konsum von Alkohol und Drogen, Ernährung) Körperliche Untersuchung Bei der körperlichen Untersuchung sollte in erster Linie nach Zeichen einer Nervenwurzelkompression gesucht und ein funktioneller Status erhoben werden. Zu diesem Zweck sollte sich der Patient ausreichend entkleiden. 1. Orientierende Untersuchung der Wirbelsäule: Abflachung der Lordose oder Skoliose aufgrund akuter Schmerzen Beweglichkeit der LWS; ist die Flexion nur eingeschränkt möglich, kann die Schmerzhaftigkeit der Bewegungsseinschränkung ein Hinweis auf den Schweregrad der Erkrankung sein. 2. Untersuchung der Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule: Einschränkung bei der Vorwärts-, Rückwärts- und Seitwärtsneigung kann ein Bild über die Schwere der Symptomatik geben. Mobilität der Wirbelsäule und Störungen des Bewegungsablaufs geben Hinweise auf die Funktion. Die Dokumentation des Bewegungsumfangs ist für die Verlaufskontrolle essentiell. Zur Erhebung der Mobilität ist der modifizierte Schober-Test nur eingeschränkt reproduzierbar. Die Rotation der Wirbelsäule und die Beweglichkeit des Thorax sind bei der ankylosierenden Spondylitis (Mb. Bechterew) früh eingeschränkt 1 . 3. Nervenwurzelkompression: Der Straight-leg-raising- (SLR – rasches Anheben des Beines) und der Lasègue-Test sind sehr sensitive, aber relativ unspezifische Tests zur Verifizierung einer Nervenwurzelkompression im Bereich L5/S1 (womit > 90% aller Fälle von Ischialgien erfasst werden). Durchführung: Bei beiden Tests liegt eine Hand an der 2 von 11 24.02.2016 12:56 Lumbalgie http://www.ebm-guidelines.com/ebmga/ltk.naytaartikkeli?p_artikkeli=... Vorderseite des zu untersuchenden Unterschenkels, beim SLR liegt die andere Hand frei unter dem zu untersuchenden Unterschenkel im Bereich der Achillessehne, das Bein wird passiv angehoben; beim Lasègue führt die zweite Hand eine Dorsalflexion des Sprunggelenks durch, wodurch es zu einer verstärkten Dehnung des N. ischiadicus kommt. Der Test ist positiv, wenn Schmerzen auslöst werden, die vom Rücken in das Bein ausstrahlen. Die Rückenschmerzen selbst oder ein Spannungsgefühl hinter dem Knie gelten nicht als positive Zeichen. Bei einer Nervenwurzelkompression kommt es zur Schmerzverstärkung bei passiver Dorsalflexion des Fußes im Lasègue-Test. Kontralateraler Übertragungsschmerz: Ein sicheres Zeichen einer Nervenwurzelkompression ist, wenn sich der ausstrahlende Schmerz beim Anheben des kontralateralen Beins verschlimmert. Muskelkraft der unteren Extremitäten: Kniestreckung (Nervenwurzel L4, teilweise L3) Dorsalflexion des Fußes und der Großzehe (Nervenwurzel L5, teilweise L4), Dorsalflexion der Großzehe (Nervenwurzel L5) und Plantarflexion des Knöchels (Nervenwurzel S1) Fersengang (Nervenwurzel L5, teilweise L4) bzw. Zehenspitzengang (Nervenwurzel S1) Prüfung der Sehnenreflexe: Patellarsehnenreflex (Nervenwurzel L4) Achillessehnenreflex (Nervenwurzel S1) Babinskireflex (oberes Motoneuron) Bei Patienten mit Symptomen in den unteren Extremitäten wird die Sensibilität geprüft: an der unteren medialen Seite des Knies (Nervenwurzel L4) sowie am Fuß: medial (Nervenwurzel L5), dorsal (Nervenwurzel L5) und lateral (Nervenwurzel S1). Verminderte Muskelkraft in beiden Beinen (Paraparese), verstärkte oder multiple Sehnenreflexe und ein positiver Babinski bedeuten, dass eine weitere Abklärung durch einen Neurologen bzw. einen Neurochirurgen notwendig ist. Bei Vorliegen einer Paraparese ist die Zuweisung sofort zu veranlassen. Bei Verdacht auf ein Cauda-Equina-Syndrom sollte eine rektale Untersuchung (Sphinktertonus) vorgenommen und auch die Berührungsempfindlichkeit des Perineums getestet werden (sofortige Begutachtung durch Spezialisten erforderlich). 4. Palpation der Wirbel, der N. ischiadici und der unteren Extremitäten: Wenn entsprechende Triggerpunkte und entsprechende Symptome vorhanden sind, kann dies ein Hinweis für eine Fibromyalgie sein 2 . Bei Patienten über 50 Jahren mit Claudicatio intermittens: Palpation der Arterien der unteren Extremitäten und DopplerUntersuchung, oder beides 3 Psychosoziale Risikofaktoren Psychosoziale Faktoren können den Umgang mit dem Schmerz erschweren, Funktionseinschränkungen prolongieren und den Verlauf komplizieren. Faktoren, die auf ein erhöhtes Chronifizierungsrisiko 3 von 11 24.02.2016 12:56 Lumbalgie http://www.ebm-guidelines.com/ebmga/ltk.naytaartikkeli?p_artikkeli=... hinweisen („yellow flags“), werden in Tabelle 1 angeführt. Tabelle 1. Faktoren, die auf ein erhöhtes Chronifizierungsrisiko hinweisen („yellow flags“) Die Einstellung, dass körperliche Aktivität bei Schmerz schädlich ist Inadäquater Umgang mit Krankheit (z.B. unnötig lange Bettruhe) Neigung zu depressiver Verstimmung oder sozialem Rückzug Suche nach vielen verschiedenen Therapien Körperlich sehr anstrengende Arbeit Probleme am Arbeitsplatz, geringe Arbeitszufriedenheit Überfürsorgliches Umfeld oder auch mangelnde Unterstützung Klagen, Rechtsstreitigkeiten und Entschädigungsansprüche Klinische Dringlichkeitsstufen Wichtig ist die Früherkennung seltener, aber gravierender Ursachen von Rückenschmerzen. Ein Ischiassyndrom sollte erkannt werden. Symptome im Rückenbereich können aufgrund der Anamnese und der klinischen Untersuchung in 3 Kategorien eingeteilt werden: 1. Folgen ernster Erkrankungen (Karzinom, Infektion, Fraktur, CaudaEquina-Syndrom) oder spezifischer Krankheiten (Spondylitis ankylosans, klinisch symptomatische Spondylolisthese). Siehe Tabelle 2 2. Symptome der unteren Extremitäten, die auf eine Nervenwurzelläsion hinweisen (Ischiassyndrom, Claudicatio intermittens). 3. Unspezifische Rückenschmerzen: Die Symptome treten schwerpunktmäßig im Bereich des Rückens auf, ohne dass Hinweise auf eine Beteiligung der Nervenwurzeln oder auf das Vorliegen einer potenziell gravierenden sonstigen Grunderkrankung gegeben sind. Tabelle 2. Gravierende oder spezifische Ursachen für Kreuzschmerzen Erkrankung Symptomatik und Beschwerdebild Cauda-Equina-Syndrom Schwierigkeiten beim Harnlassen, Harnverhalten oder Harninkontinenz, Stuhlinkontinenz, Reithosenanästhesie, ev. Paresen der unteren Gliedmaßen Rupturiertes Plötzlich auftretende quälende Schmerzen, Alter 50+, Aortenaneurysma, akute hämodynamische Instabilität Aortendissektion Maligne Tumoren Alter 50+, Karzinome in der Anamnese, ungewollter Gewichtsverlust, wiederkehrende fieberhafte Episoden, progrediente Symptomatik, bereits über einen Monat andauernde Schmerzen, Paraparese Bakterielle Spondylitis Zustand nach Operation im Rückenbereich, Infektionen im Bereich des Harntrakts oder der Haut, Immunsuppression, Kortikosteroid-Medikation, i.v. Drogenmissbrauch, AIDS Kompressionsfraktur B Alter 50+, Stürze in der Anamnese, perorale Steroidmedikation Spondylolisthesis Jugendliche (8–15 Jahre) (Wirbelgleiten) Spinalkanalstenose 4 von 11 Alter 50+, neurogene Claudicatio 24.02.2016 12:56 Lumbalgie http://www.ebm-guidelines.com/ebmga/ltk.naytaartikkeli?p_artikkeli=... Erkrankung Spondylitis ankylosans Symptomatik und Beschwerdebild Erstes Auftreten der Symptome im jüngeren Alter (Gipfel ca. 25 Jahre), keine Schmerzlinderung durch Bettruhe, Morgensteifigkeit, Schmerzsymptomatik von zumindest 3-monatiger Dauer. Gravierende oder spezifische Grunderkrankungen („red flags“) Hinweise auf eine mögliche gravierende Erkrankung („red flags“) sind unter anderem: Schwäche, Sensibilitätsdefizite oder Taubheitsgefühl in den unteren Extremitäten Harnverhalten oder Stuhlinkontinenz Rückenschmerzen, die durch Ruhe nicht gebessert werden Rückenschmerzen in Verbindung mit Fieber reduzierter Allgemeinzustand oder die Schmerzen werden zunehmend intensiver Rückenschmerzen, in Verbindung mit abdominellen Beschwerden Malignom in der Anamnese Bei Verdacht auf eine gravierende Erkrankung hat kurzfristig eine Abklärung in einer spezialisierten Einrichtung zu erfolgen. Dem Patienten sollte mitgeteilt werden, dass weiterführende Untersuchungen erforderlich sind. Ein unauffälliger Nativröntgenbefund schließt eine gravierende Erkrankung nicht aus. Laboruntersuchungen Normalerweise werden Laboruntersuchungen nicht benötigt. Wenn es Anzeichen für eine ernsthafte oder spezifische Erkrankung gibt, sollte ein Basislabor mit BSG C , CRP, Blutbild und eine Harnuntersuchung durchgeführt werden. Bildgebende Diagnostik In der Allgemeinpraxis sollte bei Patienten mit akuten oder subakuten Beschwerden ohne Hinweis auf gravierende Problematik auf eine unkritische Indikationsstellung für ein Röntgen verzichtet werden. Wenn spezielle Untersuchungen benötigt werden, um eine Diagnose bei einem Patienten mit lumbalen Rückenschmerzen zu erstellen, ist das MR die Untersuchung erster Wahl. Eine Computertomografie ist eine Hilfsuntersuchung bei der Planung einer Notfalloperation, wenn ein MR nicht vorhanden oder nicht möglich ist (z.B. Schrittmacherpatienten). Elektrophysiologische Untersuchungen EMG/ENG können in den unten angeführten Situationen hilfreich sein, wenn 4 Wochen seit dem Beginn eines nervenbedingten Schmerzes vergangen sind: Abklärung einer Nervenwurzelläsion in Fällen, bei denen das klinische Bild nicht mit den Ergebnissen der anderen Untersuchungen übereinstimmt. radikuläre Symptomatik, in der bildgebenden Diagnostik kein Hinweis auf Bandscheibenvorfall 5 von 11 24.02.2016 12:56 Lumbalgie http://www.ebm-guidelines.com/ebmga/ltk.naytaartikkeli?p_artikkeli=... Bei chronischen Schmerzzuständen kann die Untersuchung durchgeführt werden, um sich ein umfassendes Bild zu machen. Die Untersuchung ist manchmal sinnvoll, um zu einer besseren prognostischen Einschätzung zu gelangen. Ischiassyndrom Die häufigste Ursache eines akuten Ischiassyndroms ist ein Bandscheibenvorfall. Wenn die Voraussetzungen für eine Notfalldiagnostik bzw. eines akuten neurochirurgischen Eingriffs (siehe unten) nicht gegeben sind, ist eine konservative Behandlung für eine Dauer von maximal 6 Wochen angezeigt, bevor ein chirurgischer Eingriff erwogen wird. Ein chronisches Ischiassyndrom kann durch eine Spinalkanalstenose 4 d.h. durch eine Verengung des Wirbelsäulenkanals oder der intervertebralen Nervenwurzelkanäle, verursacht sein. Bei Ischiassyndromen, die durch einen intervertebralen Bandscheibenvorfall verursacht sind, kann sich der Patient innerhalb der Schmerzgrenzen bewegen B . Körperliche Aktivität kann Allgemeinzustand und funktionelle Kapazität positiv beeinflussen B . Schwere Ischialgien können natürlich Bettruhe erforderlich machen, wobei die so genannte Psoas-Position (Beckentieflage und angezogene Knie) die Symptomatik oft lindert. Bei einem ausgewählten Krankengut bringt die Diskektomie eine schnellere Schmerzbefreiung als die konservative Therapie B . Im Vergleich zur konventionellen Diskektomie besteht bei einem mikrochirugischen Eingriff kein Unterschied in der Dauer der Rekonvaleszenz B . Aktive und intensive Bewegungstherapie, beginnend 4–6 Wochen nach einer Bandscheibenoperation, reduziert die Schmerzen, verbessert die Funktion und beschleunigt die Reintegration in den Arbeitsprozess, ohne die Reoperationsrate zu erhöhen B . Unverzügliche Diagnostik (CT oder MRT) und Behandlung Cauda-Equina-Syndrom: Sensibilitätsverlust im Bereich des Perineums (Reithosenanästhesie), Verminderung von Tonus und Schließfähigkeit des analen Sphinkters Harnverhalten oder -inkontinenz, Stuhlinkontinenz Plötzlich auftretende massive Parese: zunehmender Kraftverlust in der Beuge oder Streckmuskulatur des Knöchels oder Oberschenkels unerträgliche Schmerzen und Zwangshaltung (relative Indikation) Akute Lumbalgie (Dauer kürzer als 6 Wochen) Die Behandlung von kurzzeitigen Rückenproblemen, die weniger als 6 Wochen bestehen, sollte sich nach den Ergebnissen der Anamnese und der klinischen Untersuchung richten und kann unter Verzicht auf weitere Labortests oder bildgebende Verfahren erfolgen, es sei denn, es besteht der Verdacht auf eine gravierende Erkrankung oder eine Grundkrankheit, die einer speziellen Therapie bedarf. Der Patient wird über die gute Prognose seines Problems aufgeklärt. Ein kurzer Krankenstand ist üblicherweise ausreichend. Das Ziel der Behandlung besteht darin, seine Arbeitsfähigkeit möglichst rasch wieder 6 von 11 24.02.2016 12:56 Lumbalgie http://www.ebm-guidelines.com/ebmga/ltk.naytaartikkeli?p_artikkeli=... herzustellen. Meiden von Bettruhe und Fortführen der gewohnten Aktivitäten Dem Patienten wird geraten, Bettruhe zu meiden B . Bettruhe kann zwar bei starken Schmerzen vorübergehend unumgänglich sein, ist aber für die Behandlung nicht hilfreich und daher möglichst kurz zu halten. Der Patient wird ermutigt, seine gewohnten Alltagsaktivitäten so bald wie möglich wieder aufzunehmen. Der Rücken kann innerhalb von vorgegebenen Grenzen belastet werden; es besteht normalerweise keine Notwendigkeit, leichte körperliche Arbeit zu unterlassen. Analgetika Paracetamol ist das Mittel der Wahl, die analgetische Wirkung reicht an jene der NSAR heran. Wenn mit Paracetamol keine ausreichende Schmerzlinderung zu erzielen ist, können NSAR eingesetzt werden. Die Wirksamkeit von NSAR bei der akuten Lumbalgie ist belegt, sie ist jedoch nicht sehr hoch A . COX-2-selektive NSAR sind als Basisanalgetika nicht indiziert. Kontraindikationen siehe 5 . Muskelrelaxanzien Muskelrelaxanzien sind zwar wirksamer als Placebo, aber weniger wirksam als NSAR, und die Kombinationstherapie Muskelrelaxans plus NSAR bringt keinen Zusatznutzen A . Muskelrelaxanzien verursachen bei fast einem Drittel der Patienten Schläfrigkeit oder Schwindel. Ein Muskelrelaxans ist jedoch dann eine sinnvolle Alternative, wenn eine NSAR-Gabe nicht in Frage kommt. Bewegung und körperliches Training Leichte Formen körperlichen Trainings, wie etwa Walking, erhalten die Leistungsfähigkeit und können empfohlen werden. In den frühen Phasen von akuten Kreuzschmerzen sind aktive Bewegungsübungen für den Rücken nicht sinnvoll. Lumbalstützen sind in der Prävention oder bei rezidivierenden Lumbalgien wahrscheinlich nicht wirksam C . Manuelle Therapie Manuelle Therapie unterscheidet sich nicht von anderen empfohlenen Behandlungsmethoden oder Scheinbehandlung B . Wenn manuelle Therapie angewendet wird, dann nur von einem qualifizierten Therapeuten (ein Arzt oder Physiotherapeut mit Zusatzausbildung in manueller Therapie). Auf ein Nativröntgen kann verzichtet werden, wenn es keinen Grund zu Annahme gibt, dass der Patient Kontraindikationen zur Therapie hat (z.B. Zustände, die zu spinalen oder radikulären Läsionen prädisponieren, wie fortgeschrittene Osteoporose, Tumorerkrankungen, Infektionen, Ankylosierende Spondylitits, Spinalkanalstenose, Instabilität, Spondylolisthese, fortgeschrittene Spondylarthrose, frisches Trauma, hämorraghische Diathese). Bei Ischiassymptomatik wird eine lumbale Traktionsbehandlung nicht empfohlen B↓↓ . Subakute Lumbalgie (Dauer 6–12 Wochen) 7 von 11 24.02.2016 12:56 Lumbalgie http://www.ebm-guidelines.com/ebmga/ltk.naytaartikkeli?p_artikkeli=... Untersuchungen Bei anhaltenden Beschwerden ist nach 6 Wochen die weitere Abklärung zu veranlassen. Neben der Suche nach einer möglichen Ursache geht es dabei um die Planung der weiteren Behandlung, gegebenenfalls um die Evaluation einer Operationsindikation, bzw. um die Erstellung eines Rehabilitationskonzepts. Die Einschätzung der Krankheitsbewältigung durch den Patienten kann sich lohnen: Der Grad seiner Erschöpfung und depressiven Verstimmung kann durch ein Gespräch, durch Schmerzskalen und durch vom Patienten auszufüllende Fragebögen (z.B. Oswestry) objektiviert werden. Behandlung und Rehabilitation Ziel ist die aktive Beteiligung des Patienten und die Wiederherstellung der Funktion,nicht die rein symptomatische Schmerzbehandlung, da es um die Verhinderung einer Schmerzchronifizierung geht. Eine sorgfältige klinische Untersuchung, eine Analyse der Situation des Patienten und gute Begleitung des Patienten kann Arbeitsunfähigkeit reduzieren und Dauerschäden bei der subakuten Lumbalgie vermeiden helfen C . Um die Rückkehr ins Arbeitsleben zu erleichtern, sollten in Zusammenarbeit mit dem arbeitsmedizinischen Dienst ein multidisziplinärer Ansatz gewählt werden, die Arbeitsbedingungen überprüft und die Arbeitsbelastung optimiert werden. Das kann zur Verkürzung der Arbeitsunfähigkeit beitragen. Langdauernde Krankenstände erhöhen das Risiko einer Langzeitarbeitslosigkeit. Medikamentöse Therapie Die Grundsätze der Schmerztherapie unterscheiden sich nicht von der bei akuter Lumbalgie. Die Nebenwirkungen von NSAR müssen wegen des erhöhten Nebenwirkungsrisikos speziell bei älteren Menschen bedacht werden. Alle NSAR können kardiovaskuläre Nebenwirkungen haben, bei der Anwendung von Naproxen ist das Risiko wahrscheinlich geringer. Bisher konnte nicht nachgewiesen werden, dass Antidepressiva bei der Behandlung von Kreuzschmerzen effektiver sind als Placebo C , sie können jedoch eingesetzt werden, wenn es Hinweise auf eine depressive Reaktion gibt. Benzodiazepine sind nur mit äußerster Zurückhaltung zu verordnen, Antipsychotika sind im Rahmen einer Lumbalgiebehandlung nicht empfohlen. Andere Therapieformen Bei der subakuten Lumbalgie unterstützt die Anwendung von Wärme eine kurzfristige Schmerzreduktion und vermindert die Zeit der Einschränkung A. Bei anhaltenden Rückenschmerz ist die manuelle Medizin gleich wirksam wie konventionelle Therapie B . Chronische Lumbalgie (Dauer über 12 Wochen) Für die Therapie von Lumbalgien, die länger als 3 Monate bestehen, gelten dieselben Empfehlungen wie für die subakute Lumbalgie. Wenn nötig, sollten weiterführende diagnostische Maßnahmen eingeleitet und ein umfassender Behandungsplan mit Rehabilitationskonzept in neuerlicher Zusammenarbeit mit einem multidisziplinärem Behandlungsteam erstellt werden 8 von 11 24.02.2016 12:56 Lumbalgie http://www.ebm-guidelines.com/ebmga/ltk.naytaartikkeli?p_artikkeli=... Ein intensives körperliches Training im Rahmen einer multidisziplinären Rehabilitation ist sinnvoll. Die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit erfordert Interventionen am Arbeitsplatz. Medikamentöse Therapie Analgetika sollten periodisch, entsprechend der Schmerzintensität und dem klinischen Bild verordnet werden. In Frage kommen Paracetamol, NSAR oder eine Kombination von NSAR und milden Opiaten A . Die Nebenwirkungen bei längerfristiger Anwendung von NSAR müssen beachtet werden 6 . Opiode lindern chronische Schmerzen, tragen aber wenig zur Verbesserung der Funktionsfähigkeit bei B . Antidepressiva können Schmerzen lindern, verbessern aber wahrscheinlich nicht die Funktion C . Die vorhandene Evidenz bezieht sich auf Untersuchungen mit trizyklischen Antidepressiva. Der neuropathische Anteil des Ischiasschmerzes kann durch Gabapentin und Topiramat gemildert werden. Andere Therapieformen Bei anhaltenden Rückenschmerzen ist manuelle Medizin gleich wirksam wie konventionelle Therapie; gleiches gilt für Schmerzmittel, Physiotherapie, Trainingsbehandlung und Rückenschule B . Lumbale Traktionsbehandlungen haben bei der Behandlung der chronischen Lumbalgie keinen nachgewiesenen Effekt B↓↓ . Transkutane Nervenstimulation (TENS) kann die Rückschmerzen in einem gewissen Ausmaß verbessern C . Akupunkturbehandlungen alleine oder in Kombination mit anderen Behandlungsformen können chronische Rückenschmerzen etwas erleichtern und kurzfristig zur funktionellen Verbesserung führen C . Low-level-laser-Therapie hatkeine signifikanten klinischen Effekte beim anhaltenden oder chronischen Rückenschmerz D . Bei heftigen Schmerzsyndromen sollte der Patient an eine entsprechende Schmerzambulanz bzw. stationäre Einheit zur Therapieplanung und -behandlung verwiesen werden. Rehabilitation zur Verbesserung der Funktion Training und Übungen verbessern die körperliche Leistungsfähigkeit und die Anzahl der Krankenstände. Ausreichend intensives Gewichtstraining über einen längeren Zeitraum (Krafttraining) und Bewegungstherapie, die die allgemeine Kondition verbessert (Ausdauertraining), hilft chronische Rückenschmerzen zu erleichtern und verbessert die Beweglichkeit B . Eine multidisziplinär ausgelegte bio-psychosoziale Rehabilitation, mit einem Ansatz, der auf die funktionelle Wiederherstellung zielt, verbessert die funktionelle Kapazität, die Teilnahme am Arbeitsprozess, die Lebensqualität und reduziert beim chronischen Lumbalgiepatienten Schmerzen. Rückenmassage, besonders in Kombination mit Bewegungstherapie und das Vermitteln von Wissen darüber, kann chronische Rückenschmerzen lindern und zur funktionellen Verbesserung führen C . Rehabilitation in einer speziellen Einrichtung kann bis zu einem gewissen Ausmaß die Anzahl der Arbeitunfähigkeiten reduzieren; ebenso kann in den darauffolgenden 3 Jahren die Einnahme von Schmerzmitteln geringer 9 von 11 24.02.2016 12:56 Lumbalgie http://www.ebm-guidelines.com/ebmga/ltk.naytaartikkeli?p_artikkeli=... sein. Anmerkung: Derzeit sind dafür in Österreich weder einheitliche Konzepte noch die erwähnten Einrichtungen verfügbar. Maßnahmen zur Förderung der Arbeitsfähigkeit Eine Förderung der Arbeitsfähigkeit eines Patienten mit chronischen Rückenproblemen setzt voraus, dass die gesetzten Maßnahmen direkt auf die tatsächliche Arbeitssituation abzielen. Eine einfühlsame Haltung gegenüber Menschen mit Einschränkungen durch die Vorgesetzen und Mitarbeiter fördert den Erhalt der Arbeitsfähigkeit bei Patienten mit chronischen Rückenschmerzen. Informationen für Patienten Patientenleitlinie zur NVL Kreuzschmerz s. 1 Richtige Aufklärung des Patienten kann Schmerzen mindern und die Rückkehr an den Arbeitsplatz erleichtern C . Ein Informationsschema für Lumbalgiepatienten, wie es von einer britischen Expertengruppe empfohlen wird, findet sich in Tabelle 3 . Der Patient sollte wissen, dass Lumbalgien in Regel einen wellenförmigen Verlauf haben und dass eine völlige Symptomfreiheit nicht immer erreicht werden kann. Es kommt sehr oft zu Rezidiven, die allerdings meist weniger heftig sind. Bei der Aufklärung der Patienten sollte betont werden, dass für die Prävention von Rückenschmerzen ein regelmäßiges körperliches Training, die Gewichtskontrolle, die richtige Ernährung und ein Rauchverzicht besonders wichtig sind. Tabelle 3. Britische Empfehlungen zur Aufklärung von Lumbalgiepatienten (Waddell et al, 1996) Art der Rückenschmerzen Patienteninformation Allgemeine, unspezifische Kein Grund zur Besorgnis, Rückenschmerzen sind sehr Rückenschmerzen – häufig vermitteln Sie eine positive Botschaft Keine Anzeichen eines schwerwiegenden Traumas oder einer gravierenden Erkrankung Die Genesung dauert gewöhnlich einige Tage oder höchstens ein paar Wochen. Dennoch können bei manchen Patienten die Symptome länger anhalten. Bleibende Schäden sind nicht zu erwarten. Rückfälle sind eher häufig, aber auch dann ist die Chance auf eine Wiederherstellung gut. Körperliche Bewegung ist nützlich. Untätigkeit ist schlecht. Schmerzen bedeuten nicht, dass Bewegung schlecht ist. Ischialgien – übermitteln Sie Kein Grund zur Sorge. In vielen Fällen reicht eine eine vorsichtig positive konservative Behandlung aus, jedoch dauert es bis zum Botschaft völligen Abklingen der Schmerzen gewöhnlich 1–2 Monate. Mit einer völligen Schmerzfreiheit kann gerechnet werden. Dennoch können bei manchen Patienten die Symptome länger anhalten. Rückfälle sind möglich. Verdacht auf eine gravierende Für eine Diagnose sind noch weitere Untersuchungen Grunderkrankung – nötig. Erfahrungsgemäß ergeben diese in vielen Fällen vermeiden Sie es, eine harmlose Befunde. negative Botschaft zu 10 von 11 24.02.2016 12:56 Lumbalgie http://www.ebm-guidelines.com/ebmga/ltk.naytaartikkeli?p_artikkeli=... Art der Rückenschmerzen Patienteninformation vermitteln Nach den Untersuchungen wird ein Spezialist darüber entscheiden, welche Therapie für Sie am besten ist. Übermäßige körperliche Anstrengungen sollten bis zum Abschluss der Untersuchungen vermieden werden. Weitere Quellen Cochrane Reviews Weitere Evidenz 1 1 Klinische Leitlinien international Literatur 1 1 Deutsche Nationale Versorgungsleitlinie Kreuzschmerz 2 Literatur 1. Rubin DI. Epidemiology and risk factors for spine pain. Neurol Clin 2007;25(2):353-71 2. Krismer M, van Tulder M; The Low Back Pain Group of the Bone and Joint Health Strategies for Europe Project. Strategies for prevention and management of musculoskeletal conditions. Low back pain (non-specific). Best Pract Res Clin Rheumatol 2007;21(1):77-91 Autoren: Antti Malmivaara und Seppo Seitsalo Review: Wolfgang Hockl Artikel ID: ebd00346 (020.030) © 2015 Duodecim Medical Publications Ltd 11 von 11 24.02.2016 12:56