Faculteit Letteren en Wijsbegeerte Academiejaar 2010 – 2011 Die Sprache im Nationalsozialismus und im italienischen Faschismus im Vergleich. Der Umgang mit Fremdwörtern Michiel Peene Master: Duits - Italiaans Promotor: Prof. dr. Luc De Grauwe [È] un’offesa per ogni italiano il dover sopportare che nelle insegne pubblicitarie, nelle intestazioni delle ditte commerciali, e talvolta, anche in qualche giornale od in opere a stampa, siano ripetuti vocaboli stranieri, veri barbarismi, penetrati clandestinamente nel nostro idioma [...]. (“Bollettino di informazioni della Reale Accademia d’Italia”, I, n. 1-3, 1940, 51) Seien wir doch froh, über möglichst viele Ausdrucksmittel zur Nuancierung zu verfügen! Seien wir doch dankbar für die Klangfarben der uns zu Begriffen gewordenen Fremdworte! Man stelle sich vor, wenn wir damit anfingen, Fremdworte auszumerzen, wo sollten wir dann aufhören! (Adolf Hitler: Hitlers Tischgespräche im Führerhauptquartier 1941-19422) 1 2 Zitiert nach Klein 1986, 126f. Picker 1963, 192. Danksagung Zu Anfang dieser Arbeit möchte ich mich bei einigen Personen bedanken, die mir in meinem Studium und bei der Entstehung dieser Arbeit beigestanden haben. Mein aufrichtiger Dank geht an Prof. Dr. Luc De Grauwe für seine fachliche Betreuung und wertvolle Hilfe beim Korrekturlesen. Seine fortwährende Verfügbarkeit und sein herzlicher Umgang haben die Arbeit ohne Zweifel erheblich erleichtert. Ich danke weiter meinen Eltern, ohne deren Unterstützung mein Studium und diese Arbeit nie möglich gewesen wären. Vorwort Die vorliegende Arbeit entstand zum Abschluss meines Masterstudiums „Sprach- und Literaturwissenschaft: Deutsch-Italienisch“. Die Wahl eines linguistischen Themas lag für mich auf der Hand, denn der Sprachwissenschaft galt während meiner vier Jahre an der Universität schon immer mein besonderes Interesse. Als ich im Laufe meines Studiums mit dem bekannten Buch LTI von Klemperer in Berührung kam und immer mehr über die Sprache im Nationalsozialismus als ein spezifisches Untersuchungsobjekt der Linguistik erfuhr, wuchs in mir die Idee, meine Magisterarbeit in diesem Bereich zu schreiben. Auf diese Weise konnte ich zwei meiner Hauptinteressen zusammenfügen, nämlich Sprachwissenschaft und den Zweiten Weltkrieg. Zudem ermöglichte die – eher selten gemachte – Studienkombination von Deutsch und Italienisch die Einbeziehung des italienischen Faschismus in die Arbeit. Angesichts der Seltenheit solcher kontrastiven Studien könnte der Vergleich zwischen der Sprache im Nationalsozialismus und derjenigen im italienischen Faschismus der Arbeit sicherlich einen zusätzlichen Wert verleihen. Nachdem ich diese Wahl getroffen hatte, sollte das Thema nur noch abgegrenzt werden, und schon bald entschied ich mich für den Teilbereich der Fremdwörter. Diese Entscheidung fand ihren Grund vor allem darin, dass der Umgang mit Fremdwörtern in den beiden Regimen einen markanten Gegensatz aufzeigt. Die italienischen Faschisten führten eine vehemente Kampagne gegen Fremdwörter, während die nationalsozialistischen Leitfiguren liebend gerne fremde Ausdrücke verwendeten. Die unterschiedliche Haltung weckte sofort meine Neugier und bildete den Anlass für diese Magisterarbeit. Inhalt 0. Einleitung 7 1. Definierung zentraler Begriffe 10 1.1. Sprache im Nationalsozialismus bzw. Faschismus 10 1.1.1. Abgrenzung der Epoche 10 1.1.2. Sprachwissenschaftlicher Gegenstand 11 1.1.3. Nationalsozialismus vs. Faschismus 13 1.2. Das Fremdwort 2. Italienischer Faschismus 14 19 2.1. Die italienische Sprache zwischen 1861 und dem Faschismus 19 2.2. Faschistische Sprachpolitik 20 2.2.1. Beweggründe 20 2.2.2. Purismus vor dem Faschismus 22 2.2.3. Neopurismus 23 2.2.3.1. Definierung 23 2.2.3.2. Produktion 24 2.2.3.3. Ambivalente Sprachpolitik 29 2.2.3.4. Ergebnisse 32 2.2.4. Koloniale Sprachpolitik 3. Nationalsozialismus 3.1. Deutscher Fremdwortpurismus 35 38 38 3.1.1. Die ‚Fremdwortjagd‘ vor 1933 38 3.1.2. Deutscher Sprachverein im Nationalsozialismus 40 3.2. Nationalsozialistischer Umgang mit Fremdwörtern 3.2.1. Misserfolg der Fremdwortpuristen im ‚Dritten Reich‘ 42 42 3.2.1.1. Abneigung gegen den Fremdwortpurismus 42 3.2.1.2. Andere Probleme des deutschen Fremdwortpurismus 45 3.2.2. Funktionen des Fremdwortgebrauchs 47 3.2.2.1. Imponieren 49 3.2.2.2. Verschleierung 52 3.2.3. Unbeliebte Fremdwörter 53 3.2.4. Fremdwörter vs. Umgangssprache 55 3.2.5. Ambivalenz 57 4. Analyse der Hitlerreden 59 4.1. Vorgehensweise 59 4.2. Ergebnisse 60 4.2.1. Häufigkeit 60 4.2.2. Funktion 63 5. Schlussfolgerungen 81 6. Bibliographie 86 7. Anlagen 90 Einleitung Die deutsche Sprache im Nationalsozialismus und das Italienische zur Zeit des italienischen Faschismus sind beide schon ausführlich studiert worden. Wozu denn noch diese Arbeit? Zuerst ist es eine Merkwürdigkeit, dass in diesem Gebiet kaum vergleichende Studien gemacht worden sind. Die einzige mir bekannte nennenswerte Arbeit, in der die Sprachen in beiden Regimen kontrastiv behandelt werden, ist die 1980 verfasste Dissertation Politische Sprache im Dienst der Gewalt (italienischer und deutscher Sprachraum im Vergleich) von Karl Ille, aber diese betont an erster Stelle die Ähnlichkeiten zwischen den beiden Regimen (Stil, Metaphern, rhetorische Figuren usw.), und das Thema der Fremdwörter wird in seiner Studie nur kurz behandelt. Seine diesbezüglichen Aussagen werden deshalb in der vorliegenden Arbeit nicht nur angeführt, sondern ebenfalls erweitert und nuanciert. Darüber hinaus ist das vorliegende Thema interessant und geeignet für eine vergleichende Studie, weil die beiden Regime, wie schon im Vorwort erwähnt, gekennzeichnet wurden durch eine quasi gegensätzliche Haltung den Fremdwörtern gegenüber, d. h. durch eine heftige Fremdwortjagd im Faschismus im Gegensatz zur nationalsozialistischen Vorliebe für fremde Begriffe. Aus den zwei genannten Gründen könnte eine kontrastive Studie über Fremdwörter ohne Weiteres neue Erkenntnisse hervorbringen. Bevor der Umgang mit Fremdwörtern in den beiden Diktaturen besprochen wird, ist es selbstverständlich notwendig, dass die zentralen Begriffe der Arbeit genau definiert werden. Dieser Darlegung ist das erste Kapitel gewidmet, in dem eine Abgrenzung der nationalsozialistischen bzw. faschistischen Epoche, eine Erläuterung des sprachwissenschaftlichen Gegenstands, einige Gedanken zur Vergleichbarkeit der beiden Regime und letztens eine Definition des Fremdworts sowie eine Beschreibung seiner wesentlichsten Eigenschaften enthalten sind. Nach der Definierung der Kernbegriffe wird auf das eigentliche Thema der Arbeit konzentriert. Zuerst wird beabsichtigt, den Umgang mit Fremdwörtern der Nationalsozialisten und der italienischen Faschisten sowie ihre Sprachpolitik vollständig zu beschreiben. Diese Darlegung beschränkt sich nicht nur auf die theoretische Haltung, sondern soll ebenfalls ausführlich die praktische Ausführung beleuchten. Der italienische Faschismus wird als erster behandelt, weil er mit seiner fremdwortpuristischen Haltung den Standpunkt einnimmt, der 7 für rechtsextreme Diktaturen typischer oder auf jeden Fall weniger überraschend ist. Dann folgt der Teil über die nationalsozialistische Lage, in dem zum Vergleich häufig auf das vorige Kapitel zurückgegriffen wird. In Bezug auf das zentrale Thema sollen zwei wesentliche Abgrenzungen unterstrichen werden. Erstens werden Eigennamen in vorliegender Arbeit nicht behandelt, auch wenn sie ohne Zweifel ein relevantes Untersuchungsobjekt bilden. Im faschistischen Italien z. B. war die Italianisierung von fremden Ortsnamen ein zentraler Punkt auf der Tagesordnung. Es würde aber über die Reichweite dieser Arbeit hinausgehen, neben den Fremdwörtern auch noch die fremden Eigennamen zu behandeln. Eine zweite Begrenzung ist die Tatsache, dass vor allem auf den offiziellen Sprachgebrauch und die sprachlichen Ansichten der Regime und ihrer Vertreter fokussiert wird, obwohl die Sprache im Nationalsozialismus bzw. Faschismus weit mehr umfasste (siehe 1.1.2.). Diese Entscheidung findet ihren Grund darin, dass dieser Bereich den Kern der Sprache im Nationalsozialismus bzw. Faschismus bildet und zudem den fundamentalen Gegensatz zwischen den beiden Regimen aufweist, welcher den Ausgangspunkt dieser Arbeit bildet. Des Weiteren sind die anderen Aspekte der Sprache im Nationalsozialismus bzw. Faschismus, wie z. B. die Alltagssprache, oft mangelhaft dokumentiert, was eine Studie diesbezüglich nicht immer leicht macht. Trotz dieser Beschränkung werden andere Tendenzen nicht ganz außer Betracht gelassen. So kommen etwa der Erfolg oder Misserfolg der Sprachpolitik beim normalen Volk, der Umgang mit Fremdwörtern in der kolonialen Literatur Italiens (siehe 2.2.4.) und der starke Widerstand der deutschen Fremdwortpuristen gegen den vielfältigen Fremdwortgebrauch der Nationalsozialisten (siehe 3.1.) zum Zuge. Die zweite Bestrebung der vorliegenden Arbeit hängt eng zusammen mit der ersten und ist die Suche nach den Gründen für den Unterschied zwischen den beiden Regimen. Warum waren die Fremdwörter im italienischen Faschismus geradezu verhasst und bei den Nationalsozialisten dagegen so beliebt? Da die beiden Parteien im Übrigen doch viele Ähnlichkeiten aufweisen, ist es kaum zu glauben, eine solche abweichende Einstellung sei nur ein zufälliges Ereignis gewesen. Im Laufe der Arbeit wird deutlich werden, von welchen Triebfedern die faschistischen Fremdwortpuristen bewegt wurden und zu welchen Zwecken die Nationalsozialisten Fremdwörter einsetzten. Zur Ergründung dieser Frage soll auch mit den verschiedenen sozioökonomischen und politischen Faktoren, die zur damaligen Zeit eine Rolle spielten, gerechnet werden. Des Weiteren sind in diesem Zusammenhang die Sprachgeschichte des Italienischen und Deutschen sowie die Geschichte und die 8 Vorgehensweisen der fremdwortpuristischen Bewegung in beiden Ländern gleichfalls von Bedeutung. Zum Schluss enthält die vorliegende Arbeit einen Teil, der im Gegensatz zu den anderen, hauptsächlich theoretischen Kapiteln, praxisorientiert ist. In diesem letzten Teil werden die Aussagen, die im vorigen Kapitel über den nationalsozialistischen Fremdwortgebrauch gemacht wurden, anhand der Analyse einiger Reden Hitlers überprüft. Dabei stehen zwei Fragen an zentraler Stelle: 1) Wird die Sprache des „Führers“ wirklich gekennzeichnet durch eine so hohe Zahl von Fremdwörtern? 2) Welche Funktion haben die fremden Ausdrücke in den gehaltenen Reden und was ist ihr möglicher Effekt auf die Zuhörer? Indem die Analyse, stützend auf Datenmaterial, auf diese Fragen eine Antwort gibt, kann sie vielleicht neue Einsichten oder eine Nuancierung des aktuellen Forschungsstandes hervorbringen. 9 1. Definierung zentraler Begriffe 1.1. Sprache im Nationalsozialismus bzw. Faschismus 1.1.1. Abgrenzung der Epoche Die Zeit des Nationalsozialismus wird meistens aufgefasst als „die Epoche der dt. Geschichte […], in der die Politik von der nationalsozialistischen Partei (NSDAP) bestimmt wurde“ (Maas 2000, 1980). Diese Definition kann jedoch, wie Maas bemerkt, durch verschiedene Zeiträume charakterisiert werden. Im engeren Sinn zieht man nur die Regierungsperiode von der Ergreifung der Macht am 30. Januar 1933 bis zur Kapitulation am 8. Mai 1945 in Betracht, aber oft wird der Anfang der nationalsozialistischen Epoche als ihre Gründung 1919 bezeichnet oder sogar noch früher. In dieser Arbeit wird mit Nationalsozialismus nur die Regierungsperiode der Nationalsozialisten bezeichnet. Der Grund für diese Wahl liegt vor allem darin, dass die Nationalsozialisten erst nach der Erwerbung der absoluten Macht ungestört ihre sprachpolitischen Pläne realisieren konnten. Dies bedeutet allerdings nicht, dass die Aufgangszeit der Partei völlig außer Betracht gelassen wird, wohl im Gegenteil, denn viele Ideen Hitlers über die Sprache und viele Elemente seines Sprachstils, nicht im Geringsten in Bezug auf Fremdwörter, lagen ohne Zweifel schon in den zwanziger Jahren fest. Trotzdem gab es in dieser Zeit noch viele einflussreiche Leute und öffentliche Instanzen, die die Auffassungen Hitlers, sicherlich was die Fremdwörter betrifft, gar nicht teilten. Erst nach der Machtergreifung konnten solche Gegner zum Schweigen verpflichtet werden und konnte der nationalsozialistische Umgang mit Fremdwörtern durch eine totale Kontrolle der Öffentlichkeit in der deutschen Sprache verwirklicht werden. Der Definierung des Nationalsozialismus ähnlich wird der italienische Faschismus bestimmt als der Zeitraum zwischen 1922 und 1943, in dem die faschistische Bewegung unter der Leitung von Mussolini an der Macht war. In Italien führten die Faschisten noch viel ausgeprägter als in Deutschland eine öffentliche Sprachpolitik bezüglich der Verwendung von Fremdwörtern, weshalb die Jahre der politischen Macht ebenfalls am wichtigsten sind. Die Zeit zwischen der Gründung der Bewegung und ihrer Machtergreifung bildet zudem nur drei Jahre und ist demnach viel kürzer und von weniger Bedeutung im Vergleich zu derjenigen der Nationalsozialisten, deren Aufgangsphase sich über mehr als ein Jahrzehnt erstreckte. Diese drei Jahre spielen in der vorliegenden Arbeit keine Rolle, da die wesentlichsten sprachpolitischen Aktivitäten Mussolinis sich alle im sogenannten Ventennio situierten. 10 Die oben gegebenen Definitionen schaffen einen übersehbaren Zeitraum, indem sie die Zeit vor den wirklichen politischen Regimen beiseitelassen, welche jedoch, wenn nötig oder hilfreich, in die Untersuchung einbezogen werden kann, offensichtlich nicht ohne deutliche Erwähnung. Die Zeiträume der beiden Regierungsperioden sind dennoch keine undifferenzierten Perioden, sondern sie bestehen aus verschiedenen Phasen. Am Anfang der zwanziger Jahre z. B. wurde Mussolini mit Problemen für die Konsolidierung seiner Herrschaft konfrontiert, im Gegensatz zu den dreißiger Jahren, als seine Macht stabiler war. Man könnte erwarten, dass dies auf seine Sprachpolitik Rückwirkungen hatte. Gleichfalls sind im Nationalsozialismus solche Phasen zu unterscheiden, die die Sprache und möglicherweise den Gebrauch der Fremdwörter prägten. Am Ende der dreißiger Jahre z. B. sollte das Volk von der Notwendigkeit des Krieges überzeugt werden, während die Sprache in den letzten Kriegsjahren hauptsächlich der Verschleierung von Niederlagen und Misserfolgen diente. Es ist daher wichtig, mit den sozialwirtschaftlichen und politischen Faktoren zu rechnen, weil sie auf die Sprache und ihre Zwecke einen erheblichen Einfluss haben können. 1.1.2. Sprachwissenschaftlicher Gegenstand Nach der Definierung der Epochen soll ebenfalls der hier behandelte sprachwissenschaftliche Gegenstand eindeutig formuliert werden. In der Fachliteratur tauchen vor allem die folgenden drei Formeln auf: nationalsozialistische/faschistische Sprache, Sprache des Nationalsozialismus/Faschismus und Sprache im Nationalsozialismus/Faschismus. Beim ersten Ausdruck kann man das Bedenken äußern, dass „die Sprache selbst nie politische Bekenntnisse annimmt, sondern immer nur in den Dienst von Ideologien genommen wird“ (Ille 1980, 30). M.a.W., eine Sprache an sich kann nicht nationalsozialistisch oder faschistisch sein, und es sind nicht die Wörter, sondern ihre Benutzer, die Leute verführt und Denken gelenkt haben (Polenz 1999, 547). Deshalb spricht Ille (1980) in seiner Studie von der Sprache des Faschismus, eine Formel, die zwar von vielen Wissenschaftlern akzeptiert wurde, jedoch auch Gegenstand einer Kontroverse war, vor allem im deutschen Sprachraum in den 60er Jahren. Sie erweckt noch zu viel den Eindruck, es hätte in den beiden Diktaturen eine selbstständige Sprache gegeben, die sich drastisch vom Deutschen bzw. Italienischen der prä- und postfaschistischen Epoche unterschied, was bestimmt nicht der Fall war. Die Vertreter beider Regime verwendeten keine wirklich neuen Ausdrucksweisen, sondern sie 11 erkannten einfach die vielen Möglichkeiten der Sprache und führten diese manchmal bis ins Extreme weiter. Statt der Introduktion völlig neuer Elemente stützte man sich häufig auf frühere Traditionen. In Bezug auf den Nationalismus z. B. weist Beck (2001, 29) auf verschiedene Autoren hin, die das neunzehnte Jahrhundert als eine wichtige Quelle für den Sprachgebrauch der Nationalsozialisten charakterisieren, und aus diesem Grund kann nach seiner Meinung „von einer isolierbaren "Sprache des Nationalsozialismus" nicht die Rede sein“. Außerdem wurde klar, dass die Sprache in den beiden Diktaturen viel mehr war als bloß der Sprachgebrauch der Nationalsozialisten oder der Faschisten. Sennebogen (2008, 165) äußerte sich folgendermaßen über die nationalsozialistische Lage: Kommunikation in der Diktatur [war] mehr als die Summe propagandistischen Trommelwirbels und großflächiger Inszenierungen. Die Sprachwirklichkeit des »Dritten Reiches« reichte weit über den vom Regime beeinflussbaren und kontrollierbaren Bereich hinaus. Andere Teilbereiche dieser Sprachwirklichkeit waren beispielsweise die Alltagssprache, über die es jedoch weniger Quellen zur Verfügung stehen, und die Sprache der Gegner und Opfer des Regimes, welche sich der offiziellen Sprachgebrauch aus naheliegenden Gründen nicht anpassen wollten. Die Aussage von Sennebogen gilt ebenso sehr für den italienischen Faschismus, wo die sprachliche Situation, gerade wie im Nationalsozialismus, zwar vom diktatorischen Regime dominiert wurde, aber viel mehr umfasste als ihre Sprachpolitik.3 In der deutschen Linguistik wurde aus den genannten Gründen in den letzten Jahrzehnten der Formulierung Sprache im Nationalsozialismus immer mehr der Vorzug gegeben und deswegen wird in der vorliegenden Arbeit für diesen Ausdruck und die analoge Formel für den Faschismus (Sprache im Faschismus) gewählt. Obwohl das Vorliegende in erster Linie die offizielle Sprache und die Sprachpolitik der beiden Diktaturen untersucht, werden, wie bereits in der Einleitung erläutert wurde, gleichfalls andere Tendenzen besprochen, die zwar nicht den offiziellen Standpunkten der herrschenden Parteien entsprachen, aber doch ebenso sehr Teil der Sprache im Nationalsozialismus bzw. Faschismus waren. Neben der Formulierung ist auch der Gegenstand an sich eine problematische Angelegenheit. Eine wesentliche Frage, die man im Hinterkopf behalten muss, ist, „ob bzw. inwieweit es sich hier um einen spezifisch abgrenzbaren Gegenstandsbereich […] handelt“ (Maas 2000, 1981). Wie Maas bemerkt, ist die Sprache im Nationalsozialismus und im Faschismus eher ein 3 Klein (1986, 147) spricht von einer Komponente innerhalb und einer außerhalb der Behörden (“un indirizzo intragovernativo e uno extragovernativo”). 12 problematischer Untersuchungsgegenstand, da sowohl die Nationalsozialisten als die italienischen Faschisten mit 12 bzw. 20 Jahren eine viel zu kurze Zeit an der Macht waren, um tiefe Spuren in der Sprache (Phonologie, Morphologie, Syntax) zu hinterlassen. Dennoch gibt es einen Bereich, in dem ihr Einfluss deutlich spürbar ist, nämlich die Lexik. Demnach gilt der Untersuchungsgegenstand in einer Arbeit, die Fremdwörter behandelt, ohne Zweifel als sinnvoll. 1.1.3. Nationalsozialismus vs. Faschismus Während die Sprache im Nationalsozialismus bzw. Faschismus separat ausführlich studiert worden sind, ist der Mangel an kontrastiven Studien sehr auffällig. Laut Ille (1980, 7ff.) gibt es zwei Erklärungen für dieses Phänomen. Zuerst wurde bis in die Mitte der 70er Jahre in der Geschichtswissenschaft die Vergleichbarkeit der beiden diktatorischen Regime für prinzipiell unmöglich gehalten. De Felice (1975, 24) formulierte es folgendermaßen: Fra fascismo italiano e nazionalsocialismo le differenze sono enormi; sono due mondi, due tradizioni, due storie, talmente diversi, che è difficilissimo riunirli poi in un discorso unitario. Zu dieser Aussage sollen zwei Bemerkungen gemacht werden. Erstens stimmt es nicht, dass der Nationalsozialismus und der italienische Faschismus gar keine Ähnlichkeiten aufweisen. In Italien sowie in Deutschland wurde die nationale Einheit erst relativ spät erreicht, beide Länder gerieten verspätet in das Stadium der industriellen Revolution, das Friedensjahr 1919 war sowohl für die Deutschen („Schandvertrag“) als die Italiener („vittoria mutilata“) eine große Enttäuschung und die Nationalsozialisten gleichwie die italienischen Faschisten traten zunächst mit sozialer Demagogie und pseudorevolutionären Parteiprogrammen an die Bevölkerung heran (Ille 1980, 110). Die beiden Parteien regierten darüber hinaus auf diktatorische Weise mit einem starken Führerprinzip, setzen alle möglichen Medien ein für die Verbreitung ihrer Propaganda, und benutzten ähnliche rhetorische Mittel, um das Volk zu überzeugen. Zweitens macht die Differenz zwischen beiden Regimen eine vergleichende Studie nicht unmöglich, wohl im Gegenteil, gerade die Unterschiede machen eine kontrastive Arbeit interessant und können für jeden Sprachraum neue Informationen und Gesichtspunkte ans Licht bringen. Dies gilt ohne weiteres für die Fremdwörter, denn, wie bereits erwähnt, 13 können die Haltung des nationalsozialistischen Deutschlands und diejenige des faschistischen Italiens den Fremdwörtern gegenüber als quasi völlig entgegengesetzt charakterisiert werden. Trotzdem blieben Thesen wie diejenige von De Felice bis weit in die 70er Jahre dominant, was zur Folge hatte, dass eine komparative Studie in der Linguistik wegen der fehlenden historischen Vorarbeiten für viele Sprachwissenschaftler weniger evident war. Neben der ungünstigen Nichtvorhandensein von Haltung der Geschichtswissenschaft vergleichenden schreibt linguistischen Ille Arbeiten das an wissenschaftstheoretischen Überlegungen der Sprachwissenschaft selbst zu. In Deutschland gab es zwar schon seit dem Anfang der Nachkriegszeit Studien über die Reden Hitlers und die Sprache im Nationalsozialismus, aber dort wurden die geeigneten wissenschaftlichen Vorgehensweisen für eine Studie wie vorliegende nur um 1970 introduziert mit der Rezeption der soziolinguistischen Arbeiten Amerikas. In Italien gab es solche Methoden schon früher, jedoch wurde dort, im Unterschied zu Deutschland, die Sprache im Faschismus als Untersuchungsobjekt erst später introduziert, wodurch kontrastive Arbeiten ebenso wenig angesagt waren. 1.2. Das Fremdwort Bei der Erforschung von Fremdwörtern war lange Zeit die etymologische Vorgehensweise vorherrschend, laut welcher es genügte, die Herkunft eines Wortes darzustellen, um das Wort vollständig zu erklären. Problematisch dabei ist, dass der etymologische Aspekt nichts sagt über den aktuellen Zustand eines Wortes. Es gibt zahlreiche Beispiele, sowohl im Deutschen als im Italienischen, von Wörtern mit einer fremden Herkunft, die gar nicht als Fremdwörter betrachtet werden: Spiegel < Lat.: speculum, Keller < Lat.: cellarium; fresco < Ahd.: frisc4, guardia < Got.: vardia5. Neben der Etymologie sind offensichtlich andere Faktoren im Spiel, die bei der Einordnung von Wörtern als Fremdwörtern von Bedeutung sind. In den letzten Jahrzehnten hat man versucht, das Fremdwort in einen synchronischen Ansatz einzufügen, was zu einer viel genaueren Definition beigetragen hat. Dies bedeutet, dass vor allem auf die synchronen Merkmale Lautung, Orthographie und Flexion geachtet wird. 4 http://www.etimo.it/?pag=hom Online Version des Vocabolario Etimologico della Lingua Italiana von Ottorino Pianigiani. 5 Idem. 14 Immerhin soll dabei auf die fremdsprachliche Herkunft nicht verzichtet werden, denn diese bleibt eine notwendige, obwohl keine primäre, Bedingung für Fremdwörter.6 Eine gute Definition ist die von Kirkness (2000, 407): Als Fremdwörter […] gelten einerseits aus anderen Sprachen übernommene Wörter, die nicht oder nur partiell den ausdrucksseitigen Strukturen des indigenen, vom Germanischen herrührenden Deutsch angepaßt sind, also Wortentlehnungen; andererseits innerhalb des Deutschen mit Hilfe meist fremdstämmiger Wörter und Wortbildungseinheiten geprägte Wörter, die ggf. kein Vorbild oder keine Entsprechung in einer Fremdsprache haben und ebenfalls im o. a. Sinn nicht (voll) assimiliert sind, also Lehnwortbildungen.7 Der zweite Teil der oben gegebenen Definition umfasst eine genauso wichtige Gruppe, die manchmal vergessen wird, nämlich Wörter mit fremdsprachlichen Elementen. Dies können z. B. Konstituenten eines Kompositums oder Affixe sein. Entscheidend für die Bestimmung eines Fremdwortes sind die fremdsprachlichen Elemente, die im Wort enthalten sind. Darin sind Fremdwörter zu unterscheiden von Lehnbildungen, welche „nach fremdem Vorbild entstandene Zusammensetzungen oder Ableitungen [sind], die aus einheimischen Sprachelementen bestehen“ (Astrid Stedje 2007, 29). Zu dieser Kategorie gehören die Lehnübersetzung, -übertragung, und -schöpfung. Zur Definition sind noch einige Bemerkungen zu machen. Erstens kommen Fremdwörter zwar aus anderen Sprachen, aber sie bilden einen festen Teil des Lexikons der Sprachen, in die sie aufgenommen werden. Deutsche Fremdwörter sind ebenso deutsch wie die Erbwörter (vgl. Kirkness 1979, 80), und für die italienischen Fremdwörter gilt genau dasselbe. Zweitens muss man bemerken, dass es in manchen Fällen schwierig ist, zu entscheiden, ob ein Wort ein Fremdwort ist oder nicht. Dieses Problem liegt schon in der Definition selbst erfasst: was wird gemeint mit „nur partiell […] angepaßt“? Mit welchen Anpassungen kann ein 6 Manche Wissenschaftler haben nur noch synchronische Elemente in Betracht gezogen und z. B. plädiert für eine Definierung wie: Wort, das jemandem fremd ist (vgl. Schank 1979, 51). Die Verständlichkeit ist zwar ein interessanter Aspekt der Fremdwörter, und sicherlich wesentlich in dieser Arbeit, aber ich bin einverstanden mit Müller (1979, 59), der meint, eine solche Definition sei keineswegs nützlich, weil das Verstehen oder Nichtverstehen eines Fremdwortes eine individuell sehr unterschiedliche Angelegenheit ist und die Definition zudem einheimische Wörter umfassen könnte. 7 Die analoge Definition für italienische Fremdwörter lautet: „Als Fremdwörter […] gelten einerseits aus anderen Sprachen übernommene Wörter, die nicht oder nur partiell den ausdrucksseitigen Strukturen des indigenen, vom [Lateinischen] herrührenden [Italienisch] angepaßt sind, also Wortentlehnungen; andererseits innerhalb des [Italienischen] mit Hilfe meist fremdstämmiger Wörter und Wortbildungseinheiten geprägte Wörter, die ggf. kein Vorbild oder keine Entsprechung in einer Fremdsprache haben und ebenfalls im o. a. Sinn nicht (voll) assimiliert sind, also Lehnwortbildungen.“ (Ersetzungen von mir, M. P.). 15 übernommenes Wort noch als Fremdwort gelten und an welchem Punkt ist die Assimilation zu weit fortgeschritten, um noch von einem Fremdwort sprechen zu können? Auf diese Fragen gibt es keine schlüssige Antworten, was allerdings nicht problematisch ist, denn es „liegt in der Natur der Sache und wiegt nicht schwer, wenn man bedenkt, daß sich Sprache nie völlig in ein festes System integrieren läßt“ (Müller 1979, 65). Das Fremdwort bezeichnet, wie Eggeling (1979, 237) es formuliert, „keine Wortart, sondern den Grad der Eingliederung in die deutsche [bzw. italienische] Sprache“; eine scharfe Grenze kann unmöglich gezogen werden. Es ist übrigens nicht die Absicht dieser, den Begriff des Fremdwortes zu problematisieren oder eine Lösung für die Problematik vorzuschlagen; die traditionelle Definition ist hinreichend anwendbar. Drittens ist noch zu erwähnen, dass es bei den Fremdwörtern neben der diachronischen und synchronischen auch eine soziolinguistische Ebene gibt (Schank 1979, 33). Dieser Aspekt ist zwar weniger relevant für die Definierung der Fremdwörter, spielt trotzdem sicherlich eine bedeutende Rolle in der vorliegenden Untersuchung. Vor allem im Nationalsozialismus waren gerade die soziolinguistischen Eigenschaften vieler Fremdwörter ein entscheidender Faktor bei ihrem Gebrauch, da viele Fremdwörter von bestimmten Sprechern oder in manchen Kontexten nicht verstanden wurden (siehe 3.2.2.2.). In Zusammenhang mit der Unverständlichkeit von Fremdwörtern soll gewiesen werden auf Von Polenz‘ (1979, 23f.) Gliederung der Fremdwörter in drei verschiedene Kategorien.8 Die Übergänge zwischen den Kategorien sind selbstverständlich fließend, trotzdem ist die Einteilung nützlich. Zur ersten Kategorie gehören die Fremdwörter, die nur von akademisch Gebildeten verwendet werden. Sie sind vielen Gliedern der Sprachgemeinschaft unbekannt, weil sie keinen Teil der Alltagssprache sind: Exhaustivität, Koinzidenz; impasse, bohémien. Die zweite Gruppe ist diejenige der Fachwörter. Der Gebrauch dieser Wörter ist nicht direkt mit dem Bildungsgrad der Sprecher verbunden, sondern ist auf ein spezifisches Fachgebiet beschränkt und daher ebenfalls für viele Sprecher nicht geläufig: Interjektion (Sprachwissenschaft), Konvektion (Meteorologie, Geografie, Physik); enjambement (Verslehre), leasing (Wirtschaft). Die dritte Kategorie schließlich sind die Fremdwörter, die Sachen aus dem öffentlichen Leben bezeichnen und zum aktiven Wortschatz aller Sprachteilhaber gehören: Bibliothek, Sport; 8 Von Polenz selbst spricht in diesem Fall von Lehnwörtern. Seine Definition von Fremdwörtern ist beschränkt auf Wörter oder Wendungen einer fremden Sprache, die nur gelegentlich oder wie ein Zitat verwendet werden. Dazu gehören u. a. Begriffe für Sachen, die typisch für fremde Völker sind: College, Lord, Siesta usw. In vorliegender Arbeit fallen die Lehnwörter von von Polenz unter die Definition von Fremdwörtern. 16 baby-sitter, cocktail. Ein wesentlicher Teil der Fremdwörter ist zusammenfassend dem gemeinen Volk deshalb unbekannt, weil sie zum Bildungs- oder Fachwortschatz gehören, und ihre Verwendung daher auf kleinere soziologische Gruppen beschränkt ist.9 Das Nichtverstehen von Fremdwörtern hat denn auch nichts mit der Herkunft der Wörter zu tun, wie etwa die deutschen Fremdwortpuristen meinten (siehe 3.1.), sondern ist mit sprachsoziologischen und stilistischen Faktoren verbunden, und darin unterscheiden Fremdwörter sich nicht von den einheimischen Wörtern (Von Polenz 1979, 22).10 Ein anderer Aspekt in Bezug auf die Verständlichkeit von Fremdwörtern, der von Fremdwortpuristen oft angeführt wurde, ist derjenige der sprachlichen Motiviertheit (Von Polenz 1979, 26ff.). Fremdsprachliche Elemente wurden vielfach semantisch weniger leistungsfähig als einheimische Elemente betrachtet, weil sie innerhalb der Sprache, in die sie eingetreten sind, oft nicht produktiv sind in der Wortbildung und also sprachlich nicht motiviert sind. Auch wenn verschiedene fremdsprachliche Elemente eine hohe Produktivität haben (z.B. auto- in Autobiographie/autobiografia, Autodidakt/autodidatta), bleiben viele Fremdwörter unmotiviert: Balkon, Hobby; flirt, jazz. Trotzdem ist die Bedeutung dieser Wörter nicht weniger klar als die der motivierten Wörter, denn viele der einheimischen Wörter sind gleichfalls unmotiviert (Tisch, Lied; cuore, paura), was für das Verstehen keineswegs Schwierigkeiten bereitet. Das Argument der sprachlichen Motiviertheit geht offenbar nicht auf, was wiederum bestätigt, dass Fremdwörter nicht unverständlicher sind als einheimische Wörter. 9 Die große Menge an Fremdwörtern in diesen Bereichen ist die Folge einer Ausbreitung des Bildungs- und Fachwortschatzes seit der Mitte des 19. Jahrhunderts in den europäischen Sprachen, welche nur schwierig mit dem traditionellen Vorrat an Wörtern und Wortstämmen überwältigt werden konnte, da sonst die Polysemie zu groß werden würde (Von Polenz 1979, 25). Wie Migliorini (2003, 19f.) erklärt, war für die Zunahme der Fremdwörter in dieser Zeit die Dominanz der Schriftsprache ebenfalls entscheidend. Während die meisten Wörter, die aus anderen Sprache stammen, vor dem 18. Jahrhundert vor allem über oralen Wegen in neue Sprachen eingedrungen und folglich viel mehr spontan von den Sprechern am eigenen Sprachsystem assimiliert worden sind (lanzichenecco < Landsknecht), kamen die Fremdwörter der späteren Epochen, und also die Mehrheit der Fachwörter fremden Ursprungs, wegen der Dominanz der Schriftsprache immer mehr über schriftlichen Wegen in eine Sprache, wodurch sie nicht oder nur noch wenig angepasst wurden (landgravio, vodka, rugby). 10 Mit den Worten von Müller (1979, 66): „Die Bezeichnung „fremdsprachliches Wort“ […] soll lediglich besagen, daß das betreffende, durch die genannten Merkmale charakterisierte Wort aus einer fremden Sprache kommt oder daß es mit fremdsprachlichen Elementen gebildet worden ist. Damit ist noch nichts darüber ausgesagt, ob das Wort bekannt oder unbekannt, ob es gebräuchlich oder ungebräuchlich ist, ob es verstanden oder nicht verstanden wird, ob man es als fremd empfindet oder nicht.“ 17 Zum Schluss dieses Kapitels soll noch auf eine zweite Untergliederung der Fremdwörter hingewiesen werden, nämlich die von Daniels (1979, 150f.) zwischen unentbehrlichem und entbehrlichem Fremdwort.11 Unentbehrliche Fremdwörter sind Wörter, die einen festen Teil des allgemeinen Sprachgebrauchs geworden sind und für die es in der eigenen Sprache keine geeigneten Ersatzwörter gibt: Politik, Musik; canguro, surf. Sie werden von den Sprechenden in ihrer Lautform häufig nicht mehr als fremd empfunden und haben eine eindeutige Bestimmtheit, wodurch sich fremdwortpuristische Ersatzversuche oft als schwierig erweisen. Die entbehrlichen Fremdwörter dagegen wurden übernommen, ohne dass diese Aufnahme wirklich notwendig war, da vollwertige Äquivalente in der eigenen Sprache zur Verfügung stehen: Meeting (‚Treffen‘), Hit (‚Schlager‘); maquillage (‚trucco‘), know-how (‚conoscenza tecnica‘). Sie werden meistens angewendet wegen spezifischer Eigenschaften, die die einheimischen Wörter nicht besitzen, wie z. B. eine suggestivere Wirkung, ein größeres Prestige oder eine bestimmte Konnotation. 11 Eine ähnliche Untergliederung, die im italienischen Sprachraum bekannter ist, ist diejenige zwischen Bedürfnislehnwörtern (prestiti di necessità) und Luxuslehnwörtern (prestiti di lusso) (vgl. Cardona 1988, 245). 18 2. Italienischer Faschismus 2.1. Die italienische Sprache zwischen 1861 und dem Faschismus Auf die Geschichte der italienischen Sprache kann in einer Studie über die Sprache im Ventennio nicht verzichtet werden, da die Sprachpolitik der faschistischen Ära in hohem Maße von den Problemen Italiens bezüglich einer Einheitssprache berührt worden ist. Nach der politischen Vereinigung 1861 gab es zwar eine kodifizierte Standardsprache, aber das Problem war, dass die übergroße Mehrheit der Bevölkerung sie nicht beherrschte und im Alltag einfach den Dialekt verwendete. Das Italienische belegte zwar die zentrale Rolle auf politischer und kultureller Ebene, wurde allerdings von den Italienern nicht verwendet und war daher, wie De Mauro (1963, 19) es kennzeichnet, eine Fremdsprache im Vaterland. In den Jahren der Vereinigung beherrschte lediglich 2,5% der vollständigen italienischen Bevölkerung die Standardsprache. Wenn man außerdem Rom und die Toskana, deren Dialekte wegen historischer Gründe der Einheitssprache stark ähnelten, außer Betracht lässt, ist die Zahl sogar niedriger als ein Prozent (De Mauro 1963, 41). Ascoli (1967, 5ff.) beschrieb 1873 in seinem bekannten Proemio der ersten Auflage der Zeitschrift Archivio glottologico italiano die Sonderstelle, die Italien mit dem Mangel an einer einheitlichen Sprache im europäischen Sprachraum einnahm. Dies war erstens der Tatsache zuzuschreiben, dass es in Italien keine zentralisierende Großstadt gab, nach der alle Regionen des Landes sich richten konnten. Dies im Gegensatz zu den anderen europäischen Staaten, wie z.B. Frankreich, wo die Hauptstadt Paris eindeutig das wirtschaftliche, politische und intellektuelle Zentrum des Landes bildete und demzufolge auch auf sprachlicher Ebene als das Vorbild für ganz Frankreich galt. Interessanter für vorliegende Arbeit ist der Unterschied mit der Sprachgeschichte Deutschlands, der einen Aspekt bildet für die Erklärung der unterschiedlichen Sprachpolitik im Nationalsozialismus, aber darauf wird später noch genauer eingegangen (siehe 3.2.1.2.). Weiterhin führte die Industrielle Revolution, wie De Mauro (1963, 25) bemerkt, im Laufe des neunzehnten Jahrhunderts in Italien zu einer weiteren Differenzierung der stagnierenden Gesellschaft, im Gegensatz zu den anderen europäischen Staaten, wo die wirtschaftliche und soziale Einheit unter Einfluss derselben Industriellen Revolution gerade vergrößert wurde. 19 Die Abwesenheit einer einheitlichen Sprache stellte erhebliche Probleme für die allgemeine Kommunikation von z. B. bürokratischen und politischen Angelegenheiten in Richtung der Bevölkerung. Eine schnelle Verbreitung des Italienischen war zweifellos notwendig für die gute Wirkung eines neuen modernen Staates wie Italien. Dennoch braucht es Zeit für eine solche Verbreitung; die Standardsprache verbreitete sich zwar, aber nur als zweite Sprache, denn der Dialekt blieb die primäre Alltagssprache in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts, also auch noch während und nach der faschistischen Epoche, wie De Mauro (1963, 116) in seiner Studie konstatierte: [Nel] 1951 oltre un terzo della popolazione italiana (35,42% pari a oltre 15 milioni) aveva abbandonato l’uso del dialetto come unico strumento di comunicazione, ma soltanto poco piú d’un sesto (18,5% pari a 7.825.000 individui) aveva rinunciato completamente al dialetto: per oltre quattro quinti della popolazione italiana il dialetto era ancora abituale e per quasi due terzi (63,5 % pari a 26.846.000 persone) era l’idioma d’uso normale nel parlare in ogni circostanza.12 2.2. Faschistische Sprachpolitik 2.2.1. Beweggründe Es kann fast als eine Selbstverständlichkeit gelten, dass die sprachliche Lage Italiens einer der wesentlichsten Punkte auf der faschistischen Tagesordnung bildete: In una società plurilingue e con alto tasso di dialettofonia e di analfabetismo, è prevedibile che un regime totalitario, come quello fascista dagli anni ’20 agli anni ’40 in Italia, si sia posto il problema della costituzione di una norma linguistica ufficiale e unificante. (Klein 1986, 55) Einerseits wurde die Sprachpolitik im italienischen Faschismus gesteuert durch pragmatische Gründe, denn eine Einheitssprache ist schon in jedem modernen Staat notwendig, aber sicherlich in einer Diktatur, die völlige Zentralisierung anstrebte und für die, wie Ille (1980, 320) bemerkt, die Organisation und Disziplinierung der Masse unentbehrlich war für eine effiziente Leitung des Landes. Das Festlegen einer sprachlichen Norm wurde denn auch, wie in den meisten totalitären Systemen, nicht erzielt wegen bloß kommunikativer Vorteile für die Sprecher, sondern ging viel weiter im negativen Sinn, da mittels der sprachlichen Einheit die gesellschaftliche Kontrolle und der allgemeine Konsens viel leichter erworben werden konnte (Klein 1986, 147f.). Die ganze Bevölkerung hatte dem „Duce“ zu folgen, und deshalb musste 12 Die Daten stammen aus 1951, das heißt mehrere Jahre nach dem Ende des faschistischen Regimes. Dies impliziert deutlich, dass der Kampf der Faschisten gegen die Dialektofonie kein großer Erfolg gewesen ist. 20 sie selbstverständlich verstehen, was er zu ihr sagte. In diesem Bereich hatten die Faschisten jedoch noch viel Arbeit zu leisten, weil in der Periode des Faschismus, wie im vorigen Kapitel klar wurde, der Dialekt noch immer primär war und die meisten Italiener nur mangelnde Kenntnisse ihrer Standardsprache besaßen, sogar was die passiven Kenntnisse betrifft. Es steht demzufolge außer Zweifel, dass nicht wenige der Untertanen Mussolinis ihren Leiter während seiner Reden nur schwierig verstehen konnten. Mussolini war sich dieses Phänomens sicherlich bewusst und es störte ihn bei seinen Reden sogar nicht, was durch folgendes Zitat unterstützt wird: „Non so se la mia parola sia giunta a tutti voi. Ma il mio cuore sì.“ (Mussolini 1934-1939, 119)13. Diese Aussage ist nicht erstaunlich, da die Kommunikation zwischen Mussolini und dem Volk, ebenso wie bei Hitler, als „ein intuitives, rein emotionales Verstehen“ (Ille 1980, 212) gekennzeichnet werden kann und sich nicht an die Vernunft und Verständlichkeit richtete. Dies galt trotzdem nur für die Reden; was die sonstige Kommunikation betrifft, war eine Einheitssprache nötig für die totalitäre Staatsführung. Die Notwendigkeit der Verbreitung einer offiziellen und unifizierenden sprachlichen Norm ist von Bedeutung in dieser Arbeit, weil sie nicht nur den direkten Anlass gab zur Entstehung der sprachpuristischen Aktivitäten im italienischen Faschismus, sondern weiter auch ein günstiges Klima für den Fremdwortpurismus schuf. Fremdwortpuristische Bewegungen erscheinen nämlich nicht selten als Teil eines allgemeineren Sprachpurismus. So stand z. B. der deutsche Fremdwortpurismus in seiner Anfangsphase, d. h. dem siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert, gleichfalls in engem Zusammenhang mit einer allgemeineren sprachpuristischen Bewegung, welche die Etablierung einer normierten deutschen Standardsprache bestrebte (siehe 3.1.1.). Andererseits spielten bei der Sprachpolitik des italienischen Faschismus ideologische Gründe ohne weiteres ihre Rolle. In einem nationalistischen Regime wie dem Faschismus war die romantische Gleichstellung von Nation und Sprache eine zentrale Idee, und die Diktatur eiferte daher für die Etablierung einer Nationalsprache, die von allen Italienern gesprochen und von allen störenden Elementen gesäubert werden sollte. Der italienische Faschismus erzielte die nationale Einheit, gestützt auf den Mythos der italianità, und dieser sollte auch eine sprachliche Einheit entsprechen. Sie war für Mussolini ein notwendiger Teil seiner italienischen Nation: 13 Zitiert nach Ille 1980, 212. 21 Il punto di partenza, o amici, è questo: la Nazione. Che cosa è la Nazione? La Nazione è una realtà, siete voi. Moltiplicatevi sino a divenire la cifra importante di quaranta milioni di italiani che hanno lo stesso linguaggio, lo stesso costume, lo stesso sangue, lo stesso destino, che hanno gli stessi interessi: questa è la Nazione, è una realtà. (Adami 1939, 13)14 In den zwanziger Jahren des faschistischen Regimes stand der Kampf gegen Dialekte, und damit verbunden den Analphabetismus, und gegen Sprachminderheiten an zentraler Stelle.15 In dieser Zeit wurde der Dialekt in der Schule sogar noch als Instrument des Unterrichts der Standardsprache verwendet. Im Laufe der dreißiger Jahre wurde die faschistische Sprachpolitik allmählich dominiert durch das Prinzip der ‚linguistischen Autarkie‘, d. h. den Versuch, die Nationalsprache von allen möglichen störenden Elementen zu säubern. Dies bedeutete, dass nicht nur die Dialekte völlig abgelehnt wurden, sondern auch die Fremdwörter immer mehr als eine problematische Angelegenheit betrachtet wurden. Die faschistische Haltung in der Fremdwortproblematik ist aus politischer Sicht ziemlich normal, denn der „Sprachpurismus, zumal der Fremdwortpurismus, erweist sich vielfach als Mittel zum Zweck […] einer umfassenden (kultur-)politischen Bewegung zur nationalen Autarkie“ (Kirkness 2000, 407). Dessen ungeachtet darf man nicht aus den Augen verlieren, dass die Faschisten im Vergleich zu den Nationalsozialisten immer mehr mit den Wünschen ihrer Anhänger rechnen mussten. Der Neopurismus war demnach keine Bewegung, die einfach von Seiten der Faschisten der italienischen Bevölkerung auferlegt wurde, sondern viele Linguisten und Intellektuelle hatten schon vor dem Faschismus eine Vorliebe für den Fremdwortpurismus und haben gleichermaßen die Politik des neuen Regimes gesteuert (Klein 1986, 147). 2.2.2. Purismus vor dem Faschismus Die puristischen Aktivitäten der Faschisten bildeten kein neues Phänomen im italienischen Sprachraum, denn schon im neunzehnten Jahrhundert, nach der Vereinigung des Landes, gab es eine puristische Bewegung. Sie wollte sowohl die Fremdwörter als die Neologismen aus der italienischen Sprache eliminieren, indem sie jedes Konzept, wie modern auch, mit Wörtern des traditionellen Lexikons ausdrücken mochte (Migliorini 1990, 100). Dadurch waren sie auf keinen Fall im Stande, den großen Erneuerungen ihrer Epoche und den vielen neuen Wörtern in den Bereichen der Industrie, Wirtschaft, Sport usw. zu entsprechen. Bei den 14 15 Zitiert nach Ricci 2005, 45. Die bekannteste Maßnahme aus dieser Zeit ist die Riforma Gentile von 1923. 22 Behörden hatte der Purismus ebenfalls wenig Erfolg.16 Es wurde nach der Vereinigung trotzdem eine Kommission ins Leben gerufen, die Erlasse, Gesetze und offizielle Nomenklatur purifizieren sollte, aber ihre Vorschläge, wie z. B. die Ersetzung von kepí durch tubino militare con pelo, wurden nicht ernst genommen und am Ende sogar verhöhnt (De Mauro 1963, 366). Vorschläge der Accademia della Crusca in den ersten Jahrzehnten des zwanzigsten Jahrhunderts, noch vor Beginn des Faschismus, blieben ebenfalls ohne Erfolg. Wichtig noch zu erwähnen ist der Unterschied zwischen dem italienischen Purismus des neunzehnten Jahrhunderts und der puristischen Bewegung in Deutschland derselben Epoche (siehe 3.1.1.). In Deutschland wurde der Purismus viel stärker von nationalistischen, auslandfeindlichen Gefühlen inspiriert, während in Italien die Xenophobie in seinen extremen Formen im Laufe des neunzehnten Jahrhunderts nie viel Erfolg hatte. Einerseits wegen der universalistischen Prägung der kulturellen Tradition Italiens, andererseits weil seit der Vereinigung die Beziehungen zwischen Europa und Italien immer enger geworden waren (De Mauro 1963, 290; 365). 2.2.3. Neopurismus 2.2.3.1. Definierung Durch die nationalistischen Ideen des Faschismus konnte der Purismus wieder aufleben, zwar auf eine andere Art und Weise, weil sein Vorgänger nicht zu erfolgreichen Ergebnissen geführt hatte. Deshalb spricht man in Bezug auf die puristischen Aktivitäten aus der faschistischen Zeit nicht von Purismus, sondern von Neopurismus. Die wichtigste Person des italienischen Neopurismus war Bruno Migliorini (1941, 47), der den Neopurismus definiert hat: Il carattere essenziale del purismo è la sua lotta contro ogni specie di innovazione. Il neopurismo, distinguendo tra forestierismi e neologismi, vuole saggiare gli uni e gli altri alla luce della linguistica strutturale e funzionale […]. D’altra parte il purismo teneva d’occhio esclusivamente l’Italia; il neopurismo vuol servire alle necessità italiane, ma reputerebbe cattiva politica quella di chiudere gli occhi alla realtà europea. Il purismo aveva di mira soprattutto la lingua letteraria; il neopurismo estende lo sguardo anche alle lingue speciali.17 16 Trotzdem waren politische Eingriffe in dieser Zeit nicht ganz abwesend. So gab es 1874 schon einen Eingriff von den Behörden gegen Fremdwörter auf Schildern (Klein 1986, 113). 17 Zitiert nach Klein 1986, 120. 23 Der Neopurismus war, im Gegensatz zum früheren Purismus, nur gegen Fremdwörter gerichtet, die Teil der Sprache geworden sind, und nicht gegen Neologismen, welche zum italienischen sprachlichen System gehörten. Die Neopuristen konzentrierten sich weiter vor allem auf die Alltagssprache und den Wortschatz des wirtschaftlichen und kulturellen Lebens, im Unterschied zum Purismus, in dem die literarische Sprache im Vordergrund stand. Schließlich richtete der Neopurismus seinen Blick mehr auf Europa als der Purismus, der eine stark isolierende, auf die eigene Nation gerichtete Vorgehensweise handhabte. Auch wenn die faschistische Kampagne gegen Fremdwörter in erster Linie von der Idee der ‚linguistischen Autarkie‘ getrieben wurde, soll darauf hingewiesen werden, dass bei verschiedenen Neopuristen die ideologischen Faktoren von weniger Bedeutung waren. Migliorini (1990, 95) z. B., der Vorkämpfer des Neopurismus, plädierte für die Entfernung der Fremdwörter im Hinblick auf die allgemeine Verständlichkeit: Non nego che per qualcuno questo fattore nazionalistico abbia avuto ed abbia importanza: ma bastano, io credo, i fattori strutturali e funzionali a raccomandare l’eliminazione dei forestierismi. Migliorini selbst gibt als Beispiel das englische Wort suspense, das von den meisten Italienern auf verschiedenste Weisen ausgesprochen und geschrieben wird. Seiner Meinung nach führen Fremdwörter deswegen zu einem Chaos, in dem die Sprache ihre Funktion des klaren und einheitlichen sozialen Instruments weniger gut erfüllen kann. Dass bei der Ersetzung der alten Wörter möglicherweise eine Konnotation verloren geht, bildet für ihn kein Problem (Migliorini 1990, 103). Auch wenn dem Fremdwortkampf von Migliorini keine ideologische Motivierung zu Grunde lag, war er sich dessen bewusst, dass es schwierig ist, in der neopuristischen Kampagne die ausschließlich sprachlichen Faktoren von den nationalistischen und xenophoben zu trennen (Migliorini 1990, 93). 2.2.3.2. Produktion Wesentliche fremdwortpuristische Aktivitäten gab es in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts kaum, da sich die faschistische Sprachpolitik in dieser Zeit an erster Stelle auf die Bekämpfung der Dialektophonie konzentrierte. Dennoch gab es 1923 schon Zeichen des zukünftigen Kurses mit einem Erlass, der die Steuer für Fremdwörter auf Schildern erhöhte. Behördliche Entscheidungen zu offiziellen Verboten der fremden Ausdrücke wurden in 24 diesem Jahrzehnt allerdings nie getroffen. Ein wichtiger Schritt wurde 1929 getan, als die Accademia d’Italia gegründet wurde, zum Schutz der italienischen Sprache. Ihre Aufgabe wurde folgendermaßen formuliert: L‘Accademia d‘Italia ha per iscopo di promuovere e coordinare il movimento intellettuale italiano nel campo delle scienze, delle lettere e delle arti, di conservarne puro il carattere nazionale, secondo il genio e le tradizioni della stirpe e di favorirne l'espansione e l'influsso oltre i confini dello Stato.18 Die Akademie hatte zum Auftrag, die Konservierung und auch die Expansion des nationalen Charakters in den Bereichen der Wissenschaft, Philologie und Kunst. Dies sollte in extreme Maßnahmen münden, am Anfang aber zeigte sich die Akademie noch relativ gemäßigt, weil sie bestimmte Fremdwörter akzeptierte und phonetisch-graphische und morphologische Angleichungen vorschlug (Ille 1980, 209f.). Immerhin wurden nach der Gründung der neuen Akademie die sprachpuristischen Aktivitäten in den dreißiger Jahren intensiviert. Diese Intensivierung hing zusammen mit der Tatsache, dass das Regime währenddessen stärker geworden war als in den zwanziger Jahren und besser gewappnet war, um solche erhebliche Änderungen zu bewirken. Mussolini machte 1931 mit viel Publizität bekannt, dass er die vernice (und nicht den vernissage) einer Ausstellung beiwohnen würde (Migliorini 1990, 94). Im selben Jahr plädierte er öffentlich für die „purezza dell’idioma patrio“ (Mussolini 1934-1939, 284)19. Der „Duce“ war zwar kein extremer Purist, aber trotzdem erlaubte er den offiziellen Vertretern des Regimes, die Kampagne gegen die Fremdwörter zu lancieren (De Mauro 1963, 367). Mehr und mehr wurden vereinzelte Italianisierungen von offiziellen oder offiziösen Instanzen verwendet, wie z. B. autista, das 1932 statt chauffeur von der Confederazione nazionale dei Sindacati dei trasporti empfohlen wurde, und Zeitungen sowie Zeitschriften publizierten immer mehr Artikel über Vorschläge zur Ersetzung von Fremdwörtern (Migliorini 1990, 94). Daraufhin wurde am 2. Februar 1934 der Fremdwortgebrauch in Zeitungen verboten. Nach 1935 begann eine weitere Phase, welche gekennzeichnet wurde durch eine noch größere Verschärfung, eine direkt Folge der Verschlechterung der internationalen Beziehungen. Bekannt ist die 1938 eingesetzte Kampagne gegen die Verwendung der Höflichkeitsform Lei, die durch Voi ersetzt werden sollte wegen der vermeintlichen Herkunft des Lei aus der Zeit 18 19 http://www.lincei-celebrazioni.it/i1926i.html Zitiert nach Klein 1986, 119. 25 der spanischen Herrschaft in Italien (Ille 1980, 210). Man meinte, Lei wäre ein Hispanismus, der nach der Form Usted gebildet worden wäre. Das Pronomen galt deshalb als eine unterwürfige Form, im Gegensatz zu Voi, das als viel würdiger und stolzer empfunden wurde. Obwohl z. B. Mussolini die Form konsequent verwendete, hatte der faschistische Vorschlag wenig Erfolg beim normalen Volk. Dies ist nicht nur dem späten Anfang der Kampagne zuzuschreiben, wodurch die Form nur wenig Zeit hatte, um sich in der italienischen Gesellschaft zu verbreiten, sondern hängt auch damit zusammen, dass Lei mehr oder weniger im ganzen Land verwendet oder zumindest bekannt war, während Voi hauptsächlich auf den Süden Italiens beschränkt war und demzufolge eine nationale Übernahme erschwerte.20 Gegen Ende der dreißiger Jahre wurde von der Regierung eine Reihe von Erlassen und Gesetzen herausgegeben, die die Verwendung von Fremdwörtern in der Öffentlichkeit knebelte (Klein 1986, 115). So wurden 1938 Aufschriften und Bezeichnungen in fremden Sprachen auf italienischen Produkten nur noch zugelassen, wenn italienische Hinweise hinzugefügt waren. Weiterhin wurden, einem Erlass vom Januar 1939 zufolge, öffentlichen Lokalen mit nicht-italienischen Namen schwere Strafen auferlegt. Um 1940 schließlich nimmt der Kampf gegen Fremdwörter ganz radikale Formen an, nachdem ein allgemeines Verbot zur Verwendung von Fremdwörtern in allen Aufschriften von Betrieben und in allen Formen von Publizität erlassen wurde. Die Akademie gab immer deutlicher ihre extremen Standpunkte wieder, u. a. in ihrem neuen Fachblatt Bollettino: [È] un’offesa per ogni italiano il dover sopportare che nelle insegne pubblicitarie, nelle intestazioni delle ditte commerciali, e talvolta, anche in qualche giornale od in opere a stampa, siano ripetuti vocaboli stranieri, veri barbarismi, penetrati clandestinamente nel nostro idioma e tanto affermatisi da far molto spesso dimenticare e quasi abrogare per desuetudine il vocabolo italiano o da impedire la formazione del vocabolo italiano correspondente. (Bollettino di informazione della Reale Accademia d’Italia, I, n. 1-3, 1940, 5)21 Das neue Gesetz gab direkten Anlass zur Gründung einer Kommission für die italianità della lingua durch die Accademia d‘Italia, welche die Eliminierung der Fremdwörter und die Einführung von Ersetzungen zum Auftrag hatte. Die Kommission, mit Carlo Formichi als Vorsitz, bestand lediglich aus Akademikern und sollte bestimmen, welche fremden Ausdrücke durch italienische Wörter ersetzt werden sollten, welche italianisiert und welche toleriert (Klein 1986, 125). Vorschläge wurden, neben Akademikern, auch von Publizisten, 20 21 http://www.accademiadellacrusca.it/faq/faq_risp.php?id=5497&ctg_id=93 Zitiert nach Klein 1986, 126f. 26 Schriftstellern, Linguisten und anderen Gelehrten gemacht.22 So wurde z. B. zur Ersetzung von bar (‚Lokal‘) eine ganze Reihe von Vorschlägen gemacht: bettolino, quisibeve, taberna potoria, ber, barro, barra, bara, mescita, liquoreria, taverna.23 Für die Ersetzung von Fremdwörtern aus der Fachsprache wendete die Kommission sich u. a. an Organisationen der verschiedenen Sektoren, um um Rat zu bitten bei der Bildung der neuen Wörter. Zur Unterstützung des Fremdwortkampfes wurden neue Rubriken introduziert in Tageblättern wie die Gazzetta del popolo, in wöchentlichen Zeitschriften wie Tempo und in Fachblättern wie Lingua nostra, die 1939 gegründet wurde und durchgängig alle Erlasse und Vorschläge gegen Fremdwörter publizierte (De Mauro 1963, 368). Durch diese Zeitschriften und Blätter konnten die Behörden ein breiteres Publikum erreichen und das Volk in ihre Sprachpolitik einbeziehen, indem sie es dazu aufforderten, die neuen Regeln zu befolgen und die Vorschläge für Fremdwörter zu übernehmen. Zwischen 1940 und 1943 wurden von der Kommission insgesamt fünfzehn Listen von Italianisierungen publiziert, die gelten als das Bedeutendste, das der faschistische Fremdwortpurismus hervorgebracht hat. Die Vorschläge der Kommission bildeten zunächst die Norm und hatten demnach obligatorische Geltung, aber 1942 wurde die Macht der Kommission eingeschränkt und galten ihre Ersetzungen nur noch als Suggestionen. Bei der Aufstellung der Listen wurden von der Kommission zwei unterschiedliche Vorgehensweisen benützt (Klein 1986, 138ff.): 1. Italianisierungen: Anpassung der Fremdwörter an die italienische Sprache. a. Graphische Anpassung, mehr oder weniger nach der fremden Aussprache, an die orthographischen Regeln des Italienischen. Die Phonologie selbst des Wortes bleibt unverändert: − yoghurt = iogurt − caoutchouc = caucciu − the = tè 22 Man bemerke aber, dass gleichfalls verschiedene italienische Intellektuelle nicht mit der fremdwortpuristischen Politik einverstanden waren und die Fremdwörter behalten wollten, weil es im Italienischen kein geeignetes Wort vorhanden war oder weil es einen allgemeinen Konsens über die Verwendung der Wörter gab. Beispiele solcher Gegner sind Bertoni und Panzini (vgl. Klein 1986, 123). 23 Beispiele von De Mauro 1963, 369. 27 − punch = ponce − wodka = vodca − vermouth = vèrmut b. Morphophonetische Anpassung an das italienische System, bei der die phonetische Basis des Fremdwortes beibehalten bleibt. Am meisten wird der Auslaut modifiziert, wenn nötig aber auch manchmal der Stamm: − autocar = autocarro − beefsteack = bistecca − toilette = toletta − mannequin = manichino − gruyère = groviera − tourisme = turismo 2. Semantische Reproduktionen: Ersetzung der Fremdwörter durch neue oder bereits zum italienischen Wortschatz gehörige Wörter. a. Zwischen den beiden Wörtern besteht eine Bedeutungskorrespondenz in der Alltagssprache, welche in die Fachsprache übernommen wird: − agreement = accordo − out = fuori − glisser = scivolare − stop = arresto b. Es gibt a priori keine Bedeutungskorrespondenz zwischen den beiden Wörtern, sondern es handelt sich um ein konventionelle semantische Korrespondenz. Manchmal wird ein Wort gewählt, das schon Teil des italienischen Sprachsystems ausmacht: − chauffage central = termosifone − hôtel = albergo − guichet = sportello − check = assegno 28 c. Italienische Wörter, die schon in der Alltagssprache im Gebrauch sind und beim Übergang zur Fachsprache eine Bedeutungsänderung erfahren: − slalom = obbligata − garage = rimessa − parquet = tassellato − cocktail = arlecchino − autopullman = autosalone d. Ersetzung der Fremdwörter durch multilexikalische Einheiten: − carte = lista delle vivande − dessert = alla frutta, fin di pasto − comptoir = registratore di cassa − shampooing = lavanda dei capelli − dirt-track = corso su detriti − uovo à la coque = uovo scottato 2.2.3.3. Ambivalente Sprachpolitik Die neopuristische Kampagne wird von Ille (1980, 210) als äußerst widersprüchlich beschrieben: Einerseits verwendeten die faschistischen Führer ohne Bedenken weiter Worte wie "rango", "baionetta" oder "boicottare", die ihre französische Herkunft nicht leugnen können, andererseits hatte man auch gegen Fremdwörter deutscher Herkunft nichts einzuwenden. So wurde etwa eine ganze Reihe von Anglismen und Französismen verboten, wogegen etwa das deutsche Wort "Gauleiter" liebend gern verwendet wurde. Die Ambivalenz der faschistischen Sprachpolitik war nicht immer unlogisch, wenn man mit den verschiedenen Gründen rechnet, die ihr zu Grunde liegen, aber dennoch wurde sie gleichfalls durch ein deutliches Fehlen an systematischen Vorgehensweisen gekennzeichnet. Erstens wurde die faschistische Sprachpolitik, logischerweise, bestimmt von ihrer Definierung des Konzepts ‚Fremdwort‘. Welche Kriterien mussten Wörter damals erfüllen, um als Fremdwort bezeichnet zu werden? Dies war eine der zwei Hauptaufgaben der Kommission 29 für die italianità della lingua, neben der Bildung der Wörter, die als Ersatz für die Fremdwörter dienen sollten (siehe 2.2.3.2.). Im Gegensatz zum italienischen Purismus des neunzehnten Jahrhunderts und zu vielen anderen puristischen Bewegungen, wie gleichfalls derjenigen in Deutschland (siehe 3.1.), bildete der Ursprung des Wortes nicht das fundamentale Kriterium. Für die Neopuristen waren Fremdwörter diejenigen Wörter, die von der strukturellen Normen der italienischen Sprache abwichen – ein Kriterium, das laut Migliorini (1990, 97) viel besser anwendbar war als dasjenige der Herkunft, da es den Neopuristen gelungen ist, mehrere Wörter wie chauffeur, régisseur, record usw. aus der italienischen Sprache zu entfernen, während die Puristen weniger Erfolg hatten mit Wörtern wie debutto, sabotare usw. Wenn man nämlich alle Wörter fremder Herkunft in Betracht zieht, stellt man sich für die unmögliche Aufgabe, eine Unmenge von alltäglichen und unentbehrlichen Begriffen zu entfernen. Wörter wie pensiero, preghiera, sembrare und mangiare haben zwar eine typisch italienische Struktur, sind trotzdem alle alte Gallizismen (Migliorini 1990, 96). Weiter umfasste die Definition aus denselben Gründen ebenso wenig Wörter lateinischen und griechischen Ursprungs. Die faschistische Sprachpolitik bezog sich demzufolge vor allem auf die Fremdwörter, die später in die italienische Sprache eingetreten waren und sich dem italienischen System nicht assimiliert hatten. In dieser Hinsicht ist es nicht unlogisch, dass die Faschisten einfach Wörter französischer Herkunft wie rango, baionetta oder boicottare und Wörter germanischer Herkunft, etwa guardia oder guerra, offensichtlich ein zentrales Wort in den Reden des „Duce“, weiter verwendeten, ohne diese in Frage zu stellen. Im Gegensatz zum traditionellen Purismus wurde also in der faschistischen Epoche eine viel praktischere Definition verwendet, welche ebenfalls mehr den moderneren Definierungen des Fremdworts ähnelt. Die Vorgehensweisen waren allerdings nicht ohne weiteres objektiv, denn die Definierung der Fremdwörter war nur ein erster Schritt. Im Folgenden wird deutlich werden, wie sehr politische und soziologische Faktoren gleichermaßen ihre Rolle spielten. Die Sprachpolitik im Faschismus war des Weiteren ambivalent, weil sie sich vor allem auf das kommerzielle Gebiet beschränkte. Die eliminierten Fremdwörter gehörten hauptsächlich zum Fachwortschatz aus den Bereichen der Technologie, Industrie und insgesamt der Wirtschaft (Tourismus, Bank, Gastronomie usw.), wodurch sie fast keinen Einfluss auf den normalen Menschen und ihren Alltag hatten (Klein 1986, 116). Die Erklärung für die Beschränkung liegt in der internationalen Konkurrenz auf dem wirtschaftlichen Gebiet (Klein 30 1986, 130): Italien wollte sich dem Ausland gegenüber als eine vollwertige Nation mit einer spezifischen und autochthonen Terminologie zeigen. Ganz im Zuge ihrer autarkischen Politik sollten die Ersetzungen der Fremdwörter ein Zeichen dafür sein, dass Italien völlig selbständig war, sowohl auf produktiver als auf terminologischer Ebene. In diesem Sinne erfüllte die Sprache die Funktion eines Symbols der totalen Unabhängigkeit des Landes. Neben den Fremdwörtern der Technik, Wirtschaft und Industrie kamen schließlich auch fremde Ausdrücke der kulturellen Produktion und des Sports ins Visier der italienischen Neopuristen, da diese ebenso sehr als zu exportierende Güter betrachtet wurden (Klein 1986, 145f.). Die Ambivalenz in der faschistischen Sprachpolitik war weiter den derzeitigen politischen Verhältnissen und später auch der Kriegslage zuzuschreiben. Bei der sprachlichen ‚Reinigung‘ von fremden Einflüssen wurde viel eher das Französische und Englische visiert, die Sprachen der feindliche Mächte, aus denen eine große Gruppe der Fachwörter kam, als das Deutsche, die Sprache des befreundeten, nationalsozialistischen Regimes. Dadurch wurden deutsche Wörter wie Gauleiter liebend gern verwendet, wie Ille (1980, 210) beobachtet. Weiterhin waren verschiedene typische Wörter der nationalsozialistischen Diktatur in Italien zumindest passiv bekannt: Reich, Putsch, Anschluss, Führer usw.24 Deutsche Wörter mit Bezug auf den Krieg waren gleichfalls populär. So waren sowohl das Fremdwort Blitzkrieg als sein italienisches Äquivalent guerra-lampo geläufige Begriffe in der italienischen Öffentlichkeit am Anfang des Krieges; später wurden sie jedoch vom Ministero della cultura popolare verboten (Migliorini 1990, 54). Eine andere Gruppe von Fremdwörtern, die nicht in die puristische Aktivitäten der Faschisten einbezogen wurde, ist diejenige von Konzepten (Objekte, Bräuche, Titel usw.), die ausschließlich von fremden Völkern verwendet werden, und in der italienischen Sprachgemeinschaft nicht usuell sind, etwa harakiri oder tomahawk (Migliorini 1990, 102). Dazu gehören auch verschiedene Begriffe, die sich auf die damalige internationale Politik bezogen und in die italienische Sprache, gerade wie in die anderen europäischen Sprachen, eingewandert waren: soviet, kolchoz, bootlegger, gangster usw. (Migliorini 1990, 53f.). 24 Beispiele von Migliorini (1990, 54). 31 Im Gegensatz zu den bisher genannten Faktoren, die bewusst eine Ambivalenz zur Folge hatten, wurde die neopuristische Kampagne ebenfalls durch einen ungewollten Mangel an Systematik charakterisiert. So wurden sogar Fremdwörter aus den industriellen und wirtschaftlichen Bereichen manchmal einfach von der Kommission akzeptiert, ohne irgendwelcher Form von Italianisierung unterworfen zu werden. Meistens handelte es sich um Wörter, die in der italienischen Sprachgemeinschaft sehr üblich waren und daher schwierig zu ersetzen: sport, tennis, ciac (‚klitsch klatsch‘), picnic, film, tram, bazar, cognac, camion.25 Dagegen wurde für andere Fremdwörter wie z. B. bar (‚Lokal‘) eine wahre Unmenge von Vorschlägen gemacht (siehe 2.2.3.2.). Darüber hinaus hatten die Ersetzungen der Kommission für die italianità della lingua, die ja speziell zur Einführung von Substituten für Fremdwörter gegründet worden war, seit 1942 keine normative Geltung mehr (siehe 2.2.3.2.). 2.2.3.4. Ergebnisse Wie Migliorini (1990, 95) bemerkt, empfindet jede puristische Kampagne, unabhängig von ihrer Kraft und ihren Waffen, einen passiven Widerstand von den Fremdwörtern, weil diese den Mitgliedern der Sprachgemeinschaft oft üblich sind und sich deshalb nicht ohne weiteres ersetzen lassen. Nur wenn die Fremdwörter Nachteile mit sich bringen oder die puristischen Vorschläge Vorteile zeigen, gibt es eine gute Chance auf Erfolg. Zudem brauchen die Vorschläge eine gewisse Zeit, um sich in der Sprachgemeinschaft einbürgern zu können. Deswegen gilt es zweifelsohne als ein Nachteil, dass die fremdwortpuristische Arbeit der Faschisten sich nur am Ende des Regimes entfaltete und dadurch nur wenig Zeit hatte, um sich zu verbreiten. Außerdem hatte die Sympathie von Seiten der Bevölkerung in dieser Zeit schon stark abgenommen, was den faschistischen Behörden die Arbeit noch erschwerte.26 In den Jahren 1929-1934, in denen die Unterstützung des Regimes am breitesten war, hätten die Vorschläge ohne Zweifel mehr Erfolg gehabt, aber, wie Klein (1986, 115) behauptet, muss damals der definitive und stabilisierende Konsens gefehlt haben. Daneben resultierte der ambivalente Charakter des Neopurismus (siehe 2.2.3.3.) in einem Mangel an Systematik, 25 Beispiele von De Mauro (1963, 368) und Klein (1986, 141). Es ist denn auch nicht erstaunlich, dass in den ersten Jahren nach dem Untergang des Faschismus die wiedergefundene Freiheit zu einem neuen Aufschwung des Fremdwortgebrauchs in Italien anregte. So traf man am Ende 1945 in den italienischen Zeitungskiosken eine Menge von Blättern mit Titeln wie Chic, Flirt, Cocktail, Star, Club, Séparé usw. an (Migliorini 1990, 94). Trotzdem wurden vielen Fremdwörtern in Sprachlexika der 50er Jahre, so konkludiert Leitner (2008, 129) noch immer “feindliche (sprachpolitisch faschistisch geprägte) Bemerkungen” beigefügt, was darauf hinweist, “dass die puristische Haltung bei den Wörterbuchredakteuren in den Nachkriegsjahren weiter bestand.” 26 32 welcher keineswegs einen günstigen Einfluss auf die fremdwortpuristischen Ergebnisse hatte. Letztens ist es wichtig zu bemerken, dass die puristischen Verbote im Faschismus keine erheblichen Rückwirkungen auf das spontane sprachliche Benehmen der Sprecher hatten, da sie in erster Linie publizistische oder öffentliche Druckwerke trafen und nur wenig Einfluss auf den Sprachgebrauch des normalen Volkes übten (Klein 1986, 154). Dies hängt damit zusammen, dass die meisten Fremdwörter, die von der Kommission behandelt wurden, zur Fachsprache gehörten und demzufolge weit von der Alltagssprache entfernt waren. Viele der Wörter waren sogar nicht im Gebrauch und daher den meisten Italienern unbekannt. Klein (1986, 137) kommt zur Folgerung, höchstens ein Viertel der in den Listen der Kommission enthaltenen Fremdwörter sei damals tatsächlich in der italienischen Sprachgemeinschaft in Gebrauch gewesen. Allerdings gehörte ebenfalls eine nicht geringe Gruppe der Neologismen, von denen sich verschiedene durchsetzen konnten, zur Alltagssprache. Was die Ergebnisse betrifft, sind drei Gruppen zu unterscheiden (Marongiu/Rossi 2005, 222f.): a. Ersetzungen, die bei den Sprechern Anklang fanden: − assenzio für absynthe − assegno für check/chèque − sportello für guichet − autista für chauffeur − regista für régisseur − accordo für agreement − libretto/taccuino für carnet − obitorio für morgue Bei solchen erfolgreichen Ersetzungen ist es, wie Migliorini (1990, 94) bestätigt, schwierig, zu bestimmen, in welchen Fällen dies die Folge des behördlichen Zwangs war und in welchen es sich hier um spontane Anpassung handelt. Der Erfolg einer Übernahme konnte z. B. bestimmt werden von der Unterstützung einer autoritären Person oder Zeitschrift: Regìa e regista non avrebbero così rapidamente trionfato […] se non avessero mosso i primi passi dalle pagine d’una rivista teatrale e se non fossero stati energicamente appoggiati da una autorità in materia come quella di Silvio D’Amico. (Migliorini 1990, 106) 33 b. Beide Wörter werden verwendet, manchmal mit semantischem Unterschied: − arresto und stop − villetta und chalet − rimessa und garage c. Ersetzungen, die keinen Erfolg hatten: − tassellato für parquet − uovo scottato für uovo alla coque − alla frutta/fin di pasto für dessert − gineprella für gin − arlecchino für cocktail − festivale für festival Im Allgemeinen wird die faschistische Kampagne gegen die Fremdwörter als ein Misserfolg betrachtet.27 Eine Analyse von Leitner (2008, 129) z. B. “hat gezeigt, dass nur sehr wenige Fremdwörter, die während des Faschismus „verbannt“ wurden, tatsächlich nicht mehr in den Lexika der Nachkriegszeit verzeichnet sind.” Sie untersuchte insgesamt 36 Fremdwörter, von denen nur drei ganz von ihren Ersetzungen verdrängt worden sind: chauffeur/autista, goûter/merenda und regisseur/regista. Jedoch kann man nicht von einem totalen Fehlschlag sprechen, wenn man mit den Umständen rechnet, wie Jens Baele (2010), einer meiner Kommilitonen, in seiner lexikografischen Studie konkludiert. Er hat eine Gruppe von 184 Fremdwörtern und ihren Ersetzungen untersucht, die alle aus dem semantischen Bereich der Gastronomie stammen und daher zum größten Teil zur Alltagssprache gehören. In 27,9 % der Fälle waren die Vorschläge im Stande, die Fremdwörter zu verdrängen und ihre Bedeutung zu übernehmen. Dies ist nicht wirklich eine große Zahl, bildet aber nach seiner Meinung ein relativ gutes Ergebnis, wenn man die beschränkte Dauer und die mangelhafte Systematik der Vorgehensweisen im Hinterkopf hat. Als besonders erfolgreicher Bereich ist zuletzt die Sportterminologie, sicherlich in Bezug auf den Fußball, zu erwähnen. Viele Italianisierungen haben die englischen Begriffe völlig ersetzt 27 Mehr Erfolg wurde im Bereich der Eigennamen erzielt. Am bekanntesten sind die Italianisierungen von Ortsnamen in der Provinz Südtirol sowie die Anpassung von fremden Familiennamen. 34 oder sind zusammen mit den Fremdwörtern in Gebrauch, aber meistens mit höherer Frequenz für die italienischen Ausdrücke28: a. Völlige Ersetzung der Fremdwörter durch italienische Begriffe: − traversa für bar (‚Latte‘) − fallo für fault − campo für field − portiere für (goal)keeper − arbitro für referee − tacchetti für studs − colpo di testa für heading b. Sowohl die fremde als die italienische Variante kommen vor: − rigore und penalty − fuori gioco und off-side − angolo und corner − traversone und cross − rete und goal 2.2.4. Koloniale Sprachpolitik Eine Besonderheit in der faschistischen Sprachpolitik wird dargestellt von den sprachbezogenen Aktivitäten in Bezug auf die italienischen Kolonien. Schon bald nach dem Risorgimento zeigte Italien seine kolonialen Bestrebungen, welche ihren Ursprung fanden im Wunsch des neuen Staates, sich mit anderen imperialen Nationen messen zu können. Der italienische Kolonialismus fing schon in den letzten Jahrzehnten des neunzehnten Jahrhunderts an und bildete ebenfalls einen wesentlichen Teil der autarkischen Politik Mussolinis, der träumte von der Ausbildung Italiens zu einer imperialen Großmacht und der die italienische Kultur im Ausland verbreiten wollte, um das Prestige der Nation zu 28 Beispiele von Marongiu/Rossi (2005, 223). Manche Wörter wurden aber nicht ersetzt, wie z.B. assist, dribbling und stopper. 35 verstärken.29 Der italienische Expansionsdrang konzentrierte sich vor allem auf Afrika, mit Libyen, Äthiopien und Somalia als wichtigste Kolonien. Die Sprachpolitik in Bezug auf die Kolonien Italiens stellt einigermaßen eine Ausnahme dar, weil sie die Anwendung von Fremdwörtern in der kolonialen Literatur erlaubte.30 Diese Literatur war darauf gezielt, das koloniale Bewusstsein in der italienischen Gesellschaft zu verbreiten. Die Autoren wollten in ihren kolonialen Romanen eine unbekannte Welt für das italienische Volk erschließen und visuell machen mittels der Fremdwörter, die meistens angewendet wurden, um typische Orte, Bräuche, Objekte und Personen zu bezeichnen, aber die manchmal auch wegen ihrer evokativen Möglichkeiten gewählt wurden. Ricci (2005, 123ff.) unterscheidet zwei Gruppen von Fremdwörtern in der kolonialen Literatur: a. „Glossierte“ Fremdwörter (esotismi „glossati“): Die Fremdwörter werden akzentuiert mittels der Verwendung von Kursive oder Anführungszeichen und einer Übersetzung, die zwischen Klammern, einfach nach dem fremden Begriff oder aber in einer Fußnote erwähnt wird. Diese zusätzlichen Maßnahmen lassen sich selbstverständlich erklären durch die, meistens völlige, Unbekanntheit der afrikanischen Wörter innerhalb des italienischen Sprachgebietes. Sie verringern zwar den bildhaften Wert einer Stelle, aber dagegen wird die Lesbarkeit des Textes erheblich gesteigert. Als Beispiele sind hier einige Abschnitte wiedergegeben aus Profumo di terra vergine von Mario dei Gaslini (1931)31: giunsi davanti al portone verde poco dopo l’ascià, cioè circa un’ora prima del tramonto (49); portava ai polsi due braccialetti, l’uno di ferro massiccio, il suár, l’altro di argento sottile (debli) (50); indossava la hmègia bara harír (camicia) […] le avvolgeva il capo l’ardà harír, una mantiglia di mussolina turchiniccia traversata da piccoli fiori d’argento (50); sopra la camicia portava un figaretto d’argento a intrecci verdi, che si innestava alla cintura colla abruk-belfedda, la sciarpa di seta a fiori (51). 29 Italien ist jedoch in seiner ungefähr 60 Jahr dauernden Kolonialgeschichte nie auf die Höhe anderer großer kolonialer Mächte gekommen. 30 Eine andere Seite des Umgangs mit kolonialen Begriffen entspricht mehr der faschistischen Sprachpolitik und bezieht sich auf die Italianisierung von Namen von Orten, Straßen und Plätzen der kolonisierten Gebiete (Ricci 2005, 200ff.). Trotzdem waren auch koloniale Namen populär. So wurden in Italien Namen von kolonisierten Ländern, kolonialen Regionen, Städten usw. sowohl von Eltern ihren Kindern gegeben (Addis, Africa, Bengasi usw.), als für Straßen im sogenannten ‚afrikanischen Viertel‘ (quartiere africano), einer Zone in Rom (Eritrea, Asmara, Senafè usw.) verwendet (Ricci 2005, 190f.). Der Umgang mit Eigennamen wird aber in der vorliegenden Arbeit nicht behandelt, und daher wird darauf nicht näher eingegangen. 31 Zitiert nach Ricci 2005, 125. 36 b. Nicht-glossierte Fremdwörter (esotismi non glossati): Der Autor verzichtet darauf, dem Leser zusätzliche Informationen zum fremden Ausdruck zu liefern. Es gibt zwei Typen von nicht-glossierten Fremdwörtern: 1. Wegen stilistischer Vernachlässigung oder Unbekümmertheit um die Verständlichkeit wird das Fremdwort in einen Kontext gestellt, der für die Interpretation ungünstig ist, wodurch der Begriff unverständlich bleibt für die meisten Leser: Il suono dolce dei nekalim e dei chalil (Tedesco Zammarano 1935, 62).32 2. Die Bedeutung des Fremdworts wird nicht explizit im Text mitgeteilt, ist aber trotzdem deutlich durch den Kontext oder die Wahl mehr bekannter und verbreiteter Begriffe. In diesen Fällen ist die Verständlichkeit jedoch weniger gewährleistet. Dagegen wird die evokative Funktion der fremden Ausdrücke besser bewahrt. Folgende Beispiele kommen aus einem kolonialen Roman von Enrico Cappellina (1931, 7ff.)33: Il negarit suona per le tue nozze; si tolse la futa sino alla cintola; la porta del tucùl s’aperse. Die häufige Verwendung von afrikanischen Fremdwörtern in den kolonialen Romanen scheint vielleicht nicht in Übereinstimmung zu sein mit der faschistischen Sprachpolitik, aber viele dieser afrikanischen Wörter gehören zur Gruppe von Wörtern, die fremde Konzepte bezeichnen und daher in der italienischen Sprachgemeinschaft gar nicht usuell sind wie harakiri und tomahawk (siehe 2.2.3.3). Dennoch wurde die Verwendung dieser Fremdwörter nicht von allen akzeptiert. So äußerten Kritiker 1937 und 1939 ihre Zweifel und luden Autoren ein, diese Fremdwörter in ihren Romanen aufzugeben, weil sie mit ihrer Kraft der Faszination die Flucht aus der Realität stimulierten und auf diese Weise das Ziel der kolonialen Literatur, nämlich die Förderung der Verbreitung und Kontrolle des kolonialimperialistischen Systems, gerade gefährdeten (Pagliara 2001, 10).34 32 Zitiert nach Ricci 2005, 127. Idem. 34 Zitiert nach Ricci 2005, 114. 33 37 3. Nationalsozialismus 3.1. Deutscher Fremdwortpurismus Gerade wie in der Sprachpolitik des italienischen Faschismus gab es in Deutschland vor dem Nationalsozialismus, aber auch noch während des ‚Dritten Reichs‘, fremdwortpuristische Strömungen, die sich der Verwendung von Wörtern aus anderen Sprachen, zu denen eine wesentliche Gruppe des deutschen Wortschatzes gehört, widersetzten und für eine Ersetzung durch heimische Elemente plädierten. Im deutschen Kontext war die Ablehnung und Abwertung anderer Sprachen viel weitgehender verbunden mit nationalistischen Ansprüchen als im italienischen Purismus (siehe 2.2.2.). Der deutsche Fremdwortpurismus des neunzehnten Jahrhunderts war auf keinen Fall linguistisch, sondern hauptsächlich politischideologisch motiviert und verhielt sich im Allgemeinen viel fremdenfeindlicher und gewaltsamer als sein italienisches Äquivalent. Dass die Zeit vor dem Nationalsozialismus geprägt wurde vom Fremdwortpurismus, macht die Haltung der Nationalsozialisten innerhalb der Fremdwortproblematik desto auffallender, aber dennoch nicht weniger logisch, wenn man auf ihre Beweggründe und Funktionen Rücksicht nimmt (siehe 3.2.). In diesem Kapitel wird die Geschichte des deutschen Fremdwortpurismus kurz dargelegt mit besonderer Beachtung ihres Verhältnisses zum Nationalsozialismus. 3.1.1. Die ‚Fremdwortjagd‘ vor 1933 Der Kampf gegen Fremdwörter wurde in Deutschland schon seit dem siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert geführt, aber er war in dieser Zeit nur ein Aspekt des allgemeinen Sprachpurismus, dessen primärer Zweck das Streben nach einer normierten hochdeutschen Standardsprache war, um die lateinische und französische Vorherrschaft entgegenzutreten.35 Obwohl diese Sprachpuristen sich dem übermäßigen Gebrauch von Fremdwörtern widersetzten, traten sie im Allgemeinen gemäßigter auf als die späteren Fremdwortpuristen, da die Fremdwörter „nicht wie im 19. und 20. Jh. chauvinistisch abgelehnt, sondern vielmehr angeeignet bzw. in verdeutschter Form übernommen wurde[n]“ (Kirkness 2000, 408). Zudem konzentrierten sich die Sprachpuristen dieser Zeit nicht nur auf die Fremdwortproblematik, sondern sie beschäftigten sich ebenfalls mit innersprachlichen Themen wie z. B. Dialekten. 35 Weitere Informationen dazu: Kirkness 2000, 407-410. 38 Es war erst nach 1789, dass sich die Sprachpuristen allmählich auf die Wörter fremdsprachiger Herkunft richteten.36 Dies hing in erster Linie zusammen mit der Französischen Revolution und den politischen Veränderungen der Napoleonischen Zeit, die dazu beitrugen, dass der Sprachpurismus immer mehr unter den Einfluss ideologischer und politischer Ziele kam.37 Dazu kam noch „ein kleinbürgerlich-demokratisches Unbehagen am akademischen Fremdwortstil hinzu“ (Von Polenz 1979, 10), wodurch der deutsche Fremdwortpurismus im neunzehnten Jahrhundert nach und nach wuchs. Am Anfang hatte die Bewegung trotzdem wenig Erfolg in der Öffentlichkeit, und populär wurde sie erst in den Jahrzehnten nach der Reichsgründung 1871, was direkt zusammenhing mit ihrer Institutionalisierung im neuen Deutschen Kaiserreich. Die Gründung des neuen deutschen Staates und der Sieg im Deutsch-Französischen Krieg waren verknüpft mit starken nationalistischen und antifranzösischen Gefühlen, die sich als ein sehr fruchtbarer Boden für den Fremdwortpurismus erwiesen. Die Fremdwortverdeutschungen dieser Zeit, von denen viele auch noch heutzutage im Gebrauch sind, fanden in verschiedenen Bereichen des öffentlichen Lebens statt, wie der Post (Correspondenzkarte → Postkarte, per express → durch Eilboten, Couvert → Briefumschlag), dem Heer (Charge → Dienstgrad, Anciennität → Dienstalter) und der Eisenbahn (Coupé → Abteil, Perron → Bahnsteig).38 Eine sehr wichtige Bewegung für den Kampf gegen die Fremdwörter und für die Fremdwortverdeutschung war der Allgemeine deutsche Sprachverein, der 1885 von Herman Riegel gegründet wurde. Der Verein, der sich am Anfang vor allem auf das Französische und später auch auf englische Wörter konzentrierte, hatte ein deutlich fremdwortpuristisches Ziel, das eng verbunden war mit der Verbreitung nationalistischer und deutschtümelnder Gefühle, wie Kirkness (2000, 413) erklärt: Der dreifache Zweck des Vereins bestand laut Satzung darin, die Reinigung der dt. Sprache von unnötigen fremden Bestandteilen zu fördern, die Erhaltung und Wiederherstellung des echten Geistes und eigentümlichen Wesens der dt. Sprache zu pflegen, und auf diese Weise das allgemeine nationale Bewußtsein im deutschen Volk zu kräftigen. 36 Kirkness (2000, 407) beschreibt die Zeit von 1789 bis 1819 als die Phase, „in deren Verlauf sich der entscheidende Wandel vom Sprachpurismus zum Fremdwortpurismus vollzieht“. 37 Man bemerke aber, dass nicht alle Fremdwortpuristen aus ideologischen Gründen handelten. Das bekannteste Beispiel ist Joachim Heinrich Campe (1746-1818), der wichtigste Fremdwortpurist der deutschen Sprache, der sich einsetzte für die Verdeutschung der Fremdwörter, nicht weil er getrieben wurde durch etwa nationalistische Bestrebungen, sondern weil er meinte, diese Wörter wären eine Behinderung für die allgemeine Verständlichkeit der deutschen Sprache. 38 Beispiele von Kirkness 1975, 362 ff. Zitiert nach von Polenz 1999, 269. 39 Obgleich der Verein dafür plädierte, nur die unnötigen fremden Bestandteile aus der deutschen Sprache zu entfernen, vertrat er in der Praxis einen sehr extremen Fremdwortpurismus, der treffend formuliert wird in seinen zwei bekannten Leitsprüchen: “Kein Fremdwort für das, was deutsch gut ausgedrückt werden kann” und “Gedenke auch, wenn du die deutsche Sprache sprichst, daß du ein Deutscher bist” (vgl. Kirkness 2000, 413; Von Polenz 1999, 271). Zu dem Verein gehörten vor allem Geschäftsleute, (Hochschul)lehrer und Beamte. Universitätsgermanisten hielten sich dagegen im Allgemeinen ferner von der Bewegung und übten sogar manchmal Kritik, welche aber keinen Erfolg hatte. Während des Ersten Weltkrieges wurde der deutsche Nationalismus noch heftiger und mit ihm auch die Aktivitäten des Sprachvereins, der anfing, u.a. Orts- und Straßennamen, allerhand Beschriftungen in der Öffentlichkeit und Speisekarten zu ändern. Darüber hinaus wurde manchmal Personen, die diese Regeln nicht befolgten, eine Strafe auferlegt. Die extremen Standpunkte des Vereins werden unterstrichen durch ihren Versuch, die deutschen Monatsbezeichnungen zu verdeutschen: Jänner, Hornung, Lenzmond, Ostermond, Wonnemond, Sonnwend, Heuert, Aust, Scheidung, Gilbhart, Nebelung, Christmond.39 Nach dem Krieg nahm der Erfolg der Bewegung, die ab 1923 einfach Deutscher Sprachverein hieß, wieder einigermaßen ab, um am Ende der zwanziger Jahre wieder zu steigen und in den ersten Jahren des nationalsozialistischen Regimes einen neuen Höhepunkt zu erreichen. 3.1.2. Deutscher Sprachverein im Nationalsozialismus Nach dem Ergreifen der Macht durch die Nationalsozialisten suchte der Deutsche Sprachverein deutlich Annäherung zur Partei. Die Bewegung, die sich die Sprachpolitik Mussolinis zum Vorbild nahm, hoffte, dass sie ihre Zwecke mit Hilfe der neuen Diktatur verwirklichen konnte, und nannte sich sogar die „SA unserer Muttersprache“ (vgl. Kirkness 2000, 414; Von Polenz 1999, 277).40 Es war jedoch alles eitle Hoffnung, denn die Sprache der bedeutendsten Nationalsozialisten war durch ihre vielfache Verwendung von Fremdwörtern den fremdwortpuristischen Ansprüchen gerade entgegengesetzt. Es dauerte denn auch nicht lange, bis einige Mitglieder des Vereins Kritik übten an den obersten Naziführern und sogar 39 Beispiele von Bernsmeier 1980, 123ff. Zitiert nach von Polenz 1999, 277. Die Annäherung kann laut von Polenz (1999, 277) aber auch erklärt werden als ein „Versuch der Kompensation einer rückläufigen Tendenz“ in der Popularität des Vereins zwischen 1930 und 1933. 40 40 an Hitler selbst mit der Bitte um Vermeidung der Fremdwörter in Zukunft.41 Sie dachten, dem „Führer“ helfen zu können, indem er für das ganze Volk verständlich sprechen würde, ohne daran zu denken, dass dies gar nicht immer die Absicht Hitlers war. Sie erließen verschiedene Aufrufe in ihrer Zeitschrift Muttersprache, wie der folgende Abschnitt demonstriert: Wer zu allen Volksgenossen spricht, wer auf alle einwirken will, dessen Pflicht ist es, so zu sprechen, daß er allen verständlich sei. Wer Deutsche führen will, muß deutsch zu ihnen reden. (Muttersprache 48, 1933, 97f.) Der Deutsche Sprachverein schlug von 1933 bis 1935 Alternativen vor für die Fremdwörter der Partei, so etwa Werbeminister für Propagandaminister, Sammel-, Zwangs- oder Straflager für Konzentrationslager und Entmannung, Unfruchtbarmachung für Sterilisation.42 Die prominenten Mitglieder des Vereins verteidigten allerdings die Haltung des „Führers“ und konzentrierten sich dagegen auf Fremdwörter im öffentlichen Leben. Sie plädierten beispielsweise für nicht-fremdsprachliche Bezeichnungen in Speisekarten und auf Ladenschildern und für eine fremdwortfreie Sprache im Rundfunk und in amtlichen Texten. Ihre Fremdwortverdeutschungen und deutschtümelnde Ideen wurden von vielen Deutschen, sogar von manchen wichtigen Nazis wie Göring, positiv empfangen, aber nie von Hitler, Goebbels und Himmler. Auch auf akademischer Ebene wurden Vorschläge gemacht, welche ebenfalls nur wenig Erfolg bekamen: Hochschulführer (Rektor), Seelkunde (Psychologie), hochschulhaft (akademisch).43 Ein weiterer Schritt wurde 1936 getan, als auch der antisemitische Charakter des Nationalsozialismus im Deutschen Sprachverein aufgenommen wurde und neben nationalistischen Motivierungen jetzt auch rassistische ihren Weg im Verein fanden. Triebfeder dieser Initiative war Alfred Götze mit seiner Kritik am Wort Keß (vgl. von Polenz: 1999, 279; 1979, 12 f.): ein Wort, das aus dem Jiddischen stammt und via die Gaunersprache ins Deutsche gekommen ist. Auch Wörter wie berappen, beschummeln, Kittchen, Kohldampf usw. wurden kritisiert wegen ihrer jüdischen Herkunft. Es handelt sich hier aber um Wörter, die zur Alltagssprache gehörten und von den Sprechenden gar nicht als Fremdwörter erkannt wurden. Im Gegensatz zu den meisten anderen verdeutschten Fremdwörtern wird hier bloß die Etymologie in Betracht gezogen und sind keine fremdsprachlichen Elemente mehr im 41 Ihre Kritik ging allerdings weiter als bloß am Fremdwortgebrauch. Andere Aspekte der nationalsozialistischen Sprache, wie z. B. die Abkürzungsmanie (vgl. Simon 1995, 65 f.), wurden auch abgewertet. 42 Beispiele von von Polenz (1999, 278). 43 Idem. 41 aktuellen Zustand der Wörter zu beobachten. Demzufolge kann hier nicht von Fremdwörtern die Rede sein. Trotzdem bekam Götze schon bald Nachfolge, und wurden von verschiedenen Personen ähnliche Beiträge geliefert. Der Verein bekam durch seine Kritik schon mehrere prominente nationalsozialistische Gegner, aber der wirkliche Untergang wurde 1937 eingesetzt, als sich herausstellte, dass Eduard Engel, ein leidenschaftlicher Vorkämpfer des Fremdwortpurismus aus der Zeit des Ersten Weltkrieges und ein Ehrenmitglied des Vereins, ein Jude war.44 Als danach auch Goebbels sich an einem öffentlichen Treffen abfällig über den Verein äußerte, wurden die fremdwortpuristischen Aktivitäten größtenteils eingestellt.45 Diese Einstellung wurde bekräftigt durch eine Erklärung des Vorsitzenden des Vereins, Dr. Rudolf Buttmann, in der öffentlich auf die Fremdwortjagd verzichtet wurde.46 Nachdem 1938 der Presse untersagt wurde, noch über fremdwortpuristische Themen zu schreiben, kam schließlich das offizielle Ende des Deutschen Sprachvereins 1940 durch einen Erlass von Hitler selbst. 3.2. Nationalsozialistischer Umgang mit Fremdwörtern 3.2.1. Misserfolg der Fremdwortpuristen im ‚Dritten Reich‘ 3.2.1.1. Abneigung gegen den Fremdwortpurismus Auf den ersten Blick scheint die fremdwortfreundliche Haltung der nationalsozialistischen Führung vielleicht eine Überraschung zu sein, weil das pränazistische Deutschland, wie sich im vorigen deutlich gezeigt hat, eine überaus starke fremdwortpuristische Tradition gekannt hat. Man könnte demnach erwarten, gleichwie die meisten damaligen Fremdwortjäger gemacht haben, dass man in einem extrem nationalistischen und xenophoben Regime wie dem Nationalsozialismus diese Tendenz einfach fortgeführt hätte. Zudem galt die faschistische Sprachpolitik Italiens gar nicht als ein Vorbild für Hitler, obwohl der „Führer“ mehrmals seine Bewunderung für Mussolini ausgesprochen hatte und viele Aspekte seines ‚Dritten Reichs‘ völlige Nachahmungen der faschistischen Diktatur bildeten: 44 Ein bekanntes Zitat von ihm aus Muttersprache (52, 1937, 141ff.) lautet: „Nur ein deutschsprechendes deutsches Volk kann Herrenvolk werden und bleiben.“ 45 Laut Simon (1995, 73) ist Goebbels Seitenhieb nicht in erster Linie der Kritik des Vereins an der Sprache der NS-Führer zuzuschreiben, sondern war sie vor allem eine machtpolitische Wahl, mit der Goebbels die Ehrgeiz mancher Fremdwortpuristen Einhalt gebieten wollte. 46 Der Deutsche Sprachverein bekundete außer dem Fremdwortpurismus zwar noch mehrere andere, weniger politisch inspirierte Arten von Sprachpflege, wie etwa in Sachen Wortbildung, Auslandsdeutschtum, Aussprache, usw. (vgl. von Polenz 1999, 282). 42 Aber so wie der Titel Führer nur eine Verdeutschung von Duce ist, und das Braunhemd nur eine Variation des italienischen Schwarzhemds, und der Deutsche Gruß nur eine Nachahmung des Faschistengrußes, so ist die gesamte Filmaufnahme solcher Szenen als Propagandamittel, so ist die Szene selber, die Führerrede vor dem versammelten Volk, in Deutschland dem italienischen Vorbild nachgeformt worden. (Klemperer 1969, 56) Trotz dieses faschistischen Einflusses und der deutschen Tradition von Fremdwortpuristen entschieden sich die nationalsozialistischen Leiter dafür, einen ganz anderen Kurs zu nehmen. Für die Ablehnung der Fremdwortpuristen von Seiten der Nationalsozialisten gibt es mehrere Gründe. Ein erster wichtiger Aspekt war ihre negative Haltung gegenüber der Deutschtümelei, die, analog zur faschistischen italianità, weit verbreitet war bei der Mehrheit der Fremdwortpuristen. Diese betrachteten die Sprache nicht pragmatisch, sondern wurden ausschließlich von romantischen, nationalistischen Gefühlen beseelt. Fremdwörter waren nach ihrer Ansicht ohne Vermittlung der Sprecher in die Sprache eingedrungen und wurden daher als ein Symbol von Überfremdung aufgefasst. Eine reine deutsche Sprache, gesäubert von allen fremden Elementen, betrachteten sie als notwendig für die Wiederherstellung des romantischen Deutschlands. Mit dem Aufmarsch des Nationalsozialismus wurde Hitler schon bald gesehen als die ideale Person für die Realisierung dieser Ideale, aber zum Leidwesen der Fremdwortpuristen hatten die Naziführer, im Gegensatz zu Mussolini und den italienischen Faschisten, gar keine Sympathie für diese Deutschtümelei: Goebbels hat in einer Presseanweisung vom 23. 10. 1935 die „völkischen Propheten“ verhöhnt, „von denen der Führer in seinem Buch „Mein Kampf“ sagt, sie würden sich am liebsten wieder mit Bärenfellen bekleiden, und die im übrigen behaupten, sie hätten den Nationalsozialismus schon vierzig Jahre vor ihm erfunden“. (Von Polenz 1999, 281) Hitler war des Weiteren, ungeachtet seiner rassistischen Auffassungen von ‚Nation‘ und ‚Nationalstaat‘, ein entschiedener Gegner der Germanisierung durch Sprache (Von Polenz 1999, 156f.). Wie er in Mein Kampf (2009, 353ff.) erklärte, lagen Volkstum und Rasse für ihn nicht in der Sprache, sondern im Blut, und demzufolge bildeten Fremdwörter im Deutschen gar keine Unreinheiten. Goebbels äußerte sich auf ähnliche Weise im Völkischen Beobachter: 43 Unsere heutigen deutschtümelnden Sprachakrobaten vergessen meistens, daß die Deutschheit aus dem Wesen unseres Volkes und nicht aus einer erdachten Theorie abgeleitet werden muß.47 Die Unabhängigkeit der deutschen Sprache von der nationalen Identität ist durchaus logisch, wenn man daran denkt, dass das Deutsche gleichfalls die Muttersprache vieler Juden war. In dem Sinne konnte die Sprache für die Nationalsozialisten unmöglich eine Grundlage der deutschen Identität bilden.48 Diese Ansicht steht im klaren Gegensatz zu derjenigen der italienischen Faschisten, welche eine reine und einheitliche Sprache für eine unbedingte Voraussetzung der italienischen Nation hielten (siehe 2.2.1.). Den Naziführern war es weiterhin klar, dass viele Eindeutschungen unpraktisch und gerade nicht verständlicher waren als die Fremdwörter, und dass die Annahme von Fremdwörtern ein natürlicher Prozess ist, der in jeder Sprache vorkommt. Hitlers Gedanken hierüber werden in den sogenannten Tischgesprächen (Picker 1963, 192f.) wiedergegeben. Seiner Meinung nach sollte mit der Aufnahme einer ausländischen Erfindung oder eines von Ausländern geprägten Begriffs gleichfalls die fremde Form übernommen werden: Es ist ein Gebot der Aufrichtigkeit, mit dem Wort Theater (auch) die Institution als solche abzulehnen. Eine Gemeinheit wäre es, die Institution zu übernehmen, aber so zu tun als hätten wir sie erfunden. Er glaubte, die meisten Deutschen seien auf keinen Fall im Stande, geeignete Eindeutschungen für Fremdwörter vorzuschlagen. Diese Angelegenheit sei nur den größten Denker eines Volkes – Hitler nennt Schopenhauer als einziger zuständiger – vorbehalten. Schließlich sah der „Führer“ Fremdwörter nicht als eine Bedrohung, sondern als eine Bereicherung der deutschen Sprache. Er hat mehrmals vom Leder gezogen gegen die Fremdwortpuristen, welche er als „die Todfeinde der deutschen Sprache“ (Picker 1963, 192) bezeichnete. Goebbels konnte sich ebenso wenig finden in die künstlichen Verdeutschungen, etwa Brotgemeinschaft für Kompanie, Meuchelpuffer für Revolver oder Streifen-Selb für Zigarettenautomat, weil sie möglicherweise „eine geradezu babylonische Sprachverwirrung“ verursachen würden (Simon 1995, 72). Fremdwörter an sich sind auf jeden Fall nicht 47 Zitiert nach von Polenz 1967, 94f. Im Gegensatz zu den Fremdwörtern wurden Eigennamen nicht germanischen Ursprungs von den Behörden häufig nicht akzeptiert. Hier kam der rassische Aspekt schon in Betracht und wurden Namen, die als typisch ‚deutsch‘ galten, ohne weiteres bevorzugt. Klemperer (1969, 80ff.) bemerkt, dass christliche Vornamen deutlich mit einem negativen Ruf verbunden waren, da ihre Träger oft mit der Opposition assoziiert wurden und dass sicherlich Namen, die aus dem Alten Testament stammen, verboten waren. Ein deutsches Kind konnte keinen Namen wie Lea oder Sara bekommen. Gleicherweise wurden für die Orte im deutschen Territorium (nicht diejenigen in den okkupierten Ländern) nur germanische Namen akzeptiert. 48 44 unverständlicher als eventuelle Eindeutschungen, auch wenn viele Fremdwortpuristen meinten, dem „Führer“ helfen zu können, um verständlicher zum Volk zu reden. Behaupten, dass die Nationalsozialisten sich den Fremdwortpuristen an erster Stelle wegen dieser Unverständlichkeit mancher Eindeutschungen widersetzten, wäre trotzdem ein Irrtum, denn, wie sich im Folgenden noch herausstellen wird, setzten die Nazis Fremdwörter oft ein für Ziele, die der allgemeinen Verständlichkeit gerade entgegensetzt waren. Ungeachtet der starken Aversion konnten die Nationalsozialisten ihre negativen Gedanken über die Fremdwortpuristen vor der Machtergreifung und am Anfang des nationalsozialistischen Regimes nicht allzu öffentlich äußern, denn zu den Deutschtümelnden gehörte ein nicht geringe Zahl der deutschen Bevölkerung, die sie im Wahlkampf und beim Ausbau der neuen Diktatur brauchten. Jedoch mussten sie nie dem puristischen Zwang erliegen und konnten sie nach einigen Jahren die Fremdwortjäger ganz mundtot machen. Dies war möglich durch eine quasi vollständige Beherrschung der Kommunikation, Sprache und Öffentlichkeit im Nationalsozialismus, die diejenige der italienischen Diktatur weit überlegen waren (vgl. Ille 1980, 213). Da Mussolini, der übrigens kein extremer Fremdwortpurist war (siehe 2.2.3.2.), immer mehr mit den Wünschen anderer Instanzen rechnen musste, ist es sehr wahrscheinlich, dass für ihn, eine antipuristische Haltung nicht möglich gewesen wäre. Die Ablehnung des Fremdwortpurismus wurde im Zweiten Weltkrieg noch gesteigert durch die nationalsozialistische Expansionspolitik, denn nach der Besetzung der europäischen Länder profilierte sich das nazistische Deutschland immer mehr als Verteidiger West-Europas (vgl. von Polenz 1999, 281), aufs Neue ein scharfer Kontrast mit den italienischen Faschisten, die eine deutlich autarke Politik führten und sich viel weniger mit solchen ausländischen Aufgaben beschäftigten. In dieser Hinsicht sollte die deutsche Sprache einen internationalen Charakter zeigen, mit der Folge, dass von Fremdwortpurismus gar nicht mehr die Rede sein konnte. Es ist daher auch kein Zufall, dass der Deutsche Sprachverein gerade 1940 durch einen Erlass Hitlers offiziell zu Ende kam. 3.2.1.2. Andere Probleme des deutschen Fremdwortpurismus Außer dem direkten Widerstand der Nationalsozialisten, der schon allein das Überleben des Fremdwortpurismus im ‚Dritten Reich‘ unmöglich machte, hatte die Bewegung noch mit 45 einigen anderen Problemen zu tun in Bezug auf die fremdwortpuristische Vorgehensweise, die deutsche Sprachgeschichte und den traditionellen deutschen Umgang mit Fremdwörtern. Ein fundamentales Problem war die reine Bewertung der Wörter nach ihrem Ursprung, ohne dass dabei die gegenwärtige Funktion im sprachlichen System in die Untersuchung einbezogen wurde. Die Fremdwortpuristen zogen nicht in Betracht, dass Fremdwörter auf natürliche Weise von Sprechern aufgenommen werden und einen wesentlichen Teil jeder Sprache bilden. Die etymologische Haltung bei der Untersuchung von Wörtern war allerdings ein allgemeines Phänomen der traditionellen Linguistik im deutschen Sprachraum, und da die meisten Fremdwortpuristen mit dieser Vorgehensweise mehr oder weniger bekannt waren, handelt es sich ohne weiteres um „popularisierte und pervertierte Wissenschaft“ (Von Polenz 1979, 15). Die Nationalsozialisten dagegen zeigten eine viel pragmatischere Haltung, indem sie interessiert waren an den synchronen Eigenschaften des Wortes, nicht etwa aus einem wissenschaftlichen Bewusstsein heraus, sondern weil sie das Fremdwort für ihre politischen Zwecke gebrauchen und vor allem missbrauchen konnten (siehe 3.2.2.). Zweitens soll noch mal darauf hingewiesen werden, dass der italienische Fremdwortpurismus Teil war eines allgemeinen Sprachpurismus, der helfen sollte bei der Verbreitung der Standardsprache, welche viele Italiener in den ersten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts nicht oder nur mangelhaft kannten. In Deutschland dagegen gab es schon am Ende des achtzehnten Jahrhunderts eine Art Standardsprache, die im ganzen deutschen Sprachraum akzeptiert war und die die meisten Deutschen zumindest passiv kannten (Kirkness 2000, 410). In dem schon zitierten Proemio (siehe 2.1.) beschreibt Ascoli (1967, 5ff.) die Ursachen dieser sprachlichen Einheit. In Deutschland gab es ebenso wenig wie in Italien eine starke, zentrale Metropole, aber trotzdem eine, bereits im sechszehnten Jahrhundert einsetzende, andere unifizierende Bewegung, nämlich die Reformation von Luther und die Verbreitung seiner Bibelübersetzung. Durch den Unterricht und die Lektüre der heiligen Texte wurde ein hoher Grad von linguistischer Homogenität erreicht, auch wenn die politische und kulturelle Einheit noch nicht realisiert worden war. Darüber hinaus wurde die deutsche Einheit in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts, also noch mehrere Jahrzehnte vor der politischen Einheit, weiter verstärkt auf wirtschaftlicher Ebene mit der Gründung des Deutschen Zollvereins (1834). Hitler wurde dank dieser unifizierenden Tendenzen nicht mit dem Problem der sprachlichen Einheit konfrontiert, während der Mangel an einer italienischen 46 Einheitssprache dazu beitrug, dass die Lage für den Sprach- und Fremdwortpurismus günstiger war im italienischen Faschismus als im Nationalsozialismus (siehe 2.2.1.). Schließlich war der Auftrag der deutschen Fremdwortpuristen schwieriger im Vergleich zu demjenigen der Faschisten, indem sie mit einer größeren Menge Fremdwörter zu tun hatten als die italienischen Sprachpuristen. Erstens weil Wörter lateinischen oder griechischen Ursprungs, die in den meisten westeuropäischen Sprachen sowohl im kulturellen als im wissenschaftlichen Bereich stark vertreten sind, in der faschistischen Sprachpolitik gar nicht zu den Fremdwörtern gerechnet wurden. Zweitens hat es in Deutschland immer ein starkes Fremdwortbewusstsein gegeben und wurden Fremdwörter, sicherlich diejenige lateinischen Ursprungs, weniger leicht assimiliert im Vergleich zu anderen europäischen Ländern, etwa Frankreich und England: In Deutschland […], wo die lateinisch-zivilisatorischen Bestandteile nicht mit der älteren Volkssprache verschmolzen, sondern durch Gelehrtenbildung und höfische Sitte eher von jener abgegrenzt wurden, stechen die Fremdwörter unassimiliert heraus […]. (Adorno 1979, 200) Dieser starker Fremdwortbewusstsein steht in engem Zusammenhang mit dem deutschen Tradition der Fremdwörterbücher, welche zu dieser Abgrenzung und schwieriger Assimilierung beigetragen hat. Es stimmt also nicht, dass das Deutsche mehr Fremdwörter enthält als die anderen europäischen Sprachen, obgleich die deutschen Fremdwortpuristen meinten, „die Fremdwortsucht wäre ein deutscher Charakterfehler“ (Von Polenz 1967, 95f.). In anderen Sprachen, wie z. B. dem Italienischen, wurden diese Fremdwörter leichter assimiliert, wodurch sie nicht mehr als Fremdwörter, sondern als Lehnwörter betrachtet wurden, während im Deutschen diese Fremdwörter in ihrer Form behalten blieben. 3.2.2. Funktionen des Fremdwortgebrauchs Die Abneigung der Nationalsozialisten gegen den Fremdwortpurismus macht zwar die Toleranz gegenüber den Fremdwörtern im Nationalsozialismus verständlich, im Grunde erklärt sie jedoch nicht, weshalb eine solche Menge verschiedener Fremdwörter mit großer Häufigkeit angewendet und sogar oft vor ihren einheimischen Äquivalenten bevorzugt wurden. In einem Regime, das durch Sprachlenkung und Kommunikationskontrolle die Öffentlichkeit in großem Maße beherrschte, konnte es sich offensichtlich nicht um bloß 47 sprachlichen Schmuck oder reinen Zufall handeln. In den zwei folgenden Kapiteln werden die verschiedenen Funktionen des Fremdwortes und nachher diverse Beispiele behandelt. Dem Zeitzeugen Victor Klemperer (1969, 255) war schon klar, das Fremdwort diente hauptsächlich pragmatischen Zwecken, die viel wesentlicher waren als irgendwelche ideologischen oder wissenschaftlichen Argumente: Was Hitler furchtbar genau kennt und in Rechnung stellt, ist stets die Psyche der nichtdenkenden und in Denkunfähigkeit zu erhaltenden Masse. Das Fremdwort imponiert, es imponiert um so mehr, je weniger es verstanden wird; in seinem Nichtbegriffenwerden beirrt und betäubt es, übertönt es eben das Denken. Trotzdem diente augenscheinlich nicht jedes Fremdwort, das von den Nationalsozialisten verwendet wurde, pragmatischen Zielen, denn neben den imponierenden und verhüllenden Fremdwörtern gab es viele unentbehrliche Fremdwörter (siehe 1.2.). Sie konnten geläufige Wörter sein, die schon lange ihren festen Platz im deutschen Sprachraum eingenommen hatten (Politik, Nation, Familie, Dokument, Januar, Idee) oder Termini aus einem speziellen Bereich, wie der Politik, für die es keine Synonyme zur Verfügung standen: Nationalsozialismus, Regierung, Faschismus, Präsident, Kommunismus. In solchen Fällen zeigt sich die Wahl für ein Fremdwort notwendig, ohne dass ihr ein bestimmtes Ziel zugrunde liegen muss. Bevor die verschiedenen Funktionen des Fremdwortgebrauchs genauer besprochen und illustriert werden, muss zuerst noch kurz hingewiesen werden auf die wichtigsten sprachpolitischen Vorgehensweisen, die den allgemeinen Umgang der Nationalsozialisten mit dem deutschen Wortschatz kennzeichneten und ebenfalls bei ihrem Fremdwortgebrauch hervortraten, nämlich Bedeutungsbeschränkung, Bedeutungsänderung und Ersetzung einzelner Wörter, die oft durch Verbot eliminiert wurden, durch andere Wörter (vgl. von Polenz 1999, 555; Sennebogen 2008, 171f.). Wie Sennebogen (2008, 172) bemerkt, wurde die Sprache im Nationalismus nicht so sehr geprägt von der Einführung ganz neuer Wörter ins Deutsche, sondern vor allem von Veränderungen auf der Bedeutungsebene, welche das Ergebnis gezielter Manipulierung und Lenkung schon vorhandener Wörter darstellte. Im Folgenden wird sich herausstellen, dass dies gleichermaßen der Fall war beim Fremdwortgebrauch, da viele der verwendeten Fremdwörter nicht von den Nationalsozialisten als neue Wörter ins Deutsche übernommen wurden, sondern schon Teil der deutschen Sprache waren und in einem anderen Kontext gebraucht wurden oder eine neue Konnotation 48 bekamen. Das ergeben einer neuen Konnotation ist gleichfalls häufig bei unentbehrlichen Fremdwörtern aufzumerken, deren Anwendung demnach nicht immer so unschuldig war, wie man auf den ersten Blick vermuten würde, aber darauf wird im Folgenden anhand verschiedener Beispiele näher eingegangen. 3.2.2.1. Imponieren Der erste Aspekt, der aus dem Zitat Klemperers hervortritt, ist jener des Imponierens. Die Nationalsozialisten zielten darauf, das Denken ihrer Zuhörer oder Leser mittels der Sprache zu manipulieren, indem sie auf das Gefühl wirkten und so versuchten, die Ratio auszuschalten. Dafür verwendeten sie diverse Sprachmittel wie Metaphern, Superlative, Wiederholungen, typische Prosodie, aber auch Fremdwörter spielten darin eine wichtige Rolle. Sie sind, wie die Beispiele zeigen werden, oft expressiver, suggestiver oder prägnanter als ihre einheimischen Äquivalente. Zudem enthalten sie meistens fremde Klänge und eine vom Deutschen abweichende, d. h. nicht auf der ersten oder Stammsilbe liegende (Duden Fremdwörterbuch 1982, 9), Betonung, wodurch sie sich von vielen anderen deutschen Wörtern unterscheiden. Hitler selbst hat bestätigt, dass er angezogen wurde vom schönen Klang und Wohllaut der Fremdwörter (Picker 1963, 192): Ließen wir unseren Sprachverbesserern freie Hand, so würde unsere Sprache mit der Zeit den ganzen Wohllaut verlieren und nicht mehr schön sein! […] Seien wir doch dankbar für die Klangfarben der uns zu Begriffen gewordenen Fremdworte! Die reine Ausdrucksform der Fremdwörter konnte offenbar schon eine anziehende oder aufreizende Wirkung auf das Publikum haben und so zum grotesken und theatralischen Charakter der nationalsozialistischen Reden beitragen. Zudem waren viele Fremdwörter, die zu bestimmten Fachgebieten gehörten, weniger üblich beim normalen Volk, und dadurch waren sie desto eindrucksvoller und gaben sie den nationalsozialistischen Reden und Texten den Schein einer wissenschaftlichen, politischen oder amtlichen Korrektheit. Die fremden Begriffe wurden so, wie Ille (1980, 215) es formuliert, „zu Signalen des Großen und Unerreichbaren, ohne daß man ihren genauen semantischen Inhalt immer gekannt hätte“. Daneben war es auch von Bedeutung, dass Hitler, nachdem er die Realschule frühzeitig ohne Abschluss verlassen hatte, als ein typischer Autodidakt versucht hat, durch „die Lektüre von allerhand Büchern […] seinen Mangel an Schulkenntnissen [zu kompensieren]“ (Loohuis 1975, 7). In dem Sinne wurden Fremdwörter angewendet zum Prahlen und zur Überzeugung 49 des Publikums vom Intellekt des Sprechers, was beim normalen Volk oft Erfolg hatte, bei klügeren Zuhörern dagegen viel weniger Eindruck machte.49 Die imponierende Funktion ist in vielen Fremdwörtern anwesend: Triumph klingt großzügiger als Sieg oder Eroberung, heroisch ist überwältigender als heldenhaft und erinnert zudem an die griechischen Helden der Antike, wie Loohuis bemerkt (1975, 46). Ein beliebtes Fremdwort war Garant, das im ‚Dritten Reich‘ immer mehr verwendet wurde statt des ehemals üblichen Wortes Bürge. Indem die Bürger als Garanten angesprochen wurden, schien ihre Rolle in der Gewährleistung der Nationalsozialismus viel bedeutungsvoller. Weitere Beispiele sind Kulmination, das geheimnisvoller klingt als Erreichen des Höhepunkts, infam, das verdorbener klingt als gemein (Bork 1970, 96) und diffamieren, das „Renommierfremdwort Hitlers“ (Klemperer 1969, 198), das mehr Eindruck macht als einfach verleumden. Ebenfalls populär in der nationalsozialistischen Rhetorik war die religiöse Metaphorik, mit der Hitler und seine Anhänger sich selbst und ihren politischen Plänen einen fast heiligen Charakter beimaßen: Mission statt Aufgabe, prophezeien statt andeuten (Bork 1970, 81) und Märtyrer statt Opfer. Zu den Adjektiven des Totalitarismus, die von den Nationalsozialisten verwendet wurden, um ihre Aussagen extra Kraft zu verleihen und sich möglicher Kritik zu entziehen, gehörten ebenfalls viele Fremdwörter: energisch, gigantisch, total, absolut, triumphal (Von Polenz 1999, 554), brutal und barbarisch (Ille 1980, 215). Das wichtigste Adjektiv, und eines der bekanntesten Wörter des Regimes, war fanatisch (und damit zusammenhängend Fanatismus und Fanatiker), das eine der wesentlichsten Tugenden der Partei und seiner Anhänger werden sollte und daher auch mit sehr hoher Häufigkeit verwendet wurde: An Festtagen, an Hitlers Geburtstag etwa oder am Tag der Machtübernahme, gab es keinen Zeitungsartikel, keinen Glückwunsch, keinen Aufruf an irgendeinen Truppenteil oder irgendeine Organisation, die nicht ein »fanatisches Gelöbnis« oder »fanatisches Bekenntnis« enthielten, die nicht den »fanatischen Glauben« an die ewige Dauer des Hitlerreiches bezeugten. (Klemperer 1969, 65) Fanatismus ist des Weiteren ein gutes Beispiel von Bedeutungsänderung im Nationalsozialismus, denn es war ein Wort, das vor dem ‚Dritten Reich‘ eine deutlich negative Konnotation enthielt, sich aber nach der Machtergreifung allmählich ins Positive umgewandelt hat. Es bedeutet die „blind enthusiastische, rücksichtslose Einsatzbereitschaft“ 49 „Er ist als Führer im selben Atem stolz auf seine Unbeschwertheit von der »sogenannten Bildung von früher« und stolz auf sein selbsterworbenes Wissen“ (Klemperer 1969, 255). 50 (Schmitz-Berning 2000, 224) und konnte nicht durch ein einheimisches Wort völlig ersetzt werden: Eifer ist harmloser, Besessenheit ist eher mit einem krankhaften oder bemitleidenswerten Zustand verbunden und Schwärmerei ist viel heller im Ton (Klemperer 1969, 64). Die Nationalsozialisten hatten mit fanatisch ein „Schlagwort gefunden, mit dem alles zu rechtfertigen war und das schließlich den scheußlichsten Verbrechen noch die Legitimation erteilte“ (Daniels 1979, 153). Fremdwörter bildeten selbstverständlich einen wesentlichen Teil der bekannten LTI (= Lingua Tertii Imperii) von Klemperer. Auffallend ist, dass schon das erste Wort, das für ihn unauslöslich mit dem Nazismus verbunden war, ein Kompositum mit einem Fremdwort als Konstituente ist, das vor allem am Anfang des Regimes verwendet wurde: Strafexpedition. Klemperer (1969, 48) beschreibt, welche fremden Assoziationen es bei ihm auslöste: Was ich mir irgend an brutaler Überheblichkeit und an Verachtung fremder Menschenart denken konnte, drängte sich in diesem Wort Strafexpedition zusammen, es klang so kolonial, man sah ein umstelltes Negerdorf, man hörte das Klatschen der Nilpferdpeitsche. Das Wort, das eine Aktion gegen Feinde des Regimes beschreibt, hatte eine deutliche Wirkung auf die Deutschen, indem es sie Angst einflößte. Es handelt sich hier um eine spezielle Form des Imponierens, nämlich das Schüren von Angst, um jede Form von möglicher Kritik oder von Widerstand abzuwehren. Vor allem am Anfang des Nationalsozialismus war dies eine wesentliche Aktivität, später aber, als die neue Macht sich einmal gefestigt hatte, waren solche radikalen Wörter weniger erwünscht. So wurde Strafexpedition, das allzu deutlich die Unrechtmäßigkeit der Aktivität betont, ersetzt durch das „reguläre und amtliche“ (Klemperer 1969, 48) Polizeiaktion. Dieser Begriff ist ebenfalls ein Fremdwort, aber es war den Menschen bekannt und klang viel neutraler. Im Gegensatz zu Strafexpedition war es nicht so prägnant und gerichtet auf Ängstigen, sondern es sollte eher die Verbrechen gegen die Feinde des Regimes verhüllen. Dieses Beispiel zeigt gut, wie sehr die Wahl eines Wortes im Nationalsozialismus gesteuert wurde durch die pragmatischpolitischen Zwecke, welche sich je nach Lage und Zeit ändern konnten, und es bildet zugleich den Übergang zum nächsten Kapitel. 51 3.2.2.2. Verschleierung Der zweite sprachliche Zweck, auf den Klemperer in seinem Zitat hinweist, und der mit dem ersten Aspekt zusammenhängt, ist derjenige der Tarnung. Diese war schon anwesend am Anfang des ‚Dritten Reichs‘, da die Nationalsozialisten viele ihrer verbrecherischen Aktivitäten verhüllen mochten; sie wurde im Laufe des Zweiten Weltkrieges immer wichtiger, als die Krisen und Niederlagen sich häuften.50 Viele Fremdwörter waren dem Publikum unbekannt und gerade deshalb ein ideales Instrument in der auf Geheimhaltung gerichteten Politik der Nationalsozialisten. Die tarnende Funktion von Fremdwörtern wird deutlich in Wörter wie Evakuierung und Desinfektion. Ersteres beschreibt die „von der Reichsbahn nach Fahrplan betriebene Transporte in den Tod“, letzteres die Ermordung in den Gaskammern (Sennebogen 2008, 174; 179). Auf ähnliche Weise verhüllt der Begriff Konzentrationslager den Gräuel und Massenmord, die in diesen Orten stattfanden, nicht im geringsten durch seinen fremden Klang, wie Klemperer (1969, 41f.) bestätigt: „Ich habe das Wort nur als Junge gehört, und damals hatte es einen durchaus exotisch-kolonialen und ganz undeutschen Klang für mich“. Zudem war das Wort gar nicht mehr geläufig im allgemeinen Sprachgebrauch bis es von den Nationalsozialisten aufs Neue introduziert wurde. Dass die vorgeschlagenen Verdeutschungen der Fremdwortpuristen, etwa Zwangs- oder Straflager (siehe 3.1.2.), für die NS-Führung unakzeptabel waren, ist eine Selbstverständlichkeit, denn sie legten schon zu viel den strafenden Charakter der Lager bloß. Aus ähnlichen Gründen konnte die gezwungene Sterilisation des Regimes nicht beschrieben werden als Entmannung oder Unfruchtbarmachung (siehe 3.1.2.). Sosehr sich die Nationalsozialisten auch um die Tarnung ihrer Straftaten bemühten, die von ihnen benutzten Begriffe wurden längst nicht immer von allen Deutschen als harmlose Tätigkeiten hingenommen. So wurde die Täuschung vom Linguisten Klemperer durchschaut, wie seine bereits angeführten Notizen zeigen. Ein weiteres Beispiel dieser Entlarvung, so Sennebogen (2008, 178f.), stellen die Reaktionen auf das Euthanasieprogramm der Nationalsozialisten dar, wie diejenige des Bischofs von Galen, der vom Massenmord an geistig Behinderten sprach, und auf diese Weise einen einjährigen Stopp von großen Teilen des Mordprogramms bewirkte. Solche enthüllende Termini wurden 50 Am Anfang des Regimes gab es vor allem „Verschleierung des Verbrechens“, am Ende dagegen wurde es immer mehr „Verschleierung der Ohnmacht“ (Klemperer 1969, 230). 52 jedoch nur selten in der Öffentlichkeit ausgesprochen, und wer es wagte, musste dafür häufig mit seinem Leben bezahlen. Die „Abgrenzung des Eigenen vom Fremden“ (Sennebogen 2008, 171) war eine wichtige Funktion der Bedeutungsbeschränkung. Auch in diesen Fällen wurde das Fremdwort nicht automatisch mit dem fremden und daher negativ empfundenen Konzept verbunden, ganz im Gegenteil, denn viele Fremdwörter waren exklusiv für die Aktivitäten der nationalsozialistischen Partei bestimmt. Das bekannteste Beispiel diesbezüglich ist das Wort Propaganda, das ausschließlich der eigenen Partei vorbehalten war. Die Nationalsozialisten wählten den Begriff, „um die Unwissenden mit einem fremd klingenden Wort zu umnebeln und den Wissenden unmißverständlich klarzumachen, daß es gegen diese Art von ‚Volksaufklärung‘ keinen Widerspruch gab“ (Von Polenz 1967, 83). Für ihre politischen Gegner verwendeten sie dagegen das deutsche Wort Hetze (Von Polenz 1999, 555), das eine deutlich negative Aussagekraft hat. Ein anderes Beispiel ist Kongreß, das ebenfalls nur für die Kongresse der nationalsozialistischen Partei bestimmt war, in den anderen Fällen war einfach die Rede von Tagung (Von Polenz 1999, 555). Das Fremdwort konnte allerdings auch für die Gegner vorbehalten sein: Bomber sollte nur die feindliche Flugzeuge bezeichnen, Kampfflugzeug dagegen nur die eigenen. Diese Entscheidungen wurden bekräftigt durch offizielle Pressemitteilungen, die für alle Deutschen bestimmt waren, aber an erster Stelle für öffentliche Texte galten. 3.2.3. Unbeliebte Fremdwörter Wie sehr die Nationalsozialisten das Fremdwort zur Sprachlenkung einsetzten, sie verhielten sich nicht als vollständige Gegenpole der Fremdwortpuristen, indem sie jedes Mal ein Fremdwort bevorzugten, wo es möglich war. Es gab denn auch verschiedene Fremdwörter, die eine deutlich negative Konnotation bekamen, ersetzt wurden durch Eindeutschungen oder sogar verboten wurden. In manchen Fällen hatten deutsche Wörter eine effektivere Wirkung wie Fremdwörter. So wurde Jurist ersetzt durch Rechtswahrer (Sennebogen 2008, 171), eine Bezeichnung, die aus seinem Träger fast automatisch eine ehrliche, gerechte Person macht. Das Fremdwort Partisanen wurde ersetzt durch weniger euphemistische Begriffe wie Heckenschützen, 53 Banden, Mordbrenner (Von Polenz 1999, 555) oder Banditen (Sennebogen 2008, 171), die viel deutlicher den kriminellen Aspekt betonten. In anderen Fällen dagegen wurden deutsche Wörter bevorzugt, weil sie gerade viel weniger suggestiv waren als die äquivalenten Fremdwörter und so der nationalsozialistischen Taktik des Verschleierns dienen konnten. Versorgungskrise zum Beispiel klang zu negativ und deshalb wurde das mehr verhüllende Wort Engpaß (Von Polenz 1999, 555) bevorzugt.51 Verschiedene Fremdwörter wurden explizit mit einem Verbot belegt, wie etwa Antisemitismus. Die Verwendung dieses Wortes wurde untersagt, nicht weil die Nationalsozialisten ihren Judenhass verbergen mochten, sondern weil der Ausdruck negative Folgen haben konnte für ihre außenpolitischen Interessen (Schmitz-Berning 2000, 38). Der Begriff umfasste nämlich auch die nichtjüdischen Semiten und konnte daher Probleme verursachen in den Beziehungen zu der arabischen Welt, die den Nationalsozialisten als besonders wichtig galt. Um deutlich zu machen, dass ihre Politik nur die Juden visierte, sollten Wörter wie Judenfeindschaft oder Antijudaismus verwendet werden. Ein anderes Wort, das von der nationalsozialistischen Führung verboten wurde, ist Plexiglas, ein Material, das bei der Ausrüstung der deutschen Einmann-Torpedo verwendet wurde. Die Medien wurden gebeten, nur noch den Begriff Kunstglas zu wählen, weil Plexi-Glas ein Produkt war, das wahrscheinlich zu den Kriegsgeheimnissen der Nationalsozialisten gehörte und den Feinden nicht offenbar gemacht werden durfte (Szalatnay 2009, 147). Weitere Beispiele von verbotenen Wörtern sind Alliierte und liquidieren (Von Polenz 1999, 555). Eine wesentliche Gruppe von unbeliebten Fremdwörtern sind diejenigen, die von den Nationalsozialisten nachdrücklich mit der Weimarer Zeit verbunden wurden und daher eine pejorative Konnotation bekamen. System z. B. bezeichnete ausschließlich das Regierungssystem der Weimar Republik und sollte auf keinen Fall in nationalsozialistischen Kontexten angewendet werden. Ihr eigenes Regierungssystem dagegen nannten die Nationalsozialisten Organisation. Auch für viele Fremdwörter aus dem kulturellen Bereich wurden im Nationalsozialismus Verdeutschungen introduziert, um die Trennung von den Einrichtungen der Weimarer Republik deutlich zu machen: Literatur – Schrifttum, Reporter – 51 Als aber in den letzten Jahren des Krieges die Misserfolge und Probleme sich häuften, wurde das Wort Krise immer mehr verwendet, weil es doch noch weniger negativ klang als etwa Niederlage. Wie Klemperer (1969, 232) sagt, stand das Wort aber selten allein und bezog man vielfach den Rest der Welt oder Europas ein, indem man von der “Weltkrise“ oder der „Krise der abendländischen Menschheit“ sprach. Oder man versuchte, die problematische Lage zu entkräften durch den Ausdruck „gemeisterte Krise“. 54 Berichterstatter (Von Polenz 1999, 281). Diese Verdeutschungen für unentbehrliche Fremdwörter des kulturellen Bereichs sehen fast aus wie Versuche der Fremdwortpuristen! Der Unterschied ist aber, dass bei den Nationalsozialisten die alten Begriffe nicht verschwinden sollten, sondern zusammen mit den anderen Wörtern in Gebrauch blieben, um die Trennung zwischen dem alten und dem neuen Regime hervorzuheben. Ein anderes geradezu verhasstes Wort war Philosophie, weil es als Verkörperung der Vernunft und des kritischen Denkens der nationalsozialistischen Propaganda, die gerade auf die Ausschaltung der Ratio gerichtet waren, entgegengesetzt war. Der Terminus Weltanschauung, der weniger mit Verstand, sondern eher mit Gefühl assoziiert wird, wurde bevorzugt, wie Klemperer (1969, 103) bemerkt: [Es] bezeichnet ein Sehen, an dem das innere Wesen des Betrachtenden, an dem sein Gefühl beteiligt ist, und es bezeichnet ein Sehen, das mehr sieht als nur eine Außenseite des betrachtenden Gegenstandes, das seinen Kern, seine Seele auf eine geheimnisvolle Weise miterfaßt. Aus demselben Grund waren Intellekt und Objektivität Wörter mit einer ausgesprochen negativen Konnotation. Intellekt wurde als „wurzelloser, kritisch zersetzender und unfruchtbarer Verstand“ (Schmitz-Berning 2000, 315) empfunden; Objektivität stand für eine Haltung, die Vorurteilslosigkeit anstrebt, anstatt sich allein am Interesse der Volksgemeinschaft zu orientieren“ (Schmitz-Berning 2000, 445). Weiterhin gab es viele Fremdwörter, die politische Systeme und Tendenzen bezeichneten, die nicht in Übereinstimmung waren mit dem Nationalsozialismus: Demokratie, Parlamentarismus, Kapitalismus, Kommunismus, Pazifist usw. Sie bekamen eine negative Konnotation und waren häufig das Objekt von Kritik, Hohn und Verleumdung. Besondere Aversion findet man in seltener verwendeten Ausdrücken wie Dollar-Judokratie, infernalische Presse (Ille 1980, 215f.) und Bonzokratie (Schmitz-Berning 2000, 126). 3.2.4. Fremdwörter vs. Umgangssprache Viele Fremdwörter wurden, wie sich schon herausgestellt hat, gerade gewählt, weil sie beim normalen Volk weniger üblich oder sogar völlig unbekannt waren. Trotzdem konnten die Massen nicht mit solchen fremden Ausdrücken überhäuft werden, da die von den Nationalsozialisten angewendete Sprache an erster Stelle den Zuhörern als eindeutig erscheinen sollte: 55 Zeitgenossen schien die Sprache des Nationalsozialismus oftmals einfach und deutlich. Sie war lexikalisch und stilistisch ohne große Schnörkel, ihr Satzbau basierte vor allem auf Hauptsätzen. Auch die Tendenz zu Dopplungen und zur häufigen Verwendung des Superlativs erschien vielen eher attraktiv als abschreckend (Sennebogen 2008, 172). Ein Regime, das vom ganzen Volk die Zustimmung erlangt, muss offensichtlich, trotz seiner verhüllenden Zwecken, gleichfalls eine primitivere Sprache verwenden, die für die ganze Masse erkennbar und auf ihrem ‚geistigen Niveau‘ eingestellt ist. Um einen niedrigeren Grad lexikalischer Komplexität zu erreichen, sollte eine Überfülle von fremden Ausdrücken, mit denen die Zuhörer weniger vertraut waren, vermieden werden und sollten die Reden zugänglich gemacht werden, z. B. mittels umgangssprachlicher Wendungen. Gerade wie die Fremdwörter erfüllten die umgangssprachlichen Bestandteile eine bestimmte Funktion, welche einerseits daraus bestand, die unklaren und unkritischen Denkhaltungen der breiten Masse noch zu bestärken, indem diese mit für sie vertrauten Sprachmitteln betäubt wurde, und andererseits dazu diente, die mehr gebildeten und anspruchsvollen Zuhörer abzuschrecken und einzuschüchtern (Bork 1970, 91). Bork (1970, 92) listet einige Beispiele von umgangssprachlichen Ausdrücken auf aus Hitlers Mein Kampf, in dem eine ganze Menge aufzufinden ist: − „mittelmäßige Stümper“ − „ einen Pfifferling kümmerten“ − „müßig herumlungern“ − „windige Murkser, … Strohköpfe“ Nicht nur solche primitiven Redensarten, sondern auch die Abwechslung an sich zwischen heterogenen Sprachmitteln sollte die Betäubung der Hörer noch steigern. Das Wechselspiel von unüblichen Fremdwörtern und vertrauten umgangssprachlichen Elementen sollte bei den Zuhörern widersprüchliche Gedanken und Gefühle wecken, und dadurch den kritischen Geist ausschalten. Schon Klemperer (1969, 281) erkannte den Effekt dieses heterogenen Sprachstils der Nationalsozialisten: Das Gefühl kommt nie zur Ruhe, wird dauernd angezogen und abgestoßen, angezogen und abgestoßen, und für den kritischen Verstand bleibt keine Zeit zum Atemholen. 56 3.2.5. Ambivalenz Der Fremdwortgebrauch der Nationalsozialisten wurde offensichtlich von rein pragmatischen Gründen bestimmt. Je nach Bedeutung, Konnotation und erzieltem Effekt auf die Hörer wurden Fremdwörter, gerade wie andere Wörter, mal bevorzugt, mal abgelehnt. Ille (1980, 215) hat denn auch nicht unrecht, wenn er sagt, dass die Nationalsozialisten in der Fremdwortproblematik eine gleiche ambivalente Haltung vertraten wie die italienischen Faschisten: In der Sprachbeurteilung des Nationalsozialismus läßt sich gleich jener des italienischen Faschismus eine widersprüchliche Dialektik von Neopurismus und massivem Fremdwortgebrauch ausmachen. Diese Behauptung ist jedoch ein vorschnelles Schluss und muss präzisiert werden. Erstens gehen die beiden Parteien von gegensätzlichen Standpunkten aus, denn die Faschisten waren überzeugte Fremdwortpuristen, die zahlreiche Substitute für Fremdwörter introduziert haben, während im Nationalsozialismus Fremdwörter toleriert und aktiv in der Sprachlenkung eingesetzt wurden. Die Nationalsozialisten haben zwar einige Fremdwörter verboten und bevorzugten nicht selten ein Erbwort vor einem fremden Ausdruck, aber trotzdem kann man sie nicht vergleichen mit der viel umfangreicheren puristischen Kampagne der italienischen Faschisten. Demnach kann von einem massiven Fremdwortgebrauch im italienischen Faschismus einerseits, und von Neopurismus im Nationalsozialismus andererseits nicht die Rede sein. Zweitens erwies sich, dass die Ambivalenz in der faschistischen Sprachpolitik viel weniger kontrolliert war als diejenige im nationalsozialistischen Fremdwortgebrauch. Obwohl die faschistischen Fremdwortpuristen z. B. aus naheliegenden Gründen manche deutsche Wörter akzeptierten, und sich sehr bewusst auf die Italianisierung von Begriffen aus dem kommerziellen Gebiet konzentrierten, wurde ihr zwiespältiger Charakter in erheblichem Maße durch einen unbeabsichtigten Mangel an Systematik verursacht (siehe 2.2.3.3.). Im Nationalismus dagegen vertrat man eine äußerst pragmatische Einstellung, indem man sehr bewusst und rechnend mit den Effekten des Wortes auf das Volk, mal das Fremdwort, mal den einheimischen Begriff wählte. Sehr oft wurde aber das Fremdwort bevorzugt wegen seiner soziologischen und suggestiven Unterschiede mit letzterem. Zusammenfassend weist 57 die Aussage von Ille, die den gemeinsamen Charakter der beiden Regime in Bezug auf ihren Umgang mit Fremdwörtern betont, ohne Zweifel auf einen Aspekt hin, die für die vorliegende kontrastive Arbeit von großer Bedeutung ist, aber dennoch kann man diese Gemeinsamkeit nicht anführen, ohne die gegensätzlichen Grundeinstellungen beider Parteien sowie die unterschiedlichen Ursachen der Ambivalenz in beiden Regimen in Betracht zu nehmen. 58 4. Analyse der Hitlerreden 4.1. Vorgehensweise Für die Analyse des Hitlerschen Fremdwortgebrauchs wurden 4 Reden gewählt: „Rede vor dem Reichstag am 30. Januar 1937“, „Die Tagung des Reichstags in der Krolloper am 23. März 1933“, „Rede am 19. September 1939 im Artushof zu Danzig“ und „Rede am 4. September 1940 in Berlin – Eröffnung des Kriegswinterhilfswerkes 1940/41“.52 Bei der Wahl wurde versucht, eine möglichst heterogene Sammlung zu bekommen, indem Reden aus verschiedenen Jahren, über diverse Themen und an unterschiedliche Zuhörern gewählt wurden. Zur Bestimmung der Fremdwörter wurde das Duden Fremdwörterbuch (1982) angewendet. Einige Richtlinien, die bei der Bestimmung befolgt wurden, sollen zunächst erwähnt werden.53 Komposita, die aus zwei oder mehreren Fremdwortbestandteilen bestehen (Brigadekommandeur, Kriegsfabrikationsaktienpaketen), und Fremdwörter, die durch einen Bindestrich verbunden werden (parlamentarisch-demokratisch, 85-Millionen-Nation), wurden jeweils als nur ein Stichwort gezählt. Wörter, in denen der Fremdwortbestandteil durch einen Ergänzungsbindestrich ersetzt worden ist, wurden zu den Fremdwörtern gerechnet und in ihrer vollständigen Form wiedergegeben. Eine Konstruktion wie „Unternehmer- und Arbeitnehmerorganisationen“ Unternehmerorganisationen enthält und nach dieser Regel Arbeitnehmerorganisationen. zwei Fremdwörter: Ableitungen von Fremdwörtern, die mit einheimischen Elementen gebildet worden sind, wurden als Fremdwörter betrachtet: unkontrollierbar, christlich, Unorientiertheit.54 Eigennamen (Churchill, Cooper) dagegen gehören nicht zur Fremdwortliste, es sei denn, sie gelten als ein Fremdwort innerhalb der deutschen Sprache (Bluff im Ausdruck „General Bluff“) oder enthalten einen oder mehrere Bestandteile, die ein Fremdwort im Deutschen sind: Nordkap, NSKK55. Wie das letzte Beispiel zeigt, wurden Abkürzungen – in den analysierten Texten gibt es allerdings nur eine – ebenfalls in die Liste aufgenommen. In Abkürzungen, die aus mehreren Fremdwortbestandteilen bestehen, werden nur die voneinander getrennten Fremdwörter als separate Wörter gezählt; Fremdwortbestandteile, die zusammen ein Wort 52 Die 4 Reden sind in den Anlagen beigefügt. Zum Teil von Eggeling (1979, 274) übernommen. 54 Zur Begründung siehe die Definition von Kirkness (1.2.). 55 Nationalsozialistisches Kraftfahrkorps. 53 59 bilden, werden lediglich als ein Wort betrachtet. Die Abkürzung NSKK z. B. besteht zwar aus drei Fremdwortbestandteilen, enthält aber nur zwei separate Fremdwörter, nämlich Nationalsozialistisches und Kraftfahrkorps, und daher werden in dieser Abkürzung nur zwei Stichwörter gezählt. 4.2. Ergebnisse 4.2.1. Häufigkeit Nach der Erörterung der verwendeten Vorgehensweise, können die Fremdwörter an erster Stelle auf ihre Häufigkeit analysiert werden. In der nächsten Tabelle wird der prozentuale Fremdwortanteil der 4 Reden zusammen mit dem durchschnittlichen Wert wiedergegeben: Rede 1 Rede 2 Rede 3 Rede 4 Gesamtzahl Wörter 6670 4589 6982 5038 23 279 Fremdwörter 6,18% 8,13% 4,12% 3,99% 5,47% Insgesamt wurden 23 279 Wörter untersucht, von denen sich 1274 als Fremdwörter erwiesen haben. Prozentual ausgedrückt ergibt dies einen Mittelwert von 5,47%. Wie kann diese Zahl aber bewertet werden? Ist sie niedrig oder doch eher hoch? Um davon eine bessere Idee zu bekommen, kann sie am besten mit anderen Daten verglichen werden. Laut Drecksen (1948, 49) bestand der Duden des Nachkriegsdeutsch zu 20% aus Fremdwörtern.56 Da seine Analyse aus den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg stammt, kann vorausgesetzt werden, dass die deutsche Sprache im ‚Dritten Reich‘ einen ähnlichen Fremdwortanteil besaß. Zu dieser Gruppe gehören allerdings viele Fachwörter, die nur in bestimmten Kontexten verwendet werden, und deswegen können Texte mit einer geringeren Zahl an Fremdwörtern noch immer einen fremdwortreichen Charakter haben. Mehr sagt uns die Studie von Eggeling (1979, 272ff.). 1971 wurde der Wortschatz der Tagespresse im Ruhrgebiet, der verwendet wird für die Darstellung politischer Geschehnisse, von ihm untersucht. Aus seiner Studie ging hervor, dass etwa 9,05% der analysierten Wörter als Fremdwörter gekennzeichnet werden konnten. 57 Auf Grund des traditionell fremdwortreichen Charakters des politischen Wortschatzes, kann 56 Zitiert nach Eggeling 1979, 276. Wie Eggeling (1979, 275f.) bemerkt, kam bereits Heller (1966, 26f.) bei seiner Untersuchung einiger Zeitungen der Tagespresse der DDR zu einem ähnlichen Fremdwortanteil: 8 bis 9%. Im Duden Fremdwörterbuch (1982) taucht für den Anteil der Fremdwörter in den Zeitungstexten die gleiche Zahl auf. 57 60 dieser Anteil von 9,05% als eine hohe Zahl betrachtet werden. Wenn jetzt die analysierten Reden Hitlers in Betracht genommen werden, dann enthalten sie mit einem Mittelwert von 5,47% doch bedeutend weniger Fremdwörter. 58 Daher kann schon an diesem Punkt konkludiert werden, dass der „Führer“ beim Sprechen nicht so viel fremde Ausdrücke in den Mund nahm, wie man aus der Sekundärliteratur erwarten würde. Nichtsdestoweniger steht es außer Zweifel, dass Hitler mehr Fremdwörter verwendete als ein durchschnittlicher Sprecher, denn im Vergleich zur Umgangssprache liegt die Fremdworthäufigkeit der Reden bedeutend höher. Heller (1966, 29) z. B. maß der Korrespondenz von Studenten einen Fremdwortanteil von 2,3% zu.59 Nach der Besprechung des Mittelwertes sollen ebenfalls die Prozente der verschiedenen Texte unter die Lupe genommen werden, weil diese gegenseitig einige prägnante Unterschiede aufweisen. In den ersten zwei Reden sind deutlich mehr Fremdwörter aufzufinden als in den letzten zwei. Sicherlich die zweite Rede sticht hervor, da sie mit ihrem 8,13% fast das Doppelte der dritten (4,12%) und mehr als das Doppelte der vierten Rede (3,99%) enthält. In diesem Fall können wir von einer recht hohen Zahl von Fremdwörtern sprechen. Der Anteil der zwei letzten Reden dagegen ist eher niedrig. Die zeitliche Differenz scheint keinen großen Einfluss auf den Fremdwortgebrauch von Hitler gehabt zu haben, denn der älteste Text (1933) zählt die meisten fremden Ausdrücke, während die zwei jüngsten Reden (1939 und 1940) die wenigsten enthalten. Wie Loohuis (1975, 8) konstatiert, muss der Wortschatz des „Führers“ in Bezug auf Fremdwörter in dieser Periode immer gewachsen sein, wodurch man eher erwarten würde, dass die jüngeren Texte mehr Fremdwörter enthalten würden. Die Zahl der benutzten Fremdwörter wuchs jedoch nicht im Verhältnis zur Zunahme von Hitlers Fremdwortkenntnissen. Die Erklärung für den Unterschied muss demnach irgendwo anders gesucht werden. Ein möglicherweise entscheidender Faktor ist, dass die Reden an ein diverses Publikum gerichtet sind. Die ersten zwei wurden vor dem Reichstag gehalten, die anderen dagegen waren für Zuhörer, die weniger mit der Politik vertraut waren. Es ist aber gleichfalls 58 Man muss allerdings damit rechnen, dass in der Studie von Eggeling Texte untersucht werden, die mehr als 30 Jahre später verfasst sind als die analysierten Reden der vorliegenden Arbeit. In dieser Zeit hat die Zahl an Fremdwörtern in der deutschen Sprache ohne Weiteres zugenommen. Vor allem die Anglizismen haben nach dem Krieg einen erheblichen Aufschwung erlebt. Trotzdem konstatierte Eggeling (1979, 310), dass der Anteil englischer Termini in seiner Studie erstaunlich gering war. Der Zeitraum, der zwischen der vorliegenden Analyse und derjenigen Eggelings liegt, kann daher mehr denn wahrscheinlich den Unterschied zwischen den beiden Prozenten nicht oder nur mangelhaft erklären, aber sie soll der Vollständigkeit wegen doch erwähnt werden. 59 Zitiert nach Eggeling 1979, 276. 61 möglich, dass die spezifischen Themen und der Kontext der Reden einen Einfluss hatten auf die Fremdwortzahl. Die Beziehung zwischen Publikum und Thema einerseits und Fremdwortanteil andererseits wird im nächsten Kapitel untersucht, wenn die Funktion der verwendeten Fremdwörter analysiert wird. Neben der Bestimmung der Häufigkeit, mit der die Fremdwörter vorkommen, wurde auch ihre Verteilung über die verschiedenen Wortarten untersucht: Rede 1 Rede 2 Rede 3 Rede 4 Gesamtzahl Substantive 70,63% 69,44% 71,53% 74,63% 71,11% Adjektive 26,21% 27,61% 17,01% 18,91% 23,40% Verben 2,18% 1,61% 7,64% 3,98% 3,53% Adverbien 0,97% 1,34% 3,82% 2,49% 1,96% Aus dieser Tabelle gehen keine nennenswerten Überraschungen hervor. Insgesamt bildet das Substantiv mit 71,11% die übergroße Mehrheit, gefolgt vom Adjektiv (23,40%). Die Verben (3,53%) und Adverbien (1,96%) sind zu vernachlässigen. Die Dominanz der Substantive ist logisch, da Fremdwörter an erster Stelle für die Bezeichnung fremder oder neuer Objekte und Phänomene eingesetzt werden. Trotzdem fällt im Vergleich zur Studie von Eggeling (1979, 280) auf, dass in der vorliegenden Analyse die Gruppe von Substantiven um 10% kleiner ist (71,11% vs. 81%) zugunsten der Adjektive (23,40% vs. 12%). Wahrscheinlich verwendete Hitler mehr Adjektive, weil seine Texte vor allem darauf zielten, andere von seinen Ideen zu überzeugen. Die Sprache der Tagespresse dagegen soll neutraler sein, und daher würde man erwarten, dass sie eine kleinere Menge von Adjektiven enthält. Es ist plausibel, dass der „Führer“ diese große Zahl von Adjektiven vor allem verwendete wegen ihrer suggestiven, tönenden und verstärkenden Wirkung. 62 4.2.2. Funktion A. Rede vor dem Reichstag am 30. Januar 1937 A.1. Fremdwörter60 Epoche – Presse – Propaganda – Problemen – Projekte – Revolution – Revolution – Regierungswechsel – Regierungsumbildungen – positive – Akteure – Nation – negative – praktische – Organisation – parlamentarisch-demokratisch – System – radikale – politische – Charakter – Revolution – revolutionäre – Repräsentanten – politischen – Organisationen – Reformation – politischen – kulturellen – parlamentarische – Revolution – Revolution – Januar – Reichspräsident – nationalsozialistischen – Revolution – nationalsozialistischen – Revolution – nationalsozialistische – Revolution – Revolution – Revolutionen – charakteristische – Revolution – privaten – Revolutionen – legale – tumultuösen – Revolutionen – faschistischen – nationalsozialistischen – Revolutionen – nationalsozialistische – Revolution – Revolution – Revolution – Soldat – Nerven – nationalsozialistischen – Revolution – Minimum – bolschewistische – Januar – nationalsozialistischen – Idee – Elemente – politischer – politische – Revolution – nationalsozialistische – politische – Funktionäre – Pensionen – Protest – Subjekte – Konzentrationslager – Unorientiertheit – Parole – Faschisten – Revolution – demokratischen – Nichteinmischungsapostel nationalsozialistische – – bestialisch Revolution – – demokratischen demokratischen – – Revolutionäre Nerven – Soldaten – – nationalsozialistische – Revolution – bolschewistischen – Revolution – Nationalsozialisten – Revolution – Chaos – Januar – Reichspräsident Nationalsozialistische – proklamiert – ideelle – Reichsregierung – legalen – – Prinzipien – Prinzipien – Nationalsozialistischen – legalen – parlamentarisch-demokratischem – nationalsozialistischen – Revolution – proklamierten – Programms –nationalsozialistischen – nationalsozialistische – Revolution – Revolution – Evolution – ideellen – Horizontes – Egoismus – Interessen – nationalsozialistische – revolutionierend – nationalsozialistisches – Programm – liberalistischen – Individuums – marxistischen – lapidarer – Existenz – Revolution – Nationalsozialismus – Instinkt – intellektuelle – Millionen – Millionen – prophetisch – nationalsozialistischen – Maske – revolutionärer – Traditionen – Symbole – dynastischen – religiösen – symbolisch – Prinzips – dokumentiert – Idee – Januar – Legalisierung – 60 Alle Fremdwörter – auch in den Listen der drei folgenden Reden – sind in der Reihenfolge ihres Vorkommens im Text wiedergegeben; Flexionsendungen sind beibehalten. 63 ideenmäßig – Kampftruppen – Revolution – parlamentarisch-demokratisches – Regime – Disziplin – Revolution – Demokratie – Diktaturen – Demokratie – demokratisch – politischen – Nation – Ausleseprozeß – politischen – Nation – Soldat – Tornister – politische – Sozialismus – Demokratie – Nationalsozialismus – Organisation – Millionen – Nation – Theorie – nationalsozialistischen – Millionen – Literat – internationaler – Revolutionsapostel – nationalsozialistischen – Minister – Repräsentanten – Nationalsozialismus – nationalsozialistische – Revolution – Millionen – degradieren – Revolutionen – Gewaltakte – Exzesse – Akt – Revolutionen – Bourgeois – diktiert – Proletarier – Proletarier – diktieren – nationalsozialistische – Revolution – organisatorische – politischen – Elemente – politisches – kulturelles – Nationalsozialismus – Revolution – Ideal – dynastischen – Idole – Organisation – Nation – Unternehmerorganisationen – Arbeitnehmerorganisationen – symbolischen – Komitees – Symbol – nationalsozialistischen – Nation – Nation – demokratischen – Regierungen – Institutionen – Diktaturen – Revolution – Souveränität – politischen – Organisation – Exekutive – Januar – nationalsozialistischen – Konstruktion – Organisation – Funktion – nationalsozialistischen – Organisation – Konstruktion – Funktion – Existenz – Organisationen – Funktionen – Primäre – Armee – Justiz – sekundäre – reformiert – Doktrinen – Doktrinen – Dogmen – Dogma – Moment – praktischen – nationalsozialistischen – Revolution – prägnantesten – polare – Extreme – Existenzberechtigung – Individuums – Person – Gemeinschaftsinteressen – Konzession – Staatsräson – nationalsozialistische – Revolution – Justiz – Elementen – Asoziale – Interessen – Person – Reform – Proklamierung – Nation – Gesamtperspektive – Dokument – Katastrophe – Millionen – Produktion – Nationalsozialismus – nationalsozialistischen – Regierung – Katastrophen – Pestilenz – Nation – Millionen – Millionen – Rhythmus – Existenz – Papier – Katastrophen – parlamentarischer – Wirtschaftskatastrophe – Theoretiker – Theoretiker – Theorie – praktische – Methoden – Methoden – Methoden – Dogmen – elastischen – Dogma – formulieren – Nationalökonomie – Nationalökonomie – Dogmatiker – Dogma – Theorie – Dogmatiker – Praxis – praktischen – Theorien – Wirtschaftspolitik – Nationalsozialismus – Dogma – Kapital – Nationalsozialismus – liberalistischen – Kapital – unkontrollierbares – politisch – Millionen – Interessen – Konsequenzen – moderne – konzentriert – Industrien – Fabriken – Katastrophe – Katastrophe – Problem – Finanzen – Problem – Organisationsproblem – Phrasen – Produktion – produktiven – Gesamtsumme – Produktion – Millionen – fiktiven – realen – Produktion – Produktion – Bank – Tresor – Produktion – Produktion – Produktion – Millionen – Millionären – Millionen – Quote – 64 nationalsozialistische – Revolution – Millionenmasse – gigantische – Produktion – Nationaleinkommens – nationalsozialistischen – Rüstungsindustrie – Motiven – soziale – Nation – Arbeitsprozeß – Interesse – praktische – Initiative – Organisators – nationalsozialistischen – Sphäre – nationalsozialistische – Interessen – Kontrahenten – Gesamtinteresse – Nation – praktischen – Wirtschaftspolitik – Produktion – nationalen – Produktionen – Millionenmasse – Kultur – nationalsozialistische – Richtlinien – Familie – nationalsozialistische – Revolution – Interessen – Theater – Film – nationalsozialistische – Revolution – Presse – Theaters – Films – Literatur – Institutionen – kulturellen – Filme – Theateraufführungen – Presse – Instrument – Nation – Dokumente – Epoche – Immunisierung – Tendenzen – Nationalsozialistisches – Kraftfahrkorps – Arbeitsfront A.2. Analyse Diese Rede wurde von Hitler gehalten anlässlich des vierten Geburtstags der Machtergreifung der nationalsozialistischen Partei. Sie handelt von der Geschichte der Partei, dem aktuellen Zustand der damaligen Gesellschaft und den zukünftigen Projekten der Nationalsozialisten. Was die Substantive betrifft, fällt gleich die große Menge von unentbehrlichen Fremdwörtern (siehe 1.2.) auf. Welches Wort gerade unentbehrlich und welches entbehrlich ist, darüber kann man manchmal streiten, aber dessen ungeachtet kann mit Sicherheit gesagt werden, dass mehr als die Hälfte der Substantive als unentbehrlich gekennzeichnet werden kann. Eine erste Gruppe sind geläufige Wörter der Alltagssprache, die von den Hörern oft gar nicht mehr als Fremdwörter erkannt werden: Problem, Million, Januar, Presse, Film, Kultur. Weiter sind auch einige Wörter aus dem wirtschaftlichen (Kapital, Produktion, Nationalökonomie, Fabrik, Finanzen) und dem militärischen (Armee, Kampftruppen, Soldat) Bereich zu bemerken. Die meisten unentbehrlichen Fremdwörter stammen jedoch aus der politischen Sphäre: Sozialismus, Demokratie, Partei, Reichspräsident, Regierung, Diktatur, Regime, Nation, Minister. Bei den Adjektiven sind die politischen Termini ebenso stark vertreten: nationalsozialistisch, faschistisch, bolschewistisch, parlamentarisch, liberalistisch, demokratisch, dynastisch. Der große Anteil an politischen Fremdwörtern ist normal in einer Rede, die handelt von politischen Themen und vor einem Publikum von Politikern gehalten wurde. Die ziemlich hohe Fremdwortzahl dieser Rede wurde demnach erheblich von politischen Wörtern bestimmt. 65 Ein stilistisches Verfahren, das bei der Analyse direkt ins Auge springt, ist die Wiederkehr der selben Wörter und Ausdrücke. Dies ist eine allgemeine Tendenz, die nicht nur in Hitlers Reden, sondern auch in seinen anderen Texten, wie z. B. Mein Kampf, anwesend ist: Beim Lesen von „Mein Kampf“ […] haben wir alle Fremdwörter bzw. fremdsprachigen Wendungen unterstrichen. Dabei fiel uns auf, daß Hitler die Fremdwörter oft wiederholt. (Loohuis 1975, 11) Deren prägnanteste Beispiele in der ersten Rede sind die Wörter nationalsozialistisch und Revolution, die im Text am meisten, und zudem oft zusammen, vorkommen, wie der nächste Abschnitt zeigt: Ich bestreite auch nicht, daß gerade diese Tatsache, die für uns das Bemerkenswerteste der Eigenart des Ablaufs der nationalsozialistischen Revolution ist und auf die wir besonders stolz sein dürfen, im Ausland und bei den einzelnen Mitbürgern dem Verständnis für diesen einmaligen geschichtlichen Vorgang eher hinderlich als nützlich war. Denn diese nationalsozialistische Revolution war zu allererst eine Revolution der Revolutionen.61 Insgesamt wird in dieser Rede Revolution 43 mal und nationalsozialistisch 35 mal ausgesprochen. Die nationalsozialistische Revolution ist das zentrale Thema der Rede und durch die ständige Wiederholung beider Wörter soll ihre Wichtigkeit unterstrichen werden. Das Wort Revolution klingt, u. a. wegen seiner Endbetonung, viel eindrucksvoller und radikaler als etwa Umwälzung, ein einheimisches Äquivalent, das im Text gleichfalls auftritt, aber in viel geringerem Maße. Darüber hinaus hat Revolution, so Loohuis (1975, 67), einen stark visuellen und auditiven Charakter: „Bei der Aussprache dieses Wort sehen wir Versammlungen großer Mengen. […] Wir hören Waffengeklirr und aufständische Schreie […].“ Die Wiederholung von Gedanken wird weiter durch das ständige Zurückgreifen auf Ableitungen verstärkt. Dieses Verfahren erlaubt dem Redner, bereits geäußerte Konzepte auf eine variierende Weise zu wiederholen: Revolution – revolutionierend – revolutionär – Revolutionär, Reform – reformiert, Dogma – Dogmatiker, Praxis – praktisch. Ein ähnlicher Fall von ‚variierender Verdoppelung‘ ist die Kombination eines Fremdworts mit seinem einheimischen Äquivalent: „Renten und Pensionen“, „Grundsätze und Prinzipien“, „eine neue Existenz und neues Leben“. Mittels dieser Konstruktion konnte Hitler einen Gedanke unterstreichen, ohne dass die Wiederholung den Zuhörern direkt aufgefallen wäre. Nicht nur Wörter, sondern auch Laute können durch Wiederholung die Worte des „Führers“ attraktiver machen. Dazu sind Fremdwörter wegen ihrer auffälligeren und vom traditionellen deutschen 61 Hervorhebungen in diesem und in allen folgende Zitaten von mir, M. P. 66 Lautsystem abweichenden Klänge oft mehr geeignet als deutsche Erbwörter. In der folgenden Textstelle bewirkt die wiederkehrende Endung –tion sicherlich eine Hervorhebung des Gesagten: Daher wurde durch den Sieg der nationalsozialistischen Bewegung das Volk als das Seiende und das Bleibende über jede Organisation, Konstruktion und Funktion gestellt. Von den entbehrlichen Fremdwörtern wird ein wesentlicher Teil eingesetzt zur Intensivierung des Textinhaltes. Diverse Adjektive wurden gewählt, weil sie deutlich eine stärkere Wirkung haben als ähnliche einheimische Adjektive: radikal statt „unnachgiebig, rücksichtslos“, bestialisch statt „grausam, unmenschlich“, gigantisch statt „riesenhaft, gewaltig“, tumultuös statt „aufgeregt, heftig“. Manche Substantive sollen gleichfalls auf das Publikum eine tönende Wirkung haben: Katastrophe klingt schlimmer als z. B. „Notlage“ und Chaos scheint viel schwerwiegender als etwa „Unordnung“. Überdies tragen verschiedene Fachwörter bei zu einer bildhafteren Sprache, wie z. B. Termini aus der medizinischen Sprache („eine unerhörte Immunisierung des deutschen Volkes“) und der Film- und Theaterwelt („Alle die Regierungsumbildungen hatten eine positive Bedeutung nur für die Akteure des Schauspiels“). Ausdrücke aus dem religiösen Bereich sorgen für eine weitere Steigerung der Botschaft. Von jemandem, der prophetisch spricht, wird nicht erwartet, dass er Lügen erzählt; das Wort Revolutionsapostel hat einen ironischen Unterton und bezeichnet die unerwünschten Vertreter der Revolution. Einige typische Fremdwörter des nazistischen Regimes sind im Text aufzufinden. Beispiele sind die populären Begriffe Propaganda und Organisation (siehe 3.2.2.2.; 3.2.3.). Letzteres steht mehrmals im Text und war ein zentraler Gedanke in vielen nationalsozialistischen Reden. Die Gesellschaft brauchte eine gute Organisation, welche ihr nur der Nationalsozialismus bieten konnte. Sein Gegenpol, die Regierung der Weimarer Zeit, wird im Text auch genannt: parlamentarisch-demokratisches System (siehe 3.2.3.). Diesem Ausdruck und noch anderen, wie z. B. bolschewistisch, wurden eine negative Konnotation beigemessen. Die Rede enthält weiterhin ein anderes offizielles Wort des Nationalsozialismus, zielend auf Verschleierung: Konzentrationslager (siehe 3.2.2.2.). 67 In manchen Fällen wird das Fremdwort vermieden und das einheimische Äquivalent gewählt. Zuweilen ist diese Wahl gemäß den Erwartungen: so wird ständig der Ausdruck weltanschaulich angewendet, von philosophisch ist nie die Rede (siehe 3.2.3.). Auffallender ist vielleicht, dass Hitler spricht von deutschen Bürgern und nicht von Garanten (siehe 3.2.2.1.), aber dieses Fremdwort wurde wahrscheinlich nur verwendet, wenn der „Führer“ tatsächlich zum Volk selbst redete. In anderen Fällen dagegen wird einem einheimischen Begriff der Vorzug gegeben, ohne dass für diese Entscheidung ein deutlicher Grund zu bemerken ist. Es ist z. B. die Rede von der „heutige[n] geschichtliche[n] Zusammenkunft des Deutschen Reichstages“. Hitler wählt hier das Adjektiv geschichtlich, während man bei einer wesentlichen Tagung des Reichstages eher das Wort historisch, das immerhin eine stärkere Aussagekraft hat, erwarten würde. Dies bestätigt noch mal die Konstatierung, dass der „Führer“ nicht immer auf einen fremden Ausdruck zurückgreift, wenn dies möglich oder sogar zu erwarten ist. Fremdwörter konnten letztens aus purer Angeberei gewählt werden. Wörter wie Konsequenz, Kontrahent und Existenz müssen nicht unbedingt einen Effekt oder eine Funktion haben, sondern sie können von Hitler nur verwendet gewesen sein, um sich dem geistigen Niveau seiner Zuhörer, d. h. der Glieder des Reichstags, anzupassen und ihnen von seinem hohen Bildungsgrad zu überzeugen. Dies ist ein Aspekt, der im allgemeinen beim Fremdwortgebrauch Hitlers eine Rolle spielte. Sehr oft kamen noch andere Funktionen dazu, aber es ist nicht immer leicht zu bestimmen, welche die wesentlichste war. B. Die Tagung des Reichstags in der Krolloper am 23. März 1933 B.1. Fremdwörter Reichsregierung – Nationalsozialistische – Deutschnationale – Initiativantrag – November – marxistische – Organisationen – Revolution – Monarchen – Revolution – materiellen – Attentäter – Justiz – moralische – Legitimierung – Regierung – Interesse – Punkten – November – Illusionen – Revolution – proklamierten – Regisseure – politischen – politischen – suggestiven – Regierungsgewalt – Nation – charakteristische – Linie – konstant – deprimierende – Ideen – Organisationen – nationalsozialistische – nationalen – November – Revolution – nationalen – Regierung – Akt – Programm – politischen – moralischen – Regierung – nationalen – Revolution – marxistische – systematisch – Nation – Basis – 68 Religion – Moral – Familie – Differenzen – Liberalismus – kommunistischen – Chaos – Mobilisierung – primitivster – Instinkte – politischen – Idee – Attentaten – kommunistischen – Idee – moralische – Sanktion – Methode – individuellen – Massenterrors – nationalsozialistische – Aktion – Presse – Kommunismus – Prinzip – politischen – nationale – identifizieren – Komplicen – Aktion – Organisation – Regierung – katastrophalen – nationale – Interessen – Kommunismus – nationalen – Regierung – Interesse – Interesse – negative – Problem – Organisation – positiven – nationalen – Interessen – Tendenzen – Kommunismus – interessiert – kommunistischen – Chaos – politischen – Autorität – Reichsregierung – Traditionen – organisch – theoretischen – Prinzip – Unitarisierung – Nation – Kommunen – Existenz – Reichsregierung – politischen – Intention – Interesse – kulturelle – Länderregierungen – Reichsregierungen – modernen – Volkspropaganda – Reichsregierung – Minister – Regierungen – normaler – Reichsregierung – Nation – Konsequenzen – Reform – Konstruktion – Autorität – Legalisierung – Verfassungsreform – Regierung – nationalen – Revolution – Vertrauensvotums – Elemente – Nation – negieren – theoretische – tolerieren – demokratischen – Doktrinen – Nation – Regierung – Frontbildung – nationalen – Interessen – Regierung – Vernichtungstendenzen – Millionen – Ideen – Regierungen – Ideen – praktische – Regierung – Kommunismus – Organisationen – nationale – Regierung – Millionenmassen – monarchistischen – Restauration – indiskutabel – Problems – politischen – Reichsregierung – moralische – Sanierung – Theater – Film – Literatur – Presse – Heroismus – politischer – Intuition – Regierung – politischer – Nation – kulturellen – kulturellen – Regierung – politische – moralische – religiösen – personal-politischer – Kompromissen – atheistischen – Organisationen – nationale – Regierung – christlichen – Konfessionen – Faktoren – respektieren – nationalen – Regierung – Konfessionen – objektiver – Konfession – Tolerierung – Regierung – materialistische – Interessen – Nation – christlichen – Linie –Elastizität – Individuum – Existenz – Justiz – Existenz – Nation – Nation – nationalen – Regierung – existiert – Kapital – Kapital – Regierung – Interessen – organisierenden – Wirtschaftsbürokratie – Privatinitiative – produktiven – Intention – produktiven – respektieren – Problem – Finanzen – Problem – Reform – Reform – Regierung – Währungsexperimente – Konsequenzen – Rentabilität – Konsumenten – Rentabilität – Industrie – Exports – kommunistische – Exportindustrie – nationale – Regierung – Arbeitslosenarmee – Produktionsprozess – Popularität – nationalen – Regierung – Wirtschaftspolitik – nationale – Regierung – Millionen – Nationalsozialist – Konsumkraft – Sozialgesetzgebung – Reform – Millionen – Millionen – organisatorischen – geographische – 69 Autarkie – Reichsregierung – Exportfeindlichkeit – Millionen – handelspolitische – finanzpolitische – Devisen-Zwangswirtschaft – Reichsregierung – Kapitals – Reichsregierung – Nationen – Verkehrsinteressen – Reform – moralisch – nationale – Regierung – Regierung – Finanzen – Existenz – Armee – Instrument – nationalen – soldatischen – Traditionen – nationalen – Regierung – radikalen – nationale – Regierung – Nation – Armee – Ideal – Reichsregierung – Kategorien – nationale – Regierung – stabile – politische – Wirtschaftskatastrophe – autoritäre – Stabilität – Nationen – Organisationen – Reparationen – Konferenz – praktisches – technischer – Problemen – resultierenden – nationalen – Regierung – Konferenz – Reichsregierung – Abrüstungskonferenz – Chefs – Regierung – Politik – nationale – Ideale – Reichsregierung – Christentum – Fundamente – Moral – Reichsregierung – Regierungen – Probleme – Reichsregierung – Regierung – nationalen – Revolution – positiven – Politik – Kommunismus – staatspolitischen – Interessen – Interessen – Kultur – nationale – Regierung – international – garantierten – Weltwirtschaftskonferenz – Reichsregierung – Konferenz – positive – Problem – Nationen – Regierung – Nationalsozialisten – Deutschnationalen – nationalen – Regierung – Regierung – Autorität – Stabilität – Regiments – Reichsregierung – Nation – Revolution – diszipliniert – nationalen – Regierung – souveräne – Regierung – Existenz – Reichspräsidenten – Regierung – Regierung – Regierung B.2. Analyse Die zweite Rede wurde gehalten zur Genehmigung eines Gesetzes, das dem „Führer“ und den Nationalsozialisten fast unbegrenzte Macht geben würde. Im Text werden verschiedene Argumente dargestellt, vor allem in Bezug auf politische und wirtschaftliche Themen. Deswegen sind auch in dieser Rede, die übrigens die meisten fremden Begriffe der 4 untersuchten Texte enthält, die unentbehrlichen Fremdwörter zahlreich anwesend. Ein allgemeiner Überblick lehrt, dass zumindest drei Fünftel der Fremdwörter nicht durch einheimische Termini ersetzt werden können. Neben einigen Begriffen der Alltagssprache (Religion, Familie, Tradition, Theater, Film) kommen diese unentbehrlichen Wörter, logischerweise, hauptsächlich aus dem politischen Bereich einerseits (Kanzler, Autarkie, Monarchen, Vertrauensvotum, wirtschaftlichen Bereich Liberalismus, andererseits kommunistisch, (Rentabilität, politisch) Konsument, Export, und dem Devisen- Zwangswirtschaft, Finanzen). Gerade wie in der vorigen Rede spricht Hitler vor einem 70 Publikum von Politikern über politische Themen, wodurch er gezwungen wird, häufig auf politische und wirtschaftliche Termini zurückzugreifen, welche der Rede einen recht hohen Fremdwortanteil (8,13%) geben. Für die große Zahl von unentbehrlichen Fremdwörtern sind aufs Neue viele Wiederholungen verantwortlich. So kommt der Begriff Regierung gut und gerne 59 mal vor, dies entspricht schon 15,95% der Gesamtzahl!62 Ein anderer Begriff, der mehrfach vorkommt, ist Nation. Dies war für die Nationalsozialisten ein gefühlgeladenes Wort, das dank des Zischlauts [ts] und der Dehnung des Schlussvokals immer mit großem Stolz ausgesprochen werden konnte (Loohuis 1975, 14). Des Weiteren werden auch in dieser Rede verschiedene Konzepte mittels Ableitungen wiederholt: Existenz – existieren, Organisation – organisatorisch – organisierend, Moral – moralisch. Die Verwendung von unentbehrlichen Fremdwörtern war allerdings nicht immer ganz unschuldig, denn sie erhielten im Nationalsozialismus oft eine zusätzliche Konnotation. So weist die Monatsbezeichnung November, die in der Rede dreimal vorkommt, in allen drei Fällen abwertend auf die Novemberrevolution von 1918, wie in der folgenden Textstelle: „die seit dem November 1918 herrschenden Mächte“. Die Konnotation von Fremdwörtern kann sich ändern, so zeigt das Wort Revolution, das verwendet wird, um sowohl die Revolution der Nationalsozialisten als diejenige der Marxisten zu bezeichnen. Letztere Revolution wird deutlich als eine negative Begebenheit betrachtet, und ihre Protagonisten werden deswegen keine Revolutionäre genannt, wie die Nationalsozialisten in der ersten Rede, sondern Attentäter. Mögliche Argumente für die marxistische Revolution werden als Legitimierung beschrieben, was sachlicher und verhüllender klingt als etwa „Rechtfertigung“. Weiterhin ist das Wort Organisation ebenso wenig für die Nationalsozialisten vorbehalten, sondern wird es verwendet in Ausdrücken wie marxistische Organisationen. Das Wort System und seine Ableitungen behalten nach wie vor ihre negative Bedeutung: „Der systematisch herbeigeführte Verfall der Nation“. Substantive tragen in dieser Rede gleichermaßen zu einer eindrucksvolleren Sprache bei. Im nächsten Zitat sorgt das Fremdwort, das folgt auf einen ähnlichen, aber keinen gleichbedeutenden, einheimischen Begriff, für eine klare Steigerung des Inhaltes: 62 In dieser Zahl sind auch Komposita mit Regierung als Konstituente, wie z. B. Reichsregierung und Regierungsgewalt, mit einbegriffen. 71 Alle die […] gemachten Versprechungen erwiesen sich, wenn schon nicht als bewusste Irreführungen, so doch als nicht minder verdammenswerte Illusionen. Weitere Beispiele sind Massenterror, das beängstigender klingt als z. B. „Gewalt“ und Heroismus, das großartiger ist als „Heldentum“. Bei den Adjektiven sind ebenfalls tönende Begriffe zu bemerken: deprimierend, katastrophal, indiskutabel, radikal. Zur Intensivierung des Gesagten wurden außerdem Fachwörter in den Text aufgenommen, welche einen stärkeren Eindruck hinterlassen, indem sie eine besondere Atmosphäre kreieren. Der Staat wurde von Hitler oft als ein lebender Organismus beschrieben: „das organisch gewachsene Gute“. Dafür wurden der medizinischen Sprache häufig Begriffe entnommen: „Sanierung des Volkskörpers“. Andere Beispiele von bildhaften Ausdrücken sind Fachwörter aus der biologischen Sprache (primitivste Instinkte) und aufs Neue aus der Film- und Theaterwelt („die Regisseure dieses […] Verbrechens“). Schließlich spricht Hitler wiederum viele Fremdwörter aus, die dem Text einen höheren stilistischen Wert verleihen: proklamieren, Sanktion, Komplicen, Existenz, Intention, tolerieren, Kommune. C. Rede am 19. September 1939 im Artushof zu Danzig C.1. Fremdwörter Hauptinteressenten – Diktat – Problem – Probleme – Nation – Probleme – Problem – Millionen – Millionen – aufoktroyierte – historischen – politischen – Kulturen – Produkt – kulturelle – Provinz – motiviert – Regimenter – Kultur – kulturschöpferisch – kulturelle – Barbarei – Barbarei – Nationalitätenstaat – Demokratie – Nationalitäten – regiert – Gummiknüppel – Polizei – Militär – kulturellen – kulturell – regiert – kulturellen – Minderwertigkeitskomplexe – abreagieren – kulturtragenden – barbarisch – tragisch – realistischen – Nationen – barbarischen – Millionen – Diktats – Nation – Diktat – Charakter – polonisieren – Provinz – Provinz – Schikanen – Problems – Synthese – Charakter – Regierung – konkretester – exterritoriale – exterritorialen – garantieren – Regierung – Millionen – Mobilmachung – Terror – Außenminister – Problem – Problem – Problem – Armeen – Armee – Armeen – parallel – Martyrium – sadistische – Bestien – perversen – Instinkte – demokratische – Nation – Generalkriegshetzer – famose – Garantie – primär – Regime – ungeniert – Regierung – Regierung – Nation – kapitulieren – Demokratien – Praxis 72 – Demokratien – Regime – Pressefreiheit – autoritären – Disziplin – disziplinlosen – disziplinierten – Praxis – undisziplinierten – disziplinierten – Clique – September – Augusttage – August – Garantie – Kriegsapostel – direkte – Regierung – Außenminister – Generalmobilmachung – Terrorakte – Provokationen – Deputation – Duce – Ultimatum – Regierung – November – Regime – Regime – Nation – Ultimaten – Ultimatum – weltpolitisches – finanzielles – Armee – Moral – Truppen – defaitistische – Diskrepanz – Armeen – Generalstäbler – Truppen – Linie – marschieren – Kolonnen – Armeen – Armee – Linie – kapitulieren – genialen – Regierung – Soldaten – Infanterie – motorisierten – Soldaten – Marine – Bombe – Humanität – Humanität – Soldaten – intelligent – Kritik – Organisation – Soldaten – Offiziere – Generale – Soldat – Soldaten – Offiziere – massakriert – bestialisch – Regierung – Soldaten – Momente – demokratischen – Barbarei – protestieren – human – Truppen – Regierung – zivilen – demokratischen – Armeen – Generalobersten – Operationen – Artikel – Strategen – strategischen – Armeen – Interessen – einzumarschieren – Perfidie – Perfidie – demokratischen – bolschewistischen – nationalsozialistischen – bolschewistischen – Regime – Regime – Interessen – Demokratien – Ideale – Demokratien – Interessen – Außenpolitik – Praxis – politischen – Regime – Regime – nächstinteressierten – Konflikt – Welteroberungstendenzen – Regimes – Interessen – Interessen – Linie – Lebensinteressen – Situation – akzeptiert – absolute – Interesse – Nation – basierend – Duce – Grenzrevision – theoretisch – praktisch – Propaganda – garantiert – garantiert – Linie – Regime – Repräsentant – Regimes – Regime – Regime – Regime – charakterlos – Nationalsozialismus – nationalsozialistische – nationalsozialistische – Propaganda – Propagandastümper – Profilen – politischen – Interessen – Clique – Kapitulation – Kapitulation – Generation – Generation – unhomogen – plutokratischen – Weltdemokratien – Weltimperien – Propagandafatzken – Regime – regiert – Kanonen – Granaten – Grenadiere – Soldaten – Regime – momentan – Millionen – Neutralen – Humanität – Kolonne – marschiert – passieren – Prinzip – Elemente – militärisches – Objekt – Bombe – Zivils – Blockade – Regime – Reaktion – kapituliert – Millionen – Illustrierungen – Nationalsozialismus – Hurrapatriotismus – fanatische – Front – Front – Regimenter – Divisionen – Hurrapatriotismus – infernalischer – Kriegsinteressenten – regiert – Interessen – Gruppen – Ideen – Generationen – Generationen 73 C.2. Analyse Diese Rede wurde von Hitler vor den Einwohnern von Danzig gehalten, kurz nachdem die Stadt September 1939 von den Nationalsozialisten erobert worden war. Hitler erzählt die Geschichte der Stadt, gibt seine Argumente für ihre Annexion von Seiten der Nationalsozialisten und beschreibt den damals aktuellen Feldzug gegen Polen. Gleich wie die anderen Reden zeigt die Betreffende eine wesentliche Menge an unentbehrlichen Fremdwörtern auf. Schätzungsweise ein wenig mehr als die Hälfte der gezählten Stichwörter können unmöglich durch ein deutsches Äquivalent ersetzt werden. Bemerkenswert ist, dass der Anteil der politischen Termini, die zwar noch immer stark vertreten sind, deutlich kleiner ist im Vergleich zu den anderen Reden. Dies hat wahrscheinlich erstens damit zu tun, dass der „Führer“ nicht exklusiv zu Politikern, sondern auch zu Bürgen spricht, und ist es zweitens ein Folge der Themen des Textes, die weniger politisch orientiert sind als die ersten Reden. Dieser kleinere Anteil der politischen Termini hat einen ausgeprägten Effekt auf die gesamte Fremdwortzahl, die beachtlich niedriger ist als diejenigen der zwei vorigen, politisch orientierten Reden. Ein Hauptthema der Rede ist der Krieg, was zur Folge hat, dass der wesentlichste Teil der unentbehrlichen Begriffe aus der Militärsprache stammen: Regimenter, Armee, Truppen, marschieren, Kolonnen, Soldaten, Infanterie, Marine, Bombe, Generale, Offiziere, Front, Divisionen. Die für die Sprache Hitlers kennzeichnenden Wiederholungen sind erneut häufig vorhanden: Sie haben durch diesen damaligen Frieden nicht ein einziges Problem gelöst, aber zahllose Probleme neu geschaffen. Und es war nur eine Frage der Zeit, wann die zertretene deutsche Nation sich aufraffen würde, um die neu geschaffenen Probleme ihrerseits zur Lösung zu bringen. Denn das wesentlichste Problem hat man damals überhaupt übersehen […]. Dazu kommen auch in dieser Rede verschiedene Derivationen und Komposita zur Wiederholung eines Konzepts vor: Barbarei – barbarisch, Kultur – kulturell – kulturschöpferisch – kulturtragend, Disziplin – diszipliniert – undiszipliniert – disziplinlos, Bestien – bestialisch. Manchmal werden Fremdwörter dennoch abgewechselt mit einheimischen Begriffen: historisch – geschichtlich. 74 Hitler verwendet, wie erwartet, nicht das Wort Partisanen, sondern einheimische Termini wie Haupthetzer, Kriegshetzer und Heckenschützen, um seine Gegner zu bezeichnen (siehe 3.2.3.). Desto beachtlicher ist deswegen die Tatsache, dass er ihre Aktivitäten nicht als Hetze beschreibt, sondern als Propaganda, ein Terminus, der normalerweise nur für die nationalsozialistische Partei vorbehalten war, und zwar im positiv gemeinten Sinne (siehe 3.2.2.2.). Die Vorschriften in Bezug auf die Sprache wurden augenscheinlich sogar vom „Führer“ selbst manchmal verletzt! Es muss trotzdem gesagt werden, dass das Wort hier immer mit anderen abschätzigen Elementen kombiniert wird: lächerliche Propaganda, Propagandastümper und Propagandafatzken. Das letzte Wort zeigt zudem, dass die Abwechslung zwischen fremden Ausdrücken und umgangssprachlichen Elementen in ein und demselben Wort stattfinden konnte. Die tönende Wirkung ist ohne weiteres wieder eine bedeutende Funktion der im Text angewendeten Fremdwörter. Hitler benutzt extrem negative Adjektive, um das Volk von der schlechten Art der Gegner zu überzeugen, eine Eigenschaft, für die fremde Ausdrücke oft ideal sind: tragisch, barbarisch, pervers, bestialisch, infernalisch, sadistisch. Noch im Text steht ein anderes Adjektiv, dessen sich Hitler zur Beschimpfung anderer Regime gerne bediente: plutokratisch. Dieses Adjektiv und das verwandte Substantiv Plutokratie bildeten in den Kriegsjahren nationalsozialistische Schlagwörter zur Verleumdung der westlichen Demokratien, meistens Großbritannien und der Vereinigten Staaten (Schmitz-Berning 2000, 469). Verschiedene Substantive dienen ebenfalls der Diffamierung: Clique, Kriegsapostel, Barbarei, Schikanen. Das Verb massakrieren passt auch in diese Reihe abwertender Wörter. Fremde Begriffe, die den Inhalt im positiven Sinne intensivieren, sind weniger zu bemerken, wahrscheinlich Hitler dem Volk am Anfang des Krieges in erster Linie von der schlechten Art der Gegner überzeugen mochte. Das bedeutendste positive Substantiv ist Martyrium, ein anderes Wort aus dem religiösen Wortschatz. Von Bedeutung bei den Adjektiven ist vor allem fanatisch, mit dem der „Führer“ noch mal unterstreicht, welche Haltung er seinen Untertanen abverlangt. Wenn der „Führer“ negative Aussagen über das Deutsche Reich, die gemacht wurden von den Feinden, wiedergibt, verwendet er oft Fremdwörter, die beim normalen Publikum weniger geläufig sind: 75 [Polen] hat diesen Kampf leichten Herzens gewählt, weil ihm gewisse Staatsmänner des Westens versichert hatten, daß sie genaue Unterlagen besäßen […] über die defaitistische Stimmung im Innern des Reiches, über die Diskrepanz, die zwischen dem deutschen Volk und seiner Führung bestehen soll. Das Adjektiv defätistisch gehört zur Bildungssprache und wurde sicherlich nicht von allen Zuhörern des gemeinen Volkes verstanden, und Diskrepanz ist verhüllender als Kluft oder Missverhältnis. Hitler wollte offensichtlich negative Meinungen über seine Politik, auch wenn sie von ihm widerlegt wurden, nicht auf eine explizite Weise darstellen. Ein ähnliches Verfahren findet im nächsten Abschnitt statt: „ein Engländer schrieb, das sei eine Perfidie“. Der italienische Titel Duce ist im Text zweimal aufzufinden. Indem Hitler die offizielle Anrede Mussolinis nutzt, wenn er über den faschistischen Leiter spricht, beabsichtigt er Respekt für seinen Verbündeten. Schließlich nimmt der „Führer“ auch diesmal verschiedene Elemente der Bildungssprache in den Mund: aufoktroyieren, Synthese, unhomogen, primär, human. Aus ihrem Kontext tritt nicht direkt eine verschleiernde Funktion hervor. Hitler wollte sich offenbar nicht nur im Reichstag, sondern gleichfalls der Masse gegenüber als ein intellektueller Mann zeigen. D. Rede am 4. September 1940 in Berlin D.1. Fremdwörter Nordkap – geographischen – Situation – Politiker – Armee – Truppen – Offensive – Position – Propaganda – September – wohlinformierten – Propagandisten – wohlinformierte – strategischen – Alliierten – Alliierten – konzentrieren – konstanter – Politiker – Zeitpunkt – Operation – Meter – Ironie – Propaganda – marschierte – Brigade – Kampfbomber – Brigadekommandeur – marschierte – Brigadekommandeur – Brigade – Dokumenten – Truppen – Mister – alliierte – Kombination – Alliierten – Front – konzentrieren – Truppen – strategische – Prophezeiungen – Aktien – Kriegsfabrikationsaktienpaketen – Termin – Termin – Nation – Kontinent – blockieren – Piratenstaat – Millionen – Kaffee – Kaffee-Einfuhr – interessiert – 85-Millionen-Nation – Plutokraten – außenpolitisches – Regime – Nation – tyrannisieren – General – Nationalsozialisten – Soldaten – General – General – Revolution – nationalsozialistischen – Generals – Revolution – September – September – September – General – General – Revolution – General – General – General – Fehlspekulation – Mister – General – General – obskure – Generale – General – Reichsgeneralfeldmarschall – General – 76 Bluff – solider – Generalen – Mister – Mister – Pietät – Generals – Revolution – Bluff – General – Soldaten – geniale – Mister – Situationen – evakuieren – Organisationen – Sanitätspersonal – Millionenschar – Soldat – Munition – Millionen – Munitionsfabriken – Front – Disziplin – zivile – Bomben – Bombe – Kilogramm – Bomben – Nachtpiraten – nationalsozialistische – Konsequenz – Soldat – Soldaten – fanatischem – sozialen – Experimente – Milliarden – Dividende – Interesse – materiellen – materielle – soziale – Experimente – Postament – Konzession – sozialen – sozialen – Plutokratien – Kapitalisten – internationalen – Koalition – Systemdeutschland – personell – sozialen – sozialen – Nationalsozialismus – konsequent – internationalen – Plutokraten – Sympathien – Plutokratien – soziale – Substanz – Substanz – Ideal – Ideal – soziale – Demonstration – Organisation – finanziell – ideell – Organisation – praktischen – Turnus – Repräsentanten – praktische – Millionen – nationalen – Nationalsozialismus – Produkt – primär – aufoktroyiert – organischen – Differenzen – Demonstrationen – reale – Produkte – repräsentieren – Repräsentant – gigantischen – sozialen – Repräsentant – Idee – napoleonische – Soldat – Tornister – Soldaten – Offizier – Unteroffizier – Repräsentanten – interessant – Front – organisiert – Demonstration – Spekulation – General – Revolution – Idiotie – Generals – General – General – Illusionen – Millionen D.2. Analyse Die letzte Rede wurde September 1940 gehalten anlässlich der Eröffnung des Kriegswinterhilfswerkes, einer sozialen Hilfseinrichtung im nationalsozialistischen Deutschland. In der Rede analysiert Hitler die Kriegslage und ruft er das deutsche Volk auf, ihre Aufgaben zu erfüllen und sich solidarisch miteinander zu zeigen. Gleich wie die anderen Texte besteht auch die letzte Rede zu ungefähr der Hälfte aus Fremdwörtern, für die im Deutschen keine anderen Begriffe vorhanden sind. Sie enthalten zum Teil Alltagswörter (Kaffee, Dokument, Meter, Kilogramm, Milliarde), aber vor allem militärische Wörter, was logisch ist angesichts des Themas der Rede und der Kriegslage, in der Deutschland sich befand: Offensive, Truppen, strategisch, Brigadekommandeur, General, Reichsgeneralfeldmarschall, Munition, Unteroffizier. Daneben kommen, wie in der vorigen Rede, politische Termini (Nationalsozialismus, Partei, außenpolitisch) zwar wieder vor, aber gleichfalls nicht so häufig als in den zwei ersten Reden, denn hier wird erneut zum normalen 77 Volk gesprochen, und stehen die politischen Angelegenheiten nicht an zentraler Stelle. Dies bestätigt noch einmal die These, dass der Anteil des politischen Wortschatzes größtenteils verantwortlich ist für den deutlichen Unterschied zwischen den zwei ersten und den zwei letzten Reden. Verschiedene Fremdwörter, die für die Nationalsozialisten eine negative Konnotation hatten, tauchen in der Rede auf: Kapitalist, Systemdeutschland. Ein anderes Adjektiv, das für die heutigen Sprecher ganz neutral aussieht, aber im Nationalsozialismus einen deutlich negativen Wert hatte ist international. Seine Bedeutung war: „undeutsch, vaterlandslos, zur jüdischen Weltverschwörung gehörig“ (Schmitz-Berning 2000, 322). Die Abwertung des Adjektivs kommt in der Rede noch deutlicher nach vorne durch die Kombination mit gleichfalls negativ konnotierten Substantiven: internationales Judentum, internationale Plutokraten. Mehrere Stichwörter kommen wiederum mehr als einmal vor: Weil wir aber das wissen, daß dieser Kampf doch letzten Endes ein Kampf um die ganze soziale Grundlage unseres Volkes, um die Substanz unseres Lebens ist und gegen diese Substanz gerichtet ist, bleibt uns gar nichts anderes übrig, als gerade im Kampf für dieses Ideal uns selbst immer mehr zu diesem Ideal zu bekennen. Des Weiteren sorgen auch in dieser Rede Derivationen für eine Art von Wiederholung: Plutokraten – Plutokratien, Ideal – ideell, Repräsentant – repräsentieren. In einem Fall dient das Fremdwort zur Verdoppelung des einheimischen Wortes: „zivile bürgerliche Wohnviertel“. Hitler verstößt aufs Neue, und zwar mehrmals, gegen seine eigenen sprachlichen Regeln. Erstens macht er wieder vom Wort Propaganda Gebrauch, um die feindlichen Aktivitäten darzustellen, obwohl dieser Terminus in Theorie exklusiv, und im positiv gemeinten Sinne, für die eigene Partei vorbehalten war (siehe 3.2.2.2.). Hier sind sogar, im Gegensatz zur vorigen Rede, keine anderen negativen Elemente in der direkten Nähe des Wortes zu spüren. Es wird nur von „englischen Propagandisten“ und „englische[r] Propaganda“ gesprochen. Zweitens erwähnt der „Führer“ mehrfach die Alliierten, einen Begriff, der von den Nationalsozialisten verboten wurde, da sie dieses Bündnis nicht anerkannten (siehe 3.2.3.). Die Verleumdung der Gegner ist abermals eine wichtige Eigenschaft der entbehrlichen Fremdwörter. Ausdrücke wie Piratenstaat, Nachtpiraten, Idiotie und tyrannisieren 78 hinterlassen beim Volk ein vernichtendes Bild der feindlichen Mächte. Eine ähnliche Entwertung wird in dieser Rede erreicht durch die Verwendung des fremden Titels Mister. Im Gegensatz zu Duce der vorigen Rede ist dieses Wort kein Zeichen von Respekt, sondern rückt es das Subjekt in einen ironischen Kontext: Diese Schwätzereien des Mister Churchill oder des Mister Eden – vom alten Chamberlain zu reden, das verbietet einem die Pietät –, diese Schwätzereien lassen das deutsche Volk ganz kalt, bewegen es höchstens zum Lachen. Die Verspottung wird in einem anderen Abschnitt noch verstärkt durch ein Adjektiv, gleichfalls ein Fremdwort: „der geniale Mister Churchill“. Die vorletzte Textstelle zeigt darüber hinaus mit dem Wort Pietät ein ähnliches Verfahren als dasjenige, das in der vorigen Rede zu bemerken war. Dort wurden vom „Führer“ schwer verständlichere Begriffe angewendet, um negative Aussagen über seine eigene Regierung weniger explizit zu machen. Hier werden durch die Wahl eines schwierigeren Wortes allzu positive Gefühle über den Gegner vermieden. Daher spricht Hitler nicht von „Respekt“ oder „Ehrfurcht“ für Chamberlain, sondern von Pietät, einem Wort, dessen Bedeutung vielen normalen Leuten wahrscheinlich unbekannt war. Eines der Lieblingswörter der Nationalsozialisten ist erneut im Text anzutreffen, nämlich fanatisch. Der „Führer“ kann den Belang dieser Einstellung bei der deutschen Bevölkerung nicht genügend betonen: Was den deutschen Soldaten vorne stark macht, ist das Bewußtsein und das Wissen, daß hinter ihm fiebernd in eiserner Geschlossenheit, aber fanatischem Willen ein ganzes Volk steht. Schließlich wollten auch in diesem Text verschiedene Wörter dem Publikum zeigen, dass ein gebildeter Sprecher vor ihm steht: Konzession, Substanz, Repräsentant, napoleonisch. Diese Wörter stehen in scharfem Kontrast zur nächsten Textstelle, in der Hitler explizit auf die Umgangssprache zurückgreift: Es gibt in unserer hochdeutschen Sprache kein passendes Wort für so eine Erscheinung wie Duff Cooper. Da muß man schon zur Mundart greifen, und hier, glaube ich, ist nur im Bayerischen ein Wort geprägt worden, das so einen Mann charakterisiert, nämlich: Krampfhenne! Das Beispiel bestätigt die Heterogenität des Sprachstils Hitlers, welcher neben zahlreichen aus der Bildungssprache stammenden Fremdwörtern ebenso gut umgangssprachliche Begriffe 79 verwendete zum Imponieren seiner Zuhörer, vor allem wenn er, wie in dieser Rede, zum normalen Volk sprach (siehe 3.2.4.). 80 5. Schlussfolgerungen In der vorliegenden Arbeit hat sich herausgestellt, dass die fundamentale Diskrepanz, die das nationalsozialistische und das faschistische Regime in ihrem Umgang mit Fremdwörtern aufweisen, sich durch mehrere Gründe erklären lässt. Die Fremdwortjagd im italienischen Faschismus wurde gefördert durch die allgemeinen sprachpuristischen Bestrebungen des Regimes, welche auf die Verbreitung der von vielen Italienern nur mangelhaft gekannten Standardsprache zielte. Diese Aussage wird unterstützt durch die Tatsache, dass der deutsche Fremdwortpurismus ebenfalls entstanden war als Teil einer allgemeineren sprachpuristischen Bewegung, welche sich im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert einsetzte für eine normierte hochdeutsche Standardsprache. Ausschlaggebender für die Haltung gegenüber Fremdwörtern im italienischen Faschismus waren jedoch die ideologischen Beweggründe. Sich stützend auf die romantische Gleichstellung von Nation und Sprache, wurden die italienischen Faschisten getrieben von der Idee der ‚linguistischen Autarkie‘. Italien wollte sich der Außenwelt gegenüber als ein selbstständiger Staat zeigen, und dazu gehörte eine nationale Sprache, die von allen fremden Elementen gesäubert war. Im Nationalsozialismus dagegen spielten bei der Bewertung von Fremdwörtern ganz andere Faktoren eine Rolle. Die nationalsozialistische Vorliebe für fremde Ausdrücke ist desto merkwürdiger, weil die fremdwortpuristische Bewegung in Deutschland nach der Reichsgründung (1870) und am Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts sehr populär war, mit dem Deutschen Sprachverein als wesentlichstem Exponenten. Trotz dieses günstigen Klimas entschieden sich die Nationalsozialisten für einen anderen Kurs. Einen solchen Bruch mit der Tradition konnten sie sich leisten, da sie, im Gegensatz zu Mussolini, der offenbar kein extremer Fremdwortpurist war, viel weniger abhängig waren von den Wünschen anderer Instanzen und über eine stärkere gesellschaftliche Kontrolle verfügten. Woher stammte aber diese positive Ansicht über fremde Ausdrücke in einem nationalistischen und xenophoben Regime wie dem Nationalsozialismus? Erstens war der „Führer“ der Deutschtümelei, einem Leitgedanken vieler deutscher Fremdwortpuristen, nicht zugeneigt, im Unterschied zu den italienischen Faschisten, die für die italianità schwärmten. Für Hitler lag 81 die Deutschheit des Volkes nicht in der Sprache, sondern im Blut. Dass die deutsche Sprache unmöglich eine Grundlage der nationalen Identität bilden konnte, liegt nahe, denn viele Deutschsprechende, insbesondere die Juden, gehörten nicht zum nationalsozialistischen ‚Herrenvolk‘. Zweitens stellten sich die Nationalsozialisten in der Fremdwortproblematik viel pragmatischer auf als die italienischen Faschisten. Hitler betrachtete die Aufnahme von Fremdwörtern nicht wie die Fremdwortpuristen als ein Symbol von Überfremdung, sondern als einen natürlichen Prozess, der die deutsche Sprache nur bereichern konnte. Zudem war ihm klar, dass viele Eindeutschungen unpraktisch und weniger verständlich waren als die Fremdwörter. Drittens passte der Fremdwortpurismus nicht in die Expansionspolitik der Nationalsozialisten, die einen deutlichen Unterschied mit der autarkischen Politik der italienischen Faschisten bildete. Da der nationalsozialistische Staat sich als der Verteidiger Westeuropas zeigen mochte, sollte das Deutsche einen internationalen, und also fremdwortreichen, Charakter haben. Der Hauptgrund aber für die positive Bewertung von Fremdwörtern im Nationalsozialismus bildeten die Funktionen, welche die fremden Ausdrücke im Diskurs erfüllen konnten. Erstens dienten viele Fremdwörter dem Imponieren der Zuhörer oder Leser, ein wichtiger Aspekt der nationalsozialistischen Kommunikation, die die Ausschaltung der kritischen Vernunft bezweckte. Fremdwörter wirken oft suggestiver, u. a. wegen ihrer fremden Klänge und anderer Betonung, können dem Textinhalt den Schein einer wissenschaftlichen, politischen oder amtlichen Korrektheit verleihen oder aber können aus purer Angeberei gewählt werden, um den Leuten vom Intellekt des Sprechers zu überzeugen. Die Intensivierung des Gesagten durch die Anwendung von Fremdwörtern, äußert sich vor allem im Hervorheben der Einzigartigkeit der eigenen Aktivitäten (heroisch, Triumph, prophezeien, energisch) und der Verleumdung der Gegner: bestialisch, Idiotie, Piratenstaat, tyrannisieren. Die zweite Funktion des Fremdwortgebrauchs im ‚Dritten Reich‘ war die Verschleierung, vor allem von Verbrechen, aber in den Kriegsjahren auch von Niederlagen und Krisen. Wörter wie Evakuierung, Desinfektion oder Konzentrationslager enthüllen keineswegs die Gräueltaten, die hinter diesen Wörtern steckt. Fremdwörter sind gut geeignet für eine solche Verhüllung, weil sie häufig aus der Fach- und Bildungssprache stammen und deshalb dem normalen Volk unbekannt oder zumindest weniger geläufig sind. Ein interessanter Aspekt der Tarnung, die in der Analyse dieser Arbeit hervortrat, ist die Verwendung fremder, nicht 82 geläufiger Begriffe, um positive Aussagen über Feinde oder negative Ideen von Gegnern über die nationalsozialistische Regierung weniger explizit zu machen. So spricht Hitler nicht von Respekt, sondern von Pietät für Chamberlain, und äußert er die Meinung, dass die Feinde seine Aktivitäten als ein Perfidie charakterisieren. Weiter wurden Fremdwörter zur Abgrenzung des Eigenen vom Fremden eingesetzt. Die Wörter Propaganda und Kongreß z. B. waren den Nationalsozialisten vorbehalten, in Bezug auf die anderen Parteien dagegen sollte von Hetze bzw. Tagung die Rede sein. Auch wenn die Nationalsozialisten kaum neue Fremdwörter introduzierten, wurde vielen Fremdwörtern schon eine neue Konnotation beigemessen. Dies konnte eine Änderung im positiven Sinne sein, wie beim Wort Fanatismus, der Haupttugend der nationalsozialistischen Partei, und seinen Ableitungen, meistens aber handelte es sich um eine Pejoration von Wörtern, die beispielsweise Ideologien (Kommunismus), Regierungsformen (Demokratie) oder Haltungen (intellektuell, objektiv) bezeichneten, die nicht in Übereinstimmung waren mit dem Gedankengut der Nationalsozialisten. Eine Absicht der vorliegenden Arbeit war gleichfalls, eine Idee zu bekommen von der Zahl der Fremdwörter, die Hitler in seinen Reden einsetzte. Aus der Analyse von 4 Reden kam ein durchschnittlicher Fremdwortanteil von 5,47% heraus, was keine Riesenzahl ist, im Vergleich zu anderen fremdwortreichen Texten, wie z. B. der Tagespresse (8 bis 9%). Außerdem wurde Hitlers Fremdwortgebrauch gekennzeichnet durch ständige Wiederholungen, auch mittels Ableitungen eines bereits verwendeten Wortes, und einen großen Anteil an unentbehrlichen Fremdwörtern. In den analysierten Reden zeigte sich jeweils mehr als die Hälfte der gezählten Fremdwörter unentbehrlich. Neben diversen Begriffen aus der Alltagssprache (Film, Problem, Januar, Presse) stammen sie – logischerweise – hauptsächlich aus dem politischen (Regierung, nationalsozialistisch, kommunistisch, Demokratie, Reichspräsident) und dem militärischen (Armee, Front, Truppen, Bombe, Offiziere) Bereich. Die politischen Fremdwörter kommen jedoch am meisten vor und sind zudem in großem Maße verantwortlich für die prägnanten Unterschiede zwischen den Fremdwortanteilen der verschiedener Reden. Von den 4 analysierten Reden enthielten die ersten zwei deutlich mehr Fremdwörter als die letzten zwei, weil sie von politischen Themen handelten und vor einem Publikum von Politikern gehalten wurden. In solchen Umständen musste Hitler offensichtlich mehr auf politische Begriffe zurückgreifen. Aus der Analyse kann gefolgert werden, dass der 83 „Führer“ keine Unmenge an Fremdwörtern benutzte, wie in der Sekundärliteratur manchmal suggeriert wird, und nicht jedes Mal ein Fremdwort wählte, wenn dies möglich oder sogar zu erwarten war. Immerhin lag sein Fremdwortanteil noch bedeutend höher als derjenige in der Umgangssprache, und zeigte er eine breite Kenntnis von Fremdwörtern, die derjenigen eines damaligen durchschnittlichen Sprechers ohne Zweifel weit überlegen war. Hitler setzte Fremdwörter immer an eine gut gewählten Stelle ein und vermied eine Überhäufung, weil diese gerade zu einer Abschwächung der suggestiven Kraft führen und die Verständlichkeit des gesamten Textes gefährden konnte. Die Sprache im Nationalsozialismus sollte im Grunde dem normalen Volk einfach, zugänglich und anziehend erscheinen, und daher waren z. B. umgangssprachliche Elemente ebenfalls ein fester Bestandteil des nationalsozialistischen Sprachstils. Indem die Fremdwörter in Abwechslung mit anderen Elementen wie Salven auf das Publikum losgelassen wurden, wirkten sie desto eindrucksvoller ein. Sosehr sich der Umgang mit Fremdwörtern in beiden Regimen auch unterschied, sie weist doch einen gemeinsamen Charakterzug auf, nämlich einen ambivalenten Charakter. Die Ambivalenz war am höchsten anwesend in der faschistischen Sprachpolitik. Diese richtete sich nicht auf alle Fremdwörter schlechthin, sondern in erste Linie auf diejenigen aus den wirtschaftlichen Bereichen, wie etwa Tourismus, Bank und Gastronomie, wegen der internationalen Konkurrenz auf diesem Gebiet. Weiterhin wurden manche deutsche Wörter (Gauleiter, Anschluss), die aus einem befreundeten Land stammten, und verschiedene übliche Fremdwörter wie sport, film und tram ohne Probleme akzeptiert. Für andere Begriffe wie bar dagegen wurde eine wahre Fülle von Vorschlägen gemacht, ohne dass deutlich war, welche Form den Vorzug erhielt: bettolino, quisibeve, taberna potoria, ber, barro, barra, bara, mescita, liquoreria und taverna. Darüber hinaus verloren die Ersetzungen der Kommission für die italianità della lingua 1942 ihre normative Geltung, obwohl diese Kommission, die zwischen 1941 und 1943 die bekannten fünfzehn Listen mit Italianisierungen publizierte, speziell zu diesem Zweck gegründet worden war. All diese Faktoren hatten einen Mangel an Systematik und Eindeutigkeit zur Folge, welche beitrug zum Scheitern der neopuristischen Kampagne, denn die meisten Substitute waren nicht im Stande, die originellen Fremdwörter zu verdrängen. Dieser Misserfolg wurde weiter bestimmt von der viel zu kurzen Dauer der Kampagne, von dem passiven Widerstand, den die üblicheren Fremdwörter auf die neuen, unbekannten Ersetzungen leisteten, und von der Tatsache, dass die Kampagne sich vor allem am Ende des Regimes situierte, als die Sympathie von Seiten der Bevölkerung schon stark 84 abgenommen hatte. Rechnend mit all diesen Faktoren, kann allerdings nicht verneint werden, dass die faschistischen Neopuristen einige Erfolge erzielt haben, z. B. im Bereich des Sports (fallo, campo, arbitro, portiere, primato). Die Ambivalenz der faschistischen Sprachpolitik äußert sich letztens in der kolonialen Literatur. Die Autoren von kolonialen Romanen konnten in ihren Texten, welche die Visualisierung der kolonialen Welt für das italienische Volk zum Auftrag hatten, ungestört fremde Begriffe anwenden. Diese bezeichneten meistens typische Orte, Bräuche, Objekte und Personen der fremden Länder, konnten aber gleichfalls wegen ihrer evokativen Möglichkeiten gewählt werden. Dieser Fremdwortgebrauch wurde dennoch von manchen Neopuristen kritisiert, weil sie zu einer Flucht aus der Realität führten. Zu offiziellen Maßnahmen wurde allerdings nie geschritten. Der nationalsozialistische Umgang mit Fremdwörtern wurde ebenfalls von einer Ambivalenz gekennzeichnet. Einerseits wurden Fremdwörter liebend gerne verwendet, andererseits wurden sie manchmal abgelehnt oder sogar verboten, und wurde ein einheimisches Äquivalent gewählt. Gleichwie die Bevorzugung eines Fremdworts wurde auch seine Ablehnung bestimmt von suggestiver Kraft, Konnotation und Effekt auf die Zuhörer. Beispiele sind das allzu euphemistische Wort Partisanen, an dessen Stelle weniger verhüllende Bezeichnungen wie Heckenschützen oder Banditen kamen, und Versorgungskrise, das zu negativ klang und durch Engpaß ersetzt wurde. Die Zwiespältigkeit in der nationalsozialistischen Haltung den Fremdwörtern gegenüber war augenscheinlich das Ergebnis einer äußerst pragmatischen Behandlung der fremden Begriffe. Trotzdem wurde in der Analyse der Reden Hitlers deutlich, dass sogar der „Führer“ manchmal gegen seine eigenen Regeln verstieß. So benutzte er das Fremdwort Propaganda, das in Theorie exklusiv der eigenen Partei vorbehalten war, auch in Bezug auf die Aktivitäten der Gegner. Nichtsdestoweniger kann trotz solcher Fehltritte zum Schluss gesagt werden, dass die Ambivalenz zwischen Zuneigung und Ablehnung im Fremdwortgebrauch der Nationalsozialisten meistens sehr bewusst und zudem funktional in den gehaltenen Reden war. Bei den Faschisten dagegen erwies sich die Ambivalenz öfter als die Folge eines Mangels an Systematik, die gar nicht funktional war, sondern die fremdwortpuristischen Aktivitäten nur erschwerte. 85 6. Bibliographie Adami, Eugenio: La lingua di Mussolini. Modena: Società tipografica modenese 1939. Adorno, Theodor W.: Wörter aus der Fremde. In: Braun, Peter (Hg.): Fremdwort-Diskussion. München: Wilhelm Fink Verlag 1979. 198-211. Ahlvers-Liebel, Elisabeth / Greule, Albrecht: Germanistische Sprachpflege: Geschichte, Praxis und Zielsetzung. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1986. Ascoli, Graziadio: Proemio all‘«Archivio glottologico italiano». In: Grassi, Corrado (Hg.): Scritti sulla questione della lingua. Mailand: Silva 1967. 1-53. Baele, Jens: La sopravvivenza del lessico fascista: forestierismi e sostituzioni. 2010. Beck, Hans-Rainer: Politische Rede als Interaktionsgefüge: der Fall Hitler. Tübingen: Niemeyer Verlag 2001. Bernsmeier, Helmut: Der Allgemeine Deutsche Sprachverein von 1912 bis 1932. In: Muttersprache. 90. 1980. 117-140. Besch, Werner / Betten, Anne / Reichmann, Oskar / Sonderegger, Stefan (Hgg.): Sprachgeschichte. Ein Handbuch zur Geschichte der deutschen Sprache und ihrer Erforschung. 2., vollständig neu bearbeitete und erweiterte Auflage. 2. Teilband. Berlin: De Gruyter 2000. Bollettino di informazioni della Reale Accademia d’Italia, I, n. 1-3. 1940. Bork, Siegfried: Missbrauch der Sprache: Tendenzen nationalsozialistischer Sprachregelung. Bern: Francke Verlag 1970. Braun, Peter (Hg.): Fremdwort-Diskussion. München: Wilhelm Fink Verlag 1979. Cappellina, Enrico: Tzegai, la danzatrice del Tigrè. Romanzo coloniale. Bologna: Cappelli 1931. Cardona, Giorgio: Dizionario di linguistica. Rom: Armando 1988. Cappellina, Enrico: Un canto nella notte. Romanzo coloniale. Bologna: Cappelli 1925. Daniels, Karlheinz: Erfolg und Mißerfolg der Fremdwortverdeutschung. Schicksal der Verdeutschungen von Joachim Heinrich Campe. In: Braun, Peter (Hg.): FremdwortDiskussion. München: Wilhelm Fink Verlag 1979. 145-181. De Felice, Renzo: Intervista sul fascismo. Hg. von Michael Ledeen. Bari: Laterza 1975. De Mauro, Tullio: Storia linguistica dell’Italia unita. Bari: Laterza 1963. Dei Gaslini, Mario: Profumo di terra vergine. Mailand: Giuseppe Morreale Editore 1931. 86 Drecksen, W.: Über das Fremdwort und seinen Gebrauch. In: Pandora. Heft 10. Ulm 1948. 49. Eggeling, Willi J.: Das Fremdwort in der Sprache der Politik. In: Braun, Peter (Hg.): Fremdwort-Diskussion. München: Wilhelm Fink Verlag 1979. 273-313. Ehlich, Konrad (Hg.): Sprache im Faschismus. 3. Auflage. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1995. Grassi, Corrado (Hg.): Scritti sulla questione della lingua. Mailand: Silva 1967. Heller, Klaus: Das Fremdwort in der deutschen Sprache der Gegenwart. Untersuchungen im Bereich der Gebrauchssprache. Leipzig: Bibliographisches Institut 1966. Henß, Rudolf / von Wiese, Benno (Hgg.): Nationalismus in Germanistik und Dichtung: Dokumentation des Germanistentages in München vom 17.-22. Okt. 1966. Berlin: Schmidt Verlag 1967. Hitler, Adolf: Mein Kampf. 43. Auflage. Mumbai: Jaico 2009. Ille, Karl: Politische Sprache im Dienst der Gewalt (italienischer und deutscher Sprachraum im Vergleich). Wien: Diss. 1980. Kinne, Michael/ Schwitalla, Johannes: Sprache im Nationalsozialismus. Heidelberg: Groos 1994. Kirkness, Alan: Zur Sprachreinigung im Deutschen 1789-1871. Eine historische Dokumentation. 2 Teilbände. Narr: Tübingen 1975. Kirkness, Alan: Das Phänomen des Purismus in der Geschichte des Deutschen. In: Besch, Werner/ Betten, Anne/ Reichmann, Oskar/ Sonderegger, Stefan (Hgg.): Sprachgeschichte. Ein Handbuch zur Geschichte der deutschen Sprache und ihrer Erforschung. 2., vollständig neu bearbeitete und erweiterte Auflage. 2. Teilband. Berlin: De Gruyter 2000. 407-416. Klein, Gabriella: La politica linguistica del fascismo. Bologna: Mulino 1986. Klemperer, Victor: »LTI« Die unbewältigte Sprache. Aus dem Notizbuch eines Philologen. München: Deutscher Taschenbuch Verlag 1969. Leitner, Julia: Die Folgewirkungen der Sprachpolitik des italienischen Faschismus in der Nachkriegszeit. Wien: 2008. Loohuis, Wilhelmus J. M.: Das Sprachgenie Adolf Hitler. Dargelegt am Gebrauch der Fremdwörter. München: Hirthammer Verlag 1975. Maas, Utz: Sprache in der Zeit des Nationalsozialismus. In: Besch, Werner/ Betten, Anne/ Reichmann, Oskar/ Sonderegger, Stefan (Hgg.): Sprachgeschichte. Ein Handbuch zur Geschichte der deutschen Sprache und ihrer Erforschung. 2., vollständig neu bearbeitete und erweiterte Auflage. 2. Teilband. Berlin: De Gruyter 2000. 1980-1990. 87 Mackensen, Lutz: Traktat über Fremdwörter. Heidelberg: Quelle und Meyer 1972. Marongiu, Paola/ Rossi, Leonardo: Breve storia della lingua italiana per parole. Firenze: Le Monnier 2005. Migliorini, Bruno: La lingua nazionale. Firenze: Le Monnier 1941. Migliorini, Bruno: La lingua italiana nel Novecento. Hg. von Massimo L. Fanfani. 2. Auflage. Firenze: Casa Editrice Le Lettere 1990. Müller, Wolfgang: Fremdwortbegriff und Fremdwörterbuch. In: Braun, Peter (Hg.): Fremdwort-Diskussion. München: Wilhelm Fink Verlag 1979. 59-73. Mussolini, Benito: Scritti e discorsi dal 1929 al 1931. 12 Bände. Band 7. Milano: Hoepli 1934-1939. Muttersprache: Zeitschrift zur Pflege und Erforschung der deutschen Sprache. 48. 1933. Muttersprache: Zeitschrift zur Pflege und Erforschung der deutschen Sprache. 52. 1937. Pagliara, Maria: Il romanzo coloniale tra imperialismo e rimorso. Roma/Bari: Laterza 2001. Picker, Henry (Hg.): Hitlers Tischgespräche im Führerhauptquartier 1941-1942. Im Auftrag des Verlags neu herausgegeben von Percy Ernst Schramm, in Zusammenarbeit mit Andreas Hillgruber und Martin Vogt. Stuttgart: Seewald 1963. Ricci, Laura: La lingua dell’impero. Comunicazione, letteratura e propaganda nell’età del colonialismo italiano. Carocci: Roma 2005. Schank, Gerd: Vorschlag zur Erarbeitung einer operationalen Fremdwortdefinition. In: Braun, Peter (Hg.): Fremdwort-Diskussion. München: Wilhelm Fink Verlag 1979. 32-58. Schmitz-Berning, Cornelia: Vokabular des Nationalsozialismus. Berlin: De Gruyter 2000. Sennebogen, Waltraud: Die Gleichschaltung der Wörter. Sprache im Nationalsozialismus. In: Süß, Dietmar/ Süß, Winfried (Hgg.): Das »Dritte Reich«. Eine Einführung. München: Pantheon Verlag 2008. 165-183. Simon, Gerd: Sprachpflege im »Dritten Reich«. In: Ehlich, Konrad (Hg.): Sprache im Faschismus. 3. Auflage. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1995. 58-86. Stedje, Astrid: Deutsche Sprache gestern und heute. 6. Auflage. München: Wilhem Fink Verlag: 2007. Süß, Dietmar/ Süß, Winfried (Hgg.): Das »Dritte Reich«. Eine Einführung. München: Pantheon Verlag 2008. 88 Szalatnay, Thomas: Die deutsche Sprache und Fremdwörter im 3. Reich. In: Annals for Istrian and Mediterranean Studies. 1. Koper 2009. 145-152. Tedesco Zammarano, Vittorio: Azanagò non pianse. Romanzo d’Africa. Mondadori: Milano 1934. Von Polenz, Peter: Deutsche Sprachgeschichte vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart. Band III (19. und 20. Jahrhundert). Berlin: De Gruyter 1999. Von Polenz, Peter: Sprachpurismus und Nationalsozialismus. Die ‘Fremdwort’-Frage gestern und heute. In: Henß, Rudolf / von Wiese, Benno (Hgg.): Nationalismus in Germanistik und Dichtung: Dokumentation des Germanistentages in München vom 17.-22. Okt. 1966. Berlin: Schmidt Verlag 1967. 79-112. Von Polenz, Peter: Fremdwort und Lehnwort sprachwissenschaftlich betrachtet. In: Braun, Peter (Hg.): Fremdwort-Diskussion. München: Wilhelm Fink Verlag 1979. 9-31. Internetquellen http://www.lincei-celebrazioni.it/i1926i.html Eine offizielle Webseite der Accademia Nazionale dei Lincei. Abgerufen am 08.08.2011. http://www.accademiadellacrusca.it/faq/faq_risp.php?id=5497&ctg_id=93 Offizielle Webseite der Accademia della Crusca. Abgerufen am 08.08.2011. Wörterbücher Duden. Fremdwörterbuch. Duden Band 5. 4., neu bearbeitete und erweiterte Auflage. Bearbeitet von Wolfgang Müller unter Mitwirkung von Rudolf Köster und Marion Trunk und weiteren Mitarbeitern der Dudenredaktion sowie zahlreichen Fachwissenschaftlern. Mannheim: Dudenverlag 1982. Duden. Deutsches Universalwörterbuch. 6., überarbeitete und erweiterte Auflage. Mannheim: Dudenverlag 2007. http://www.etimo.it/?pag=hom Online Version des Vocabolario Etimologico della Lingua Italiana von Ottorino Pianigiani. Abgerufen am 08.08.2011. Anlagen http://www.nazi.org.uk/political%20pdfs/HitlerReden.pdf Webseite mit offiziellen Reden, Bildmaterial und anderen Quellen zum Nationalsozialismus. Abgerufen am 08.08.2011. 89 7. Anlagen 4 Reden Hitlers63: 63 − I. Rede vor dem Reichstag am 30. Januar 1937 − II. Die Tagung des Reichstags in der Krolloper am 23. März 1933 − III. Rede am 19. September 1939 im Artushof zu Danzig − IV. Rede am 4. September 1940 in Berlin – Eröffnung des Kriegswinterhilfswerkes 1940/41 http://www.nazi.org.uk/political%20pdfs/HitlerReden.pdf 90 I. Rede vor dem Reichstag am 30. Januar 1937 Männer Abgeordnete des Deutschen Reichstages! An einem für das deutsche Volk bedeutungsvollen Tage ist der Reichstag heute zusammengetreten. Vier Jahre sind vergangen seit dem Augenblick, da die große innere Umwälzung und Neugestaltung, die Deutschland seitdem erlebte, ihren Anfang nahm. Vier Jahre, die ich mir vom deutschen Volk ausgebeten habe als eine Zeit der Bewährung und Beurteilung. Was würde näherliegen, als diesen Anlaß zu benutzen, um im einzelnen alle jene Erfolge und Fortschritte aufzuzählen, die diese vier Jahre dem deutschen Volke geschenkt haben? Es ist aber gar nicht möglich, im Rahmen einer so kurzen Kundgebung all das zu erwähnen, was als die bemerkenswerten Ergebnisse dieser vielleicht erstaunlichsten Epoche im Leben unseres Volkes gelten dürfen! Dies ist mehr die Aufgabe der Presse und der Propaganda. Außerdem wird in diesem Jahre in der Reichshauptstadt Berlin eine Ausstellung stattfinden, in der versucht werden soll, ein umfassenderes und eingehenderes Bild des Geschaffenen, Erreichten und Begonnenen aufzuzeigen, als mir dies in einer zweistündigen Rede überhaupt möglich sein könnte! Ich will daher diese heutige geschichtliche Zusammenkunft des Deutschen Reichstages benutzen, um in einem Rückblick auf die vergangenen vier Jahre einige jener allgemein gültigen Erkenntnisse, Erfahrungen und Folgerungen aufzuzeigen, die zu verstehen nicht nur für uns, sondern auch für die Nachwelt wichtig sind. Ich will weiter eine Stellung zu jenen Problemen und Aufgaben nehmen; deren Bedeutung uns und unserer Umwelt zur Ermöglichung eines besseren Zusammenlebens klar sein müssen, und endlich möchte ich auch in kürzesten Zügen die Projekte umreißen, die mir teils für die nächste, teils auch für die fernere Zukunft als Arbeit vorschweben. In der Zeit, da ich noch als einfacher Redner durch die deutschen Lande zog, wurde mir oft von bürgerlicher Seite die Frage vorgelegt, warum wir an die Notwendigkeit einer Revolution glaubten, statt zu versuchen, im Rahmen der bestehenden Ordnung und unter Mitarbeit bei den vorhandenen Parteien die uns als schädlich und ungesund erscheinenden Verhältnisse zu verbessern. Wozu eine neue Partei und wozu vor allem eine neue Revolution? Meine damaligen Antworten wurden immer von folgenden Erwägungen bestimmt: 1. Die Verfahrenheit, der Verfall der deutschen Zustände, der Lebensauffassungen und der Lebensbehauptung können nicht beseitigt werden durch einen einfachen Regierungswechsel. Diese Wechsel haben ja schon vor uns mehr als genug stattgefunden, ohne daß dadurch eine wesentliche Besserung der deutschen Not eingetreten wäre. Alle die Regierungsumbildungen hatten eine positive Bedeutung nur für die Akteure des Schauspiels, für die Nation aber fast stets nur negative Ergebnisse. Im Laufe einer langen Zeit war das Denken und praktische Leben unseres Volkes in Bahnen geraten, die ebenso unnatürlich wie im Ergebnis abträglich waren. Eine der Ursachen dieser Zustände lag aber in der unserem Wesen, unserer geschichtlichen Entwicklung und unseren Bedürfnissen fremden Organisation des Staatsaufbaues und der Staatsführung an sich. Das parlamentarisch-demokratische System war von den allgemeinen Zeiterscheinungen nicht zu trennen. Die Heilung einer Not kann aber kaum je erfolgen durch eine Beteiligung an den sie verschuldenden Ursachen, sondern nur durch deren radikale Beseitigung. Damit aber mußte der politische Kampf unter den gegebenen Verhältnissen zwangsläufig den Charakter einer Revolution annehmen. 2. Eine solche revolutionäre Um- und Neugestaltung ist weder denkbar durch die Träger und mehr oder minder verantwortlichen Repräsentanten des alten Zustandes, das heißt also auch nicht durch die politischen Organisationen des früheren verfassungsmäßigen Lebens, noch durch eine Teilnahme an diesen Einrichtungen, sondern nur - durch die Aufrichtung und den Kampf - einer neuen Bewegung 91 mit dem Zweck und Ziel, die notwendige Reformation des politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Lebens bis in die tiefsten Wurzeln hinein vorzunehmen, und alles, wenn nötig, auch unter Einsatz von Blut und Leben! Es gehört dabei zum Bemerkenswerten, daß der parlamentarische Sieg durchschnittlicher Parteien kaum etwas Wesentliches am Lebensweg und Lebensbild der Völker verändert, während eine wahrhafte Revolution, die aus tiefsten weltanschaulichen Erkenntnissen kommt, auch nach außen hin zu einprägsamsten und allgemein sichtbaren Veränderungen führt. Wer will aber daran zweifeln, daß in diesen hinter uns liegenden vier Jahren tatsächlich eine Revolution von gewaltigstem Ausmaß über Deutschland hinweggebraust ist? Wer kann dieses heutige Deutschland noch vergleichen mit dem, was an diesem 30. Januar heute vor vier Jahren bestand, da ich zu dieser Stunde den Eid in die Hand des ehrwürdigen Herrn Reichspräsidenten abgelegt hatte? Allerdings, wenn ich von einer nationalsozialistischen Revolution spreche, dann lag es in der besonderen Eigenart dieses Vorganges in Deutschland, wenn vielleicht gerade dem Auslande und vielleicht auch manchem unserer Mitbürger das Verständnis nicht ganz erschlossen wurde für die Tiefe und das Wesen dieser Umwälzung. Ich bestreite auch nicht, daß gerade diese Tatsache, die für uns das Bemerkenswerteste der Eigenart des Ablaufs der nationalsozialistischen Revolution ist und auf die wir besonders stolz sein dürfen, im Ausland und bei den einzelnen Mitbürgern dem Verständnis für diesen einmaligen geschichtlichen Vorgang eher hinderlich als nützlich war. Denn diese nationalsozialistische Revolution war zu allererst eine Revolution der Revolutionen. Ich meine damit folgendes: Durch Jahrtausende hat sich nicht etwa in deutschen Gehirnen, sondern noch viel mehr in den Gehirnen der Umwelt die Ansicht gebildet und durchgesetzt, daß das charakteristische Merkmal jeder wahren Revolution eine blutige Vernichtung der Träger der früheren Gewalten und in Verbindung damit eine Zerstörung von öffentlichen und privaten Einrichtungen und Eigentum sein müßten. Die Menschheit hat sich daran gewöhnt, Revolutionen mit solchen Begleitumständen irgendwie doch wieder als legale Vorgänge anzuerkennen, d.h. der tumultuösen Vernichtung von Leben und Eigentum, wenn schon nicht zustimmend, so doch wenigstens verzeihend gegenüberzutreten, als die nun einmal nötigen Begleiterscheinungen von Vorgängen, die man ja deshalb auch Revolutionen heißt! Hierin liegt vielleicht, wenn ich von der faschistischen Erhebung in Italien absehe, der größte Unterschied zwischen der nationalsozialistischen und anderen Revolutionen. Die nationalsozialistische Revolution ist so gut als vollkommen unblutig verlaufen. Sie hat in der Zeit, da die Partei, in Deutschland sicherlich sehr große Widerstände überwindend, die Macht übernahm, überhaupt keinen Sachschaden angerichtet. Ich darf es mit einem gewissen Stolz aussprechen: Dies war vielleicht die erste Revolution, bei der noch nicht einmal eine Fensterscheibe zertrümmert wurde. Ich möchte aber nun nicht falsch verstanden werden: Wenn diese Revolution unblutig verlief, dann nicht deshalb, weil wir etwa nicht Männer genug gewesen wären, um auch Blut sehen zu können! Über vier Jahre lang war ich Soldat im blutigsten Kriege aller Zeiten gewesen. Ich habe in ihm in keiner Lage und unter keinen Eindrücken auch nur einmal die Nerven verloren. Dasselbe gilt von meinen Mitarbeitern.. Allein wir sahen die Aufgabe der nationalsozialistischen Revolution nicht darin, Menschenleben oder Sachwerte zu vernichten, als vielmehr darin, ein neues und besseres Leben aufzubauen. Es ist unser höchster Stolz, die sicherlich größte Umwälzung in unserem Volke mit einem Minimum an Opfern und an Verlusten durch geführt zu haben. Nur dort, wo die bolschewistische Mordlust auch noch nach dem 30. Januar 1933 glaubte, mit Gewalt den Sieg oder die Verwirklichung der nationalsozialistischen Idee verhindern zu können, haben wir und da natürlich blitzschnell - auch 92 mit Gewalt geantwortet. Andere Elemente wieder, deren Unbeherrschtheit in Verbindung mit größter politischer Unbildung wir erkannten, nahmen wir nur in Sicherheitsverwahrung, um sie im allgemeinen schon nach kurzer Zeit wieder in den Besitz ihrer Freiheit zu setzen. Und nur wenige, deren politische Tätigkeit nur der Deckmantel für eine durch zahlreiche Gefängnis- und Zuchthausstrafen bestätigte verbrecherische Haltung an sich war, hinderten wir auch später an einer Fortsetzung ihrer verderblichen Zerstörungsarbeit, indem wir sie, wohl zum erstenmal in ihrem Leben, zu einer nützlichen Beschäftigung anhielten. Ich weiß nicht, ob es jemals eine Revolution von so durchgreifendem Ausmaß gegeben hat wie die nationalsozialistische und die trotzdem unzählige frühere politische Funktionäre unbehelligt und im Frieden ihrer Tätigkeit nachgehen ließ, ja zahlreichen grimmigsten Feinden in oft höchsten Staatsstellen sogar noch den vollen Genuß der ihnen zustehenden Renten und Pensionen ausschüttete? Wir haben dies getan! Allerdings hat uns vielleicht gerade dieses Vorgehen nach außen hin nicht immer genützt. Erst vor wenigen Monaten konnten wir es erleben, wie ehrenwerte britische Weltbürger glaubten, sich an mich wenden zu müssen mit einem Protest wegen der Zurückbehaltung eines der verbrecherischsten Moskauer Subjekte in einem deutschen Konzentrationslager. Es ist wohl meiner Unorientiertheit zuzuschreiben, nie erfahren zu haben, ob diese ehrenwerten Männer sich einst auch ebenso gegen die blutigen Gewalttaten dieser Moskauer Verbrecher in Deutschland ausgesprochen hatten, ob sie gegen die grausame Parole »Schlagt Faschisten tot, wo ihr sie trefft« Stellung nahmen, oder sie z. B. jetzt in Spanien gegen die Niedermetzelung, Schändung und Verbrennung von Zehn- und aber Zehntausenden von Männern, Frauen und Kindern ebenso ihrer Empörung Ausdruck gaben! Hätte nämlich in Deutschland die Revolution etwa nach dem demokratischen Vorbild in Spanien stattgefunden, dann würden diese eigenartigen Nichteinmischungsapostel anderer Länder ihrer Mühen und Sorgen wohl restlos enthoben sein. Kenner der spanischen Verhältnisse versichern, daß die Zahl der bestialisch Abgeschlachteten mit 170.000 eher zu niedrig als zu hoch angegeben wird. Nach diesen Leistungen der braven demokratischen Revolutionäre in Spanien hätte die nationalsozialistische Revolution unter Zugrundelegung unserer dreimal größeren Bevölkerungszahl das Recht gehabt, vier- bis fünfhunderttausend Menschen umzubringen! Daß wir dies nicht taten, gilt anscheinend fast als Versäumnis und findet von seiten der demokratischen Weltbürger - wie wir sehen - eine sehr ungnädige Beurteilung. Allerdings, die Macht dies zu tun hätten wir gehabt. Die Nerven vielleicht besser als jene Meuchelmörder, die vor jedem offenen Kampf feige zurückschrecken und nur wehrlose Geiseln abzuschlachten vermögen. Wir waren Soldaten und haben einst im blutigsten Kampf aller Zeiten unseren Mann gestanden. Nur das Herz, und ich darf wohl auch sagen die Vernunft haben uns davor bewahrt, so zu verfahren. So hat denn die ganze nationalsozialistische Revolution insgesamt weniger Opfer gefordert, als allein im Jahre 1932 von unseren bolschewistischen Gegnern in Deutschland ohne Revolution Nationalsozialisten ermordet worden sind. Dies war allerdings nur möglich durch die Befolgung eines Grundsatzes, der nicht nur in der Vergangenheit unser Handeln bestimmte, sondern den wir auch in der Zukunft nie vergessen wollen: Es kann nicht die Aufgabe einer Revolution oder überhaupt einer Umwälzung sein, ein Chaos zu erzeugen, sondern nur etwas Schlechtes durch Besseres zu ersetzen. Dies erfordert aber stets, daß das Bessere tatsächlich schon vorhanden ist. Als mich am 30. Januar vor vier Jahren der ehrwürdige Herr Reichspräsident berief und mit der Bildung und Führung einer neuen Deutschen Reichsregierung betraute, da lag hinter uns ein gewaltiger Kampf um die Macht im Staate, den wir mit den damaligen streng legalen Mitteln durchgefochten hatten. Trägerin dieses Kampfes war die Nationalsozialistische Partei. In ihr hat der neue Staat schon längst, ehe er tatsächlich proklamiert werden konnte, bereits eine ideelle und förmliche Gestaltung erfahren. Alle Grundsätze und Prinzipien des neuen Reiches waren die Grundsätze, Gedanken und Prinzipien der Nationalsozialistischen Partei. Sie hat sich auf dem Wege des legalen Ringens um den deutschen Volksgenossen die überwältigende Stellung in diesem Reichstage geschaffen, und als ihr dann endlich tatsächlich die Führung gegeben wurde, da hatte sie diese Führung auch nach parlamentarisch-demokratischem Rechte schon über ein Jahr lang zu 93 beanspruchen das Recht gehabt. Der Sinn der nationalsozialistischen Revolution lag aber darin, daß die Forderungen dieser Partei eine wahrhaft umwälzende Erneuerung früher allgemein gültiger Auffassungen und Einrichtungen proklamierten. Und erst als einzelne Verblendete glaubten, der mit Recht zur Führung des Reiches berufenen Bewegung in der Durchführung ihres vom Volk gebilligten Programms den schuldigen Gehorsam aufsagen zu können, hat sie diesen ungesetzlichen Störenfrieden mit -eiserner Faust den Nacken unter das Gesetz des neuen nationalsozialistischen Reiches und Staates gebeugt. Damit aber, meine Parteigenossen und Abgeordnete des Deutschen Reichstages, war die nationalsozialistische Revolution als solche auch schon beendet. Denn von diesem Augenblick der sichergestellten Machtübernahme im Reiche durch die Partei an habe ich es als selbstverständlich angesehen, daß damit die Revolution übergeführt wird in die Evolution. Diese dadurch eingeleitete Entwicklung beinhaltet allerdings einen ideellen und tatsächlichen Umbruch, der auch heute noch von manchem Zurückgebliebenen als außerhalb geistigen Horizontes des Auffassungsvermögens oder über dem Egoismus der eigenen Interessen liegend abgelehnt wird. Denn: die nationalsozialistische Lehre hat auf unzähligen Gebieten unseres Lebens ohne Zweifel revolutionierend gewirkt und auch demgemäß oft eingegriffen und gehandelt.Grundsätzlich: Unser nationalsozialistisches Programm setzt an Stelle des liberalistischen Begriffes des Individuums und des marxistischen Begriffes der Menschheit das blutbedingte und mit dem Boden verbundene Volk. Ein sehr einfacher und lapidarer Satz, allein von gewaltigen Auswirkungen. Zum erstenmal vielleicht, seit es eine Menschengeschichte gibt, ist in diesem Lande die Erkenntnis dahin gelenkt worden, daß von allen Aufgaben, die uns gestellt sind, die erhabenste und damit für den Menschen heiligste, die Erhaltung der von Gott gegebenen blutgebundenen Art ist. Zum erstenmal ist es in diesem Reiche möglich, daß der Mensch die ihm vom Allmächtigen verliehene Gabe des Erkennens und der Einsicht jenen Fragen zuwendet, die für die Erhaltung seiner Existenz von gewaltigerer Bedeutung sind als alle siegreichen Kriege oder erfolgreichen Wirtschaftsschlachten! Die größte Revolution des Nationalsozialismus ist es, das Tor der Erkenntnis dafür aufgerissen zu haben, daß alle Fehler und Irrtümer der Menschen zeitbedingt und damit wieder verbesserungsfähig sind, außer einem einzigen: dem Irrtum über die Bedeutung der Erhaltung seines Blutes, seiner Art und damit der ihm von Gott gegebenen Gestalt und des ihm von Gott geschenkten Wesens. Wir Menschen haben nicht darüber zu rechten, warum die Vorsehung die Rassen schuf, sondern nur zu erkennen,- daß sie den bestraft, der ihre Schöpfung mißachtet. Unsagbares Leid und Elend sind über die Menschheit gekommen, weil sie diese im Instinkt zutiefst verankerte Einsicht durch eine schlechte intellektuelle Halbbildung verlor. heute leben in unserem Volk Millionen und aber Millionen Menschen, denen diese Gesetze klar und verständlich geworden sind. Was einzelnen Sehern oder unverdorben Ahnenden aber als Erkenntnis aufging, ist heute Arbeitsgebiet der deutschen Wissenschaft geworden. Und ich spreche es hier prophetisch aus: So wie die Erkenntnis des Umlaufs der Erde um die Sonne zu einer umwälzenden Neugestaltung des allgemeinen Weltbildes führte, so wird sich aus der Blut- und Rassenlehre der nationalsozialistischen Bewegung eine Umwälzung der Erkenntnisse und damit des Bildes der Geschichte der menschlichen Vergangenheit und ihrer Zukunft ergeben. Und dies wird nicht zu einer Entfremdung der Völker, sondern im Gegenteil zum ersten Male zu einem wahren gegenseitigen Verstehen führen! Es wird dann allerdings aber auch verhindern, daß das jüdische Volk unter der Maske eines biederen Weltbürgers alle anderen Völker innerlich zu zersetzen und dadurch zu beherrschen versucht! Die Folgen dieser - wie wir überzeugt sind - wahrhaft umwälzenden Erkenntnis sind für das deutsche Leben von revolutionärer Bedeutung geworden. Wenn zum erstenmal in unserer Geschichte das 94 deutsche Volk den Weg zu einer größeren Einheit als je zuvor gefunden hat, dann nur unter dem zwingenden Banne dieses inneren Erlebnisses. Unzählige Vorurteile wurden davon zerbrochen, zahlreiche Hemmungen als wesenlos beiseitegeschoben, schlechte Traditionen verblassen, alte Symbole werden entwertet, aus der Ohnmacht einer stammesmäßigen, dynastischen, weltanschaulichen, religiösen und parteilichen Zerrissenheit erhebt sich das deutsche Volk und trägt vor sich her das Banner einer Einigung, die symbolisch nicht den Sieg eines staatlichen, sondern eines rassischen Prinzips dokumentiert. Im Dienste des Sieges dieser Idee stand nun viereinhalb Jahre lang die deutsche Gesetzgebung. So wie am 30. Januar 1933 durch meine Berufung zur Reichskanzlerschaft ein an sich schon bestehender Zustand seine Legalisierung erhielt, nämlich die damals ohne Zweifel Deutschland beherrschende Partei - mit der Führung des Reiches und der Gestaltung des deutschen Schicksals beauftragt wurde, so ist die deutsche Gesetzgebung seit diesen vier Jahren nur die Festlegung einer ideenmäßig geklärten und durchgesetzten Auffassung nach der allgemein bindenden rechtlichen Seite hin. Wie diese Blutsgemeinschaft des deutschen Volkes damals staatlich verwirklicht wurde, wird uns allen wohl die schönste Erinnerung des Lebens sein. Wie ein Frühlingssturm brauste es vor vier Jahren über das deutsche Land hinweg. Die Kampftruppen unserer Bewegung, die das Banner des Hakenkreuzes viele Jahre lang gegen eine Übermacht der Gegner verteidigt und es in vierzehn langen Jahren immer weiter vorwärts getragen hatten, stießen es nun tief hinein in den Boden des neuen Reiches. In wenigen Wochen waren die staatlichen Rückstände sowohl als die gesellschaftlichen Vorurteile einer tausendjährigen Vergangenheit in Deutschland ausgeräumt und beseitigt worden. Oder kann man nicht von einer Revolution sprechen, wenn in kaum drei Monaten ein parlamentarischdemokratisches Durcheinander verschwindet und an seine Stelle ein Regime der Ordnung, der Disziplin, aber auch der Tatkraft kommt, wie es Deutschland in solcher geschlossenen Einheitlichkeit und umfassenden Machtfülle noch nie besaß? So groß war die Revolution, daß ihre geistigen Grundlagen selbst jetzt von der oberflächlich urteilenden Umwelt noch gar nicht erkannt worden sind. Man redet von Demokratien und Diktaturen und hat noch gar nicht begriffen, daß sich in diesem Lande eine Umwälzung vollzogen hat, deren Ergebnis, wenn Demokratie überhaupt einen Sinn haben soll, im höchsten Sinne des Wortes als demokratisch zu bezeichnen ist. Mit unfehlbarer Sicherheit steuern wir auf eine Ordnung hin, die - so wie im gesamten übrigen Leben - auch auf dem Gebiete der politischen Führung der Nation einen natürlichen und vernunftgemäßen Ausleseprozeß sicherstellt, durch den die wirklich fähigsten Köpfe unseres Volkes ohne Rücksicht auf Geburt, Herkunft, Namen oder Vermögen nur gemäß der ihnen gegebenen höheren Berufung zur politischen Führung der Nation bestimmt werden. Des großen Korsen schönste Erkenntnis, daß jeder Soldat den Marschallstab im Tornister tragen müsse, wird in diesem Lande die politische Ergänzung finden. Gibt es einen herrlicheren und schöneren Sozialismus und eine wahrhaftigere Demokratie als jenen Nationalsozialismus, der es dank seiner Organisation ermöglicht, daß unter Millionen deutschen Knaben jeder, wenn sich die Vorsehung seiner bedienen will, den Weg finden kann bis an die Spitze der Nation? Und dies ist keine Theorie! Dies ist im heutigen nationalsozialistischen Deutschland eine uns allen selbstverständliche Wirklichkeit. Ich selbst als der durch das Vertrauen des Volkes berufene Führer komme aus ihm. Alle die Millionen deutscher Arbeiter, sie wissen es, daß an der Spitze des Reiches kein fremder Literat oder internationaler Revolutionsapostel steht, sondern ein Deutscher aus ihren eigenen Reihen. Und zahlreiche einstige Arbeiter- und Bauernkinder, sie stehen in diesem nationalsozialistischen Staat heute an führenden Stellen, ja manche unter ihnen sind als Minister, Reichsstatthalter und Gauleiter mit die höchsten Leiter und Repräsentanten des Volkes. Freilich sieht der Nationalsozialismus auch hier nur das ganze Volk und niemals eine Klasse. Der Zweck der nationalsozialistischen Revolution war es nicht, aus einem bevorrechteten Stand für die Zukunft einen rechtlosen zu machen, sondern aus einem rechtlosen einen gleichberechtigten. Wir haben nicht Millionen Bürger vernichtet, um sie zu Zwangsarbeitern zu degradieren, sondern unser Ziel war es, aus Zwangsarbeitern deutsche Bürger zu erziehen. Denn eines werden alle Deutschen verstehen: Revolutionen können als Gewaltakte nur von kurzer Dauer sein. Wenn sie nicht Neues aufzubauen 95 vermögen, werden sie als Exzesse das Vorhandene in kurzer Zeit verzehren. Aus dem gewalttätigen Akt der Übernahme der Macht muß sich in kurzer Zeit eine segensreiche Arbeit des Friedens entwickeln. Wer aber Klassen beseitigt, um neue Klassen zu schaffen, legt den Keim zu neuen Revolutionen! Was heute Bourgeois ist und diktiert, wird morgen als Zwangsarbeiter in Sibirien wieder Proletarier sein und dann einmal genau so auf die Befreiung hoffen wie der Proletarier, der erst unterdrückt war und nun zu diktieren glaubt. Die nationalsozialistische Revolution hat daher nie beabsichtigt, eine bestimmte Klasse des deutschen Volkes in den Besitz der Macht zu setzen, um eine andere auszuschalten, sondern im Gegenteil: es war nur ihr Ziel, dem ganzen deutschen Volk durch ihre organisatorische Erfassung der Massen die Möglichkeit nicht nur einer wirtschaftlichen, sondern auch einer politischen Betätigung sicherzustellen. Sie beschränkt sich dabei allerdings auf die zu unserem Volk gehörigen Elemente und lehnt es ab, einer fremden Rasse Einfluß auf unser politisches, geistiges oder kulturelles Leben zu geben, oder ihm eine wirtschaftliche Vorrangstellung einzuräumen. In dieser blutmäßigen Verbundenheit unseres Volkes und in der durch den Nationalsozialismus erfolgten Erweckung des Verständnisses dafür, liegen die tiefsten Ursachen für das wunderbare Gelingen unserer Revolution. Vor diesem neuen gewaltigen Ideal verblaßten alle staatlichen, dynastischen, stammesmäßigen, aber auch parteilichen- Idole und Rückstände der Vergangenheit. So war es möglich, daß in wenigen Wochen die ganze Welt unserer alten Parteien zugrunde ging, ohne daß auch nur einen Augenblick das Gefühl der Leere entstand. Denn eine neue bessere Erkenntnis hatte sie verdrängt. Eine neue Bewegung nahm ihren Platz ein. Eine neue Organisation unseres Volkes der arbeitenden und schaffenden Nation schob die alten Unternehmer- und Arbeitnehmerorganisationen und Verbände einfach beiseite. Und als die symbolischen Zeugen deutscher Vergangenheit und damit deutscher Zerrissenheit und deutscher Ohnmacht entfernt wurden, da geschah es nicht durch den Beschluß eines Komitees; das wie im Jahre 1918 oder 1919 wenn möglich durch Preisausschreiben - das neue Symbol des Reiches herauszufinden hatte, sondern durch die Flagge, die uns als Wahrzeichen der nationalsozialistischen Kampfzeit in die Erhebung hineinbegleitet hat und die nun seitdem zu Lande, zu Wasser und in der Luft das Zeichen der Erhebung der Nation geworden ist. Wie sehr aber diesen Wechsel und diese Wandlung das deutsche Volk begriffen und in seiner Bedeutung erfaßt hat, wird durch nichts mehr erhärtet als durch die Zustimmung, die die Nation uns seitdem so viele Male gegeben hat. Denn von all jenen, die sich so oft und so gern bemühen, die demokratischen Regierungen als vom Volke getragene Institutionen zum Unterschied der Diktaturen hinzustellen, hat keiner mehr Recht, im Namen seines Volkes zu reden als ich! Als das Ergebnis dieses Teiles der deutschen Revolution mußte ich folgendes feststellen: Es gibt im deutschen Volk seitdem nur mehr einen Träger der Souveränität, und dies ist das gesamte deutsche Volk selbst. Der Wille dieses Volkes findet seinen Ausdruck in der Partei als der politischen Organisation dieses Volkes. Es gibt entsprechend dem auch nur einen einzigen Gesetzgeber. Es gibt nur eine Gewalt der Exekutive. Wer das Deutschland vor dem Januar 1933 demgegenüber zum Vergleich heranzieht, wird ermessen, welch eine gewaltige Wandlung diese kurzen Feststellungen enthalten. Diese Umwälzung ist aber ebenfalls nur das Ergebnis der Durchführung eines Grundsatzes der nationalsozialistischen Lehre, daß nämlich der vernünftige Sinn und Zweck alles menschlichen Denkens und Handelns nicht in der Schaffung oder Erhaltung einer von Menschen ersonnenen Konstruktion, Organisation oder Funktion liegen kann, sondern nur in der Sicherung und Entwicklung des von der Vorsehung gegebenen 96 völkischen Bausteines an sich. Daher wurde durch den Sieg der nationalsozialistischen Bewegung das Volk als das Seiende und das Bleibende über jede Organisation, Konstruktion und Funktion gestellt. Sinn und Zweck der Existenz der von der Vorsehung erschaffenen Rassen vermögen wir Menschen weder zu erkennen noch festzustellen. Allein Sinn und Zweck der menschlichen Organisationen sowie aller Funktionen sind meßbar an ihrem Nutzen, den sie für die Erhaltung des bleibenden und seienden Volkes besitzen. Daher ist das Volk das Primäre. Partei, Staat, Armee, Wirtschaft, Justiz usw. sind sekundäre Erscheinungen, Mittel zum Zweck der Erhaltung dieses Volkes. In eben dem Maße, in dem sie dieser Aufgabe gerecht werden: sind sie richtig und nützlich. Wenn sie dieser Aufgabe nicht genügen, sind sie schädlich und müssen entweder reformiert oder beseitigt und durch Besseres ersetzt werden. Die Anerkennung dieses Grundsatzes allein kann die Menschen auch davor bewahren, in starre Doktrinen zu verfallen dort, wo es keine Doktrinen gibt, Mittel in Dogmen umzufälschen, wo nur der Zweck als einziges Dogma gelten darf. Sie alle, meine Abgeordneten, Männer des Reichstages, verstehen den Sinn dessen, was ich hier ausspreche. Allein ich rede ja in dieser Stunde zum ganzen deutschen Volk, und ich möchte daher an einigen Beispielen die Bedeutung dieser Grundsätze erläutern, die sie in dem Moment erhielten, da wir sie am praktischen Leben anzuwenden begannen. Es wird für viele erst dann verständlich werden, warum wir von einer nationalsozialistischen Revolution reden, auch wenn es sich hier nicht um die Vernichtung von Gut und Blut gehandelt hat. Im Laufe einer langen Zeit ist teils durch Übernahme fremden Gedankengutes, teils durch das Fehlen einer eigenen klaren Einsicht unser Rechtsleben in eine Verwirrung geraten, die ihren prägnantesten Ausdruck fand in der Unklarheit über den inneren Zweck des Rechtes an sich. Zwei polare Extreme kennzeichnen diesen Zustand: 1. Die Auffassung, daß das Recht als solches seine eigene Existenzberechtigung in sich trage und daher überhaupt keinerlei Prüfung über die Nützlichkeit im einzelnen oder im gesamten zulasse. Das Recht bestehe, selbst wenn die Welt darüber zugrunde ginge. 2. Die Auffassung, daß das Recht im wesentlichen berufen sei, den Schutz des Individuums in der Person und in seinem Eigentum zu übernehmen und zu sichern. Zwischen beiden meldete sich in verschämter Verbrämung die Vertretung größerer Gemeinschaftsinteressen zumeist nur als Konzession an die sogenannte Staatsräson an. Die nationalsozialistische Revolution hat demgegenüber dem Rechte, der Rechtswissenschaft sowohl als der Rechtsprechung einen eindeutigen klaren Ausgangspunkt gegeben: Es ist die Aufgabe der Justiz, mitzuhelfen an der Erhaltung und Sicherung des Volkes vor jenen Elementen, die sich als Asoziale entweder den gemeinsamen Verpflichtungen zu entziehen trachten oder sich an diesen gemeinsamen Interessen versündigen. Damit steht über der Person und der Sache auch im deutschen Rechtsleben von jetzt ab das Volk. Diese kurze Feststellung führt in ihrer Berücksichtigung zu der größten Reform, die unser deutsches Rechtsleben und Rechtswesen bisher erlebt haben. Entsprechend dem Ausgangspunkt war die erste einschneidende Wirkung die Proklamierung nicht nur eines einzigen Gesetzgebers, sondern auch einer einzigen Rechtsausübung. Die zweite Maßnahme ist noch nicht abgeschlossen, wird aber in wenigen Wochen der Nation verkündet. In einem neuen deutschen Strafgesetzbuch erhält zum erstenmal aus dieser großen Gesamtperspektive heraus die deutsche Rechtspflege jene Grundlagen, die sie für alle Zeiten in den Dienst der deutschen Volkerhaltung stellen wird. 97 Wie groß auch die Wirrnisse gewesen sind, die wir auf den einzelnen Lebensgebieten im Jahre 1933 vorfanden, so wurden sie doch noch übertroffen von dem Verfall der deutschen Wirtschaft. Dies war auch jene Seite des deutschen Zusammenbruchs, die der breiten Masse unseres Volkes am deutlichsten und unmittelbarsten zum Bewußtsein kam. Der sachliche Zustand ist Ihnen und wohl auch dem ganzen deutschen Volk noch in Erinnerung. Wir fanden als Dokument dieser Katastrophe vor allem zwei Erscheinungen: 1. Über sechs Millionen Erwerbslose; 2. einen ersichtlich zum Untergang bestimmten Bauernstand. Die Gesamtfläche der damals bereits vor der Zwangsversteigerung stehenden deutschen landwirtschaftlichen Güter umfaßte einen Umfang, der etwas größer war als das Land Thüringen. Endlich konnte es nicht verwunderlich sein, daß bei einer so allgemeinen Herabsetzung der Produktion einerseits und der Kaufkraft andererseits auch die breite Masse unseres Mittelstandes in kurzem dem Zusammenbruch und damit der Vernichtung anheimfallen mußte. Wie schwer diese Seite der deutschen Not damals empfunden wurde, können wir noch nachträglich daraus ermessen, daß ich mir gerade zur Behebung der Arbeitslosigkeit sowie zur Behinderung einer weiteren Vernichtung des deutschen Bauerntums die bekannte Zeit der vier Jahre ausgebeten hatte. Ich darf weiter hier feststellen, daß der Nationalsozialismus im Jahre 1933 nicht in irgendeine Erfolg versprechende Handlung anderer eingegriffen hat, sondern daß die Partei mit der Führung des Reiches erst in dem Augenblick beauftragt wurde, als auch die letzte Möglichkeit einer anderen Rettung als gescheitert angesehen werden mußte, als insbesondere alle Versuche einer Behebung der wirtschaftlichen Not sich als Fehlschläge erwiesen hatten. Wenn ich heute nach vier Jahren vor das Angesicht des deutschen Volkes trete, und auch vor Ihnen selbst, meine Abgeordneten, Männer des Deutschen Reichstages, Rechenschaft ablege, dann werden Sie mir und der nationalsozialistischen Regierung nicht die Bestätigung versagen, daß ich mein damaliges Versprechen eingelöst habe. Dies war kein leichtes Unterfangen. Ich spreche nichts Unbekanntes aus, wenn ich hier die Feststellung treffe, daß gerade die sogenannten ,,Fachleute" damals an eine solche mögliche Rettung nicht mehr glaubten. Wie ich dazu kam, angesichts dieser furchtbaren und wie schon betont - gerade für Fachleute aussichtslosen Lage dennoch an die deutsche Wiederauferstehung und besonders an die wirtschaftliche Gesundung zu glauben, liegt in zweierlei begründet: 1. Ich habe immer nur Mitleid empfunden mit jenen aufgeregten Menschen, die bei jeder schwierigen Lage sofort vom Zusammenbruch eines Volkes reden. Was heißt Zusammenbruch? Das deutsche Volk hat schon vor der Zeit gelebt, da es uns geschichtlich sichtbar zum Bewußtsein kommt. Allein, wenn wir seine früheren Schicksale gänzlich unberücksichtigt lassen, so steht doch folgendes fest, daß seit diesen nunmehr rund zweitausend Jahren über jenen Teil der Menschheit, den wir heute als deutsches Volk bezeichnen, unsagbare Katastrophen und unsagbares Leid öfter als einmal gekommen sind. Hungersnöte, Kriege und Pestilenz haben in unserem Volke schaurige Einkehr gehalten und eine furchtbare Ernte gemäht. Muß man nicht einen unbändigen Glauben an die Lebenskraft einer Nation besitzen, wenn man sich überlegt, daß erst vor wenigen Jahrhunderten in einem dreißigjährigen Kampf von über achtzehn Millionen Menschen unser deutsches Volk auf nicht einmal mehr vier Millionen zusammenschmolz. Wenn wir bedenken, daß dieses früher so blühende Land damals ausgeplündert, zerrissen und verelendet war, daß seine Städte niedergebrannt, seine Ortschaften und Dörfer verwüstet, die Felder unbebaut und verödet waren? Und wenige Jahrzehnte später begann unser Volk wieder zu wachsen, die Städte füllten sich mit neuem Leben, die Äcker 98 wurden wieder gepflügt, und im gewaltigen Rhythmus erklang das Lied jener Arbeit, die uns eine neue Existenz und neues Leben gab! Verfolgen wir doch einmal den uns nur bekannten Teil des Lebensweges unseres Volkes aus grauer Vorzeit bis heute und ermessen wir dann die ganze Lächerlichkeit des Getues jener blassen Schwätzer, die, wenn irgendwo in der Welt ein Stück Papier eine Abwertung erfährt, sofort vom Zusammenbruch der Wirtschaft und damit wohl auch vom Zusammenbruch des menschlichen Lebens reden. Deutschland und das deutsche Volk sind schon sehr schwerer Katastrophen Herr geworden. Freilich ich gebe es zu - es waren immer Männer notwendig, um die dann erforderlichen Maßnahmen zu treffen und sich ohne Rücksicht auf Verneiner und Besserwisser durchzusetzen. Ein Haufen parlamentarischer Angsthasen eignen sich allerdings schlecht zur Führung eines Volkes aus Not und Verzweiflung! Ich hatte den festen Glauben und die heiligste Überzeugung, daß die Überwindung der deutschen Wirtschaftskatastrophe in dem Augenblick gelingen wird, in dem man an die Unvergänglichkeit eines Volkes glaubt und der Wirtschaft die Rolle als Dienerin am Leben des Volkes zuweist, die ihr gebührt. 2. Ich war kein Wirtschaftler, das heißt vor allem, ich bin in meinem Leben noch niemals Theoretiker gewesen. Ich habe aber leider gefunden, daß die schlimmsten Theoretiker sich immer gerade dort eingenistet haben, wo die Theorie gar nichts und das praktische Leben alles ist. Es ist selbstverständlich, daß sich auch im wirtschaftlichen Leben im Laufe der Zeit nicht nur bestimmte Erfahrungsgrundsätze ergeben haben, sondern auch bestimmte zweckmäßige Methoden. Allein, alle Methoden sind zeitgebunden.. Aus Methoden Dogmen machen wollen, heißt der menschlichen Fähigkeit und Arbeitskraft jene elastischen Möglichkeiten nehmen, die sie allein in die Lage setzt, wechselnden Anforderungen mit wechselnden Mitteln entgegenzutreten und ihrer so Herr zu werden. Der Versuch, aus wirtschaftlichen Methoden ein Dogma zu formulieren, wurde von vielen mit jener gründlichen Emsigkeit, die den deutschen Wissenschaftler nun einmal auszeichnet, betrieben und als Nationalökonomie zum Lehrfach erhoben. Und nur nach den Feststellungen dieser Nationalökonomie war Deutschland ohne Zweifel verloren. Es liegt im Wesen dabei aller Dogmatiker, sich auf das schärfste zu verwahren gegen ein neues Dogma, d. h. einer neuen Erkenntnis, die dann als Theorie abgetan wird. Seit 18 Jahren können wir das köstliche Schauspiel erleben, daß unsere wirtschaftlichen Dogmatiker in der Praxis auf fast allen Gebieten des Lebens widerlegt worden sind, allein nichtsdestoweniger die praktischen Überwinder des wirtschaftlichen Zusammenbruchs als Vertreter ihnen fremder und daher falscher Theorien ablehnen und verdammen. Sie kennen ja den bekannten Fall, in dem ein Kranker seinem Arzt begegnet, der ihm zehn Jahre vorher nur mehr für sechs Monate das Leben zusagte und der nun seinem Erstaunen über die trotzdem durch einen anderen Arzt erfolgte Heilung nur dadurch Ausdruck verleihen konnte, daß er diese unter solchen Umständen als eine sichere Fehlbehandlung erklärte. Meine Abgeordneten! Die deutsche Wirtschaftspolitik, die der Nationalsozialismus im Jahre 1933 einleitete, geht auf einige grundsätzliche Erwägungen zurück. In den Beziehungen zwischen Wirtschaft und Volk gibt es nur etwas Unveränderliches, und dies ist das Volk. Wirtschaftsbetätigung aber ist kein Dogma und wird nie ein solches sein. Es gibt keine Wirtschaftsauffassung oder Wirtschaftsansicht, die irgendwie Anspruch auf eine Heiligkeit erheben könnten. Entscheidend ist der Wille, der Wirtschaft stets die dienende Rolle dem Volke gegenüber zuzuweisen und dem Kapital die dienende Rolle gegenüber der Wirtschaft. Der Nationalsozialismus ist, wie wir wissen, der schärfste Gegner der liberalistischen Auffassung, daß die Wirtschaft für das Kapital da sei und das Volk für die Wirtschaft. Wir waren daher auch vom 99 ersten Tage an entschlossen, mit dem Trugschluß zu brechen, daß etwa die Wirtschaft im Staat ein ungebundenes, unkontrollierbares und unbeaufsichtigtes Eigenleben führen könnte. Eine freie, das heißt eine ausschließlich sich selbst überlassene Wirtschaft kann es heute nicht mehr geben. Nicht nur, daß dies etwa politisch untragbar wäre, nein, auch wirtschaftlich würden unmögliche Zustände die Folge sein. So wie Millionen einzelne Menschen ihre Arbeit nicht nach ihren eigenen Auffassungen und Bedürfnissen einteilen oder ausüben können, so kann auch die gesamte Wirtschaft nicht nach eigenen Auffassungen oder im Dienste nur eigensüchtiger Interessen tätig sein. Denn sie ist auch nicht in der Lage, die Konsequenzen eines Fehlschlages heute noch irgendwie selbst zu tragen. Die moderne Wirtschaftsentwicklung konzentriert ungeheure Arbeitermassen auf bestimmte Erwerbszweige und in bestimmte Gebiete. Neue Erfindungen oder der Verlust der Absatzmärkte können mit einem Schlage ganze Industrien zum Erliegen bringen. Der Unternehmer kann ja vielleicht die Tore seiner Fabriken schließen, er wird möglicherweise versuchen, seinem Tätigkeitsdrang ein neues Feld zu öffnen. Er wird auch zumeist nicht so ohne weiteres zugrunde gehen, und außerdem handelt es sich hier nur um wenige Einzelwesen. Diesen gegenüber aber stehen hunderttausende Arbeiter mit ihren Weibern und mit ihren Kindern! Wer nimmt sich ihrer an und wer sorgt für sie? Die Volksgemeinschaft! Jawohl! Sie muß es tun. Allein geht es dann nicht an, der Volksgemeinschaft nur die Verantwortung für die Katastrophe der Wirtschaft aufzubürden ohne den Einfluß und die Verantwortung für jenen Einsatz und für jene Überwachung der Wirtschaft, die die Katastrophe zu vermeiden geeignet sind! Meine Abgeordneten! Als die deutsche Wirtschaft im Jahr 1932 auf 1933 endgültig zum Erliegen zu kommen schien, da wurde mir noch mehr als in früheren Jahren folgendes klar: Die Rettung unseres Volkes ist nicht ein Problem der Finanzen, sondern ausschließlich ein Problem der Verwendung und des Einsatzes unserer vorhandenen Arbeitskraft einerseits und der Ausnützung des vorhandenen Bodens und der Bodenschätze andererseits. Es ist dies damit zu allererst ein Organisationsproblem. Es handelt sich daher auch nicht um Phrasen, wie z.B. Freiheit der Wirtschaft, sondern es handelt sich darum, durch alle vorhandenen Maßnahmen der Arbeitskraft die Möglichkeit einer Produktion und produktiven Betätigung zu geben. Solange die Wirtschaft, daß heißt die Gesamtsumme der eigenen Unternehmer dies aus eigenem fertigbringen, ist es gut. Wenn sie - dies aber nicht mehr können, dann ist die Volksgemeinschaft, d.h. in diesem Falle der Staat verpflichtet, ihrerseits für den Einsatz der vorhandenen Arbeitskräfte zum Zwecke einer nützlichen Produktion Sorge zu tragen bzw. die dazu nötigen Maßnahmen zu treffen. Und hier kann der Staat alles tun, nur etwas nicht, nämlich - wie dies der Fall war - über 12 000 Millionen Arbeitsstunden Jahr für Jahr einfach verlorengehen lassen! Denn die Volksgemeinschaft lebt nicht von dem fiktiven Wert des Geldes, sondern von der realen Produktion, die dem Gelde erst seinen Wert verleiht. Diese Produktion ist die erste Deckung einer Währung und nicht eine Bank oder ein Tresor voll Gold! Und wenn ich diese Produktion steigere, erhöhe ich das Einkommen meiner Mitbürger wirklich, und indem ich sie senke, vermindere ich das Einkommen, ganz gleich, welche Löhne ausbezahlt werden. Und meine Abgeordneten! Wir haben in diesen vier Jahren die deutsche Produktion auf allen Gebieten außerordentlich erhöht. Und die Steigerung dieser Produktion kommt den deutschen Menschen in ihrer Gesamtheit zugute. Denn wenn heute z. B. unzählige Millionen Tonnen Kohle mehr gefördert 100 werden, dann dienen sie nicht etwa dazu, um ein paar Millionären die Zimmer meinetwegen auf ein paar Tausend Grad zu erhitzen, sondern um Millionen deutscher Volksgenossen die auf sie treffende Quote erhöhen zu können. So hat die nationalsozialistische Revolution durch den Einsatz einer früher brachliegenden Millionenmasse deutscher Arbeitskraft eine so gigantische Steigerung der deutschen Produktion erreicht, daß der Erhöhung unseres allgemeinen Nationaleinkommens der sachliche Gegenwert gewährleistet ist! Und nur dort, wo wir diese Steigerung aus Gründen, deren Behebung außerhalb unseres Bemühens liegt, nicht durchführen können, sind von Zeit zu Zeit Verknappungen eingetreten, die aber in keinem Verhältnis stehen zu dem Gesamterfolg der nationalsozialistischen Wirtschaftsschlacht. Den gewaltigsten Ausdruck findet diese planmäßige Lenkung unserer Wirtschaft in der Aufstellung des Vierjahresplanes. Durch ihn wird besonders für die aus der Rüstungsindustrie einst wieder zurückströmenden Massen der deutschen Arbeiterschaft eine dauernde Beschäftigung im inneren Kreislauf unserer Wirtschaft sichergestellt. Es ist jedenfalls ein Zeichen dieser gewaltigsten wirtschaftlichen Entwicklung unseres Volkes, daß wir heute auf vielen Gebieten nur sehr schwer gelernte Arbeiter zu bekommen vermögen. Ich begrüße dies besonders aus dem Grunde, weil dadurch mitgeholfen wird, die Bedeutung des Arbeiters als Mensch und als Arbeitskraft in das richtige Licht zu setzen und weil dadurch - wenn auch aus anderen Motiven heraus - die soziale Tätigkeit der Partei und ihrer Verbände auf leichteres Verständnis stößt und eine stärkere und willigere Unterstützung erfährt. So wie wir die Aufgaben der Wirtschaft in einem so hohen völkischen Sinn verstehen, wird von selbst die frühere Trennung in Arbeitgeber und Arbeitnehmer hinfällig. Auch der neue Staat wird und will nicht Unternehmer sein. Er will nur den Einsatz der Arbeitskraft der Nation insoweit regeln, als es zum Nutzen aller notwendig ist. Und er wird den Arbeitsprozeß nur soweit beaufsichtigen, als es im Interesse aller Beteiligten sein muß. Er wird dabei unter keinen Umständen versuchen, das wirtschaftliche Leben zu verbeamten. Jede wirkliche und praktische Initiative kommt in ihrer wirtschaftlichen Auswirkung allen Volksgenossen zugute. Der Wert eines Erfinders oder eines erfolgreichen wirtschaftlichen Organisators ist im Augenblick oft für die gesamte Volksgemeinschaft gar nicht abzuschätzen. Es wird in der Zukunft erst recht eine Aufgabe der nationalsozialistischen Erziehung sein, allen unseren Volksgenossen ihren gegenseitigen Wert klarzumachen. Dem einen zu zeigen, wie unersetzbar der deutsche Arbeiter ist, den deutschen Arbeiter aber auch zu belehren, wie unersetzbar der Erfinder und der wirkliche Wirtschaftsführer sind. Daß in einer Sphäre solcher Auffassungen weder Streik noch Aussperrung geduldet werden können, ist klar. Der nationalsozialistische Staat kennt kein wirtschaftliches Faustrecht. Über den Interessen aller Kontrahenten steht das Gesamtinteresse der Nation, d. h. unseres Volkes. Die praktischen Ergebnisse dieser unserer Wirtschaftspolitik sind Ihnen bekannt. Ein ungeheurer Schaffensdrang geht durch unser Volk. Überall entstehen gewaltige Werke der Produktion und des Verkehrs. Während in anderen Ländern fortgesetzte Streiks oder Aussperrungen die Stetigkeit der nationalen Produktionen erschüttern, arbeitet in unserem Volk die Millionenmasse aller Schaffenden nach dem höchsten Gesetz, das es für sie auf dieser Welt geben kann, nach dem Gesetz der Vernunft. Wenn es uns in diesen vier Jahren gelungen ist, die wirtschaftliche Rettung unseres Volkes durchzuführen, so wissen wir, daß die Ergebnisse dieser wirtschaftlichen Arbeit in Stadt und Land auch gesichert werden müssen. Die erste Gefahr droht den Werken der menschlichen Kultur zunächst stets aus den eigenen Reihen, dann nämlich, wenn zwischen der Größe der menschlichen Leistungen und der Einsicht der sie schaffenden, erhaltenden und betreuenden Volksgenossen kein inneres Verhältnis mehr besteht. 101 Die nationalsozialistische Bewegung hat dem Staate die Richtlinien für die Erziehung unseres Volkes gegeben. Diese Erziehung beginnt nicht in einem gewissen Jahr und endet nicht in einem anderen. Die menschliche Entwicklung brachte es mit sich, daß von einem bestimmten Zeitpunkt an die Weiterbildung des Kindes aus der Obhut der engsten Zelle des Gemeinschaftslebens, der Familie, genommen und der Gemeinschaft selbst anvertraut werden muß. Die nationalsozialistische Revolution hat dieser Gemeinschaftserziehung bestimmte Aufgaben gestellt und sie vor allem unabhängig gemacht von Lebensaltern, d. h. die Belehrung des einzelnen Menschen kann niemals ein Ende finden Es ist daher die Aufgabe der Volksgemeinschaft, dafür zu sorgen, daß diese Belehrung und Weiterbildung stets im Sinne ihrer Interessen, d. h. der Erhaltung des Volkes liegt. Wir können deshalb auch nicht zugeben, daß irgendein taugliches Mittel für diese Volksausbildung und Erziehung von dieser Gemeinschaftsverpflichtung ausgenommen werden könnte. Jugenderziehung - Jungvolk - Hitlerjugend - Arbeitsdienst Partei - Wehrmacht, sie sind alle Einrichtungen dieser Erziehung und Ausbildung unseres Volkes. Das Buch, die Zeitung, der Vortrag, die Kunst, das Theater, der Film, sie sind alle Mittel dieser Volkserziehung. Was die nationalsozialistische Revolution auf diesen Gebieten geleistet hat, ist erstaunlich und gewaltig. Bedenken Sie allein folgendes: Unser ganzes deutsches Erziehungswesen einschließlich der Presse, des Theaters, des Films, der Literatur wird heute ausschließlich von deutschen Volksgenossen geleitet und gestaltet. Wie oft konnten wir früher hören, daß die Entfernung des Judentums aus diesen Institutionen zum Zusammenbruch oder zu ihrer Verödung führen müßte! Und was ist nun eingetreten? Auf all diesen Gebieten erleben wir ein ungeheures Aufblühen des kulturellen und künstlerischen Lebens. Unsere Filme sind besser als je zuvor, unsere Theateraufführungen stehen heute in unseren Spitzenbühnen auf einer einsamen Welthöhe. Unsere Presse ist ein gewaltiges Instrument im Dienste der Selbstbehauptung unseres Volkes geworden und hilft mit, die Nation zu stärken. Die deutsche Wissenschaft ist erfolgreich tätig, und gewaltige Dokumente unseres schöpferischen Bauwillens werden einst von dieser neuen Epoche zeugen! Es ist eine unerhörte Immunisierung des deutschen Volkes erreicht worden gegenüber all den zersetzenden Tendenzen, unter denen eine andere Welt zu leiden hat. Manche unserer Einrichtungen, die noch vor wenigen Jahren nicht. verstanden worden sind, kommen uns heute schon als selbstverständlich vor. Jungvolk, Hitlerjugend, BdM., Frauenschaft, Arbeitsdienst, SA., SS., NSKK. und vor allem die Arbeitsfront in ihrer gewaltigen Gliederung sind Steine des stolzen Baues unseres Dritten Reiches. 102 II. Die Tagung des Reichstags in der Krolloper am 23. März 1933. Männer und Frauen des Deutschen Reichstages! Im Einvernehmen mit der Reichsregierung haben die Nationalsozialistische Partei und die Deutschnationale Volkspartei Ihnen durch einen Initiativantrag ein Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich zur Beschlussfassung unterbreitet. Die Gründe für diesen außerordentlichen Vorgang sind folgende: Im November 1918 rissen marxistische Organisationen durch eine Revolution die vollziehende Gewalt an sich. Die Monarchen wurden entthront, die Reichs- und Landesbehörden abgesetzt und damit die Verfassung gebrochen. Das Gelingen der Revolution im materiellen Sinne sicherte die Attentäter vor dem Zugriff der Justiz. Die moralische Legitimierung suchten sie in der Behauptung, Deutschland bzw. seine Regierung trügen die Schuld am Ausbruch des Krieges. Diese Behauptung war wissentlich und sachlich falsch. In der Folge führten aber diese im Interesse unserer damaligen Feinde liegenden unwahren Anschuldigungen zur schärfsten Unterdrückung des gesamten deutschen Volkes und der Bruch der uns in den 14 Punkten Wilsons gemachten Zusicherungen dann für Deutschland, d. h. für das schaffende deutsche Volk, zu einer Zeit grenzenlosen Unglücks. Alle die von den Männern des November 1918 gemachten Versprechungen erwiesen sich, wenn schon nicht als bewusste Irreführungen, so doch als nicht minder verdammenswerte Illusionen. Die 'Errungenschaften der Revolution' waren, im Gesamten genommen, nur für kleinste Teile unseres Volkes angenehme, für die überwältigende Mehrheit aber, zumindest soweit sich diese durch ihre redliche Arbeit das tägliche Brot verdienen musste, unendlich traurige. Dass hierfür der Selbsterhaltungstrieb der an dieser Entwicklung schuldigen Parteien und Männer tausend Beschönigungen und Ausreden findet, ist verständlich. Der nüchterne Vergleich der durchschnittlichen Ergebnisse der letzten vierzehn Jahre mit den einst proklamierten Versprechungen fällt für die verantwortlichen Regisseure dieses in der deutschen Geschichte beispiellosen Verbrechens vernichtend aus. Unser Volk hat im Verlaufe der letzten 14 Jahre auf allen Gebieten des Lebens einen Verfall erlitten, der größer kaum vorstellbar ist. Die Frage, was überhaupt in dieser Zeit noch schlimmer hätte kommen können, ist unter Berücksichtigung der Grundwerte unseres deutschen Volkes sowie der einst vorhanden gewesenen politischen und wirtschaftlichen Erbmasse nicht zu beantworten. Das deutsche Volk selbst hat trotz seiner schweren Beweglichkeit in politischen Empfindungen und Stellungnahmen sich steigend von den in seinen Augen für diese Zustände verantwortlichen Auffassungen, Parteien und Verbänden abgewendet. Die Zahl der innerlich auf dem Boden der Weimarer Verfassung stehenden Deutschen war trotz der suggestiven Bedeutung und rücksichtslosen Ausnutzung der Regierungsgewalt am Ende nur mehr ein Bruchteil der gesamten Nation. Es ist weiter das charakteristische Merkmal dieser vierzehn Jahre gewesen, dass — abgesehen von natürlichen Schwankungen — die Linie der Entwicklung konstant nach unten führte. Diese deprimierende Erkenntnis war mit eine der Ursachen der allgemeinen Verzweiflung. Sie förderte die Einsicht über die Notwendigkeit einer gründlichen Abkehr von den Ideen, Organisationen und Männern, in denen man mit Recht allmählich die tieferen Ursachen unseres Verfalls zu erkennen begann. Die nationalsozialistische Bewegung vermochte daher trotz furchtbarster Unterdrückung immer mehr Deutsche geistes- und willensmäßig zum Abwehrkampf zu erfassen. Sie hat im Verein mit den anderen nationalen Verbänden nunmehr innerhalb weniger Wochen die seit dem November 1918 herrschenden Mächte beseitigt und in einer Revolution die öffentliche Gewalt in die Hände der nationalen Regierung gelegt. Am 5. März hat das deutsche Volk diesem Akt seine Zustimmung erteilt. 103 Das Programm des Wiederaufbaus von Volk und Reich ergibt sich aus der Größe der Not unseres politischen, moralischen und wirtschaftlichen Lebens. Erfüllt von der Überzeugung, dass dieser Zusammenbruch seine Ursachen in inneren Schäden unseres Volkskörpers hat, ist es das Ziel der Regierung der nationalen Revolution, diejenigen Gebrechen aus unserem völkischen Leben zu beseitigen, die auch in Zukunft jeden tatsächlichen Wiederaufstieg verhindern würden. Der durch die marxistische Irrlehre systematisch herbeigeführte Verfall der Nation in weltanschaulich unvereinbare Gegensätze bedeutet die Vernichtung der Basis eines möglichen Gemeinschaftslebens. Die Auflösung ergreift alle Grundlagen der Gesellschaftsordnung. Die völlig gegensätzliche Einstellung der Einzelnen zu den Begriffen Staat, Gesellschaft, Religion, Moral, Familie, Wirtschaft reißt Differenzen auf, die zum Krieg aller gegen alle führen. Ausgehend vom Liberalismus des vergangenen Jahrhunderts, findet diese Entwicklung naturgesetzlich ihr Ende im kommunistischen. Chaos. Die damit verbundene Mobilisierung primitivster Instinkte führt zu einer Verbindung zwischen den Auffassungen einer politischen Idee und den Handlungen wirklicher Verbrecher. Angefangen von Plünderungen, Brandstiftungen, Eisenbahnanschlägen, Attentaten und so fort, erhält alles in der kommunistischen Idee seine moralische Sanktion. Allein die Methode des individuellen Massenterrors hat die nationalsozialistische Bewegung im Laufe weniger Jahre über 300 Tote und Zehntausende an Verletzten gekostet. Die Brandstiftung im Reichstag als missglückter Versuch einer groß angelegten Aktion ist nur ein Zeichen dessen, was Europa vom Siege dieser teuflischen Lehre zu erwarten hätte. Wenn eine bestimmte Presse – besonders außerhalb Deutschlands – heute versucht, entsprechend der durch den Kommunismus zum Prinzip erhobenen politischen Unwahrheit die nationale Erhebung Deutschlands mit dieser Schandtat zu identifizieren, so kann mich das nur in meinem Beschlüsse bestärken, nichts unversucht zu lassen, um in kürzester Zeit dieses Verbrechen durch die öffentliche Hinrichtung des schuldigen Brandstifters und seiner Komplicen zu sühnen ! Der ganze Umfang der beabsichtigten Aktion dieser Organisation ist weder dem deutschen Volk noch der übrigen Welt genügend zum Bewusstsein gekommen. Nur durch ihr blitzschnelles Zufassen hat die Regierung eine Entwicklung verhindert, die bei einem katastrophalen Ausgang ganz Europa erschüttert haben würde. Manche von denen, die sich heute aus Hass gegen die nationale Erhebung innerhalb und außerhalb Deutschlands mit den Interessen des Kommunismus verbrüdern, würden selbst die Opfer einer solchen Entwicklung geworden sein. Es wird die oberste Aufgabe der nationalen Regierung sein, diese Erscheinung nicht nur im Interesse Deutschlands, sondern im Interesse des übrigen Europas in unserem Lande restlos auszurotten und zu beseitigen. Sie wird nicht die Erkenntnis aus dem Auge verlieren, dass es sich dabei nicht um das negative Problem dieser Organisation handelt, sondern um die Durchführung der positiven Aufgabe der Gewinnung des deutschen Arbeiters für den nationalen Staat. Nur die Herstellung einer wirklichen Volksgemeinschaft, die sich über die Interessen und Gegensätze der Stände und Klassen erhebt, vermag allein auf die Dauer diesen Verirrungen des menschlichen Geistes den Nährboden zu entziehen. Die Erringung einer solchen weltanschaulichen Geschlossenheit des deutschen Volkskörpers ist um so wichtiger, als nur durch sie die Möglichkeit der Aufrechterhaltung freundschaftlicher Beziehungen zu den außerdeutschen Mächten ohne Rücksicht auf die sie beherrschenden Tendenzen oder weltanschaulichen Grundsätze gegeben ist, denn die Beseitigung des Kommunismus in Deutschland ist nur eine innerdeutsche Angelegenheit. Die übrige Welt mag daran ebenso sehr interessiert sein, da der Ausbruch eines kommunistischen Chaos in dem dicht besiedelten Deutschen Reiche zu politischen und wirtschaftlichen Folgeerscheinungen besonders im übrigen westlichen Europa führen würde, deren Ausmaße unvorstellbar sind. Der innere Zerfall unserer Volksgemeinschaft führte zwangsläufig zu einer immer bedenklicher werdenden Schwächung der Autorität der obersten Staatsführung. Das Sinken des Ansehens der Reichsregierung, das sich aus solchen unsicheren inneren Verhältnissen zwangsläufig ergeben musste, führte bei verschiedenen Parteien in einzelnen Ländern zu Vorstellungen, die mit der Einheit des Reichs unverträglich sind. Alle Rücksichtnahme auf die Traditionen der Länder kann die bittere 104 Erkenntnis nicht beseitigen, dass das Ausmaß der Zersplitterung des staatlichen Lebens in der Vergangenheit der Welt- und Lebensstellung unseres Volkes nicht nur nicht nützlich, sondern wahrhaft abträglich war. Es soll damit aber nicht die Aufgabe einer überlegenen Staatsführung sein, nachträglich das organisch gewachsene Gute wegen eines theoretischen Prinzips einer zügellosen Unitarisierung zu beseitigen. Es ist aber ihre Pflicht, diese geistige, willensmäßige Einheit der Führung der Nation und damit den Reichsgedanken an sich über jeden Zweifel zu erheben. Die Wohlfahrt unserer Kommunen und Länder bedarf genau so wie die Existenz des einzelnen deutschen Menschen des staatlichen Schutzes. Die Reichsregierung beabsichtigt daher nicht, durch das Ermächtigungsgesetz die Länder aufzuheben. Wohl aber wird sie diejenigen Maßnahmen treffen, die von nun ab und für immer eine Gleichmäßigkeit der politischen Intention in Reich und Ländern gewährleisten. Je größer die geistige und willensmäßige Übereinstimmung ist, um so weniger Interesse kann für alle Zukunft für das Reich bestehen, das kulturelle und wirtschaftliche Eigenleben der einzelnen Länder zu vergewaltigen. Vollends unmöglich ist der in letzter Zeit eingerissene Zustand einer gegenseitigen Herabsetzung von Länder- und Reichsregierungen unter Zuhilfenahme der modernen Mittel der Volkspropaganda. Ich werde unter keinen Umständen hinnehmen, und die Reichsregierung wird alle Maßnahmen dagegen treffen, dass in Zukunft jemals noch Minister deutscher Regierungen vor der Welt in öffentlichen Massenversammlungen, ja sogar unter Verwendung des Rundfunks sich gegenseitig anklagen oder heruntersetzen. Es führt weiter zu einer völligen Entwertung der gesetzgebenden Körperschaften in den Augen des Volkes, wenn selbst unter Annahme normaler Zeiten innerhalb von vier Jahren entweder im Reich oder den einzelnen Ländern das Volk an die 20mal an die Wahlurne getrieben wird. Die Reichsregierung wird den Weg dazu finden, der das Ziel erreicht, dass die einmal gegebene Willensäußerung der Nation für Reich und Länder zu einheitlichen Konsequenzen führt. Eine weitergehende Reform des Reiches wird sich nur aus der lebendigen Entwicklung ergeben können. Ihr Ziel muss die Konstruktion einer Verfassung sein, die den Willen des Volkes mit der Autorität einer wirklichen Führung verbindet. Die gesetzliche Legalisierung einer solchen Verfassungsreform wird dem Volke selbst zugebilligt. Die Regierung der nationalen Revolution sieht es grundsätzlich als ihre Pflicht an, entsprechend dem Sinne des ihr gegebenen Vertrauensvotums des Volkes, diejenigen Elemente von der Einflussnahme auf die Gestaltung des Lebens der Nation fernzuhalten, die bewusst und mit Absicht dieses Leben negieren. Die theoretische Gleichheit vor dem Gesetz kann nicht dazu führen, grundsätzliche Verächter der Gesetze unter Gleichheit zu tolerieren, ja aus demokratischen Doktrinen heraus die Freiheit der Nation ihnen auszuliefern. Die Regierung wird die Gleichheit vor dem Gesetz aber allen denen zubilligen, die in der Frontbildung unseres Volkes vor dieser Gefahr sich hinter die nationalen Interessen stellen und der Regierung ihre Unterstützung nicht versagen. Überhaupt soll unsere nächste Aufgabe sein, die geistigen Führer dieser Vernichtungstendenzen zur Verantwortung zu ziehen, die verführten Opfer aber zu retten. Wir sehen insbesondere in den Millionen deutscher Arbeiter, die diesen Ideen des Wahnsinns und der Selbstvernichtung huldigen, nur die Ergebnisse einer unverzeihlichen Schwäche der früheren Regierungen, die die Verbreitung der Ideen nicht verhinderten, deren praktische Verwirklichung sie selbst unter Strafe stellen mussten. Die Regierung wird sich in dem Entschluss, diese Frage zu lösen, von niemandem beirren lassen. Jetzt ist es Sache des Reichstags, seinerseits eine klare Stellung einzunehmen. Am Schicksal des Kommunismus und der sich mit ihm verbrüdernden anderen Organisationen ändert dies nichts. Die nationale Regierung trifft dabei ihre Maßnahmen unter keinem anderen Gesichtspunkt als dem, das deutsche Volk und insbesondere die Millionenmassen seiner arbeitenden Menschen vor namenlosem Elend zu bewahren. 105 Sie sieht daher die Frage einer monarchistischen Restauration schon aus dem Grunde des Vorhandenseins dieser Zustände zurzeit als indiskutabel an. Sie würde den Versuch einer Lösung dieses Problems auf eigene Faust in einzelnen Ländern als Angriff gegen die Reichseinheit ansehen müssen und demgemäß ihr Verhalten einrichten. Gleichlaufend mit dieser politischen Entgiftung unseres öffentlichen Lebens wird die Reichsregierung eine durchgreifende moralische Sanierung des Volkskörpers vornehmen. Das gesamte Erziehungswesen, Theater, Film, Literatur, Presse, Rundfunk, sie werden alle Mittel zu diesem Zweck sein und demgemäß gewürdigt. Sie haben alle der Erhaltung der im Wesen unseres Volkstums lebenden Ewigkeitswerte zu dienen. Die Kunst wird stets Ausdruck und Spiegel der Sehnsucht und der Wirklichkeit einer Zeit sein. Die weltbürgerliche Beschaulichkeit ist im raschen Entschwinden begriffen. Der Heroismus erhebt sich leidenschaftlich als kommender Gestalter und Führer politischer Schicksale. Es ist Aufgabe der Kunst, Ausdruck dieses bestimmenden Zeitgeistes zu sein. Blut und Rasse werden wieder zur Quelle der künstlerischen Intuition werden. Es ist Aufgabe der Regierung, dafür zu sorgen, daß gerade in einer Zeit beschränkter politischer Macht der innere Lebenswert und der Lebenswille der Nation einen um so gewaltigeren kulturellen Ausdruck finden. Dieser Entschluss verpflichtet zur dankbaren Bewunderung unserer großen Vergangenheit. Auf allen Gebieten unseres geschichtlichen und kulturellen Lebens muss die Brücke von dieser Vergangenheit zur Zukunft geschlagen werden. Die Ehrfurcht vor den großen Männern muss der deutschen Jugend wieder als heiliges Vermächtnis eingeprägt werden. Indem die Regierung entschlossen ist, die politische und moralische Entgiftung unseres öffentlichen Lebens vorzunehmen, schafft und sichert sie die Voraussetzungen für eine wirklich tiefe Einkehr religiösen Lebens. Die Vorteile personal-politischer Art, die sich aus Kompromissen mit atheistischen Organisationen ergeben mögen, wiegen nicht annähernd die Folgen auf, die in der Zerstörung allgemeiner sittlicher Grundwerte sichtbar werden. Die nationale Regierung sieht in den beiden christlichen Konfessionen die wichtigsten Faktoren zur Erhaltung unseres Volkstums. Sie wird die zwischen ihnen und den Ländern abgeschlossenen Verträge respektieren. Ihre Rechte sollen nicht angetastet werden. Sie erwartet aber und hofft, dass die Arbeit an der nationalen und sittlichen Erneuerung unseres Volkes, die sich die Regierung zur Aufgabe gestellt hat, umgekehrt die gleiche Würdigung erfährt. Sie wird allen anderen Konfessionen in objektiver Gerechtigkeit gegenübertreten. Sie kann aber nicht dulden, dass die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Konfession oder einer bestimmten Rasse eine Entbindung von allgemeinen gesetzlichen Verpflichtungen sein könnte oder gar ein Freibrief für straflose Begehung oder Tolerierung von Verbrechen. Die Sorge der Regierung gilt dem aufrichtigen Zusammenleben zwischen Kirche und Staat; der Kampf gegen eine materialistische Weltanschauung, für eine wirkliche Volksgemeinschaft dient ebenso den Interessen der deutschen Nation wie dem Wohl unseres christlichen Glaubens. Unser Rechtswesen muss in erster Linie der Erhaltung dieser Volksgemeinschaft dienen. Der Unabsetzbarkeit der Richter auf der einen Seite muss eine Elastizität der Urteilsfindung zum Wohl der Gesellschaft entsprechen. Nicht das Individuum kann Mittelpunkt der gesetzlichen Sorge sein, sondern das Volk. Landes- und Volksverrat sollen künftig mit aller Rücksichtslosigkeit ausgetilgt werden. Der Boden der Existenz der Justiz kann kein anderer sein als der Boden der Existenz der Nation. Möge diese daher auch stets die Schwere der Entschließung derer berücksichtigen, die unter dem harten Zwang der Wirklichkeit das Leben der Nation verantwortlich zu gestalten haben. Groß sind die Aufgaben der nationalen Regierung auf dem Gebiete des wirtschaftlichen Lebens. 106 Hier wird ein Gesetz alles Handeln bestimmen: das Volk lebt nicht für die Wirtschaft, und die Wirtschaft existiert nicht für das Kapital, sondern das Kapital dient der Wirtschaft und die Wirtschaft dem Volk! Grundsätzlich wird die Regierung die Wahrnehmung der Interessen des deutschen Volkes nicht über den Umweg einer staatlich zu organisierenden Wirtschaftsbürokratie betreiben, sondern durch die stärkste Förderung der Privatinitiative und durch die Anerkennung des Eigentums. Zwischen der produktiven Intention einerseits und der produktiven Arbeit andererseits muss ein gerechter Ausgleich hergestellt werden. Die Verwaltung soll die Ergebnisse der Fähigkeit, des Fleißes und der Arbeit durch Sparsamkeit respektieren. Auch das Problem unserer öffentlichen Finanzen ist nicht zuletzt das Problem einer sparsamen Verwaltung. Die in Aussicht genommene Reform unseres Steuerwesens muss zu einer Vereinfachung der Veranlagung und damit zu einer Verminderung der Kosten und der Lasten führen. Grundsätzlich soll die Steuermühle an den Strom und nicht an die Quellen gebaut werden. Im Zuge dieser Maßregeln muss eine Verminderung der Lasten durch Vereinfachung der Verwaltung eintreten. Diese im Reich und in den Ländern durchzuführende Reform des Steuerwesens ist aber nicht eine Frage des Augenblicks, sondern einer nach den Erfordernissen zu bemessenden Zeit. Die Regierung wird grundsätzlich Währungsexperimente vermeiden. Vor allem aber stehen zwei Wirtschaftsaufgaben erster Ordnung vor uns. Die Rettung des deutschen Bauern muss unter allen Umständen durchgeführt werden. Die Vernichtung dieses Standes in unserem Volke würde zu denkbar schärfsten Konsequenzen führen. Die Wiederherstellung der Rentabilität der landwirtschaftlichen Betriebe mag für den Konsumenten hart sein. Das Schicksal aber, das das ganze deutsche Volk träfe, wenn der deutsche Bauer zugrunde ginge, wäre mit diesen Härten gar nicht zu vergleichen. Nur im Zusammenhang mit der unter allen Umständen zu erreichenden Rentabilität unserer Landwirtschaft kann die Frage eines Vollstreckungsschutzes bzw. einer Entschuldung gelöst werden. Würde diese nicht gelingen, so müsste die Vernichtung unserer Bauern nicht nur zum Zusammenbruch der deutschen Wirtschaft überhaupt, sondern vor allem zum Zusammenbruch des deutschen Volkskörpers führen. Seine Gesunderhaltung ist aber auch die erste Voraussetzung für das Blühen und Gedeihen unserer Industrie, des deutschen Binnenhandels und des deutschen Exports. Ohne das Gegengewicht des deutschen Bauerntums hätte der kommunistische Wahnsinn schon jetzt Deutschland überrannt und damit die deutsche Wirtschaft endgültig vernichtet. Was die Gesamtwirtschaft einschließlich unserer Exportindustrie dem gesunden Sinn des deutschen Bauern verdankt, kann überhaupt durch kein Opfer geschäftlicher Art abgegolten werden. Es muss daher auch der weiteren Besiedlung des deutschen Bodens in Zukunft unsere größte Sorge gelten. Im übrigen ist sich die nationale Regierung darüber im klaren, dass die endgültige Behebung der Not sowohl der bäuerlichen wie der städtischen Wirtschaft abhängt von der Eingliederung der Arbeitslosenarmee in den Produktionsprozess. Hierin liegt die zweite, gewaltigste wirtschaftliche Aufgabe. Sie kann nur gelöst werden durch eine allgemeine Befriedung unter Durchsetzung gesunder natürlicher wirtschaftlicher Grundsätze und aller Maßnahmen, die notwendig sind, auch wenn sie, im Augenblick gesehen, auf keine Popularität rechnen können. Arbeitsbeschaffung und Arbeitsdienstpflicht sind hierbei nur Einzelmaßnahmen im Rahmen des Gesamtangriffs. Ähnlich wie zu den deutschen Bauern ist die Einstellung der nationalen Regierung zum Mittelstand. 107 Seine Rettung kann nur im Zuge der allgemeinen Wirtschaftspolitik erfolgen. Die nationale Regierung ist entschlossen, diese Frage durchgreifend zu lösen. Sie erkennt es als ihre geschichtliche Aufgabe, die Millionen deutscher Arbeiter im Kampfe um ihre Daseinsrechte zu stützen und zu fördern. Als Kanzler und Nationalsozialist fühle ich mich ihnen als den einstigen Gefährten meiner Jugend verbunden. Die Steigerung der Konsumkraft dieser Massen wird ein wesentliches Mittel der wirtschaftlichen Belebung sein. Unter Aufrechterhaltung unserer Sozialgesetzgebung wird ein erster Schritt zu ihrer Reform stattfinden müssen. Grundsätzlich soll aber die Nutzbarmachung jeder Arbeitskraft im Dienste der Allgemeinheit erfolgen. Das Brachliegenlassen von Millionen menschlicher Arbeitsstunden ist ein Wahnsinn und ein Verbrechen, das zur Verarmung aller führen muss. Ganz gleich, welche Werte durch eine Verwendung unserer überschüssigen Arbeitskraft geschaffen worden wären, sie würden für Millionen Menschen, die heute in Not und Elend verkommen, unentbehrliche Lebensgüter darstellen können. Es muss und wird der organisatorischen Fähigkeit unseres Volkes gelingen, diese Frage zu lösen. Wir wissen, dass die geographische Lage des rohstoffarmen Deutschlands eine Autarkie für unser Reich nicht vollkommen zulässt. Es muss immer wieder betont werden, dass der Reichsregierung nichts ferner liegt als Exportfeindlichkeit. Wir wissen, dass wir die Verbindung mit der Welt nötig haben, und dass der Absatz deutscher Ware in der Welt viele Millionen deutscher Volksgenossen ernährt. Wir wissen aber auch, welches die Voraussetzungen für einen gesunden Leistungsaustausch zwischen den Völkern der Erde sind. Denn Deutschland ist jahrelang gezwungen gewesen zu Leistungen ohne Gegenleistungen. Daraus ergibt sich, dass die Aufgabe, Deutschland als ein tätiges Glied des Warenaustausches zu erhalten, weniger eine handelspolitische als eine finanzpolitische ist. Solange man uns eine sachgemäße und unserer Kraft entsprechende Regelung unserer Auslandsschulden nicht zugebilligt hat, sind wir leider zur Aufrechterhaltung unserer Devisen-Zwangswirtschaft gezwungen. Die Reichsregierung ist auch um deswillen verpflichtet, den gegen den Abfluss des Kapitals über die Grenzen errichteten Damm aufrechtzuerhalten. Wenn die Reichsregierung sich von diesen Grundsätzen leiten lässt, ist bestimmt zu erwarten, dass wachsendes Verständnis des Auslandes die Eingliederung unseres Reiches in den friedlichen Wettbewerb der Nationen erleichtert. Um die Förderung des Verkehrs bis zu einem vernünftigen Ausgleich aller Verkehrsinteressen zu führen, wird schon zu Beginn des kommenden Monats durch eine Reform der Kraftfahrzeugsteuer der erste Schritt getan. Die Erhaltung der Reichsbahn und ihre möglichst schnelle Zurückführung in die Macht des Reiches ist eine Aufgabe, die uns nicht nur wirtschaftlich, sondern auch moralisch verpflichtet. Die Entwicklung des Luftverkehrs als eines Mittels der friedlichen Verbindung der Völker untereinander wird die nationale Regierung mit Eifer pflegen. Bei all dieser Tätigkeit bedarf die Regierung der Unterstützung nicht nur der allgemeinen Kräfte in unserem Volk, die in weitestem Umfang sie heranzuziehen entschlossen ist, sondern auch der hingebenden Treue und Arbeit des Berufsbeamtentums. Nur bei zwingendster Not der öffentlichen Finanzen sollen Eingriffe stattfinden, allein auch dann wird strenge Gerechtigkeit das oberste Gesetz unseres Handelns sein. Der Schutz der Grenzen des Reiches und damit des Lebens unseres Volkes und der Existenz unserer Wirtschaft liegt heute bei unserer Reichswehr, die entsprechend den uns im Versailler Vertrag auferlegten Bestimmungen als einzige wirklich abgerüstete Armee in der Welt anzusehen ist. Trotz der dadurch bedingten Kleinheit und gänzlich ungenügenden Bewaffnung darf das deutsche Volk in stolzer Befriedigung auf seine Reichswehr sehen. Unter schwersten Verhältnissen ist dieses kleine Instrument unserer nationalen Selbstverteidigung entstanden. In seinem Geiste ist es der Träger unserer besten soldatischen Traditionen. In peinlicher Gewissenhaftigkeit hat das deutsche Volk aber damit seine ihm im Friedensvertrag auferlegten Pflichten erfüllt, ja, selbst der uns damals genehmigte Ersatz der Schiffe unserer Flotte ist — ich darf wohl sagen: leider — nur zu einem kleinen Teil durchgeführt worden. 108 Deutschland wartet seit Jahren vergebens auf die Einlösung des uns gegebenen Abrüstungsversprechens der anderen. Es ist der aufrichtige Wunsch der nationalen Regierung, von einer Vermehrung des deutschen Heeres und unserer Waffen absehen zu können, sofern endlich auch die übrige Welt geneigt ist, ihre Verpflichtung zu einer radikalen Abrüstung zu vollziehen. Denn Deutschland will nichts als gleiche Lebensrechte und gleiche Freiheit. Zu diesem Geist des Freiheitswillens allerdings will die nationale Regierung das deutsche Volk erziehen. Die Ehre der Nation, die Ehre unserer Armee, das Ideal der Freiheit, sie müssen dem deutschen Volke wieder heilig werden! Das deutsche Volk will mit der Welt in Frieden leben. Die Reichsregierung wird aber gerade deshalb mit allen Mitteln für die endgültige Beseitigung der Trennung der Völker der Erde in zwei Kategorien eintreten. Die Offenhaltung dieser Wunde führt den einen zum Misstrauen, den anderen zum Hass und damit zu einer allgemeinen Unsicherheit. Die nationale Regierung ist bereit, jedem Volk die Hand zu aufrichtiger Verständigung zu reichen, das gewillt ist, die traurige Vergangenheit einmal grundsätzlich abzuschließen. Die Not der Welt kann nur vergehen, wenn durch stabile politische Verhältnisse die Grundlage geschaffen wird, und wenn die Völker untereinander wieder Vertrauen gewinnen. Zur Behebung der Wirtschaftskatastrophe ist notwendig: 1. eine unbedingt autoritäre Führung im Innern zur Herstellung des Vertrauens in die Stabilität der Verhältnisse, 2. eine Sicherstellung des Friedens durch die großen Nationen auf lange Sicht zur Wiederherstellung des Vertrauens der Völker untereinander, 3. der endgültige Sieg der Grundsätze der Vernunft in der Organisation und Führung der Wirtschaft sowie eine allgemeine Entlastung von Reparationen und unmöglichen Schuld- und Zinsverpflichtungen. Leider stehen wir vor der Tatsache, dass die Genfer Konferenz trotz langer Verhandlungen bisher kein praktisches Ergebnis erzielt hat. Die Entscheidung über die Herbeiführung einer wirklichen Abrüstungsmaßnahme ist immer wieder durch das Aufwerfen technischer Einzelfragen und durch das Hineinziehen von Problemen, die mit der Abrüstung nichts zu tun haben, verzögert worden. Dieses Verfahren ist untauglich. Der rechtswidrige Zustand der einseitigen Abrüstung und der daraus resultierenden nationalen Unsicherheit Deutschlands kann nicht länger dauern. Als ein Zeichen der Verantwortung und des guten Willens erkennen wir es an, dass die britische Regierung durch ihren Abrüstungsvorschlag den Versuch gemacht hat, die Konferenz endlich zu schnellen Entscheidungen zu bringen. Die Reichsregierung wird jede Bemühung unterstützen, die darauf gerichtet ist, die allgemeine Abrüstung wirksam durchzuführen und den längst fälligen Anspruch Deutschlands auf Abrüstung sicherzustellen. Seit vierzehn Jahren sind wir abgerüstet, und seit vierzehn Monaten warten wir auf das Ergebnis der Abrüstungskonferenz. Umfassender noch ist der Plan des Chefs der italienischen Regierung, der großzügig und weit blickend versucht, der gesamteuropäischen Politik eine ruhige und folgerichtige Entwicklung zu sichern. Wir messen diesem Plan ernsteste Bedeutung bei, wir sind bereit, auf seiner Grundlage in voller Aufrichtigkeit mitzuarbeiten, um die vier großen Mächte, England, Frankreich, Italien und Deutschland, zu einer friedlichen Zusammenarbeit zusammenzuschließen, die mutig und entschlossen an die Aufgaben herangeht, von deren Lösung das Schicksal Europas abhängt. 109 Aus diesem Anlass empfinden wir besonders dankbar die verständnisvolle Herzlichkeit, mit der in Italien die nationale Erhebung Deutschlands begrüßt worden ist. Wir wünschen und hoffen, dass die Gleichheit der geistigen Ideale die Grundlage für eine stetige Vertiefung der freundschaftlichen Beziehungen zwischen den beiden Ländern sein wird. Ebenso legt die Reichsregierung, die im Christentum die unerschütterlichen Fundamente der Moral und Sittlichkeit des Volkes sieht, größten Wert auf freundschaftliche Beziehungen zum Heiligen Stuhl und sucht sie auszugestalten. Gegenüber unserem Brudervolk Österreich empfinden wir das Gefühl der Anteilnahme an seinen Sorgen und Nöten. Die Reichsregierung ist sich in ihrem Tun und Handeln der Verbundenheit des Schicksals aller deutschen Stämme bewusst. Die Einstellung zu den übrigen einzelnen fremden Mächten ergibt sich aus dem bereits Erwähnten. Aber auch da, wo die gegenseitigen Beziehungen schon mit Schwierigkeiten behaftet sind, werden wir uns um einen Ausgleich bemühen. Allerdings kann die Grundlage einer Verständigung niemals die Unterscheidung in Sieger und Besiegte sein. Wir sind aber der Überzeugung, dass ein solcher Ausgleich in unserem Verhältnis zu Frankreich möglich ist, wenn die Regierungen die sie betreffenden Probleme beiderseits wirklich weitschauend in Angriff nehmen. Gegenüber der Sowjetunion ist die Reichsregierung gewillt, freundschaftliche, für beide Teile nutzbringende Beziehungen zu pflegen. Gerade die Regierung der nationalen Revolution sieht sich zu einer solchen positiven Politik gegenüber Sowjetrussland in der Lage. Der Kampf gegen den Kommunismus in Deutschland ist unsere innere Angelegenheit, in den wir Einmischungen von außen niemals dulden werden. Die staatspolitischen Beziehungen zu anderen Mächten, mit denen uns gemeinsame Interessen verbinden, werden davon nicht berührt. Unser Verhältnis zu den übrigen Ländern verdient auch in Zukunft unsere ernsteste Aufmerksamkeit, insbesondere unser Verhältnis zu den großen überseeischen Staaten, mit denen Deutschland seit langem freundschaftliche Bande und wirtschaftliche Interessen verbunden haben. Besonders am Herzen liegt uns das Schicksal der außerhalb der Reichsgrenzen lebenden Deutschen, die durch Sprache, Kultur und Sitte mit uns verbunden sind und um diese Güter schwer kämpfen. Die nationale Regierung ist entschlossen, mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln für die den deutschen Minderheiten international garantierten Rechte einzutreten. Wir begrüßen den Plan der Weltwirtschaftskonferenz und sind mit ihrem baldigen Zusammentritt einverstanden. Die Reichsregierung ist bereit, an dieser Konferenz mitzuarbeiten, um endlich positive Ergebnisse zu erlangen. Die wichtigste Frage ist das Problem unserer kurz- und langfristigen äußeren Verschuldung. Die völlige Veränderung der Verhältnisse auf den Warenmärkten der Welt erfordert eine Anpassung. Nur aus einer vertrauensvollen Zusammenarbeit kann eine wirkliche Behebung der allgemeinen Sorgen erwachsen. Zehn Jahre eines aufrichtigen Friedens werden für die Wohlfahrt aller Nationen nützlicher sein als 30 Jahre langes Verrennen in die Begriffe von Sieger und Besiegten. Um sich in die Lage zu versetzen, die Aufgaben zu erfüllen, die in diesem Rahmen liegen, hat die Regierung im Reichstag durch die beiden Parteien der Nationalsozialisten und der Deutschnationalen das -Ermächtigungsgesetz einbringen lassen. Ein Teil der beabsichtigten Maßnahmen erfordert die verfassungsändernde Mehrheit. Die Durchführung dieser Aufgaben und ihre Lösung sind notwendig. Es würde dem Sinne der nationalen Erhebung widersprechen und für den beabsichtigten Zweck nicht genügen, wollte die Regierung sich für ihre Maßnahmen von Fall zu Fall die Genehmigung des Reichstags erhandeln und erbitten. Die Regierung wird dabei nicht von der Absicht getrieben, den Reichstag als solchen aufzugeben. Im Gegenteil, sie behält sich auch für die Zukunft vor, den Reichstag über ihre Maßnahmen zu unterrichten oder seine Zustimmung einzuholen. 110 Die Autorität und die Erfüllung der Aufgaben würden aber leiden, wenn im Volke Zweifel an der Stabilität des neuen Regiments entstehen könnten. Die Reichsregierung hält eine weitere Tagung des Reichstages im heutigen Zustande der tiefgehenden Erregung der Nation für unmöglich. Es ist kaum eine Revolution von so großem Ausmaß so diszipliniert und unblutig verlaufen wie diese Erhebung des deutschen Volkes in diesen Wochen. Es ist mein Wille und meine feste Absicht, für diese ruhige Entwicklung auch in Zukunft zu sorgen. Allein umso notwendiger ist es, dass der nationalen Regierung jene souveräne Stellung gegeben wird, die in einer solchen Zeit allein geeignet ist, eine andere Entwicklung zu verhindern. Die Regierung wird von dieser Ermächtigung nur insoweit Gebrauch machen, als dies zur Durchführung der lebensnotwendigen Maßnahmen erforderlich ist. Es ist weder die Existenz des Reichstages noch die des Reichsrats bedroht. Stellung und Rechte des Reichspräsidenten bleiben unberührt. Die innere Übereinstimmung mit seinen Zielen herbeizuführen, wird stets die oberste Aufgabe der Regierung sein. Der Bestand der Länder wird nicht beseitigt. Die Rechte der Kirchen werden nicht geschmälert und ihre Stellung zum Staat nicht geändert. Die Zahl der Fälle, in denen eine innere Notwendigkeit vorliegt, zu einem solchen Gesetz die Zuflucht zu nehmen, ist an sich eine begrenzte. Umso mehr aber besteht die Regierung auf einer Verabschiedung des Gesetzes. Sie zieht in jedem Falle eine klare Entscheidung vor. Sie bietet den Parteien des Reichstages die Möglichkeit einer ruhigen Entwicklung und einer sich daraus in Zukunft anbahnenden Verständigung. Die Regierung ist aber ebenso entschlossen und bereit, die Bekundung der Ablehnung und damit die Ansage des Widerstandes entgegenzunehmen. Mögen Sie, meine Herren, nunmehr selbst entscheiden über Frieden oder Krieg! 111 III. Rede am 19. September 1939 im Artushof zu Danzig Mein Gauleiter! Meine lieben Danziger Volksgenossen und meine Volksgenossinnen! Diesen Augenblick erleben nicht nur Sie in tiefster Ergriffenheit, es erlebt ihn das ganze deutsche Volk. Ich selbst bin mir der Größe dieser Stunde bewußt. Ich betrete zum erstenmal einen Boden, der von deutschen Siedlern ein halbes Jahrtausend vor der Zeit in Besitz genommen worden war, da die ersten Weißen sich im heutigen Staate Neuyork niederließen. Ein halbes Jahrtausend länger ist dieser Boden deutsch gewesen, war deutsch geblieben und wird dessen können alle überzeugt sein – deutsch bleiben! Das Schicksal, das diese Stadt und dieses schöne Land betroffen hat, ist das Schicksal ganz Deutschlands gewesen. Der Weltkrieg, dieser sinnloseste Kampf wohl aller Zeiten, hat auch dieses Land und diese Stadt zu seinen Opfern gemacht - dieser Weltkrieg, der nur Verlierer und keinen Gewinner hatte, dieser Weltkrieg, der nach seiner Beendigung wohl alle in der Überzeugung zurückließ, daß sich ein ähnliches Schicksal wohl nicht mehr wiederholen möge und der leider heute gerade von denen anscheinend vergessen wurde, die schon damals die Haupthetzer und auch wohl die Hauptinteressenten an diesem Völkergemetzel waren. Als dieses damalige blutige Ringen zu Ende ging, in das Deutschland ohne jedes Kriegsziel eingetreten war, sollte ein Friede der Menschheit beschieden werden, der zu einer neuen Wiederauferstehung des Rechts und damit zu einer endgültigen Beseitigung aller Not führen sollte. Dieser Friede wurde dann zu Versailles unserem Volk nicht in freiem Verhandeln vorgelegt, sondern durch Diktat aufgezwungen. Die Väter dieses Friedens sahen in ihm das Ende des deutschen Volkes. Vielleicht glaubten viele Menschen, in diesem Frieden das Ende der Not zu sehen, er war aber auf jeden Fall nur der Anfang neuer Wirren. In einem haben sich die damaligen Kriegshetzer und Kriegsbeendiger getäuscht. Sie haben durch diesen damaligen Frieden nicht ein einziges Problem gelöst, aber zahllose Probleme neu geschaffen. Und es war nur eine Frage der Zeit, wann die zertretene deutsche Nation sich aufraffen würde, um die neu geschaffenen Probleme ihrerseits zur Lösung zu bringen. Denn das wesentlichste Problem hat man damals überhaupt übersehen, nämlich die Tatsache, daß die Völker nun einmal bestehen, ob dies dem einen oder anderen britischen Kriegshetzer passen mag oder nicht passen mag. Es sind nun einmal 82 Millionen Deutsche hier in diesem Lebensraum vereint. Und diese 82 Millionen wollen leben, und sie werden leben, auch wenn das wieder diesen Hetzern nicht passen sollte. Deutschland wurde durch den Frieden von Versailles das schlimmste Unrecht zugefügt. Wenn heute ein Staatsmann eines anderen Volkes glaubt, es aussprechen zu dürfen, daß ihm das Vertrauen in das Wort deutscher Staatsmänner oder des deutschen Volkes fehle, dann haben wir Deutsche allein das Recht, zu sagen, daß uns jegliches Vertrauen in Zusicherungen jener fehlt, die damals die feierlichsten Zusicherungen so erbärmlich gebrochen haben. Ich will nun gar nicht vorn Unrecht von Versailles sprechen, - das schlimmste im Völkerleben ist vielleicht noch gar nicht das Unrecht, sondern der Unsinn, der Aberwitz, die Dummheit, mit denen man damals der Welt einen Frieden aufoktroyierte, der über alle historischen und wirtschaftlichen, über alle volklichen und politischen Gegebenheiten einfach zur Tagesordnung schritt. Man hat damals Regelungen getroffen, bei denen man nachgerade bezweifeln muß, ob die Männer, die das verbrochen hatten, wirklich bei Vernunft gewesen sind. Bar jeder Kenntnis der geschichtlichen Entwicklung dieser Lebensräume, bar aber auch jedes wirtschaftlichen Verständnisses, 112 haben diese Menschen damals in Europa herumgewütet, Staaten zerrissen, Landschaften zerteilt, Völker unterdrückt, Kulturen zerstört. Auch dieses Land hier war ein Opfer dieses damaligen Wahnwitzes und der polnische Staat als solcher ein Produkt dieses Unsinns! Was Deutschland für diesen polnischen Staat opfern mußte, ist wohl der Welt nicht bekannt. Nur das eine muß ich hier aussprechen: Alle diese Gebiete, die damals Polen einverleibt worden sind, sind ausschließlich deutscher Tatkraft, deutschem Fleiß, deutschem schöpferischem Wirken in ihrer Entwicklung zuzuschreiben gewesen. Sie verdanken ausschließlich dem deutschen Volk ihre kulturelle Bedeutung. Daß man damals eine Provinz vom Deutschen Reich riß, daß man andere Gebiete diesem neuen polnischen Staat zuteilte, wurde motiviert mit volklichen Notwendigkeiten Dabei haben die Abstimmungen später überall ergeben, daß niemand eine Sehnsucht gehabt hatte, in diesen polnischen Staat zu kommen. Dieser polnische Staat, der entstanden war aus der Blutlast zahlloser deutscher Regimenter, er hat sich dann ausgedehnt auf Kosten alten deutschen Siedlungsgebietes und vor allem auf Kosten jeder Vernunft und jeder wirtschaftlichen Möglichkeit. Eines ist in den letzten zwanzig Jahren schon klar erwiesen worden: Der Pole, der diese Kultur nicht gegründet hatte, war auch nicht fähig, sie auch nur zu erhalten. Es hat sich wieder gezeigt, daß nur derjenige, der selbst kulturschöpferisch veranlagt ist, auf die Dauer auch eine wirkliche kulturelle Leistung zu bewahren vermag. Fünfzig weitere Jahre würden genügt haben, um diese Gebiete, die der Deutsche mühselig mit Fleiß und Emsigkeit der Barbarei entrissen hat, wieder der Barbarei zurückzugeben. Überall zeigten sich bereits die Spuren dieses Rückfalls und dieses Verfalls. Polen selbst war dabei ein Nationalitätenstaat; man hatte das geschaffen, was man dem alten österreichischen Staat als Schuld vorwarf. Polen war dabei niemals eine Demokratie. Eine ganz dünne, schwindsüchtige Oberklasse beherrschte hier nicht nur fremde Nationalitäten, sondern auch das sogenannte eigene Volk. Es war ein Gewaltstaat, regiert durch den Gummiknüppel, durch Polizei und letzten Endes auch durch Militär. Das Los der Deutschen in diesem Staat war entsetzlich. Es ist dabei noch ein Unterschied, ob ein Volk von einer minderen kulturellen Bedeutung das Unglück hat, von einem kulturell bedeutenderen regiert zu werden, oder ob ein Volk von einer hohen kulturellen Bedeutung dem tragischen Schicksal unterworfen wird, von einem minderen vergewaltigt zu werden. Denn in diesem minderen Volk werden sich dann alle Minderwertigkeitskomplexe auswirken und abreagieren gegenüber dem besseren kulturtragenden Volk. Man wird dann grausam und barbarisch dieses Volk mißhandeln. Und die Deutschen sind Zeugen dieses Schicksals seit nun bald 20 Jahren gewesen. Ich brauche hier nicht im einzelnen das Los der Deutschen zu schildern. Es war, wie schon betont, tragisch und schmerzlich. Trotzdem habe ich versucht, so wie überall auch hier, eine Regelung zu finden, die vielleicht zu einem billigen Ausgleich hätte führen können. Ich habe einst mich bemüht, im Westen, später dann im Süden des Reiches endgültige Grenzziehungen zu erhalten, um damit Gebiet um Gebiet der Unsicherheit zu entreißen und dem Frieden dort die Zukunft zu sichern. Ich habe das gleiche auch hier zu erreichen mich angestrengt. Damals war in Polen ein Mann von einer unbestreitbaren realistischen Einsicht und auch Tatkraft. Es war mir gelungen, mit dem damaligen Marschall Pilsudski ein Abkommen zu erreichen, das den Weg ebnen sollte zu einer friedlichen Verständigung der beiden Nationen; ein Abkommen, das von vornherein nicht etwa gutheißen konnte, was im Versailler Vertrag geschaffen worden war, sondern das sich bemühte, unter vollkommenem Übergehen dieses Vertrages wenigstens die Grundlage sicherzustellen für ein vernünftiges, tragbares Nebeneinanderleben. Solange der Marschall lebte, schien es, als ob dieser Versuch vielleicht zu einer Entspannung der Lage beitragen könnte. Sofort nach seinem Tod setzte aber bereits ein verstärkter Kampf gegen das Deutschtum ein. Dieser Kampf, der sich in tausenderlei Formen äußerte, verbitterte und verdüsterte 113 die Beziehungen zwischen den beiden Völkern in steigendem Ausmaß. Es war eben auf die Dauer nur sehr schwer möglich, geduldig zuzusehen, wie in einem Lande nebenan, das an sich Deutschland das schwerste Unrecht zugefügt hatte, die dort lebende deutsche Minderheit in einer geradezu barbarischen Weise verfolgt wurde. Die Welt, die sofort Tränen vergießt, wenn aus dem Deutschen Reich ein erst vor wenigen Jahrzehnten zugewanderter polnischer Jude hinausgewiesen wird, diese Welt ist vollkommen stumm und taub geblieben gegenüber dem Leid derjenigen, die nicht zu Tausenden, sondern zu Millionen in Vollzug des Versailler Diktats ihre frühere Heimat verlassen mußten, dann, wenn es sich dabei um Deutsche handelte. Was dabei für uns alle und auch für mich nicht nur daß Bedrückende, sondern das Empörende war, lag in dem Umstand, daß wir das alles erdulden mußten von einem Staat, der tief unter uns stand. Denn letzten Endes war Deutschland eben doch eine Großmacht, auch wenn ein paar Wahnsinnige glaubten, das Lebensrecht einer großen Nation durch einen verrückten Vertrag oder ein Diktat auslöschen zu können. Deutschland war eine Großmacht und mußte zusehen. wie ein tief unter ihm stehendes Volk und tief unter ihm stehender Staat diese Deutschen hier mißhandelte. Und besonders hier waren zwei ganz unerträgliche Zustände: 1. Eine Stadt, deren deutscher Charakter von niemandem bestritten werden konnte, wird nicht nur daran verhindert, sich zum Reich dein Weg zurückzusuchen, sondern sie wird planmäßig allmählich über tausend Umwege zu polonisieren versucht. 2. Eine Provinz, die vom Deutschen Reich abgetrennt ist, erhielt nicht nur keinen direkten Zugang, sondern der Verkehr mit dieser Provinz ist abhängig von allen denkbaren Schikanen oder von dem Wohlwollen dieses polnischen Staates. Keine Macht der Welt hätte diesen Zustand so lange ertragen wie Deutschland. Ich weiß nicht, was wohl England zu einer ähnlichen Friedenslösung auf seine Kosten gesagt haben würde, oder wie man in Frankreich das hingenommen hätte oder gar in Amerika. Ich habe nun versucht, Wege zu einer Lösung, und zwar zu einer tragbaren Lösung auch dieses Problems zu finden. Ich habe diese Versuche in Form mündlicher Vorschläge den damaligen polnischen Machthabern unterbreitet. Sie kennen diese Vorschläge. Sie waren mehr als maßvoll. Ich versuchte, eine Regelung zu finden zwischen unserem Wunsch, Ostpreußen wieder in Verbindung mit dem Reich zu bringen, und dem Wunsch der Polen, den Zugang zum Meer zu behalten. Ich versuchte vor allem, eine Synthese zu finden zwischen dem deutschen Charakter der Stadt Danzig und ihrem Willen, zum Deutschen Reich zurückzukehren, und den wirtschaftlichen Forderungen der Polen. Ich glaube, wohl sagen zu dürfen, daß ich damals überbescheiden war. Und es gab Augenblicke, da ich mir selbst grübelnd und prüfend die Frage vorlegte, ob ich es vor meinem eigenen Volke wohl würde verantworten können, solche Vorschläge der Lösung der polnischen Regierung zu unterbreiten. Ich tat es nur, weil ich gerne dem deutschen Volk und auch dem polnischen das Leid einer anderen Auseinandersetzung ersparen wollte. Dieses Angebot habe ich nun in diesem heurigen Frühjahr in konkretester Form wiederholt: Danzig sollte zum Deutschen Reich. Eine exterritoriale Straße sollte nach Ostpreußen gebaut werden natürlich auf unsere Kosten. Polen sollte in Danzig dafür freieste Hafenrechte bekommen, den gleichen exterritorialen Zugang erhalten. Dafür war ich bereit, den für uns ja an sich kaum tragbaren Zustand der Grenzen sogar noch zu garantieren und endlich Polen teilhaben zu lassen an der Sicherung der Slowakei. Ich weiß nicht, in welcher Geistesverfassung die polnische Regierung war, als sie diese Vorschläge ablehnte! Ich weiß aber, daß unzählige Millionen Deutsche eigentlich aufatmeten, da sie allerdings auf dem Standpunkt standen, daß ich damit zu weit gegangen war. 114 Polen gab als Antwort darauf den Befehl zur ersten Mobilmachung, Darauf setzte zugleich ein wilder Terror ein. Meine Bitte an den damaligen polnischen Außenminister, mich in Berlin zu besuchen, um noch einmal diese Fragen durchzusprechen, wurde abgelehnt. Er fuhr statt nach Berlin nach London! Es kamen nun jene Wochen und Monate fortgesetzt sich steigernder Drohungen, Drohungen, die für einen kleinen Staat ja kaum erträglich wären, für eine Großmacht auf die Dauer unmöglich sind. In polnischen Zeitschriften konnten wir lesen, daß es sich überhaupt nicht um das Problem Danzig handelt, sondern daß es sich um das Problem Ostpreußen handele, daß Polen sich Ostpreußen in kurzer Zeit einverleiben werde. Das übersteigerte sich nun. Andere polnische Zeitungen erklärten, daß auch Ostpreußen das Problem nicht löse, sondern daß Pommern unter allen Umständen zu Polen kommen müßte: Und endlich wurde es als fraglich hingestellt, ob die Oder überhaupt als Grenze genügen könnte, ob nicht die natürliche Grenze Polens eigentlich nicht die Oder, sondern die Elbe sei. Man zerbrach sich ja nur mehr den Kopf, ob man unsere Armeen noch vor oder hinter Berlin vernichten sollte. Ein polnischer Marschall, der jetzt jammervoll seine Armee im Stich gelassen hat, er erklärt, daß er Deutschland und die deutschen Armeen zerhacken werde. Und parallel damit setzt ein Martyrium ein für unsere Volksdeutschen. Zehntausende werden verschleppt, mißhandelt, in der grausamsten Weise getötet; sadistische Bestien lassen ihre perversen Instinkte aus, und - diese demokratische fromme Welt sieht zu, ohne mit einer Wimper zu zucken. Ich habe mir oft die Frage vorgelegt: Wer kann Polen so verblendet haben? Glaubte man wirklich, daß die deutsche Nation sich das auf die Dauer von einem so lächerlichen Staat bieten lassen würde? Glaubte man das im Ernst? Man hat es wohl geglaubt, weil man das von einer gewissen Stelle den Polen als möglich geschildert hatte, von jener Stelle, an der die Generalkriegshetzer nicht nur seit den letzten Jahrzehnten, sondern Jahrhunderten gesessen haben - und auch heute noch sitzen! Dort erklärte man, daß Deutschland als Macht ja überhaupt nicht zu werten sei. Dort wurde den Polen eingeredet, daß sie ohne weiteres in der Lage sein würden, gegen Deutschland Widerstand zu leisten. Und dort ging man noch einen Schritt weiter: Dort wurde ihnen endlich die Versicherung gegeben, daß, wenn ihr eigener Widerstand nicht genügen sollte, sie sich jederzeit des Widerstandes, d. h. der Beihilfe der anderen versichern könnten. Dort wurde jene famose Garantie abgegeben, die es in die Hand eines größenwahnsinnigen Kleinstaates legte, einen Krieg anzufangen oder vielleicht auch zu unterlassen. Für diese Männer allerdings war auch Polen nur ein Mittel zum Zweck! Nur ein Mittel zum Zweck, denn heute erklärt man ja ganz ruhig, daß es sich primär gar nicht um Polen handele, sondern um das deutsche Regime! Ich habe immer vor diesen Männern gewarnt. Sie werden sich meiner Reden von Saarbrücken und von Wilhelmshaven erinnern, meine deutschen Volksgenossen. Ich habe in diesen beiden Reden auf die Gefahren hingewiesen, die darin liegen, daß in einem Lande ohne weiteres Männer aufstehen können und dort ungeniert den Krieg als eine Notwendigkeit zu predigen vermögen: die Herren Churchill, Eden, Duff Cooper usw. usw. Ich habe darauf hingewiesen, wie gefährlich das vor allem in einem Lande ist, in dem man nie genau weiß, ob nicht diese Männer in kurzer Zeit Regierung sein werden. Man erklärte mir damals, das würde nie der Fall sein. Meines Erachtens sind sie jetzt Regierung! Es ist also genau das eingetreten, was ich damals vorhergesehen hatte! Ich habe mich damals entschlossen, zum erstenmal die deutsche Nation vor diesen Menschen zu warnen, aber auch keinen Zweifel darüber bestehen zu lassen, daß Deutschland unter keinen Umständen vor den Drohungen und auch nicht vor der Gewalt dieser Menschen mehr kapitulieren werde. Man hat diese meine Antwort damals auf das schwerste angegriffen. Denn es hat sich in diesen Demokratien so allmählich eine bestimmte Praxis herausgebildet, nämlich: In Demokratien darf zum Kriege gehetzt werden. Dort dürfen fremde Regime und fremde Staatsmänner, fremde 115 Staatsoberhäupter angegriffen, verleumdet, beschimpft und beschmutzt werden, denn - dort herrscht Rede- und Pressefreiheit! In autoritären Staaten darf man dagegen sich nicht zur Wehr setzen, denn dort herrscht Disziplin! Und nur in disziplinlosen Staaten ist es demnach zulässig, zum Kriege zu hetzen, während in disziplinierten Staaten die Antwort darauf nicht erteilt werden darf. Das würde in der Praxis dazu führen, daß in den undisziplinierten Staaten die Völker zum Kriege verhetzt werden, während in den sogenannten disziplinierten Staaten die Völker dann gar keine Ahnung haben, was eigentlich um sie vorgeht. Ich habe mich daher in dieser Zeit entschlossen, dem deutschen Volk langsam Kenntnis von dem Treiben dieser verbrecherischen Clique zu geben. Und das deutsche Volk ist so langsam in jene Abwehrstellung gebracht worden, die ich für notwendig hielt, um nicht eines Tages überrascht zu werden. Als der September kam, war unterdes der Zustand unhaltbar geworden. Sie wissen die Entwicklung dieser Augusttage: Ich glaube, daß es in diesem letzten August noch möglich gewesen wäre, ohne die britische Garantie und ohne die Hetze dieser Kriegsapostel noch eine Verständigung zu erreichen. In einem gewissen Augenblick versuchte England selbst, uns mit Polen in eine direkte Aussprache zu bringen. Ich war dazu bereit. Wer natürlich nicht kam, waren die Polen. Ich setzte mich mit meiner Regierung zwei Tage nach Berlin und wartete und wartete. Unterdes hatte ich einen neuen Vorschlag ausgearbeitet. Er ist Ihnen bekannt. Ich habe ihn am Abend des ersten Tages dem britischen Botschafter mitteilen lassen. Er wurde ihm Satz für Satz genau vorgelesen, und durch meinen Außenminister wurden ihm noch zusätzliche Aufklärungen gegeben. Es kam der nächste Tag, und es geschah nichts, außer - die polnische Generalmobilmachung, erneute Terrorakte und endlich Angriffe gegen das Reichsgebiet! Nun darf man Geduld auch im Völkerleben nicht immer mit Schwäche verwechseln. Ich habe nun jahrelang mit einer grenzenlosen Geduld diesen fortgesetzten Provokationen zugesehen. Was ich in dieser langen Zeit oft selbst litt, das können nur wenige ermessen. Denn es verging ja kaum ein Monat, ja oft kaum eine Woche, in der nicht irgendeine Deputation aus diesen Gebieten zu mir kam und mir das Unerträgliche der Lage des Deutschtums schilderte und mich immer wieder beschwor, doch einmal einzugreifen. Ich habe immer wieder gebeten, es doch noch zu versuchen. Jahr für Jahr ging das so weiter. Aber ich habe in der letzten Zeit doch auch schon gewarnt, daß das einmal ein Ende finden müßte, und ich habe mich nun nach monatelangem Warten und immer neuen Vorschlägen endlich entschlossen, wie ich im Reichstag schon erklärte, mit Polen dann in der Sprache zu reden, in der eben die Polen mit uns reden zu können glaubten, in jener Sprache, die sie wohl allein verstehen! Auch in dem Augenblick war noch einmal der Friede zu retten. Das befreundete Italien, der Duce, hat sich dazwischengeschaltet und einen Vermittlungsvorschlag gemacht. Frankreich war einverstanden, und ich habe auch mein Einverständnis erklärt. Da hat England auch diesen Vorschlag abgelehnt und stattdessen geglaubt, dem Deutschen Reich ein zweistündiges Ultimatum mit einer unmöglichen Forderung schicken zu können. Nun haben die Engländer sich nur in einem getäuscht! Sie hatten einst eine Regierung in Deutschland im November 1918. die, von ihnen ausgehalten worden war, und sie verwechseln das heutige Regime mit diesem von ihnen ausgehaltenen Regime und die heutige deutsche Nation mit dem damaligen verführten und verblendeten deutschen Volk. Dem heutigen Deutschland stellt man keine Ultimaten mehr. Das kann man sich in London merken! Ich habe in den letzten sechs Jahren Unerhörtes hinnehmen müssen von Staaten wie Polen. Aber ich habe trotzdem kein Ultimatum geschickt. Das Deutsche Reich ist heute nicht geneigt und gewillt, in solchem Ton mit sich reden zu lassen. Ich weiß, wenn Polen den Krieg gewählt hat, dann hat es den Krieg gewählt, weil andere es in diesen Krieg hineinbetten, jene anderen, die glauben, daß sie bei 116 diesem Krieg vielleicht ihr größtes weltpolitisches und finanzielles Geschäft machen können. Es wird aber nicht nur nicht ihr größtes Geschäft, sondern es wird ihre größte Enttäuschung werden! Polen hat den Kampf gewählt, und es hat den Kampf nun erhalten! Es hat diesen Kampf leichten Herzens gewählt, weil ihm gewisse Staatsmänner des Westens versichert hatten, daß sie genaue Unterlagen besäßen über die Wertlosigkeit der deutschen Armee, des deutschen Heeres, über die Minderwertigkeit unserer Ausrüstung, über die schlechte Moral unserer Truppen, über die defaitistische Stimmung im Innern des Reiches, über die Diskrepanz, die zwischen dem deutschen Volk und seiner Führung bestehen soll. Man hat den Polen eingeredet, daß es für sie ein leichtes sein würde, nicht nur Widerstand zu leisten, sondern unsere Armeen zurückzuwerfen. Und darauf hat Polen ja auch dann – beraten durch westliche Generalstäbler - seinen Feldzugsplan aufgerichtet. Seitdem sind nun 18 Tage vergangen. Und kaum jemals in der Geschichte konnte der Spruch mit mehr Recht angeführt werden: "Mit Mann und Roß und Wagen hat sie der Herr geschlagen!" Während ich hier zu Ihnen spreche, stehen unsere Truppen auf einer großen Linie Brest-Lemberg und nordwärts. Und in diesem Augenblick marschieren gerade seit gestern nachmittag endlose Kolonnen der zusammengeschlagenen polnischen Armeen aus dem Raume von Kutno als Gefangene ab! Gestern morgen waren es 20 000, gestern abend 50 000, heute, vormittag 70 000. Ich weiß nicht, wie groß die Zahl jetzt ist, aber nur das eine weiß ich: Was von dieser polnischen Armee westlich dieser Linie steht, wird in wenigen Tagen kapitulieren, die Waffen strecken oder zerschlagen werden! In diesem Augenblick, da fliegen unsere dankbaren Herzen hin zu unseren Männern. Die deutsche Wehrmacht hat diesen genialen Staatsmännern, die so gut Bescheid wissen über die Zustände im Reich, nun den notwendigen Anschauungsunterricht gegeben! Der Marschall Rydz-Smigly hat sich in der Richtung geirrt. Er ist statt in Berlin zunächst in Czernowitz gelandet und mit ihm seine ganze Regierung und alle jene Verführer, die dieses polnische Volk in den Wahnsinn hineingetrieben haben. Die deutschen Soldaten aber haben zu Lande, zur See und in der Luft ihre Pflicht und Schuldigkeit im höchsten Ausmaß getan. Wieder hat sich unsere deutsche Infanterie als die unvergleichliche Meisterin erwiesen. Ihre Tapferkeit, ihr Mut und ihr Können sind wohl oft angestrebt, doch nie erreicht worden. Die neuen Waffen unserer 'motorisierten Verbände, sie haben sich auf das höchste bewährt. Die Soldaten unserer Marine, sie erfüllen bewunderungswürdig ihre Pflicht. Und über allem wacht die deutsche Luftwaffe und sichert den deutschen Raum. Sie, die davon träumten, daß sie Deutschland zerschmettern würden und die deutschen Städte in Schutt und Asche legen wollten, sie sind so kleinlaut geworden, weil sie ganz genau wissen, daß für jede Bombe auf eine deutsche Stadt fünf oder zehn zurückfallen werden. Sie sollen jetzt nicht so tun, als ob sie etwa aus Humanität sich zu dieser Kriegführung bequemen wollten! Es ist nicht die Humanität, sondern es ist die Sorge um die Vergeltung! Wir wollen in diesem Augenblick dem polnischen Soldaten vollkommene Gerechtigkeit zuteil werden lassen. Der Pole hat an vielen Plätzen tapfer gefochten. Seine untere Führung machte verzweifelte Anstrengungen, seine mittlere Führung war zu wenig intelligent, seine oberste Führung schlecht, unter jeder Kritik, seine Organisation war - polnisch! In diesem Augenblick befinden sich rund 300 000 polnische Soldaten in deutscher Gefangenschaft. Nahezu 2000 Offiziere, viele Generale teilen dasselbe Los. Ich muß aber auch erwähnen, daß neben der von uns zugegebenen Tapferkeit vieler polnischer Verbände die schmutzigsten Taten stehen, die vielleicht in den lebten Jahrzehnten irgendwo vorgefallen sind. Es sind Dinge, die ich als Soldat des Weltkrieges, der ich nur im Westen gekämpft habe, nie kennenzulernen Gelegenheit hatte. Tausende von niedergemetzelten Volksdeutschen, viehisch abgeschlachteten Frauen, Mädchen und Kindern; unzählige deutsche Soldaten und Offiziere, 117 die als Verwundete in die Hände dieses Gegners gefallen sind, sie wurden massakriert, bestialisch verstümmelt und ihnen die Augen ausgestochen. Und das schlimmste - diese polnische Regierung hat das in ihrem eigenen Rundfunk ganz offen zugegeben -: daß abspringende Soldaten der Luftwaffe ermordet worden sind usw. Es gab wirklich Momente, da man sich sagen mußte: Soll man unter diesen Umständen sich selbst noch irgendeine Beschränkung auferlegen? Es ist mir nicht bekannt geworden, daß irgendeiner unserer demokratischen Staatsmänner es der Mühe wert gefunden hat, gegen diese Barbarei zu protestieren! Ich habe der deutschen Luftwaffe den Auftrag gegeben, daß sie diesen Krieg human führt, das heißt, daß sie ihn nur gegen kämpfende Truppen führt. Die polnische Regierung und Heeresleitung gaben ihren zivilen Menschen den Auftrag, diesen Krieg als Heckenschützen aus dem Hinterhalt zu führen. Es war sehr schwer, sich hier in der Gewalt zu behalten. Ich möchte aber hier gleich betonen: Man soll sich auch hier wieder nicht in den demokratischen Staaten einbilden, daß das ewig so sein muß. Wenn man es anders haben will, dann kann man es auch anders haben! Auch hier kann meine Geduld ein Ende finden! Trotz dieser heimtückischen Art einer Kriegführung, die in den letzten Jahrzehnten nichts Ähnliches an die Seite gestellt erhalten kann, sind unsere Armeen mit Blitzessschnelle fertig geworden mit diesem Gegner. Nur eine englische Zeitung schrieb vor ein paar Tagen, ich hätte einen Generalobersten seiner Stellung enthoben, weil ich auf einen Blitzkrieg gerechnet hätte und bitter enttäuscht sei über die Langsamkeit dieser Operationen. Dieser Artikel scheint wohl auch von jenem Strategen herzurühren, der den Polen die strategischen Ratschläge für die Aufstellung ihrer Armeen gegeben hat. So haben wir Polen in kaum 18 Tagen zusammengeschlagen und damit jenen Zustand herbeigeführt, der es vielleicht ermöglicht, in Vernunft und in Ruhe dereinst mit Vertretern dieses Volkes sprechen zu können. Unterdes hat Rußland sich veranlaßt gesehen, auch seinerseits zum Schub der Interessen weißrussischer und ukrainischer Volksteile in Polen einzumarschieren. Wir erleben nun, daß man in England und in Frankreich in diesem Zusammengehen Deutschlands und Rußlands ein ungeheuerliches Verbrechen sieht, ja, ein Engländer schrieb, das sei eine Perfidie. Und die Engländer müssen das ja nun wissen. Ich glaube, die Perfidie sieht man in England darin, daß der Versuch des Zusammengehens des demokratischen Englands mit dem bolschewistischen Rußland mißlang, während umgekehrt der Versuch des nationalsozialistischen Deutschlands mit dem bolschewistischen Rußland nun gelungen ist. Ich möchte hier gleich eine Aufklärung geben: Rußland bleibt das, was es ist - Deutschland wird das bleiben, was es ist. Über etwas sind sich aber beide Regime klar: Weder das russische noch das deutsche Regime wollen auch nur einen Mann opfern für die Interessen der westlichen Demokratien. Die Lehre von vier Kriegsjahren genügt für beide Staaten und für beide Völker. Wir wissen sehr genau, daß abwechslungsweise bald der eine und bald der andere die Ehre haben könnte, für die Ideale der westlichen Demokratien in die Bresche zu springen. Wir danken daher, beide Staaten und beide Völker, für diesen Auftrag. Wir gedenken, unsere Interessen von jetzt ab selber zu vertreten, und wir haben gefunden, daß wir sie am besten dann vertreten können, wenn die beiden größten Völker und Staaten sich miteinander verständigen. Und das ist ja um so leichter, als ja die britische Behauptung von der unbegrenzten Zielsetzung der deutschen Außenpolitik nur eine Lüge ist. Ich freue mich, jetzt den britischen Staatsmännern diese Lüge in der Praxis widerlegen zu können. Diese britischen Staatsmänner, die fortgesetzt behaupteten, Deutschland hätte die Absicht - ich glaube -, Europa bis zum Ural zu beherrschen, werden ja jetzt glücklich sein, wenn sie endlich die Begrenzung der deutschen politischen Absichten erfahren. Ich glaube, es wird ihnen das ja wieder einen Kriegsgrund wegnehmen, denn sie erklären ja, daß sie 118 gerade deswegen gegen das heutige Regime schon kämpfen müßten, weil dieses Regime unbegrenzte Kriegsziele verfolge. Nun, meine Herren des großbritannischen Weltreiches, die Ziele Deutschlands sind unendlich begrenzte. Wir haben uns mit Rußland darüber ausgesprochen, und das sind ja letzten Endes die nächstinteressierten Nachbarn. Und wenn Sie die Meinung haben, daß wir dabei in einen Konflikt geraten könnten - nein, wir werden das nicht, denn die deutschen Ziele sind sehr begrenzter Art. England muß es ja eigentlich deshalb begrüßen, daß zwischen Deutschland und Sowjetrußland eine Verständigung zustande gekommen ist, denn in dieser Verständigung liegt ja zugleich die Wegnahme jenes Alpdrucks begründet, der die britischen Staatsmänner nicht schlafen ließ von wegen der Welteroberungstendenzen des heutigen deutschen Regimes. Es wird sie ja beruhigen, wenn sie nun erfahren, daß es nicht wahr ist, daß Deutschland die Ukraine erobern will oder erobern wollte. Wir haben sehr begrenzte Interessen. Allerdings, diese Interessen zu vertreten, sind wir entschlossen, auf jede Gefahr hin und gegen jedermann. Und daß wir dabei nicht mit uns spaßen lassen, dürften die letzten 18 Tage zur Genüge bewiesen haben. Wie nun die endgültige Gestaltung der staatlichen Verhältnisse in diesem großen Gebiet aussehen wird, hängt wohl in erster Linie von den beiden Ländern ab, die hier ihre wichtigsten Lebensinteressen besitzen. Deutschland geht hier mit begrenzten, aber unverrückbaren Forderungen vor, und es wird diese Forderungen so oder so verwirklichen. Deutschland und Rußland werden hier an die Stelle eines Brandherdes Europas eine Situation setzen, die man dereinst nur als eine Entspannung wird werten können. Wenn nun der Westen erklärt, daß dies unter keinen Umständen stattfinden dürfte, und wenn man vor allem in England erklärt, daß man entschlossen sei, hier, wenn notwendig, mit einem drei oder vielleicht fünf- oder achtjährigen Krieg dagegen Stellung zu nehmen, dann möchte ich hier einiges nun zur Antwort geben: Erstens: Deutschland hat unter schweren Verzichten im Westen und im Süden seines Reiches endgültige Grenzen akzeptiert. Deutschland hat dort überall versucht, durch solche Verzichte eine endgültige Befriedung herbeizuführen. Und wir glaubten, daß uns das auch gelungen sein würde, und ich glaube, daß es uns auch gelungen wäre, wenn eben nicht gewisse Kriegshetzer das absolute Interesse besitzen würden an einer Störung des europäischen Friedens. Ich habe weder gegen England noch gegen Frankreich irgendein Kriegsziel. Die deutsche Nation desgleichen nicht. Seit ich zur Macht kam, bemühte ich mich, gerade zu den früheren Weltkriegsgegnern allmählich ein enges Vertrauensverhältnis wieder herbeizuführen. Ich bemühte mich, alle die Spannungen, die einst zwischen Italien und Deutschland bestanden, zu beseitigen, und ich darf wohl mit Befriedigung feststellen, daß dies restlos gelungen ist, daß zwischen den beiden Ländern ein immer engeres und herzlicheres Verhältnis hergestellt wurde, basierend auch auf dem persönlichen, menschlichen Verhältnis zwischen dem Duce und mir. Ich ging aber weiter. Ich habe mich bemüht, das gleiche auch mit Frankreich herbeizuführen. Sofort nach der Erledigung der Saarfrage habe ich feierlich auf jede Grenzrevision im Westen für alle Zeiten Verzicht geleistet, und zwar nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch. Ich habe die ganze deutsche Propaganda in den Dienst dieser meiner Auffassung gestellt, alles aus ihr ausgemerzt, was irgendwie zu Zweifeln oder Besorgnissen in Paris hätte Anlaß geben können. Meine Angebote an England selbst kennen Sie. Ich hatte nur das große Ziel, mit dem britischen Volk eine aufrichtige Freundschaft erreichen zu können. Wenn nun das alles abgewiesen wird, und wenn England nun heute glaubt, gegen Deutschland Krieg führen zu müssen, so möchte ich darauf nun noch folgendes erwidern: Polen wird in der Gestalt des Versailler Vertrages niemals mehr auferstehen! Dafür garantiert ja letzten Endes nicht nur Deutschland, sondern dafür garantiert ja auch Rußland. Wenn nun England 119 trotzdem - den Kampf führt es jetzt schon - eine scheinbare Umstellung der Kriegsziele vornimmt, d. h. in Wirklichkeit eine wirkliche Aufdeckung der wahren Kriegsziele, dann möchte ich mich auch dazu äußern: Man sagt in England, daß dieser Krieg natürlich auch um Polen geht, aber das sei ja an sich nur in zweiter Linie bedeutend, das Wichtigere sei ja der Krieg gegen das heutige Regime in Deutschland. Und ich erfahre hier die Ehre, als der Repräsentant dieses Regimes, besonders genannt zu werden. Wenn man das nun als das eigentliche Kriegsziel hinstellt, dann will ich den Herren in London darauf nur folgendes zur Antwort geben: Es ist für mich die größte Ehre, in dieser Weise eingeschätzt zu werden. Grundsätzlich habe ich das deutsche Volk so erzogen, daß jedes Regime, das von unseren Feinden gelobt wird, für Deutschland Gift ist und von uns abgelehnt wird. Wenn also ein deutsches Regime die Zustimmung der Herren Churchill. Duff Cooper oder Eden usw. bekommen würde, dann wäre dieses Regime nur von diesen Herren bezahlt und ausgehalten und damit für Deutschland untragbar. Das kann nun bei uns natürlich nicht zutreffen. Es ist daher für uns nur sehr rühmlich, von diesen Herren abgelehnt zu werden. Und ich kann diesen Herren nur eines versichern: wenn sie mich loben würden, würde das vielleicht der Grund zu meiner tiefsten Bekümmernis sein. Ich bin stolz, von ihnen angegriffen zu werden. Wenn sie aber glauben, daß sie damit etwa das deutsche Volk von mir entfernen können, dann halten sie dieses Volk entweder für genau so charakterlos, wie sie selbst es sind, oder für so dumm, wie sie selbst es sind! In beidem irren sie sich! Der Nationalsozialismus hat in den letzten 20 Jahren die deutschen Menschen nicht umsonst erzogen. Wir sind lauter Männer, die in langem Kampf von ihren Gegnern überhaupt nur angegriffen worden sind. Das hat die Liebe unserer Anhänger nur erhöht. Es hat diese unlösbare Verbundenheit geschaffen. Und so, wie die nationalsozialistische Partei diesen Kampf auf sich nahm Jahre hindurch und ihn endlich siegreich bestand, so nimmt heute das nationalsozialistische Deutsche Reiche' so nimmt das deutsche Volk diesen Kampf ebenfalls auf sich. Und die Herren mögen überzeugt sein: Durch ihre lächerliche Propaganda werden sie das deutsche Volk nicht mehr zersetzen. Diese Propagandastümper müßten erst bei uns längere Zeit in die Lehre gehen, wenn sie schon etwas erreichen möchten. Wenn Völker zerbrechen, dann wird dies nicht das deutsche Volk sein, das für sein Recht kämpft, das ja keinen Krieg will, sondern das angegriffen wurde, sondern dann werden jene Völker zerbrechen, die allmählich sehen lernen werden, was ihre Verführer mit ihnen vorhaben; die allmählich begreifen werden, wie wenig Kriegsgrund sie hatten und wie der einzige Kriegsgrund nur in den Profilen oder in den politischen Interessen einer ganz kleinen Clique liegt. Wenn man weiter in England erklärt, daß dieser Krieg drei Jahre dauern wird, so kann ich nur sagen: Mein Mitleid mit dem französischen Poilu! Für was er kämpft, weiß er wohl nicht. Er weiß zunächst nur, daß er die Ehre hat, drei Jahre mindestens zu kämpfen. Ob der Krieg nun drei Jahre dauert, hängt ja auch noch etwas von uns ab. - Aber wenn er drei Jahre dauern sollte, so wird im dritten Jahr nicht das Wort "Kapitulation" stehen. Und im vierten Jahr wird noch nicht das Wort "Kapitulation" stehen, und im fünften desgleichen noch nicht, und auch nicht im sechsten oder im siebenten! Die Herren mögen zur Kenntnis nehmen: Die Generation, die heute in Deutschland führt, ist nicht die Generation von Bethmann Hollweg. Heute haben sie ein friderizianisches Deutschland vor sich! Das können die Herren glauben! Und das deutsche Volk wird durch diesen Kampf nicht irgendwie 120 aufgesplittert, sondern es wird fester und fester werden. Wenn sich etwas aufsplittert, dann werden es die Staaten sein, die selbst so unhomogen zusammengesetzt sind wie unsere plutokratischen Weltdemokratien, diese sogenannten Weltimperien, die selber nur auf Völkerunterdrückung und Völkerbeherrschung aufgebaut sind. Wir kämpfen hier nur für unser nacktes Dasein! Wir lassen uns nicht von irgendeinem solchen beschränkten Propagandafatzken vorlügen, daß es sich etwa nur um unser Regime handelt.- Was würden das schon für Verbrecher sein! Stellen Sie sich vor. Es gibt also da Leute, die sagen: In einem Lande, da regiert jemand, der paßt uns nicht - nun wollen wir mal frischfröhlich drei Jahre Krieg führen! - Natürlich führen sie ihn nicht selber, sondern sie suchen in der ganzen Welt herum, damit sie solche finden, die ihn führen. Sie liefern dann Kanonen und Granaten, und die andern, die liefern dann die Grenadiere, die Soldaten, die Menschen. Was für eine Gewissenlosigkeit! Was würde man wohl sagen, wenn von uns aus jemals erklärt worden wäre: Uns paßt das Regime nicht, das momentan -sagen wir - in Frankreich oder in England ist, folglich führen wir jetzt Krieg. Welch eine bodenlose Gewissenlosigkeit! Dafür also werden Millionen Menschen in den Tod hineingepeitscht. Das können diese Herren wohl ruhig sagen, weil sie selber nicht eine Stunde je im Felde gewesen sind. Aber wie lange sie die Völker in diesem Kampf halten können, das werden wir ja nun sehen. - Über eines aber kann es keinen Zweifel geben-. Den Fehdehandschuh, den nehmen wir auf, und wir werden so kämpfen, wie der Gegner kämpft. Und England hat bereits wieder mit Lug und Heuchelei den Kampf gegen Frauen und Kinder begonnen. Man hat eine Waffe, von der man glaubt, daß man in ihr unangreifbar ist, nämlich die Seemacht, und sagt nun: Weil wir in dieser Waffe selber nicht angegriffen werden können, sind wir berechtigt, mit dieser Waffe die Frauen und Kinder nicht nur unserer Feinde, sondern auch der Neutralen, wenn notwendig, zu bekriegen. Man soll sich auch hier nicht täuschen! Es könnte sehr schnell der Augenblick kommen, da wir eine Waffe zur Anwendung bringen, in der wir nicht angegriffen werden können. Hoffentlich beginnt man dann nicht plötzlich, sich der Humanität zu erinnern und der Unmöglichkeit, gegen Frauen und Kinder Krieg zu führen. Wir Deutsche möchten das gar nicht. Es liegt uns nicht. Ich habe auch in diesem Feldzug den Befehl gegeben, wenn irgend möglich, Städte zu schonen. Wenn natürlich. eine Kolonne über einen Marktplatz marschiert, und sie wird von Fliegern angegriffen, dann kann es passieren, daß auch leider ein anderer dem zum Opfer fällt. Grundsätzlich haben wir dieses Prinzip aber durchgehalten. Und in Orten, in denen nicht durch wahnsinnige, verrückte oder verbrecherische Elemente Widerstand geleistet wurde, ist nicht eine Fensterscheibe zugrunde gegangen. In einer Stadt wie Krakau ist außer dem Bahnhof, der ein militärisches Objekt ist, und dem Flugplatz nicht eine Bombe in die Stadt gefallen. Wenn man umgekehrt in Warschau nun den Krieg des Zivils beginnt in allen Straßen, aus allen Häusern, dann wird selbstverständlich dieser Krieg auch die ganze Stadt überziehen. Wir haben uns schon an diese Regeln gehalten, wir möchten uns auch in der Zukunft an diese Regeln halten. Es liegt auch ganz bei England, die Blockade in Formen zu führen, die dem Völkerrecht entsprechen, oder in Formen zu führen, die völkerrechtswidrig sind. Wir werden uns ganz dem anpassen. Über eines aber soll man sich keinem Zweifel hingehen: Das englische Ziel heißt also nicht mehr: Kampf gegen ein Regime, sondern Kampf gegen das deutsche Volk, ja, gegen die deutschen Frauen und gegen die deutschen Kinder. Die Reaktion bei uns wird eine entsprechende sein. Und immer wird am Ende eines feststehen: Dieses Deutschland kapituliert nicht! - Wir wissen ganz genau, welches das Schicksal dieses Deutschlands sein würde. Herr King Hall hat uns das ja, im Auftrag seiner hohen Herren mitgeteilt: ein zweiter Versailler Vertrag, nur noch viel schlimmer. - Was kann denn schon noch viel schlimmer sein? Der erste Versailler Vertrag hatte die Absicht schon, 20 Millionen Deutsche auszurotten, also kann der zweite höchstens diese Absicht verwirklichen. 121 Wir haben unterdes nähere Illustrierungen bekommen, was da alles gedacht ist, wie Deutschland zerstückelt werden soll, wie die süddeutschen Länder weggerissen werden sollen, was Polen wiederbekommen soll, was man an neuen Staaten zu errichten gedenkt, welchen Fürsten man Kronen auf das Haupt drücken will usw. Das deutsche Volk nimmt das zur Kenntnis, und es wird dementsprechend fechten! Ich möchte an dieser Stelle aber auch meinen Dank nun aussprechen dem deutschen Volke selbst. Es hat in den letzten Wochen wirklich ein wunderbares Zeichen nicht nur seiner inneren Geschlossenheit gegeben, sondern es gab uns zahllose Beweise seiner wirklich tapferen Gesinnung. Auch hier hat der Nationalsozialismus eine Umwandlung hervorgerufen. Vielleicht wird mancher sagen: Das deutsche Volk ist nicht so begeistert wie 1914. - Oh, es ist viel begeisterter! Nur ist diese Begeisterung heute eine Begeisterung, die im Innern lodert, die die Menschen hart macht. Es ist nicht der oberflächliche Hurrapatriotismus, sondern es ist eine fanatische Entschlußkraft, es ist die Begeisterung von Menschen, die. wissen, was ein Krieg ist., die einen Krieg erlebt haben, die nicht leichtfertig in ihn hineingegangen sind, die aber, wenn dieser Krieg ihnen schon aufgezwungen wird, ihn führen werden, so wie ihn einst die alte deutsche Front geführt hat. So wie ich bei meinen Besuchen an der Front diese zahlreichen Regimenter und Divisionen sah Junge und Alte, alle in der gleichen Verfassung -, so sehe ich vor mir auch das ganze deutsche Volk. Wir brauchen heute keinen Hurrapatriotismus. Wir alle wissen, wie furchtbar dieses Geschehen ist, allein wir sind auch entschlossen, dieses Geschehen zu einem erfolgreichen Ende zu führen; es mag da kommen, was kommen will. Keiner von uns ist mehr wert, als die Männer und Frauen wert waren, die in der Vergangenheit lebten. Alle die Opfer, die damals gebracht worden sind, waren keine leichteren als die Opfer, die wir heute zu bringen haben. Jedes Opfer, das uns auferlegt wird, ist nicht schwerer, als die gleichen Opfer es waren, die einst die Vergangenheit zu tragen hatte. Wir sind entschlossen, so oder so diesen Kampf durchzuführen und durchzustehen. Wir haben dabei nur einen einzigen Wunsch, daß der allmächtige Gott, der ja jetzt unsere Waffen gesegnet hat, vielleicht die anderen Völker erleuchten möge, daß er ihnen die Einsicht schenken möchte, wie zwecklos dieser Krieg, dieses Völkerringen an sich sein wird, und daß er sie vielleicht zum Nachdenken bringen wird über die Segnungen eines Friedens, die sie preisgeben, bloß weil eine Handvoll infernalischer Kriegsheber und Kriegsinteressenten die Völker in den Kampf verwickeln wollen. Ich bin heute zum erstenmal in dieser Stadt Danzig. Sie hat den Schicksalsweg des deutschen Volkes viele, viele Jahrhunderte geteilt. Sie hat mitgekämpft mit ihren Söhnen im großen Krieg und hat ein besonders bitteres Leid nach dem Kriege erfahren. Nach 20 Jahren kehrt sie nun wieder zurück in die große deutsche Volksgemeinschaft. Vieles hat sich seitdem im Reich geändert. Aus einem einstigen Klassen. oder Kastenstaat ist nun der deutsche Volksstaat geworden. Aus einem Staat, der einst eben doch sehr stark bestimmt und regiert war durch die Interessen einzelner Gruppen, ist nun ein Reich geworden, das dem deutschen Volk allein zu eigen ist. Die Ideen, die das Reich beherrschen, sind in dieser Stadt selbst schon seit vielen, vielen Jahren gepredigt worden. ja, sie haben mitgeholfen, den Geist zu erzeugen, der es ermöglichte, die Stadt deutsch zu bewahren, und sie mit jenem Glauben erfüllte, der sie ausharren ließ auf die Stunde der Erlösung und der Befreiung. Diese Stunde ist nun gekommen! Ermessen Sie mein eigenes Glücksgefühl, daß mich die Vorsehung berufen hat, das zu verwirklichen, was die besten Deutschen alle ersehnten. Ermessen Sie auch meine innere Ergriffenheit, daß ich nunmehr in diesem ehrwürdigen Raum zu Ihnen und zum ganzen Volke in dieser Stadt und in diesem Lande sprechen kann. 122 Ich habe mir einst vorgenommen, nicht früher nach Danzig zu kommen, ehe denn diese Stadt wieder zum Deutschen Reich gehört. Ich wollte als ihr Befreier hier einziehen. Am heutigen Tage ist mir nun dieses Glück zuteil geworden! Ich sehe in ihm und ich empfange in ihm den überreichlichen Lohn für zahlreiche sorgenvolle Stunden, Tage, Wochen und Monate. Sehen Sie in mir, meine 'lieben Danziger und Danzigerinnen, damit aber auch den Sendboten des Deutschen Reiches, des ganzen deutschen Volkes, das Sie nun durch mich aufnimmt in unsere ewige Gemeinschaft, aus der Sie niemals mehr entlassen werden. Was auch immer dem einzelnen Deutschen nun in den nächsten Monaten oder auch Jahren an Schwerem beschieden sein mag, es wird leicht sein im Bewußtsein der unlösbaren Gemeinschaft, die unser ganzes großes Volk umschließt und umfaßt. Wir nehmen Sie auf in diese Gemeinschaft mit dem festen Entschluß, Sie niemals mehr aus ihr ziehen zu lassen, und dieser Entschluß ist zugleich das Gebot für die ganze Bewegung und für das ganze deutsche Volk. Danzig war deutsch, Danzig ist deutsch geblieben und Danzig wird von jetzt ab deutsch sein, solange es ein deutsches Volk gibt und ein Deutsches Reich besteht. Generationen werden kommen, und Generationen werden wieder vergehen. Und sie alle werden zurückblicken auf die 20 Jahre der Abwesenheit dieser Stadt als auf eine traurige Zeit in unserer Geschichte. Sie werden sich aber dann nicht nur erinnern der Schande des Jahres 1918, sondern sie weiden sich dann mit Stolz auch besinnen auf die Zeit der deutschen Wiedererhebung und der Wiederauferstehung des Deutschen Reiches, jenes Reiches, das nun alle deutschen Stämme zusammengefaßt hat, das sie zusammenfügte zu einer Einheit, und für das wir nun einzutreten entschlossen sind bis zum letzten Hauch. Dieses Deutschland der deutschen Volksgemeinschaft aller deutschen Stämme, das Großdeutsche Reich - Sieg Heil! 123 IV. Rede am 4. September 1940 in Berlin – Eröffnung des Kriegswinterhilfswerkes 1940/41 In diesen Tagen endete das erste Kriegsjahr. Das zweite begann und mit ihm das neue Kriegswinterhilfswerk. Die Erfolge dieses ersten Jahres, meine Volksgenossen, sind einmalige. Sie sind so einmalig, daß sich nicht nur die Gegner diesen Ablauf der Geschichte nicht vorgestellt hatten, sondern auch viele im deutschen Volk konnten kaum die Großartigkeit der Vorgänge und die Schnelligkeit der Ereignisse begreifen. Wir können zum Vergleich das erste Kriegsjahr des Weltkrieges gar nicht heranziehen; denn in diesem ersten Kriegsjahr sind dort überall trotz größter Tapferkeit, trotz unerhört größerer Opfer nur Teilergebnisse erzielt worden, nicht eine endgültig vollzogene Lösung. Wir brauchen dieses Mal nur das gewaltige Dreieck anzusehen, das heute von der deutschen Wehrmacht beschütt wird: Im Osten der Bug, im Norden das Nordkap, Kirkenes und Narvik und im Süden die Grenze Spaniens! Eine Anzahl von Widersachern ist beseitigt. Nur einer glücklichen geographischen Situation und einer außerordentlichen Schnelligkeit im Ausrücken hat es England zu verdanken, daß ihm das gleiche. Schicksal noch nicht zuteil wurde! Denn es ist nicht so, wie einige britische Politiker dies darstellen, daß etwa die britische Armee wie ein wildes Pferd am Zügel reißt vor brennender Begier, endlich losgelassen zu werden gegen den deutschen Feind. Sie waren uns doch so nahe und konnten ohne weiteres ihre Kampfgier damals befriedigen. Sie selber haben sich von uns entfernt. Und es blieb ihnen vorbehalten, diese mehrmaligen Entfernungen als große Siege hinzustellen. Es sind entscheidende Erfolge erzielt worden in diesem Jahr. Und das große Gebiet, das von deutschen Truppen zur Zeit beherrscht wird, hat sich erweitert durch unseren Verbündeten Italien, das seinerseits nun ebenfalls in Ostafrika die Offensive ergriffen hat und auch dort seine Position verstärkte und England zurückschlug. Natürlich stehen dem auch englische "Erfolge" gegenüber. Es sind Erfolge, die der normale, gesunde Menschenverstand nur nicht begreift und nicht erkennt. Sie haben auch in sich keinen besonderen Zusammenhang. Wir erleben es immer wieder, daß seit diesem Jahr die englische Propaganda von der Höhe in die Tiefe fällt, um allerdings wenige Tage später in einer noch größeren Höhe zu schweben. Ich habe das einmal gelesen; da hieß es z. B.: "Jetzt fallen die Würfel des Krieges. Wenn es den Deutschen nicht gelingt, nach Paris zu kommen und das wird ihnen nicht gelingen -, dann haben sie den Krieg verloren. Sollten sie aber nach Paris kommen, dann wird England den Krieg gewinnen." Solcher Art hat England nun seit dem 3., bzw. 4. September zahlreiche "Siege" erfochten. Der glorreichste Sieg – in unseren Augen wäre es der schmählichste Mißerfolg - war die Flucht aus Dünkirchen. Aber was tut man nicht in der Not! Wir brauchen bloß die britische Kriegsberichterstattung zu lesen, um zu wissen, was er, mit diesem Erfolg auf sich hat. Da heißt es z. B.: "Man sagt uns, daß ... oder: "Man erfährt aus wohlunterrichteten Kreisen ..." oder: "Man hört von wohlinformierten Stellen ..." oder: "Man kann von Sachverständigen vernehmen ..." oder: "Man glaubt, ernstlich annehmen zu dürfen, daß..." usw. Ja, einmal hieß es: "Man glaubt, Grund zu haben, glauben zu dürfen, daß ... usw." Und dann, wie gesagt, kann natürlich jede Niederlage zum Erfolg werden. 124 Wir rückten gerade in Polen ein, und die englischen Propagandisten erklärten, daß sie aus wohlunterrichteten Kreisen wüßten, daß die Deutschen bereits eine ganze Anzahl schwerster Niederlagen erlitten hätten und daß die Polen im siegreichen Vorrücken gegen Berlin seien. Wenige Tage später versicherten dann wohlinformiertere Kreise noch, daß sich jetzt das Schicksal im Osten endgültig gewendet hätte. Dann kamen ebenso wohlunterrichtete Sachverständige, die bemerkten, daß selbst wenn Deutschland einen Erfolg errungen haben sollte - was gar nicht der Fall sei -, daß dieser Erfolg in Wirklichkeit doch nur ein Mißerfolg sei von einer höheren strategischen Warte aus gesehen natürlich. Und als wir schon vor Warschau standen, da wußte man dann wieder, daß man das Recht hätte, annehmen zu dürfen, daß nunmehr im Westen der Angriff der Alliierten seine -ersten großen, und zwar durchschlagenden Erfolge erzielt hätte. Und so ging das nun weiter, bis daß endlich kein Polen mehr war. Und dann sagte man: "Von uns ist ein großer Alpdruck genommen, denn dieses Polen im Osten war immer unsere schwache Seite. Seit Polen erledigt ist, können die Alliierten sich endlich auf den Kriegsschauplatz konzentrieren, wo sie den Deutschen überlegen sind, und das wird der Deutsche in kurzer Zeit erfahren." Dann war längere Zeit Ruhe. Diese Ruhe war natürlich auch ein ungeheurer dauernder Erfolg der britischen Wehrmacht und ein ebenso konstanter Mißerfolg Deutschlands. Was hat in diesen Monaten nicht England gearbeitet, und was haben wir nicht alles verschlafen! Was haben die englischen Politiker nicht alles in dieser Zeit gesehen und richtig erkannt und vor allem immer den richtigen Zeitpunkt erfaßt, und was haben wir demgegenüber nicht alles verpaßt! Bis daß Norwegen kam. Als die Operation begann, da freute sich die englische Kriegsberichterstattung über den ungeheuren "Fehler", den wir nun gemacht hätten. "Endlich haben die Deutschen jetzt einen Fehler gemacht, und das werden sie jetzt büßen", so schrieb man, und man freue sich in England, daß man jetzt die Gelegenheit bekomme, sich mit den Deutschen messen zu können. Dabei sind wir im Westen seit Monaten bloß einige hundert Meter auseinander gewesen! Sie hätten sich in jeder Stunde mit uns messen können! Sie taten so, als ob sie uns überhaupt nicht hätten sehen können im Westen, und nun zum erstenmal in Norwegen, da gab ihnen das gütige Schicksal nun die Gelegenheit, dank unserer und besonders meiner Dummheit, endlich sich mit uns kriegerisch auseinandersetzen zu können. Die Auseinandersetzung, die kam dann auch. Und es ist schon wirklich eine Ironie des Schicksals, daß vielleicht der für die Engländer damals schlimmste Schlag ihrer eigenen Propaganda zu verdanken war. Als wir nämlich die Norweger schon längst über Hamar und Lillehammer hinaus geschlagen hatten, da marschierte eine britische Brigade bieder, fromm und ahnungslos des gleichen Weges gegen Hamar. Sie, hatte nach rückwärts keinerlei Verbindung, denn das hatten unsere Stukas unterdes und unsere Kampfbomber alles abgeschlagen. Und so hörte sie nur auf den britischen Rundfunk. Und im britischen Rundfunk, da vernahm der britische Brigadekommandeur, daß wir noch weit, weit natürlich vor Lillehammer seien bzw. von ihm aus gesehen hinter Lillehammer, und daß wir eine schwere Niederlage bezogen hätten. Und so marschierte der biedere britische Brigadekommandeur an der Spitze seiner Brigade nach Lillehammer ein, legte sich dort zur Ruhe, zur Seite seine Kiste mit den Dokumenten, wo drauf stand: "Streng geheim! Nicht dem Feind in die Hand fallen lassen!", und wurde nun in der gleichen Nacht noch mitsamt seiner kostbaren Bundeslade von unseren Truppen ausgehoben. Das kommt davon, wenn sich jemand auf Mister Churchill, den Kriegsberichterstatter, verläßt! 125 So war es aber fast überall. Sie haben gelogen. Sie sind in das Meer 'reingeworfen worden, und es war dann "ein ganz großer Sieg". Daß es ihnen gelang, noch ein paar letzte Trümmer von Andalsnes oder von Namsos zu retten, das erklärten sie der Welt als den "gewaltigsten Erfolg der neueren britischen Kriegsgeschichte". Damit können wir uns natürlich nicht messen. Aber das Tatsächliche stand dem gegenüber, nämlich: wenige Wochen später gab es kein Norwegen mehr. Die britischen Streitkräfte haben auch dieses Land räumen müssen. Und dann kam die Stunde der Auseinandersetzung im Westen. Wir sind auch da nicht zu spät gekommen. Und gerade bei diesem Feldzug hat wirklich diese alliierte Kombination nichts anderes als nur Niederlagen einstecken müssen. Die Tatsachen. die geschichtlichen Tatsachen sprechen dafür und legen Zeugnis ab. Trotzdem endete auch das mit einem großen britischen "Sieg", nämlich mit der herrlichen, ruhmvollen Waffentat von Dünkirchen. Die Spuren dieser Waffentat habe ich selber mit meinen eigenen Augen gesehen. Es sah ziemlich unordentlich aus! Nun ist Frankreich ebenfalls zerbrochen. Und was hat man nun für eine Erklärung? Kaum war Norwegen endgültig von den Alliierten gesäubert, da erklärte man: "Das haben wir ja gewollt. Wir wollten ja die Deutschen hier herauflocken. Das ist ein Sieg, ein eindeutig klarer Sieg für uns, eine Verkürzung unserer Front." und nachdem Frankreich endlich niedergeschmettert war, erklärte man: "Jetzt kann sich England endlich mit seiner ganzen Kraft zum erstenmal konzentrieren. Wir haben jetzt nicht mehr die Notwendigkeit, uns immer da zu vergeuden und unsere Truppen zu verschwenden, uns zu verzetteln. Jetzt haben wir die strategische Lage erreicht, die wir ununterbrochen gewünscht und uns erhofft hatten. Der Ballast Frankreich ist jetzt von uns abgefallen. Er hat uns nur kostbares britisches Blut gekostet, und wir sind jetzt in der Lage, den Deutschen ganz anders entgegenzutreten Nun hat man sich gleich bei Kriegsbeginn mit bestimmten Prophezeiungen über die Dauer dieses Krieges befaßt. Man sagte: .Der Krieg dauert drei Jahre. Britannien richtet sich auf drei Jahre ein." Das mußte man auch schon tun, denn die Leute da, die ja doch alle schwerreiche Besitzer von Aktien, Kriegsfabrikationsaktienpaketen sind, diese Leute sind klug genug, sie wissen selbstverständlich, daß sich diese Neuanschaffungen in einem halben oder in einem Jahr gar nicht verzinsen können. Das muß also schon einige Zeit dauern. Aber ich war damals auch gleich so vorsichtig und habe dem Reichsmarschall damals gleich gesagt: Göring, bereiten wir alles vor auf fünf Jahre. Nicht, weil ich glaube, daß der Krieg fünf Jahre dauert. Aber was auch kommen mag, England wird niederbrechen, so oder so! Und ich kenne keinen anderen Termin als diesen Termin ganz allein. Ich werde das natürlich klug und vorsichtig und gewissenhaft alles immer vorbereiten. Das werden Sie verstehen. Und wenn man in England sehr neugierig ist heute und sagt: "Ja, warum kommt er denn nicht?" Beruhigt euch, er kommt! Man muß nicht immer so neugierig sein. Diese Welt wird frei werden. Es muß mit dem Unfug einmal für immer aufgeräumt werden, daß es einer Nation möglich sein kann, ganz nach Belieben einen ganzen Kontinent zu blockieren. Es muß unmöglich gemacht werden in der Zukunft, daß es einem Piratenstaat von Zeit zu Zeit immer wieder je nach Wunsch und Laune einfallen kann, 450 Millionen Menschen hier mehr oder weniger der Armut oder dem Elend auszuliefern. Wir haben es satt, uns für alle Zukunft, besonders als Deutsche, von England vorschreiben zu lassen, ob wir vielleicht dieses oder jenes tun dürfen oder nicht, ja am Ende sogar, ob der Deutsche einen Kaffee trinken darf oder nicht. Wenn es England nicht gefällt, dann wird eben die Kaffee126 Einfuhr gesperrt. Das interessiert mich persönlich gar nicht. Ich trinke keinen. Aber es ärgert mich, daß andere ihn nicht trinken können. Und überhaupt finde ich es unerträglich, daß hier eine 85-Millionen-Nation von einem anderen Volk jederzeit an Leib und Leben gestraft werden kann, wenn es irgendeinem Plutokraten in London nicht paßt. Ich habe dem englischen Volk so oft die Hand zur Verständigung hingehalten. Sie wissen es ja selbst. Es war das mein außenpolitisches Ziel. Ich habe es neulich noch zum allerletztenmal gemacht. Ich ziehe es jetzt auch vor, zu kämpfen, bis daß eine ganz klare Entscheidung herbeigeführt ist. Und die klare Entscheidung kann nur die sein, daß dieses Regime erbärmlicher und niederträchtiger Kriegshetzer beseitigt wird und daß ein Zustand hergestellt wird, in dem es unmöglich ist, daß eine Nation in Zukunft noch ganz Europa zu tyrannisieren vermag. Hier wird Deutschland, und hier wird auch Italien, hier werden beide Staaten Sorge tragen, daß sich das in der Geschichte ein zweites Mal nicht mehr wiederholt. Und hier werden England auch alle seine Verbündeten nichts helfen, weder der Kaiser Haile Selassie, noch Herr Benesch, noch irgendein anderer, auch der König Haakon nicht und auch nicht die Königin Wilhelmina und auch nicht der französische General de Gaulle. Alle diese Verbündeten werden gar nichts helfen. Und was sie sonst auch noch planen mögen, was sie sonst auch noch vielleicht in der tiefsten Falte ihres Herzens in Aussicht genommen haben, wir sind auf der Hut, sind zu allem bereit, zu allem entschlossen und gewillt, jederzeit zu handeln. Und vor allem: Man erschreckt uns durch gar nichts. Wir deutsche Nationalsozialisten sind durch die härteste Schule gegangen, die überhaupt menschlich denkbar ist. Erst waren wir Soldaten des großen Krieges, und dann waren wir die Kämpfer der deutschen Widererhebung. Und was wir in diesen Jahren erdulden mußten, das hat uns gehärtet. Man kann uns daher auch durch nichts einschüchtern. Man kann uns durch gar nichts überraschen. Als man in England vor einem Jahr in den Krieg eintrat, da sagte man: "Wir haben einen Verbündeten." Man war neugierig, wer es wohl sei. Sie sagten: "Es ist ein General, dieser Verbündete. Er heißt General Revolution." Haha! Sie haben eine Ahnung vom neuen nationalsozialistischen deutschen Volksstaat! Und nun warteten sie in London auf die Tätigkeit dieses Generals Revolution. Am 6. September tat sich nichts, am 7. September tat sich nichts. Am 8. September: nach ihren Äußerungen sollte binnen einer Woche dieser General sich erheben, General Revolution. Und er ist nicht aufgefunden worden. Dann sagte man: "Wir haben einen jetzt aber wirkungsvolleren General. Es ist dies der General Hunger." Wir haben vor vornherein damit gerechnet, daß die großen Menschenfreunde, so wie im Weltkrieg, versuchen würden, die Frauen und die Kinder auszuhungern, und haben uns auch darauf vorbereitet. Auch dieser General war nur eine Fehlspekulation, eine Erscheinung, ein Irrlicht im Gehirn des Mister Churchill. Jetzt ist man zum dritten General als Verbündeten gekommen. Es ist der General Winter. Er war schon einmal gewesen. Er hat damals versagt, er wird oder würde auch dieses Mal genau so versagen. Überhaupt die Engländer sollten, wenn sie schon wirklich so obskure Generale nehmen, da sollten sie nicht vergessen, ihren bedeutendsten General vielleicht zum britischen Reichsgeneralfeldmarschall zu erheben, nämlich den General Bluff. Das ist ihr einziger solider Verbündeter, der es verdienen würde, daß sie ihm tatsächlich die höchste Beförderung zuteil werden lassen. Uns schlägt man nun mit diesen Generalen - da können sie überzeugt 127 sein - nicht mehr. Damit kann man vielleicht das dumme britische Volk dumm machen, aber das deutsche Volk hat tatsächlich England kennengelernt. Diese Schwätzereien des Mister Churchill oder des Mister Eden - vom alten Chamberlain zu reden, das verbietet einem die Pietät -, diese Schwätzereien lassen das deutsche Volk ganz kalt, bewegen es höchstens zum Lachen. Es gibt in unserer hochdeutschen Sprache kein passendes Wort für so eine Erscheinung wie Duff Cooper. Da muß man schon zur Mundart greifen, und hier, glaube ich, ist nur im Bayerischen ein Wort geprägt worden, das so einen Mann charakterisiert, nämlich: Krampfhenne! Die Herren können sich beruhigen, mit diesen Mitteln werden sie den Krieg nicht gewinnen. Und die anderen Mittel, die sind Gott sei Dank in unserer Hand und werden in unserer Hand bleiben! Und wenn die Stunde geschlagen hat, dann werden wir an die Stelle des Generals Hunger oder Revolution oder Winter oder Bluff, werden wir wieder den General der Tat setzen, das heißt die Handlung. Und dann werden wir sehen, wer sich hier am meisten bewährt. Den Dank des deutschen Volkes nun an seine Soldaten habe ich bereits im Reichstag ausgesprochen. In diesen Tagen bewegt uns alle der Dank an unsere Luftwaffe, an unsere tapferen Helden, die Tag für Tag nach England einfliegen und dort das beantworten, was der geniale Mister Churchill erst erfunden hat. Ich möchte heute aber nun den Dank vor allem an die Heimat richten für dieses zurückliegende Jahr, den Dank an das ganze deutsche Volk, und zwar möchte ich dem deutschen Volk für seine gesamte Haltung danken, die es in diesem Jahr zeigte in oft nicht leichten Situationen. Denn vielleicht ist es vielen gar nicht bewußt, was es hieß, in wenigen Wochen im vergangenen Jahr über 700 000 Menschen zu evakuieren. Und das ging alles reibungslos. Allerdings, es war auch alles bei uns vorbereitet - zum Unterschied von den anderen. Aber was die Menschen im einzelnen nun hier auf sich nahmen, war oft sehr schwer, und sie haben es bewunderungswürdig ertragen. Sie sind glücklich, daß sie nun wieder in ihre Heimat zurückkehren konnten. Wir müssen aber auch all denen danken, die in dieser Heimat selbst die wichtigsten Schutzmaßnahmen durchführen, für sie verantwortlich sind: Luftschutz und besonders für die gewaltigen Organisationen des Roten Kreuzes, die in Ärzten, im ganzen Sanitätspersonal und besonders aber auch in den Schwestern Ungeheures leisten. Wir wollen aber auch vor allem jetzt gedenken der deutschen Frau, jener Millionenschar deutscher Frauen, deutscher Mütter und auch deutscher Mädchen, die den Mann jetzt ersetzen müssen und die in Stadt und Land arbeiten und die dafür sorgen, daß uns das tägliche Brot auf der einen Seite wieder wird und auf der anderen Seite der Soldat die notwendigen Waffen und die Munition bekommt. An ihrer Seite stehen alle die Millionen deutscher Arbeiter, die in Munitionsfabriken, hoch betagt oft oder noch ganz jung, sich einsetzen, daß die kämpfende Front nicht an dem fällt, an dem sie einst im Jahre 1918 letzten Endes zusammenbrach. Es ist etwas Wunderbares, unser Volk hier im Kriege zu sehen, in seiner ganzen Disziplin. Wir erleben das gerade jetzt in der Zeit, da Herr Churchill seine Erfindung der Nachtluftangriffe uns vorführt. Er tut es nicht deshalb, weil diese Luftangriffe besonders wirkungsvoll sind, sondern weil seine Luftwaffe bei Tag nicht über deutsches Land kann. Während die deutschen Flieger und die deutschen Flugzeuge Tag für Tag über englischem Boden sind, kommt ein Engländer bei Tageslicht überhaupt nicht über die Nordsee herüber. So kommen sie in der Nacht und werfen nun, wie Sie wissen, wahllos und planlos auf zivile 128 bürgerliche Wohnviertel ihre Bomben, auf Bauerngehöfte und Dörfer. Wo sie irgendein Licht erblicken, wird eine Bombe darauf geworfen. Ich habe drei Monate lang das nicht beantworten lassen, in der Meinung, sie würden diesen Unfug einstellen. Herr Churchill sah darin ein Zeichen unserer Schwäche. Sie werden verstehen, daß wir jetzt nun Nacht für Nacht die Antwort geben, und zwar steigend Nacht für Nacht. Und wenn die britische Luftwaffe 2000 oder 3000 oder 4000 Kilogramm Bomben wirft, dann werfen wir jetzt in einer Nacht 150 000, 180 000, 230 000, 300 000 und 400 000. Und wenn sie erklären, sie werden bei uns Städte in großem Ausmaß angreifen - wir werden ihre Städte ausradieren! Wir werden diesen Nachtpiraten das Handwerk legen, so wahr uns Gott helfe. Es wird die Stunde kommen, da einer von uns beiden bricht, und das wird nicht das nationalsozialistische Deutschland sein! Denn ich habe schon einmal einen solchen Kampf in meinem Leben durchgeführt bis zur leisten Konsequenz, und es ist der Gegner gebrochen, der heute noch in England auf einer leisten Insel in Europa sitzt. Gerade angesichts dieses Kampfes aber ist es erst recht notwendig, zu begreifen, wie wichtig die Ausgestaltung und Formung unserer deutschen Volksgemeinschaft ist. Wir hätten das alles nicht leisten können, wenn da vorne, verloren auf sich selbst allein gestellt, ein deutscher Soldat stünde ohne Verbindung zu ihm gleich gestimmten Seelen der Heimat. Was den deutschen Soldaten vorne stark macht, ist das Bewußtsein und das Wissen, daß hinter ihm fiebernd in eiserner Geschlossenheit, aber fanatischem Willen ein ganzes Volk steht. und zwar ein Volk, erfüllt von einer hohen Zielsetzung. Und diese Zielsetzung geht weit darüber hinaus, etwa nur diesen Krieg zu gewinnen. Nein, wir wollen einen neuen Staat aufbauen. Deshalb werden wir auch heute von den anderen so gehaßt. Sie haben es oft ausgesprochen. Sie sagten: Ja, Ihre sozialen Experimente sind sehr gefährlich. Wenn das um sich greift, und wenn das auch unsere Arbeiter sehen, das ist sehr bedenklich. Das kostet Milliarden und bringt nichts ein. Es legt sich das weder um in einen Gewinn der Wirtschaft noch in eine Dividende. Was soll das also? Wir haben an solchen Entwicklungen kein Interesse. Wir begrüßen alles, was dem materiellen Fortschritt der Menschheit dient, soweit dieser materielle Fortschritt sich wieder wirtschaftlich in Gewinn verwandelt. Aber soziale Experimente, das, was Sie da alles machen, das kann doch nur dazu führen, daß die Begehrlichkeit der Massen geweckt wird, und endlich dazu führen, daß wir von unserem Postament herunter müssen. Das können Sie von uns nicht erwarten." Man sah in uns das böseste Beispiel. Jede Einrichtung, die wir machten, sie wurde nicht etwa von den anderen übernommen, nein, sondern sie wurde abgelehnt deshalb, weil wir sie durchführten. Sie sahen darin schon wieder eine Konzession auf dem Wege einer sozialen Gesetzgebung und damit einer sozialen Entwicklung, die in diesen Staaten verhaßt ist, Es sind eben Plutokratien, in denen ein ganz kleiner Klüngel von Kapitalisten diese Massen beherrscht, und natürlich in engster Verbindung mit dem internationalen Judentum, mit den Freimaurern. Wir kennen ja diese Freunde von uns her, unsere alte liebe Koalition, das Systemdeutschland, das ja auch personell sich zum Teil dort hinübergerettet hat. Sie hassen uns wegen dieser unserer sozialen Einstellung, und alles, was wir aus ihr heraus planen und durchführen, erscheint ihnen gefährlich. Und sie sind der Überzeugung, daß man diese Entwicklung beseitigen muß. Und ich bin der Überzeugung, daß dieser Entwicklung die Welt, die Zukunft gehört. Ich bin der Überzeugung, daß Staaten, die sich dieser Entwicklung nicht anschließen, früher oder später zerbrechen. Wir sehen sehr viele Staaten in dieser Welt mit ungelösten sozialen Fragen. Sie werden, wenn sie keine Lösung der Vernunft finden, früher oder später zu einer Lösung des Wahnsinns gelangen. 129 Das hat der Nationalsozialismus im deutschen Volk verhindert. Und sie kennen nun unsere Zielsetzung, und sie wissen, daß wir beharrlich und konsequent dieses Ziel verfechten und auch erreichen werden. Deshalb dieser Haß dieser ganzen internationalen Plutokraten, der Haß dieser ganzen jüdischen Zeitungen, der ganzen Weltbörsen und die Sympathien all derer in anderen Ländern, die ebenso oder ähnlich denken, wie diese Plutokratien. Weil wir aber das wissen, daß dieser Kampf doch letzten Endes ein Kampf um die ganze soziale Grundlage unseres Volkes, um die Substanz unseres Lebens ist und gegen diese Substanz gerichtet ist, bleibt uns gar nichts anderes übrig, als gerade im Kampf für dieses Ideal uns selbst immer mehr zu diesem Ideal zu bekennen. Und hier ist auch das Winterhilfswerk, diese großartigste soziale Hilfseinrichtung, die es überhaupt auf der Erde gibt, hier ist auch das Winterhilfswerk eine mächtige Demonstration des Geistes. Es wird mir jeder zutrauen, daß wir das auch anders hätten lösen können. Wir hätten auf dem Steuerwege das ohne weiteres hereinbringen können. Es wäre nicht notwendig gewesen, diese riesige Organisation aufzubauen. Wir hätten das alles durch Beamte machen können. Aber selbst wenn finanziell das Ergebnis genau so groß gewesen wäre, ja meinetwegen größer, ideell wäre dieses Ergebnis nicht annähernd an das herangekommen, das wir so besitzen. Denn es ist so die freiwillige Organisation, der deutschen Volksgemeinschaft in ihrer praktischen Auswirkung - eine Erziehung des einen, der gibt, aber auch eine Erziehung des anderen, der nun selber freiwillig diese Arbeit leistet. Denn es sind hier zwei, die ein Opfer bringen: der eine, der das Opfer gibt, und der andere, der dieses Opfer nun verwaltet, ehrenamtlich verwaltet. Dieses kleine Mädchen, das hier auf der Straße geht und einsammelt, unterstützt von all den anderen Berufen, die im Turnus diese Arbeit vollbringen, bis hinauf zu den Repräsentanten des Staates, der Wirtschaft, der Kunst usw. - es ist eine praktische Erziehung zur Volksgemeinschaft hin. Und das ist das Entscheidende, meine Volksgenossen, denn wir alle sind irgendwie belastet mit den Überlieferungen usw. der Vergangenheit, der Herkunft, des Standes, des Berufes usw. Entweder wir schlagen Millionen Menschen tot, die unersetzlich sind in ihrer sonstigen nationalen Tätigkeit, in ihrer wirtschaftlichen Arbeit, weil sie noch nicht reif sind für eine solche Gemeinschaft, oder wir erziehen sie zu dieser Gemeinschaft. Das sind zwei grundlegende Gedanken. Der Nationalsozialismus hat von vornherein die Auffassung vertreten, daß jede Einstellung nur das Produkt der Erziehung, der Gewöhnung, der Vererbung ist, also genau so wieder umerzogen werden kann. Denn das Kind, das heute in unserem Volke groß wird, wird nicht primär geboren mit irgendwelchen Vorurteilen standesmäßiger oder klassenmäßiger Herkunft. Die werden ihm erst anerzogen. Grundsätzlich schreit dieser Wurm zuvor genau so wie jeder andere. Es ist gar kein Unterschied unter ihnen. Erst im Laufe des Lebens werden ihnen diese Unterschiede durch ihre Umgebung künstlich aufoktroyiert. Und das zu beseitigen ist unsere Aufgabe, wenn wir nicht verzweifeln wollen am Aufbau einer wirklich organischen und tragfähigen menschlichen Gesellschaft. Diese Aufgabe haben wir übernommen und beginnen diese Aufgabe nun auf allen Gebieten durchzuführen, beim kleinen Kind bereits beginnend. Sowie der Wurm soweit denkend wird, daß man ihm die Differenzen des menschlichen Lebens anerziehen kann, beginnen wir mit der Anerziehung des Gemeinsamen und lassen dann nicht mehr locker. Und wenn auch der eine oder der andere erklärt: "Die Ergebnisse?" Ja, mein lieber Freund, wir haben ja auch erst seit wenigen Jahren angefangen, erst in unserer Partei als Gemeinschaft und dann seit jetzt bald acht Jahren im deutschen Volk. Eine kurze Frist, wenn du bedenkst, was Jahrhunderte umgekehrt vorher wirkten, aber im Ergebnis doch schon jetzt ungeheuerlich. Dafür sprechen doch diese gewaltigen Demonstrationen unserer Gemeinschaft. Das wäre doch alles noch vor zwanzig Jahren unmöglich gewesen und vor 130 dreißig Jahren undenkbar, und vor vierzig Jahren hätte man's gar nicht gewollt. Das ist heute bereits eine reale Wirklichkeit. Und wir tun das auf allen unseren Gebieten. Wir erziehen die Menschen zu einer einheitlichen Lebensauffassung, zu einer einheitlichen, gleichmäßigen Pflichtauffassung. Und wir sind der Überzeugung, daß nach einem gewissen Zeitalter dieser Erziehung die Menschen die Produkte dieser Erziehung sein werden, das heißt, sie werden genau so dann die neuen Gedanken repräsentieren, wie sie heute noch teilweise die alten verkörpern. Das ist ein mühevoller Weg des Abschleifens und des Erziehens. Aber wir sehen es ja auch am Winterhilfswerk. Es macht Fortschritte. Als das erste Winterhilfswerk kam, da liefen noch sehr viele in Deutschland herum, die sagten - "Wer kommt dort?" so wie, na, Ludwig Schmitz, Sie kennen ihn ja alle, "ein Mann mit einer Büchse, also rechts um oder links um oder irgend sogar eine dumme Bemerkung." Daß das so war und daß sich das gebessert hat, kann man ja daran ersehen, daß die Spenden immer größer wurden. Die Beharrlichkeit hat hier zum Ziel geführt. Allmählich hat selbst der dickköpfigste Repräsentant alter Ordnung eingesehen -. Erstens einmal nützt es sowieso nichts; sie kommen immer wieder, und wenn der eine weg ist, kommt der nächste. Also ist es zweitens schon besser, ich nehme das und steck's an, und drittens, na, eigentlich im Grunde genommen, es wird doch wirklich etwas geleistet. Das geschieht damit! Was haben wir damit in Deutschland Wunden geheilt! Wo haben wir überall geholfen! Wie konnten wir den Menschen im einzelnen unter die Arme greifen! Welche gigantischen sozialen Einrichtungen sind geschaffen worden! Glauben Sie, viele Menschen sind einfach zunächst aus Trägheit, aus Gedankenträgheit gegen eine solche Neuerung. Wenn sie aber erst einmal sehen, was daraus wird, dann sagen sie: "Na ja, Gott, da kann man natürlich auch etwas geben. Ich habe ja das so gar nicht recht gedacht. Ich habe mir das nicht so vorgestellt, daß das so etwas Gewaltiges wird und endlich, daß das die Folgen hat. Es sind natürlich doch wirklich großartige Taten, Werke, die hier vollbracht werden." Und ehe sich's der Mensch überlegt, ist er selbst als starrköpfigster Repräsentant früherer Auffassungen bereits auf dem Wege zum neuen Deutschland hin. Und umgekehrt. Wenn Sie früher einem gesagt hätten vor 30 Jahren: "Herr, hier haben Sie eine Büchse, jetzt stellen Sie sich an eine Straßenecke, und dort bitten Sie jetzt, daß Ihnen jemand etwas gibt für Ihre Volksgenossen", hätte der gesagt: "Was, ich gebe selber etwas hinein, aber das können Sie von mir nicht verlangen. Ich bin der Herr Soundso, oder ich bin das und jenes, das kann ich nicht tun. Was fällt Ihnen überhaupt ein? Und außerdem, wie werde ich angeredet? Weiß ich, ob mir nicht einer vielleicht so etwas Dummes ins Gesicht sagt?" - Ja, der ist nicht gescheiter als der, der dieses Dumme sagt. Man muß die Menschen gegenseitig erziehen. Es ist sehr gut, wenn Sie sehen, wie blöde manche Menschen oft reden. Es ist das eine wunderbare Erziehung. Aber gerade dieses Werk hat jetzt in so wenigen Jahren schon gezeigt, wie bildungsfähig ein Volkskörper ist und wie sehr die Menschen am Ende doch gepackt werden von einer großen Idee, aber auch einer großen Arbeit, einer großen Leistung. Und wir packen sie ja von allen Seiten. Überall wird diese Erziehung durchgeführt. Ich weiß, wie oft man doch auch früher das Wort aussprach, das napoleonische Wort, daß jeder Soldat den Marschallstab im Tornister trage. Es war aber das wirklich nicht wörtlich zu nehmen, denn es war normal für einen Soldaten einst ja gar nicht denkbar, diesen Weg zu beschreiten. Das alles hat sich geändert bis nach oben hinauf. Wenn einst der höchste Orden nur - sagen wir - einem Offizier gegeben werden konnte, dann kann ihn heute ein tapferer 131 Unteroffizier oder Mann genau so tragen. Es ist eine Welt von Vorurteilen eingerissen worden, eine Welt von Vorurteilen. Und glauben Sie mir, es wird im Laufe der Jahrzehnte immer schöner werden, in diesem Staate zu leben. Immer größer werden die Aufgaben, und an ihnen werden wir unser Volk immer mehr zueinander erziehen, in eine immer engere und innigere Gemeinschaft verwandeln, Und wenn dann noch ein paar also unter keinen Umständen wollen, dann werden wir ihnen einmal ein Ehrenbegräbnis geben. Das sind die letzten Repräsentanten eines vergangenen Zeitalters; und in sofern auch vielleicht noch interessant. Aber die Welt, die Zukunft gehört den jungen Völkern, die diese Fragen lösen. Und wir haben diese Lösung in Angriff genommen und lösen sie auch. Und das Winterhilfswerk ist hier eine gewaltige Gemeinschaftskundgebung der Heimat angesichts der gewaltigsten Kundgebungen der Gemeinschaft unserer Front. Denn so wie dort ein Riesenkörper wohl organisiert seine Pflicht erfüllt, so steht zu Hause diese Heimat und ist zu gleichen Leistungen bereit und gewillt zu jedem Opfer, das dieser Kampf um Sein oder Nichtsein unserer Zukunft uns auferlegt. Wenn ich daher nun noch einmal all denen danke, die im ersten Kriegswinterhilfswerk gegeben und sonst als Helfer mit tätig waren, dann bitte ich Sie zugleich alle: Erfüllen Sie nun im zweiten Kriegswinterhilfswerk erneut Ihre Aufgabe. Die einen als freiwillige Helfer und die anderen als freiwillige Geber. Sorgen wir dafür, daß auch das erneut der Welt gegenüber sogar eine Demonstration wird unseres unlösbaren Gemeinschaftssinnes und daß sie endlich erkennen mögen, daß die Spekulation auf den General Revolution eine Idiotie ist und daß an Stelle dieses Generals ein anderer General steht: der General der gemeinsamen Pflichterfüllung, der uns alle befehligt. Es ist der Geist unserer Volksgemeinschaft, der uns alles ertragen läßt und der unser Volk stark sein läßt für alle Auseinandersetzungen und Entscheidungen der Zukunft. Auch damit hilft jeder einzelne dann, den, Willen unserer Feinde zu brechen, indem er ihnen solche Illusionen raubt, seinen Teil beiträgt an der Ausweitung der Erkenntnisse und der Einsicht in und über unser Volk. Je mehr die andere Welt sieht, daß hier dieses große Volk eine einzige Gemeinschaft ist, um so mehr wird sie einsehen, wie aussichtslos ihr Beginnen ist. Menschen, die voneinander getrennt, jeder ihres Weges gingen, die könnten sie brechen - 85 Millionen aber, die einen Willen haben, einen Entschluß und zu einer Tat bereit sind, bricht keine Welt! 132