Die Sprache im Nationalsozialismus und im italienischen

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Faculteit Letteren en Wijsbegeerte
Academiejaar 2010 – 2011
Die Sprache im Nationalsozialismus und im
italienischen Faschismus im Vergleich.
Der Umgang mit Fremdwörtern
Michiel Peene
Master: Duits - Italiaans
Promotor: Prof. dr. Luc De Grauwe
[È] un’offesa per ogni italiano il dover sopportare che nelle insegne
pubblicitarie, nelle intestazioni delle ditte commerciali, e talvolta, anche in
qualche giornale od in opere a stampa, siano ripetuti vocaboli stranieri, veri
barbarismi, penetrati clandestinamente nel nostro idioma [...].
(“Bollettino di informazioni della Reale Accademia d’Italia”, I, n. 1-3, 1940, 51)
Seien wir doch froh, über möglichst viele Ausdrucksmittel zur Nuancierung zu
verfügen! Seien wir doch dankbar für die Klangfarben der uns zu Begriffen
gewordenen Fremdworte! Man stelle sich vor, wenn wir damit anfingen,
Fremdworte auszumerzen, wo sollten wir dann aufhören!
(Adolf Hitler: Hitlers Tischgespräche im Führerhauptquartier 1941-19422)
1
2
Zitiert nach Klein 1986, 126f.
Picker 1963, 192.
Danksagung
Zu Anfang dieser Arbeit möchte ich mich bei einigen Personen bedanken, die mir in meinem
Studium und bei der Entstehung dieser Arbeit beigestanden haben. Mein aufrichtiger Dank
geht an Prof. Dr. Luc De Grauwe für seine fachliche Betreuung und wertvolle Hilfe beim
Korrekturlesen. Seine fortwährende Verfügbarkeit und sein herzlicher Umgang haben die
Arbeit ohne Zweifel erheblich erleichtert. Ich danke weiter meinen Eltern, ohne deren
Unterstützung mein Studium und diese Arbeit nie möglich gewesen wären.
Vorwort
Die vorliegende Arbeit entstand zum Abschluss meines Masterstudiums „Sprach- und
Literaturwissenschaft: Deutsch-Italienisch“. Die Wahl eines linguistischen Themas lag für
mich auf der Hand, denn der Sprachwissenschaft galt während meiner vier Jahre an der
Universität schon immer mein besonderes Interesse. Als ich im Laufe meines Studiums mit
dem bekannten Buch LTI von Klemperer in Berührung kam und immer mehr über die
Sprache im Nationalsozialismus als ein spezifisches Untersuchungsobjekt der Linguistik
erfuhr, wuchs in mir die Idee, meine Magisterarbeit in diesem Bereich zu schreiben. Auf diese
Weise konnte ich zwei meiner Hauptinteressen zusammenfügen, nämlich Sprachwissenschaft
und den Zweiten Weltkrieg. Zudem ermöglichte die – eher selten gemachte –
Studienkombination von Deutsch und Italienisch die Einbeziehung des italienischen
Faschismus in die Arbeit. Angesichts der Seltenheit solcher kontrastiven Studien könnte der
Vergleich zwischen der Sprache im Nationalsozialismus und derjenigen im italienischen
Faschismus der Arbeit sicherlich einen zusätzlichen Wert verleihen. Nachdem ich diese Wahl
getroffen hatte, sollte das Thema nur noch abgegrenzt werden, und schon bald entschied ich
mich für den Teilbereich der Fremdwörter. Diese Entscheidung fand ihren Grund vor allem
darin, dass der Umgang mit Fremdwörtern in den beiden Regimen einen markanten
Gegensatz aufzeigt. Die italienischen Faschisten führten eine vehemente Kampagne gegen
Fremdwörter, während die nationalsozialistischen Leitfiguren liebend gerne fremde
Ausdrücke verwendeten. Die unterschiedliche Haltung weckte sofort meine Neugier und
bildete den Anlass für diese Magisterarbeit.
Inhalt
0. Einleitung
7
1. Definierung zentraler Begriffe
10
1.1. Sprache im Nationalsozialismus bzw. Faschismus
10
1.1.1. Abgrenzung der Epoche
10
1.1.2. Sprachwissenschaftlicher Gegenstand
11
1.1.3. Nationalsozialismus vs. Faschismus
13
1.2. Das Fremdwort
2. Italienischer Faschismus
14
19
2.1. Die italienische Sprache zwischen 1861 und dem Faschismus
19
2.2. Faschistische Sprachpolitik
20
2.2.1. Beweggründe
20
2.2.2. Purismus vor dem Faschismus
22
2.2.3. Neopurismus
23
2.2.3.1.
Definierung
23
2.2.3.2.
Produktion
24
2.2.3.3.
Ambivalente Sprachpolitik
29
2.2.3.4.
Ergebnisse
32
2.2.4. Koloniale Sprachpolitik
3. Nationalsozialismus
3.1. Deutscher Fremdwortpurismus
35
38
38
3.1.1. Die ‚Fremdwortjagd‘ vor 1933
38
3.1.2. Deutscher Sprachverein im Nationalsozialismus
40
3.2. Nationalsozialistischer Umgang mit Fremdwörtern
3.2.1. Misserfolg der Fremdwortpuristen im ‚Dritten Reich‘
42
42
3.2.1.1.
Abneigung gegen den Fremdwortpurismus
42
3.2.1.2.
Andere Probleme des deutschen Fremdwortpurismus
45
3.2.2. Funktionen des Fremdwortgebrauchs
47
3.2.2.1.
Imponieren
49
3.2.2.2.
Verschleierung
52
3.2.3. Unbeliebte Fremdwörter
53
3.2.4. Fremdwörter vs. Umgangssprache
55
3.2.5. Ambivalenz
57
4. Analyse der Hitlerreden
59
4.1. Vorgehensweise
59
4.2. Ergebnisse
60
4.2.1. Häufigkeit
60
4.2.2. Funktion
63
5. Schlussfolgerungen
81
6. Bibliographie
86
7. Anlagen
90
Einleitung
Die deutsche Sprache im Nationalsozialismus und das Italienische zur Zeit des italienischen
Faschismus sind beide schon ausführlich studiert worden. Wozu denn noch diese Arbeit?
Zuerst ist es eine Merkwürdigkeit, dass in diesem Gebiet kaum vergleichende Studien
gemacht worden sind. Die einzige mir bekannte nennenswerte Arbeit, in der die Sprachen in
beiden Regimen kontrastiv behandelt werden, ist die 1980 verfasste Dissertation Politische
Sprache im Dienst der Gewalt (italienischer und deutscher Sprachraum im Vergleich) von
Karl Ille, aber diese betont an erster Stelle die Ähnlichkeiten zwischen den beiden Regimen
(Stil, Metaphern, rhetorische Figuren usw.), und das Thema der Fremdwörter wird in seiner
Studie nur kurz behandelt. Seine diesbezüglichen Aussagen werden deshalb in der
vorliegenden Arbeit nicht nur angeführt, sondern ebenfalls erweitert und nuanciert. Darüber
hinaus ist das vorliegende Thema interessant und geeignet für eine vergleichende Studie, weil
die beiden Regime, wie schon im Vorwort erwähnt, gekennzeichnet wurden durch eine quasi
gegensätzliche Haltung den Fremdwörtern gegenüber, d. h. durch eine heftige Fremdwortjagd
im Faschismus im Gegensatz zur nationalsozialistischen Vorliebe für fremde Begriffe. Aus
den zwei genannten Gründen könnte eine kontrastive Studie über Fremdwörter ohne Weiteres
neue Erkenntnisse hervorbringen.
Bevor der Umgang mit Fremdwörtern in den beiden Diktaturen besprochen wird, ist es
selbstverständlich notwendig, dass die zentralen Begriffe der Arbeit genau definiert werden.
Dieser Darlegung ist das erste Kapitel gewidmet, in dem eine Abgrenzung der
nationalsozialistischen
bzw.
faschistischen
Epoche,
eine
Erläuterung
des
sprachwissenschaftlichen Gegenstands, einige Gedanken zur Vergleichbarkeit der beiden
Regime und letztens eine Definition des Fremdworts sowie eine Beschreibung seiner
wesentlichsten Eigenschaften enthalten sind.
Nach der Definierung der Kernbegriffe wird auf das eigentliche Thema der Arbeit
konzentriert. Zuerst wird beabsichtigt, den Umgang mit Fremdwörtern der Nationalsozialisten
und der italienischen Faschisten sowie ihre Sprachpolitik vollständig zu beschreiben. Diese
Darlegung beschränkt sich nicht nur auf die theoretische Haltung, sondern soll ebenfalls
ausführlich die praktische Ausführung beleuchten. Der italienische Faschismus wird als erster
behandelt, weil er mit seiner fremdwortpuristischen Haltung den Standpunkt einnimmt, der
7
für rechtsextreme Diktaturen typischer oder auf jeden Fall weniger überraschend ist. Dann
folgt der Teil über die nationalsozialistische Lage, in dem zum Vergleich häufig auf das
vorige Kapitel zurückgegriffen wird. In Bezug auf das zentrale Thema sollen zwei
wesentliche Abgrenzungen unterstrichen werden. Erstens werden Eigennamen in vorliegender
Arbeit nicht behandelt, auch wenn sie ohne Zweifel ein relevantes Untersuchungsobjekt
bilden. Im faschistischen Italien z. B. war die Italianisierung von fremden Ortsnamen ein
zentraler Punkt auf der Tagesordnung. Es würde aber über die Reichweite dieser Arbeit
hinausgehen, neben den Fremdwörtern auch noch die fremden Eigennamen zu behandeln.
Eine zweite Begrenzung ist die Tatsache, dass vor allem auf den offiziellen Sprachgebrauch
und die sprachlichen Ansichten der Regime und ihrer Vertreter fokussiert wird, obwohl die
Sprache im Nationalsozialismus bzw. Faschismus weit mehr umfasste (siehe 1.1.2.). Diese
Entscheidung findet ihren Grund darin, dass dieser Bereich den Kern der Sprache im
Nationalsozialismus bzw. Faschismus bildet und zudem den fundamentalen Gegensatz
zwischen den beiden Regimen aufweist, welcher den Ausgangspunkt dieser Arbeit bildet. Des
Weiteren sind die anderen Aspekte der Sprache im Nationalsozialismus bzw. Faschismus, wie
z. B. die Alltagssprache, oft mangelhaft dokumentiert, was eine Studie diesbezüglich nicht
immer leicht macht. Trotz dieser Beschränkung werden andere Tendenzen nicht ganz außer
Betracht gelassen. So kommen etwa der Erfolg oder Misserfolg der Sprachpolitik beim
normalen Volk, der Umgang mit Fremdwörtern in der kolonialen Literatur Italiens (siehe
2.2.4.) und der starke Widerstand der deutschen Fremdwortpuristen gegen den vielfältigen
Fremdwortgebrauch der Nationalsozialisten (siehe 3.1.) zum Zuge.
Die zweite Bestrebung der vorliegenden Arbeit hängt eng zusammen mit der ersten und ist die
Suche nach den Gründen für den Unterschied zwischen den beiden Regimen. Warum waren
die
Fremdwörter
im
italienischen
Faschismus
geradezu
verhasst
und
bei
den
Nationalsozialisten dagegen so beliebt? Da die beiden Parteien im Übrigen doch viele
Ähnlichkeiten aufweisen, ist es kaum zu glauben, eine solche abweichende Einstellung sei nur
ein zufälliges Ereignis gewesen. Im Laufe der Arbeit wird deutlich werden, von welchen
Triebfedern die faschistischen Fremdwortpuristen bewegt wurden und zu welchen Zwecken
die Nationalsozialisten Fremdwörter einsetzten. Zur Ergründung dieser Frage soll auch mit
den verschiedenen sozioökonomischen und politischen Faktoren, die zur damaligen Zeit eine
Rolle spielten, gerechnet werden. Des Weiteren sind in diesem Zusammenhang die
Sprachgeschichte des Italienischen und Deutschen sowie die Geschichte und die
8
Vorgehensweisen der fremdwortpuristischen Bewegung in beiden Ländern gleichfalls von
Bedeutung.
Zum Schluss enthält die vorliegende Arbeit einen Teil, der im Gegensatz zu den anderen,
hauptsächlich theoretischen Kapiteln, praxisorientiert ist. In diesem letzten Teil werden die
Aussagen, die im vorigen Kapitel über den nationalsozialistischen Fremdwortgebrauch
gemacht wurden, anhand der Analyse einiger Reden Hitlers überprüft. Dabei stehen zwei
Fragen an zentraler Stelle: 1) Wird die Sprache des „Führers“ wirklich gekennzeichnet durch
eine so hohe Zahl von Fremdwörtern? 2) Welche Funktion haben die fremden Ausdrücke in
den gehaltenen Reden und was ist ihr möglicher Effekt auf die Zuhörer? Indem die Analyse,
stützend auf Datenmaterial, auf diese Fragen eine Antwort gibt, kann sie vielleicht neue
Einsichten oder eine Nuancierung des aktuellen Forschungsstandes hervorbringen.
9
1. Definierung zentraler Begriffe
1.1. Sprache im Nationalsozialismus bzw. Faschismus
1.1.1. Abgrenzung der Epoche
Die Zeit des Nationalsozialismus wird meistens aufgefasst als „die Epoche der dt. Geschichte
[…], in der die Politik von der nationalsozialistischen Partei (NSDAP) bestimmt wurde“
(Maas 2000, 1980). Diese Definition kann jedoch, wie Maas bemerkt, durch verschiedene
Zeiträume charakterisiert werden. Im engeren Sinn zieht man nur die Regierungsperiode von
der Ergreifung der Macht am 30. Januar 1933 bis zur Kapitulation am 8. Mai 1945 in
Betracht, aber oft wird der Anfang der nationalsozialistischen Epoche als ihre Gründung 1919
bezeichnet oder sogar noch früher. In dieser Arbeit wird mit Nationalsozialismus nur die
Regierungsperiode der Nationalsozialisten bezeichnet. Der Grund für diese Wahl liegt vor
allem darin, dass die Nationalsozialisten erst nach der Erwerbung der absoluten Macht
ungestört ihre sprachpolitischen Pläne realisieren konnten. Dies bedeutet allerdings nicht, dass
die Aufgangszeit der Partei völlig außer Betracht gelassen wird, wohl im Gegenteil, denn
viele Ideen Hitlers über die Sprache und viele Elemente seines Sprachstils, nicht im
Geringsten in Bezug auf Fremdwörter, lagen ohne Zweifel schon in den zwanziger Jahren
fest. Trotzdem gab es in dieser Zeit noch viele einflussreiche Leute und öffentliche Instanzen,
die die Auffassungen Hitlers, sicherlich was die Fremdwörter betrifft, gar nicht teilten. Erst
nach der Machtergreifung konnten solche Gegner zum Schweigen verpflichtet werden und
konnte der nationalsozialistische Umgang mit Fremdwörtern durch eine totale Kontrolle der
Öffentlichkeit in der deutschen Sprache verwirklicht werden.
Der Definierung des Nationalsozialismus ähnlich wird der italienische Faschismus bestimmt
als der Zeitraum zwischen 1922 und 1943, in dem die faschistische Bewegung unter der
Leitung von Mussolini an der Macht war. In Italien führten die Faschisten noch viel
ausgeprägter als in Deutschland eine öffentliche Sprachpolitik bezüglich der Verwendung von
Fremdwörtern, weshalb die Jahre der politischen Macht ebenfalls am wichtigsten sind. Die
Zeit zwischen der Gründung der Bewegung und ihrer Machtergreifung bildet zudem nur drei
Jahre und ist demnach viel kürzer und von weniger Bedeutung im Vergleich zu derjenigen der
Nationalsozialisten, deren Aufgangsphase sich über mehr als ein Jahrzehnt erstreckte. Diese
drei Jahre spielen in der vorliegenden Arbeit keine Rolle, da die wesentlichsten
sprachpolitischen Aktivitäten Mussolinis sich alle im sogenannten Ventennio situierten.
10
Die oben gegebenen Definitionen schaffen einen übersehbaren Zeitraum, indem sie die Zeit
vor den wirklichen politischen Regimen beiseitelassen, welche jedoch, wenn nötig oder
hilfreich, in die Untersuchung einbezogen werden kann, offensichtlich nicht ohne deutliche
Erwähnung.
Die
Zeiträume
der
beiden
Regierungsperioden
sind
dennoch
keine
undifferenzierten Perioden, sondern sie bestehen aus verschiedenen Phasen. Am Anfang der
zwanziger Jahre z. B. wurde Mussolini mit Problemen für die Konsolidierung seiner
Herrschaft konfrontiert, im Gegensatz zu den dreißiger Jahren, als seine Macht stabiler war.
Man könnte erwarten, dass dies auf seine Sprachpolitik Rückwirkungen hatte. Gleichfalls sind
im Nationalsozialismus solche Phasen zu unterscheiden, die die Sprache und möglicherweise
den Gebrauch der Fremdwörter prägten. Am Ende der dreißiger Jahre z. B. sollte das Volk
von der Notwendigkeit des Krieges überzeugt werden, während die Sprache in den letzten
Kriegsjahren hauptsächlich der Verschleierung von Niederlagen und Misserfolgen diente. Es
ist daher wichtig, mit den sozialwirtschaftlichen und politischen Faktoren zu rechnen, weil sie
auf die Sprache und ihre Zwecke einen erheblichen Einfluss haben können.
1.1.2. Sprachwissenschaftlicher Gegenstand
Nach der Definierung der Epochen soll ebenfalls der hier behandelte sprachwissenschaftliche
Gegenstand eindeutig formuliert werden. In der Fachliteratur tauchen vor allem die folgenden
drei
Formeln
auf:
nationalsozialistische/faschistische
Sprache,
Sprache
des
Nationalsozialismus/Faschismus und Sprache im Nationalsozialismus/Faschismus. Beim
ersten Ausdruck kann man das Bedenken äußern, dass „die Sprache selbst nie politische
Bekenntnisse annimmt, sondern immer nur in den Dienst von Ideologien genommen wird“
(Ille 1980, 30). M.a.W.,
eine Sprache an sich kann nicht nationalsozialistisch oder
faschistisch sein, und es sind nicht die Wörter, sondern ihre Benutzer, die Leute verführt und
Denken gelenkt haben (Polenz 1999, 547). Deshalb spricht Ille (1980) in seiner Studie von
der Sprache des Faschismus, eine Formel, die zwar von vielen Wissenschaftlern akzeptiert
wurde, jedoch auch Gegenstand einer Kontroverse war, vor allem im deutschen Sprachraum
in den 60er Jahren. Sie erweckt noch zu viel den Eindruck, es hätte in den beiden Diktaturen
eine selbstständige Sprache gegeben, die sich drastisch vom Deutschen bzw. Italienischen der
prä- und postfaschistischen Epoche unterschied, was bestimmt nicht der Fall war. Die
Vertreter beider Regime verwendeten keine wirklich neuen Ausdrucksweisen, sondern sie
11
erkannten einfach die vielen Möglichkeiten der Sprache und führten diese manchmal bis ins
Extreme weiter. Statt der Introduktion völlig neuer Elemente stützte man sich häufig auf
frühere Traditionen. In Bezug auf den Nationalismus z. B. weist Beck (2001, 29) auf
verschiedene Autoren hin, die das neunzehnte Jahrhundert als eine wichtige Quelle für den
Sprachgebrauch der Nationalsozialisten charakterisieren, und aus diesem Grund kann nach
seiner Meinung „von einer isolierbaren "Sprache des Nationalsozialismus" nicht die Rede
sein“. Außerdem wurde klar, dass die Sprache in den beiden Diktaturen viel mehr war als
bloß der Sprachgebrauch der Nationalsozialisten oder der Faschisten. Sennebogen (2008, 165)
äußerte sich folgendermaßen über die nationalsozialistische Lage:
Kommunikation in der Diktatur [war] mehr als die Summe propagandistischen
Trommelwirbels und großflächiger Inszenierungen. Die Sprachwirklichkeit des
»Dritten Reiches« reichte weit über den vom Regime beeinflussbaren und
kontrollierbaren Bereich hinaus.
Andere Teilbereiche dieser Sprachwirklichkeit waren beispielsweise die Alltagssprache, über
die es jedoch weniger Quellen zur Verfügung stehen, und die Sprache der Gegner und Opfer
des Regimes, welche sich der offiziellen Sprachgebrauch aus naheliegenden Gründen nicht
anpassen wollten. Die Aussage von Sennebogen gilt ebenso sehr für den italienischen
Faschismus, wo die sprachliche Situation, gerade wie im Nationalsozialismus, zwar vom
diktatorischen Regime dominiert wurde, aber viel mehr umfasste als ihre Sprachpolitik.3 In
der deutschen Linguistik wurde aus den genannten Gründen in den letzten Jahrzehnten der
Formulierung Sprache im Nationalsozialismus immer mehr der Vorzug gegeben und
deswegen wird in der vorliegenden Arbeit für diesen Ausdruck und die analoge Formel für
den Faschismus (Sprache im Faschismus) gewählt. Obwohl das Vorliegende in erster Linie
die offizielle Sprache und die Sprachpolitik der beiden Diktaturen untersucht, werden, wie
bereits in der Einleitung erläutert wurde, gleichfalls andere Tendenzen besprochen, die zwar
nicht den offiziellen Standpunkten der herrschenden Parteien entsprachen, aber doch ebenso
sehr Teil der Sprache im Nationalsozialismus bzw. Faschismus waren.
Neben der Formulierung ist auch der Gegenstand an sich eine problematische Angelegenheit.
Eine wesentliche Frage, die man im Hinterkopf behalten muss, ist, „ob bzw. inwieweit es sich
hier um einen spezifisch abgrenzbaren Gegenstandsbereich […] handelt“ (Maas 2000, 1981).
Wie Maas bemerkt, ist die Sprache im Nationalsozialismus und im Faschismus eher ein
3
Klein (1986, 147) spricht von einer Komponente innerhalb und einer außerhalb der Behörden (“un indirizzo
intragovernativo e uno extragovernativo”).
12
problematischer Untersuchungsgegenstand, da sowohl die Nationalsozialisten als die
italienischen Faschisten mit 12 bzw. 20 Jahren eine viel zu kurze Zeit an der Macht waren,
um tiefe Spuren in der Sprache (Phonologie, Morphologie, Syntax) zu hinterlassen. Dennoch
gibt es einen Bereich, in dem ihr Einfluss deutlich spürbar ist, nämlich die Lexik. Demnach
gilt der Untersuchungsgegenstand in einer Arbeit, die Fremdwörter behandelt, ohne Zweifel
als sinnvoll.
1.1.3. Nationalsozialismus vs. Faschismus
Während die Sprache im Nationalsozialismus bzw. Faschismus separat ausführlich studiert
worden sind, ist der Mangel an kontrastiven Studien sehr auffällig. Laut Ille (1980, 7ff.) gibt
es zwei Erklärungen für dieses Phänomen.
Zuerst wurde bis in die Mitte der 70er Jahre in der Geschichtswissenschaft die
Vergleichbarkeit der beiden diktatorischen Regime für prinzipiell unmöglich gehalten. De
Felice (1975, 24) formulierte es folgendermaßen:
Fra fascismo italiano e nazionalsocialismo le differenze sono enormi; sono due mondi,
due tradizioni, due storie, talmente diversi, che è difficilissimo riunirli poi in un
discorso unitario.
Zu dieser Aussage sollen zwei Bemerkungen gemacht werden. Erstens stimmt es nicht, dass
der Nationalsozialismus und der italienische Faschismus gar keine Ähnlichkeiten aufweisen.
In Italien sowie in Deutschland wurde die nationale Einheit erst relativ spät erreicht, beide
Länder gerieten verspätet in das Stadium der industriellen Revolution, das Friedensjahr 1919
war sowohl für die Deutschen („Schandvertrag“) als die Italiener („vittoria mutilata“) eine
große Enttäuschung und die Nationalsozialisten gleichwie die italienischen Faschisten traten
zunächst mit sozialer Demagogie und pseudorevolutionären Parteiprogrammen an die
Bevölkerung heran (Ille 1980, 110). Die beiden Parteien regierten darüber hinaus auf
diktatorische Weise mit einem starken Führerprinzip, setzen alle möglichen Medien ein für
die Verbreitung ihrer Propaganda, und benutzten ähnliche rhetorische Mittel, um das Volk zu
überzeugen. Zweitens macht die Differenz zwischen beiden Regimen eine vergleichende
Studie nicht unmöglich, wohl im Gegenteil, gerade die Unterschiede machen eine kontrastive
Arbeit interessant und können für jeden Sprachraum neue Informationen und Gesichtspunkte
ans Licht bringen. Dies gilt ohne weiteres für die Fremdwörter, denn, wie bereits erwähnt,
13
können die Haltung des nationalsozialistischen Deutschlands und diejenige des faschistischen
Italiens den Fremdwörtern gegenüber als quasi völlig entgegengesetzt charakterisiert werden.
Trotzdem blieben Thesen wie diejenige von De Felice bis weit in die 70er Jahre dominant,
was zur Folge hatte, dass eine komparative Studie in der Linguistik wegen der fehlenden
historischen Vorarbeiten für viele Sprachwissenschaftler weniger evident war.
Neben
der
ungünstigen
Nichtvorhandensein
von
Haltung
der
Geschichtswissenschaft
vergleichenden
schreibt
linguistischen
Ille
Arbeiten
das
an
wissenschaftstheoretischen Überlegungen der Sprachwissenschaft selbst zu. In Deutschland
gab es zwar schon seit dem Anfang der Nachkriegszeit Studien über die Reden Hitlers und die
Sprache im Nationalsozialismus, aber dort wurden die geeigneten wissenschaftlichen
Vorgehensweisen für eine Studie wie vorliegende nur um 1970 introduziert mit der Rezeption
der soziolinguistischen Arbeiten Amerikas. In Italien gab es solche Methoden schon früher,
jedoch wurde dort, im Unterschied zu Deutschland, die Sprache im Faschismus als
Untersuchungsobjekt erst später introduziert, wodurch kontrastive Arbeiten ebenso wenig
angesagt waren.
1.2. Das Fremdwort
Bei der Erforschung von Fremdwörtern war lange Zeit die etymologische Vorgehensweise
vorherrschend, laut welcher es genügte, die Herkunft eines Wortes darzustellen, um das Wort
vollständig zu erklären. Problematisch dabei ist, dass der etymologische Aspekt nichts sagt
über den aktuellen Zustand eines Wortes. Es gibt zahlreiche Beispiele, sowohl im Deutschen
als im Italienischen, von Wörtern mit einer fremden Herkunft, die gar nicht als Fremdwörter
betrachtet werden: Spiegel < Lat.: speculum, Keller < Lat.: cellarium; fresco < Ahd.: frisc4,
guardia < Got.: vardia5. Neben der Etymologie sind offensichtlich andere Faktoren im Spiel,
die bei der Einordnung von Wörtern als Fremdwörtern von Bedeutung sind.
In den letzten Jahrzehnten hat man versucht, das Fremdwort in einen synchronischen Ansatz
einzufügen, was zu einer viel genaueren Definition beigetragen hat. Dies bedeutet, dass vor
allem auf die synchronen Merkmale Lautung, Orthographie und Flexion geachtet wird.
4
http://www.etimo.it/?pag=hom
Online Version des Vocabolario Etimologico della Lingua Italiana von Ottorino Pianigiani.
5
Idem.
14
Immerhin soll dabei auf die fremdsprachliche Herkunft nicht verzichtet werden, denn diese
bleibt eine notwendige, obwohl keine primäre, Bedingung für Fremdwörter.6 Eine gute
Definition ist die von Kirkness (2000, 407):
Als Fremdwörter […] gelten einerseits aus anderen Sprachen übernommene Wörter,
die nicht oder nur partiell den ausdrucksseitigen Strukturen des indigenen, vom
Germanischen herrührenden Deutsch angepaßt sind, also Wortentlehnungen;
andererseits innerhalb des Deutschen mit Hilfe meist fremdstämmiger Wörter und
Wortbildungseinheiten geprägte Wörter, die ggf. kein Vorbild oder keine
Entsprechung in einer Fremdsprache haben und ebenfalls im o. a. Sinn nicht (voll)
assimiliert sind, also Lehnwortbildungen.7
Der zweite Teil der oben gegebenen Definition umfasst eine genauso wichtige Gruppe, die
manchmal vergessen wird, nämlich Wörter mit fremdsprachlichen Elementen. Dies können z.
B. Konstituenten eines Kompositums oder Affixe sein. Entscheidend für die Bestimmung
eines Fremdwortes sind die fremdsprachlichen Elemente, die im Wort enthalten sind. Darin
sind Fremdwörter zu unterscheiden von Lehnbildungen, welche „nach fremdem Vorbild
entstandene
Zusammensetzungen
oder Ableitungen
[sind],
die aus
einheimischen
Sprachelementen bestehen“ (Astrid Stedje 2007, 29). Zu dieser Kategorie gehören die
Lehnübersetzung, -übertragung, und -schöpfung.
Zur Definition sind noch einige Bemerkungen zu machen. Erstens kommen Fremdwörter
zwar aus anderen Sprachen, aber sie bilden einen festen Teil des Lexikons der Sprachen, in
die sie aufgenommen werden. Deutsche Fremdwörter sind ebenso deutsch wie die Erbwörter
(vgl. Kirkness 1979, 80), und für die italienischen Fremdwörter gilt genau dasselbe.
Zweitens muss man bemerken, dass es in manchen Fällen schwierig ist, zu entscheiden, ob ein
Wort ein Fremdwort ist oder nicht. Dieses Problem liegt schon in der Definition selbst erfasst:
was wird gemeint mit „nur partiell […] angepaßt“? Mit welchen Anpassungen kann ein
6
Manche Wissenschaftler haben nur noch synchronische Elemente in Betracht gezogen und z. B. plädiert für
eine Definierung wie: Wort, das jemandem fremd ist (vgl. Schank 1979, 51). Die Verständlichkeit ist zwar ein
interessanter Aspekt der Fremdwörter, und sicherlich wesentlich in dieser Arbeit, aber ich bin einverstanden mit
Müller (1979, 59), der meint, eine solche Definition sei keineswegs nützlich, weil das Verstehen oder
Nichtverstehen eines Fremdwortes eine individuell sehr unterschiedliche Angelegenheit ist und die Definition
zudem einheimische Wörter umfassen könnte.
7
Die analoge Definition für italienische Fremdwörter lautet: „Als Fremdwörter […] gelten einerseits aus
anderen Sprachen übernommene Wörter, die nicht oder nur partiell den ausdrucksseitigen Strukturen des
indigenen, vom [Lateinischen] herrührenden [Italienisch] angepaßt sind, also Wortentlehnungen; andererseits
innerhalb des [Italienischen] mit Hilfe meist fremdstämmiger Wörter und Wortbildungseinheiten geprägte
Wörter, die ggf. kein Vorbild oder keine Entsprechung in einer Fremdsprache haben und ebenfalls im o. a. Sinn
nicht (voll) assimiliert sind, also Lehnwortbildungen.“ (Ersetzungen von mir, M. P.).
15
übernommenes Wort noch als Fremdwort gelten und an welchem Punkt ist die Assimilation
zu weit fortgeschritten, um noch von einem Fremdwort sprechen zu können? Auf diese
Fragen gibt es keine schlüssige Antworten, was allerdings nicht problematisch ist, denn es
„liegt in der Natur der Sache und wiegt nicht schwer, wenn man bedenkt, daß sich Sprache
nie völlig in ein festes System integrieren läßt“ (Müller 1979, 65). Das Fremdwort bezeichnet,
wie Eggeling (1979, 237) es formuliert, „keine Wortart, sondern den Grad der Eingliederung
in die deutsche [bzw. italienische] Sprache“; eine scharfe Grenze kann unmöglich gezogen
werden. Es ist übrigens nicht die Absicht dieser, den Begriff des Fremdwortes zu
problematisieren oder eine Lösung für die Problematik vorzuschlagen; die traditionelle
Definition ist hinreichend anwendbar.
Drittens ist noch zu erwähnen, dass es bei den Fremdwörtern neben der diachronischen und
synchronischen auch eine soziolinguistische Ebene gibt (Schank 1979, 33). Dieser Aspekt ist
zwar weniger relevant für die Definierung der Fremdwörter, spielt trotzdem sicherlich eine
bedeutende Rolle in der vorliegenden Untersuchung. Vor allem im Nationalsozialismus waren
gerade die soziolinguistischen Eigenschaften vieler Fremdwörter ein entscheidender Faktor
bei ihrem Gebrauch, da viele Fremdwörter von bestimmten Sprechern oder in manchen
Kontexten nicht verstanden wurden (siehe 3.2.2.2.). In Zusammenhang mit der
Unverständlichkeit von Fremdwörtern soll gewiesen werden auf Von Polenz‘ (1979, 23f.)
Gliederung der Fremdwörter in drei verschiedene Kategorien.8 Die Übergänge zwischen den
Kategorien sind selbstverständlich fließend, trotzdem ist die Einteilung nützlich. Zur ersten
Kategorie gehören die Fremdwörter, die nur von akademisch Gebildeten verwendet werden.
Sie sind vielen Gliedern der Sprachgemeinschaft unbekannt, weil sie keinen Teil der
Alltagssprache sind: Exhaustivität, Koinzidenz; impasse, bohémien. Die zweite Gruppe ist
diejenige der Fachwörter. Der Gebrauch dieser Wörter ist nicht direkt mit dem Bildungsgrad
der Sprecher verbunden, sondern ist auf ein spezifisches Fachgebiet beschränkt und daher
ebenfalls für viele Sprecher nicht geläufig: Interjektion (Sprachwissenschaft), Konvektion
(Meteorologie, Geografie, Physik); enjambement (Verslehre), leasing (Wirtschaft). Die dritte
Kategorie schließlich sind die Fremdwörter, die Sachen aus dem öffentlichen Leben
bezeichnen und zum aktiven Wortschatz aller Sprachteilhaber gehören: Bibliothek, Sport;
8
Von Polenz selbst spricht in diesem Fall von Lehnwörtern. Seine Definition von Fremdwörtern ist beschränkt
auf Wörter oder Wendungen einer fremden Sprache, die nur gelegentlich oder wie ein Zitat verwendet werden.
Dazu gehören u. a. Begriffe für Sachen, die typisch für fremde Völker sind: College, Lord, Siesta usw. In
vorliegender Arbeit fallen die Lehnwörter von von Polenz unter die Definition von Fremdwörtern.
16
baby-sitter, cocktail. Ein wesentlicher Teil der Fremdwörter ist zusammenfassend dem
gemeinen Volk deshalb unbekannt, weil sie zum Bildungs- oder Fachwortschatz gehören, und
ihre Verwendung daher auf kleinere soziologische Gruppen beschränkt ist.9 Das
Nichtverstehen von Fremdwörtern hat denn auch nichts mit der Herkunft der Wörter zu tun,
wie etwa die deutschen Fremdwortpuristen meinten (siehe 3.1.), sondern ist mit
sprachsoziologischen und stilistischen Faktoren verbunden, und darin unterscheiden
Fremdwörter sich nicht von den einheimischen Wörtern (Von Polenz 1979, 22).10
Ein anderer Aspekt in Bezug auf die Verständlichkeit von Fremdwörtern, der von
Fremdwortpuristen oft angeführt wurde, ist derjenige der sprachlichen Motiviertheit (Von
Polenz 1979, 26ff.). Fremdsprachliche Elemente wurden vielfach semantisch weniger
leistungsfähig als einheimische Elemente betrachtet, weil sie innerhalb der Sprache, in die sie
eingetreten sind, oft nicht produktiv sind in der Wortbildung und also sprachlich nicht
motiviert sind. Auch wenn verschiedene fremdsprachliche Elemente eine hohe Produktivität
haben (z.B. auto- in Autobiographie/autobiografia, Autodidakt/autodidatta), bleiben viele
Fremdwörter unmotiviert: Balkon, Hobby; flirt, jazz. Trotzdem ist die Bedeutung dieser
Wörter nicht weniger klar als die der motivierten Wörter, denn viele der einheimischen
Wörter sind gleichfalls unmotiviert (Tisch, Lied; cuore, paura), was für das Verstehen
keineswegs Schwierigkeiten bereitet. Das Argument der sprachlichen Motiviertheit geht
offenbar nicht auf, was wiederum bestätigt, dass Fremdwörter nicht unverständlicher sind als
einheimische Wörter.
9
Die große Menge an Fremdwörtern in diesen Bereichen ist die Folge einer Ausbreitung des Bildungs- und
Fachwortschatzes seit der Mitte des 19. Jahrhunderts in den europäischen Sprachen, welche nur schwierig mit
dem traditionellen Vorrat an Wörtern und Wortstämmen überwältigt werden konnte, da sonst die Polysemie zu
groß werden würde (Von Polenz 1979, 25). Wie Migliorini (2003, 19f.) erklärt, war für die Zunahme der
Fremdwörter in dieser Zeit die Dominanz der Schriftsprache ebenfalls entscheidend. Während die meisten
Wörter, die aus anderen Sprache stammen, vor dem 18. Jahrhundert vor allem über oralen Wegen in neue
Sprachen eingedrungen und folglich viel mehr spontan von den Sprechern am eigenen Sprachsystem assimiliert
worden sind (lanzichenecco < Landsknecht), kamen die Fremdwörter der späteren Epochen, und also die
Mehrheit der Fachwörter fremden Ursprungs, wegen der Dominanz der Schriftsprache immer mehr über
schriftlichen Wegen in eine Sprache, wodurch sie nicht oder nur noch wenig angepasst wurden (landgravio,
vodka, rugby).
10
Mit den Worten von Müller (1979, 66): „Die Bezeichnung „fremdsprachliches Wort“ […] soll lediglich
besagen, daß das betreffende, durch die genannten Merkmale charakterisierte Wort aus einer fremden Sprache
kommt oder daß es mit fremdsprachlichen Elementen gebildet worden ist. Damit ist noch nichts darüber
ausgesagt, ob das Wort bekannt oder unbekannt, ob es gebräuchlich oder ungebräuchlich ist, ob es verstanden
oder nicht verstanden wird, ob man es als fremd empfindet oder nicht.“
17
Zum Schluss dieses Kapitels soll noch auf eine zweite Untergliederung der Fremdwörter
hingewiesen werden, nämlich die von Daniels (1979, 150f.) zwischen unentbehrlichem und
entbehrlichem Fremdwort.11 Unentbehrliche Fremdwörter sind Wörter, die einen festen Teil
des allgemeinen Sprachgebrauchs geworden sind und für die es in der eigenen Sprache keine
geeigneten Ersatzwörter gibt: Politik, Musik; canguro, surf. Sie werden von den Sprechenden
in ihrer Lautform häufig nicht mehr als fremd empfunden und haben eine eindeutige
Bestimmtheit, wodurch sich fremdwortpuristische Ersatzversuche oft als schwierig erweisen.
Die entbehrlichen Fremdwörter dagegen wurden übernommen, ohne dass diese Aufnahme
wirklich notwendig war, da vollwertige Äquivalente in der eigenen Sprache zur Verfügung
stehen: Meeting (‚Treffen‘), Hit (‚Schlager‘); maquillage (‚trucco‘), know-how (‚conoscenza
tecnica‘). Sie werden meistens angewendet wegen spezifischer Eigenschaften, die die
einheimischen Wörter nicht besitzen, wie z. B. eine suggestivere Wirkung, ein größeres
Prestige oder eine bestimmte Konnotation.
11
Eine ähnliche Untergliederung, die im italienischen Sprachraum bekannter ist, ist diejenige zwischen
Bedürfnislehnwörtern (prestiti di necessità) und Luxuslehnwörtern (prestiti di lusso) (vgl. Cardona 1988, 245).
18
2. Italienischer Faschismus
2.1. Die italienische Sprache zwischen 1861 und dem Faschismus
Auf die Geschichte der italienischen Sprache kann in einer Studie über die Sprache im
Ventennio nicht verzichtet werden, da die Sprachpolitik der faschistischen Ära in hohem
Maße von den Problemen Italiens bezüglich einer Einheitssprache berührt worden ist. Nach
der politischen Vereinigung 1861 gab es zwar eine kodifizierte Standardsprache, aber das
Problem war, dass die übergroße Mehrheit der Bevölkerung sie nicht beherrschte und im
Alltag einfach den Dialekt verwendete. Das Italienische belegte zwar die zentrale Rolle auf
politischer und kultureller Ebene, wurde allerdings von den Italienern nicht verwendet und
war daher, wie De Mauro (1963, 19) es kennzeichnet, eine Fremdsprache im Vaterland. In
den Jahren der Vereinigung beherrschte lediglich 2,5% der vollständigen italienischen
Bevölkerung die Standardsprache. Wenn man außerdem Rom und die Toskana, deren
Dialekte wegen historischer Gründe der Einheitssprache stark ähnelten, außer Betracht lässt,
ist die Zahl sogar niedriger als ein Prozent (De Mauro 1963, 41).
Ascoli (1967, 5ff.) beschrieb 1873 in seinem bekannten Proemio der ersten Auflage der
Zeitschrift Archivio glottologico italiano die Sonderstelle, die Italien mit dem Mangel an einer
einheitlichen Sprache im europäischen Sprachraum einnahm. Dies war erstens der Tatsache
zuzuschreiben, dass es in Italien keine zentralisierende Großstadt gab, nach der alle Regionen
des Landes sich richten konnten. Dies im Gegensatz zu den anderen europäischen Staaten,
wie z.B. Frankreich, wo die Hauptstadt Paris eindeutig das wirtschaftliche, politische und
intellektuelle Zentrum des Landes bildete und demzufolge auch auf sprachlicher Ebene als
das Vorbild für ganz Frankreich galt. Interessanter für vorliegende Arbeit ist der Unterschied
mit der Sprachgeschichte Deutschlands, der einen Aspekt bildet für die Erklärung der
unterschiedlichen Sprachpolitik im Nationalsozialismus, aber darauf wird später noch genauer
eingegangen (siehe 3.2.1.2.). Weiterhin führte die Industrielle Revolution, wie De Mauro
(1963, 25) bemerkt, im Laufe des neunzehnten Jahrhunderts in Italien zu einer weiteren
Differenzierung der stagnierenden Gesellschaft, im Gegensatz zu den anderen europäischen
Staaten, wo die wirtschaftliche und soziale Einheit unter Einfluss derselben Industriellen
Revolution gerade vergrößert wurde.
19
Die Abwesenheit einer einheitlichen Sprache stellte erhebliche Probleme für die allgemeine
Kommunikation von z. B. bürokratischen und politischen Angelegenheiten in Richtung der
Bevölkerung. Eine schnelle Verbreitung des Italienischen war zweifellos notwendig für die
gute Wirkung eines neuen modernen Staates wie Italien. Dennoch braucht es Zeit für eine
solche Verbreitung; die Standardsprache verbreitete sich zwar, aber nur als zweite Sprache,
denn der Dialekt blieb die primäre Alltagssprache in der ersten Hälfte des zwanzigsten
Jahrhunderts, also auch noch während und nach der faschistischen Epoche, wie De Mauro
(1963, 116) in seiner Studie konstatierte:
[Nel] 1951 oltre un terzo della popolazione italiana (35,42% pari a oltre 15 milioni)
aveva abbandonato l’uso del dialetto come unico strumento di comunicazione, ma
soltanto poco piú d’un sesto (18,5% pari a 7.825.000 individui) aveva rinunciato
completamente al dialetto: per oltre quattro quinti della popolazione italiana il dialetto
era ancora abituale e per quasi due terzi (63,5 % pari a 26.846.000 persone) era
l’idioma d’uso normale nel parlare in ogni circostanza.12
2.2. Faschistische Sprachpolitik
2.2.1. Beweggründe
Es kann fast als eine Selbstverständlichkeit gelten, dass die sprachliche Lage Italiens einer der
wesentlichsten Punkte auf der faschistischen Tagesordnung bildete:
In una società plurilingue e con alto tasso di dialettofonia e di analfabetismo, è
prevedibile che un regime totalitario, come quello fascista dagli anni ’20 agli anni ’40
in Italia, si sia posto il problema della costituzione di una norma linguistica ufficiale e
unificante. (Klein 1986, 55)
Einerseits wurde die Sprachpolitik im italienischen Faschismus gesteuert durch pragmatische
Gründe, denn eine Einheitssprache ist schon in jedem modernen Staat notwendig, aber
sicherlich in einer Diktatur, die völlige Zentralisierung anstrebte und für die, wie Ille (1980,
320) bemerkt, die Organisation und Disziplinierung der Masse unentbehrlich war für eine
effiziente Leitung des Landes. Das Festlegen einer sprachlichen Norm wurde denn auch, wie
in den meisten totalitären Systemen, nicht erzielt wegen bloß kommunikativer Vorteile für die
Sprecher, sondern ging viel weiter im negativen Sinn, da mittels der sprachlichen Einheit die
gesellschaftliche Kontrolle und der allgemeine Konsens viel leichter erworben werden konnte
(Klein 1986, 147f.). Die ganze Bevölkerung hatte dem „Duce“ zu folgen, und deshalb musste
12
Die Daten stammen aus 1951, das heißt mehrere Jahre nach dem Ende des faschistischen Regimes. Dies
impliziert deutlich, dass der Kampf der Faschisten gegen die Dialektofonie kein großer Erfolg gewesen ist.
20
sie selbstverständlich verstehen, was er zu ihr sagte. In diesem Bereich hatten die Faschisten
jedoch noch viel Arbeit zu leisten, weil in der Periode des Faschismus, wie im vorigen Kapitel
klar wurde, der Dialekt noch immer primär war und die meisten Italiener nur mangelnde
Kenntnisse ihrer Standardsprache besaßen, sogar was die passiven Kenntnisse betrifft. Es
steht demzufolge außer Zweifel, dass nicht wenige der Untertanen Mussolinis ihren Leiter
während seiner Reden nur schwierig verstehen konnten. Mussolini war sich dieses
Phänomens sicherlich bewusst und es störte ihn bei seinen Reden sogar nicht, was durch
folgendes Zitat unterstützt wird: „Non so se la mia parola sia giunta a tutti voi. Ma il mio
cuore sì.“ (Mussolini 1934-1939, 119)13. Diese Aussage ist nicht erstaunlich, da die
Kommunikation zwischen Mussolini und dem Volk, ebenso wie bei Hitler, als „ein intuitives,
rein emotionales Verstehen“ (Ille 1980, 212) gekennzeichnet werden kann und sich nicht an
die Vernunft und Verständlichkeit richtete. Dies galt trotzdem nur für die Reden; was die
sonstige Kommunikation betrifft, war eine Einheitssprache nötig für die totalitäre
Staatsführung. Die Notwendigkeit der Verbreitung einer offiziellen und unifizierenden
sprachlichen Norm ist von Bedeutung in dieser Arbeit, weil sie nicht nur den direkten Anlass
gab zur Entstehung der sprachpuristischen Aktivitäten im italienischen Faschismus, sondern
weiter auch ein günstiges Klima für den Fremdwortpurismus schuf. Fremdwortpuristische
Bewegungen erscheinen nämlich nicht selten als Teil eines allgemeineren Sprachpurismus. So
stand z. B. der deutsche Fremdwortpurismus in seiner Anfangsphase, d. h. dem siebzehnten
und achtzehnten Jahrhundert, gleichfalls in engem Zusammenhang mit einer allgemeineren
sprachpuristischen Bewegung, welche die Etablierung einer normierten deutschen
Standardsprache bestrebte (siehe 3.1.1.).
Andererseits spielten bei der Sprachpolitik des italienischen Faschismus ideologische Gründe
ohne weiteres ihre Rolle. In einem nationalistischen Regime wie dem Faschismus war die
romantische Gleichstellung von Nation und Sprache eine zentrale Idee, und die Diktatur
eiferte daher für die Etablierung einer Nationalsprache, die von allen Italienern gesprochen
und von allen störenden Elementen gesäubert werden sollte. Der italienische Faschismus
erzielte die nationale Einheit, gestützt auf den Mythos der italianità, und dieser sollte auch
eine sprachliche Einheit entsprechen. Sie war für Mussolini ein notwendiger Teil seiner
italienischen Nation:
13
Zitiert nach Ille 1980, 212.
21
Il punto di partenza, o amici, è questo: la Nazione. Che cosa è la Nazione? La Nazione
è una realtà, siete voi. Moltiplicatevi sino a divenire la cifra importante di quaranta
milioni di italiani che hanno lo stesso linguaggio, lo stesso costume, lo stesso sangue,
lo stesso destino, che hanno gli stessi interessi: questa è la Nazione, è una realtà.
(Adami 1939, 13)14
In den zwanziger Jahren des faschistischen Regimes stand der Kampf gegen Dialekte, und
damit verbunden den Analphabetismus, und gegen Sprachminderheiten an zentraler Stelle.15
In dieser Zeit wurde der Dialekt in der Schule sogar noch als Instrument des Unterrichts der
Standardsprache verwendet. Im Laufe der dreißiger Jahre wurde die faschistische
Sprachpolitik allmählich dominiert durch das Prinzip der ‚linguistischen Autarkie‘, d. h. den
Versuch, die Nationalsprache von allen möglichen störenden Elementen zu säubern. Dies
bedeutete, dass nicht nur die Dialekte völlig abgelehnt wurden, sondern auch die Fremdwörter
immer mehr als eine problematische Angelegenheit betrachtet wurden. Die faschistische
Haltung in der Fremdwortproblematik ist aus politischer Sicht ziemlich normal, denn der
„Sprachpurismus, zumal der Fremdwortpurismus, erweist sich vielfach als Mittel zum Zweck
[…] einer umfassenden (kultur-)politischen Bewegung zur nationalen Autarkie“ (Kirkness
2000, 407). Dessen ungeachtet darf man nicht aus den Augen verlieren, dass die Faschisten
im Vergleich zu den Nationalsozialisten immer mehr mit den Wünschen ihrer Anhänger
rechnen mussten. Der Neopurismus war demnach keine Bewegung, die einfach von Seiten der
Faschisten der italienischen Bevölkerung auferlegt wurde, sondern viele Linguisten und
Intellektuelle hatten schon vor dem Faschismus eine Vorliebe für den Fremdwortpurismus
und haben gleichermaßen die Politik des neuen Regimes gesteuert (Klein 1986, 147).
2.2.2. Purismus vor dem Faschismus
Die puristischen Aktivitäten der Faschisten bildeten kein neues Phänomen im italienischen
Sprachraum, denn schon im neunzehnten Jahrhundert, nach der Vereinigung des Landes, gab
es eine puristische Bewegung. Sie wollte sowohl die Fremdwörter als die Neologismen aus
der italienischen Sprache eliminieren, indem sie jedes Konzept, wie modern auch, mit
Wörtern des traditionellen Lexikons ausdrücken mochte (Migliorini 1990, 100). Dadurch
waren sie auf keinen Fall im Stande, den großen Erneuerungen ihrer Epoche und den vielen
neuen Wörtern in den Bereichen der Industrie, Wirtschaft, Sport usw. zu entsprechen. Bei den
14
15
Zitiert nach Ricci 2005, 45.
Die bekannteste Maßnahme aus dieser Zeit ist die Riforma Gentile von 1923.
22
Behörden hatte der Purismus ebenfalls wenig Erfolg.16 Es wurde nach der Vereinigung
trotzdem eine Kommission ins Leben gerufen, die Erlasse, Gesetze und offizielle
Nomenklatur purifizieren sollte, aber ihre Vorschläge, wie z. B. die Ersetzung von kepí durch
tubino militare con pelo, wurden nicht ernst genommen und am Ende sogar verhöhnt (De
Mauro 1963, 366). Vorschläge der Accademia della Crusca in den ersten Jahrzehnten des
zwanzigsten Jahrhunderts, noch vor Beginn des Faschismus, blieben ebenfalls ohne Erfolg.
Wichtig noch zu erwähnen ist der Unterschied zwischen dem italienischen Purismus des
neunzehnten Jahrhunderts und der puristischen Bewegung in Deutschland derselben Epoche
(siehe 3.1.1.). In Deutschland wurde der Purismus viel stärker von nationalistischen,
auslandfeindlichen Gefühlen inspiriert, während in Italien die Xenophobie in seinen extremen
Formen im Laufe des neunzehnten Jahrhunderts nie viel Erfolg hatte. Einerseits wegen der
universalistischen Prägung der kulturellen Tradition Italiens, andererseits weil seit der
Vereinigung die Beziehungen zwischen Europa und Italien immer enger geworden waren (De
Mauro 1963, 290; 365).
2.2.3. Neopurismus
2.2.3.1. Definierung
Durch die nationalistischen Ideen des Faschismus konnte der Purismus wieder aufleben, zwar
auf eine andere Art und Weise, weil sein Vorgänger nicht zu erfolgreichen Ergebnissen
geführt hatte. Deshalb spricht man in Bezug auf die puristischen Aktivitäten aus der
faschistischen Zeit nicht von Purismus, sondern von Neopurismus. Die wichtigste Person des
italienischen Neopurismus war Bruno Migliorini (1941, 47), der den Neopurismus definiert
hat:
Il carattere essenziale del purismo è la sua lotta contro ogni specie di innovazione. Il
neopurismo, distinguendo tra forestierismi e neologismi, vuole saggiare gli uni e gli
altri alla luce della linguistica strutturale e funzionale […]. D’altra parte il purismo
teneva d’occhio esclusivamente l’Italia; il neopurismo vuol servire alle necessità
italiane, ma reputerebbe cattiva politica quella di chiudere gli occhi alla realtà europea.
Il purismo aveva di mira soprattutto la lingua letteraria; il neopurismo estende lo
sguardo anche alle lingue speciali.17
16
Trotzdem waren politische Eingriffe in dieser Zeit nicht ganz abwesend. So gab es 1874 schon einen Eingriff
von den Behörden gegen Fremdwörter auf Schildern (Klein 1986, 113).
17
Zitiert nach Klein 1986, 120.
23
Der Neopurismus war, im Gegensatz zum früheren Purismus, nur gegen Fremdwörter
gerichtet, die Teil der Sprache geworden sind, und nicht gegen Neologismen, welche zum
italienischen sprachlichen System gehörten. Die Neopuristen konzentrierten sich weiter vor
allem auf die Alltagssprache und den Wortschatz des wirtschaftlichen und kulturellen Lebens,
im Unterschied zum Purismus, in dem die literarische Sprache im Vordergrund stand.
Schließlich richtete der Neopurismus seinen Blick mehr auf Europa als der Purismus, der eine
stark isolierende, auf die eigene Nation gerichtete Vorgehensweise handhabte.
Auch wenn die faschistische Kampagne gegen Fremdwörter in erster Linie von der Idee der
‚linguistischen Autarkie‘ getrieben wurde, soll darauf hingewiesen werden, dass bei
verschiedenen Neopuristen die ideologischen Faktoren von weniger Bedeutung waren.
Migliorini (1990, 95) z. B., der Vorkämpfer des Neopurismus, plädierte für die Entfernung
der Fremdwörter im Hinblick auf die allgemeine Verständlichkeit:
Non nego che per qualcuno questo fattore nazionalistico abbia avuto ed abbia
importanza: ma bastano, io credo, i fattori strutturali e funzionali a raccomandare
l’eliminazione dei forestierismi.
Migliorini selbst gibt als Beispiel das englische Wort suspense, das von den meisten Italienern
auf verschiedenste Weisen ausgesprochen und geschrieben wird. Seiner Meinung nach führen
Fremdwörter deswegen zu einem Chaos, in dem die Sprache ihre Funktion des klaren und
einheitlichen sozialen Instruments weniger gut erfüllen kann. Dass bei der Ersetzung der alten
Wörter möglicherweise eine Konnotation verloren geht, bildet für ihn kein Problem
(Migliorini 1990, 103). Auch wenn dem Fremdwortkampf von Migliorini keine ideologische
Motivierung zu Grunde lag, war er sich dessen bewusst, dass es schwierig ist, in der
neopuristischen Kampagne die ausschließlich sprachlichen Faktoren von den nationalistischen
und xenophoben zu trennen (Migliorini 1990, 93).
2.2.3.2. Produktion
Wesentliche fremdwortpuristische Aktivitäten gab es in den zwanziger Jahren des vorigen
Jahrhunderts kaum, da sich die faschistische Sprachpolitik in dieser Zeit an erster Stelle auf
die Bekämpfung der Dialektophonie konzentrierte. Dennoch gab es 1923 schon Zeichen des
zukünftigen Kurses mit einem Erlass, der die Steuer für Fremdwörter auf Schildern erhöhte.
Behördliche Entscheidungen zu offiziellen Verboten der fremden Ausdrücke wurden in
24
diesem Jahrzehnt allerdings nie getroffen. Ein wichtiger Schritt wurde 1929 getan, als die
Accademia d’Italia gegründet wurde, zum Schutz der italienischen Sprache. Ihre Aufgabe
wurde folgendermaßen formuliert:
L‘Accademia d‘Italia ha per iscopo di promuovere e coordinare il movimento
intellettuale italiano nel campo delle scienze, delle lettere e delle arti, di conservarne
puro il carattere nazionale, secondo il genio e le tradizioni della stirpe e di favorirne
l'espansione e l'influsso oltre i confini dello Stato.18
Die Akademie hatte zum Auftrag, die Konservierung und auch die Expansion des nationalen
Charakters in den Bereichen der Wissenschaft, Philologie und Kunst. Dies sollte in extreme
Maßnahmen münden, am Anfang aber zeigte sich die Akademie noch relativ gemäßigt, weil
sie bestimmte Fremdwörter akzeptierte und phonetisch-graphische und morphologische
Angleichungen vorschlug (Ille 1980, 209f.). Immerhin wurden nach der Gründung der neuen
Akademie die sprachpuristischen Aktivitäten in den dreißiger Jahren intensiviert. Diese
Intensivierung hing zusammen mit der Tatsache, dass das Regime währenddessen stärker
geworden war als in den zwanziger Jahren und besser gewappnet war, um solche erhebliche
Änderungen zu bewirken.
Mussolini machte 1931 mit viel Publizität bekannt, dass er die vernice (und nicht den
vernissage) einer Ausstellung beiwohnen würde (Migliorini 1990, 94). Im selben Jahr
plädierte er öffentlich für die „purezza dell’idioma patrio“ (Mussolini 1934-1939, 284)19. Der
„Duce“ war zwar kein extremer Purist, aber trotzdem erlaubte er den offiziellen Vertretern
des Regimes, die Kampagne gegen die Fremdwörter zu lancieren (De Mauro 1963, 367).
Mehr und mehr wurden vereinzelte Italianisierungen von offiziellen oder offiziösen Instanzen
verwendet, wie z. B. autista, das 1932 statt chauffeur von der Confederazione nazionale dei
Sindacati dei trasporti empfohlen wurde, und Zeitungen sowie Zeitschriften publizierten
immer mehr Artikel über Vorschläge zur Ersetzung von Fremdwörtern (Migliorini 1990, 94).
Daraufhin wurde am 2. Februar 1934 der Fremdwortgebrauch in Zeitungen verboten.
Nach 1935 begann eine weitere Phase, welche gekennzeichnet wurde durch eine noch größere
Verschärfung, eine direkt Folge der Verschlechterung der internationalen Beziehungen.
Bekannt ist die 1938 eingesetzte Kampagne gegen die Verwendung der Höflichkeitsform Lei,
die durch Voi ersetzt werden sollte wegen der vermeintlichen Herkunft des Lei aus der Zeit
18
19
http://www.lincei-celebrazioni.it/i1926i.html
Zitiert nach Klein 1986, 119.
25
der spanischen Herrschaft in Italien (Ille 1980, 210). Man meinte, Lei wäre ein Hispanismus,
der nach der Form Usted gebildet worden wäre. Das Pronomen galt deshalb als eine
unterwürfige Form, im Gegensatz zu Voi, das als viel würdiger und stolzer empfunden wurde.
Obwohl z. B. Mussolini die Form konsequent verwendete, hatte der faschistische Vorschlag
wenig Erfolg beim normalen Volk. Dies ist nicht nur dem späten Anfang der Kampagne
zuzuschreiben, wodurch die Form nur wenig Zeit hatte, um sich in der italienischen
Gesellschaft zu verbreiten, sondern hängt auch damit zusammen, dass Lei mehr oder weniger
im ganzen Land verwendet oder zumindest bekannt war, während Voi hauptsächlich auf den
Süden Italiens beschränkt war und demzufolge eine nationale Übernahme erschwerte.20
Gegen Ende der dreißiger Jahre wurde von der Regierung eine Reihe von Erlassen und
Gesetzen herausgegeben, die die Verwendung von Fremdwörtern in der Öffentlichkeit
knebelte (Klein 1986, 115). So wurden 1938 Aufschriften und Bezeichnungen in fremden
Sprachen auf italienischen Produkten nur noch zugelassen, wenn italienische Hinweise
hinzugefügt waren. Weiterhin wurden, einem Erlass vom Januar 1939 zufolge, öffentlichen
Lokalen mit nicht-italienischen Namen schwere Strafen auferlegt.
Um 1940 schließlich nimmt der Kampf gegen Fremdwörter ganz radikale Formen an,
nachdem ein allgemeines Verbot zur Verwendung von Fremdwörtern in allen Aufschriften
von Betrieben und in allen Formen von Publizität erlassen wurde. Die Akademie gab immer
deutlicher ihre extremen Standpunkte wieder, u. a. in ihrem neuen Fachblatt Bollettino:
[È] un’offesa per ogni italiano il dover sopportare che nelle insegne pubblicitarie,
nelle intestazioni delle ditte commerciali, e talvolta, anche in qualche giornale od in
opere a stampa, siano ripetuti vocaboli stranieri, veri barbarismi, penetrati
clandestinamente nel nostro idioma e tanto affermatisi da far molto spesso dimenticare
e quasi abrogare per desuetudine il vocabolo italiano o da impedire la formazione del
vocabolo italiano correspondente. (Bollettino di informazione della Reale Accademia
d’Italia, I, n. 1-3, 1940, 5)21
Das neue Gesetz gab direkten Anlass zur Gründung einer Kommission für die italianità della
lingua durch die Accademia d‘Italia, welche die Eliminierung der Fremdwörter und die
Einführung von Ersetzungen zum Auftrag hatte. Die Kommission, mit Carlo Formichi als
Vorsitz, bestand lediglich aus Akademikern und sollte bestimmen, welche fremden
Ausdrücke durch italienische Wörter ersetzt werden sollten, welche italianisiert und welche
toleriert (Klein 1986, 125). Vorschläge wurden, neben Akademikern, auch von Publizisten,
20
21
http://www.accademiadellacrusca.it/faq/faq_risp.php?id=5497&ctg_id=93
Zitiert nach Klein 1986, 126f.
26
Schriftstellern, Linguisten und anderen Gelehrten gemacht.22 So wurde z. B. zur Ersetzung
von bar (‚Lokal‘) eine ganze Reihe von Vorschlägen gemacht: bettolino, quisibeve, taberna
potoria, ber, barro, barra, bara, mescita, liquoreria, taverna.23 Für die Ersetzung von
Fremdwörtern aus der Fachsprache wendete die Kommission sich u. a. an Organisationen der
verschiedenen Sektoren, um um Rat zu bitten bei der Bildung der neuen Wörter. Zur
Unterstützung des Fremdwortkampfes wurden neue Rubriken introduziert in Tageblättern wie
die Gazzetta del popolo, in wöchentlichen Zeitschriften wie Tempo und in Fachblättern wie
Lingua nostra, die 1939 gegründet wurde und durchgängig alle Erlasse und Vorschläge gegen
Fremdwörter publizierte (De Mauro 1963, 368). Durch diese Zeitschriften und Blätter
konnten die Behörden ein breiteres Publikum erreichen und das Volk in ihre Sprachpolitik
einbeziehen, indem sie es dazu aufforderten, die neuen Regeln zu befolgen und die
Vorschläge für Fremdwörter zu übernehmen.
Zwischen 1940 und 1943 wurden von der Kommission insgesamt fünfzehn Listen von
Italianisierungen publiziert, die gelten als das Bedeutendste, das der faschistische
Fremdwortpurismus hervorgebracht hat. Die Vorschläge der Kommission bildeten zunächst
die Norm und hatten demnach obligatorische Geltung, aber 1942 wurde die Macht der
Kommission eingeschränkt und galten ihre Ersetzungen nur noch als Suggestionen. Bei der
Aufstellung der Listen wurden von der Kommission zwei unterschiedliche Vorgehensweisen
benützt (Klein 1986, 138ff.):
1. Italianisierungen: Anpassung der Fremdwörter an die italienische Sprache.
a. Graphische Anpassung, mehr oder weniger nach der fremden Aussprache, an
die orthographischen Regeln des Italienischen. Die Phonologie selbst des
Wortes bleibt unverändert:
− yoghurt = iogurt
− caoutchouc = caucciu
− the = tè
22
Man bemerke aber, dass gleichfalls verschiedene italienische Intellektuelle nicht mit der
fremdwortpuristischen Politik einverstanden waren und die Fremdwörter behalten wollten, weil es im
Italienischen kein geeignetes Wort vorhanden war oder weil es einen allgemeinen Konsens über die Verwendung
der Wörter gab. Beispiele solcher Gegner sind Bertoni und Panzini (vgl. Klein 1986, 123).
23
Beispiele von De Mauro 1963, 369.
27
− punch = ponce
− wodka = vodca
− vermouth = vèrmut
b. Morphophonetische Anpassung an das italienische System, bei der die
phonetische Basis des Fremdwortes beibehalten bleibt. Am meisten wird der
Auslaut modifiziert, wenn nötig aber auch manchmal der Stamm:
− autocar = autocarro
− beefsteack = bistecca
− toilette = toletta
− mannequin = manichino
− gruyère = groviera
− tourisme = turismo
2. Semantische Reproduktionen: Ersetzung der Fremdwörter durch neue oder bereits
zum italienischen Wortschatz gehörige Wörter.
a. Zwischen den beiden Wörtern besteht eine Bedeutungskorrespondenz in der
Alltagssprache, welche in die Fachsprache übernommen wird:
− agreement = accordo
− out = fuori
− glisser = scivolare
− stop = arresto
b. Es gibt a priori keine Bedeutungskorrespondenz zwischen den beiden Wörtern,
sondern es handelt sich um ein konventionelle semantische Korrespondenz.
Manchmal wird ein Wort gewählt, das schon Teil des italienischen
Sprachsystems ausmacht:
− chauffage central = termosifone
− hôtel = albergo
− guichet = sportello
− check = assegno
28
c. Italienische Wörter, die schon in der Alltagssprache im Gebrauch sind und
beim Übergang zur Fachsprache eine Bedeutungsänderung erfahren:
− slalom = obbligata
− garage = rimessa
− parquet = tassellato
− cocktail = arlecchino
− autopullman = autosalone
d. Ersetzung der Fremdwörter durch multilexikalische Einheiten:
− carte = lista delle vivande
− dessert = alla frutta, fin di pasto
− comptoir = registratore di cassa
− shampooing = lavanda dei capelli
− dirt-track = corso su detriti
− uovo à la coque = uovo scottato
2.2.3.3. Ambivalente Sprachpolitik
Die neopuristische Kampagne wird von Ille (1980, 210) als äußerst widersprüchlich
beschrieben:
Einerseits verwendeten die faschistischen Führer ohne Bedenken weiter Worte wie
"rango", "baionetta" oder "boicottare", die ihre französische Herkunft nicht leugnen
können, andererseits hatte man auch gegen Fremdwörter deutscher Herkunft nichts
einzuwenden. So wurde etwa eine ganze Reihe von Anglismen und Französismen
verboten, wogegen etwa das deutsche Wort "Gauleiter" liebend gern verwendet
wurde.
Die Ambivalenz der faschistischen Sprachpolitik war nicht immer unlogisch, wenn man mit
den verschiedenen Gründen rechnet, die ihr zu Grunde liegen, aber dennoch wurde sie
gleichfalls durch ein deutliches Fehlen an systematischen Vorgehensweisen gekennzeichnet.
Erstens wurde die faschistische Sprachpolitik, logischerweise, bestimmt von ihrer Definierung
des Konzepts ‚Fremdwort‘. Welche Kriterien mussten Wörter damals erfüllen, um als
Fremdwort bezeichnet zu werden? Dies war eine der zwei Hauptaufgaben der Kommission
29
für die italianità della lingua, neben der Bildung der Wörter, die als Ersatz für die
Fremdwörter dienen sollten (siehe 2.2.3.2.). Im Gegensatz zum italienischen Purismus des
neunzehnten Jahrhunderts und zu vielen anderen puristischen Bewegungen, wie gleichfalls
derjenigen in Deutschland (siehe 3.1.), bildete der Ursprung des Wortes nicht das
fundamentale Kriterium. Für die Neopuristen waren Fremdwörter diejenigen Wörter, die von
der strukturellen Normen der italienischen Sprache abwichen – ein Kriterium, das laut
Migliorini (1990, 97) viel besser anwendbar war als dasjenige der Herkunft, da es den
Neopuristen gelungen ist, mehrere Wörter wie chauffeur, régisseur, record usw. aus der
italienischen Sprache zu entfernen, während die Puristen weniger Erfolg hatten mit Wörtern
wie debutto, sabotare usw. Wenn man nämlich alle Wörter fremder Herkunft in Betracht
zieht, stellt man sich für die unmögliche Aufgabe, eine Unmenge von alltäglichen und
unentbehrlichen Begriffen zu entfernen. Wörter wie pensiero, preghiera, sembrare und
mangiare haben zwar eine typisch italienische Struktur, sind trotzdem alle alte Gallizismen
(Migliorini 1990, 96). Weiter umfasste die Definition aus denselben Gründen ebenso wenig
Wörter lateinischen und griechischen Ursprungs. Die faschistische Sprachpolitik bezog sich
demzufolge vor allem auf die Fremdwörter, die später in die italienische Sprache eingetreten
waren und sich dem italienischen System nicht assimiliert hatten. In dieser Hinsicht ist es
nicht unlogisch, dass die Faschisten einfach Wörter französischer Herkunft wie rango,
baionetta oder boicottare und Wörter germanischer Herkunft, etwa guardia oder guerra,
offensichtlich ein zentrales Wort in den Reden des „Duce“, weiter verwendeten, ohne diese in
Frage zu stellen. Im Gegensatz zum traditionellen Purismus wurde also in der faschistischen
Epoche eine viel praktischere Definition verwendet, welche ebenfalls mehr den moderneren
Definierungen des Fremdworts ähnelt. Die Vorgehensweisen waren allerdings nicht ohne
weiteres objektiv, denn die Definierung der Fremdwörter war nur ein erster Schritt. Im
Folgenden wird deutlich werden, wie sehr politische und soziologische Faktoren
gleichermaßen ihre Rolle spielten.
Die Sprachpolitik im Faschismus war des Weiteren ambivalent, weil sie sich vor allem auf
das kommerzielle Gebiet beschränkte. Die eliminierten Fremdwörter gehörten hauptsächlich
zum Fachwortschatz aus den Bereichen der Technologie, Industrie und insgesamt der
Wirtschaft (Tourismus, Bank, Gastronomie usw.), wodurch sie fast keinen Einfluss auf den
normalen Menschen und ihren Alltag hatten (Klein 1986, 116). Die Erklärung für die
Beschränkung liegt in der internationalen Konkurrenz auf dem wirtschaftlichen Gebiet (Klein
30
1986, 130): Italien wollte sich dem Ausland gegenüber als eine vollwertige Nation mit einer
spezifischen und autochthonen Terminologie zeigen. Ganz im Zuge ihrer autarkischen Politik
sollten die Ersetzungen der Fremdwörter ein Zeichen dafür sein, dass Italien völlig
selbständig war, sowohl auf produktiver als auf terminologischer Ebene. In diesem Sinne
erfüllte die Sprache die Funktion eines Symbols der totalen Unabhängigkeit des Landes.
Neben den Fremdwörtern der Technik, Wirtschaft und Industrie kamen schließlich auch
fremde Ausdrücke der kulturellen Produktion und des Sports ins Visier der italienischen
Neopuristen, da diese ebenso sehr als zu exportierende Güter betrachtet wurden (Klein 1986,
145f.).
Die Ambivalenz in der faschistischen Sprachpolitik war weiter den derzeitigen politischen
Verhältnissen und später auch der Kriegslage zuzuschreiben. Bei der sprachlichen
‚Reinigung‘ von fremden Einflüssen wurde viel eher das Französische und Englische visiert,
die Sprachen der feindliche Mächte, aus denen eine große Gruppe der Fachwörter kam, als
das Deutsche, die Sprache des befreundeten, nationalsozialistischen Regimes. Dadurch
wurden deutsche Wörter wie Gauleiter liebend gern verwendet, wie Ille (1980, 210)
beobachtet. Weiterhin waren verschiedene typische Wörter der nationalsozialistischen
Diktatur in Italien zumindest passiv bekannt: Reich, Putsch, Anschluss, Führer usw.24
Deutsche Wörter mit Bezug auf den Krieg waren gleichfalls populär. So waren sowohl das
Fremdwort Blitzkrieg als sein italienisches Äquivalent guerra-lampo geläufige Begriffe in der
italienischen Öffentlichkeit am Anfang des Krieges; später wurden sie jedoch vom Ministero
della cultura popolare verboten (Migliorini 1990, 54).
Eine andere Gruppe von Fremdwörtern, die nicht in die puristische Aktivitäten der Faschisten
einbezogen wurde, ist diejenige von Konzepten (Objekte, Bräuche, Titel usw.), die
ausschließlich von fremden Völkern verwendet werden, und in der italienischen
Sprachgemeinschaft nicht usuell sind, etwa harakiri oder tomahawk (Migliorini 1990, 102).
Dazu gehören auch verschiedene Begriffe, die sich auf die damalige internationale Politik
bezogen und in die italienische Sprache, gerade wie in die anderen europäischen Sprachen,
eingewandert waren: soviet, kolchoz, bootlegger, gangster usw. (Migliorini 1990, 53f.).
24
Beispiele von Migliorini (1990, 54).
31
Im Gegensatz zu den bisher genannten Faktoren, die bewusst eine Ambivalenz zur Folge
hatten, wurde die neopuristische Kampagne ebenfalls durch einen ungewollten Mangel an
Systematik charakterisiert. So wurden sogar Fremdwörter aus den industriellen und
wirtschaftlichen Bereichen manchmal einfach von der Kommission akzeptiert, ohne
irgendwelcher Form von Italianisierung unterworfen zu werden. Meistens handelte es sich um
Wörter, die in der italienischen Sprachgemeinschaft sehr üblich waren und daher schwierig zu
ersetzen: sport, tennis, ciac (‚klitsch klatsch‘), picnic, film, tram, bazar, cognac, camion.25
Dagegen wurde für andere Fremdwörter wie z. B. bar (‚Lokal‘) eine wahre Unmenge von
Vorschlägen gemacht (siehe 2.2.3.2.). Darüber hinaus hatten die Ersetzungen der Kommission
für die italianità della lingua, die ja speziell zur Einführung von Substituten für Fremdwörter
gegründet worden war, seit 1942 keine normative Geltung mehr (siehe 2.2.3.2.).
2.2.3.4. Ergebnisse
Wie Migliorini (1990, 95) bemerkt, empfindet jede puristische Kampagne, unabhängig von
ihrer Kraft und ihren Waffen, einen passiven Widerstand von den Fremdwörtern, weil diese
den Mitgliedern der Sprachgemeinschaft oft üblich sind und sich deshalb nicht ohne weiteres
ersetzen lassen. Nur wenn die Fremdwörter Nachteile mit sich bringen oder die puristischen
Vorschläge Vorteile zeigen, gibt es eine gute Chance auf Erfolg. Zudem brauchen die
Vorschläge eine gewisse Zeit, um sich in der Sprachgemeinschaft einbürgern zu können.
Deswegen gilt es zweifelsohne als ein Nachteil, dass die fremdwortpuristische Arbeit der
Faschisten sich nur am Ende des Regimes entfaltete und dadurch nur wenig Zeit hatte, um
sich zu verbreiten. Außerdem hatte die Sympathie von Seiten der Bevölkerung in dieser Zeit
schon stark abgenommen, was den faschistischen Behörden die Arbeit noch erschwerte.26 In
den Jahren 1929-1934, in denen die Unterstützung des Regimes am breitesten war, hätten die
Vorschläge ohne Zweifel mehr Erfolg gehabt, aber, wie Klein (1986, 115) behauptet, muss
damals der definitive und stabilisierende Konsens gefehlt haben. Daneben resultierte der
ambivalente Charakter des Neopurismus (siehe 2.2.3.3.) in einem Mangel an Systematik,
25
Beispiele von De Mauro (1963, 368) und Klein (1986, 141).
Es ist denn auch nicht erstaunlich, dass in den ersten Jahren nach dem Untergang des Faschismus die
wiedergefundene Freiheit zu einem neuen Aufschwung des Fremdwortgebrauchs in Italien anregte. So traf man
am Ende 1945 in den italienischen Zeitungskiosken eine Menge von Blättern mit Titeln wie Chic, Flirt, Cocktail,
Star, Club, Séparé usw. an (Migliorini 1990, 94). Trotzdem wurden vielen Fremdwörtern in Sprachlexika der
50er Jahre, so konkludiert Leitner (2008, 129) noch immer “feindliche (sprachpolitisch faschistisch geprägte)
Bemerkungen” beigefügt, was darauf hinweist, “dass die puristische Haltung bei den Wörterbuchredakteuren in
den Nachkriegsjahren weiter bestand.”
26
32
welcher keineswegs einen günstigen Einfluss auf die fremdwortpuristischen Ergebnisse hatte.
Letztens ist es wichtig zu bemerken, dass die puristischen Verbote im Faschismus keine
erheblichen Rückwirkungen auf das spontane sprachliche Benehmen der Sprecher hatten, da
sie in erster Linie publizistische oder öffentliche Druckwerke trafen und nur wenig Einfluss
auf den Sprachgebrauch des normalen Volkes übten (Klein 1986, 154). Dies hängt damit
zusammen, dass die meisten Fremdwörter, die von der Kommission behandelt wurden, zur
Fachsprache gehörten und demzufolge weit von der Alltagssprache entfernt waren. Viele der
Wörter waren sogar nicht im Gebrauch und daher den meisten Italienern unbekannt. Klein
(1986, 137) kommt zur Folgerung, höchstens ein Viertel der in den Listen der Kommission
enthaltenen Fremdwörter sei damals tatsächlich in der italienischen Sprachgemeinschaft in
Gebrauch gewesen. Allerdings gehörte ebenfalls eine nicht geringe Gruppe der Neologismen,
von denen sich verschiedene durchsetzen konnten, zur Alltagssprache. Was die Ergebnisse
betrifft, sind drei Gruppen zu unterscheiden (Marongiu/Rossi 2005, 222f.):
a. Ersetzungen, die bei den Sprechern Anklang fanden:
− assenzio für absynthe
− assegno für check/chèque
− sportello für guichet
− autista für chauffeur
− regista für régisseur
− accordo für agreement
− libretto/taccuino für carnet
− obitorio für morgue
Bei solchen erfolgreichen Ersetzungen ist es, wie Migliorini (1990, 94) bestätigt,
schwierig, zu bestimmen, in welchen Fällen dies die Folge des behördlichen Zwangs
war und in welchen es sich hier um spontane Anpassung handelt. Der Erfolg einer
Übernahme konnte z. B. bestimmt werden von der Unterstützung einer autoritären
Person oder Zeitschrift:
Regìa e regista non avrebbero così rapidamente trionfato […] se non avessero
mosso i primi passi dalle pagine d’una rivista teatrale e se non fossero stati
energicamente appoggiati da una autorità in materia come quella di Silvio
D’Amico. (Migliorini 1990, 106)
33
b. Beide Wörter werden verwendet, manchmal mit semantischem Unterschied:
− arresto und stop
− villetta und chalet
− rimessa und garage
c.
Ersetzungen, die keinen Erfolg hatten:
− tassellato für parquet
− uovo scottato für uovo alla coque
− alla frutta/fin di pasto für dessert
− gineprella für gin
− arlecchino für cocktail
− festivale für festival
Im Allgemeinen wird die faschistische Kampagne gegen die Fremdwörter als ein Misserfolg
betrachtet.27 Eine Analyse von Leitner (2008, 129) z. B. “hat gezeigt, dass nur sehr wenige
Fremdwörter, die während des Faschismus „verbannt“ wurden, tatsächlich nicht mehr in den
Lexika der Nachkriegszeit verzeichnet sind.” Sie untersuchte insgesamt 36 Fremdwörter, von
denen nur drei ganz von ihren Ersetzungen verdrängt worden sind: chauffeur/autista,
goûter/merenda und regisseur/regista. Jedoch kann man nicht von einem totalen Fehlschlag
sprechen, wenn man mit den Umständen rechnet, wie Jens Baele (2010), einer meiner
Kommilitonen, in seiner lexikografischen Studie konkludiert. Er hat eine Gruppe von 184
Fremdwörtern und ihren Ersetzungen untersucht, die alle aus dem semantischen Bereich der
Gastronomie stammen und daher zum größten Teil zur Alltagssprache gehören. In 27,9 % der
Fälle waren die Vorschläge im Stande, die Fremdwörter zu verdrängen und ihre Bedeutung zu
übernehmen. Dies ist nicht wirklich eine große Zahl, bildet aber nach seiner Meinung ein
relativ gutes Ergebnis, wenn man die beschränkte Dauer und die mangelhafte Systematik der
Vorgehensweisen im Hinterkopf hat.
Als besonders erfolgreicher Bereich ist zuletzt die Sportterminologie, sicherlich in Bezug auf
den Fußball, zu erwähnen. Viele Italianisierungen haben die englischen Begriffe völlig ersetzt
27
Mehr Erfolg wurde im Bereich der Eigennamen erzielt. Am bekanntesten sind die Italianisierungen von
Ortsnamen in der Provinz Südtirol sowie die Anpassung von fremden Familiennamen.
34
oder sind zusammen mit den Fremdwörtern in Gebrauch, aber meistens mit höherer Frequenz
für die italienischen Ausdrücke28:
a. Völlige Ersetzung der Fremdwörter durch italienische Begriffe:
− traversa für bar (‚Latte‘)
− fallo für fault
− campo für field
− portiere für (goal)keeper
− arbitro für referee
− tacchetti für studs
− colpo di testa für heading
b. Sowohl die fremde als die italienische Variante kommen vor:
− rigore und penalty
− fuori gioco und off-side
− angolo und corner
− traversone und cross
− rete und goal
2.2.4. Koloniale Sprachpolitik
Eine Besonderheit in der faschistischen Sprachpolitik wird dargestellt von den
sprachbezogenen Aktivitäten in Bezug auf die italienischen Kolonien. Schon bald nach dem
Risorgimento zeigte Italien seine kolonialen Bestrebungen, welche ihren Ursprung fanden im
Wunsch des neuen Staates, sich mit anderen imperialen Nationen messen zu können. Der
italienische Kolonialismus fing schon in den letzten Jahrzehnten des neunzehnten
Jahrhunderts an und bildete ebenfalls einen wesentlichen Teil der autarkischen Politik
Mussolinis, der träumte von der Ausbildung Italiens zu einer imperialen Großmacht und der
die italienische Kultur im Ausland verbreiten wollte, um das Prestige der Nation zu
28
Beispiele von Marongiu/Rossi (2005, 223). Manche Wörter wurden aber nicht ersetzt, wie z.B. assist,
dribbling und stopper.
35
verstärken.29 Der italienische Expansionsdrang konzentrierte sich vor allem auf Afrika, mit
Libyen, Äthiopien und Somalia als wichtigste Kolonien.
Die Sprachpolitik in Bezug auf die Kolonien Italiens stellt einigermaßen eine Ausnahme dar,
weil sie die Anwendung von Fremdwörtern in der kolonialen Literatur erlaubte.30 Diese
Literatur war darauf gezielt, das koloniale Bewusstsein in der italienischen Gesellschaft zu
verbreiten. Die Autoren wollten in ihren kolonialen Romanen eine unbekannte Welt für das
italienische Volk erschließen und visuell machen mittels der Fremdwörter, die meistens
angewendet wurden, um typische Orte, Bräuche, Objekte und Personen zu bezeichnen, aber
die manchmal auch wegen ihrer evokativen Möglichkeiten gewählt wurden. Ricci (2005,
123ff.) unterscheidet zwei Gruppen von Fremdwörtern in der kolonialen Literatur:
a. „Glossierte“ Fremdwörter (esotismi „glossati“): Die Fremdwörter werden akzentuiert
mittels der Verwendung von Kursive oder Anführungszeichen und einer Übersetzung,
die zwischen Klammern, einfach nach dem fremden Begriff oder aber in einer Fußnote
erwähnt wird. Diese zusätzlichen Maßnahmen lassen sich selbstverständlich erklären
durch die, meistens völlige, Unbekanntheit der afrikanischen Wörter innerhalb des
italienischen Sprachgebietes. Sie verringern zwar den bildhaften Wert einer Stelle,
aber dagegen wird die Lesbarkeit des Textes erheblich gesteigert. Als Beispiele sind
hier einige Abschnitte wiedergegeben aus Profumo di terra vergine von Mario dei
Gaslini (1931)31:
giunsi davanti al portone verde poco dopo l’ascià, cioè circa un’ora prima del
tramonto (49); portava ai polsi due braccialetti, l’uno di ferro massiccio, il
suár, l’altro di argento sottile (debli) (50); indossava la hmègia bara harír
(camicia) […] le avvolgeva il capo l’ardà harír, una mantiglia di mussolina
turchiniccia traversata da piccoli fiori d’argento (50); sopra la camicia portava
un figaretto d’argento a intrecci verdi, che si innestava alla cintura colla
abruk-belfedda, la sciarpa di seta a fiori (51).
29
Italien ist jedoch in seiner ungefähr 60 Jahr dauernden Kolonialgeschichte nie auf die Höhe anderer großer
kolonialer Mächte gekommen.
30
Eine andere Seite des Umgangs mit kolonialen Begriffen entspricht mehr der faschistischen Sprachpolitik und
bezieht sich auf die Italianisierung von Namen von Orten, Straßen und Plätzen der kolonisierten Gebiete (Ricci
2005, 200ff.). Trotzdem waren auch koloniale Namen populär. So wurden in Italien Namen von kolonisierten
Ländern, kolonialen Regionen, Städten usw. sowohl von Eltern ihren Kindern gegeben (Addis, Africa, Bengasi
usw.), als für Straßen im sogenannten ‚afrikanischen Viertel‘ (quartiere africano), einer Zone in Rom (Eritrea,
Asmara, Senafè usw.) verwendet (Ricci 2005, 190f.). Der Umgang mit Eigennamen wird aber in der
vorliegenden Arbeit nicht behandelt, und daher wird darauf nicht näher eingegangen.
31
Zitiert nach Ricci 2005, 125.
36
b. Nicht-glossierte Fremdwörter (esotismi non glossati): Der Autor verzichtet darauf,
dem Leser zusätzliche Informationen zum fremden Ausdruck zu liefern. Es gibt zwei
Typen von nicht-glossierten Fremdwörtern:
1. Wegen stilistischer Vernachlässigung oder Unbekümmertheit um die
Verständlichkeit wird das Fremdwort in einen Kontext gestellt, der für die
Interpretation ungünstig ist, wodurch der Begriff unverständlich bleibt für die
meisten Leser:
Il suono dolce dei nekalim e dei chalil (Tedesco Zammarano 1935,
62).32
2. Die Bedeutung des Fremdworts wird nicht explizit im Text mitgeteilt, ist aber
trotzdem deutlich durch den Kontext oder die Wahl mehr bekannter und
verbreiteter Begriffe. In diesen Fällen ist die Verständlichkeit jedoch weniger
gewährleistet. Dagegen wird die evokative Funktion der fremden Ausdrücke
besser bewahrt. Folgende Beispiele kommen aus einem kolonialen Roman von
Enrico Cappellina (1931, 7ff.)33:
Il negarit suona per le tue nozze; si tolse la futa sino alla cintola; la
porta del tucùl s’aperse.
Die häufige Verwendung von afrikanischen Fremdwörtern in den kolonialen Romanen
scheint vielleicht nicht in Übereinstimmung zu sein mit der faschistischen Sprachpolitik, aber
viele dieser afrikanischen Wörter gehören zur Gruppe von Wörtern, die fremde Konzepte
bezeichnen und daher in der italienischen Sprachgemeinschaft gar nicht usuell sind wie
harakiri und tomahawk (siehe 2.2.3.3). Dennoch wurde die Verwendung dieser Fremdwörter
nicht von allen akzeptiert. So äußerten Kritiker 1937 und 1939 ihre Zweifel und luden
Autoren ein, diese Fremdwörter in ihren Romanen aufzugeben, weil sie mit ihrer Kraft der
Faszination die Flucht aus der Realität stimulierten und auf diese Weise das Ziel der
kolonialen Literatur, nämlich die Förderung der Verbreitung und Kontrolle des kolonialimperialistischen Systems, gerade gefährdeten (Pagliara 2001, 10).34
32
Zitiert nach Ricci 2005, 127.
Idem.
34
Zitiert nach Ricci 2005, 114.
33
37
3. Nationalsozialismus
3.1. Deutscher Fremdwortpurismus
Gerade wie in der Sprachpolitik des italienischen Faschismus gab es in Deutschland vor dem
Nationalsozialismus, aber auch noch während des ‚Dritten Reichs‘, fremdwortpuristische
Strömungen, die sich der Verwendung von Wörtern aus anderen Sprachen, zu denen eine
wesentliche Gruppe des deutschen Wortschatzes gehört, widersetzten und für eine Ersetzung
durch heimische Elemente plädierten. Im deutschen Kontext war die Ablehnung und
Abwertung anderer Sprachen viel weitgehender verbunden mit nationalistischen Ansprüchen
als im italienischen Purismus (siehe 2.2.2.). Der deutsche Fremdwortpurismus des
neunzehnten Jahrhunderts war auf keinen Fall linguistisch, sondern hauptsächlich politischideologisch motiviert und verhielt sich im Allgemeinen viel fremdenfeindlicher und
gewaltsamer als sein italienisches Äquivalent. Dass die Zeit vor dem Nationalsozialismus
geprägt wurde vom Fremdwortpurismus, macht die Haltung der Nationalsozialisten innerhalb
der Fremdwortproblematik desto auffallender, aber dennoch nicht weniger logisch, wenn man
auf ihre Beweggründe und Funktionen Rücksicht nimmt (siehe 3.2.). In diesem Kapitel wird
die Geschichte des deutschen Fremdwortpurismus kurz dargelegt mit besonderer Beachtung
ihres Verhältnisses zum Nationalsozialismus.
3.1.1. Die ‚Fremdwortjagd‘ vor 1933
Der Kampf gegen Fremdwörter wurde in Deutschland schon seit dem siebzehnten und
achtzehnten Jahrhundert geführt, aber er war in dieser Zeit nur ein Aspekt des allgemeinen
Sprachpurismus, dessen primärer Zweck das Streben nach einer normierten hochdeutschen
Standardsprache war, um die lateinische und französische Vorherrschaft entgegenzutreten.35
Obwohl diese Sprachpuristen sich dem übermäßigen Gebrauch von Fremdwörtern
widersetzten, traten sie im Allgemeinen gemäßigter auf als die späteren Fremdwortpuristen,
da die Fremdwörter „nicht wie im 19. und 20. Jh. chauvinistisch abgelehnt, sondern vielmehr
angeeignet bzw. in verdeutschter Form übernommen wurde[n]“ (Kirkness 2000, 408). Zudem
konzentrierten sich die Sprachpuristen dieser Zeit nicht nur auf die Fremdwortproblematik,
sondern sie beschäftigten sich ebenfalls mit innersprachlichen Themen wie z. B. Dialekten.
35
Weitere Informationen dazu: Kirkness 2000, 407-410.
38
Es war erst nach 1789, dass sich die Sprachpuristen allmählich auf die Wörter
fremdsprachiger Herkunft richteten.36 Dies hing in erster Linie zusammen mit der
Französischen Revolution und den politischen Veränderungen der Napoleonischen Zeit, die
dazu beitrugen, dass der Sprachpurismus immer mehr unter den Einfluss ideologischer und
politischer Ziele kam.37 Dazu kam noch „ein kleinbürgerlich-demokratisches Unbehagen am
akademischen Fremdwortstil hinzu“ (Von Polenz 1979, 10), wodurch der deutsche
Fremdwortpurismus im neunzehnten Jahrhundert nach und nach wuchs. Am Anfang hatte die
Bewegung trotzdem wenig Erfolg in der Öffentlichkeit, und populär wurde sie erst in den
Jahrzehnten nach der Reichsgründung 1871, was direkt zusammenhing mit ihrer
Institutionalisierung im neuen Deutschen Kaiserreich. Die Gründung des neuen deutschen
Staates und der Sieg im Deutsch-Französischen Krieg waren verknüpft mit starken
nationalistischen und antifranzösischen Gefühlen, die sich als ein sehr fruchtbarer Boden für
den Fremdwortpurismus erwiesen. Die Fremdwortverdeutschungen dieser Zeit, von denen
viele auch noch heutzutage im Gebrauch sind, fanden in verschiedenen Bereichen des
öffentlichen Lebens statt, wie der Post (Correspondenzkarte → Postkarte, per express →
durch Eilboten, Couvert → Briefumschlag), dem Heer (Charge → Dienstgrad, Anciennität →
Dienstalter) und der Eisenbahn (Coupé → Abteil, Perron → Bahnsteig).38 Eine sehr wichtige
Bewegung für den Kampf gegen die Fremdwörter und für die Fremdwortverdeutschung war
der Allgemeine deutsche Sprachverein, der 1885 von Herman Riegel gegründet wurde. Der
Verein, der sich am Anfang vor allem auf das Französische und später auch auf englische
Wörter konzentrierte, hatte ein deutlich fremdwortpuristisches Ziel, das eng verbunden war
mit der Verbreitung nationalistischer und deutschtümelnder Gefühle, wie Kirkness (2000,
413) erklärt:
Der dreifache Zweck des Vereins bestand laut Satzung darin, die Reinigung der
dt. Sprache von unnötigen fremden Bestandteilen zu fördern, die Erhaltung und
Wiederherstellung des echten Geistes und eigentümlichen Wesens der dt.
Sprache zu pflegen, und auf diese Weise das allgemeine nationale Bewußtsein
im deutschen Volk zu kräftigen.
36
Kirkness (2000, 407) beschreibt die Zeit von 1789 bis 1819 als die Phase, „in deren Verlauf sich der
entscheidende Wandel vom Sprachpurismus zum Fremdwortpurismus vollzieht“.
37
Man bemerke aber, dass nicht alle Fremdwortpuristen aus ideologischen Gründen handelten. Das bekannteste
Beispiel ist Joachim Heinrich Campe (1746-1818), der wichtigste Fremdwortpurist der deutschen Sprache, der
sich einsetzte für die Verdeutschung der Fremdwörter, nicht weil er getrieben wurde durch etwa nationalistische
Bestrebungen, sondern weil er meinte, diese Wörter wären eine Behinderung für die allgemeine Verständlichkeit
der deutschen Sprache.
38
Beispiele von Kirkness 1975, 362 ff. Zitiert nach von Polenz 1999, 269.
39
Obgleich der Verein dafür plädierte, nur die unnötigen fremden Bestandteile aus der
deutschen Sprache zu entfernen, vertrat er in der Praxis einen sehr extremen
Fremdwortpurismus, der treffend formuliert wird in seinen zwei bekannten Leitsprüchen:
“Kein Fremdwort für das, was deutsch gut ausgedrückt werden kann” und “Gedenke auch,
wenn du die deutsche Sprache sprichst, daß du ein Deutscher bist” (vgl. Kirkness 2000, 413;
Von Polenz 1999, 271). Zu dem Verein gehörten vor allem Geschäftsleute, (Hochschul)lehrer
und Beamte. Universitätsgermanisten hielten sich dagegen im Allgemeinen ferner von der
Bewegung und übten sogar manchmal Kritik, welche aber keinen Erfolg hatte.
Während des Ersten Weltkrieges wurde der deutsche Nationalismus noch heftiger und mit
ihm auch die Aktivitäten des Sprachvereins, der anfing, u.a. Orts- und Straßennamen,
allerhand Beschriftungen in der Öffentlichkeit und Speisekarten zu ändern. Darüber hinaus
wurde manchmal Personen, die diese Regeln nicht befolgten, eine Strafe auferlegt. Die
extremen Standpunkte des Vereins werden unterstrichen durch ihren Versuch, die deutschen
Monatsbezeichnungen
zu
verdeutschen:
Jänner,
Hornung,
Lenzmond,
Ostermond,
Wonnemond, Sonnwend, Heuert, Aust, Scheidung, Gilbhart, Nebelung, Christmond.39 Nach
dem Krieg nahm der Erfolg der Bewegung, die ab 1923 einfach Deutscher Sprachverein hieß,
wieder einigermaßen ab, um am Ende der zwanziger Jahre wieder zu steigen und in den ersten
Jahren des nationalsozialistischen Regimes einen neuen Höhepunkt zu erreichen.
3.1.2. Deutscher Sprachverein im Nationalsozialismus
Nach dem Ergreifen der Macht durch die Nationalsozialisten suchte der Deutsche
Sprachverein deutlich Annäherung zur Partei. Die Bewegung, die sich die Sprachpolitik
Mussolinis zum Vorbild nahm, hoffte, dass sie ihre Zwecke mit Hilfe der neuen Diktatur
verwirklichen konnte, und nannte sich sogar die „SA unserer Muttersprache“ (vgl. Kirkness
2000, 414; Von Polenz 1999, 277).40 Es war jedoch alles eitle Hoffnung, denn die Sprache der
bedeutendsten Nationalsozialisten war durch ihre vielfache Verwendung von Fremdwörtern
den fremdwortpuristischen Ansprüchen gerade entgegengesetzt. Es dauerte denn auch nicht
lange, bis einige Mitglieder des Vereins Kritik übten an den obersten Naziführern und sogar
39
Beispiele von Bernsmeier 1980, 123ff. Zitiert nach von Polenz 1999, 277.
Die Annäherung kann laut von Polenz (1999, 277) aber auch erklärt werden als ein „Versuch der
Kompensation einer rückläufigen Tendenz“ in der Popularität des Vereins zwischen 1930 und 1933.
40
40
an Hitler selbst mit der Bitte um Vermeidung der Fremdwörter in Zukunft.41 Sie dachten, dem
„Führer“ helfen zu können, indem er für das ganze Volk verständlich sprechen würde, ohne
daran zu denken, dass dies gar nicht immer die Absicht Hitlers war. Sie erließen verschiedene
Aufrufe in ihrer Zeitschrift Muttersprache, wie der folgende Abschnitt demonstriert:
Wer zu allen Volksgenossen spricht, wer auf alle einwirken will, dessen Pflicht ist es,
so zu sprechen, daß er allen verständlich sei. Wer Deutsche führen will, muß deutsch
zu ihnen reden. (Muttersprache 48, 1933, 97f.)
Der Deutsche Sprachverein schlug von 1933 bis 1935 Alternativen vor für die Fremdwörter
der Partei, so etwa Werbeminister für Propagandaminister, Sammel-, Zwangs- oder Straflager
für Konzentrationslager und Entmannung, Unfruchtbarmachung für Sterilisation.42 Die
prominenten Mitglieder des Vereins verteidigten allerdings die Haltung des „Führers“ und
konzentrierten sich dagegen auf Fremdwörter im öffentlichen Leben. Sie plädierten
beispielsweise für nicht-fremdsprachliche Bezeichnungen in Speisekarten und auf
Ladenschildern und für eine fremdwortfreie Sprache im Rundfunk und in amtlichen Texten.
Ihre Fremdwortverdeutschungen und deutschtümelnde Ideen wurden von vielen Deutschen,
sogar von manchen wichtigen Nazis wie Göring, positiv empfangen, aber nie von Hitler,
Goebbels und Himmler. Auch auf akademischer Ebene wurden Vorschläge gemacht, welche
ebenfalls nur wenig Erfolg bekamen: Hochschulführer (Rektor), Seelkunde (Psychologie),
hochschulhaft (akademisch).43
Ein weiterer Schritt wurde 1936 getan, als auch der antisemitische Charakter des
Nationalsozialismus im Deutschen
Sprachverein
aufgenommen
wurde und
neben
nationalistischen Motivierungen jetzt auch rassistische ihren Weg im Verein fanden.
Triebfeder dieser Initiative war Alfred Götze mit seiner Kritik am Wort Keß (vgl. von Polenz:
1999, 279; 1979, 12 f.): ein Wort, das aus dem Jiddischen stammt und via die Gaunersprache
ins Deutsche gekommen ist. Auch Wörter wie berappen, beschummeln, Kittchen, Kohldampf
usw. wurden kritisiert wegen ihrer jüdischen Herkunft. Es handelt sich hier aber um Wörter,
die zur Alltagssprache gehörten und von den Sprechenden gar nicht als Fremdwörter erkannt
wurden. Im Gegensatz zu den meisten anderen verdeutschten Fremdwörtern wird hier bloß
die Etymologie in Betracht gezogen und sind keine fremdsprachlichen Elemente mehr im
41
Ihre Kritik ging allerdings weiter als bloß am Fremdwortgebrauch. Andere Aspekte der nationalsozialistischen
Sprache, wie z. B. die Abkürzungsmanie (vgl. Simon 1995, 65 f.), wurden auch abgewertet.
42
Beispiele von von Polenz (1999, 278).
43
Idem.
41
aktuellen Zustand der Wörter zu beobachten. Demzufolge kann hier nicht von Fremdwörtern
die Rede sein. Trotzdem bekam Götze schon bald Nachfolge, und wurden von verschiedenen
Personen ähnliche Beiträge geliefert.
Der Verein bekam durch seine Kritik schon mehrere prominente nationalsozialistische
Gegner, aber der wirkliche Untergang wurde 1937 eingesetzt, als sich herausstellte, dass
Eduard Engel, ein leidenschaftlicher Vorkämpfer des Fremdwortpurismus aus der Zeit des
Ersten Weltkrieges und ein Ehrenmitglied des Vereins, ein Jude war.44 Als danach auch
Goebbels sich an einem öffentlichen Treffen abfällig über den Verein äußerte, wurden die
fremdwortpuristischen Aktivitäten größtenteils eingestellt.45 Diese Einstellung wurde
bekräftigt durch eine Erklärung des Vorsitzenden des Vereins, Dr. Rudolf Buttmann, in der
öffentlich auf die Fremdwortjagd verzichtet wurde.46 Nachdem 1938 der Presse untersagt
wurde, noch über fremdwortpuristische Themen zu schreiben, kam schließlich das offizielle
Ende des Deutschen Sprachvereins 1940 durch einen Erlass von Hitler selbst.
3.2. Nationalsozialistischer Umgang mit Fremdwörtern
3.2.1. Misserfolg der Fremdwortpuristen im ‚Dritten Reich‘
3.2.1.1. Abneigung gegen den Fremdwortpurismus
Auf den ersten Blick scheint die fremdwortfreundliche Haltung der nationalsozialistischen
Führung vielleicht eine Überraschung zu sein, weil das pränazistische Deutschland, wie sich
im vorigen deutlich gezeigt hat, eine überaus starke fremdwortpuristische Tradition gekannt
hat. Man könnte demnach erwarten, gleichwie die meisten damaligen Fremdwortjäger
gemacht haben, dass man in einem extrem nationalistischen und xenophoben Regime wie
dem Nationalsozialismus diese Tendenz einfach fortgeführt hätte. Zudem galt die
faschistische Sprachpolitik Italiens gar nicht als ein Vorbild für Hitler, obwohl der „Führer“
mehrmals seine Bewunderung für Mussolini ausgesprochen hatte und viele Aspekte seines
‚Dritten Reichs‘ völlige Nachahmungen der faschistischen Diktatur bildeten:
44
Ein bekanntes Zitat von ihm aus Muttersprache (52, 1937, 141ff.) lautet: „Nur ein deutschsprechendes
deutsches Volk kann Herrenvolk werden und bleiben.“
45
Laut Simon (1995, 73) ist Goebbels Seitenhieb nicht in erster Linie der Kritik des Vereins an der Sprache der
NS-Führer zuzuschreiben, sondern war sie vor allem eine machtpolitische Wahl, mit der Goebbels die Ehrgeiz
mancher Fremdwortpuristen Einhalt gebieten wollte.
46
Der Deutsche Sprachverein bekundete außer dem Fremdwortpurismus zwar noch mehrere andere, weniger
politisch inspirierte Arten von Sprachpflege, wie etwa in Sachen Wortbildung, Auslandsdeutschtum,
Aussprache, usw. (vgl. von Polenz 1999, 282).
42
Aber so wie der Titel Führer nur eine Verdeutschung von Duce ist, und das
Braunhemd nur eine Variation des italienischen Schwarzhemds, und der Deutsche
Gruß nur eine Nachahmung des Faschistengrußes, so ist die gesamte Filmaufnahme
solcher Szenen als Propagandamittel, so ist die Szene selber, die Führerrede vor dem
versammelten Volk, in Deutschland dem italienischen Vorbild nachgeformt worden.
(Klemperer 1969, 56)
Trotz dieses faschistischen Einflusses und der deutschen Tradition von Fremdwortpuristen
entschieden sich die nationalsozialistischen Leiter dafür, einen ganz anderen Kurs zu nehmen.
Für die Ablehnung der Fremdwortpuristen von Seiten der Nationalsozialisten gibt es mehrere
Gründe.
Ein erster wichtiger Aspekt war ihre negative Haltung gegenüber der Deutschtümelei, die,
analog zur faschistischen italianità, weit verbreitet war bei der Mehrheit der
Fremdwortpuristen. Diese betrachteten die Sprache nicht pragmatisch, sondern wurden
ausschließlich von romantischen, nationalistischen Gefühlen beseelt. Fremdwörter waren
nach ihrer Ansicht ohne Vermittlung der Sprecher in die Sprache eingedrungen und wurden
daher als ein Symbol von Überfremdung aufgefasst. Eine reine deutsche Sprache, gesäubert
von allen fremden Elementen, betrachteten sie als notwendig für die Wiederherstellung des
romantischen Deutschlands. Mit dem Aufmarsch des Nationalsozialismus wurde Hitler schon
bald gesehen als die ideale Person für die Realisierung dieser Ideale, aber zum Leidwesen der
Fremdwortpuristen hatten die Naziführer, im Gegensatz zu Mussolini und den italienischen
Faschisten, gar keine Sympathie für diese Deutschtümelei:
Goebbels hat in einer Presseanweisung vom 23. 10. 1935 die „völkischen Propheten“
verhöhnt, „von denen der Führer in seinem Buch „Mein Kampf“ sagt, sie würden sich
am liebsten wieder mit Bärenfellen bekleiden, und die im übrigen behaupten, sie
hätten den Nationalsozialismus schon vierzig Jahre vor ihm erfunden“. (Von Polenz
1999, 281)
Hitler war des Weiteren, ungeachtet seiner rassistischen Auffassungen von ‚Nation‘ und
‚Nationalstaat‘, ein entschiedener Gegner der Germanisierung durch Sprache (Von Polenz
1999, 156f.). Wie er in Mein Kampf (2009, 353ff.) erklärte, lagen Volkstum und Rasse für
ihn nicht in der Sprache, sondern im Blut, und demzufolge bildeten Fremdwörter im
Deutschen gar keine Unreinheiten. Goebbels äußerte sich auf ähnliche Weise im Völkischen
Beobachter:
43
Unsere heutigen deutschtümelnden Sprachakrobaten vergessen meistens, daß die
Deutschheit aus dem Wesen unseres Volkes und nicht aus einer erdachten Theorie
abgeleitet werden muß.47
Die Unabhängigkeit der deutschen Sprache von der nationalen Identität ist durchaus logisch,
wenn man daran denkt, dass das Deutsche gleichfalls die Muttersprache vieler Juden war. In
dem Sinne konnte die Sprache für die Nationalsozialisten unmöglich eine Grundlage der
deutschen Identität bilden.48 Diese Ansicht steht im klaren Gegensatz zu derjenigen der
italienischen Faschisten, welche eine reine und einheitliche Sprache für eine unbedingte
Voraussetzung der italienischen Nation hielten (siehe 2.2.1.).
Den Naziführern war es weiterhin klar, dass viele Eindeutschungen unpraktisch und gerade
nicht verständlicher waren als die Fremdwörter, und dass die Annahme von Fremdwörtern ein
natürlicher Prozess ist, der in jeder Sprache vorkommt. Hitlers Gedanken hierüber werden in
den sogenannten Tischgesprächen (Picker 1963, 192f.) wiedergegeben. Seiner Meinung nach
sollte mit der Aufnahme einer ausländischen Erfindung oder eines von Ausländern geprägten
Begriffs gleichfalls die fremde Form übernommen werden:
Es ist ein Gebot der Aufrichtigkeit, mit dem Wort Theater (auch) die Institution als
solche abzulehnen. Eine Gemeinheit wäre es, die Institution zu übernehmen, aber so
zu tun als hätten wir sie erfunden.
Er glaubte, die meisten Deutschen seien auf keinen Fall im Stande, geeignete
Eindeutschungen für Fremdwörter vorzuschlagen. Diese Angelegenheit sei nur den größten
Denker eines Volkes – Hitler nennt Schopenhauer als einziger zuständiger – vorbehalten.
Schließlich sah der „Führer“ Fremdwörter nicht als eine Bedrohung, sondern als eine
Bereicherung der deutschen Sprache. Er hat mehrmals vom Leder gezogen gegen die
Fremdwortpuristen, welche er als „die Todfeinde der deutschen Sprache“ (Picker 1963, 192)
bezeichnete. Goebbels konnte sich ebenso wenig finden in die künstlichen Verdeutschungen,
etwa Brotgemeinschaft für Kompanie, Meuchelpuffer für Revolver oder Streifen-Selb für
Zigarettenautomat, weil sie möglicherweise „eine geradezu babylonische Sprachverwirrung“
verursachen würden (Simon 1995, 72). Fremdwörter an sich sind auf jeden Fall nicht
47
Zitiert nach von Polenz 1967, 94f.
Im Gegensatz zu den Fremdwörtern wurden Eigennamen nicht germanischen Ursprungs von den Behörden
häufig nicht akzeptiert. Hier kam der rassische Aspekt schon in Betracht und wurden Namen, die als typisch
‚deutsch‘ galten, ohne weiteres bevorzugt. Klemperer (1969, 80ff.) bemerkt, dass christliche Vornamen deutlich
mit einem negativen Ruf verbunden waren, da ihre Träger oft mit der Opposition assoziiert wurden und dass
sicherlich Namen, die aus dem Alten Testament stammen, verboten waren. Ein deutsches Kind konnte keinen
Namen wie Lea oder Sara bekommen. Gleicherweise wurden für die Orte im deutschen Territorium (nicht
diejenigen in den okkupierten Ländern) nur germanische Namen akzeptiert.
48
44
unverständlicher als eventuelle Eindeutschungen, auch wenn viele Fremdwortpuristen
meinten, dem „Führer“ helfen zu können, um verständlicher zum Volk zu reden. Behaupten,
dass die Nationalsozialisten sich den Fremdwortpuristen an erster Stelle wegen dieser
Unverständlichkeit mancher Eindeutschungen widersetzten, wäre trotzdem ein Irrtum, denn,
wie sich im Folgenden noch herausstellen wird, setzten die Nazis Fremdwörter oft ein für
Ziele, die der allgemeinen Verständlichkeit gerade entgegensetzt waren.
Ungeachtet der starken Aversion konnten die Nationalsozialisten ihre negativen Gedanken
über
die
Fremdwortpuristen
vor
der
Machtergreifung
und
am
Anfang
des
nationalsozialistischen Regimes nicht allzu öffentlich äußern, denn zu den Deutschtümelnden
gehörte ein nicht geringe Zahl der deutschen Bevölkerung, die sie im Wahlkampf und beim
Ausbau der neuen Diktatur brauchten. Jedoch mussten sie nie dem puristischen Zwang
erliegen und konnten sie nach einigen Jahren die Fremdwortjäger ganz mundtot machen. Dies
war möglich durch eine quasi vollständige Beherrschung der Kommunikation, Sprache und
Öffentlichkeit im Nationalsozialismus, die diejenige der italienischen Diktatur weit überlegen
waren (vgl. Ille 1980, 213). Da Mussolini, der übrigens kein extremer Fremdwortpurist war
(siehe 2.2.3.2.), immer mehr mit den Wünschen anderer Instanzen rechnen musste, ist es sehr
wahrscheinlich, dass für ihn, eine antipuristische Haltung nicht möglich gewesen wäre.
Die Ablehnung des Fremdwortpurismus wurde im Zweiten Weltkrieg noch gesteigert durch
die nationalsozialistische Expansionspolitik, denn nach der Besetzung der europäischen
Länder profilierte sich das nazistische Deutschland immer mehr als Verteidiger West-Europas
(vgl. von Polenz 1999, 281), aufs Neue ein scharfer Kontrast mit den italienischen Faschisten,
die eine deutlich autarke Politik führten und sich viel weniger mit solchen ausländischen
Aufgaben beschäftigten. In dieser Hinsicht sollte die deutsche Sprache einen internationalen
Charakter zeigen, mit der Folge, dass von Fremdwortpurismus gar nicht mehr die Rede sein
konnte. Es ist daher auch kein Zufall, dass der Deutsche Sprachverein gerade 1940 durch
einen Erlass Hitlers offiziell zu Ende kam.
3.2.1.2. Andere Probleme des deutschen Fremdwortpurismus
Außer dem direkten Widerstand der Nationalsozialisten, der schon allein das Überleben des
Fremdwortpurismus im ‚Dritten Reich‘ unmöglich machte, hatte die Bewegung noch mit
45
einigen anderen Problemen zu tun in Bezug auf die fremdwortpuristische Vorgehensweise,
die deutsche Sprachgeschichte und den traditionellen deutschen Umgang mit Fremdwörtern.
Ein fundamentales Problem war die reine Bewertung der Wörter nach ihrem Ursprung, ohne
dass dabei die gegenwärtige Funktion im sprachlichen System in die Untersuchung
einbezogen wurde. Die Fremdwortpuristen zogen nicht in Betracht, dass Fremdwörter auf
natürliche Weise von Sprechern aufgenommen werden und einen wesentlichen Teil jeder
Sprache bilden. Die etymologische Haltung bei der Untersuchung von Wörtern war allerdings
ein allgemeines Phänomen der traditionellen Linguistik im deutschen Sprachraum, und da die
meisten Fremdwortpuristen mit dieser Vorgehensweise mehr oder weniger bekannt waren,
handelt es sich ohne weiteres um „popularisierte und pervertierte Wissenschaft“ (Von Polenz
1979, 15). Die Nationalsozialisten dagegen zeigten eine viel pragmatischere Haltung, indem
sie interessiert waren an den synchronen Eigenschaften des Wortes, nicht etwa aus einem
wissenschaftlichen Bewusstsein heraus, sondern weil sie das Fremdwort für ihre politischen
Zwecke gebrauchen und vor allem missbrauchen konnten (siehe 3.2.2.).
Zweitens soll noch mal darauf hingewiesen werden, dass der italienische Fremdwortpurismus
Teil war eines allgemeinen Sprachpurismus, der helfen sollte bei der Verbreitung der
Standardsprache, welche viele Italiener in den ersten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts
nicht oder nur mangelhaft kannten. In Deutschland dagegen gab es schon am Ende des
achtzehnten Jahrhunderts eine Art Standardsprache, die im ganzen deutschen Sprachraum
akzeptiert war und die die meisten Deutschen zumindest passiv kannten (Kirkness 2000, 410).
In dem schon zitierten Proemio (siehe 2.1.) beschreibt Ascoli (1967, 5ff.) die Ursachen dieser
sprachlichen Einheit. In Deutschland gab es ebenso wenig wie in Italien eine starke, zentrale
Metropole, aber trotzdem eine, bereits im sechszehnten Jahrhundert einsetzende, andere
unifizierende Bewegung, nämlich die Reformation von Luther und die Verbreitung seiner
Bibelübersetzung. Durch den Unterricht und die Lektüre der heiligen Texte wurde ein hoher
Grad von linguistischer Homogenität erreicht, auch wenn die politische und kulturelle Einheit
noch nicht realisiert worden war. Darüber hinaus wurde die deutsche Einheit in der ersten
Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts, also noch mehrere Jahrzehnte vor der politischen
Einheit, weiter verstärkt auf wirtschaftlicher Ebene mit der Gründung des Deutschen
Zollvereins (1834). Hitler wurde dank dieser unifizierenden Tendenzen nicht mit dem
Problem der sprachlichen Einheit konfrontiert, während der Mangel an einer italienischen
46
Einheitssprache dazu beitrug, dass die Lage für den Sprach- und Fremdwortpurismus
günstiger war im italienischen Faschismus als im Nationalsozialismus (siehe 2.2.1.).
Schließlich war der Auftrag der deutschen Fremdwortpuristen schwieriger im Vergleich zu
demjenigen der Faschisten, indem sie mit einer größeren Menge Fremdwörter zu tun hatten
als die italienischen Sprachpuristen. Erstens weil Wörter lateinischen oder griechischen
Ursprungs, die in den meisten westeuropäischen Sprachen sowohl im kulturellen als im
wissenschaftlichen Bereich stark vertreten sind, in der faschistischen Sprachpolitik gar nicht
zu den Fremdwörtern gerechnet wurden. Zweitens hat es in Deutschland immer ein starkes
Fremdwortbewusstsein gegeben und wurden Fremdwörter, sicherlich diejenige lateinischen
Ursprungs, weniger leicht assimiliert im Vergleich zu anderen europäischen Ländern, etwa
Frankreich und England:
In Deutschland […], wo die lateinisch-zivilisatorischen Bestandteile nicht mit der
älteren Volkssprache verschmolzen, sondern durch Gelehrtenbildung und höfische
Sitte eher von jener abgegrenzt wurden, stechen die Fremdwörter unassimiliert heraus
[…]. (Adorno 1979, 200)
Dieser starker Fremdwortbewusstsein steht in engem Zusammenhang mit dem deutschen
Tradition der Fremdwörterbücher, welche zu dieser Abgrenzung und schwieriger
Assimilierung beigetragen hat. Es stimmt also nicht, dass das Deutsche mehr Fremdwörter
enthält als die anderen europäischen Sprachen, obgleich die deutschen Fremdwortpuristen
meinten, „die Fremdwortsucht wäre ein deutscher Charakterfehler“ (Von Polenz 1967, 95f.).
In anderen Sprachen, wie z. B. dem Italienischen, wurden diese Fremdwörter leichter
assimiliert, wodurch sie nicht mehr als Fremdwörter, sondern als Lehnwörter betrachtet
wurden, während im Deutschen diese Fremdwörter in ihrer Form behalten blieben.
3.2.2. Funktionen des Fremdwortgebrauchs
Die Abneigung der Nationalsozialisten gegen den Fremdwortpurismus macht zwar die
Toleranz gegenüber den Fremdwörtern im Nationalsozialismus verständlich, im Grunde
erklärt sie jedoch nicht, weshalb eine solche Menge verschiedener Fremdwörter mit großer
Häufigkeit angewendet und sogar oft vor ihren einheimischen Äquivalenten bevorzugt
wurden. In einem Regime, das durch Sprachlenkung und Kommunikationskontrolle die
Öffentlichkeit in großem Maße beherrschte, konnte es sich offensichtlich nicht um bloß
47
sprachlichen Schmuck oder reinen Zufall handeln. In den zwei folgenden Kapiteln werden die
verschiedenen Funktionen des Fremdwortes und nachher diverse Beispiele behandelt.
Dem Zeitzeugen Victor Klemperer (1969, 255) war schon klar, das Fremdwort diente
hauptsächlich pragmatischen Zwecken, die viel wesentlicher waren als irgendwelche
ideologischen oder wissenschaftlichen Argumente:
Was Hitler furchtbar genau kennt und in Rechnung stellt, ist stets die Psyche der
nichtdenkenden und in Denkunfähigkeit zu erhaltenden Masse. Das Fremdwort
imponiert, es imponiert um so mehr, je weniger es verstanden wird; in seinem
Nichtbegriffenwerden beirrt und betäubt es, übertönt es eben das Denken.
Trotzdem diente augenscheinlich nicht jedes Fremdwort, das von den Nationalsozialisten
verwendet wurde, pragmatischen Zielen, denn neben den imponierenden und verhüllenden
Fremdwörtern gab es viele unentbehrliche Fremdwörter (siehe 1.2.). Sie konnten geläufige
Wörter sein, die schon lange ihren festen Platz im deutschen Sprachraum eingenommen
hatten (Politik, Nation, Familie, Dokument, Januar, Idee) oder Termini aus einem speziellen
Bereich, wie der Politik, für die es keine Synonyme zur Verfügung standen:
Nationalsozialismus, Regierung, Faschismus, Präsident, Kommunismus. In solchen Fällen
zeigt sich die Wahl für ein Fremdwort notwendig, ohne dass ihr ein bestimmtes Ziel zugrunde
liegen muss.
Bevor die verschiedenen Funktionen des Fremdwortgebrauchs genauer besprochen und
illustriert werden, muss zuerst noch kurz hingewiesen werden auf die wichtigsten
sprachpolitischen Vorgehensweisen, die den allgemeinen Umgang der Nationalsozialisten mit
dem deutschen Wortschatz kennzeichneten und ebenfalls bei ihrem Fremdwortgebrauch
hervortraten,
nämlich
Bedeutungsbeschränkung,
Bedeutungsänderung und
Ersetzung
einzelner Wörter, die oft durch Verbot eliminiert wurden, durch andere Wörter (vgl. von
Polenz 1999, 555; Sennebogen 2008, 171f.). Wie Sennebogen (2008, 172) bemerkt, wurde die
Sprache im Nationalismus nicht so sehr geprägt von der Einführung ganz neuer Wörter ins
Deutsche, sondern vor allem von Veränderungen auf der Bedeutungsebene, welche das
Ergebnis gezielter Manipulierung und Lenkung schon vorhandener Wörter darstellte. Im
Folgenden wird sich herausstellen, dass dies gleichermaßen der Fall war beim
Fremdwortgebrauch, da viele der verwendeten Fremdwörter nicht von den Nationalsozialisten
als neue Wörter ins Deutsche übernommen wurden, sondern schon Teil der deutschen
Sprache waren und in einem anderen Kontext gebraucht wurden oder eine neue Konnotation
48
bekamen. Das ergeben einer neuen Konnotation ist gleichfalls häufig bei unentbehrlichen
Fremdwörtern aufzumerken, deren Anwendung demnach nicht immer so unschuldig war, wie
man auf den ersten Blick vermuten würde, aber darauf wird im Folgenden anhand
verschiedener Beispiele näher eingegangen.
3.2.2.1. Imponieren
Der erste Aspekt, der aus dem Zitat Klemperers hervortritt, ist jener des Imponierens. Die
Nationalsozialisten zielten darauf, das Denken ihrer Zuhörer oder Leser mittels der Sprache
zu manipulieren, indem sie auf das Gefühl wirkten und so versuchten, die Ratio
auszuschalten. Dafür verwendeten sie diverse Sprachmittel wie Metaphern, Superlative,
Wiederholungen, typische Prosodie, aber auch Fremdwörter spielten darin eine wichtige
Rolle. Sie sind, wie die Beispiele zeigen werden, oft expressiver, suggestiver oder prägnanter
als ihre einheimischen Äquivalente. Zudem enthalten sie meistens fremde Klänge und eine
vom Deutschen abweichende, d. h. nicht auf der ersten oder Stammsilbe liegende (Duden
Fremdwörterbuch 1982, 9), Betonung, wodurch sie sich von vielen anderen deutschen
Wörtern unterscheiden. Hitler selbst hat bestätigt, dass er angezogen wurde vom schönen
Klang und Wohllaut der Fremdwörter (Picker 1963, 192):
Ließen wir unseren Sprachverbesserern freie Hand, so würde unsere Sprache mit der
Zeit den ganzen Wohllaut verlieren und nicht mehr schön sein! […] Seien wir doch
dankbar für die Klangfarben der uns zu Begriffen gewordenen Fremdworte!
Die reine Ausdrucksform der Fremdwörter konnte offenbar schon eine anziehende oder
aufreizende Wirkung auf das Publikum haben und so zum grotesken und theatralischen
Charakter der nationalsozialistischen Reden beitragen. Zudem waren viele Fremdwörter, die
zu bestimmten Fachgebieten gehörten, weniger üblich beim normalen Volk, und dadurch
waren sie desto eindrucksvoller und gaben sie den nationalsozialistischen Reden und Texten
den Schein einer wissenschaftlichen, politischen oder amtlichen Korrektheit. Die fremden
Begriffe wurden so, wie Ille (1980, 215) es formuliert, „zu Signalen des Großen und
Unerreichbaren, ohne daß man ihren genauen semantischen Inhalt immer gekannt hätte“.
Daneben war es auch von Bedeutung, dass Hitler, nachdem er die Realschule frühzeitig ohne
Abschluss verlassen hatte, als ein typischer Autodidakt versucht hat, durch „die Lektüre von
allerhand Büchern […] seinen Mangel an Schulkenntnissen [zu kompensieren]“ (Loohuis
1975, 7). In dem Sinne wurden Fremdwörter angewendet zum Prahlen und zur Überzeugung
49
des Publikums vom Intellekt des Sprechers, was beim normalen Volk oft Erfolg hatte, bei
klügeren Zuhörern dagegen viel weniger Eindruck machte.49
Die imponierende Funktion ist in vielen Fremdwörtern anwesend: Triumph klingt großzügiger
als Sieg oder Eroberung, heroisch ist überwältigender als heldenhaft und erinnert zudem an
die griechischen Helden der Antike, wie Loohuis bemerkt (1975, 46). Ein beliebtes
Fremdwort war Garant, das im ‚Dritten Reich‘ immer mehr verwendet wurde statt des
ehemals üblichen Wortes Bürge. Indem die Bürger als Garanten angesprochen wurden,
schien ihre Rolle in der Gewährleistung der Nationalsozialismus viel bedeutungsvoller.
Weitere Beispiele sind Kulmination, das geheimnisvoller klingt als Erreichen des
Höhepunkts, infam, das verdorbener klingt als gemein (Bork 1970, 96) und diffamieren, das
„Renommierfremdwort Hitlers“ (Klemperer 1969, 198), das mehr Eindruck macht als einfach
verleumden. Ebenfalls populär in der nationalsozialistischen Rhetorik war die religiöse
Metaphorik, mit der Hitler und seine Anhänger sich selbst und ihren politischen Plänen einen
fast heiligen Charakter beimaßen: Mission statt Aufgabe, prophezeien statt andeuten (Bork
1970, 81) und Märtyrer statt Opfer. Zu den Adjektiven des Totalitarismus, die von den
Nationalsozialisten verwendet wurden, um ihre Aussagen extra Kraft zu verleihen und sich
möglicher Kritik zu entziehen, gehörten ebenfalls viele Fremdwörter: energisch, gigantisch,
total, absolut, triumphal (Von Polenz 1999, 554), brutal und barbarisch (Ille 1980, 215). Das
wichtigste Adjektiv, und eines der bekanntesten Wörter des Regimes, war fanatisch (und
damit zusammenhängend Fanatismus und Fanatiker), das eine der wesentlichsten Tugenden
der Partei und seiner Anhänger werden sollte und daher auch mit sehr hoher Häufigkeit
verwendet wurde:
An Festtagen, an Hitlers Geburtstag etwa oder am Tag der Machtübernahme, gab es
keinen Zeitungsartikel, keinen Glückwunsch, keinen Aufruf an irgendeinen
Truppenteil oder irgendeine Organisation, die nicht ein »fanatisches Gelöbnis« oder
»fanatisches Bekenntnis« enthielten, die nicht den »fanatischen Glauben« an die
ewige Dauer des Hitlerreiches bezeugten. (Klemperer 1969, 65)
Fanatismus
ist
des
Weiteren
ein
gutes
Beispiel
von
Bedeutungsänderung
im
Nationalsozialismus, denn es war ein Wort, das vor dem ‚Dritten Reich‘ eine deutlich
negative Konnotation enthielt, sich aber nach der Machtergreifung allmählich ins Positive
umgewandelt hat. Es bedeutet die „blind enthusiastische, rücksichtslose Einsatzbereitschaft“
49
„Er ist als Führer im selben Atem stolz auf seine Unbeschwertheit von der »sogenannten Bildung von früher«
und stolz auf sein selbsterworbenes Wissen“ (Klemperer 1969, 255).
50
(Schmitz-Berning 2000, 224) und konnte nicht durch ein einheimisches Wort völlig ersetzt
werden: Eifer ist harmloser, Besessenheit ist eher mit einem krankhaften oder
bemitleidenswerten Zustand verbunden und Schwärmerei ist viel heller im Ton (Klemperer
1969, 64). Die Nationalsozialisten hatten mit fanatisch ein „Schlagwort gefunden, mit dem
alles zu rechtfertigen war und das schließlich den scheußlichsten Verbrechen noch die
Legitimation erteilte“ (Daniels 1979, 153).
Fremdwörter bildeten selbstverständlich einen wesentlichen Teil der bekannten LTI (= Lingua
Tertii Imperii) von Klemperer. Auffallend ist, dass schon das erste Wort, das für ihn
unauslöslich mit dem Nazismus verbunden war, ein Kompositum mit einem Fremdwort als
Konstituente ist, das vor allem am Anfang des Regimes verwendet wurde: Strafexpedition.
Klemperer (1969, 48) beschreibt, welche fremden Assoziationen es bei ihm auslöste:
Was ich mir irgend an brutaler Überheblichkeit und an Verachtung fremder
Menschenart denken konnte, drängte sich in diesem Wort Strafexpedition zusammen,
es klang so kolonial, man sah ein umstelltes Negerdorf, man hörte das Klatschen der
Nilpferdpeitsche.
Das Wort, das eine Aktion gegen Feinde des Regimes beschreibt, hatte eine deutliche
Wirkung auf die Deutschen, indem es sie Angst einflößte. Es handelt sich hier um eine
spezielle Form des Imponierens, nämlich das Schüren von Angst, um jede Form von
möglicher Kritik oder von Widerstand abzuwehren. Vor allem am Anfang des
Nationalsozialismus war dies eine wesentliche Aktivität, später aber, als die neue Macht sich
einmal gefestigt hatte, waren solche radikalen Wörter weniger erwünscht. So wurde
Strafexpedition, das allzu deutlich die Unrechtmäßigkeit der Aktivität betont, ersetzt durch
das „reguläre und amtliche“ (Klemperer 1969, 48) Polizeiaktion. Dieser Begriff ist ebenfalls
ein Fremdwort, aber es war den Menschen bekannt und klang viel neutraler. Im Gegensatz zu
Strafexpedition war es nicht so prägnant und gerichtet auf Ängstigen, sondern es sollte eher
die Verbrechen gegen die Feinde des Regimes verhüllen. Dieses Beispiel zeigt gut, wie sehr
die Wahl eines Wortes im Nationalsozialismus gesteuert wurde durch die pragmatischpolitischen Zwecke, welche sich je nach Lage und Zeit ändern konnten, und es bildet zugleich
den Übergang zum nächsten Kapitel.
51
3.2.2.2. Verschleierung
Der zweite sprachliche Zweck, auf den Klemperer in seinem Zitat hinweist, und der mit dem
ersten Aspekt zusammenhängt, ist derjenige der Tarnung. Diese war schon anwesend am
Anfang des ‚Dritten Reichs‘, da die Nationalsozialisten viele ihrer verbrecherischen
Aktivitäten verhüllen mochten; sie wurde im Laufe des Zweiten Weltkrieges immer
wichtiger, als die Krisen und Niederlagen sich häuften.50 Viele Fremdwörter waren dem
Publikum unbekannt und gerade deshalb ein ideales Instrument in der auf Geheimhaltung
gerichteten Politik der Nationalsozialisten.
Die tarnende Funktion von Fremdwörtern wird deutlich in Wörter wie Evakuierung und
Desinfektion. Ersteres beschreibt die „von der Reichsbahn nach Fahrplan betriebene
Transporte in den Tod“, letzteres die Ermordung in den Gaskammern (Sennebogen 2008, 174;
179). Auf ähnliche Weise verhüllt der Begriff Konzentrationslager den Gräuel und
Massenmord, die in diesen Orten stattfanden, nicht im geringsten durch seinen fremden
Klang, wie Klemperer (1969, 41f.) bestätigt: „Ich habe das Wort nur als Junge gehört, und
damals hatte es einen durchaus exotisch-kolonialen und ganz undeutschen Klang für mich“.
Zudem war das Wort gar nicht mehr geläufig im allgemeinen Sprachgebrauch bis es von den
Nationalsozialisten aufs Neue introduziert wurde. Dass die vorgeschlagenen Verdeutschungen
der Fremdwortpuristen, etwa Zwangs- oder Straflager (siehe 3.1.2.), für die NS-Führung
unakzeptabel waren, ist eine Selbstverständlichkeit, denn sie legten schon zu viel den
strafenden Charakter der Lager bloß. Aus ähnlichen Gründen konnte die gezwungene
Sterilisation
des
Regimes
nicht
beschrieben
werden
als
Entmannung
oder
Unfruchtbarmachung (siehe 3.1.2.). Sosehr sich die Nationalsozialisten auch um die Tarnung
ihrer Straftaten bemühten, die von ihnen benutzten Begriffe wurden längst nicht immer von
allen Deutschen als harmlose Tätigkeiten hingenommen. So wurde die Täuschung vom
Linguisten Klemperer durchschaut, wie seine bereits angeführten Notizen zeigen. Ein
weiteres Beispiel dieser Entlarvung, so Sennebogen (2008, 178f.), stellen die Reaktionen auf
das Euthanasieprogramm der Nationalsozialisten dar, wie diejenige des Bischofs von Galen,
der vom Massenmord an geistig Behinderten sprach, und auf diese Weise einen einjährigen
Stopp von großen Teilen des Mordprogramms bewirkte. Solche enthüllende Termini wurden
50
Am Anfang des Regimes gab es vor allem „Verschleierung des Verbrechens“, am Ende dagegen wurde es
immer mehr „Verschleierung der Ohnmacht“ (Klemperer 1969, 230).
52
jedoch nur selten in der Öffentlichkeit ausgesprochen, und wer es wagte, musste dafür häufig
mit seinem Leben bezahlen.
Die „Abgrenzung des Eigenen vom Fremden“ (Sennebogen 2008, 171) war eine wichtige
Funktion der Bedeutungsbeschränkung. Auch in diesen Fällen wurde das Fremdwort nicht
automatisch mit dem fremden und daher negativ empfundenen Konzept verbunden, ganz im
Gegenteil,
denn
viele
Fremdwörter
waren
exklusiv
für
die
Aktivitäten
der
nationalsozialistischen Partei bestimmt. Das bekannteste Beispiel diesbezüglich ist das Wort
Propaganda, das ausschließlich der eigenen Partei vorbehalten war. Die Nationalsozialisten
wählten den Begriff, „um die Unwissenden mit einem fremd klingenden Wort zu umnebeln
und den Wissenden unmißverständlich klarzumachen, daß es gegen diese Art von
‚Volksaufklärung‘ keinen Widerspruch gab“ (Von Polenz 1967, 83). Für ihre politischen
Gegner verwendeten sie dagegen das deutsche Wort Hetze (Von Polenz 1999, 555), das eine
deutlich negative Aussagekraft hat. Ein anderes Beispiel ist Kongreß, das ebenfalls nur für die
Kongresse der nationalsozialistischen Partei bestimmt war, in den anderen Fällen war einfach
die Rede von Tagung (Von Polenz 1999, 555). Das Fremdwort konnte allerdings auch für die
Gegner vorbehalten sein: Bomber sollte nur die feindliche Flugzeuge bezeichnen,
Kampfflugzeug dagegen nur die eigenen. Diese Entscheidungen wurden bekräftigt durch
offizielle Pressemitteilungen, die für alle Deutschen bestimmt waren, aber an erster Stelle für
öffentliche Texte galten.
3.2.3. Unbeliebte Fremdwörter
Wie sehr die Nationalsozialisten das Fremdwort zur Sprachlenkung einsetzten, sie verhielten
sich nicht als vollständige Gegenpole der Fremdwortpuristen, indem sie jedes Mal ein
Fremdwort bevorzugten, wo es möglich war. Es gab denn auch verschiedene Fremdwörter,
die eine deutlich negative Konnotation bekamen, ersetzt wurden durch Eindeutschungen oder
sogar verboten wurden.
In manchen Fällen hatten deutsche Wörter eine effektivere Wirkung wie Fremdwörter. So
wurde Jurist ersetzt durch Rechtswahrer (Sennebogen 2008, 171), eine Bezeichnung, die aus
seinem Träger fast automatisch eine ehrliche, gerechte Person macht. Das Fremdwort
Partisanen wurde ersetzt durch weniger euphemistische Begriffe wie Heckenschützen,
53
Banden, Mordbrenner (Von Polenz 1999, 555) oder Banditen (Sennebogen 2008, 171), die
viel deutlicher den kriminellen Aspekt betonten. In anderen Fällen dagegen wurden deutsche
Wörter bevorzugt, weil sie gerade viel weniger suggestiv waren als die äquivalenten
Fremdwörter und so der nationalsozialistischen Taktik des Verschleierns dienen konnten.
Versorgungskrise zum Beispiel klang zu negativ und deshalb wurde das mehr verhüllende
Wort Engpaß (Von Polenz 1999, 555) bevorzugt.51
Verschiedene Fremdwörter wurden explizit mit einem Verbot belegt, wie etwa
Antisemitismus. Die Verwendung dieses Wortes wurde untersagt, nicht weil die
Nationalsozialisten ihren Judenhass verbergen mochten, sondern weil der Ausdruck negative
Folgen haben konnte für ihre außenpolitischen Interessen (Schmitz-Berning 2000, 38). Der
Begriff umfasste nämlich auch die nichtjüdischen Semiten und konnte daher Probleme
verursachen in den Beziehungen zu der arabischen Welt, die den Nationalsozialisten als
besonders wichtig galt. Um deutlich zu machen, dass ihre Politik nur die Juden visierte,
sollten Wörter wie Judenfeindschaft oder Antijudaismus verwendet werden. Ein anderes
Wort, das von der nationalsozialistischen Führung verboten wurde, ist Plexiglas, ein Material,
das bei der Ausrüstung der deutschen Einmann-Torpedo verwendet wurde. Die Medien
wurden gebeten, nur noch den Begriff Kunstglas zu wählen, weil Plexi-Glas ein Produkt war,
das
wahrscheinlich zu den Kriegsgeheimnissen der Nationalsozialisten gehörte und den
Feinden nicht offenbar gemacht werden durfte (Szalatnay 2009, 147). Weitere Beispiele von
verbotenen Wörtern sind Alliierte und liquidieren (Von Polenz 1999, 555).
Eine wesentliche Gruppe von unbeliebten Fremdwörtern sind diejenigen, die von den
Nationalsozialisten nachdrücklich mit der Weimarer Zeit verbunden wurden und daher eine
pejorative
Konnotation
bekamen.
System
z.
B.
bezeichnete
ausschließlich
das
Regierungssystem der Weimar Republik und sollte auf keinen Fall in nationalsozialistischen
Kontexten angewendet werden. Ihr eigenes Regierungssystem dagegen nannten die
Nationalsozialisten Organisation. Auch für viele Fremdwörter aus dem kulturellen Bereich
wurden im Nationalsozialismus Verdeutschungen introduziert, um die Trennung von den
Einrichtungen der Weimarer Republik deutlich zu machen: Literatur – Schrifttum, Reporter –
51
Als aber in den letzten Jahren des Krieges die Misserfolge und Probleme sich häuften, wurde das Wort Krise
immer mehr verwendet, weil es doch noch weniger negativ klang als etwa Niederlage. Wie Klemperer (1969,
232) sagt, stand das Wort aber selten allein und bezog man vielfach den Rest der Welt oder Europas ein, indem
man von der “Weltkrise“ oder der „Krise der abendländischen Menschheit“ sprach. Oder man versuchte, die
problematische Lage zu entkräften durch den Ausdruck „gemeisterte Krise“.
54
Berichterstatter (Von Polenz 1999, 281). Diese Verdeutschungen für unentbehrliche
Fremdwörter des kulturellen Bereichs sehen fast aus wie Versuche der Fremdwortpuristen!
Der Unterschied ist aber, dass bei den Nationalsozialisten die alten Begriffe nicht
verschwinden sollten, sondern zusammen mit den anderen Wörtern in Gebrauch blieben, um
die Trennung zwischen dem alten und dem neuen Regime hervorzuheben.
Ein anderes geradezu verhasstes Wort war Philosophie, weil es als Verkörperung der
Vernunft und des kritischen Denkens der nationalsozialistischen Propaganda, die gerade auf
die Ausschaltung der Ratio gerichtet waren, entgegengesetzt war. Der Terminus
Weltanschauung, der weniger mit Verstand, sondern eher mit Gefühl assoziiert wird, wurde
bevorzugt, wie Klemperer (1969, 103) bemerkt:
[Es] bezeichnet ein Sehen, an dem das innere Wesen des Betrachtenden, an dem sein
Gefühl beteiligt ist, und es bezeichnet ein Sehen, das mehr sieht als nur eine
Außenseite des betrachtenden Gegenstandes, das seinen Kern, seine Seele auf eine
geheimnisvolle Weise miterfaßt.
Aus demselben Grund waren Intellekt und Objektivität Wörter mit einer ausgesprochen
negativen Konnotation. Intellekt wurde als „wurzelloser, kritisch zersetzender und
unfruchtbarer Verstand“ (Schmitz-Berning 2000, 315) empfunden; Objektivität stand für eine
Haltung,
die
Vorurteilslosigkeit
anstrebt,
anstatt
sich
allein
am
Interesse
der
Volksgemeinschaft zu orientieren“ (Schmitz-Berning 2000, 445). Weiterhin gab es viele
Fremdwörter, die politische Systeme und Tendenzen bezeichneten, die nicht in
Übereinstimmung waren mit dem Nationalsozialismus: Demokratie, Parlamentarismus,
Kapitalismus, Kommunismus, Pazifist usw. Sie bekamen eine negative Konnotation und
waren häufig das Objekt von Kritik, Hohn und Verleumdung. Besondere Aversion findet man
in seltener verwendeten Ausdrücken wie Dollar-Judokratie, infernalische Presse (Ille 1980,
215f.) und Bonzokratie (Schmitz-Berning 2000, 126).
3.2.4. Fremdwörter vs. Umgangssprache
Viele Fremdwörter wurden, wie sich schon herausgestellt hat, gerade gewählt, weil sie beim
normalen Volk weniger üblich oder sogar völlig unbekannt waren. Trotzdem konnten die
Massen nicht mit solchen fremden Ausdrücken überhäuft werden, da die von den
Nationalsozialisten angewendete Sprache an erster Stelle den Zuhörern als eindeutig
erscheinen sollte:
55
Zeitgenossen schien die Sprache des Nationalsozialismus oftmals einfach und
deutlich. Sie war lexikalisch und stilistisch ohne große Schnörkel, ihr Satzbau basierte
vor allem auf Hauptsätzen. Auch die Tendenz zu Dopplungen und zur häufigen
Verwendung des Superlativs erschien vielen eher attraktiv als abschreckend
(Sennebogen 2008, 172).
Ein Regime, das vom ganzen Volk die Zustimmung erlangt, muss offensichtlich, trotz seiner
verhüllenden Zwecken, gleichfalls eine primitivere Sprache verwenden, die für die ganze
Masse erkennbar und auf ihrem ‚geistigen Niveau‘ eingestellt ist. Um einen niedrigeren Grad
lexikalischer Komplexität zu erreichen, sollte eine Überfülle von fremden Ausdrücken, mit
denen die Zuhörer weniger vertraut waren, vermieden werden und sollten die Reden
zugänglich gemacht werden, z. B. mittels umgangssprachlicher Wendungen. Gerade wie die
Fremdwörter erfüllten die umgangssprachlichen Bestandteile eine bestimmte Funktion,
welche einerseits daraus bestand, die unklaren und unkritischen Denkhaltungen der breiten
Masse noch zu bestärken, indem diese mit für sie vertrauten Sprachmitteln betäubt wurde, und
andererseits dazu diente, die mehr gebildeten und anspruchsvollen Zuhörer abzuschrecken
und einzuschüchtern (Bork 1970, 91). Bork (1970, 92) listet einige Beispiele von
umgangssprachlichen Ausdrücken auf aus Hitlers Mein Kampf, in dem eine ganze Menge
aufzufinden ist:
− „mittelmäßige Stümper“
− „ einen Pfifferling kümmerten“
− „müßig herumlungern“
−
„windige Murkser, … Strohköpfe“
Nicht nur solche primitiven Redensarten, sondern auch die Abwechslung an sich zwischen
heterogenen Sprachmitteln sollte die Betäubung der Hörer noch steigern. Das Wechselspiel
von unüblichen Fremdwörtern und vertrauten umgangssprachlichen Elementen sollte bei den
Zuhörern widersprüchliche Gedanken und Gefühle wecken, und dadurch den kritischen Geist
ausschalten. Schon Klemperer (1969, 281) erkannte den Effekt dieses heterogenen Sprachstils
der Nationalsozialisten:
Das Gefühl kommt nie zur Ruhe, wird dauernd angezogen und abgestoßen, angezogen
und abgestoßen, und für den kritischen Verstand bleibt keine Zeit zum Atemholen.
56
3.2.5. Ambivalenz
Der Fremdwortgebrauch der Nationalsozialisten wurde offensichtlich von rein pragmatischen
Gründen bestimmt. Je nach Bedeutung, Konnotation und erzieltem Effekt auf die Hörer
wurden Fremdwörter, gerade wie andere Wörter, mal bevorzugt, mal abgelehnt. Ille (1980,
215) hat denn auch nicht unrecht, wenn er sagt, dass die Nationalsozialisten in der
Fremdwortproblematik eine gleiche ambivalente Haltung vertraten wie die italienischen
Faschisten:
In der Sprachbeurteilung des Nationalsozialismus läßt sich gleich jener des italienischen
Faschismus eine widersprüchliche Dialektik von Neopurismus und massivem
Fremdwortgebrauch ausmachen.
Diese Behauptung ist jedoch ein vorschnelles Schluss und muss präzisiert werden.
Erstens gehen die beiden Parteien von gegensätzlichen Standpunkten aus, denn die Faschisten
waren überzeugte Fremdwortpuristen, die zahlreiche Substitute für Fremdwörter introduziert
haben, während im Nationalsozialismus Fremdwörter toleriert und aktiv in der Sprachlenkung
eingesetzt wurden. Die Nationalsozialisten haben zwar einige Fremdwörter verboten und
bevorzugten nicht selten ein Erbwort vor einem fremden Ausdruck, aber trotzdem kann man
sie nicht vergleichen mit der viel umfangreicheren puristischen Kampagne der italienischen
Faschisten. Demnach kann von einem massiven Fremdwortgebrauch im italienischen
Faschismus einerseits, und von Neopurismus im Nationalsozialismus andererseits nicht die
Rede sein.
Zweitens erwies sich, dass die Ambivalenz in der faschistischen Sprachpolitik viel weniger
kontrolliert war als diejenige im nationalsozialistischen Fremdwortgebrauch. Obwohl die
faschistischen Fremdwortpuristen z. B. aus naheliegenden Gründen manche deutsche Wörter
akzeptierten, und sich sehr bewusst auf die Italianisierung von Begriffen aus dem
kommerziellen Gebiet konzentrierten, wurde ihr zwiespältiger Charakter in erheblichem
Maße durch einen unbeabsichtigten Mangel an Systematik verursacht (siehe 2.2.3.3.). Im
Nationalismus dagegen vertrat man eine äußerst pragmatische Einstellung, indem man sehr
bewusst und rechnend mit den Effekten des Wortes auf das Volk, mal das Fremdwort, mal
den einheimischen Begriff wählte. Sehr oft wurde aber das Fremdwort bevorzugt wegen
seiner soziologischen und suggestiven Unterschiede mit letzterem. Zusammenfassend weist
57
die Aussage von Ille, die den gemeinsamen Charakter der beiden Regime in Bezug auf ihren
Umgang mit Fremdwörtern betont, ohne Zweifel auf einen Aspekt hin, die für die vorliegende
kontrastive Arbeit von großer Bedeutung ist, aber dennoch kann man diese Gemeinsamkeit
nicht anführen, ohne die gegensätzlichen Grundeinstellungen beider Parteien sowie die
unterschiedlichen Ursachen der Ambivalenz in beiden Regimen in Betracht zu nehmen.
58
4. Analyse der Hitlerreden
4.1. Vorgehensweise
Für die Analyse des Hitlerschen Fremdwortgebrauchs wurden 4 Reden gewählt: „Rede vor
dem Reichstag am 30. Januar 1937“, „Die Tagung des Reichstags in der Krolloper am 23.
März 1933“, „Rede am 19. September 1939 im Artushof zu Danzig“ und „Rede am 4.
September 1940 in Berlin – Eröffnung des Kriegswinterhilfswerkes 1940/41“.52 Bei der Wahl
wurde versucht, eine möglichst heterogene Sammlung zu bekommen, indem Reden aus
verschiedenen Jahren, über diverse Themen und an unterschiedliche Zuhörern gewählt
wurden.
Zur Bestimmung der Fremdwörter wurde das Duden Fremdwörterbuch (1982) angewendet.
Einige Richtlinien, die bei der Bestimmung befolgt wurden, sollen zunächst erwähnt
werden.53 Komposita, die aus zwei oder mehreren Fremdwortbestandteilen bestehen
(Brigadekommandeur, Kriegsfabrikationsaktienpaketen), und Fremdwörter, die durch einen
Bindestrich verbunden werden (parlamentarisch-demokratisch, 85-Millionen-Nation), wurden
jeweils als nur ein Stichwort gezählt. Wörter, in denen der Fremdwortbestandteil durch einen
Ergänzungsbindestrich ersetzt worden ist, wurden zu den Fremdwörtern gerechnet und in
ihrer vollständigen Form wiedergegeben. Eine Konstruktion wie „Unternehmer- und
Arbeitnehmerorganisationen“
Unternehmerorganisationen
enthält
und
nach
dieser
Regel
Arbeitnehmerorganisationen.
zwei
Fremdwörter:
Ableitungen
von
Fremdwörtern, die mit einheimischen Elementen gebildet worden sind, wurden als
Fremdwörter betrachtet:
unkontrollierbar,
christlich,
Unorientiertheit.54
Eigennamen
(Churchill, Cooper) dagegen gehören nicht zur Fremdwortliste, es sei denn, sie gelten als ein
Fremdwort innerhalb der deutschen Sprache (Bluff im Ausdruck „General Bluff“) oder
enthalten einen oder mehrere Bestandteile, die ein Fremdwort im Deutschen sind: Nordkap,
NSKK55. Wie das letzte Beispiel zeigt, wurden Abkürzungen – in den analysierten Texten gibt
es allerdings nur eine – ebenfalls in die Liste aufgenommen. In Abkürzungen, die aus
mehreren Fremdwortbestandteilen bestehen, werden nur die voneinander getrennten
Fremdwörter als separate Wörter gezählt; Fremdwortbestandteile, die zusammen ein Wort
52
Die 4 Reden sind in den Anlagen beigefügt.
Zum Teil von Eggeling (1979, 274) übernommen.
54
Zur Begründung siehe die Definition von Kirkness (1.2.).
55
Nationalsozialistisches Kraftfahrkorps.
53
59
bilden, werden lediglich als ein Wort betrachtet. Die Abkürzung NSKK z. B. besteht zwar aus
drei Fremdwortbestandteilen, enthält aber nur zwei separate Fremdwörter, nämlich
Nationalsozialistisches und Kraftfahrkorps, und daher werden in dieser Abkürzung nur zwei
Stichwörter gezählt.
4.2. Ergebnisse
4.2.1. Häufigkeit
Nach der Erörterung der verwendeten Vorgehensweise, können die Fremdwörter an erster
Stelle auf ihre Häufigkeit analysiert werden. In der nächsten Tabelle wird der prozentuale
Fremdwortanteil der 4 Reden zusammen mit dem durchschnittlichen Wert wiedergegeben:
Rede 1
Rede 2
Rede 3
Rede 4
Gesamtzahl
Wörter
6670
4589
6982
5038
23 279
Fremdwörter
6,18%
8,13%
4,12%
3,99%
5,47%
Insgesamt wurden 23 279 Wörter untersucht, von denen sich 1274 als Fremdwörter erwiesen
haben. Prozentual ausgedrückt ergibt dies einen Mittelwert von 5,47%. Wie kann diese Zahl
aber bewertet werden? Ist sie niedrig oder doch eher hoch? Um davon eine bessere Idee zu
bekommen, kann sie am besten mit anderen Daten verglichen werden. Laut Drecksen (1948,
49) bestand der Duden des Nachkriegsdeutsch zu 20% aus Fremdwörtern.56 Da seine Analyse
aus den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg stammt, kann vorausgesetzt werden, dass
die deutsche Sprache im ‚Dritten Reich‘ einen ähnlichen Fremdwortanteil besaß. Zu dieser
Gruppe gehören allerdings viele Fachwörter, die nur in bestimmten Kontexten verwendet
werden, und deswegen können Texte mit einer geringeren Zahl an Fremdwörtern noch immer
einen fremdwortreichen Charakter haben. Mehr sagt uns die Studie von Eggeling (1979,
272ff.). 1971 wurde der Wortschatz der Tagespresse im Ruhrgebiet, der verwendet wird für
die Darstellung politischer Geschehnisse, von ihm untersucht. Aus seiner Studie ging hervor,
dass etwa 9,05% der analysierten Wörter als Fremdwörter gekennzeichnet werden konnten. 57
Auf Grund des traditionell fremdwortreichen Charakters des politischen Wortschatzes, kann
56
Zitiert nach Eggeling 1979, 276.
Wie Eggeling (1979, 275f.) bemerkt, kam bereits Heller (1966, 26f.) bei seiner Untersuchung einiger
Zeitungen der Tagespresse der DDR zu einem ähnlichen Fremdwortanteil: 8 bis 9%. Im Duden
Fremdwörterbuch (1982) taucht für den Anteil der Fremdwörter in den Zeitungstexten die gleiche Zahl auf.
57
60
dieser Anteil von 9,05% als eine hohe Zahl betrachtet werden. Wenn jetzt die analysierten
Reden Hitlers in Betracht genommen werden, dann enthalten sie mit einem Mittelwert von
5,47% doch bedeutend weniger Fremdwörter.
58
Daher kann schon an diesem Punkt
konkludiert werden, dass der „Führer“ beim Sprechen nicht so viel fremde Ausdrücke in den
Mund nahm, wie man aus der Sekundärliteratur erwarten würde. Nichtsdestoweniger steht es
außer Zweifel, dass Hitler mehr Fremdwörter verwendete als ein durchschnittlicher Sprecher,
denn im Vergleich zur Umgangssprache liegt die Fremdworthäufigkeit der Reden bedeutend
höher. Heller (1966, 29) z. B. maß der Korrespondenz von Studenten einen Fremdwortanteil
von 2,3% zu.59
Nach der Besprechung des Mittelwertes sollen ebenfalls die Prozente der verschiedenen Texte
unter die Lupe genommen werden, weil diese gegenseitig einige prägnante Unterschiede
aufweisen. In den ersten zwei Reden sind deutlich mehr Fremdwörter aufzufinden als in den
letzten zwei. Sicherlich die zweite Rede sticht hervor, da sie mit ihrem 8,13% fast das
Doppelte der dritten (4,12%) und mehr als das Doppelte der vierten Rede (3,99%) enthält. In
diesem Fall können wir von einer recht hohen Zahl von Fremdwörtern sprechen. Der Anteil
der zwei letzten Reden dagegen ist eher niedrig. Die zeitliche Differenz scheint keinen großen
Einfluss auf den Fremdwortgebrauch von Hitler gehabt zu haben, denn der älteste Text (1933)
zählt die meisten fremden Ausdrücke, während die zwei jüngsten Reden (1939 und 1940) die
wenigsten enthalten. Wie Loohuis (1975, 8) konstatiert, muss der Wortschatz des „Führers“ in
Bezug auf Fremdwörter in dieser Periode immer gewachsen sein, wodurch man eher erwarten
würde, dass die jüngeren Texte mehr Fremdwörter enthalten würden. Die Zahl der benutzten
Fremdwörter
wuchs
jedoch
nicht
im
Verhältnis
zur
Zunahme
von
Hitlers
Fremdwortkenntnissen. Die Erklärung für den Unterschied muss demnach irgendwo anders
gesucht werden. Ein möglicherweise entscheidender Faktor ist, dass die Reden an ein diverses
Publikum gerichtet sind. Die ersten zwei wurden vor dem Reichstag gehalten, die anderen
dagegen waren für Zuhörer, die weniger mit der Politik vertraut waren. Es ist aber gleichfalls
58
Man muss allerdings damit rechnen, dass in der Studie von Eggeling Texte untersucht werden, die mehr als 30
Jahre später verfasst sind als die analysierten Reden der vorliegenden Arbeit. In dieser Zeit hat die Zahl an
Fremdwörtern in der deutschen Sprache ohne Weiteres zugenommen. Vor allem die Anglizismen haben nach
dem Krieg einen erheblichen Aufschwung erlebt. Trotzdem konstatierte Eggeling (1979, 310), dass der Anteil
englischer Termini in seiner Studie erstaunlich gering war. Der Zeitraum, der zwischen der vorliegenden
Analyse und derjenigen Eggelings liegt, kann daher mehr denn wahrscheinlich den Unterschied zwischen den
beiden Prozenten nicht oder nur mangelhaft erklären, aber sie soll der Vollständigkeit wegen doch erwähnt
werden.
59
Zitiert nach Eggeling 1979, 276.
61
möglich, dass die spezifischen Themen und der Kontext der Reden einen Einfluss hatten auf
die Fremdwortzahl. Die Beziehung zwischen Publikum und Thema einerseits und
Fremdwortanteil andererseits wird im nächsten Kapitel untersucht, wenn die Funktion der
verwendeten Fremdwörter analysiert wird.
Neben der Bestimmung der Häufigkeit, mit der die Fremdwörter vorkommen, wurde auch
ihre Verteilung über die verschiedenen Wortarten untersucht:
Rede 1
Rede 2
Rede 3
Rede 4
Gesamtzahl
Substantive
70,63%
69,44%
71,53%
74,63%
71,11%
Adjektive
26,21%
27,61%
17,01%
18,91%
23,40%
Verben
2,18%
1,61%
7,64%
3,98%
3,53%
Adverbien
0,97%
1,34%
3,82%
2,49%
1,96%
Aus dieser Tabelle gehen keine nennenswerten Überraschungen hervor. Insgesamt bildet das
Substantiv mit 71,11% die übergroße Mehrheit, gefolgt vom Adjektiv (23,40%). Die Verben
(3,53%) und Adverbien (1,96%) sind zu vernachlässigen. Die Dominanz der Substantive ist
logisch, da Fremdwörter an erster Stelle für die Bezeichnung fremder oder neuer Objekte und
Phänomene eingesetzt werden. Trotzdem fällt im Vergleich zur Studie von Eggeling (1979,
280) auf, dass in der vorliegenden Analyse die Gruppe von Substantiven um 10% kleiner ist
(71,11% vs. 81%) zugunsten der Adjektive (23,40% vs. 12%). Wahrscheinlich verwendete
Hitler mehr Adjektive, weil seine Texte vor allem darauf zielten, andere von seinen Ideen zu
überzeugen. Die Sprache der Tagespresse dagegen soll neutraler sein, und daher würde man
erwarten, dass sie eine kleinere Menge von Adjektiven enthält. Es ist plausibel, dass der
„Führer“ diese große Zahl von Adjektiven vor allem verwendete wegen ihrer suggestiven,
tönenden und verstärkenden Wirkung.
62
4.2.2. Funktion
A. Rede vor dem Reichstag am 30. Januar 1937
A.1. Fremdwörter60
Epoche – Presse – Propaganda – Problemen – Projekte – Revolution – Revolution –
Regierungswechsel – Regierungsumbildungen – positive – Akteure – Nation – negative –
praktische – Organisation – parlamentarisch-demokratisch – System – radikale – politische –
Charakter – Revolution – revolutionäre – Repräsentanten – politischen – Organisationen –
Reformation – politischen – kulturellen – parlamentarische – Revolution – Revolution –
Januar – Reichspräsident – nationalsozialistischen – Revolution – nationalsozialistischen –
Revolution – nationalsozialistische – Revolution – Revolution – Revolutionen –
charakteristische – Revolution – privaten – Revolutionen – legale – tumultuösen –
Revolutionen
–
faschistischen
–
nationalsozialistischen
–
Revolutionen
–
nationalsozialistische – Revolution – Revolution – Revolution – Soldat – Nerven –
nationalsozialistischen – Revolution – Minimum – bolschewistische – Januar –
nationalsozialistischen – Idee – Elemente – politischer – politische – Revolution –
nationalsozialistische – politische – Funktionäre – Pensionen – Protest – Subjekte –
Konzentrationslager – Unorientiertheit – Parole – Faschisten – Revolution – demokratischen –
Nichteinmischungsapostel
nationalsozialistische
–
–
bestialisch
Revolution
–
–
demokratischen
demokratischen
–
–
Revolutionäre
Nerven
–
Soldaten
–
–
nationalsozialistische – Revolution – bolschewistischen – Revolution – Nationalsozialisten –
Revolution – Chaos – Januar – Reichspräsident
Nationalsozialistische
–
proklamiert
–
ideelle
– Reichsregierung – legalen –
–
Prinzipien
–
Prinzipien
–
Nationalsozialistischen – legalen – parlamentarisch-demokratischem – nationalsozialistischen
– Revolution – proklamierten – Programms –nationalsozialistischen – nationalsozialistische –
Revolution – Revolution – Evolution – ideellen – Horizontes – Egoismus – Interessen –
nationalsozialistische
–
revolutionierend
–
nationalsozialistisches
–
Programm
–
liberalistischen – Individuums – marxistischen – lapidarer – Existenz – Revolution –
Nationalsozialismus – Instinkt – intellektuelle – Millionen – Millionen – prophetisch –
nationalsozialistischen – Maske – revolutionärer – Traditionen – Symbole – dynastischen –
religiösen – symbolisch – Prinzips – dokumentiert – Idee – Januar – Legalisierung –
60
Alle Fremdwörter – auch in den Listen der drei folgenden Reden – sind in der Reihenfolge ihres Vorkommens
im Text wiedergegeben; Flexionsendungen sind beibehalten.
63
ideenmäßig – Kampftruppen – Revolution – parlamentarisch-demokratisches – Regime –
Disziplin – Revolution – Demokratie – Diktaturen – Demokratie – demokratisch – politischen
– Nation – Ausleseprozeß – politischen – Nation – Soldat – Tornister – politische –
Sozialismus – Demokratie – Nationalsozialismus – Organisation – Millionen – Nation –
Theorie – nationalsozialistischen – Millionen – Literat – internationaler – Revolutionsapostel
–
nationalsozialistischen
–
Minister
–
Repräsentanten
–
Nationalsozialismus
–
nationalsozialistische – Revolution – Millionen – degradieren – Revolutionen – Gewaltakte –
Exzesse – Akt – Revolutionen – Bourgeois – diktiert – Proletarier – Proletarier – diktieren –
nationalsozialistische – Revolution – organisatorische – politischen – Elemente – politisches –
kulturelles – Nationalsozialismus – Revolution – Ideal – dynastischen – Idole – Organisation
– Nation – Unternehmerorganisationen – Arbeitnehmerorganisationen – symbolischen –
Komitees – Symbol – nationalsozialistischen – Nation – Nation – demokratischen –
Regierungen – Institutionen – Diktaturen – Revolution – Souveränität – politischen –
Organisation – Exekutive – Januar – nationalsozialistischen – Konstruktion – Organisation –
Funktion – nationalsozialistischen – Organisation – Konstruktion – Funktion – Existenz –
Organisationen – Funktionen – Primäre – Armee – Justiz – sekundäre – reformiert –
Doktrinen – Doktrinen – Dogmen – Dogma – Moment – praktischen – nationalsozialistischen
– Revolution – prägnantesten – polare – Extreme – Existenzberechtigung – Individuums –
Person – Gemeinschaftsinteressen – Konzession – Staatsräson – nationalsozialistische –
Revolution – Justiz – Elementen – Asoziale – Interessen – Person – Reform – Proklamierung
– Nation – Gesamtperspektive – Dokument – Katastrophe – Millionen – Produktion –
Nationalsozialismus – nationalsozialistischen – Regierung – Katastrophen – Pestilenz –
Nation – Millionen – Millionen – Rhythmus – Existenz – Papier – Katastrophen –
parlamentarischer – Wirtschaftskatastrophe – Theoretiker – Theoretiker – Theorie –
praktische – Methoden – Methoden – Methoden – Dogmen – elastischen – Dogma –
formulieren – Nationalökonomie – Nationalökonomie – Dogmatiker – Dogma – Theorie –
Dogmatiker – Praxis – praktischen – Theorien – Wirtschaftspolitik – Nationalsozialismus –
Dogma – Kapital – Nationalsozialismus – liberalistischen – Kapital – unkontrollierbares –
politisch – Millionen – Interessen – Konsequenzen – moderne – konzentriert – Industrien –
Fabriken
–
Katastrophe
–
Katastrophe
–
Problem
–
Finanzen
–
Problem
–
Organisationsproblem – Phrasen – Produktion – produktiven – Gesamtsumme – Produktion –
Millionen – fiktiven – realen – Produktion – Produktion – Bank – Tresor – Produktion –
Produktion – Produktion – Millionen – Millionären – Millionen – Quote –
64
nationalsozialistische – Revolution – Millionenmasse – gigantische – Produktion –
Nationaleinkommens – nationalsozialistischen – Rüstungsindustrie – Motiven – soziale –
Nation – Arbeitsprozeß – Interesse – praktische – Initiative – Organisators –
nationalsozialistischen – Sphäre – nationalsozialistische – Interessen – Kontrahenten –
Gesamtinteresse – Nation – praktischen – Wirtschaftspolitik – Produktion – nationalen –
Produktionen – Millionenmasse – Kultur – nationalsozialistische – Richtlinien – Familie –
nationalsozialistische – Revolution – Interessen – Theater – Film – nationalsozialistische –
Revolution – Presse – Theaters – Films – Literatur – Institutionen – kulturellen – Filme –
Theateraufführungen – Presse – Instrument – Nation – Dokumente – Epoche –
Immunisierung – Tendenzen – Nationalsozialistisches – Kraftfahrkorps – Arbeitsfront
A.2. Analyse
Diese Rede wurde von Hitler gehalten anlässlich des vierten Geburtstags der Machtergreifung
der nationalsozialistischen Partei. Sie handelt von der Geschichte der Partei, dem aktuellen
Zustand der damaligen Gesellschaft und den zukünftigen Projekten der Nationalsozialisten.
Was die Substantive betrifft, fällt gleich die große Menge von unentbehrlichen Fremdwörtern
(siehe 1.2.) auf. Welches Wort gerade unentbehrlich und welches entbehrlich ist, darüber
kann man manchmal streiten, aber dessen ungeachtet kann mit Sicherheit gesagt werden, dass
mehr als die Hälfte der Substantive als unentbehrlich gekennzeichnet werden kann. Eine erste
Gruppe sind geläufige Wörter der Alltagssprache, die von den Hörern oft gar nicht mehr als
Fremdwörter erkannt werden: Problem, Million, Januar, Presse, Film, Kultur. Weiter sind
auch einige Wörter aus dem wirtschaftlichen (Kapital, Produktion, Nationalökonomie,
Fabrik, Finanzen) und dem militärischen (Armee, Kampftruppen, Soldat) Bereich zu
bemerken. Die meisten unentbehrlichen Fremdwörter stammen jedoch aus der politischen
Sphäre: Sozialismus, Demokratie, Partei, Reichspräsident, Regierung, Diktatur, Regime,
Nation, Minister. Bei den Adjektiven sind die politischen Termini ebenso stark vertreten:
nationalsozialistisch,
faschistisch,
bolschewistisch,
parlamentarisch,
liberalistisch,
demokratisch, dynastisch. Der große Anteil an politischen Fremdwörtern ist normal in einer
Rede, die handelt von politischen Themen und vor einem Publikum von Politikern gehalten
wurde. Die ziemlich hohe Fremdwortzahl dieser Rede wurde demnach erheblich von
politischen Wörtern bestimmt.
65
Ein stilistisches Verfahren, das bei der Analyse direkt ins Auge springt, ist die Wiederkehr der
selben Wörter und Ausdrücke. Dies ist eine allgemeine Tendenz, die nicht nur in Hitlers
Reden, sondern auch in seinen anderen Texten, wie z. B. Mein Kampf, anwesend ist:
Beim Lesen von „Mein Kampf“ […] haben wir alle Fremdwörter bzw.
fremdsprachigen Wendungen unterstrichen. Dabei fiel uns auf, daß Hitler die
Fremdwörter oft wiederholt. (Loohuis 1975, 11)
Deren prägnanteste Beispiele in der ersten Rede sind die Wörter nationalsozialistisch und
Revolution, die im Text am meisten, und zudem oft zusammen, vorkommen, wie der nächste
Abschnitt zeigt:
Ich bestreite auch nicht, daß gerade diese Tatsache, die für uns das Bemerkenswerteste
der Eigenart des Ablaufs der nationalsozialistischen Revolution ist und auf die wir
besonders stolz sein dürfen, im Ausland und bei den einzelnen Mitbürgern dem
Verständnis für diesen einmaligen geschichtlichen Vorgang eher hinderlich als
nützlich war. Denn diese nationalsozialistische Revolution war zu allererst eine
Revolution der Revolutionen.61
Insgesamt wird in dieser Rede Revolution 43 mal und nationalsozialistisch 35 mal
ausgesprochen. Die nationalsozialistische Revolution ist das zentrale Thema der Rede und
durch die ständige Wiederholung beider Wörter soll ihre Wichtigkeit unterstrichen werden.
Das Wort Revolution klingt, u. a. wegen seiner Endbetonung, viel eindrucksvoller und
radikaler als etwa Umwälzung, ein einheimisches Äquivalent, das im Text gleichfalls auftritt,
aber in viel geringerem Maße. Darüber hinaus hat Revolution, so Loohuis (1975, 67), einen
stark visuellen und auditiven Charakter: „Bei der Aussprache dieses Wort sehen wir
Versammlungen großer Mengen. […] Wir hören Waffengeklirr und aufständische Schreie
[…].“ Die Wiederholung von Gedanken wird weiter durch das ständige Zurückgreifen auf
Ableitungen verstärkt. Dieses Verfahren erlaubt dem Redner, bereits geäußerte Konzepte auf
eine variierende Weise zu wiederholen: Revolution – revolutionierend – revolutionär –
Revolutionär, Reform – reformiert, Dogma – Dogmatiker, Praxis – praktisch. Ein ähnlicher
Fall von ‚variierender Verdoppelung‘ ist die Kombination eines Fremdworts mit seinem
einheimischen Äquivalent: „Renten und Pensionen“, „Grundsätze und Prinzipien“, „eine neue
Existenz und neues Leben“. Mittels dieser Konstruktion konnte Hitler einen Gedanke
unterstreichen, ohne dass die Wiederholung den Zuhörern direkt aufgefallen wäre. Nicht nur
Wörter, sondern auch Laute können durch Wiederholung die Worte des „Führers“ attraktiver
machen. Dazu sind Fremdwörter wegen ihrer auffälligeren und vom traditionellen deutschen
61
Hervorhebungen in diesem und in allen folgende Zitaten von mir, M. P.
66
Lautsystem abweichenden Klänge oft mehr geeignet als deutsche Erbwörter. In der folgenden
Textstelle bewirkt die wiederkehrende Endung –tion sicherlich eine Hervorhebung des
Gesagten:
Daher wurde durch den Sieg der nationalsozialistischen Bewegung das Volk als das
Seiende und das Bleibende über jede Organisation, Konstruktion und Funktion
gestellt.
Von den entbehrlichen Fremdwörtern wird ein wesentlicher Teil eingesetzt zur Intensivierung
des Textinhaltes. Diverse Adjektive wurden gewählt, weil sie deutlich eine stärkere Wirkung
haben als ähnliche einheimische Adjektive: radikal statt „unnachgiebig, rücksichtslos“,
bestialisch statt „grausam, unmenschlich“, gigantisch statt „riesenhaft, gewaltig“, tumultuös
statt „aufgeregt, heftig“. Manche Substantive sollen gleichfalls auf das Publikum eine tönende
Wirkung haben: Katastrophe klingt schlimmer als z. B. „Notlage“ und Chaos scheint viel
schwerwiegender als etwa „Unordnung“. Überdies tragen verschiedene Fachwörter bei zu
einer bildhafteren Sprache, wie z. B. Termini aus der medizinischen Sprache („eine unerhörte
Immunisierung des deutschen Volkes“) und der Film- und Theaterwelt („Alle die
Regierungsumbildungen hatten eine positive Bedeutung nur für die Akteure des
Schauspiels“). Ausdrücke aus dem religiösen Bereich sorgen für eine weitere Steigerung der
Botschaft. Von jemandem, der prophetisch spricht, wird nicht erwartet, dass er Lügen erzählt;
das Wort Revolutionsapostel hat einen ironischen Unterton und bezeichnet die unerwünschten
Vertreter der Revolution.
Einige typische Fremdwörter des nazistischen Regimes sind im Text aufzufinden. Beispiele
sind die populären Begriffe Propaganda und Organisation (siehe 3.2.2.2.; 3.2.3.). Letzteres
steht mehrmals im Text und war ein zentraler Gedanke in vielen nationalsozialistischen
Reden. Die Gesellschaft brauchte eine gute Organisation, welche ihr nur der
Nationalsozialismus bieten konnte. Sein Gegenpol, die Regierung der Weimarer Zeit, wird im
Text auch genannt: parlamentarisch-demokratisches System (siehe 3.2.3.). Diesem Ausdruck
und noch anderen, wie z. B. bolschewistisch, wurden eine negative Konnotation beigemessen.
Die Rede enthält weiterhin ein anderes offizielles Wort des Nationalsozialismus, zielend auf
Verschleierung: Konzentrationslager (siehe 3.2.2.2.).
67
In manchen Fällen wird das Fremdwort vermieden und das einheimische Äquivalent gewählt.
Zuweilen ist diese Wahl gemäß den Erwartungen: so wird ständig der Ausdruck
weltanschaulich angewendet, von philosophisch ist nie die Rede (siehe 3.2.3.). Auffallender
ist vielleicht, dass Hitler spricht von deutschen Bürgern und nicht von Garanten (siehe
3.2.2.1.), aber dieses Fremdwort wurde wahrscheinlich nur verwendet, wenn der „Führer“
tatsächlich zum Volk selbst redete. In anderen Fällen dagegen wird einem einheimischen
Begriff der Vorzug gegeben, ohne dass für diese Entscheidung ein deutlicher Grund zu
bemerken ist. Es ist z. B. die Rede von der „heutige[n] geschichtliche[n] Zusammenkunft des
Deutschen Reichstages“. Hitler wählt hier das Adjektiv geschichtlich, während man bei einer
wesentlichen Tagung des Reichstages eher das Wort historisch, das immerhin eine stärkere
Aussagekraft hat, erwarten würde. Dies bestätigt noch mal die Konstatierung, dass der
„Führer“ nicht immer auf einen fremden Ausdruck zurückgreift, wenn dies möglich oder
sogar zu erwarten ist.
Fremdwörter konnten letztens aus purer Angeberei gewählt werden. Wörter wie Konsequenz,
Kontrahent und Existenz müssen nicht unbedingt einen Effekt oder eine Funktion haben,
sondern sie können von Hitler nur verwendet gewesen sein, um sich dem geistigen Niveau
seiner Zuhörer, d. h. der Glieder des Reichstags, anzupassen und ihnen von seinem hohen
Bildungsgrad
zu
überzeugen.
Dies
ist
ein
Aspekt,
der
im
allgemeinen
beim
Fremdwortgebrauch Hitlers eine Rolle spielte. Sehr oft kamen noch andere Funktionen dazu,
aber es ist nicht immer leicht zu bestimmen, welche die wesentlichste war.
B. Die Tagung des Reichstags in der Krolloper am 23. März 1933
B.1. Fremdwörter
Reichsregierung – Nationalsozialistische – Deutschnationale – Initiativantrag – November –
marxistische – Organisationen – Revolution – Monarchen – Revolution – materiellen –
Attentäter – Justiz – moralische – Legitimierung – Regierung – Interesse – Punkten –
November – Illusionen – Revolution – proklamierten – Regisseure – politischen – politischen
– suggestiven – Regierungsgewalt – Nation – charakteristische – Linie – konstant –
deprimierende – Ideen – Organisationen – nationalsozialistische – nationalen – November –
Revolution – nationalen – Regierung – Akt – Programm – politischen – moralischen –
Regierung – nationalen – Revolution – marxistische – systematisch – Nation – Basis –
68
Religion – Moral – Familie – Differenzen – Liberalismus – kommunistischen – Chaos –
Mobilisierung – primitivster – Instinkte – politischen – Idee – Attentaten – kommunistischen
– Idee – moralische – Sanktion – Methode – individuellen – Massenterrors –
nationalsozialistische – Aktion – Presse – Kommunismus – Prinzip – politischen – nationale
– identifizieren – Komplicen – Aktion – Organisation – Regierung – katastrophalen –
nationale – Interessen – Kommunismus – nationalen – Regierung – Interesse – Interesse –
negative – Problem – Organisation – positiven – nationalen – Interessen – Tendenzen –
Kommunismus – interessiert – kommunistischen – Chaos – politischen – Autorität –
Reichsregierung – Traditionen – organisch – theoretischen – Prinzip – Unitarisierung –
Nation – Kommunen – Existenz – Reichsregierung – politischen – Intention – Interesse –
kulturelle – Länderregierungen – Reichsregierungen – modernen – Volkspropaganda –
Reichsregierung – Minister – Regierungen – normaler – Reichsregierung – Nation –
Konsequenzen – Reform – Konstruktion – Autorität – Legalisierung – Verfassungsreform –
Regierung – nationalen – Revolution – Vertrauensvotums – Elemente – Nation – negieren –
theoretische – tolerieren – demokratischen – Doktrinen – Nation – Regierung – Frontbildung
– nationalen – Interessen – Regierung – Vernichtungstendenzen – Millionen – Ideen –
Regierungen – Ideen – praktische – Regierung – Kommunismus – Organisationen – nationale
– Regierung – Millionenmassen – monarchistischen – Restauration – indiskutabel – Problems
– politischen – Reichsregierung – moralische – Sanierung – Theater – Film – Literatur –
Presse – Heroismus – politischer – Intuition – Regierung – politischer – Nation – kulturellen –
kulturellen – Regierung – politische – moralische – religiösen – personal-politischer –
Kompromissen – atheistischen – Organisationen – nationale – Regierung – christlichen –
Konfessionen – Faktoren – respektieren – nationalen – Regierung – Konfessionen –
objektiver – Konfession – Tolerierung – Regierung – materialistische – Interessen – Nation –
christlichen – Linie –Elastizität – Individuum – Existenz – Justiz – Existenz – Nation –
Nation – nationalen – Regierung – existiert – Kapital – Kapital – Regierung – Interessen –
organisierenden – Wirtschaftsbürokratie – Privatinitiative – produktiven – Intention –
produktiven – respektieren – Problem – Finanzen – Problem – Reform – Reform – Regierung
– Währungsexperimente – Konsequenzen – Rentabilität – Konsumenten – Rentabilität –
Industrie – Exports – kommunistische – Exportindustrie – nationale – Regierung –
Arbeitslosenarmee – Produktionsprozess – Popularität – nationalen – Regierung –
Wirtschaftspolitik – nationale – Regierung – Millionen – Nationalsozialist – Konsumkraft –
Sozialgesetzgebung – Reform – Millionen – Millionen – organisatorischen – geographische –
69
Autarkie – Reichsregierung – Exportfeindlichkeit – Millionen – handelspolitische –
finanzpolitische – Devisen-Zwangswirtschaft – Reichsregierung – Kapitals – Reichsregierung
– Nationen – Verkehrsinteressen – Reform – moralisch – nationale – Regierung – Regierung
– Finanzen – Existenz – Armee – Instrument – nationalen – soldatischen – Traditionen –
nationalen – Regierung – radikalen – nationale – Regierung – Nation – Armee – Ideal –
Reichsregierung – Kategorien – nationale – Regierung – stabile – politische –
Wirtschaftskatastrophe – autoritäre – Stabilität – Nationen – Organisationen – Reparationen –
Konferenz – praktisches – technischer – Problemen – resultierenden – nationalen – Regierung
– Konferenz – Reichsregierung – Abrüstungskonferenz – Chefs – Regierung – Politik –
nationale – Ideale – Reichsregierung – Christentum – Fundamente – Moral – Reichsregierung
– Regierungen – Probleme – Reichsregierung – Regierung – nationalen – Revolution –
positiven – Politik – Kommunismus – staatspolitischen – Interessen – Interessen – Kultur –
nationale – Regierung – international – garantierten – Weltwirtschaftskonferenz –
Reichsregierung – Konferenz – positive – Problem – Nationen – Regierung –
Nationalsozialisten – Deutschnationalen – nationalen – Regierung – Regierung – Autorität –
Stabilität – Regiments – Reichsregierung – Nation – Revolution – diszipliniert – nationalen –
Regierung – souveräne – Regierung – Existenz – Reichspräsidenten – Regierung – Regierung
– Regierung
B.2. Analyse
Die zweite Rede wurde gehalten zur Genehmigung eines Gesetzes, das dem „Führer“ und den
Nationalsozialisten fast unbegrenzte Macht geben würde. Im Text werden verschiedene
Argumente dargestellt, vor allem in Bezug auf politische und wirtschaftliche Themen.
Deswegen sind auch in dieser Rede, die übrigens die meisten fremden Begriffe der 4
untersuchten Texte enthält, die unentbehrlichen Fremdwörter zahlreich anwesend. Ein
allgemeiner Überblick lehrt, dass zumindest drei Fünftel der Fremdwörter nicht durch
einheimische Termini ersetzt werden können. Neben einigen Begriffen der Alltagssprache
(Religion, Familie, Tradition, Theater, Film) kommen diese unentbehrlichen Wörter,
logischerweise, hauptsächlich aus dem politischen Bereich einerseits (Kanzler, Autarkie,
Monarchen,
Vertrauensvotum,
wirtschaftlichen
Bereich
Liberalismus,
andererseits
kommunistisch,
(Rentabilität,
politisch)
Konsument,
Export,
und
dem
Devisen-
Zwangswirtschaft, Finanzen). Gerade wie in der vorigen Rede spricht Hitler vor einem
70
Publikum von Politikern über politische Themen, wodurch er gezwungen wird, häufig auf
politische und wirtschaftliche Termini zurückzugreifen, welche der Rede einen recht hohen
Fremdwortanteil (8,13%) geben. Für die große Zahl von unentbehrlichen Fremdwörtern sind
aufs Neue viele Wiederholungen verantwortlich. So kommt der Begriff Regierung gut und
gerne 59 mal vor, dies entspricht schon 15,95% der Gesamtzahl!62 Ein anderer Begriff, der
mehrfach vorkommt, ist Nation. Dies war für die Nationalsozialisten ein gefühlgeladenes
Wort, das dank des Zischlauts [ts] und der Dehnung des Schlussvokals immer mit großem
Stolz ausgesprochen werden konnte (Loohuis 1975, 14). Des Weiteren werden auch in dieser
Rede verschiedene Konzepte mittels Ableitungen wiederholt: Existenz – existieren,
Organisation – organisatorisch – organisierend, Moral – moralisch.
Die Verwendung von unentbehrlichen Fremdwörtern war allerdings nicht immer ganz
unschuldig, denn sie erhielten im Nationalsozialismus oft eine zusätzliche Konnotation. So
weist die Monatsbezeichnung November, die in der Rede dreimal vorkommt, in allen drei
Fällen abwertend auf die Novemberrevolution von 1918, wie in der folgenden Textstelle: „die
seit dem November 1918 herrschenden Mächte“. Die Konnotation von Fremdwörtern kann sich
ändern, so zeigt das Wort Revolution, das verwendet wird, um sowohl die Revolution der
Nationalsozialisten als diejenige der Marxisten zu bezeichnen. Letztere Revolution wird
deutlich als eine negative Begebenheit betrachtet, und ihre Protagonisten werden deswegen
keine Revolutionäre genannt, wie die Nationalsozialisten in der ersten Rede, sondern
Attentäter. Mögliche Argumente für die marxistische Revolution werden als Legitimierung
beschrieben, was sachlicher und verhüllender klingt als etwa „Rechtfertigung“. Weiterhin ist
das Wort Organisation ebenso wenig für die Nationalsozialisten vorbehalten, sondern wird es
verwendet in Ausdrücken wie marxistische Organisationen. Das Wort System und seine
Ableitungen behalten nach wie vor ihre negative Bedeutung: „Der systematisch
herbeigeführte Verfall der Nation“.
Substantive tragen in dieser Rede gleichermaßen zu einer eindrucksvolleren Sprache bei. Im
nächsten Zitat sorgt das Fremdwort, das folgt auf einen ähnlichen, aber keinen
gleichbedeutenden, einheimischen Begriff, für eine klare Steigerung des Inhaltes:
62
In dieser Zahl sind auch Komposita mit Regierung als Konstituente, wie z. B. Reichsregierung und
Regierungsgewalt, mit einbegriffen.
71
Alle die […] gemachten Versprechungen erwiesen sich, wenn schon nicht als
bewusste Irreführungen, so doch als nicht minder verdammenswerte Illusionen.
Weitere Beispiele sind Massenterror, das beängstigender klingt als z. B. „Gewalt“ und
Heroismus, das großartiger ist als „Heldentum“. Bei den Adjektiven sind ebenfalls tönende
Begriffe zu bemerken: deprimierend, katastrophal, indiskutabel, radikal. Zur Intensivierung
des Gesagten wurden außerdem Fachwörter in den Text aufgenommen, welche einen
stärkeren Eindruck hinterlassen, indem sie eine besondere Atmosphäre kreieren. Der Staat
wurde von Hitler oft als ein lebender Organismus beschrieben: „das organisch gewachsene
Gute“. Dafür wurden der medizinischen Sprache häufig Begriffe entnommen: „Sanierung des
Volkskörpers“. Andere Beispiele von bildhaften Ausdrücken sind Fachwörter aus der
biologischen Sprache (primitivste Instinkte) und aufs Neue aus der Film- und Theaterwelt
(„die Regisseure dieses […] Verbrechens“).
Schließlich spricht Hitler wiederum viele Fremdwörter aus, die dem Text einen höheren
stilistischen Wert verleihen: proklamieren, Sanktion, Komplicen, Existenz, Intention,
tolerieren, Kommune.
C. Rede am 19. September 1939 im Artushof zu Danzig
C.1. Fremdwörter
Hauptinteressenten – Diktat – Problem – Probleme – Nation – Probleme – Problem –
Millionen – Millionen – aufoktroyierte – historischen – politischen – Kulturen – Produkt –
kulturelle – Provinz – motiviert – Regimenter – Kultur – kulturschöpferisch – kulturelle –
Barbarei – Barbarei – Nationalitätenstaat – Demokratie – Nationalitäten – regiert –
Gummiknüppel – Polizei – Militär – kulturellen – kulturell – regiert – kulturellen –
Minderwertigkeitskomplexe – abreagieren – kulturtragenden – barbarisch – tragisch –
realistischen – Nationen – barbarischen – Millionen – Diktats – Nation – Diktat – Charakter –
polonisieren – Provinz – Provinz – Schikanen – Problems – Synthese – Charakter –
Regierung – konkretester – exterritoriale – exterritorialen – garantieren – Regierung –
Millionen – Mobilmachung – Terror – Außenminister – Problem – Problem – Problem –
Armeen – Armee – Armeen – parallel – Martyrium – sadistische – Bestien – perversen –
Instinkte – demokratische – Nation – Generalkriegshetzer – famose – Garantie – primär –
Regime – ungeniert – Regierung – Regierung – Nation – kapitulieren – Demokratien – Praxis
72
– Demokratien – Regime – Pressefreiheit – autoritären – Disziplin – disziplinlosen –
disziplinierten – Praxis – undisziplinierten – disziplinierten – Clique – September –
Augusttage – August – Garantie – Kriegsapostel – direkte – Regierung – Außenminister –
Generalmobilmachung – Terrorakte – Provokationen – Deputation – Duce – Ultimatum –
Regierung – November – Regime – Regime – Nation – Ultimaten – Ultimatum –
weltpolitisches – finanzielles – Armee – Moral – Truppen – defaitistische – Diskrepanz –
Armeen – Generalstäbler – Truppen – Linie – marschieren – Kolonnen – Armeen – Armee –
Linie – kapitulieren – genialen – Regierung – Soldaten – Infanterie – motorisierten – Soldaten
– Marine – Bombe – Humanität – Humanität – Soldaten – intelligent – Kritik – Organisation
– Soldaten – Offiziere – Generale – Soldat – Soldaten – Offiziere – massakriert – bestialisch –
Regierung – Soldaten – Momente – demokratischen – Barbarei – protestieren – human –
Truppen – Regierung – zivilen – demokratischen – Armeen – Generalobersten – Operationen
– Artikel – Strategen – strategischen – Armeen – Interessen – einzumarschieren – Perfidie –
Perfidie – demokratischen – bolschewistischen – nationalsozialistischen – bolschewistischen
– Regime – Regime – Interessen – Demokratien – Ideale – Demokratien – Interessen –
Außenpolitik – Praxis – politischen – Regime – Regime – nächstinteressierten – Konflikt –
Welteroberungstendenzen – Regimes – Interessen – Interessen – Linie – Lebensinteressen –
Situation – akzeptiert – absolute – Interesse – Nation – basierend – Duce – Grenzrevision –
theoretisch – praktisch – Propaganda – garantiert – garantiert – Linie – Regime –
Repräsentant – Regimes – Regime – Regime – Regime – charakterlos – Nationalsozialismus –
nationalsozialistische – nationalsozialistische – Propaganda – Propagandastümper – Profilen –
politischen – Interessen – Clique – Kapitulation – Kapitulation – Generation – Generation –
unhomogen – plutokratischen – Weltdemokratien – Weltimperien – Propagandafatzken –
Regime – regiert – Kanonen – Granaten – Grenadiere – Soldaten – Regime – momentan –
Millionen – Neutralen – Humanität – Kolonne – marschiert – passieren – Prinzip – Elemente
– militärisches – Objekt – Bombe – Zivils – Blockade – Regime – Reaktion – kapituliert –
Millionen – Illustrierungen – Nationalsozialismus – Hurrapatriotismus – fanatische – Front –
Front – Regimenter – Divisionen – Hurrapatriotismus – infernalischer – Kriegsinteressenten –
regiert – Interessen – Gruppen – Ideen – Generationen – Generationen
73
C.2. Analyse
Diese Rede wurde von Hitler vor den Einwohnern von Danzig gehalten, kurz nachdem die
Stadt September 1939 von den Nationalsozialisten erobert worden war. Hitler erzählt die
Geschichte der Stadt, gibt seine Argumente für ihre Annexion von Seiten der
Nationalsozialisten und beschreibt den damals aktuellen Feldzug gegen Polen.
Gleich wie die anderen Reden zeigt die Betreffende eine wesentliche Menge an
unentbehrlichen Fremdwörtern auf. Schätzungsweise ein wenig mehr als die Hälfte der
gezählten Stichwörter können unmöglich durch ein deutsches Äquivalent ersetzt werden.
Bemerkenswert ist, dass der Anteil der politischen Termini, die zwar noch immer stark
vertreten sind, deutlich kleiner ist im Vergleich zu den anderen Reden. Dies hat
wahrscheinlich erstens damit zu tun, dass der „Führer“ nicht exklusiv zu Politikern, sondern
auch zu Bürgen spricht, und ist es zweitens ein Folge der Themen des Textes, die weniger
politisch orientiert sind als die ersten Reden. Dieser kleinere Anteil der politischen Termini
hat einen ausgeprägten Effekt auf die gesamte Fremdwortzahl, die beachtlich niedriger ist als
diejenigen der zwei vorigen, politisch orientierten Reden. Ein Hauptthema der Rede ist der
Krieg, was zur Folge hat, dass der wesentlichste Teil der unentbehrlichen Begriffe aus der
Militärsprache stammen: Regimenter, Armee, Truppen, marschieren, Kolonnen, Soldaten,
Infanterie, Marine, Bombe, Generale, Offiziere, Front, Divisionen.
Die für die Sprache Hitlers kennzeichnenden Wiederholungen sind erneut häufig vorhanden:
Sie haben durch diesen damaligen Frieden nicht ein einziges Problem gelöst, aber
zahllose Probleme neu geschaffen. Und es war nur eine Frage der Zeit, wann die
zertretene deutsche Nation sich aufraffen würde, um die neu geschaffenen Probleme
ihrerseits zur Lösung zu bringen. Denn das wesentlichste Problem hat man damals
überhaupt übersehen […].
Dazu kommen auch in dieser Rede verschiedene Derivationen und Komposita zur
Wiederholung eines Konzepts vor: Barbarei – barbarisch, Kultur – kulturell –
kulturschöpferisch – kulturtragend, Disziplin – diszipliniert – undiszipliniert – disziplinlos,
Bestien – bestialisch. Manchmal werden Fremdwörter dennoch abgewechselt mit
einheimischen Begriffen: historisch – geschichtlich.
74
Hitler verwendet, wie erwartet, nicht das Wort Partisanen, sondern einheimische Termini wie
Haupthetzer, Kriegshetzer und Heckenschützen, um seine Gegner zu bezeichnen (siehe
3.2.3.). Desto beachtlicher ist deswegen die Tatsache, dass er ihre Aktivitäten nicht als Hetze
beschreibt, sondern als Propaganda, ein Terminus, der normalerweise nur für die
nationalsozialistische Partei vorbehalten war, und zwar im positiv gemeinten Sinne (siehe
3.2.2.2.). Die Vorschriften in Bezug auf die Sprache wurden augenscheinlich sogar vom
„Führer“ selbst manchmal verletzt! Es muss trotzdem gesagt werden, dass das Wort hier
immer mit anderen abschätzigen Elementen kombiniert wird: lächerliche Propaganda,
Propagandastümper und Propagandafatzken. Das letzte Wort zeigt zudem, dass die
Abwechslung zwischen fremden Ausdrücken und umgangssprachlichen Elementen in ein und
demselben Wort stattfinden konnte.
Die tönende Wirkung ist ohne weiteres wieder eine bedeutende Funktion der im Text
angewendeten Fremdwörter. Hitler benutzt extrem negative Adjektive, um das Volk von der
schlechten Art der Gegner zu überzeugen, eine Eigenschaft, für die fremde Ausdrücke oft
ideal sind: tragisch, barbarisch, pervers, bestialisch, infernalisch, sadistisch. Noch im Text
steht ein anderes Adjektiv, dessen sich Hitler zur Beschimpfung anderer Regime gerne
bediente: plutokratisch. Dieses Adjektiv und das verwandte Substantiv Plutokratie bildeten in
den Kriegsjahren nationalsozialistische Schlagwörter zur Verleumdung der westlichen
Demokratien, meistens Großbritannien und der Vereinigten Staaten (Schmitz-Berning 2000,
469). Verschiedene Substantive dienen ebenfalls der Diffamierung: Clique, Kriegsapostel,
Barbarei, Schikanen. Das Verb massakrieren passt auch in diese Reihe abwertender Wörter.
Fremde Begriffe, die den Inhalt im positiven Sinne intensivieren, sind weniger zu bemerken,
wahrscheinlich Hitler dem Volk am Anfang des Krieges in erster Linie von der schlechten Art
der Gegner überzeugen mochte. Das bedeutendste positive Substantiv ist Martyrium, ein
anderes Wort aus dem religiösen Wortschatz. Von Bedeutung bei den Adjektiven ist vor
allem fanatisch, mit dem der „Führer“ noch mal unterstreicht, welche Haltung er seinen
Untertanen abverlangt.
Wenn der „Führer“ negative Aussagen über das Deutsche Reich, die gemacht wurden von den
Feinden, wiedergibt, verwendet er oft Fremdwörter, die beim normalen Publikum weniger
geläufig sind:
75
[Polen] hat diesen Kampf leichten Herzens gewählt, weil ihm gewisse Staatsmänner
des Westens versichert hatten, daß sie genaue Unterlagen besäßen […] über die
defaitistische Stimmung im Innern des Reiches, über die Diskrepanz, die zwischen
dem deutschen Volk und seiner Führung bestehen soll.
Das Adjektiv defätistisch gehört zur Bildungssprache und wurde sicherlich nicht von allen
Zuhörern des gemeinen Volkes verstanden, und Diskrepanz ist verhüllender als Kluft oder
Missverhältnis. Hitler wollte offensichtlich negative Meinungen über seine Politik, auch wenn
sie von ihm widerlegt wurden, nicht auf eine explizite Weise darstellen. Ein ähnliches
Verfahren findet im nächsten Abschnitt statt: „ein Engländer schrieb, das sei eine Perfidie“.
Der italienische Titel Duce ist im Text zweimal aufzufinden. Indem Hitler die offizielle
Anrede Mussolinis nutzt, wenn er über den faschistischen Leiter spricht, beabsichtigt er
Respekt für seinen Verbündeten. Schließlich nimmt der „Führer“ auch diesmal verschiedene
Elemente der Bildungssprache in den Mund: aufoktroyieren, Synthese, unhomogen, primär,
human. Aus ihrem Kontext tritt nicht direkt eine verschleiernde Funktion hervor. Hitler wollte
sich offenbar nicht nur im Reichstag, sondern gleichfalls der Masse gegenüber als ein
intellektueller Mann zeigen.
D. Rede am 4. September 1940 in Berlin
D.1. Fremdwörter
Nordkap – geographischen – Situation – Politiker – Armee – Truppen – Offensive – Position
– Propaganda – September – wohlinformierten – Propagandisten – wohlinformierte –
strategischen – Alliierten – Alliierten – konzentrieren – konstanter – Politiker – Zeitpunkt –
Operation – Meter – Ironie – Propaganda – marschierte – Brigade – Kampfbomber –
Brigadekommandeur – marschierte – Brigadekommandeur – Brigade – Dokumenten –
Truppen – Mister – alliierte – Kombination – Alliierten – Front – konzentrieren – Truppen –
strategische – Prophezeiungen – Aktien – Kriegsfabrikationsaktienpaketen – Termin – Termin
– Nation – Kontinent – blockieren – Piratenstaat – Millionen – Kaffee – Kaffee-Einfuhr –
interessiert – 85-Millionen-Nation – Plutokraten – außenpolitisches – Regime – Nation –
tyrannisieren – General – Nationalsozialisten – Soldaten – General – General – Revolution –
nationalsozialistischen – Generals – Revolution – September – September – September –
General – General – Revolution – General – General – General – Fehlspekulation – Mister –
General – General – obskure – Generale – General – Reichsgeneralfeldmarschall – General –
76
Bluff – solider – Generalen – Mister – Mister – Pietät – Generals – Revolution – Bluff –
General – Soldaten – geniale – Mister – Situationen – evakuieren – Organisationen –
Sanitätspersonal – Millionenschar – Soldat – Munition – Millionen – Munitionsfabriken –
Front – Disziplin – zivile – Bomben – Bombe – Kilogramm – Bomben – Nachtpiraten –
nationalsozialistische – Konsequenz – Soldat – Soldaten – fanatischem – sozialen –
Experimente – Milliarden – Dividende – Interesse – materiellen – materielle – soziale –
Experimente – Postament – Konzession – sozialen – sozialen – Plutokratien – Kapitalisten –
internationalen – Koalition – Systemdeutschland – personell – sozialen – sozialen –
Nationalsozialismus – konsequent – internationalen – Plutokraten – Sympathien –
Plutokratien – soziale – Substanz – Substanz – Ideal – Ideal – soziale – Demonstration –
Organisation – finanziell – ideell – Organisation – praktischen – Turnus – Repräsentanten –
praktische – Millionen – nationalen – Nationalsozialismus – Produkt – primär – aufoktroyiert
– organischen – Differenzen – Demonstrationen – reale – Produkte – repräsentieren –
Repräsentant – gigantischen – sozialen – Repräsentant – Idee – napoleonische – Soldat –
Tornister – Soldaten – Offizier – Unteroffizier – Repräsentanten – interessant – Front –
organisiert – Demonstration – Spekulation – General – Revolution – Idiotie – Generals –
General – General – Illusionen – Millionen
D.2. Analyse
Die letzte Rede wurde September 1940 gehalten anlässlich der Eröffnung des
Kriegswinterhilfswerkes,
einer
sozialen
Hilfseinrichtung
im
nationalsozialistischen
Deutschland. In der Rede analysiert Hitler die Kriegslage und ruft er das deutsche Volk auf,
ihre Aufgaben zu erfüllen und sich solidarisch miteinander zu zeigen.
Gleich wie die anderen Texte besteht auch die letzte Rede zu ungefähr der Hälfte aus
Fremdwörtern, für die im Deutschen keine anderen Begriffe vorhanden sind. Sie enthalten
zum Teil Alltagswörter (Kaffee, Dokument, Meter, Kilogramm, Milliarde), aber vor allem
militärische Wörter, was logisch ist angesichts des Themas der Rede und der Kriegslage, in
der Deutschland sich befand: Offensive, Truppen, strategisch, Brigadekommandeur, General,
Reichsgeneralfeldmarschall, Munition, Unteroffizier. Daneben kommen, wie in der vorigen
Rede, politische Termini (Nationalsozialismus, Partei, außenpolitisch) zwar wieder vor, aber
gleichfalls nicht so häufig als in den zwei ersten Reden, denn hier wird erneut zum normalen
77
Volk gesprochen, und stehen die politischen Angelegenheiten nicht an zentraler Stelle. Dies
bestätigt noch einmal die These, dass der Anteil des politischen Wortschatzes größtenteils
verantwortlich ist für den deutlichen Unterschied zwischen den zwei ersten und den zwei
letzten Reden.
Verschiedene Fremdwörter, die für die Nationalsozialisten eine negative Konnotation hatten,
tauchen in der Rede auf: Kapitalist, Systemdeutschland. Ein anderes Adjektiv, das für die
heutigen Sprecher ganz neutral aussieht, aber im Nationalsozialismus einen deutlich negativen
Wert hatte ist international. Seine Bedeutung war: „undeutsch, vaterlandslos, zur jüdischen
Weltverschwörung gehörig“ (Schmitz-Berning 2000, 322). Die Abwertung des Adjektivs
kommt in der Rede noch deutlicher nach vorne durch die Kombination mit gleichfalls negativ
konnotierten Substantiven: internationales Judentum, internationale Plutokraten.
Mehrere Stichwörter kommen wiederum mehr als einmal vor:
Weil wir aber das wissen, daß dieser Kampf doch letzten Endes ein Kampf um die
ganze soziale Grundlage unseres Volkes, um die Substanz unseres Lebens ist und
gegen diese Substanz gerichtet ist, bleibt uns gar nichts anderes übrig, als gerade im
Kampf für dieses Ideal uns selbst immer mehr zu diesem Ideal zu bekennen.
Des Weiteren sorgen auch in dieser Rede Derivationen für eine Art von Wiederholung:
Plutokraten – Plutokratien, Ideal – ideell, Repräsentant – repräsentieren. In einem Fall dient
das Fremdwort zur Verdoppelung des einheimischen Wortes: „zivile bürgerliche
Wohnviertel“.
Hitler verstößt aufs Neue, und zwar mehrmals, gegen seine eigenen sprachlichen Regeln.
Erstens macht er wieder vom Wort Propaganda Gebrauch, um die feindlichen Aktivitäten
darzustellen, obwohl dieser Terminus in Theorie exklusiv, und im positiv gemeinten Sinne,
für die eigene Partei vorbehalten war (siehe 3.2.2.2.). Hier sind sogar, im Gegensatz zur
vorigen Rede, keine anderen negativen Elemente in der direkten Nähe des Wortes zu spüren.
Es wird nur von „englischen Propagandisten“ und „englische[r] Propaganda“ gesprochen.
Zweitens erwähnt der „Führer“ mehrfach die Alliierten, einen Begriff, der von den
Nationalsozialisten verboten wurde, da sie dieses Bündnis nicht anerkannten (siehe 3.2.3.).
Die Verleumdung der Gegner ist abermals eine wichtige Eigenschaft der entbehrlichen
Fremdwörter. Ausdrücke wie Piratenstaat, Nachtpiraten, Idiotie und tyrannisieren
78
hinterlassen beim Volk ein vernichtendes Bild der feindlichen Mächte. Eine ähnliche
Entwertung wird in dieser Rede erreicht durch die Verwendung des fremden Titels Mister. Im
Gegensatz zu Duce der vorigen Rede ist dieses Wort kein Zeichen von Respekt, sondern rückt
es das Subjekt in einen ironischen Kontext:
Diese Schwätzereien des Mister Churchill oder des Mister Eden – vom alten
Chamberlain zu reden, das verbietet einem die Pietät –, diese Schwätzereien lassen
das deutsche Volk ganz kalt, bewegen es höchstens zum Lachen.
Die Verspottung wird in einem anderen Abschnitt noch verstärkt durch ein Adjektiv,
gleichfalls ein Fremdwort: „der geniale Mister Churchill“. Die vorletzte Textstelle zeigt
darüber hinaus mit dem Wort Pietät ein ähnliches Verfahren als dasjenige, das in der vorigen
Rede zu bemerken war. Dort wurden vom „Führer“ schwer verständlichere Begriffe
angewendet, um negative Aussagen über seine eigene Regierung weniger explizit zu machen.
Hier werden durch die Wahl eines schwierigeren Wortes allzu positive Gefühle über den
Gegner vermieden. Daher spricht Hitler nicht von „Respekt“ oder „Ehrfurcht“ für
Chamberlain, sondern von Pietät, einem Wort, dessen Bedeutung vielen normalen Leuten
wahrscheinlich unbekannt war.
Eines der Lieblingswörter der Nationalsozialisten ist erneut im Text anzutreffen, nämlich
fanatisch. Der „Führer“ kann den Belang dieser Einstellung bei der deutschen Bevölkerung
nicht genügend betonen:
Was den deutschen Soldaten vorne stark macht, ist das Bewußtsein und das Wissen,
daß hinter ihm fiebernd in eiserner Geschlossenheit, aber fanatischem Willen ein
ganzes Volk steht.
Schließlich wollten auch in diesem Text verschiedene Wörter dem Publikum zeigen, dass ein
gebildeter Sprecher vor ihm steht: Konzession, Substanz, Repräsentant, napoleonisch. Diese
Wörter stehen in scharfem Kontrast zur nächsten Textstelle, in der Hitler explizit auf die
Umgangssprache zurückgreift:
Es gibt in unserer hochdeutschen Sprache kein passendes Wort für so eine
Erscheinung wie Duff Cooper. Da muß man schon zur Mundart greifen, und hier,
glaube ich, ist nur im Bayerischen ein Wort geprägt worden, das so einen Mann
charakterisiert, nämlich: Krampfhenne!
Das Beispiel bestätigt die Heterogenität des Sprachstils Hitlers, welcher neben zahlreichen
aus der Bildungssprache stammenden Fremdwörtern ebenso gut umgangssprachliche Begriffe
79
verwendete zum Imponieren seiner Zuhörer, vor allem wenn er, wie in dieser Rede, zum
normalen Volk sprach (siehe 3.2.4.).
80
5. Schlussfolgerungen
In der vorliegenden Arbeit hat sich herausgestellt, dass die fundamentale Diskrepanz, die das
nationalsozialistische und das faschistische Regime in ihrem Umgang mit Fremdwörtern
aufweisen, sich durch mehrere Gründe erklären lässt.
Die Fremdwortjagd im italienischen Faschismus wurde gefördert durch die allgemeinen
sprachpuristischen Bestrebungen des Regimes, welche auf die Verbreitung der von vielen
Italienern nur mangelhaft gekannten Standardsprache zielte. Diese Aussage wird unterstützt
durch die Tatsache, dass der deutsche Fremdwortpurismus ebenfalls entstanden war als Teil
einer allgemeineren sprachpuristischen Bewegung, welche sich im siebzehnten und
achtzehnten Jahrhundert einsetzte für eine normierte hochdeutsche Standardsprache.
Ausschlaggebender für die Haltung gegenüber Fremdwörtern im italienischen Faschismus
waren jedoch die ideologischen Beweggründe. Sich stützend auf die romantische
Gleichstellung von Nation und Sprache, wurden die italienischen Faschisten getrieben von der
Idee der ‚linguistischen Autarkie‘. Italien wollte sich der Außenwelt gegenüber als ein
selbstständiger Staat zeigen, und dazu gehörte eine nationale Sprache, die von allen fremden
Elementen gesäubert war.
Im Nationalsozialismus dagegen spielten bei der Bewertung von Fremdwörtern ganz andere
Faktoren eine Rolle. Die nationalsozialistische Vorliebe für fremde Ausdrücke ist desto
merkwürdiger, weil die fremdwortpuristische Bewegung in Deutschland nach der
Reichsgründung (1870) und am Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts sehr populär war, mit
dem Deutschen Sprachverein als wesentlichstem Exponenten. Trotz dieses günstigen Klimas
entschieden sich die Nationalsozialisten für einen anderen Kurs. Einen solchen Bruch mit der
Tradition konnten sie sich leisten, da sie, im Gegensatz zu Mussolini, der offenbar kein
extremer Fremdwortpurist war, viel weniger abhängig waren von den Wünschen anderer
Instanzen und über eine stärkere gesellschaftliche Kontrolle verfügten.
Woher stammte aber diese positive Ansicht über fremde Ausdrücke in einem nationalistischen
und xenophoben Regime wie dem Nationalsozialismus? Erstens war der „Führer“ der
Deutschtümelei, einem Leitgedanken vieler deutscher Fremdwortpuristen, nicht zugeneigt, im
Unterschied zu den italienischen Faschisten, die für die italianità schwärmten. Für Hitler lag
81
die Deutschheit des Volkes nicht in der Sprache, sondern im Blut. Dass die deutsche Sprache
unmöglich eine Grundlage der nationalen Identität bilden konnte, liegt nahe, denn viele
Deutschsprechende, insbesondere die Juden, gehörten nicht zum nationalsozialistischen
‚Herrenvolk‘. Zweitens stellten sich die Nationalsozialisten in der Fremdwortproblematik viel
pragmatischer auf als die italienischen Faschisten. Hitler betrachtete die Aufnahme von
Fremdwörtern nicht wie die Fremdwortpuristen als ein Symbol von Überfremdung, sondern
als einen natürlichen Prozess, der die deutsche Sprache nur bereichern konnte. Zudem war
ihm klar, dass viele Eindeutschungen unpraktisch und weniger verständlich waren als die
Fremdwörter. Drittens passte der Fremdwortpurismus nicht in die Expansionspolitik der
Nationalsozialisten, die einen deutlichen Unterschied mit der autarkischen Politik der
italienischen Faschisten bildete. Da der nationalsozialistische Staat sich als der Verteidiger
Westeuropas zeigen mochte, sollte das Deutsche einen internationalen, und also
fremdwortreichen, Charakter haben.
Der Hauptgrund aber für die positive Bewertung von Fremdwörtern im Nationalsozialismus
bildeten die Funktionen, welche die fremden Ausdrücke im Diskurs erfüllen konnten. Erstens
dienten viele Fremdwörter dem Imponieren der Zuhörer oder Leser, ein wichtiger Aspekt der
nationalsozialistischen Kommunikation, die die Ausschaltung der kritischen Vernunft
bezweckte. Fremdwörter wirken oft suggestiver, u. a. wegen ihrer fremden Klänge und
anderer Betonung, können dem Textinhalt den Schein einer wissenschaftlichen, politischen
oder amtlichen Korrektheit verleihen oder aber können aus purer Angeberei gewählt werden,
um den Leuten vom Intellekt des Sprechers zu überzeugen. Die Intensivierung des Gesagten
durch die Anwendung von Fremdwörtern, äußert sich vor allem im Hervorheben der
Einzigartigkeit der eigenen Aktivitäten (heroisch, Triumph, prophezeien, energisch) und der
Verleumdung der Gegner: bestialisch, Idiotie, Piratenstaat, tyrannisieren.
Die zweite Funktion des Fremdwortgebrauchs im ‚Dritten Reich‘ war die Verschleierung, vor
allem von Verbrechen, aber in den Kriegsjahren auch von Niederlagen und Krisen. Wörter
wie Evakuierung, Desinfektion oder Konzentrationslager enthüllen keineswegs die
Gräueltaten, die hinter diesen Wörtern steckt. Fremdwörter sind gut geeignet für eine solche
Verhüllung, weil sie häufig aus der Fach- und Bildungssprache stammen und deshalb dem
normalen Volk unbekannt oder zumindest weniger geläufig sind. Ein interessanter Aspekt der
Tarnung, die in der Analyse dieser Arbeit hervortrat, ist die Verwendung fremder, nicht
82
geläufiger Begriffe, um positive Aussagen über Feinde oder negative Ideen von Gegnern über
die nationalsozialistische Regierung weniger explizit zu machen. So spricht Hitler nicht von
Respekt, sondern von Pietät für Chamberlain, und äußert er die Meinung, dass die Feinde
seine Aktivitäten als ein Perfidie charakterisieren.
Weiter wurden Fremdwörter zur Abgrenzung des Eigenen vom Fremden eingesetzt. Die
Wörter Propaganda und Kongreß z. B. waren den Nationalsozialisten vorbehalten, in Bezug
auf die anderen Parteien dagegen sollte von Hetze bzw. Tagung die Rede sein. Auch wenn die
Nationalsozialisten kaum neue Fremdwörter introduzierten, wurde vielen Fremdwörtern
schon eine neue Konnotation beigemessen. Dies konnte eine Änderung im positiven Sinne
sein, wie beim Wort Fanatismus, der Haupttugend der nationalsozialistischen Partei, und
seinen Ableitungen, meistens aber handelte es sich um eine Pejoration von Wörtern, die
beispielsweise Ideologien (Kommunismus), Regierungsformen (Demokratie) oder Haltungen
(intellektuell, objektiv) bezeichneten, die nicht in Übereinstimmung waren mit dem
Gedankengut der Nationalsozialisten.
Eine Absicht der vorliegenden Arbeit war gleichfalls, eine Idee zu bekommen von der Zahl
der Fremdwörter, die Hitler in seinen Reden einsetzte. Aus der Analyse von 4 Reden kam ein
durchschnittlicher Fremdwortanteil von 5,47% heraus, was keine Riesenzahl ist, im Vergleich
zu anderen fremdwortreichen Texten, wie z. B. der Tagespresse (8 bis 9%). Außerdem wurde
Hitlers Fremdwortgebrauch gekennzeichnet durch ständige Wiederholungen, auch mittels
Ableitungen eines bereits verwendeten Wortes, und einen großen Anteil an unentbehrlichen
Fremdwörtern. In den analysierten Reden zeigte sich jeweils mehr als die Hälfte der gezählten
Fremdwörter unentbehrlich. Neben diversen Begriffen aus der Alltagssprache (Film, Problem,
Januar, Presse) stammen sie – logischerweise – hauptsächlich aus dem politischen
(Regierung, nationalsozialistisch, kommunistisch, Demokratie, Reichspräsident) und dem
militärischen (Armee, Front, Truppen, Bombe, Offiziere) Bereich. Die politischen
Fremdwörter kommen jedoch am meisten vor und sind zudem in großem Maße
verantwortlich für die prägnanten Unterschiede zwischen den Fremdwortanteilen der
verschiedener Reden. Von den 4 analysierten Reden enthielten die ersten zwei deutlich mehr
Fremdwörter als die letzten zwei, weil sie von politischen Themen handelten und vor einem
Publikum von Politikern gehalten wurden. In solchen Umständen musste Hitler offensichtlich
mehr auf politische Begriffe zurückgreifen. Aus der Analyse kann gefolgert werden, dass der
83
„Führer“ keine Unmenge an Fremdwörtern benutzte, wie in der Sekundärliteratur manchmal
suggeriert wird, und nicht jedes Mal ein Fremdwort wählte, wenn dies möglich oder sogar zu
erwarten war. Immerhin lag sein Fremdwortanteil noch bedeutend höher als derjenige in der
Umgangssprache, und zeigte er eine breite Kenntnis von Fremdwörtern, die derjenigen eines
damaligen durchschnittlichen Sprechers ohne Zweifel weit überlegen war. Hitler setzte
Fremdwörter immer an eine gut gewählten Stelle ein und vermied eine Überhäufung, weil
diese gerade zu einer Abschwächung der suggestiven Kraft führen und die Verständlichkeit
des gesamten Textes gefährden konnte. Die Sprache im Nationalsozialismus sollte im Grunde
dem normalen Volk einfach, zugänglich und anziehend erscheinen, und daher waren z. B.
umgangssprachliche Elemente ebenfalls ein fester Bestandteil des nationalsozialistischen
Sprachstils. Indem die Fremdwörter in Abwechslung mit anderen Elementen wie Salven auf
das Publikum losgelassen wurden, wirkten sie desto eindrucksvoller ein.
Sosehr sich der Umgang mit Fremdwörtern in beiden Regimen auch unterschied, sie weist
doch einen gemeinsamen Charakterzug auf, nämlich einen ambivalenten Charakter. Die
Ambivalenz war am höchsten anwesend in der faschistischen Sprachpolitik. Diese richtete
sich nicht auf alle Fremdwörter schlechthin, sondern in erste Linie auf diejenigen aus den
wirtschaftlichen Bereichen, wie etwa Tourismus, Bank und Gastronomie, wegen der
internationalen Konkurrenz auf diesem Gebiet. Weiterhin wurden manche deutsche Wörter
(Gauleiter, Anschluss), die aus einem befreundeten Land stammten, und verschiedene übliche
Fremdwörter wie sport, film und tram ohne Probleme akzeptiert. Für andere Begriffe wie bar
dagegen wurde eine wahre Fülle von Vorschlägen gemacht, ohne dass deutlich war, welche
Form den Vorzug erhielt: bettolino, quisibeve, taberna potoria, ber, barro, barra, bara,
mescita, liquoreria und taverna. Darüber hinaus verloren die Ersetzungen der Kommission
für die italianità della lingua 1942 ihre normative Geltung, obwohl diese Kommission, die
zwischen 1941 und 1943 die bekannten fünfzehn Listen mit Italianisierungen publizierte,
speziell zu diesem Zweck gegründet worden war. All diese Faktoren hatten einen Mangel an
Systematik und Eindeutigkeit zur Folge, welche beitrug zum Scheitern der neopuristischen
Kampagne, denn die meisten Substitute waren nicht im Stande, die originellen Fremdwörter
zu verdrängen. Dieser Misserfolg wurde weiter bestimmt von der viel zu kurzen Dauer der
Kampagne, von dem passiven Widerstand, den die üblicheren Fremdwörter auf die neuen,
unbekannten Ersetzungen leisteten, und von der Tatsache, dass die Kampagne sich vor allem
am Ende des Regimes situierte, als die Sympathie von Seiten der Bevölkerung schon stark
84
abgenommen hatte. Rechnend mit all diesen Faktoren, kann allerdings nicht verneint werden,
dass die faschistischen Neopuristen einige Erfolge erzielt haben, z. B. im Bereich des Sports
(fallo, campo, arbitro, portiere, primato). Die Ambivalenz der faschistischen Sprachpolitik
äußert sich letztens in der kolonialen Literatur. Die Autoren von kolonialen Romanen konnten
in ihren Texten, welche die Visualisierung der kolonialen Welt für das italienische Volk zum
Auftrag hatten, ungestört fremde Begriffe anwenden. Diese bezeichneten meistens typische
Orte, Bräuche, Objekte und Personen der fremden Länder, konnten aber gleichfalls wegen
ihrer evokativen Möglichkeiten gewählt werden. Dieser Fremdwortgebrauch wurde dennoch
von manchen Neopuristen kritisiert, weil sie zu einer Flucht aus der Realität führten. Zu
offiziellen Maßnahmen wurde allerdings nie geschritten.
Der nationalsozialistische Umgang mit Fremdwörtern wurde ebenfalls von einer Ambivalenz
gekennzeichnet. Einerseits wurden Fremdwörter liebend gerne verwendet, andererseits
wurden sie manchmal abgelehnt oder sogar verboten, und wurde ein einheimisches
Äquivalent gewählt. Gleichwie die Bevorzugung eines Fremdworts wurde auch seine
Ablehnung bestimmt von suggestiver Kraft, Konnotation und Effekt auf die Zuhörer.
Beispiele sind das allzu euphemistische Wort Partisanen, an dessen Stelle weniger
verhüllende
Bezeichnungen
wie
Heckenschützen
oder
Banditen
kamen,
und
Versorgungskrise, das zu negativ klang und durch Engpaß ersetzt wurde. Die Zwiespältigkeit
in der nationalsozialistischen Haltung den Fremdwörtern gegenüber war augenscheinlich das
Ergebnis einer äußerst pragmatischen Behandlung der fremden Begriffe. Trotzdem wurde in
der Analyse der Reden Hitlers deutlich, dass sogar der „Führer“ manchmal gegen seine
eigenen Regeln verstieß. So benutzte er das Fremdwort Propaganda, das in Theorie exklusiv
der eigenen Partei vorbehalten war, auch in Bezug auf die Aktivitäten der Gegner.
Nichtsdestoweniger kann trotz solcher Fehltritte zum Schluss gesagt werden, dass die
Ambivalenz
zwischen
Zuneigung
und
Ablehnung
im
Fremdwortgebrauch
der
Nationalsozialisten meistens sehr bewusst und zudem funktional in den gehaltenen Reden
war. Bei den Faschisten dagegen erwies sich die Ambivalenz öfter als die Folge eines
Mangels an Systematik, die gar nicht funktional war, sondern die fremdwortpuristischen
Aktivitäten nur erschwerte.
85
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Bearbeitet von Wolfgang Müller unter Mitwirkung von Rudolf Köster und Marion Trunk und
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Abgerufen am 08.08.2011.
Anlagen
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Webseite mit offiziellen Reden, Bildmaterial und anderen Quellen zum Nationalsozialismus.
Abgerufen am 08.08.2011.
89
7. Anlagen
4 Reden Hitlers63:
63
−
I. Rede vor dem Reichstag am 30. Januar 1937
−
II. Die Tagung des Reichstags in der Krolloper am 23. März 1933
−
III. Rede am 19. September 1939 im Artushof zu Danzig
−
IV. Rede am 4. September 1940 in Berlin – Eröffnung des Kriegswinterhilfswerkes 1940/41
http://www.nazi.org.uk/political%20pdfs/HitlerReden.pdf
90
I. Rede vor dem Reichstag am 30. Januar 1937
Männer Abgeordnete des Deutschen Reichstages!
An einem für das deutsche Volk bedeutungsvollen Tage ist der Reichstag heute zusammengetreten.
Vier Jahre sind vergangen seit dem Augenblick, da die große innere Umwälzung und Neugestaltung,
die Deutschland seitdem erlebte, ihren Anfang nahm. Vier Jahre, die ich mir vom deutschen Volk
ausgebeten habe als eine Zeit der Bewährung und Beurteilung. Was würde näherliegen, als diesen
Anlaß zu benutzen, um im einzelnen alle jene Erfolge und Fortschritte aufzuzählen, die diese vier
Jahre dem deutschen Volke geschenkt haben? Es ist aber gar nicht möglich, im Rahmen einer so
kurzen Kundgebung all das zu erwähnen, was als die bemerkenswerten Ergebnisse dieser vielleicht
erstaunlichsten Epoche im Leben unseres Volkes gelten dürfen! Dies ist mehr die Aufgabe der Presse
und der Propaganda. Außerdem wird in diesem Jahre in der Reichshauptstadt Berlin eine Ausstellung
stattfinden, in der versucht werden soll, ein umfassenderes und eingehenderes Bild des Geschaffenen,
Erreichten und Begonnenen aufzuzeigen, als mir dies in einer zweistündigen Rede überhaupt möglich
sein könnte! Ich will daher diese heutige geschichtliche Zusammenkunft des Deutschen Reichstages
benutzen, um in einem Rückblick auf die vergangenen vier Jahre einige jener allgemein gültigen
Erkenntnisse, Erfahrungen und Folgerungen aufzuzeigen, die zu verstehen nicht nur für uns, sondern
auch für die Nachwelt wichtig sind.
Ich will weiter eine Stellung zu jenen Problemen und Aufgaben nehmen; deren Bedeutung uns und
unserer Umwelt zur Ermöglichung eines besseren Zusammenlebens klar sein müssen, und endlich
möchte ich auch in kürzesten Zügen die Projekte umreißen, die mir teils für die nächste, teils auch für
die fernere Zukunft als Arbeit vorschweben.
In der Zeit, da ich noch als einfacher Redner durch die deutschen Lande zog, wurde mir oft von
bürgerlicher Seite die Frage vorgelegt, warum wir an die Notwendigkeit einer Revolution glaubten,
statt zu versuchen, im Rahmen der bestehenden Ordnung und unter Mitarbeit bei den vorhandenen
Parteien die uns als schädlich und ungesund erscheinenden Verhältnisse zu verbessern.
Wozu eine neue Partei und wozu vor allem eine neue Revolution?
Meine damaligen Antworten wurden immer von folgenden Erwägungen bestimmt:
1. Die Verfahrenheit, der Verfall der deutschen Zustände, der Lebensauffassungen und der
Lebensbehauptung können nicht beseitigt werden durch einen einfachen Regierungswechsel. Diese
Wechsel haben ja schon vor uns mehr als genug stattgefunden, ohne daß dadurch eine wesentliche
Besserung der deutschen Not eingetreten wäre. Alle die Regierungsumbildungen hatten eine positive
Bedeutung nur für die Akteure des Schauspiels, für die Nation aber fast stets nur negative Ergebnisse.
Im Laufe einer langen Zeit war das Denken und praktische Leben unseres Volkes in Bahnen geraten,
die ebenso unnatürlich wie im Ergebnis abträglich waren. Eine der Ursachen dieser Zustände lag aber
in der unserem Wesen, unserer geschichtlichen Entwicklung und unseren Bedürfnissen fremden
Organisation des Staatsaufbaues und der Staatsführung an sich.
Das parlamentarisch-demokratische System war von den allgemeinen Zeiterscheinungen nicht zu
trennen. Die Heilung einer Not kann aber kaum je erfolgen durch eine Beteiligung an den sie
verschuldenden Ursachen, sondern nur durch deren radikale Beseitigung. Damit aber mußte der
politische Kampf unter den gegebenen Verhältnissen zwangsläufig den Charakter einer Revolution
annehmen.
2. Eine solche revolutionäre Um- und Neugestaltung ist weder denkbar durch die Träger und mehr
oder minder verantwortlichen Repräsentanten des alten Zustandes, das heißt also auch nicht durch die
politischen Organisationen des früheren verfassungsmäßigen Lebens, noch durch eine Teilnahme an
diesen Einrichtungen, sondern nur - durch die Aufrichtung und den Kampf - einer neuen Bewegung
91
mit dem Zweck und Ziel, die notwendige Reformation des politischen, kulturellen und
wirtschaftlichen Lebens bis in die tiefsten Wurzeln hinein vorzunehmen, und alles, wenn nötig, auch
unter Einsatz von Blut und Leben!
Es gehört dabei zum Bemerkenswerten, daß der parlamentarische Sieg durchschnittlicher Parteien
kaum etwas Wesentliches am Lebensweg und Lebensbild der Völker verändert, während eine
wahrhafte Revolution, die aus tiefsten weltanschaulichen Erkenntnissen kommt, auch nach außen hin
zu einprägsamsten und allgemein sichtbaren Veränderungen führt.
Wer will aber daran zweifeln, daß in diesen hinter uns liegenden vier Jahren tatsächlich eine
Revolution von gewaltigstem Ausmaß über Deutschland hinweggebraust ist?
Wer kann dieses heutige Deutschland noch vergleichen mit dem, was an diesem 30. Januar heute vor
vier Jahren bestand, da ich zu dieser Stunde den Eid in die Hand des ehrwürdigen Herrn
Reichspräsidenten abgelegt hatte?
Allerdings, wenn ich von einer nationalsozialistischen Revolution spreche, dann lag es in der
besonderen Eigenart dieses Vorganges in Deutschland, wenn vielleicht gerade dem Auslande und
vielleicht auch manchem unserer Mitbürger das Verständnis nicht ganz erschlossen wurde für die
Tiefe und das Wesen dieser Umwälzung. Ich bestreite auch nicht, daß gerade diese Tatsache, die für
uns das Bemerkenswerteste der Eigenart des Ablaufs der nationalsozialistischen Revolution ist und auf
die wir besonders stolz sein dürfen, im Ausland und bei den einzelnen Mitbürgern dem Verständnis
für diesen einmaligen geschichtlichen Vorgang eher hinderlich als nützlich war. Denn diese
nationalsozialistische Revolution war zu allererst eine Revolution der Revolutionen.
Ich meine damit folgendes: Durch Jahrtausende hat sich nicht etwa in deutschen Gehirnen, sondern
noch viel mehr in den Gehirnen der Umwelt die Ansicht gebildet und durchgesetzt, daß das
charakteristische Merkmal jeder wahren Revolution eine blutige Vernichtung der Träger der früheren
Gewalten und in Verbindung damit eine Zerstörung von öffentlichen und privaten Einrichtungen und
Eigentum sein müßten. Die Menschheit hat sich daran gewöhnt, Revolutionen mit solchen
Begleitumständen irgendwie doch wieder als legale Vorgänge anzuerkennen, d.h. der tumultuösen
Vernichtung von Leben und Eigentum, wenn schon nicht zustimmend, so doch wenigstens verzeihend
gegenüberzutreten, als die nun einmal nötigen Begleiterscheinungen von Vorgängen, die man ja
deshalb auch Revolutionen heißt!
Hierin liegt vielleicht, wenn ich von der faschistischen Erhebung in Italien absehe, der größte
Unterschied zwischen der nationalsozialistischen und anderen Revolutionen.
Die nationalsozialistische Revolution ist so gut als vollkommen unblutig verlaufen. Sie hat in der Zeit,
da die Partei, in Deutschland sicherlich sehr große Widerstände überwindend, die Macht übernahm,
überhaupt keinen Sachschaden angerichtet. Ich darf es mit einem gewissen Stolz aussprechen: Dies
war vielleicht die erste Revolution, bei der noch nicht einmal eine Fensterscheibe zertrümmert wurde.
Ich möchte aber nun nicht falsch verstanden werden: Wenn diese Revolution unblutig verlief, dann
nicht deshalb, weil wir etwa nicht Männer genug gewesen wären, um auch Blut sehen zu können!
Über vier Jahre lang war ich Soldat im blutigsten Kriege aller Zeiten gewesen. Ich habe in ihm in
keiner Lage und unter keinen Eindrücken auch nur einmal die Nerven verloren. Dasselbe gilt von
meinen Mitarbeitern.. Allein wir sahen die Aufgabe der nationalsozialistischen Revolution nicht darin,
Menschenleben oder Sachwerte zu vernichten, als vielmehr darin, ein neues und besseres Leben
aufzubauen. Es ist unser höchster Stolz, die sicherlich größte Umwälzung in unserem Volke mit einem
Minimum an Opfern und an Verlusten durch geführt zu haben. Nur dort, wo die bolschewistische
Mordlust auch noch nach dem 30. Januar 1933 glaubte, mit Gewalt den Sieg oder die Verwirklichung
der nationalsozialistischen Idee verhindern zu können, haben wir und da natürlich blitzschnell - auch
92
mit Gewalt geantwortet. Andere Elemente wieder, deren Unbeherrschtheit in Verbindung mit größter
politischer Unbildung wir erkannten, nahmen wir nur in Sicherheitsverwahrung, um sie im
allgemeinen schon nach kurzer Zeit wieder in den Besitz ihrer Freiheit zu setzen. Und nur wenige,
deren politische Tätigkeit nur der Deckmantel für eine durch zahlreiche Gefängnis- und
Zuchthausstrafen bestätigte verbrecherische Haltung an sich war, hinderten wir auch später an einer
Fortsetzung ihrer verderblichen Zerstörungsarbeit, indem wir sie, wohl zum erstenmal in ihrem Leben,
zu einer nützlichen Beschäftigung anhielten. Ich weiß nicht, ob es jemals eine Revolution von so
durchgreifendem Ausmaß gegeben hat wie die nationalsozialistische und die trotzdem unzählige
frühere politische Funktionäre unbehelligt und im Frieden ihrer Tätigkeit nachgehen ließ, ja
zahlreichen grimmigsten Feinden in oft höchsten Staatsstellen sogar noch den vollen Genuß der ihnen
zustehenden Renten und Pensionen ausschüttete?
Wir haben dies getan! Allerdings hat uns vielleicht gerade dieses Vorgehen nach außen hin nicht
immer genützt. Erst vor wenigen Monaten konnten wir es erleben, wie ehrenwerte britische
Weltbürger glaubten, sich an mich wenden zu müssen mit einem Protest wegen der Zurückbehaltung
eines der verbrecherischsten Moskauer Subjekte in einem deutschen Konzentrationslager. Es ist wohl
meiner Unorientiertheit zuzuschreiben, nie erfahren zu haben, ob diese ehrenwerten Männer sich einst
auch ebenso gegen die blutigen Gewalttaten dieser Moskauer Verbrecher in Deutschland
ausgesprochen hatten, ob sie gegen die grausame Parole »Schlagt Faschisten tot, wo ihr sie trefft«
Stellung nahmen, oder sie z. B. jetzt in Spanien gegen die Niedermetzelung, Schändung und
Verbrennung von Zehn- und aber Zehntausenden von Männern, Frauen und Kindern ebenso ihrer
Empörung Ausdruck gaben! Hätte nämlich in Deutschland die Revolution etwa nach dem
demokratischen Vorbild in Spanien stattgefunden, dann würden diese eigenartigen
Nichteinmischungsapostel anderer Länder ihrer Mühen und Sorgen wohl restlos enthoben sein.
Kenner der spanischen Verhältnisse versichern, daß die Zahl der bestialisch Abgeschlachteten mit
170.000 eher zu niedrig als zu hoch angegeben wird. Nach diesen Leistungen der braven
demokratischen Revolutionäre in Spanien hätte die nationalsozialistische Revolution unter
Zugrundelegung unserer dreimal größeren Bevölkerungszahl das Recht gehabt, vier- bis
fünfhunderttausend Menschen umzubringen! Daß wir dies nicht taten, gilt anscheinend fast als
Versäumnis und findet von seiten der demokratischen Weltbürger - wie wir sehen - eine sehr
ungnädige Beurteilung.
Allerdings, die Macht dies zu tun hätten wir gehabt. Die Nerven vielleicht besser als jene
Meuchelmörder, die vor jedem offenen Kampf feige zurückschrecken und nur wehrlose Geiseln
abzuschlachten vermögen. Wir waren Soldaten und haben einst im blutigsten Kampf aller Zeiten
unseren Mann gestanden. Nur das Herz, und ich darf wohl auch sagen die Vernunft haben uns davor
bewahrt, so zu verfahren. So hat denn die ganze nationalsozialistische Revolution insgesamt weniger
Opfer gefordert, als allein im Jahre 1932 von unseren bolschewistischen Gegnern in Deutschland ohne
Revolution Nationalsozialisten ermordet worden sind.
Dies war allerdings nur möglich durch die Befolgung eines Grundsatzes, der nicht nur in der
Vergangenheit unser Handeln bestimmte, sondern den wir auch in der Zukunft nie vergessen wollen:
Es kann nicht die Aufgabe einer Revolution oder überhaupt einer Umwälzung sein, ein Chaos zu
erzeugen, sondern nur etwas Schlechtes durch Besseres zu ersetzen. Dies erfordert aber stets, daß das
Bessere tatsächlich schon vorhanden ist. Als mich am 30. Januar vor vier Jahren der ehrwürdige Herr
Reichspräsident berief und mit der Bildung und Führung einer neuen Deutschen Reichsregierung
betraute, da lag hinter uns ein gewaltiger Kampf um die Macht im Staate, den wir mit den damaligen
streng legalen Mitteln durchgefochten hatten. Trägerin dieses Kampfes war die Nationalsozialistische
Partei. In ihr hat der neue Staat schon längst, ehe er tatsächlich proklamiert werden konnte, bereits eine
ideelle und förmliche Gestaltung erfahren. Alle Grundsätze und Prinzipien des neuen Reiches waren
die Grundsätze, Gedanken und Prinzipien der Nationalsozialistischen Partei. Sie hat sich auf dem
Wege des legalen Ringens um den deutschen Volksgenossen die überwältigende Stellung in diesem
Reichstage geschaffen, und als ihr dann endlich tatsächlich die Führung gegeben wurde, da hatte sie
diese Führung auch nach parlamentarisch-demokratischem Rechte schon über ein Jahr lang zu
93
beanspruchen das Recht gehabt. Der Sinn der nationalsozialistischen Revolution lag aber darin, daß
die Forderungen dieser Partei eine wahrhaft umwälzende Erneuerung früher allgemein gültiger
Auffassungen und Einrichtungen proklamierten. Und erst als einzelne Verblendete glaubten, der mit
Recht zur Führung des Reiches berufenen Bewegung in der Durchführung ihres vom Volk gebilligten
Programms den schuldigen Gehorsam aufsagen zu können, hat sie diesen ungesetzlichen Störenfrieden
mit -eiserner Faust den Nacken unter das Gesetz des neuen nationalsozialistischen Reiches und Staates
gebeugt.
Damit aber, meine Parteigenossen und Abgeordnete des Deutschen Reichstages, war die
nationalsozialistische Revolution als solche auch schon beendet. Denn von diesem Augenblick der
sichergestellten Machtübernahme im Reiche durch die Partei an habe ich es als selbstverständlich
angesehen, daß damit die Revolution übergeführt wird in die Evolution.
Diese dadurch eingeleitete Entwicklung beinhaltet allerdings einen ideellen und tatsächlichen
Umbruch, der auch heute noch von manchem Zurückgebliebenen als außerhalb geistigen Horizontes
des Auffassungsvermögens oder über dem Egoismus der eigenen Interessen liegend abgelehnt wird.
Denn: die nationalsozialistische Lehre hat auf unzähligen Gebieten unseres Lebens ohne Zweifel
revolutionierend gewirkt und auch demgemäß oft eingegriffen und gehandelt.Grundsätzlich: Unser nationalsozialistisches Programm setzt an Stelle des liberalistischen Begriffes
des Individuums und des marxistischen Begriffes der Menschheit das blutbedingte und mit dem Boden
verbundene Volk. Ein sehr einfacher und lapidarer Satz, allein von gewaltigen Auswirkungen. Zum
erstenmal vielleicht, seit es eine Menschengeschichte gibt, ist in diesem Lande die Erkenntnis dahin
gelenkt worden, daß von allen Aufgaben, die uns gestellt sind, die erhabenste und damit für den
Menschen heiligste, die Erhaltung der von Gott gegebenen blutgebundenen Art ist.
Zum erstenmal ist es in diesem Reiche möglich, daß der Mensch die ihm vom Allmächtigen
verliehene Gabe des Erkennens und der Einsicht jenen Fragen zuwendet, die für die Erhaltung seiner
Existenz von gewaltigerer Bedeutung sind als alle siegreichen Kriege oder erfolgreichen
Wirtschaftsschlachten! Die größte Revolution des Nationalsozialismus ist es, das Tor der Erkenntnis
dafür aufgerissen zu haben, daß alle Fehler und Irrtümer der Menschen zeitbedingt und damit wieder
verbesserungsfähig sind, außer einem einzigen: dem Irrtum über die Bedeutung der Erhaltung seines
Blutes, seiner Art und damit der ihm von Gott gegebenen Gestalt und des ihm von Gott geschenkten
Wesens. Wir Menschen haben nicht darüber zu rechten, warum die Vorsehung die Rassen schuf,
sondern nur zu erkennen,- daß sie den bestraft, der ihre Schöpfung mißachtet.
Unsagbares Leid und Elend sind über die Menschheit gekommen, weil sie diese im Instinkt zutiefst
verankerte Einsicht durch eine schlechte intellektuelle Halbbildung verlor. heute leben in unserem
Volk Millionen und aber Millionen Menschen, denen diese Gesetze klar und verständlich geworden
sind. Was einzelnen Sehern oder unverdorben Ahnenden aber als Erkenntnis aufging, ist heute
Arbeitsgebiet der deutschen Wissenschaft geworden. Und ich spreche es hier prophetisch aus:
So wie die Erkenntnis des Umlaufs der Erde um die Sonne zu einer umwälzenden Neugestaltung des
allgemeinen Weltbildes führte, so wird sich aus der Blut- und Rassenlehre der nationalsozialistischen
Bewegung eine Umwälzung der Erkenntnisse und damit des Bildes der Geschichte der menschlichen
Vergangenheit und ihrer Zukunft ergeben.
Und dies wird nicht zu einer Entfremdung der Völker, sondern im Gegenteil zum ersten Male zu
einem wahren gegenseitigen Verstehen führen! Es wird dann allerdings aber auch verhindern, daß das
jüdische Volk unter der Maske eines biederen Weltbürgers alle anderen Völker innerlich zu zersetzen
und dadurch zu beherrschen versucht!
Die Folgen dieser - wie wir überzeugt sind - wahrhaft umwälzenden Erkenntnis sind für das deutsche
Leben von revolutionärer Bedeutung geworden. Wenn zum erstenmal in unserer Geschichte das
94
deutsche Volk den Weg zu einer größeren Einheit als je zuvor gefunden hat, dann nur unter dem
zwingenden Banne dieses inneren Erlebnisses. Unzählige Vorurteile wurden davon zerbrochen,
zahlreiche Hemmungen als wesenlos beiseitegeschoben, schlechte Traditionen verblassen, alte
Symbole werden entwertet, aus der Ohnmacht einer stammesmäßigen, dynastischen,
weltanschaulichen, religiösen und parteilichen Zerrissenheit erhebt sich das deutsche Volk und trägt
vor sich her das Banner einer Einigung, die symbolisch nicht den Sieg eines staatlichen, sondern eines
rassischen Prinzips dokumentiert. Im Dienste des Sieges dieser Idee stand nun viereinhalb Jahre lang
die deutsche Gesetzgebung. So wie am 30. Januar 1933 durch meine Berufung zur
Reichskanzlerschaft ein an sich schon bestehender Zustand seine Legalisierung erhielt, nämlich die
damals ohne Zweifel Deutschland beherrschende Partei - mit der Führung des Reiches und der
Gestaltung des deutschen Schicksals beauftragt wurde, so ist die deutsche Gesetzgebung seit diesen
vier Jahren nur die Festlegung einer ideenmäßig geklärten und durchgesetzten Auffassung nach der
allgemein bindenden rechtlichen Seite hin.
Wie diese Blutsgemeinschaft des deutschen Volkes damals staatlich verwirklicht wurde, wird uns
allen wohl die schönste Erinnerung des Lebens sein. Wie ein Frühlingssturm brauste es vor vier Jahren
über das deutsche Land hinweg. Die Kampftruppen unserer Bewegung, die das Banner des
Hakenkreuzes viele Jahre lang gegen eine Übermacht der Gegner verteidigt und es in vierzehn langen
Jahren immer weiter vorwärts getragen hatten, stießen es nun tief hinein in den Boden des neuen
Reiches.
In wenigen Wochen waren die staatlichen Rückstände sowohl als die gesellschaftlichen Vorurteile
einer tausendjährigen Vergangenheit in Deutschland ausgeräumt und beseitigt worden.
Oder kann man nicht von einer Revolution sprechen, wenn in kaum drei Monaten ein parlamentarischdemokratisches Durcheinander verschwindet und an seine Stelle ein Regime der Ordnung, der
Disziplin, aber auch der Tatkraft kommt, wie es Deutschland in solcher geschlossenen Einheitlichkeit
und umfassenden Machtfülle noch nie besaß? So groß war die Revolution, daß ihre geistigen
Grundlagen selbst jetzt von der oberflächlich urteilenden Umwelt noch gar nicht erkannt worden sind.
Man redet von Demokratien und Diktaturen und hat noch gar nicht begriffen, daß sich in diesem
Lande eine Umwälzung vollzogen hat, deren Ergebnis, wenn Demokratie überhaupt einen Sinn haben
soll, im höchsten Sinne des Wortes als demokratisch zu bezeichnen ist. Mit unfehlbarer Sicherheit
steuern wir auf eine Ordnung hin, die - so wie im gesamten übrigen Leben - auch auf dem Gebiete der
politischen Führung der Nation einen natürlichen und vernunftgemäßen Ausleseprozeß sicherstellt,
durch den die wirklich fähigsten Köpfe unseres Volkes ohne Rücksicht auf Geburt, Herkunft, Namen
oder Vermögen nur gemäß der ihnen gegebenen höheren Berufung zur politischen Führung der Nation
bestimmt werden. Des großen Korsen schönste Erkenntnis, daß jeder Soldat den Marschallstab im
Tornister tragen müsse, wird in diesem Lande die politische Ergänzung finden. Gibt es einen
herrlicheren und schöneren Sozialismus und eine wahrhaftigere Demokratie als jenen
Nationalsozialismus, der es dank seiner Organisation ermöglicht, daß unter Millionen deutschen
Knaben jeder, wenn sich die Vorsehung seiner bedienen will, den Weg finden kann bis an die Spitze
der Nation? Und dies ist keine Theorie! Dies ist im heutigen nationalsozialistischen Deutschland eine
uns allen selbstverständliche Wirklichkeit. Ich selbst als der durch das Vertrauen des Volkes berufene
Führer komme aus ihm. Alle die Millionen deutscher Arbeiter, sie wissen es, daß an der Spitze des
Reiches kein fremder Literat oder internationaler Revolutionsapostel steht, sondern ein Deutscher aus
ihren eigenen Reihen. Und zahlreiche einstige Arbeiter- und Bauernkinder, sie stehen in diesem
nationalsozialistischen Staat heute an führenden Stellen, ja manche unter ihnen sind als Minister,
Reichsstatthalter und Gauleiter mit die höchsten Leiter und Repräsentanten des Volkes. Freilich sieht
der Nationalsozialismus auch hier nur das ganze Volk und niemals eine Klasse. Der Zweck der
nationalsozialistischen Revolution war es nicht, aus einem bevorrechteten Stand für die Zukunft einen
rechtlosen zu machen, sondern aus einem rechtlosen einen gleichberechtigten. Wir haben nicht
Millionen Bürger vernichtet, um sie zu Zwangsarbeitern zu degradieren, sondern unser Ziel war es,
aus Zwangsarbeitern deutsche Bürger zu erziehen. Denn eines werden alle Deutschen verstehen:
Revolutionen können als Gewaltakte nur von kurzer Dauer sein. Wenn sie nicht Neues aufzubauen
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vermögen, werden sie als Exzesse das Vorhandene in kurzer Zeit verzehren. Aus dem gewalttätigen
Akt der Übernahme der Macht muß sich in kurzer Zeit eine segensreiche Arbeit des Friedens
entwickeln. Wer aber Klassen beseitigt, um neue Klassen zu schaffen, legt den Keim zu neuen
Revolutionen! Was heute Bourgeois ist und diktiert, wird morgen als Zwangsarbeiter in Sibirien
wieder Proletarier sein und dann einmal genau so auf die Befreiung hoffen wie der Proletarier, der erst
unterdrückt war und nun zu diktieren glaubt. Die nationalsozialistische Revolution hat daher nie
beabsichtigt, eine bestimmte Klasse des deutschen Volkes in den Besitz der Macht zu setzen, um eine
andere auszuschalten, sondern im Gegenteil: es war nur ihr Ziel, dem ganzen deutschen Volk durch
ihre organisatorische Erfassung der Massen die Möglichkeit nicht nur einer wirtschaftlichen, sondern
auch einer politischen Betätigung sicherzustellen. Sie beschränkt sich dabei allerdings auf die zu
unserem Volk gehörigen Elemente und lehnt es ab, einer fremden Rasse Einfluß auf unser politisches,
geistiges oder kulturelles Leben zu geben, oder ihm eine wirtschaftliche Vorrangstellung einzuräumen.
In dieser blutmäßigen Verbundenheit unseres Volkes und in der durch den Nationalsozialismus
erfolgten Erweckung des Verständnisses dafür, liegen die tiefsten Ursachen für das wunderbare
Gelingen unserer Revolution.
Vor diesem neuen gewaltigen Ideal verblaßten alle staatlichen, dynastischen, stammesmäßigen, aber
auch parteilichen- Idole und Rückstände der Vergangenheit. So war es möglich, daß in wenigen
Wochen die ganze Welt unserer alten Parteien zugrunde ging, ohne daß auch nur einen Augenblick
das Gefühl der Leere entstand. Denn eine neue bessere Erkenntnis hatte sie verdrängt. Eine neue
Bewegung nahm ihren Platz ein. Eine neue Organisation unseres Volkes der arbeitenden und
schaffenden Nation schob die alten Unternehmer- und Arbeitnehmerorganisationen und Verbände
einfach beiseite. Und als die symbolischen Zeugen deutscher Vergangenheit und damit deutscher
Zerrissenheit und deutscher Ohnmacht entfernt wurden, da geschah es nicht durch den Beschluß eines
Komitees; das wie im Jahre 1918 oder 1919 wenn möglich durch Preisausschreiben - das neue Symbol
des Reiches herauszufinden hatte, sondern durch die Flagge, die uns als Wahrzeichen der
nationalsozialistischen Kampfzeit in die Erhebung hineinbegleitet hat und die nun seitdem zu Lande,
zu Wasser und in der Luft das Zeichen der Erhebung der Nation geworden ist.
Wie sehr aber diesen Wechsel und diese Wandlung das deutsche Volk begriffen und in seiner
Bedeutung erfaßt hat, wird durch nichts mehr erhärtet als durch die Zustimmung, die die Nation uns
seitdem so viele Male gegeben hat. Denn von all jenen, die sich so oft und so gern bemühen, die
demokratischen Regierungen als vom Volke getragene Institutionen zum Unterschied der Diktaturen
hinzustellen, hat keiner mehr Recht, im Namen seines Volkes zu reden als ich!
Als das Ergebnis dieses Teiles der deutschen Revolution mußte ich folgendes feststellen:
Es gibt im deutschen Volk seitdem nur mehr einen Träger der Souveränität, und dies ist das gesamte
deutsche Volk selbst.
Der Wille dieses Volkes findet seinen Ausdruck in der Partei als der politischen Organisation dieses
Volkes.
Es gibt entsprechend dem auch nur einen einzigen Gesetzgeber.
Es gibt nur eine Gewalt der Exekutive.
Wer das Deutschland vor dem Januar 1933 demgegenüber zum Vergleich heranzieht, wird ermessen,
welch eine gewaltige Wandlung diese kurzen Feststellungen enthalten. Diese Umwälzung ist aber
ebenfalls nur das Ergebnis der Durchführung eines Grundsatzes der nationalsozialistischen Lehre, daß
nämlich der vernünftige Sinn und Zweck alles menschlichen Denkens und Handelns nicht in der
Schaffung oder Erhaltung einer von Menschen ersonnenen Konstruktion, Organisation oder Funktion
liegen kann, sondern nur in der Sicherung und Entwicklung des von der Vorsehung gegebenen
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völkischen Bausteines an sich. Daher wurde durch den Sieg der nationalsozialistischen Bewegung das
Volk als das Seiende und das Bleibende über jede Organisation, Konstruktion und Funktion gestellt.
Sinn und Zweck der Existenz der von der Vorsehung erschaffenen Rassen vermögen wir Menschen
weder zu erkennen noch festzustellen. Allein Sinn und Zweck der menschlichen Organisationen sowie
aller Funktionen sind meßbar an ihrem Nutzen, den sie für die Erhaltung des bleibenden und seienden
Volkes besitzen. Daher ist das Volk das Primäre. Partei, Staat, Armee, Wirtschaft, Justiz usw. sind
sekundäre Erscheinungen, Mittel zum Zweck der Erhaltung dieses Volkes. In eben dem Maße, in dem
sie dieser Aufgabe gerecht werden: sind sie richtig und nützlich. Wenn sie dieser Aufgabe nicht
genügen, sind sie schädlich und müssen entweder reformiert oder beseitigt und durch Besseres ersetzt
werden.
Die Anerkennung dieses Grundsatzes allein kann die Menschen auch davor bewahren, in starre
Doktrinen zu verfallen dort, wo es keine Doktrinen gibt, Mittel in Dogmen umzufälschen, wo nur der
Zweck als einziges Dogma gelten darf.
Sie alle, meine Abgeordneten, Männer des Reichstages, verstehen den Sinn dessen, was ich hier
ausspreche. Allein ich rede ja in dieser Stunde zum ganzen deutschen Volk, und ich möchte daher an
einigen Beispielen die Bedeutung dieser Grundsätze erläutern, die sie in dem Moment erhielten, da wir
sie am praktischen Leben anzuwenden begannen. Es wird für viele erst dann verständlich werden,
warum wir von einer nationalsozialistischen Revolution reden, auch wenn es sich hier nicht um die
Vernichtung von Gut und Blut gehandelt hat.
Im Laufe einer langen Zeit ist teils durch Übernahme fremden Gedankengutes, teils durch das Fehlen
einer eigenen klaren Einsicht unser Rechtsleben in eine Verwirrung geraten, die ihren prägnantesten
Ausdruck fand in der Unklarheit über den inneren Zweck des Rechtes an sich. Zwei polare Extreme
kennzeichnen diesen Zustand:
1. Die Auffassung, daß das Recht als solches seine eigene Existenzberechtigung in sich trage und
daher überhaupt keinerlei Prüfung über die Nützlichkeit im einzelnen oder im gesamten zulasse. Das
Recht bestehe, selbst wenn die Welt darüber zugrunde ginge.
2. Die Auffassung, daß das Recht im wesentlichen berufen sei, den Schutz des Individuums in der
Person und in seinem Eigentum zu übernehmen und zu sichern. Zwischen beiden meldete sich in
verschämter Verbrämung die Vertretung größerer Gemeinschaftsinteressen zumeist nur als
Konzession an die sogenannte Staatsräson an.
Die nationalsozialistische Revolution hat demgegenüber dem Rechte, der Rechtswissenschaft sowohl
als der Rechtsprechung einen eindeutigen klaren Ausgangspunkt gegeben:
Es ist die Aufgabe der Justiz, mitzuhelfen an der Erhaltung und Sicherung des Volkes vor jenen
Elementen, die sich als Asoziale entweder den gemeinsamen Verpflichtungen zu entziehen trachten
oder sich an diesen gemeinsamen Interessen versündigen. Damit steht über der Person und der Sache
auch im deutschen Rechtsleben von jetzt ab das Volk.
Diese kurze Feststellung führt in ihrer Berücksichtigung zu der größten Reform, die unser deutsches
Rechtsleben und Rechtswesen bisher erlebt haben. Entsprechend dem Ausgangspunkt war die erste
einschneidende Wirkung die Proklamierung nicht nur eines einzigen Gesetzgebers, sondern auch einer
einzigen Rechtsausübung. Die zweite Maßnahme ist noch nicht abgeschlossen, wird aber in wenigen
Wochen der Nation verkündet. In einem neuen deutschen Strafgesetzbuch erhält zum erstenmal aus
dieser großen Gesamtperspektive heraus die deutsche Rechtspflege jene Grundlagen, die sie für alle
Zeiten in den Dienst der deutschen Volkerhaltung stellen wird.
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Wie groß auch die Wirrnisse gewesen sind, die wir auf den einzelnen Lebensgebieten im Jahre 1933
vorfanden, so wurden sie doch noch übertroffen von dem Verfall der deutschen Wirtschaft. Dies war
auch jene Seite des deutschen Zusammenbruchs, die der breiten Masse unseres Volkes am deutlichsten
und unmittelbarsten zum Bewußtsein kam. Der sachliche Zustand ist Ihnen und wohl auch dem
ganzen deutschen Volk noch in Erinnerung. Wir fanden als Dokument dieser Katastrophe vor allem
zwei Erscheinungen:
1. Über sechs Millionen Erwerbslose;
2. einen ersichtlich zum Untergang bestimmten Bauernstand.
Die Gesamtfläche der damals bereits vor der Zwangsversteigerung stehenden deutschen
landwirtschaftlichen Güter umfaßte einen Umfang, der etwas größer war als das Land Thüringen.
Endlich konnte es nicht verwunderlich sein, daß bei einer so allgemeinen Herabsetzung der Produktion
einerseits und der Kaufkraft andererseits auch die breite Masse unseres Mittelstandes in kurzem dem
Zusammenbruch und damit der Vernichtung anheimfallen mußte. Wie schwer diese Seite der
deutschen Not damals empfunden wurde, können wir noch nachträglich daraus ermessen, daß ich mir
gerade zur Behebung der Arbeitslosigkeit sowie zur Behinderung einer weiteren Vernichtung des
deutschen Bauerntums die bekannte Zeit der vier Jahre ausgebeten hatte.
Ich darf weiter hier feststellen, daß der Nationalsozialismus im Jahre 1933 nicht in irgendeine Erfolg
versprechende Handlung anderer eingegriffen hat, sondern daß die Partei mit der Führung des Reiches
erst in dem Augenblick beauftragt wurde, als auch die letzte Möglichkeit einer anderen Rettung als
gescheitert angesehen werden mußte, als insbesondere alle Versuche einer Behebung der
wirtschaftlichen Not sich als Fehlschläge erwiesen hatten.
Wenn ich heute nach vier Jahren vor das Angesicht des deutschen Volkes trete, und auch vor Ihnen
selbst, meine Abgeordneten, Männer des Deutschen Reichstages, Rechenschaft ablege, dann werden
Sie mir und der nationalsozialistischen Regierung nicht die Bestätigung versagen, daß ich mein
damaliges Versprechen eingelöst habe.
Dies war kein leichtes Unterfangen. Ich spreche nichts Unbekanntes aus, wenn ich hier die
Feststellung treffe, daß gerade die sogenannten ,,Fachleute" damals an eine solche mögliche Rettung
nicht mehr glaubten.
Wie ich dazu kam, angesichts dieser furchtbaren und wie schon betont - gerade für Fachleute
aussichtslosen Lage dennoch an die deutsche Wiederauferstehung und besonders an die wirtschaftliche
Gesundung zu glauben, liegt in zweierlei begründet:
1. Ich habe immer nur Mitleid empfunden mit jenen aufgeregten Menschen, die bei jeder
schwierigen Lage sofort vom Zusammenbruch eines Volkes reden. Was heißt Zusammenbruch? Das
deutsche Volk hat schon vor der Zeit gelebt, da es uns geschichtlich sichtbar zum Bewußtsein kommt.
Allein, wenn wir seine früheren Schicksale gänzlich unberücksichtigt lassen, so steht doch folgendes
fest, daß seit diesen nunmehr rund zweitausend Jahren über jenen Teil der Menschheit, den wir heute
als deutsches Volk bezeichnen, unsagbare Katastrophen und unsagbares Leid öfter als einmal
gekommen sind. Hungersnöte, Kriege und Pestilenz haben in unserem Volke schaurige Einkehr
gehalten und eine furchtbare Ernte gemäht. Muß man nicht einen unbändigen Glauben an die
Lebenskraft einer Nation besitzen, wenn man sich überlegt, daß erst vor wenigen Jahrhunderten in
einem dreißigjährigen Kampf von über achtzehn Millionen Menschen unser deutsches Volk auf nicht
einmal mehr vier Millionen zusammenschmolz. Wenn wir bedenken, daß dieses früher so blühende
Land damals ausgeplündert, zerrissen und verelendet war, daß seine Städte niedergebrannt, seine
Ortschaften und Dörfer verwüstet, die Felder unbebaut und verödet waren? Und wenige Jahrzehnte
später begann unser Volk wieder zu wachsen, die Städte füllten sich mit neuem Leben, die Äcker
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wurden wieder gepflügt, und im gewaltigen Rhythmus erklang das Lied jener Arbeit, die uns eine
neue Existenz und neues Leben gab!
Verfolgen wir doch einmal den uns nur bekannten Teil des Lebensweges unseres Volkes aus grauer
Vorzeit bis heute und ermessen wir dann die ganze Lächerlichkeit des Getues jener blassen Schwätzer,
die, wenn irgendwo in der Welt ein Stück Papier eine Abwertung erfährt, sofort vom Zusammenbruch
der Wirtschaft und damit wohl auch vom Zusammenbruch des menschlichen Lebens reden.
Deutschland und das deutsche Volk sind schon sehr schwerer Katastrophen Herr geworden. Freilich
ich gebe es zu - es waren immer Männer notwendig, um die dann erforderlichen Maßnahmen zu
treffen und sich ohne Rücksicht auf Verneiner und Besserwisser durchzusetzen. Ein Haufen
parlamentarischer Angsthasen eignen sich allerdings schlecht zur Führung eines Volkes aus Not und
Verzweiflung!
Ich hatte den festen Glauben und die heiligste Überzeugung, daß die Überwindung der deutschen
Wirtschaftskatastrophe in dem Augenblick gelingen wird, in dem man an die Unvergänglichkeit eines
Volkes glaubt und der Wirtschaft die Rolle als Dienerin am Leben des Volkes zuweist, die ihr gebührt.
2. Ich war kein Wirtschaftler, das heißt vor allem, ich bin in meinem Leben noch niemals Theoretiker
gewesen.
Ich habe aber leider gefunden, daß die schlimmsten Theoretiker sich immer gerade dort eingenistet
haben, wo die Theorie gar nichts und das praktische Leben alles ist. Es ist selbstverständlich, daß sich
auch im wirtschaftlichen Leben im Laufe der Zeit nicht nur bestimmte Erfahrungsgrundsätze ergeben
haben, sondern auch bestimmte zweckmäßige Methoden. Allein, alle Methoden sind zeitgebunden..
Aus Methoden Dogmen machen wollen, heißt der menschlichen Fähigkeit und Arbeitskraft jene
elastischen Möglichkeiten nehmen, die sie allein in die Lage setzt, wechselnden Anforderungen mit
wechselnden Mitteln entgegenzutreten und ihrer so Herr zu werden. Der Versuch, aus wirtschaftlichen
Methoden ein Dogma zu formulieren, wurde von vielen mit jener gründlichen Emsigkeit, die den
deutschen Wissenschaftler nun einmal auszeichnet, betrieben und als Nationalökonomie zum Lehrfach
erhoben. Und nur nach den Feststellungen dieser Nationalökonomie war Deutschland ohne Zweifel
verloren. Es liegt im Wesen dabei aller Dogmatiker, sich auf das schärfste zu verwahren gegen ein
neues Dogma, d. h. einer neuen Erkenntnis, die dann als Theorie abgetan wird. Seit 18 Jahren können
wir das köstliche Schauspiel erleben, daß unsere wirtschaftlichen Dogmatiker in der Praxis auf fast
allen Gebieten des Lebens widerlegt worden sind, allein nichtsdestoweniger die praktischen
Überwinder des wirtschaftlichen Zusammenbruchs als Vertreter ihnen fremder und daher falscher
Theorien ablehnen und verdammen.
Sie kennen ja den bekannten Fall, in dem ein Kranker seinem Arzt begegnet, der ihm zehn Jahre
vorher nur mehr für sechs Monate das Leben zusagte und der nun seinem Erstaunen über die trotzdem
durch einen anderen Arzt erfolgte Heilung nur dadurch Ausdruck verleihen konnte, daß er diese unter
solchen Umständen als eine sichere Fehlbehandlung erklärte.
Meine Abgeordneten! Die deutsche Wirtschaftspolitik, die der Nationalsozialismus im Jahre 1933
einleitete, geht auf einige grundsätzliche Erwägungen zurück.
In den Beziehungen zwischen Wirtschaft und Volk gibt es nur etwas Unveränderliches, und dies ist
das Volk. Wirtschaftsbetätigung aber ist kein Dogma und wird nie ein solches sein.
Es gibt keine Wirtschaftsauffassung oder Wirtschaftsansicht, die irgendwie Anspruch auf eine
Heiligkeit erheben könnten. Entscheidend ist der Wille, der Wirtschaft stets die dienende Rolle dem
Volke gegenüber zuzuweisen und dem Kapital die dienende Rolle gegenüber der Wirtschaft.
Der Nationalsozialismus ist, wie wir wissen, der schärfste Gegner der liberalistischen Auffassung, daß
die Wirtschaft für das Kapital da sei und das Volk für die Wirtschaft. Wir waren daher auch vom
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ersten Tage an entschlossen, mit dem Trugschluß zu brechen, daß etwa die Wirtschaft im Staat ein
ungebundenes, unkontrollierbares und unbeaufsichtigtes Eigenleben führen könnte.
Eine freie, das heißt eine ausschließlich sich selbst überlassene Wirtschaft kann es heute nicht mehr
geben. Nicht nur, daß dies etwa politisch untragbar wäre, nein, auch wirtschaftlich würden unmögliche
Zustände die Folge sein.
So wie Millionen einzelne Menschen ihre Arbeit nicht nach ihren eigenen Auffassungen und
Bedürfnissen einteilen oder ausüben können, so kann auch die gesamte Wirtschaft nicht nach eigenen
Auffassungen oder im Dienste nur eigensüchtiger Interessen tätig sein. Denn sie ist auch nicht in der
Lage, die Konsequenzen eines Fehlschlages heute noch irgendwie selbst zu tragen. Die moderne
Wirtschaftsentwicklung konzentriert ungeheure Arbeitermassen auf bestimmte Erwerbszweige und in
bestimmte Gebiete. Neue Erfindungen oder der Verlust der Absatzmärkte können mit einem Schlage
ganze Industrien zum Erliegen bringen.
Der Unternehmer kann ja vielleicht die Tore seiner Fabriken schließen, er wird möglicherweise
versuchen, seinem Tätigkeitsdrang ein neues Feld zu öffnen. Er wird auch zumeist nicht so ohne
weiteres zugrunde gehen, und außerdem handelt es sich hier nur um wenige Einzelwesen. Diesen
gegenüber aber stehen hunderttausende Arbeiter mit ihren Weibern und mit ihren Kindern! Wer nimmt
sich ihrer an und wer sorgt für sie?
Die Volksgemeinschaft!
Jawohl! Sie muß es tun. Allein geht es dann nicht an, der Volksgemeinschaft nur die Verantwortung
für die Katastrophe der Wirtschaft aufzubürden ohne den Einfluß und die Verantwortung für jenen
Einsatz und für jene Überwachung der Wirtschaft, die die Katastrophe zu vermeiden geeignet sind!
Meine Abgeordneten! Als die deutsche Wirtschaft im Jahr 1932 auf 1933 endgültig zum Erliegen zu
kommen schien, da wurde mir noch mehr als in früheren Jahren folgendes klar:
Die Rettung unseres Volkes ist nicht ein Problem der Finanzen, sondern ausschließlich ein Problem
der Verwendung und des Einsatzes unserer vorhandenen Arbeitskraft einerseits und der Ausnützung
des vorhandenen Bodens und der Bodenschätze andererseits.
Es ist dies damit zu allererst ein Organisationsproblem. Es handelt sich daher auch nicht um Phrasen,
wie z.B. Freiheit der Wirtschaft, sondern es handelt sich darum, durch alle vorhandenen Maßnahmen
der Arbeitskraft die Möglichkeit einer Produktion und produktiven Betätigung zu geben. Solange die
Wirtschaft, daß heißt die Gesamtsumme der eigenen Unternehmer dies aus eigenem fertigbringen, ist
es gut. Wenn sie - dies aber nicht mehr können, dann ist die Volksgemeinschaft, d.h. in diesem Falle
der Staat verpflichtet, ihrerseits für den Einsatz der vorhandenen Arbeitskräfte zum Zwecke einer
nützlichen Produktion Sorge zu tragen bzw. die dazu nötigen Maßnahmen zu treffen. Und hier kann
der Staat alles tun, nur etwas nicht, nämlich - wie dies der Fall war - über 12 000 Millionen
Arbeitsstunden Jahr für Jahr einfach verlorengehen lassen!
Denn die Volksgemeinschaft lebt nicht von dem fiktiven Wert des Geldes, sondern von der realen
Produktion, die dem Gelde erst seinen Wert verleiht.
Diese Produktion ist die erste Deckung einer Währung und nicht eine Bank oder ein Tresor voll Gold!
Und wenn ich diese Produktion steigere, erhöhe ich das Einkommen meiner Mitbürger wirklich, und
indem ich sie senke, vermindere ich das Einkommen, ganz gleich, welche Löhne ausbezahlt werden.
Und meine Abgeordneten! Wir haben in diesen vier Jahren die deutsche Produktion auf allen Gebieten
außerordentlich erhöht. Und die Steigerung dieser Produktion kommt den deutschen Menschen in
ihrer Gesamtheit zugute. Denn wenn heute z. B. unzählige Millionen Tonnen Kohle mehr gefördert
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werden, dann dienen sie nicht etwa dazu, um ein paar Millionären die Zimmer meinetwegen auf ein
paar Tausend Grad zu erhitzen, sondern um Millionen deutscher Volksgenossen die auf sie treffende
Quote erhöhen zu können.
So hat die nationalsozialistische Revolution durch den Einsatz einer früher brachliegenden
Millionenmasse deutscher Arbeitskraft eine so gigantische Steigerung der deutschen Produktion
erreicht, daß der Erhöhung unseres allgemeinen Nationaleinkommens der sachliche Gegenwert
gewährleistet ist! Und nur dort, wo wir diese Steigerung aus Gründen, deren Behebung außerhalb
unseres Bemühens liegt, nicht durchführen können, sind von Zeit zu Zeit Verknappungen eingetreten,
die aber in keinem Verhältnis stehen zu dem Gesamterfolg der nationalsozialistischen
Wirtschaftsschlacht.
Den gewaltigsten Ausdruck findet diese planmäßige Lenkung unserer Wirtschaft in der Aufstellung
des Vierjahresplanes.
Durch ihn wird besonders für die aus der Rüstungsindustrie einst wieder zurückströmenden Massen
der deutschen Arbeiterschaft eine dauernde Beschäftigung im inneren Kreislauf unserer Wirtschaft
sichergestellt. Es ist jedenfalls ein Zeichen dieser gewaltigsten wirtschaftlichen Entwicklung unseres
Volkes, daß wir heute auf vielen Gebieten nur sehr schwer gelernte Arbeiter zu bekommen vermögen.
Ich begrüße dies besonders aus dem Grunde, weil dadurch mitgeholfen wird, die Bedeutung des
Arbeiters als Mensch und als Arbeitskraft in das richtige Licht zu setzen und weil dadurch - wenn
auch aus anderen Motiven heraus - die soziale Tätigkeit der Partei und ihrer Verbände auf leichteres
Verständnis stößt und eine stärkere und willigere Unterstützung erfährt.
So wie wir die Aufgaben der Wirtschaft in einem so hohen völkischen Sinn verstehen, wird von selbst
die frühere Trennung in Arbeitgeber und Arbeitnehmer hinfällig. Auch der neue Staat wird und will
nicht Unternehmer sein. Er will nur den Einsatz der Arbeitskraft der Nation insoweit regeln, als es
zum Nutzen aller notwendig ist. Und er wird den Arbeitsprozeß nur soweit beaufsichtigen, als es im
Interesse aller Beteiligten sein muß. Er wird dabei unter keinen Umständen versuchen, das
wirtschaftliche Leben zu verbeamten. Jede wirkliche und praktische Initiative kommt in ihrer
wirtschaftlichen Auswirkung allen Volksgenossen zugute. Der Wert eines Erfinders oder eines
erfolgreichen wirtschaftlichen Organisators ist im Augenblick oft für die gesamte Volksgemeinschaft
gar nicht abzuschätzen. Es wird in der Zukunft erst recht eine Aufgabe der nationalsozialistischen
Erziehung sein, allen unseren Volksgenossen ihren gegenseitigen Wert klarzumachen. Dem einen zu
zeigen, wie unersetzbar der deutsche Arbeiter ist, den deutschen Arbeiter aber auch zu belehren, wie
unersetzbar der Erfinder und der wirkliche Wirtschaftsführer sind.
Daß in einer Sphäre solcher Auffassungen weder Streik noch Aussperrung geduldet werden können,
ist klar. Der nationalsozialistische Staat kennt kein wirtschaftliches Faustrecht. Über den Interessen
aller Kontrahenten steht das Gesamtinteresse der Nation, d. h. unseres Volkes.
Die praktischen Ergebnisse dieser unserer Wirtschaftspolitik sind Ihnen bekannt. Ein ungeheurer
Schaffensdrang geht durch unser Volk. Überall entstehen gewaltige Werke der Produktion und des
Verkehrs. Während in anderen Ländern fortgesetzte Streiks oder Aussperrungen die Stetigkeit der
nationalen Produktionen erschüttern, arbeitet in unserem Volk die Millionenmasse aller Schaffenden
nach dem höchsten Gesetz, das es für sie auf dieser Welt geben kann, nach dem Gesetz der Vernunft.
Wenn es uns in diesen vier Jahren gelungen ist, die wirtschaftliche Rettung unseres Volkes
durchzuführen, so wissen wir, daß die Ergebnisse dieser wirtschaftlichen Arbeit in Stadt und Land
auch gesichert werden müssen. Die erste Gefahr droht den Werken der menschlichen Kultur zunächst
stets aus den eigenen Reihen, dann nämlich, wenn zwischen der Größe der menschlichen Leistungen
und der Einsicht der sie schaffenden, erhaltenden und betreuenden Volksgenossen kein inneres
Verhältnis mehr besteht.
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Die nationalsozialistische Bewegung hat dem Staate die Richtlinien für die Erziehung unseres Volkes
gegeben. Diese Erziehung beginnt nicht in einem gewissen Jahr und endet nicht in einem anderen. Die
menschliche Entwicklung brachte es mit sich, daß von einem bestimmten Zeitpunkt an die
Weiterbildung des Kindes aus der Obhut der engsten Zelle des Gemeinschaftslebens, der Familie,
genommen und der Gemeinschaft selbst anvertraut werden muß.
Die nationalsozialistische Revolution hat dieser Gemeinschaftserziehung bestimmte Aufgaben gestellt
und sie vor allem unabhängig gemacht von Lebensaltern, d. h. die Belehrung des einzelnen Menschen
kann niemals ein Ende finden Es ist daher die Aufgabe der Volksgemeinschaft, dafür zu sorgen, daß
diese Belehrung und Weiterbildung stets im Sinne ihrer Interessen, d. h. der Erhaltung des Volkes
liegt.
Wir können deshalb auch nicht zugeben, daß irgendein taugliches Mittel für diese Volksausbildung
und Erziehung von dieser Gemeinschaftsverpflichtung ausgenommen werden könnte.
Jugenderziehung - Jungvolk - Hitlerjugend - Arbeitsdienst Partei - Wehrmacht, sie sind alle
Einrichtungen dieser Erziehung und Ausbildung unseres Volkes. Das Buch, die Zeitung, der Vortrag,
die Kunst, das Theater, der Film, sie sind alle Mittel dieser Volkserziehung. Was die
nationalsozialistische Revolution auf diesen Gebieten geleistet hat, ist erstaunlich und gewaltig.
Bedenken Sie allein folgendes:
Unser ganzes deutsches Erziehungswesen einschließlich der Presse, des Theaters, des Films, der
Literatur wird heute ausschließlich von deutschen Volksgenossen geleitet und gestaltet. Wie oft
konnten wir früher hören, daß die Entfernung des Judentums aus diesen Institutionen zum
Zusammenbruch oder zu ihrer Verödung führen müßte! Und was ist nun eingetreten? Auf all diesen
Gebieten erleben wir ein ungeheures Aufblühen des kulturellen und künstlerischen Lebens. Unsere
Filme sind besser als je zuvor, unsere Theateraufführungen stehen heute in unseren Spitzenbühnen auf
einer einsamen Welthöhe. Unsere Presse ist ein gewaltiges Instrument im Dienste der
Selbstbehauptung unseres Volkes geworden und hilft mit, die Nation zu stärken. Die deutsche
Wissenschaft ist erfolgreich tätig, und gewaltige Dokumente unseres schöpferischen Bauwillens
werden einst von dieser neuen Epoche zeugen!
Es ist eine unerhörte Immunisierung des deutschen Volkes erreicht worden gegenüber all den
zersetzenden Tendenzen, unter denen eine andere Welt zu leiden hat. Manche unserer Einrichtungen,
die noch vor wenigen Jahren nicht. verstanden worden sind, kommen uns heute schon als
selbstverständlich vor. Jungvolk, Hitlerjugend, BdM., Frauenschaft, Arbeitsdienst, SA., SS., NSKK.
und vor allem die Arbeitsfront in ihrer gewaltigen Gliederung sind Steine des stolzen Baues unseres
Dritten Reiches.
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II. Die Tagung des Reichstags in der Krolloper am 23. März 1933.
Männer und Frauen des Deutschen Reichstages! Im Einvernehmen mit der Reichsregierung haben die
Nationalsozialistische Partei und die Deutschnationale Volkspartei Ihnen durch einen Initiativantrag
ein Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich zur Beschlussfassung unterbreitet.
Die Gründe für diesen außerordentlichen Vorgang sind folgende:
Im November 1918 rissen marxistische Organisationen durch eine Revolution die vollziehende Gewalt
an sich. Die Monarchen wurden entthront, die Reichs- und Landesbehörden abgesetzt und damit die
Verfassung gebrochen. Das Gelingen der Revolution im materiellen Sinne sicherte die Attentäter vor
dem Zugriff der Justiz. Die moralische Legitimierung suchten sie in der Behauptung, Deutschland
bzw. seine Regierung trügen die Schuld am Ausbruch des Krieges. Diese Behauptung war wissentlich
und sachlich falsch.
In der Folge führten aber diese im Interesse unserer damaligen Feinde liegenden unwahren
Anschuldigungen zur schärfsten Unterdrückung des gesamten deutschen Volkes und der Bruch der
uns in den 14 Punkten Wilsons gemachten Zusicherungen dann für Deutschland, d. h. für das
schaffende deutsche Volk, zu einer Zeit grenzenlosen Unglücks. Alle die von den Männern des
November 1918 gemachten Versprechungen erwiesen sich, wenn schon nicht als bewusste
Irreführungen, so doch als nicht minder verdammenswerte Illusionen. Die 'Errungenschaften der
Revolution' waren, im Gesamten genommen, nur für kleinste Teile unseres Volkes angenehme, für die
überwältigende Mehrheit aber, zumindest soweit sich diese durch ihre redliche Arbeit das tägliche
Brot verdienen musste, unendlich traurige.
Dass hierfür der Selbsterhaltungstrieb der an dieser Entwicklung schuldigen Parteien und Männer
tausend Beschönigungen und Ausreden findet, ist verständlich. Der nüchterne Vergleich der
durchschnittlichen Ergebnisse der letzten vierzehn Jahre mit den einst proklamierten Versprechungen
fällt für die verantwortlichen Regisseure dieses in der deutschen Geschichte beispiellosen Verbrechens
vernichtend aus.
Unser Volk hat im Verlaufe der letzten 14 Jahre auf allen Gebieten des Lebens einen Verfall erlitten,
der größer kaum vorstellbar ist. Die Frage, was überhaupt in dieser Zeit noch schlimmer hätte
kommen können, ist unter Berücksichtigung der Grundwerte unseres deutschen Volkes sowie der einst
vorhanden gewesenen politischen und wirtschaftlichen Erbmasse nicht zu beantworten. Das deutsche
Volk selbst hat trotz seiner schweren Beweglichkeit in politischen Empfindungen und Stellungnahmen
sich steigend von den in seinen Augen für diese Zustände verantwortlichen Auffassungen, Parteien
und Verbänden abgewendet. Die Zahl der innerlich auf dem Boden der Weimarer Verfassung
stehenden Deutschen war trotz der suggestiven Bedeutung und rücksichtslosen Ausnutzung der
Regierungsgewalt am Ende nur mehr ein Bruchteil der gesamten Nation.
Es ist weiter das charakteristische Merkmal dieser vierzehn Jahre gewesen, dass — abgesehen von
natürlichen Schwankungen — die Linie der Entwicklung konstant nach unten führte. Diese
deprimierende Erkenntnis war mit eine der Ursachen der allgemeinen Verzweiflung. Sie förderte die
Einsicht über die Notwendigkeit einer gründlichen Abkehr von den Ideen, Organisationen und
Männern, in denen man mit Recht allmählich die tieferen Ursachen unseres Verfalls zu erkennen
begann.
Die nationalsozialistische Bewegung vermochte daher trotz furchtbarster Unterdrückung immer mehr
Deutsche geistes- und willensmäßig zum Abwehrkampf zu erfassen. Sie hat im Verein mit den
anderen nationalen Verbänden nunmehr innerhalb weniger Wochen die seit dem November 1918
herrschenden Mächte beseitigt und in einer Revolution die öffentliche Gewalt in die Hände der
nationalen Regierung gelegt. Am 5. März hat das deutsche Volk diesem Akt seine Zustimmung erteilt.
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Das Programm des Wiederaufbaus von Volk und Reich ergibt sich aus der Größe der Not unseres
politischen, moralischen und wirtschaftlichen Lebens. Erfüllt von der Überzeugung, dass dieser
Zusammenbruch seine Ursachen in inneren Schäden unseres Volkskörpers hat, ist es das Ziel der
Regierung der nationalen Revolution, diejenigen Gebrechen aus unserem völkischen Leben zu
beseitigen, die auch in Zukunft jeden tatsächlichen Wiederaufstieg verhindern würden.
Der durch die marxistische Irrlehre systematisch herbeigeführte Verfall der Nation in weltanschaulich
unvereinbare Gegensätze bedeutet die Vernichtung der Basis eines möglichen Gemeinschaftslebens.
Die Auflösung ergreift alle Grundlagen der Gesellschaftsordnung. Die völlig gegensätzliche
Einstellung der Einzelnen zu den Begriffen Staat, Gesellschaft, Religion, Moral, Familie, Wirtschaft
reißt Differenzen auf, die zum Krieg aller gegen alle führen. Ausgehend vom Liberalismus des
vergangenen Jahrhunderts, findet diese Entwicklung naturgesetzlich ihr Ende im kommunistischen.
Chaos. Die damit verbundene Mobilisierung primitivster Instinkte führt zu einer Verbindung zwischen
den Auffassungen einer politischen Idee und den Handlungen wirklicher Verbrecher. Angefangen von
Plünderungen, Brandstiftungen, Eisenbahnanschlägen, Attentaten und so fort, erhält alles in der
kommunistischen Idee seine moralische Sanktion. Allein die Methode des individuellen Massenterrors
hat die nationalsozialistische Bewegung im Laufe weniger Jahre über 300 Tote und Zehntausende an
Verletzten gekostet.
Die Brandstiftung im Reichstag als missglückter Versuch einer groß angelegten Aktion ist nur ein
Zeichen dessen, was Europa vom Siege dieser teuflischen Lehre zu erwarten hätte. Wenn eine
bestimmte Presse – besonders außerhalb Deutschlands – heute versucht, entsprechend der durch den
Kommunismus zum Prinzip erhobenen politischen Unwahrheit die nationale Erhebung Deutschlands
mit dieser Schandtat zu identifizieren, so kann mich das nur in meinem Beschlüsse bestärken, nichts
unversucht zu lassen, um in kürzester Zeit dieses Verbrechen durch die öffentliche Hinrichtung des
schuldigen Brandstifters und seiner Komplicen zu sühnen ! Der ganze Umfang der beabsichtigten
Aktion dieser Organisation ist weder dem deutschen Volk noch der übrigen Welt genügend zum
Bewusstsein gekommen. Nur durch ihr blitzschnelles Zufassen hat die Regierung eine Entwicklung
verhindert, die bei einem katastrophalen Ausgang ganz Europa erschüttert haben würde. Manche von
denen, die sich heute aus Hass gegen die nationale Erhebung innerhalb und außerhalb Deutschlands
mit den Interessen des Kommunismus verbrüdern, würden selbst die Opfer einer solchen Entwicklung
geworden sein. Es wird die oberste Aufgabe der nationalen Regierung sein, diese Erscheinung nicht
nur im Interesse Deutschlands, sondern im Interesse des übrigen Europas in unserem Lande restlos
auszurotten und zu beseitigen. Sie wird nicht die Erkenntnis aus dem Auge verlieren, dass es sich
dabei nicht um das negative Problem dieser Organisation handelt, sondern um die Durchführung der
positiven Aufgabe der Gewinnung des deutschen Arbeiters für den nationalen Staat. Nur die
Herstellung einer wirklichen Volksgemeinschaft, die sich über die Interessen und Gegensätze der
Stände und Klassen erhebt, vermag allein auf die Dauer diesen Verirrungen des menschlichen Geistes
den Nährboden zu entziehen.
Die Erringung einer solchen weltanschaulichen Geschlossenheit des deutschen Volkskörpers ist um so
wichtiger, als nur durch sie die Möglichkeit der Aufrechterhaltung freundschaftlicher Beziehungen zu
den außerdeutschen Mächten ohne Rücksicht auf die sie beherrschenden Tendenzen oder
weltanschaulichen Grundsätze gegeben ist, denn die Beseitigung des Kommunismus in Deutschland
ist nur eine innerdeutsche Angelegenheit. Die übrige Welt mag daran ebenso sehr interessiert sein, da
der Ausbruch eines kommunistischen Chaos in dem dicht besiedelten Deutschen Reiche zu politischen
und wirtschaftlichen Folgeerscheinungen besonders im übrigen westlichen Europa führen würde,
deren Ausmaße unvorstellbar sind.
Der innere Zerfall unserer Volksgemeinschaft führte zwangsläufig zu einer immer bedenklicher
werdenden Schwächung der Autorität der obersten Staatsführung. Das Sinken des Ansehens der
Reichsregierung, das sich aus solchen unsicheren inneren Verhältnissen zwangsläufig ergeben musste,
führte bei verschiedenen Parteien in einzelnen Ländern zu Vorstellungen, die mit der Einheit des
Reichs unverträglich sind. Alle Rücksichtnahme auf die Traditionen der Länder kann die bittere
104
Erkenntnis nicht beseitigen, dass das Ausmaß der Zersplitterung des staatlichen Lebens in der
Vergangenheit der Welt- und Lebensstellung unseres Volkes nicht nur nicht nützlich, sondern
wahrhaft abträglich war.
Es soll damit aber nicht die Aufgabe einer überlegenen Staatsführung sein, nachträglich das organisch
gewachsene Gute wegen eines theoretischen Prinzips einer zügellosen Unitarisierung zu beseitigen. Es
ist aber ihre Pflicht, diese geistige, willensmäßige Einheit der Führung der Nation und damit den
Reichsgedanken an sich über jeden Zweifel zu erheben.
Die Wohlfahrt unserer Kommunen und Länder bedarf genau so wie die Existenz des einzelnen
deutschen Menschen des staatlichen Schutzes. Die Reichsregierung beabsichtigt daher nicht, durch das
Ermächtigungsgesetz die Länder aufzuheben. Wohl aber wird sie diejenigen Maßnahmen treffen, die
von nun ab und für immer eine Gleichmäßigkeit der politischen Intention in Reich und Ländern
gewährleisten. Je größer die geistige und willensmäßige Übereinstimmung ist, um so weniger
Interesse kann für alle Zukunft für das Reich bestehen, das kulturelle und wirtschaftliche Eigenleben
der einzelnen Länder zu vergewaltigen. Vollends unmöglich ist der in letzter Zeit eingerissene Zustand
einer gegenseitigen Herabsetzung von Länder- und Reichsregierungen unter Zuhilfenahme der
modernen Mittel der Volkspropaganda. Ich werde unter keinen Umständen hinnehmen, und die
Reichsregierung wird alle Maßnahmen dagegen treffen, dass in Zukunft jemals noch Minister
deutscher Regierungen vor der Welt in öffentlichen Massenversammlungen, ja sogar unter
Verwendung des Rundfunks sich gegenseitig anklagen oder heruntersetzen.
Es führt weiter zu einer völligen Entwertung der gesetzgebenden Körperschaften in den Augen des
Volkes, wenn selbst unter Annahme normaler Zeiten innerhalb von vier Jahren entweder im Reich
oder den einzelnen Ländern das Volk an die 20mal an die Wahlurne getrieben wird. Die
Reichsregierung wird den Weg dazu finden, der das Ziel erreicht, dass die einmal gegebene
Willensäußerung der Nation für Reich und Länder zu einheitlichen Konsequenzen führt.
Eine weitergehende Reform des Reiches wird sich nur aus der lebendigen Entwicklung ergeben
können. Ihr Ziel muss die Konstruktion einer Verfassung sein, die den Willen des Volkes mit der
Autorität einer wirklichen Führung verbindet. Die gesetzliche Legalisierung einer solchen
Verfassungsreform wird dem Volke selbst zugebilligt.
Die Regierung der nationalen Revolution sieht es grundsätzlich als ihre Pflicht an, entsprechend dem
Sinne des ihr gegebenen Vertrauensvotums des Volkes, diejenigen Elemente von der Einflussnahme
auf die Gestaltung des Lebens der Nation fernzuhalten, die bewusst und mit Absicht dieses Leben
negieren. Die theoretische Gleichheit vor dem Gesetz kann nicht dazu führen, grundsätzliche
Verächter der Gesetze unter Gleichheit zu tolerieren, ja aus demokratischen Doktrinen heraus die
Freiheit der Nation ihnen auszuliefern. Die Regierung wird die Gleichheit vor dem Gesetz aber allen
denen zubilligen, die in der Frontbildung unseres Volkes vor dieser Gefahr sich hinter die nationalen
Interessen stellen und der Regierung ihre Unterstützung nicht versagen.
Überhaupt soll unsere nächste Aufgabe sein, die geistigen Führer dieser Vernichtungstendenzen zur
Verantwortung zu ziehen, die verführten Opfer aber zu retten.
Wir sehen insbesondere in den Millionen deutscher Arbeiter, die diesen Ideen des Wahnsinns und der
Selbstvernichtung huldigen, nur die Ergebnisse einer unverzeihlichen Schwäche der früheren
Regierungen, die die Verbreitung der Ideen nicht verhinderten, deren praktische Verwirklichung sie
selbst unter Strafe stellen mussten. Die Regierung wird sich in dem Entschluss, diese Frage zu lösen,
von niemandem beirren lassen. Jetzt ist es Sache des Reichstags, seinerseits eine klare Stellung
einzunehmen. Am Schicksal des Kommunismus und der sich mit ihm verbrüdernden anderen
Organisationen ändert dies nichts. Die nationale Regierung trifft dabei ihre Maßnahmen unter keinem
anderen Gesichtspunkt als dem, das deutsche Volk und insbesondere die Millionenmassen seiner
arbeitenden Menschen vor namenlosem Elend zu bewahren.
105
Sie sieht daher die Frage einer monarchistischen Restauration schon aus dem Grunde des
Vorhandenseins dieser Zustände zurzeit als indiskutabel an. Sie würde den Versuch einer Lösung
dieses Problems auf eigene Faust in einzelnen Ländern als Angriff gegen die Reichseinheit ansehen
müssen und demgemäß ihr Verhalten einrichten.
Gleichlaufend mit dieser politischen Entgiftung unseres öffentlichen Lebens wird die Reichsregierung
eine durchgreifende moralische Sanierung des Volkskörpers vornehmen. Das gesamte
Erziehungswesen, Theater, Film, Literatur, Presse, Rundfunk, sie werden alle Mittel zu diesem Zweck
sein und demgemäß gewürdigt. Sie haben alle der Erhaltung der im Wesen unseres Volkstums
lebenden Ewigkeitswerte zu dienen. Die Kunst wird stets Ausdruck und Spiegel der Sehnsucht und der
Wirklichkeit einer Zeit sein. Die weltbürgerliche Beschaulichkeit ist im raschen Entschwinden
begriffen. Der Heroismus erhebt sich leidenschaftlich als kommender Gestalter und Führer politischer
Schicksale. Es ist Aufgabe der Kunst, Ausdruck dieses bestimmenden Zeitgeistes zu sein. Blut und
Rasse werden wieder zur Quelle der künstlerischen Intuition werden. Es ist Aufgabe der Regierung,
dafür zu sorgen, daß gerade in einer Zeit beschränkter politischer Macht der innere Lebenswert und
der Lebenswille der Nation einen um so gewaltigeren kulturellen Ausdruck finden. Dieser Entschluss
verpflichtet zur dankbaren Bewunderung unserer großen Vergangenheit. Auf allen Gebieten unseres
geschichtlichen und kulturellen Lebens muss die Brücke von dieser Vergangenheit zur Zukunft
geschlagen werden. Die Ehrfurcht vor den großen Männern muss der deutschen Jugend wieder als
heiliges Vermächtnis eingeprägt werden. Indem die Regierung entschlossen ist, die politische und
moralische Entgiftung unseres öffentlichen Lebens vorzunehmen, schafft und sichert sie die
Voraussetzungen für eine wirklich tiefe Einkehr religiösen Lebens.
Die Vorteile personal-politischer Art, die sich aus Kompromissen mit atheistischen Organisationen
ergeben mögen, wiegen nicht annähernd die Folgen auf, die in der Zerstörung allgemeiner sittlicher
Grundwerte sichtbar werden.
Die nationale Regierung sieht in den beiden christlichen Konfessionen die wichtigsten Faktoren zur
Erhaltung unseres Volkstums. Sie wird die zwischen ihnen und den Ländern abgeschlossenen
Verträge respektieren.
Ihre Rechte sollen nicht angetastet werden. Sie erwartet aber und hofft, dass die Arbeit an der
nationalen und sittlichen Erneuerung unseres Volkes, die sich die Regierung zur Aufgabe gestellt hat,
umgekehrt die gleiche Würdigung erfährt. Sie wird allen anderen Konfessionen in objektiver
Gerechtigkeit gegenübertreten. Sie kann aber nicht dulden, dass die Zugehörigkeit zu einer
bestimmten Konfession oder einer bestimmten Rasse eine Entbindung von allgemeinen gesetzlichen
Verpflichtungen sein könnte oder gar ein Freibrief für straflose Begehung oder Tolerierung von
Verbrechen. Die Sorge der Regierung gilt dem aufrichtigen Zusammenleben zwischen Kirche und
Staat; der Kampf gegen eine materialistische Weltanschauung, für eine wirkliche Volksgemeinschaft
dient ebenso den Interessen der deutschen Nation wie dem Wohl unseres christlichen Glaubens.
Unser Rechtswesen muss in erster Linie der Erhaltung dieser Volksgemeinschaft dienen. Der
Unabsetzbarkeit der Richter auf der einen Seite muss eine Elastizität der Urteilsfindung zum Wohl der
Gesellschaft entsprechen. Nicht das Individuum kann Mittelpunkt der gesetzlichen Sorge sein, sondern
das Volk. Landes- und Volksverrat sollen künftig mit aller Rücksichtslosigkeit ausgetilgt werden. Der
Boden der Existenz der Justiz kann kein anderer sein als der Boden der Existenz der Nation. Möge
diese daher auch stets die Schwere der Entschließung derer berücksichtigen, die unter dem harten
Zwang der Wirklichkeit das Leben der Nation verantwortlich zu gestalten haben.
Groß sind die Aufgaben der nationalen Regierung auf dem Gebiete des wirtschaftlichen Lebens.
106
Hier wird ein Gesetz alles Handeln bestimmen: das Volk lebt nicht für die Wirtschaft, und die
Wirtschaft existiert nicht für das Kapital, sondern das Kapital dient der Wirtschaft und die Wirtschaft
dem Volk!
Grundsätzlich wird die Regierung die Wahrnehmung der Interessen des deutschen Volkes nicht über
den Umweg einer staatlich zu organisierenden Wirtschaftsbürokratie betreiben, sondern durch die
stärkste Förderung der Privatinitiative und durch die Anerkennung des Eigentums.
Zwischen der produktiven Intention einerseits und der produktiven Arbeit andererseits muss ein
gerechter Ausgleich hergestellt werden. Die Verwaltung soll die Ergebnisse der Fähigkeit, des Fleißes
und der Arbeit durch Sparsamkeit respektieren. Auch das Problem unserer öffentlichen Finanzen ist
nicht zuletzt das Problem einer sparsamen Verwaltung.
Die in Aussicht genommene Reform unseres Steuerwesens muss zu einer Vereinfachung der
Veranlagung und damit zu einer Verminderung der Kosten und der Lasten führen. Grundsätzlich soll
die Steuermühle an den Strom und nicht an die Quellen gebaut werden. Im Zuge dieser Maßregeln
muss eine Verminderung der Lasten durch Vereinfachung der Verwaltung eintreten. Diese im Reich
und in den Ländern durchzuführende Reform des Steuerwesens ist aber nicht eine Frage des
Augenblicks, sondern einer nach den Erfordernissen zu bemessenden Zeit.
Die Regierung wird grundsätzlich Währungsexperimente vermeiden.
Vor allem aber stehen zwei Wirtschaftsaufgaben erster Ordnung vor uns. Die Rettung des deutschen
Bauern muss unter allen Umständen durchgeführt werden.
Die Vernichtung dieses Standes in unserem Volke würde zu denkbar schärfsten Konsequenzen führen.
Die Wiederherstellung der Rentabilität der landwirtschaftlichen Betriebe mag für den Konsumenten
hart sein. Das Schicksal aber, das das ganze deutsche Volk träfe, wenn der deutsche Bauer zugrunde
ginge, wäre mit diesen Härten gar nicht zu vergleichen. Nur im Zusammenhang mit der unter allen
Umständen zu erreichenden Rentabilität unserer Landwirtschaft kann die Frage eines
Vollstreckungsschutzes bzw. einer Entschuldung gelöst werden. Würde diese nicht gelingen, so
müsste die Vernichtung unserer Bauern nicht nur zum Zusammenbruch der deutschen Wirtschaft
überhaupt, sondern vor allem zum Zusammenbruch des deutschen Volkskörpers führen. Seine
Gesunderhaltung ist aber auch die erste Voraussetzung für das Blühen und Gedeihen unserer Industrie,
des deutschen Binnenhandels und des deutschen Exports. Ohne das Gegengewicht des deutschen
Bauerntums hätte der kommunistische Wahnsinn schon jetzt Deutschland überrannt und damit die
deutsche Wirtschaft endgültig vernichtet. Was die Gesamtwirtschaft einschließlich unserer
Exportindustrie dem gesunden Sinn des deutschen Bauern verdankt, kann überhaupt durch kein Opfer
geschäftlicher Art abgegolten werden. Es muss daher auch der weiteren Besiedlung des deutschen
Bodens in Zukunft unsere größte Sorge gelten.
Im übrigen ist sich die nationale Regierung darüber im klaren, dass die endgültige Behebung der Not
sowohl der bäuerlichen wie der städtischen Wirtschaft abhängt von der Eingliederung der
Arbeitslosenarmee in den Produktionsprozess.
Hierin liegt die zweite, gewaltigste wirtschaftliche Aufgabe. Sie kann nur gelöst werden durch eine
allgemeine Befriedung unter Durchsetzung gesunder natürlicher wirtschaftlicher Grundsätze und aller
Maßnahmen, die notwendig sind, auch wenn sie, im Augenblick gesehen, auf keine Popularität
rechnen können. Arbeitsbeschaffung und Arbeitsdienstpflicht sind hierbei nur Einzelmaßnahmen im
Rahmen des Gesamtangriffs.
Ähnlich wie zu den deutschen Bauern ist die Einstellung der nationalen Regierung zum Mittelstand.
107
Seine Rettung kann nur im Zuge der allgemeinen Wirtschaftspolitik erfolgen. Die nationale Regierung
ist entschlossen, diese Frage durchgreifend zu lösen. Sie erkennt es als ihre geschichtliche Aufgabe,
die Millionen deutscher Arbeiter im Kampfe um ihre Daseinsrechte zu stützen und zu fördern. Als
Kanzler und Nationalsozialist fühle ich mich ihnen als den einstigen Gefährten meiner Jugend
verbunden. Die Steigerung der Konsumkraft dieser Massen wird ein wesentliches Mittel der
wirtschaftlichen Belebung sein. Unter Aufrechterhaltung unserer Sozialgesetzgebung wird ein erster
Schritt zu ihrer Reform stattfinden müssen. Grundsätzlich soll aber die Nutzbarmachung jeder
Arbeitskraft im Dienste der Allgemeinheit erfolgen. Das Brachliegenlassen von Millionen
menschlicher Arbeitsstunden ist ein Wahnsinn und ein Verbrechen, das zur Verarmung aller führen
muss. Ganz gleich, welche Werte durch eine Verwendung unserer überschüssigen Arbeitskraft
geschaffen worden wären, sie würden für Millionen Menschen, die heute in Not und Elend
verkommen, unentbehrliche Lebensgüter darstellen können. Es muss und wird der organisatorischen
Fähigkeit unseres Volkes gelingen, diese Frage zu lösen.
Wir wissen, dass die geographische Lage des rohstoffarmen Deutschlands eine Autarkie für unser
Reich nicht vollkommen zulässt. Es muss immer wieder betont werden, dass der Reichsregierung
nichts ferner liegt als Exportfeindlichkeit. Wir wissen, dass wir die Verbindung mit der Welt nötig
haben, und dass der Absatz deutscher Ware in der Welt viele Millionen deutscher Volksgenossen
ernährt.
Wir wissen aber auch, welches die Voraussetzungen für einen gesunden Leistungsaustausch zwischen
den Völkern der Erde sind. Denn Deutschland ist jahrelang gezwungen gewesen zu Leistungen ohne
Gegenleistungen. Daraus ergibt sich, dass die Aufgabe, Deutschland als ein tätiges Glied des
Warenaustausches zu erhalten, weniger eine handelspolitische als eine finanzpolitische ist. Solange
man uns eine sachgemäße und unserer Kraft entsprechende Regelung unserer Auslandsschulden nicht
zugebilligt hat, sind wir leider zur Aufrechterhaltung unserer Devisen-Zwangswirtschaft gezwungen.
Die Reichsregierung ist auch um deswillen verpflichtet, den gegen den Abfluss des Kapitals über die
Grenzen errichteten Damm aufrechtzuerhalten. Wenn die Reichsregierung sich von diesen
Grundsätzen leiten lässt, ist bestimmt zu erwarten, dass wachsendes Verständnis des Auslandes die
Eingliederung unseres Reiches in den friedlichen Wettbewerb der Nationen erleichtert.
Um die Förderung des Verkehrs bis zu einem vernünftigen Ausgleich aller Verkehrsinteressen zu
führen, wird schon zu Beginn des kommenden Monats durch eine Reform der Kraftfahrzeugsteuer der
erste Schritt getan. Die Erhaltung der Reichsbahn und ihre möglichst schnelle Zurückführung in die
Macht des Reiches ist eine Aufgabe, die uns nicht nur wirtschaftlich, sondern auch moralisch
verpflichtet. Die Entwicklung des Luftverkehrs als eines Mittels der friedlichen Verbindung der
Völker untereinander wird die nationale Regierung mit Eifer pflegen.
Bei all dieser Tätigkeit bedarf die Regierung der Unterstützung nicht nur der allgemeinen Kräfte in
unserem Volk, die in weitestem Umfang sie heranzuziehen entschlossen ist, sondern auch der
hingebenden Treue und Arbeit des Berufsbeamtentums. Nur bei zwingendster Not der öffentlichen
Finanzen sollen Eingriffe stattfinden, allein auch dann wird strenge Gerechtigkeit das oberste Gesetz
unseres Handelns sein.
Der Schutz der Grenzen des Reiches und damit des Lebens unseres Volkes und der Existenz unserer
Wirtschaft liegt heute bei unserer Reichswehr, die entsprechend den uns im Versailler Vertrag
auferlegten Bestimmungen als einzige wirklich abgerüstete Armee in der Welt anzusehen ist. Trotz der
dadurch bedingten Kleinheit und gänzlich ungenügenden Bewaffnung darf das deutsche Volk in
stolzer Befriedigung auf seine Reichswehr sehen. Unter schwersten Verhältnissen ist dieses kleine
Instrument unserer nationalen Selbstverteidigung entstanden. In seinem Geiste ist es der Träger
unserer besten soldatischen Traditionen. In peinlicher Gewissenhaftigkeit hat das deutsche Volk aber
damit seine ihm im Friedensvertrag auferlegten Pflichten erfüllt, ja, selbst der uns damals genehmigte
Ersatz der Schiffe unserer Flotte ist — ich darf wohl sagen: leider — nur zu einem kleinen Teil
durchgeführt worden.
108
Deutschland wartet seit Jahren vergebens auf die Einlösung des uns gegebenen
Abrüstungsversprechens der anderen. Es ist der aufrichtige Wunsch der nationalen Regierung, von
einer Vermehrung des deutschen Heeres und unserer Waffen absehen zu können, sofern endlich auch
die übrige Welt geneigt ist, ihre Verpflichtung zu einer radikalen Abrüstung zu vollziehen. Denn
Deutschland will nichts als gleiche Lebensrechte und gleiche Freiheit.
Zu diesem Geist des Freiheitswillens allerdings will die nationale Regierung das deutsche Volk
erziehen. Die Ehre der Nation, die Ehre unserer Armee, das Ideal der Freiheit, sie müssen dem
deutschen Volke wieder heilig werden!
Das deutsche Volk will mit der Welt in Frieden leben.
Die Reichsregierung wird aber gerade deshalb mit allen Mitteln für die endgültige Beseitigung der
Trennung der Völker der Erde in zwei Kategorien eintreten. Die Offenhaltung dieser Wunde führt den
einen zum Misstrauen, den anderen zum Hass und damit zu einer allgemeinen Unsicherheit. Die
nationale Regierung ist bereit, jedem Volk die Hand zu aufrichtiger Verständigung zu reichen, das
gewillt ist, die traurige Vergangenheit einmal grundsätzlich abzuschließen. Die Not der Welt kann nur
vergehen, wenn durch stabile politische Verhältnisse die Grundlage geschaffen wird, und wenn die
Völker untereinander wieder Vertrauen gewinnen.
Zur Behebung der Wirtschaftskatastrophe ist notwendig:
1. eine unbedingt autoritäre Führung im Innern zur Herstellung des Vertrauens in die Stabilität
der Verhältnisse,
2. eine Sicherstellung des Friedens durch die großen Nationen auf lange Sicht zur
Wiederherstellung des Vertrauens der Völker untereinander,
3. der endgültige Sieg der Grundsätze der Vernunft in der Organisation und Führung der
Wirtschaft sowie eine allgemeine Entlastung von Reparationen und unmöglichen Schuld- und
Zinsverpflichtungen.
Leider stehen wir vor der Tatsache, dass die Genfer Konferenz trotz langer Verhandlungen bisher kein
praktisches Ergebnis erzielt hat. Die Entscheidung über die Herbeiführung einer wirklichen
Abrüstungsmaßnahme ist immer wieder durch das Aufwerfen technischer Einzelfragen und durch das
Hineinziehen von Problemen, die mit der Abrüstung nichts zu tun haben, verzögert worden. Dieses
Verfahren ist untauglich.
Der rechtswidrige Zustand der einseitigen Abrüstung und der daraus resultierenden nationalen
Unsicherheit Deutschlands kann nicht länger dauern.
Als ein Zeichen der Verantwortung und des guten Willens erkennen wir es an, dass die britische
Regierung durch ihren Abrüstungsvorschlag den Versuch gemacht hat, die Konferenz endlich zu
schnellen Entscheidungen zu bringen. Die Reichsregierung wird jede Bemühung unterstützen, die
darauf gerichtet ist, die allgemeine Abrüstung wirksam durchzuführen und den längst fälligen
Anspruch Deutschlands auf Abrüstung sicherzustellen. Seit vierzehn Jahren sind wir abgerüstet, und
seit vierzehn Monaten warten wir auf das Ergebnis der Abrüstungskonferenz. Umfassender noch ist
der Plan des Chefs der italienischen Regierung, der großzügig und weit blickend versucht, der
gesamteuropäischen Politik eine ruhige und folgerichtige Entwicklung zu sichern. Wir messen diesem
Plan ernsteste Bedeutung bei, wir sind bereit, auf seiner Grundlage in voller Aufrichtigkeit
mitzuarbeiten, um die vier großen Mächte, England, Frankreich, Italien und Deutschland, zu einer
friedlichen Zusammenarbeit zusammenzuschließen, die mutig und entschlossen an die Aufgaben
herangeht, von deren Lösung das Schicksal Europas abhängt.
109
Aus diesem Anlass empfinden wir besonders dankbar die verständnisvolle Herzlichkeit, mit der in
Italien die nationale Erhebung Deutschlands begrüßt worden ist. Wir wünschen und hoffen, dass die
Gleichheit der geistigen Ideale die Grundlage für eine stetige Vertiefung der freundschaftlichen
Beziehungen zwischen den beiden Ländern sein wird.
Ebenso legt die Reichsregierung, die im Christentum die unerschütterlichen Fundamente der Moral
und Sittlichkeit des Volkes sieht, größten Wert auf freundschaftliche Beziehungen zum Heiligen Stuhl
und sucht sie auszugestalten. Gegenüber unserem Brudervolk Österreich empfinden wir das Gefühl
der Anteilnahme an seinen Sorgen und Nöten. Die Reichsregierung ist sich in ihrem Tun und Handeln
der Verbundenheit des Schicksals aller deutschen Stämme bewusst. Die Einstellung zu den übrigen
einzelnen fremden Mächten ergibt sich aus dem bereits Erwähnten. Aber auch da, wo die
gegenseitigen Beziehungen schon mit Schwierigkeiten behaftet sind, werden wir uns um einen
Ausgleich bemühen. Allerdings kann die Grundlage einer Verständigung niemals die Unterscheidung
in Sieger und Besiegte sein.
Wir sind aber der Überzeugung, dass ein solcher Ausgleich in unserem Verhältnis zu Frankreich
möglich ist, wenn die Regierungen die sie betreffenden Probleme beiderseits wirklich weitschauend in
Angriff nehmen. Gegenüber der Sowjetunion ist die Reichsregierung gewillt, freundschaftliche, für
beide Teile nutzbringende Beziehungen zu pflegen. Gerade die Regierung der nationalen Revolution
sieht sich zu einer solchen positiven Politik gegenüber Sowjetrussland in der Lage. Der Kampf gegen
den Kommunismus in Deutschland ist unsere innere Angelegenheit, in den wir Einmischungen von
außen niemals dulden werden. Die staatspolitischen Beziehungen zu anderen Mächten, mit denen uns
gemeinsame Interessen verbinden, werden davon nicht berührt. Unser Verhältnis zu den übrigen
Ländern verdient auch in Zukunft unsere ernsteste Aufmerksamkeit, insbesondere unser Verhältnis zu
den großen überseeischen Staaten, mit denen Deutschland seit langem freundschaftliche Bande und
wirtschaftliche Interessen verbunden haben.
Besonders am Herzen liegt uns das Schicksal der außerhalb der Reichsgrenzen lebenden Deutschen,
die durch Sprache, Kultur und Sitte mit uns verbunden sind und um diese Güter schwer kämpfen. Die
nationale Regierung ist entschlossen, mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln für die den deutschen
Minderheiten international garantierten Rechte einzutreten.
Wir begrüßen den Plan der Weltwirtschaftskonferenz und sind mit ihrem baldigen Zusammentritt
einverstanden. Die Reichsregierung ist bereit, an dieser Konferenz mitzuarbeiten, um endlich positive
Ergebnisse zu erlangen.
Die wichtigste Frage ist das Problem unserer kurz- und langfristigen äußeren Verschuldung.
Die völlige Veränderung der Verhältnisse auf den Warenmärkten der Welt erfordert eine Anpassung.
Nur aus einer vertrauensvollen Zusammenarbeit kann eine wirkliche Behebung der allgemeinen
Sorgen erwachsen. Zehn Jahre eines aufrichtigen Friedens werden für die Wohlfahrt aller Nationen
nützlicher sein als 30 Jahre langes Verrennen in die Begriffe von Sieger und Besiegten.
Um sich in die Lage zu versetzen, die Aufgaben zu erfüllen, die in diesem Rahmen liegen, hat die
Regierung im Reichstag durch die beiden Parteien der Nationalsozialisten und der Deutschnationalen
das -Ermächtigungsgesetz einbringen lassen. Ein Teil der beabsichtigten Maßnahmen erfordert die
verfassungsändernde Mehrheit. Die Durchführung dieser Aufgaben und ihre Lösung sind notwendig.
Es würde dem Sinne der nationalen Erhebung widersprechen und für den beabsichtigten Zweck nicht
genügen, wollte die Regierung sich für ihre Maßnahmen von Fall zu Fall die Genehmigung des
Reichstags erhandeln und erbitten. Die Regierung wird dabei nicht von der Absicht getrieben, den
Reichstag als solchen aufzugeben. Im Gegenteil, sie behält sich auch für die Zukunft vor, den
Reichstag über ihre Maßnahmen zu unterrichten oder seine Zustimmung einzuholen.
110
Die Autorität und die Erfüllung der Aufgaben würden aber leiden, wenn im Volke Zweifel an der
Stabilität des neuen Regiments entstehen könnten. Die Reichsregierung hält eine weitere Tagung des
Reichstages im heutigen Zustande der tiefgehenden Erregung der Nation für unmöglich. Es ist kaum
eine Revolution von so großem Ausmaß so diszipliniert und unblutig verlaufen wie diese Erhebung
des deutschen Volkes in diesen Wochen. Es ist mein Wille und meine feste Absicht, für diese ruhige
Entwicklung auch in Zukunft zu sorgen.
Allein umso notwendiger ist es, dass der nationalen Regierung jene souveräne Stellung gegeben wird,
die in einer solchen Zeit allein geeignet ist, eine andere Entwicklung zu verhindern. Die Regierung
wird von dieser Ermächtigung nur insoweit Gebrauch machen, als dies zur Durchführung der
lebensnotwendigen Maßnahmen erforderlich ist. Es ist weder die Existenz des Reichstages noch die
des Reichsrats bedroht. Stellung und Rechte des Reichspräsidenten bleiben unberührt. Die innere
Übereinstimmung mit seinen Zielen herbeizuführen, wird stets die oberste Aufgabe der Regierung
sein. Der Bestand der Länder wird nicht beseitigt. Die Rechte der Kirchen werden nicht geschmälert
und ihre Stellung zum Staat nicht geändert. Die Zahl der Fälle, in denen eine innere Notwendigkeit
vorliegt, zu einem solchen Gesetz die Zuflucht zu nehmen, ist an sich eine begrenzte. Umso mehr aber
besteht die Regierung auf einer Verabschiedung des Gesetzes. Sie zieht in jedem Falle eine klare
Entscheidung vor. Sie bietet den Parteien des Reichstages die Möglichkeit einer ruhigen Entwicklung
und einer sich daraus in Zukunft anbahnenden Verständigung. Die Regierung ist aber ebenso
entschlossen und bereit, die Bekundung der Ablehnung und damit die Ansage des Widerstandes
entgegenzunehmen.
Mögen Sie, meine Herren, nunmehr selbst entscheiden über Frieden oder Krieg!
111
III. Rede am 19. September 1939 im Artushof zu Danzig
Mein Gauleiter!
Meine lieben Danziger Volksgenossen und meine Volksgenossinnen!
Diesen Augenblick erleben nicht nur Sie in tiefster Ergriffenheit, es erlebt ihn das ganze deutsche
Volk. Ich selbst bin mir der Größe dieser Stunde bewußt.
Ich betrete zum erstenmal einen Boden, der von deutschen Siedlern ein halbes Jahrtausend vor der Zeit
in Besitz genommen worden war, da die ersten Weißen sich im heutigen Staate Neuyork niederließen.
Ein halbes Jahrtausend länger ist dieser Boden deutsch gewesen, war deutsch geblieben und wird dessen können alle überzeugt sein – deutsch bleiben!
Das Schicksal, das diese Stadt und dieses schöne Land betroffen hat, ist das Schicksal ganz
Deutschlands gewesen. Der Weltkrieg, dieser sinnloseste Kampf wohl aller Zeiten, hat auch dieses
Land und diese Stadt zu seinen Opfern gemacht - dieser Weltkrieg, der nur Verlierer und keinen
Gewinner hatte, dieser Weltkrieg, der nach seiner Beendigung wohl alle in der Überzeugung
zurückließ, daß sich ein ähnliches Schicksal wohl nicht mehr wiederholen möge und der leider heute
gerade von denen anscheinend vergessen wurde, die schon damals die Haupthetzer und auch wohl die
Hauptinteressenten an diesem Völkergemetzel waren.
Als dieses damalige blutige Ringen zu Ende ging, in das Deutschland ohne jedes Kriegsziel
eingetreten war, sollte ein Friede der Menschheit beschieden werden, der zu einer neuen
Wiederauferstehung des Rechts und damit zu einer endgültigen Beseitigung aller Not führen sollte.
Dieser Friede wurde dann zu Versailles unserem Volk nicht in freiem Verhandeln vorgelegt, sondern
durch Diktat aufgezwungen.
Die Väter dieses Friedens sahen in ihm das Ende des deutschen Volkes. Vielleicht glaubten viele
Menschen, in diesem Frieden das Ende der Not zu sehen, er war aber auf jeden Fall nur der Anfang
neuer Wirren.
In einem haben sich die damaligen Kriegshetzer und Kriegsbeendiger getäuscht. Sie haben durch
diesen damaligen Frieden nicht ein einziges Problem gelöst, aber zahllose Probleme neu geschaffen.
Und es war nur eine Frage der Zeit, wann die zertretene deutsche Nation sich aufraffen würde, um die
neu geschaffenen Probleme ihrerseits zur Lösung zu bringen. Denn das wesentlichste Problem hat man
damals überhaupt übersehen, nämlich die Tatsache, daß die Völker nun einmal bestehen, ob dies dem
einen oder anderen britischen Kriegshetzer passen mag oder nicht passen mag. Es sind nun einmal 82
Millionen Deutsche hier in diesem Lebensraum vereint. Und diese 82 Millionen wollen leben, und sie
werden leben, auch wenn das wieder diesen Hetzern nicht passen sollte. Deutschland wurde durch den
Frieden von Versailles das schlimmste Unrecht zugefügt. Wenn heute ein Staatsmann eines anderen
Volkes glaubt, es aussprechen zu dürfen, daß ihm das Vertrauen in das Wort deutscher Staatsmänner
oder des deutschen Volkes fehle, dann haben wir Deutsche allein das Recht, zu sagen, daß uns
jegliches Vertrauen in Zusicherungen jener fehlt, die damals die feierlichsten Zusicherungen so
erbärmlich gebrochen haben.
Ich will nun gar nicht vorn Unrecht von Versailles sprechen, - das schlimmste im Völkerleben ist
vielleicht noch gar nicht das Unrecht, sondern der Unsinn, der Aberwitz, die Dummheit, mit denen
man damals der Welt einen Frieden aufoktroyierte, der über alle historischen und wirtschaftlichen,
über alle volklichen und politischen Gegebenheiten einfach zur Tagesordnung schritt. Man hat damals
Regelungen getroffen, bei denen man nachgerade bezweifeln muß, ob
die Männer, die das verbrochen hatten, wirklich bei Vernunft gewesen sind. Bar jeder Kenntnis der
geschichtlichen Entwicklung dieser Lebensräume, bar aber auch jedes wirtschaftlichen Verständnisses,
112
haben diese Menschen damals in Europa herumgewütet, Staaten zerrissen, Landschaften zerteilt,
Völker unterdrückt, Kulturen zerstört.
Auch dieses Land hier war ein Opfer dieses damaligen Wahnwitzes und der polnische Staat als solcher
ein Produkt dieses Unsinns! Was Deutschland für diesen polnischen Staat opfern mußte, ist wohl der
Welt nicht bekannt. Nur das eine muß ich hier aussprechen: Alle diese Gebiete, die damals Polen
einverleibt worden sind, sind ausschließlich deutscher Tatkraft, deutschem Fleiß, deutschem
schöpferischem Wirken in ihrer Entwicklung zuzuschreiben gewesen. Sie verdanken ausschließlich
dem deutschen Volk ihre kulturelle Bedeutung. Daß man damals eine Provinz vom Deutschen Reich
riß, daß man andere Gebiete diesem neuen polnischen Staat zuteilte, wurde motiviert mit volklichen
Notwendigkeiten Dabei haben die Abstimmungen später überall ergeben, daß niemand eine Sehnsucht
gehabt hatte, in diesen polnischen Staat zu kommen. Dieser polnische Staat, der entstanden war aus
der Blutlast zahlloser deutscher Regimenter, er hat sich dann ausgedehnt auf Kosten alten deutschen
Siedlungsgebietes und vor allem auf Kosten jeder
Vernunft und jeder wirtschaftlichen Möglichkeit.
Eines ist in den letzten zwanzig Jahren schon klar erwiesen worden: Der Pole, der diese Kultur nicht
gegründet hatte, war auch nicht fähig, sie auch nur zu erhalten. Es hat sich wieder gezeigt, daß nur
derjenige, der selbst kulturschöpferisch veranlagt ist, auf die Dauer auch eine wirkliche kulturelle
Leistung zu bewahren vermag. Fünfzig weitere Jahre würden genügt haben, um diese Gebiete, die der
Deutsche mühselig mit Fleiß und Emsigkeit der Barbarei entrissen hat, wieder der Barbarei
zurückzugeben. Überall zeigten sich bereits die Spuren dieses Rückfalls und dieses Verfalls.
Polen selbst war dabei ein Nationalitätenstaat; man hatte das geschaffen, was man dem alten
österreichischen Staat als Schuld vorwarf. Polen war dabei niemals eine Demokratie. Eine ganz dünne,
schwindsüchtige Oberklasse beherrschte hier nicht nur fremde Nationalitäten, sondern auch das
sogenannte eigene Volk. Es war ein Gewaltstaat, regiert durch den Gummiknüppel, durch Polizei und
letzten Endes auch durch Militär. Das Los der Deutschen in diesem Staat war entsetzlich. Es ist dabei
noch ein Unterschied, ob ein Volk von einer minderen kulturellen Bedeutung das Unglück hat, von
einem kulturell bedeutenderen regiert zu werden, oder ob ein Volk von einer hohen kulturellen
Bedeutung dem tragischen Schicksal unterworfen wird, von einem minderen vergewaltigt zu werden.
Denn in diesem minderen Volk werden sich dann alle Minderwertigkeitskomplexe auswirken und
abreagieren gegenüber dem besseren kulturtragenden Volk. Man wird dann grausam und barbarisch
dieses Volk mißhandeln. Und die Deutschen sind Zeugen dieses Schicksals seit nun bald 20 Jahren
gewesen.
Ich brauche hier nicht im einzelnen das Los der Deutschen zu schildern. Es war, wie schon betont,
tragisch und schmerzlich. Trotzdem habe ich versucht, so wie überall auch hier, eine Regelung zu
finden, die vielleicht zu einem billigen Ausgleich hätte führen können.
Ich habe einst mich bemüht, im Westen, später dann im Süden des Reiches endgültige
Grenzziehungen zu erhalten, um damit Gebiet um Gebiet der Unsicherheit zu entreißen und dem
Frieden dort die Zukunft zu sichern. Ich habe das gleiche auch hier zu erreichen mich angestrengt.
Damals war in Polen ein Mann von einer unbestreitbaren realistischen Einsicht und auch Tatkraft. Es
war mir gelungen, mit dem damaligen Marschall Pilsudski ein Abkommen zu erreichen, das den Weg
ebnen sollte zu einer friedlichen Verständigung der beiden Nationen; ein Abkommen, das von
vornherein nicht etwa gutheißen konnte, was im Versailler Vertrag geschaffen worden war, sondern
das sich bemühte, unter vollkommenem Übergehen dieses Vertrages wenigstens die Grundlage
sicherzustellen für ein vernünftiges, tragbares Nebeneinanderleben.
Solange der Marschall lebte, schien es, als ob dieser Versuch vielleicht zu einer Entspannung der Lage
beitragen könnte. Sofort nach seinem Tod setzte aber bereits ein verstärkter Kampf gegen das
Deutschtum ein. Dieser Kampf, der sich in tausenderlei Formen äußerte, verbitterte und verdüsterte
113
die Beziehungen zwischen den beiden Völkern in steigendem Ausmaß. Es war eben auf die Dauer nur
sehr schwer möglich, geduldig zuzusehen, wie in einem Lande nebenan, das an sich Deutschland das
schwerste Unrecht zugefügt hatte, die dort lebende deutsche Minderheit in einer geradezu barbarischen
Weise verfolgt wurde. Die Welt, die sofort Tränen vergießt, wenn aus dem Deutschen Reich ein erst
vor wenigen Jahrzehnten zugewanderter polnischer Jude hinausgewiesen wird, diese Welt ist
vollkommen stumm und taub geblieben gegenüber dem Leid derjenigen, die nicht zu Tausenden,
sondern zu Millionen in Vollzug des Versailler Diktats ihre frühere Heimat verlassen mußten, dann,
wenn es sich dabei um Deutsche handelte. Was dabei für uns alle und auch für mich nicht nur daß
Bedrückende, sondern das Empörende war, lag in dem Umstand, daß wir das alles erdulden mußten
von einem Staat, der tief unter uns stand. Denn letzten Endes war Deutschland eben doch eine
Großmacht, auch wenn ein paar Wahnsinnige glaubten, das Lebensrecht einer großen Nation durch
einen verrückten Vertrag oder ein Diktat auslöschen zu können. Deutschland war eine Großmacht und
mußte zusehen. wie ein tief unter ihm stehendes Volk und tief unter ihm stehender Staat diese
Deutschen hier mißhandelte. Und besonders hier waren zwei ganz unerträgliche Zustände:
1. Eine Stadt, deren deutscher Charakter von niemandem bestritten werden konnte, wird nicht nur
daran verhindert, sich zum Reich dein Weg zurückzusuchen, sondern sie wird planmäßig allmählich
über tausend Umwege zu polonisieren versucht.
2. Eine Provinz, die vom Deutschen Reich abgetrennt ist, erhielt nicht nur keinen direkten Zugang,
sondern der Verkehr mit dieser Provinz ist abhängig von allen denkbaren Schikanen oder von dem
Wohlwollen dieses polnischen Staates.
Keine Macht der Welt hätte diesen Zustand so lange ertragen wie Deutschland. Ich weiß nicht, was
wohl England zu einer ähnlichen Friedenslösung auf seine Kosten gesagt haben würde, oder wie man
in Frankreich das hingenommen hätte oder gar in Amerika.
Ich habe nun versucht, Wege zu einer Lösung, und zwar zu einer tragbaren Lösung auch dieses
Problems zu finden. Ich habe diese Versuche in Form mündlicher Vorschläge den damaligen
polnischen Machthabern unterbreitet. Sie kennen diese Vorschläge. Sie waren mehr als maßvoll. Ich
versuchte, eine Regelung zu finden zwischen unserem Wunsch, Ostpreußen wieder in Verbindung mit
dem Reich zu bringen, und dem Wunsch der Polen, den Zugang zum Meer zu behalten. Ich versuchte
vor allem, eine Synthese zu finden zwischen dem deutschen Charakter der Stadt Danzig und ihrem
Willen, zum Deutschen Reich zurückzukehren, und den wirtschaftlichen Forderungen der Polen.
Ich glaube, wohl sagen zu dürfen, daß ich damals überbescheiden war. Und es gab Augenblicke, da
ich mir selbst grübelnd und prüfend die Frage vorlegte, ob ich es vor meinem eigenen Volke wohl
würde verantworten können, solche Vorschläge der Lösung der polnischen Regierung zu unterbreiten.
Ich tat es nur, weil ich gerne dem deutschen Volk und auch dem polnischen das Leid einer anderen
Auseinandersetzung ersparen wollte.
Dieses Angebot habe ich nun in diesem heurigen Frühjahr in konkretester Form wiederholt: Danzig
sollte zum Deutschen Reich. Eine exterritoriale Straße sollte nach Ostpreußen gebaut werden natürlich auf unsere Kosten. Polen sollte in Danzig dafür freieste Hafenrechte bekommen, den
gleichen exterritorialen Zugang erhalten. Dafür war ich bereit, den für uns ja an sich kaum tragbaren
Zustand der Grenzen sogar noch zu garantieren und endlich Polen teilhaben zu lassen an der Sicherung
der Slowakei.
Ich weiß nicht, in welcher Geistesverfassung die polnische Regierung war, als sie diese Vorschläge
ablehnte! Ich weiß aber, daß unzählige Millionen Deutsche eigentlich aufatmeten, da sie allerdings auf
dem Standpunkt standen, daß ich damit zu weit gegangen war.
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Polen gab als Antwort darauf den Befehl zur ersten Mobilmachung, Darauf setzte zugleich ein wilder
Terror ein. Meine Bitte an den damaligen polnischen Außenminister, mich in Berlin zu besuchen, um
noch einmal diese Fragen durchzusprechen, wurde abgelehnt. Er fuhr statt nach Berlin nach London!
Es kamen nun jene Wochen und Monate fortgesetzt sich steigernder Drohungen, Drohungen, die für
einen kleinen Staat ja kaum erträglich wären, für eine Großmacht auf die Dauer unmöglich sind. In
polnischen Zeitschriften konnten wir lesen, daß es sich überhaupt nicht um das Problem Danzig
handelt, sondern daß es sich um das Problem Ostpreußen handele, daß Polen sich Ostpreußen in
kurzer Zeit einverleiben werde.
Das übersteigerte sich nun. Andere polnische Zeitungen erklärten, daß auch Ostpreußen das Problem
nicht löse, sondern daß Pommern unter allen Umständen zu Polen kommen müßte: Und endlich wurde
es als fraglich hingestellt, ob die Oder überhaupt als Grenze genügen könnte, ob nicht die natürliche
Grenze Polens eigentlich nicht die Oder, sondern die Elbe sei. Man zerbrach sich ja nur mehr den
Kopf, ob man unsere Armeen noch vor oder hinter Berlin vernichten sollte. Ein polnischer Marschall,
der jetzt jammervoll seine Armee im Stich gelassen hat, er erklärt, daß er Deutschland und die
deutschen Armeen zerhacken werde.
Und parallel damit setzt ein Martyrium ein für unsere Volksdeutschen. Zehntausende werden
verschleppt, mißhandelt, in der grausamsten Weise getötet; sadistische Bestien lassen ihre perversen
Instinkte aus, und - diese demokratische fromme Welt sieht zu, ohne mit einer Wimper zu zucken.
Ich habe mir oft die Frage vorgelegt: Wer kann Polen so verblendet haben? Glaubte man wirklich, daß
die deutsche Nation sich das auf die Dauer von einem so lächerlichen Staat bieten lassen würde?
Glaubte man das im Ernst? Man hat es wohl geglaubt, weil man das von einer gewissen Stelle den
Polen als möglich geschildert hatte, von jener Stelle, an der die Generalkriegshetzer nicht nur seit den
letzten Jahrzehnten, sondern Jahrhunderten gesessen haben - und auch heute noch sitzen! Dort erklärte
man, daß Deutschland als Macht ja überhaupt nicht zu werten sei. Dort wurde den Polen eingeredet,
daß sie ohne weiteres in der Lage sein würden, gegen Deutschland Widerstand zu leisten. Und dort
ging man noch einen Schritt weiter: Dort wurde ihnen endlich die Versicherung gegeben, daß, wenn
ihr eigener Widerstand nicht genügen sollte, sie sich jederzeit des Widerstandes, d. h. der Beihilfe der
anderen versichern könnten. Dort wurde jene famose Garantie abgegeben, die es in die Hand eines
größenwahnsinnigen Kleinstaates legte, einen Krieg anzufangen oder vielleicht auch zu unterlassen.
Für diese Männer allerdings war auch Polen nur ein Mittel zum Zweck! Nur ein Mittel zum Zweck,
denn heute erklärt man ja ganz ruhig, daß es sich primär gar nicht um Polen handele, sondern um das
deutsche Regime!
Ich habe immer vor diesen Männern gewarnt. Sie werden sich meiner Reden von Saarbrücken und von
Wilhelmshaven erinnern, meine deutschen Volksgenossen. Ich habe in diesen beiden Reden auf die
Gefahren hingewiesen, die darin liegen, daß in einem Lande ohne weiteres Männer aufstehen können
und dort ungeniert den Krieg als eine Notwendigkeit zu predigen vermögen: die Herren Churchill,
Eden, Duff Cooper usw. usw. Ich habe darauf hingewiesen, wie gefährlich das vor allem in einem
Lande ist, in dem man nie genau weiß, ob nicht diese Männer in kurzer Zeit Regierung sein werden.
Man erklärte mir damals, das würde nie der Fall sein. Meines Erachtens sind sie jetzt Regierung! Es ist
also genau das eingetreten, was ich damals vorhergesehen hatte!
Ich habe mich damals entschlossen, zum erstenmal die deutsche Nation vor diesen Menschen zu
warnen, aber auch keinen Zweifel darüber bestehen zu lassen, daß Deutschland unter keinen
Umständen vor den Drohungen und auch nicht vor der Gewalt dieser Menschen mehr kapitulieren
werde. Man hat diese meine Antwort damals auf das schwerste angegriffen. Denn es hat sich in diesen
Demokratien so allmählich eine bestimmte Praxis herausgebildet, nämlich: In Demokratien darf zum
Kriege gehetzt werden. Dort dürfen fremde Regime und fremde Staatsmänner, fremde
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Staatsoberhäupter angegriffen, verleumdet, beschimpft und beschmutzt werden, denn - dort herrscht
Rede- und Pressefreiheit! In autoritären Staaten darf man dagegen sich nicht zur Wehr setzen, denn
dort herrscht Disziplin! Und nur in disziplinlosen Staaten ist es demnach zulässig, zum Kriege zu
hetzen, während in disziplinierten Staaten die Antwort darauf nicht erteilt werden darf.
Das würde in der Praxis dazu führen, daß in den undisziplinierten Staaten die Völker zum Kriege
verhetzt werden, während in den sogenannten disziplinierten Staaten die Völker dann gar keine
Ahnung haben, was eigentlich um sie vorgeht. Ich habe mich daher in dieser Zeit entschlossen, dem
deutschen Volk langsam Kenntnis von dem Treiben dieser verbrecherischen Clique zu geben. Und das
deutsche Volk ist so langsam in jene Abwehrstellung gebracht worden, die ich für notwendig hielt, um
nicht eines Tages überrascht zu werden.
Als der September kam, war unterdes der Zustand unhaltbar geworden. Sie wissen die Entwicklung
dieser Augusttage: Ich glaube, daß es in diesem letzten August noch möglich gewesen wäre, ohne die
britische Garantie und ohne die Hetze dieser Kriegsapostel noch eine Verständigung zu erreichen. In
einem gewissen Augenblick versuchte England selbst, uns mit Polen in eine direkte Aussprache zu
bringen. Ich war dazu bereit. Wer natürlich nicht kam, waren die Polen. Ich setzte mich mit meiner
Regierung zwei Tage nach Berlin und wartete und wartete. Unterdes hatte ich einen neuen Vorschlag
ausgearbeitet. Er ist Ihnen bekannt. Ich habe ihn am Abend des ersten Tages dem britischen
Botschafter mitteilen lassen. Er wurde ihm Satz für Satz genau vorgelesen, und durch meinen
Außenminister wurden ihm noch zusätzliche Aufklärungen gegeben. Es kam der nächste Tag, und es
geschah nichts, außer - die polnische Generalmobilmachung, erneute Terrorakte und endlich Angriffe
gegen das Reichsgebiet!
Nun darf man Geduld auch im Völkerleben nicht immer mit Schwäche verwechseln. Ich habe nun
jahrelang mit einer grenzenlosen Geduld diesen fortgesetzten Provokationen zugesehen. Was ich in
dieser langen Zeit oft selbst litt, das können nur wenige ermessen. Denn es verging ja kaum ein Monat,
ja oft kaum eine Woche, in der nicht irgendeine Deputation aus diesen Gebieten zu mir kam und mir
das Unerträgliche der Lage des Deutschtums schilderte und mich immer wieder beschwor, doch
einmal einzugreifen.
Ich habe immer wieder gebeten, es doch noch zu versuchen. Jahr für Jahr ging das so weiter. Aber ich
habe in der letzten Zeit doch auch schon gewarnt, daß das einmal ein Ende finden müßte, und ich habe
mich nun nach monatelangem Warten und immer neuen Vorschlägen endlich entschlossen, wie ich im
Reichstag schon erklärte, mit Polen dann in der Sprache zu reden, in der eben die Polen mit uns reden
zu können glaubten, in jener Sprache, die sie wohl allein verstehen!
Auch in dem Augenblick war noch einmal der Friede zu retten. Das befreundete Italien, der Duce, hat
sich dazwischengeschaltet und einen Vermittlungsvorschlag gemacht. Frankreich war einverstanden,
und ich habe auch mein Einverständnis erklärt. Da hat England auch diesen Vorschlag abgelehnt und
stattdessen geglaubt, dem Deutschen Reich ein zweistündiges Ultimatum mit einer unmöglichen
Forderung schicken zu können.
Nun haben die Engländer sich nur in einem getäuscht! Sie hatten einst eine Regierung in Deutschland
im November 1918. die, von ihnen ausgehalten worden war, und sie verwechseln das heutige Regime
mit diesem von ihnen ausgehaltenen Regime und die heutige deutsche Nation mit dem damaligen
verführten und verblendeten deutschen Volk. Dem heutigen Deutschland stellt man keine Ultimaten
mehr. Das kann man sich in London merken!
Ich habe in den letzten sechs Jahren Unerhörtes hinnehmen müssen von Staaten wie Polen. Aber ich
habe trotzdem kein Ultimatum geschickt. Das Deutsche Reich ist heute nicht geneigt und gewillt, in
solchem Ton mit sich reden zu lassen. Ich weiß, wenn Polen den Krieg gewählt hat, dann hat es den
Krieg gewählt, weil andere es in diesen Krieg hineinbetten, jene anderen, die glauben, daß sie bei
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diesem Krieg vielleicht ihr größtes weltpolitisches und finanzielles Geschäft machen können. Es wird
aber nicht nur nicht ihr größtes Geschäft, sondern es wird ihre größte Enttäuschung werden!
Polen hat den Kampf gewählt, und es hat den Kampf nun erhalten! Es hat diesen Kampf leichten
Herzens gewählt, weil ihm gewisse Staatsmänner des Westens versichert hatten, daß sie genaue
Unterlagen besäßen über die Wertlosigkeit der deutschen Armee, des deutschen Heeres, über die
Minderwertigkeit unserer Ausrüstung, über die schlechte Moral unserer Truppen, über die
defaitistische Stimmung im Innern des Reiches, über die Diskrepanz, die zwischen dem deutschen
Volk und seiner Führung bestehen soll. Man hat den Polen eingeredet, daß es für sie ein leichtes sein
würde, nicht nur Widerstand zu leisten, sondern unsere Armeen zurückzuwerfen. Und darauf hat Polen
ja auch dann – beraten durch westliche Generalstäbler - seinen Feldzugsplan aufgerichtet. Seitdem
sind nun 18 Tage vergangen. Und kaum jemals in der Geschichte konnte der Spruch mit mehr Recht
angeführt werden: "Mit Mann und Roß und Wagen hat sie der Herr geschlagen!"
Während ich hier zu Ihnen spreche, stehen unsere Truppen auf einer großen Linie Brest-Lemberg und
nordwärts. Und in diesem Augenblick marschieren gerade seit gestern nachmittag endlose Kolonnen
der zusammengeschlagenen polnischen Armeen aus dem Raume von Kutno als Gefangene ab! Gestern
morgen waren es 20 000, gestern abend 50 000, heute, vormittag 70 000. Ich weiß nicht, wie groß die
Zahl jetzt ist, aber nur das eine weiß ich: Was von dieser polnischen Armee westlich dieser Linie steht,
wird in wenigen Tagen kapitulieren, die Waffen strecken oder zerschlagen werden!
In diesem Augenblick, da fliegen unsere dankbaren Herzen hin zu unseren Männern. Die deutsche
Wehrmacht hat diesen genialen Staatsmännern, die so gut Bescheid wissen über die Zustände im
Reich, nun den notwendigen Anschauungsunterricht gegeben!
Der Marschall Rydz-Smigly hat sich in der Richtung geirrt. Er ist statt in Berlin zunächst in
Czernowitz gelandet und mit ihm seine ganze Regierung und alle jene Verführer, die dieses polnische
Volk in den Wahnsinn hineingetrieben haben.
Die deutschen Soldaten aber haben zu Lande, zur See und in der Luft ihre Pflicht und Schuldigkeit im
höchsten Ausmaß getan. Wieder hat sich unsere deutsche Infanterie als die unvergleichliche Meisterin
erwiesen. Ihre Tapferkeit, ihr Mut und ihr Können sind wohl oft angestrebt, doch nie erreicht worden.
Die neuen Waffen unserer 'motorisierten Verbände, sie haben sich auf das höchste bewährt. Die
Soldaten unserer Marine, sie erfüllen bewunderungswürdig ihre Pflicht. Und über allem wacht die
deutsche Luftwaffe und sichert den deutschen Raum. Sie, die davon träumten, daß sie Deutschland
zerschmettern würden und die deutschen Städte in Schutt und Asche legen wollten, sie sind so
kleinlaut geworden, weil sie ganz genau wissen, daß für jede Bombe auf eine deutsche Stadt fünf oder
zehn zurückfallen werden. Sie sollen jetzt nicht so tun, als ob sie etwa aus Humanität sich zu dieser
Kriegführung bequemen wollten! Es ist nicht die Humanität, sondern es ist die Sorge um die
Vergeltung!
Wir wollen in diesem Augenblick dem polnischen Soldaten vollkommene Gerechtigkeit zuteil werden
lassen. Der Pole hat an vielen Plätzen tapfer gefochten. Seine untere Führung machte verzweifelte
Anstrengungen, seine mittlere Führung war zu wenig intelligent, seine oberste Führung schlecht, unter
jeder Kritik, seine Organisation war - polnisch!
In diesem Augenblick befinden sich rund 300 000 polnische Soldaten in deutscher Gefangenschaft.
Nahezu 2000 Offiziere, viele Generale teilen dasselbe Los.
Ich muß aber auch erwähnen, daß neben der von uns zugegebenen Tapferkeit vieler polnischer
Verbände die schmutzigsten Taten stehen, die vielleicht in den lebten Jahrzehnten irgendwo
vorgefallen sind. Es sind Dinge, die ich als Soldat des Weltkrieges, der ich nur im Westen gekämpft
habe, nie kennenzulernen Gelegenheit hatte. Tausende von niedergemetzelten Volksdeutschen,
viehisch abgeschlachteten Frauen, Mädchen und Kindern; unzählige deutsche Soldaten und Offiziere,
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die als Verwundete in die Hände dieses Gegners gefallen sind, sie wurden massakriert, bestialisch
verstümmelt und ihnen die Augen ausgestochen. Und das schlimmste - diese polnische Regierung hat
das in ihrem eigenen Rundfunk ganz offen zugegeben -: daß abspringende Soldaten der Luftwaffe
ermordet worden sind usw. Es gab wirklich Momente, da man sich sagen mußte: Soll man unter
diesen Umständen sich selbst noch irgendeine Beschränkung auferlegen? Es ist mir nicht bekannt
geworden, daß irgendeiner unserer demokratischen Staatsmänner es der Mühe wert gefunden hat,
gegen diese Barbarei zu protestieren!
Ich habe der deutschen Luftwaffe den Auftrag gegeben, daß sie diesen Krieg human führt, das heißt,
daß sie ihn nur gegen kämpfende Truppen führt. Die polnische Regierung und Heeresleitung gaben
ihren zivilen Menschen den Auftrag, diesen Krieg als Heckenschützen aus dem Hinterhalt zu führen.
Es war sehr schwer, sich hier in der Gewalt zu behalten. Ich möchte aber hier gleich betonen: Man soll
sich auch hier wieder nicht in den demokratischen Staaten einbilden, daß das ewig so sein muß. Wenn
man es anders haben will, dann kann man es auch anders haben! Auch hier kann meine Geduld ein
Ende finden!
Trotz dieser heimtückischen Art einer Kriegführung, die in den letzten Jahrzehnten nichts Ähnliches
an die Seite gestellt erhalten kann, sind unsere Armeen mit Blitzessschnelle fertig geworden mit
diesem Gegner. Nur eine englische Zeitung schrieb vor ein paar Tagen, ich hätte einen
Generalobersten seiner Stellung enthoben, weil ich auf einen Blitzkrieg gerechnet hätte und bitter
enttäuscht sei über die Langsamkeit dieser Operationen. Dieser Artikel scheint wohl auch von jenem
Strategen herzurühren, der den Polen die strategischen Ratschläge für die Aufstellung ihrer Armeen
gegeben hat.
So haben wir Polen in kaum 18 Tagen zusammengeschlagen und damit jenen Zustand herbeigeführt,
der es vielleicht ermöglicht, in Vernunft und in Ruhe dereinst mit Vertretern dieses Volkes sprechen
zu können.
Unterdes hat Rußland sich veranlaßt gesehen, auch seinerseits zum Schub der Interessen
weißrussischer und ukrainischer Volksteile in Polen einzumarschieren. Wir erleben nun, daß man in
England und in Frankreich in diesem Zusammengehen Deutschlands und Rußlands ein
ungeheuerliches Verbrechen sieht, ja, ein Engländer schrieb, das sei eine Perfidie. Und die Engländer
müssen das ja nun wissen. Ich glaube, die Perfidie sieht man in England darin, daß der Versuch des
Zusammengehens des demokratischen Englands mit dem bolschewistischen Rußland mißlang,
während umgekehrt der Versuch des nationalsozialistischen Deutschlands mit dem bolschewistischen
Rußland nun gelungen ist. Ich möchte hier gleich eine Aufklärung geben: Rußland bleibt das, was es
ist - Deutschland wird das bleiben, was es ist. Über etwas sind sich aber beide Regime klar: Weder das
russische noch das deutsche Regime wollen auch nur einen Mann opfern für die Interessen der
westlichen Demokratien. Die Lehre von vier Kriegsjahren genügt für beide Staaten und für beide
Völker.
Wir wissen sehr genau, daß abwechslungsweise bald der eine und bald der andere die Ehre haben
könnte, für die Ideale der westlichen Demokratien in die Bresche zu springen. Wir danken daher,
beide Staaten und beide Völker, für diesen Auftrag. Wir gedenken, unsere Interessen von jetzt ab
selber zu vertreten, und wir haben gefunden, daß wir sie am besten dann vertreten können, wenn die
beiden größten Völker und Staaten sich miteinander verständigen.
Und das ist ja um so leichter, als ja die britische Behauptung von der unbegrenzten Zielsetzung der
deutschen Außenpolitik nur eine Lüge ist. Ich freue mich, jetzt den britischen Staatsmännern diese
Lüge in der Praxis widerlegen zu können. Diese britischen Staatsmänner, die fortgesetzt behaupteten,
Deutschland hätte die Absicht - ich glaube -, Europa bis zum Ural zu beherrschen, werden ja jetzt
glücklich sein, wenn sie endlich die Begrenzung der deutschen politischen Absichten erfahren. Ich
glaube, es wird ihnen das ja wieder einen Kriegsgrund wegnehmen, denn sie erklären ja, daß sie
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gerade deswegen gegen das heutige Regime schon kämpfen müßten, weil dieses Regime unbegrenzte
Kriegsziele verfolge.
Nun, meine Herren des großbritannischen Weltreiches, die Ziele Deutschlands sind unendlich
begrenzte. Wir haben uns mit Rußland darüber ausgesprochen, und das sind ja letzten Endes die
nächstinteressierten Nachbarn. Und wenn Sie die Meinung haben, daß wir dabei in einen Konflikt
geraten könnten - nein, wir werden das nicht, denn die deutschen Ziele sind sehr begrenzter Art.
England muß es ja eigentlich deshalb begrüßen, daß zwischen Deutschland und Sowjetrußland eine
Verständigung zustande gekommen ist, denn in dieser Verständigung liegt ja zugleich die Wegnahme
jenes Alpdrucks begründet, der die britischen Staatsmänner nicht schlafen ließ von wegen der
Welteroberungstendenzen des heutigen deutschen Regimes. Es wird sie ja beruhigen, wenn sie nun
erfahren, daß es nicht wahr ist, daß Deutschland die Ukraine erobern will oder erobern wollte. Wir
haben sehr begrenzte Interessen. Allerdings, diese Interessen zu vertreten, sind wir entschlossen, auf
jede Gefahr hin und gegen jedermann. Und daß wir dabei nicht mit uns spaßen lassen, dürften die
letzten 18 Tage zur Genüge bewiesen haben.
Wie nun die endgültige Gestaltung der staatlichen Verhältnisse in diesem großen Gebiet aussehen
wird, hängt wohl in erster Linie von den beiden Ländern ab, die hier ihre wichtigsten Lebensinteressen
besitzen. Deutschland geht hier mit begrenzten, aber unverrückbaren Forderungen vor, und es wird
diese Forderungen so oder so verwirklichen. Deutschland und Rußland werden hier an die Stelle eines
Brandherdes Europas eine Situation setzen, die man dereinst nur als eine Entspannung wird werten
können. Wenn nun der Westen erklärt, daß dies unter keinen Umständen stattfinden dürfte, und wenn
man vor allem in England erklärt, daß man entschlossen sei, hier, wenn notwendig, mit einem drei
oder vielleicht fünf- oder achtjährigen Krieg dagegen Stellung zu nehmen, dann möchte ich hier
einiges nun zur Antwort geben:
Erstens: Deutschland hat unter schweren Verzichten im Westen und im Süden seines Reiches
endgültige Grenzen akzeptiert. Deutschland hat dort überall versucht, durch solche Verzichte eine
endgültige Befriedung herbeizuführen. Und wir glaubten, daß uns das auch gelungen sein würde, und
ich glaube, daß es uns auch gelungen wäre, wenn eben nicht gewisse Kriegshetzer das absolute
Interesse besitzen würden an einer Störung des europäischen Friedens.
Ich habe weder gegen England noch gegen Frankreich irgendein Kriegsziel. Die deutsche Nation
desgleichen nicht. Seit ich zur Macht kam, bemühte ich mich, gerade zu den früheren
Weltkriegsgegnern allmählich ein enges Vertrauensverhältnis wieder herbeizuführen. Ich bemühte
mich, alle die Spannungen, die einst zwischen Italien und Deutschland bestanden, zu beseitigen, und
ich darf wohl mit Befriedigung feststellen, daß dies restlos gelungen ist, daß zwischen den beiden
Ländern ein immer engeres und herzlicheres Verhältnis hergestellt wurde, basierend auch auf dem
persönlichen, menschlichen Verhältnis zwischen dem Duce und mir.
Ich ging aber weiter. Ich habe mich bemüht, das gleiche auch mit Frankreich herbeizuführen. Sofort
nach der Erledigung der Saarfrage habe ich feierlich auf jede Grenzrevision im Westen für alle Zeiten
Verzicht geleistet, und zwar nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch. Ich habe die ganze deutsche
Propaganda in den Dienst dieser meiner Auffassung gestellt, alles aus ihr ausgemerzt, was irgendwie
zu Zweifeln oder Besorgnissen in Paris hätte Anlaß geben können.
Meine Angebote an England selbst kennen Sie. Ich hatte nur das große Ziel, mit dem britischen Volk
eine aufrichtige Freundschaft erreichen zu können.
Wenn nun das alles abgewiesen wird, und wenn England nun heute glaubt, gegen Deutschland Krieg
führen zu müssen, so möchte ich darauf nun noch folgendes erwidern:
Polen wird in der Gestalt des Versailler Vertrages niemals mehr auferstehen! Dafür garantiert ja
letzten Endes nicht nur Deutschland, sondern dafür garantiert ja auch Rußland. Wenn nun England
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trotzdem - den Kampf führt es jetzt schon - eine scheinbare Umstellung der Kriegsziele vornimmt, d.
h. in Wirklichkeit eine wirkliche Aufdeckung der wahren Kriegsziele, dann möchte ich mich auch
dazu äußern:
Man sagt in England, daß dieser Krieg natürlich auch um Polen geht, aber das sei ja an sich nur in
zweiter Linie bedeutend, das Wichtigere sei ja der Krieg gegen das heutige Regime in Deutschland.
Und ich erfahre hier die Ehre, als der Repräsentant dieses Regimes, besonders genannt zu werden.
Wenn man das nun als das eigentliche Kriegsziel hinstellt, dann will ich den Herren in London darauf
nur folgendes zur Antwort geben:
Es ist für mich die größte Ehre, in dieser Weise eingeschätzt zu werden. Grundsätzlich habe ich das
deutsche Volk so erzogen, daß jedes Regime, das von unseren Feinden gelobt wird, für Deutschland
Gift ist und von uns abgelehnt wird.
Wenn also ein deutsches Regime die Zustimmung der Herren Churchill. Duff Cooper oder Eden usw.
bekommen würde, dann wäre dieses Regime nur von diesen Herren bezahlt und ausgehalten und damit
für Deutschland untragbar. Das kann nun bei uns natürlich nicht zutreffen. Es ist daher für uns nur
sehr rühmlich, von diesen Herren abgelehnt zu werden. Und ich kann diesen Herren nur eines
versichern: wenn sie mich loben würden, würde das vielleicht der Grund zu meiner tiefsten
Bekümmernis sein. Ich bin stolz, von ihnen angegriffen zu werden.
Wenn sie aber glauben, daß sie damit etwa das deutsche Volk von mir entfernen können, dann halten
sie dieses Volk entweder für genau so charakterlos, wie sie selbst es sind, oder für so dumm, wie sie
selbst es sind!
In beidem irren sie sich! Der Nationalsozialismus hat in den letzten 20 Jahren die deutschen Menschen
nicht umsonst erzogen. Wir sind lauter Männer, die in langem Kampf von ihren Gegnern überhaupt
nur angegriffen worden sind. Das hat die Liebe unserer Anhänger nur erhöht. Es hat diese unlösbare
Verbundenheit geschaffen.
Und so, wie die nationalsozialistische Partei diesen Kampf auf sich nahm Jahre hindurch und ihn
endlich siegreich bestand, so nimmt heute das nationalsozialistische Deutsche Reiche' so nimmt das
deutsche Volk diesen Kampf ebenfalls auf sich.
Und die Herren mögen überzeugt sein: Durch ihre lächerliche Propaganda werden sie das deutsche
Volk nicht mehr zersetzen. Diese Propagandastümper müßten erst bei uns längere Zeit in die Lehre
gehen, wenn sie schon etwas erreichen möchten.
Wenn Völker zerbrechen, dann wird dies nicht das deutsche Volk sein, das für sein Recht kämpft, das
ja keinen Krieg will, sondern das angegriffen wurde, sondern dann werden jene Völker zerbrechen, die
allmählich sehen lernen werden, was ihre Verführer mit ihnen vorhaben; die allmählich begreifen
werden, wie wenig Kriegsgrund sie hatten und wie der einzige Kriegsgrund nur in den Profilen oder in
den politischen Interessen einer ganz kleinen Clique liegt.
Wenn man weiter in England erklärt, daß dieser Krieg drei Jahre dauern wird, so kann ich nur sagen:
Mein Mitleid mit dem französischen Poilu! Für was er kämpft, weiß er wohl nicht. Er weiß zunächst
nur, daß er die Ehre hat, drei Jahre mindestens zu kämpfen. Ob der Krieg nun drei Jahre dauert, hängt
ja auch noch etwas von uns ab. - Aber wenn er drei Jahre dauern sollte, so wird im dritten Jahr nicht
das Wort "Kapitulation" stehen. Und im vierten Jahr wird noch nicht das Wort "Kapitulation" stehen,
und im fünften desgleichen noch nicht, und auch nicht im sechsten oder im siebenten!
Die Herren mögen zur Kenntnis nehmen: Die Generation, die heute in Deutschland führt, ist nicht die
Generation von Bethmann Hollweg. Heute haben sie ein friderizianisches Deutschland vor sich! Das
können die Herren glauben! Und das deutsche Volk wird durch diesen Kampf nicht irgendwie
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aufgesplittert, sondern es wird fester und fester werden. Wenn sich etwas aufsplittert, dann werden es
die Staaten sein, die selbst so unhomogen zusammengesetzt sind wie unsere plutokratischen
Weltdemokratien, diese sogenannten Weltimperien, die selber nur auf Völkerunterdrückung und
Völkerbeherrschung aufgebaut sind.
Wir kämpfen hier nur für unser nacktes Dasein! Wir lassen uns nicht von irgendeinem solchen
beschränkten Propagandafatzken vorlügen, daß es sich etwa nur um unser Regime handelt.- Was
würden das schon für Verbrecher sein! Stellen Sie sich vor. Es gibt also da Leute, die sagen: In einem
Lande, da regiert jemand, der paßt uns nicht - nun wollen wir mal frischfröhlich drei Jahre Krieg
führen! - Natürlich führen sie ihn nicht selber, sondern sie suchen in der ganzen Welt herum, damit sie
solche finden, die ihn führen. Sie liefern dann Kanonen und Granaten, und die andern, die liefern dann
die Grenadiere, die Soldaten, die Menschen.
Was für eine Gewissenlosigkeit! Was würde man wohl sagen, wenn von uns aus jemals erklärt worden
wäre: Uns paßt das Regime nicht, das momentan -sagen wir - in Frankreich oder in England ist,
folglich führen wir jetzt Krieg.
Welch eine bodenlose Gewissenlosigkeit! Dafür also werden Millionen Menschen in den Tod
hineingepeitscht. Das können diese Herren wohl ruhig sagen, weil sie selber nicht eine Stunde je im
Felde gewesen sind. Aber wie lange sie die Völker in diesem Kampf halten können, das werden wir ja
nun sehen. - Über eines aber kann es keinen Zweifel geben-. Den Fehdehandschuh, den nehmen wir
auf, und wir werden so kämpfen, wie der Gegner kämpft. Und England hat bereits wieder mit Lug und
Heuchelei den Kampf gegen Frauen und Kinder begonnen. Man hat eine Waffe, von der man glaubt,
daß man in ihr unangreifbar ist, nämlich die Seemacht, und sagt nun: Weil wir in dieser Waffe selber
nicht angegriffen werden können, sind wir berechtigt, mit dieser Waffe die Frauen und Kinder nicht
nur unserer Feinde, sondern auch der Neutralen, wenn notwendig, zu bekriegen.
Man soll sich auch hier nicht täuschen! Es könnte sehr schnell der Augenblick kommen, da wir eine
Waffe zur Anwendung bringen, in der wir nicht angegriffen werden können. Hoffentlich beginnt man
dann nicht plötzlich, sich der Humanität zu erinnern und der Unmöglichkeit, gegen Frauen und Kinder
Krieg zu führen. Wir Deutsche möchten das gar nicht. Es liegt uns nicht. Ich habe auch in diesem
Feldzug den Befehl gegeben, wenn irgend möglich, Städte zu schonen. Wenn natürlich. eine Kolonne
über einen Marktplatz marschiert, und sie wird von Fliegern angegriffen, dann kann es passieren, daß
auch leider ein anderer dem zum Opfer fällt. Grundsätzlich haben wir dieses Prinzip aber
durchgehalten. Und in Orten, in denen nicht durch wahnsinnige, verrückte oder verbrecherische
Elemente Widerstand geleistet wurde, ist nicht eine Fensterscheibe zugrunde gegangen. In einer Stadt
wie Krakau ist außer dem Bahnhof, der ein militärisches Objekt ist, und dem Flugplatz nicht eine
Bombe in die Stadt gefallen. Wenn man umgekehrt in Warschau nun den Krieg des Zivils beginnt in
allen Straßen, aus allen Häusern, dann wird selbstverständlich dieser Krieg auch die ganze Stadt
überziehen. Wir haben uns schon an diese Regeln gehalten, wir möchten uns auch in der Zukunft an
diese Regeln halten.
Es liegt auch ganz bei England, die Blockade in Formen zu führen, die dem Völkerrecht entsprechen,
oder in Formen zu führen, die völkerrechtswidrig sind. Wir werden uns ganz dem anpassen. Über
eines aber soll man sich keinem Zweifel hingehen: Das englische Ziel heißt also nicht mehr: Kampf
gegen ein Regime, sondern Kampf gegen das deutsche Volk, ja, gegen die deutschen Frauen und
gegen die deutschen Kinder. Die Reaktion bei uns wird eine entsprechende sein. Und immer wird am
Ende eines feststehen: Dieses Deutschland kapituliert nicht! - Wir wissen ganz genau, welches das
Schicksal dieses Deutschlands sein würde. Herr King Hall hat uns das ja, im Auftrag seiner hohen
Herren mitgeteilt: ein zweiter Versailler Vertrag, nur noch viel schlimmer. - Was kann denn schon
noch viel schlimmer sein? Der erste Versailler Vertrag hatte die Absicht schon, 20 Millionen Deutsche
auszurotten, also kann der zweite höchstens diese Absicht verwirklichen.
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Wir haben unterdes nähere Illustrierungen bekommen, was da alles gedacht ist, wie Deutschland
zerstückelt werden soll, wie die süddeutschen Länder weggerissen werden sollen, was Polen
wiederbekommen soll, was man an neuen Staaten zu errichten gedenkt, welchen Fürsten man Kronen
auf das Haupt drücken will usw. Das deutsche Volk nimmt das zur Kenntnis, und es wird
dementsprechend fechten!
Ich möchte an dieser Stelle aber auch meinen Dank nun aussprechen dem deutschen Volke selbst. Es
hat in den letzten Wochen wirklich ein wunderbares Zeichen nicht nur seiner inneren Geschlossenheit
gegeben, sondern es gab uns zahllose Beweise seiner wirklich tapferen Gesinnung. Auch hier hat der
Nationalsozialismus eine Umwandlung hervorgerufen. Vielleicht wird mancher sagen: Das deutsche
Volk ist nicht so begeistert wie 1914. - Oh, es ist viel begeisterter! Nur ist diese Begeisterung heute
eine Begeisterung, die im Innern lodert, die die Menschen hart macht. Es ist nicht der oberflächliche
Hurrapatriotismus, sondern es ist eine fanatische Entschlußkraft, es ist die Begeisterung von
Menschen, die. wissen, was ein Krieg ist., die einen Krieg erlebt haben, die nicht leichtfertig in ihn
hineingegangen sind, die aber, wenn dieser Krieg ihnen schon aufgezwungen wird, ihn führen werden,
so wie ihn einst die alte deutsche Front geführt hat.
So wie ich bei meinen Besuchen an der Front diese zahlreichen Regimenter und Divisionen sah Junge und Alte, alle in der gleichen Verfassung -, so sehe ich vor mir auch das ganze deutsche Volk.
Wir brauchen heute keinen Hurrapatriotismus. Wir alle wissen, wie furchtbar dieses Geschehen ist,
allein wir sind auch entschlossen, dieses Geschehen zu einem erfolgreichen Ende zu führen; es mag da
kommen, was kommen will. Keiner von uns ist mehr wert, als die Männer und Frauen wert waren, die
in der Vergangenheit lebten. Alle die Opfer, die damals gebracht worden sind, waren keine leichteren
als die Opfer, die wir heute zu bringen haben. Jedes Opfer, das uns auferlegt wird, ist nicht schwerer,
als die gleichen Opfer es waren, die einst die Vergangenheit zu tragen hatte.
Wir sind entschlossen, so oder so diesen Kampf durchzuführen und durchzustehen. Wir haben dabei
nur einen einzigen Wunsch, daß der allmächtige Gott, der ja jetzt unsere Waffen gesegnet hat,
vielleicht die anderen Völker erleuchten möge, daß er ihnen die Einsicht schenken möchte, wie
zwecklos dieser Krieg, dieses Völkerringen an sich sein wird, und daß er sie vielleicht zum
Nachdenken bringen wird über die Segnungen eines Friedens, die sie preisgeben, bloß weil eine
Handvoll infernalischer Kriegsheber und Kriegsinteressenten die Völker in den Kampf verwickeln
wollen.
Ich bin heute zum erstenmal in dieser Stadt Danzig. Sie hat den Schicksalsweg des deutschen Volkes
viele, viele Jahrhunderte geteilt. Sie hat mitgekämpft mit ihren Söhnen im großen Krieg und hat ein
besonders bitteres Leid nach dem Kriege erfahren. Nach 20 Jahren kehrt sie nun wieder zurück in die
große deutsche Volksgemeinschaft. Vieles hat sich seitdem im Reich geändert. Aus einem einstigen
Klassen. oder Kastenstaat ist nun der deutsche Volksstaat geworden. Aus einem Staat, der einst eben
doch sehr stark bestimmt und regiert war durch die Interessen einzelner Gruppen, ist nun ein Reich
geworden, das dem deutschen Volk allein zu eigen ist. Die Ideen, die das Reich beherrschen, sind in
dieser Stadt selbst schon seit vielen, vielen Jahren gepredigt worden. ja, sie haben mitgeholfen, den
Geist zu erzeugen, der es ermöglichte, die Stadt deutsch zu bewahren, und sie mit jenem Glauben
erfüllte, der sie
ausharren ließ auf die Stunde der Erlösung und der Befreiung.
Diese Stunde ist nun gekommen!
Ermessen Sie mein eigenes Glücksgefühl, daß mich die Vorsehung berufen hat, das zu verwirklichen,
was die besten Deutschen alle ersehnten. Ermessen Sie auch meine innere Ergriffenheit, daß ich
nunmehr in diesem ehrwürdigen Raum zu Ihnen und zum ganzen Volke in dieser Stadt und in diesem
Lande sprechen kann.
122
Ich habe mir einst vorgenommen, nicht früher nach Danzig zu kommen, ehe denn diese Stadt wieder
zum Deutschen Reich gehört. Ich wollte als ihr Befreier hier einziehen. Am heutigen Tage ist mir nun
dieses Glück zuteil geworden!
Ich sehe in ihm und ich empfange in ihm den überreichlichen Lohn für zahlreiche sorgenvolle
Stunden, Tage, Wochen und Monate. Sehen Sie in mir, meine 'lieben Danziger und Danzigerinnen,
damit aber auch den Sendboten des Deutschen Reiches, des ganzen deutschen Volkes, das Sie nun
durch mich aufnimmt in unsere ewige Gemeinschaft, aus der Sie niemals mehr entlassen werden. Was
auch immer dem einzelnen Deutschen nun in den nächsten Monaten oder auch Jahren an Schwerem
beschieden sein mag, es wird leicht sein im Bewußtsein der unlösbaren Gemeinschaft, die unser
ganzes großes Volk umschließt und umfaßt.
Wir nehmen Sie auf in diese Gemeinschaft mit dem festen Entschluß, Sie niemals mehr aus ihr ziehen
zu lassen, und dieser Entschluß ist zugleich das Gebot für die ganze Bewegung und für das ganze
deutsche Volk.
Danzig war deutsch, Danzig ist deutsch geblieben und Danzig wird von jetzt ab deutsch sein, solange
es ein deutsches Volk gibt und ein Deutsches Reich besteht.
Generationen werden kommen, und Generationen werden wieder vergehen. Und sie alle werden
zurückblicken auf die 20 Jahre der Abwesenheit dieser Stadt als auf eine traurige Zeit in unserer
Geschichte. Sie werden sich aber dann nicht nur erinnern der Schande des Jahres 1918, sondern sie
weiden sich dann mit Stolz auch besinnen auf die Zeit der deutschen Wiedererhebung und der
Wiederauferstehung des Deutschen Reiches, jenes Reiches, das nun alle deutschen Stämme
zusammengefaßt hat, das sie zusammenfügte zu einer Einheit, und für das wir nun einzutreten
entschlossen sind bis zum letzten Hauch.
Dieses Deutschland der deutschen Volksgemeinschaft aller deutschen Stämme, das Großdeutsche
Reich - Sieg Heil!
123
IV. Rede am 4. September 1940 in Berlin – Eröffnung des Kriegswinterhilfswerkes
1940/41
In diesen Tagen endete das erste Kriegsjahr. Das zweite begann und mit ihm das neue
Kriegswinterhilfswerk. Die Erfolge dieses ersten Jahres, meine Volksgenossen, sind
einmalige. Sie sind so einmalig, daß sich nicht nur die Gegner diesen Ablauf der Geschichte
nicht vorgestellt hatten, sondern auch viele im deutschen Volk konnten kaum die
Großartigkeit der Vorgänge und die Schnelligkeit der Ereignisse begreifen.
Wir können zum Vergleich das erste Kriegsjahr des Weltkrieges gar nicht heranziehen; denn
in diesem ersten Kriegsjahr sind dort überall trotz größter Tapferkeit, trotz unerhört größerer
Opfer nur Teilergebnisse erzielt worden, nicht eine endgültig vollzogene Lösung.
Wir brauchen dieses Mal nur das gewaltige Dreieck anzusehen, das heute von der deutschen
Wehrmacht beschütt wird: Im Osten der Bug, im Norden das Nordkap, Kirkenes und Narvik
und im Süden die Grenze Spaniens! Eine Anzahl von Widersachern ist beseitigt. Nur einer
glücklichen geographischen Situation und einer außerordentlichen Schnelligkeit im
Ausrücken hat es England zu verdanken, daß ihm das gleiche. Schicksal noch nicht zuteil
wurde! Denn es ist nicht so, wie einige britische Politiker dies darstellen, daß etwa die
britische Armee wie ein wildes Pferd am Zügel reißt vor brennender Begier, endlich
losgelassen zu werden gegen den deutschen Feind. Sie waren uns doch so nahe und konnten
ohne weiteres ihre Kampfgier damals befriedigen. Sie selber haben sich von uns entfernt. Und
es blieb ihnen vorbehalten, diese mehrmaligen Entfernungen als große Siege hinzustellen.
Es sind entscheidende Erfolge erzielt worden in diesem Jahr. Und das große Gebiet, das von
deutschen Truppen zur Zeit beherrscht wird, hat sich erweitert durch unseren Verbündeten
Italien, das seinerseits nun ebenfalls in Ostafrika die Offensive ergriffen hat und auch dort
seine Position verstärkte und England zurückschlug.
Natürlich stehen dem auch englische "Erfolge" gegenüber. Es sind Erfolge, die der normale,
gesunde Menschenverstand nur nicht begreift und nicht erkennt. Sie haben auch in sich
keinen besonderen Zusammenhang. Wir erleben es immer wieder, daß seit diesem Jahr die
englische Propaganda von der Höhe in die Tiefe fällt, um allerdings wenige Tage später in
einer noch größeren Höhe zu schweben. Ich habe das einmal gelesen; da hieß es z. B.: "Jetzt
fallen die Würfel des Krieges. Wenn es den Deutschen nicht gelingt, nach Paris zu kommen und das wird ihnen nicht gelingen -, dann haben sie den Krieg verloren. Sollten sie aber nach
Paris kommen, dann wird England den Krieg gewinnen."
Solcher Art hat England nun seit dem 3., bzw. 4. September zahlreiche "Siege" erfochten. Der
glorreichste Sieg – in unseren Augen wäre es der schmählichste Mißerfolg - war die Flucht
aus Dünkirchen. Aber was tut man nicht in der Not! Wir brauchen bloß die britische
Kriegsberichterstattung zu lesen, um zu wissen, was er, mit diesem Erfolg auf sich hat. Da
heißt es z. B.: "Man sagt uns, daß ... oder: "Man erfährt aus wohlunterrichteten Kreisen ..."
oder: "Man hört von wohlinformierten Stellen ..." oder: "Man kann von Sachverständigen
vernehmen ..." oder: "Man glaubt, ernstlich annehmen zu dürfen, daß..." usw. Ja, einmal hieß
es: "Man glaubt, Grund zu haben, glauben zu dürfen, daß ... usw." Und dann, wie gesagt, kann
natürlich jede Niederlage zum Erfolg werden.
124
Wir rückten gerade in Polen ein, und die englischen Propagandisten erklärten, daß sie aus
wohlunterrichteten Kreisen wüßten, daß die Deutschen bereits eine ganze Anzahl schwerster
Niederlagen erlitten hätten und daß die Polen im siegreichen Vorrücken gegen Berlin seien.
Wenige Tage später versicherten dann wohlinformiertere Kreise noch, daß sich jetzt das
Schicksal im Osten endgültig gewendet hätte. Dann kamen ebenso wohlunterrichtete
Sachverständige, die bemerkten, daß selbst wenn Deutschland einen Erfolg errungen haben
sollte - was gar nicht der Fall sei -, daß dieser Erfolg in Wirklichkeit doch nur ein Mißerfolg
sei von einer höheren strategischen Warte aus gesehen natürlich.
Und als wir schon vor Warschau standen, da wußte man dann wieder, daß man das Recht
hätte, annehmen zu dürfen, daß nunmehr im Westen der Angriff der Alliierten seine -ersten
großen, und zwar durchschlagenden Erfolge erzielt hätte.
Und so ging das nun weiter, bis daß endlich kein Polen mehr war. Und dann sagte man: "Von
uns ist ein großer Alpdruck genommen, denn dieses Polen im Osten war immer unsere
schwache Seite. Seit Polen erledigt ist, können die Alliierten sich endlich auf den
Kriegsschauplatz konzentrieren, wo sie den Deutschen überlegen sind, und das wird der
Deutsche in kurzer Zeit erfahren."
Dann war längere Zeit Ruhe. Diese Ruhe war natürlich auch ein ungeheurer dauernder Erfolg
der britischen Wehrmacht und ein ebenso konstanter Mißerfolg Deutschlands. Was hat in
diesen Monaten nicht England gearbeitet, und was haben wir nicht alles verschlafen! Was
haben die englischen Politiker nicht alles in dieser Zeit gesehen und richtig erkannt und vor
allem immer den richtigen Zeitpunkt erfaßt, und was haben wir demgegenüber nicht alles
verpaßt! Bis daß Norwegen kam. Als die Operation begann, da freute sich die englische
Kriegsberichterstattung über den ungeheuren "Fehler", den wir nun gemacht hätten. "Endlich
haben die Deutschen jetzt einen Fehler gemacht, und das werden sie jetzt büßen", so schrieb
man, und man freue sich in England, daß man jetzt die Gelegenheit bekomme, sich mit den
Deutschen messen zu können. Dabei sind wir im Westen seit Monaten bloß einige hundert
Meter auseinander gewesen! Sie hätten sich in jeder Stunde mit uns messen können! Sie taten
so, als ob sie uns überhaupt nicht hätten sehen können im Westen, und nun zum erstenmal in
Norwegen, da gab ihnen das gütige Schicksal nun die Gelegenheit, dank unserer und
besonders meiner Dummheit, endlich sich mit uns kriegerisch auseinandersetzen zu können.
Die Auseinandersetzung, die kam dann auch. Und es ist schon wirklich eine Ironie des
Schicksals, daß vielleicht der für die Engländer damals schlimmste Schlag ihrer eigenen
Propaganda zu verdanken war. Als wir nämlich die Norweger schon längst über Hamar und
Lillehammer hinaus geschlagen hatten, da marschierte eine britische Brigade bieder, fromm
und ahnungslos des gleichen Weges gegen Hamar. Sie, hatte nach rückwärts keinerlei
Verbindung, denn das hatten unsere Stukas unterdes und unsere Kampfbomber alles
abgeschlagen. Und so hörte sie nur auf den britischen Rundfunk. Und im britischen
Rundfunk, da vernahm der britische Brigadekommandeur, daß wir noch weit, weit natürlich
vor Lillehammer seien bzw. von ihm aus gesehen hinter Lillehammer, und daß wir eine
schwere Niederlage bezogen hätten. Und so marschierte der biedere britische
Brigadekommandeur an der Spitze seiner Brigade nach Lillehammer ein, legte sich dort zur
Ruhe, zur Seite seine Kiste mit den Dokumenten, wo drauf stand: "Streng geheim! Nicht dem
Feind in die Hand fallen lassen!", und wurde nun in der gleichen Nacht noch mitsamt seiner
kostbaren Bundeslade von unseren Truppen ausgehoben. Das kommt davon, wenn sich
jemand auf Mister Churchill, den Kriegsberichterstatter, verläßt!
125
So war es aber fast überall. Sie haben gelogen. Sie sind in das Meer 'reingeworfen worden,
und es war dann "ein ganz großer Sieg". Daß es ihnen gelang, noch ein paar letzte Trümmer
von Andalsnes oder von Namsos zu retten, das erklärten sie der Welt als den "gewaltigsten
Erfolg der neueren britischen Kriegsgeschichte". Damit können wir uns natürlich nicht
messen. Aber das Tatsächliche stand dem gegenüber, nämlich: wenige Wochen später gab es
kein Norwegen mehr. Die britischen Streitkräfte haben auch dieses Land räumen müssen.
Und dann kam die Stunde der Auseinandersetzung im Westen. Wir sind auch da nicht zu spät
gekommen. Und gerade bei diesem Feldzug hat wirklich diese alliierte Kombination nichts
anderes als nur Niederlagen einstecken müssen. Die Tatsachen. die geschichtlichen Tatsachen
sprechen dafür und legen Zeugnis ab. Trotzdem endete auch das mit einem großen britischen
"Sieg", nämlich mit der herrlichen, ruhmvollen Waffentat von Dünkirchen. Die Spuren dieser
Waffentat habe ich selber mit meinen eigenen Augen gesehen. Es sah ziemlich unordentlich
aus!
Nun ist Frankreich ebenfalls zerbrochen. Und was hat man nun für eine Erklärung? Kaum war
Norwegen endgültig von den Alliierten gesäubert, da erklärte man: "Das haben wir ja gewollt.
Wir wollten ja die Deutschen hier herauflocken. Das ist ein Sieg, ein eindeutig klarer Sieg für
uns, eine Verkürzung unserer Front." und nachdem Frankreich endlich niedergeschmettert
war, erklärte man: "Jetzt kann sich England endlich mit seiner ganzen Kraft zum erstenmal
konzentrieren. Wir haben jetzt nicht mehr die Notwendigkeit, uns immer da zu vergeuden und
unsere Truppen zu verschwenden, uns zu verzetteln. Jetzt haben wir die strategische Lage
erreicht, die wir ununterbrochen gewünscht und uns erhofft hatten. Der Ballast Frankreich ist
jetzt von uns abgefallen. Er hat uns nur kostbares britisches Blut gekostet, und wir sind jetzt
in der Lage, den Deutschen ganz anders entgegenzutreten
Nun hat man sich gleich bei Kriegsbeginn mit bestimmten Prophezeiungen über die Dauer
dieses Krieges befaßt. Man sagte: .Der Krieg dauert drei Jahre. Britannien richtet sich auf drei
Jahre ein." Das mußte man auch schon tun, denn die Leute da, die ja doch alle schwerreiche
Besitzer von Aktien, Kriegsfabrikationsaktienpaketen sind, diese Leute sind klug genug, sie
wissen selbstverständlich, daß sich diese Neuanschaffungen in einem halben oder in einem
Jahr gar nicht verzinsen können. Das muß also schon einige Zeit dauern. Aber ich war damals
auch gleich so vorsichtig und habe dem Reichsmarschall damals gleich gesagt: Göring,
bereiten wir alles vor auf fünf Jahre. Nicht, weil ich glaube, daß der Krieg fünf Jahre dauert.
Aber was auch kommen mag, England wird niederbrechen, so oder so! Und ich kenne keinen
anderen Termin als diesen Termin ganz allein.
Ich werde das natürlich klug und vorsichtig und gewissenhaft alles immer vorbereiten. Das
werden Sie verstehen. Und wenn man in England sehr neugierig ist heute und sagt: "Ja,
warum kommt er denn nicht?" Beruhigt euch, er kommt! Man muß nicht immer so neugierig
sein. Diese Welt wird frei werden. Es muß mit dem Unfug einmal für immer aufgeräumt
werden, daß es einer Nation möglich sein kann, ganz nach Belieben einen ganzen Kontinent
zu blockieren. Es muß unmöglich gemacht werden in der Zukunft, daß es einem Piratenstaat
von Zeit zu Zeit immer wieder je nach Wunsch und Laune einfallen kann, 450 Millionen
Menschen hier mehr oder weniger der Armut oder dem Elend auszuliefern. Wir haben es satt,
uns für alle Zukunft, besonders als Deutsche, von England vorschreiben zu lassen, ob wir
vielleicht dieses oder jenes tun dürfen oder nicht, ja am Ende sogar, ob der Deutsche einen
Kaffee trinken darf oder nicht. Wenn es England nicht gefällt, dann wird eben die Kaffee126
Einfuhr gesperrt. Das interessiert mich persönlich gar nicht. Ich trinke keinen. Aber es ärgert
mich, daß andere ihn nicht trinken können. Und überhaupt finde ich es unerträglich, daß hier
eine 85-Millionen-Nation von einem anderen Volk jederzeit an Leib und Leben gestraft
werden kann, wenn es irgendeinem Plutokraten in London nicht paßt.
Ich habe dem englischen Volk so oft die Hand zur Verständigung hingehalten. Sie wissen es
ja selbst. Es war das mein außenpolitisches Ziel. Ich habe es neulich noch zum allerletztenmal
gemacht. Ich ziehe es jetzt auch vor, zu kämpfen, bis daß eine ganz klare Entscheidung
herbeigeführt ist. Und die klare Entscheidung kann nur die sein, daß dieses Regime
erbärmlicher und niederträchtiger Kriegshetzer beseitigt wird und daß ein Zustand hergestellt
wird, in dem es unmöglich ist, daß eine Nation in Zukunft noch ganz Europa zu tyrannisieren
vermag.
Hier wird Deutschland, und hier wird auch Italien, hier werden beide Staaten Sorge tragen,
daß sich das in der Geschichte ein zweites Mal nicht mehr wiederholt. Und hier werden
England auch alle seine Verbündeten nichts helfen, weder der Kaiser Haile Selassie, noch
Herr Benesch, noch irgendein anderer, auch der König Haakon nicht und auch nicht die
Königin Wilhelmina und auch nicht der französische General de Gaulle. Alle diese
Verbündeten werden gar nichts helfen. Und was sie sonst auch noch planen mögen, was sie
sonst auch noch vielleicht in der tiefsten Falte ihres Herzens in Aussicht genommen haben,
wir sind auf der Hut, sind zu allem bereit, zu allem entschlossen und gewillt, jederzeit zu
handeln.
Und vor allem: Man erschreckt uns durch gar nichts. Wir deutsche Nationalsozialisten sind
durch die härteste Schule gegangen, die überhaupt menschlich denkbar ist. Erst waren wir
Soldaten des großen Krieges, und dann waren wir die Kämpfer der deutschen Widererhebung.
Und was wir in diesen Jahren erdulden mußten, das hat uns gehärtet. Man kann uns daher
auch durch nichts einschüchtern. Man kann uns durch gar nichts überraschen. Als man in
England vor einem Jahr in den Krieg eintrat, da sagte man: "Wir haben einen Verbündeten."
Man war neugierig, wer es wohl sei. Sie sagten: "Es ist ein General, dieser Verbündete. Er
heißt General Revolution." Haha! Sie haben eine Ahnung vom neuen nationalsozialistischen
deutschen Volksstaat! Und nun warteten sie in London auf die Tätigkeit dieses Generals
Revolution. Am 6. September tat sich nichts, am 7. September tat sich nichts. Am 8.
September: nach ihren Äußerungen sollte binnen einer Woche dieser General sich erheben,
General Revolution. Und er ist nicht aufgefunden worden.
Dann sagte man: "Wir haben einen jetzt aber wirkungsvolleren General. Es ist dies der
General Hunger." Wir haben vor vornherein damit gerechnet, daß die großen
Menschenfreunde, so wie im Weltkrieg, versuchen würden, die Frauen und die Kinder
auszuhungern, und haben uns auch darauf vorbereitet. Auch dieser General war nur eine
Fehlspekulation, eine Erscheinung, ein Irrlicht im Gehirn des Mister Churchill.
Jetzt ist man zum dritten General als Verbündeten gekommen. Es ist der General Winter. Er
war schon einmal gewesen. Er hat damals versagt, er wird oder würde auch dieses Mal genau
so versagen. Überhaupt die Engländer sollten, wenn sie schon wirklich so obskure Generale
nehmen, da sollten sie nicht vergessen, ihren bedeutendsten General vielleicht zum britischen
Reichsgeneralfeldmarschall zu erheben, nämlich den General Bluff. Das ist ihr einziger
solider Verbündeter, der es verdienen würde, daß sie ihm tatsächlich die höchste Beförderung
zuteil werden lassen. Uns schlägt man nun mit diesen Generalen - da können sie überzeugt
127
sein - nicht mehr. Damit kann man vielleicht das dumme britische Volk dumm machen, aber
das deutsche Volk hat tatsächlich England kennengelernt. Diese Schwätzereien des Mister
Churchill oder des Mister Eden - vom alten Chamberlain zu reden, das verbietet einem die
Pietät -, diese Schwätzereien lassen das deutsche Volk ganz kalt, bewegen es höchstens zum
Lachen. Es gibt in unserer hochdeutschen Sprache kein passendes Wort für so eine
Erscheinung wie Duff Cooper. Da muß man schon zur Mundart greifen, und hier, glaube ich,
ist nur im Bayerischen ein Wort geprägt worden, das so einen Mann charakterisiert, nämlich:
Krampfhenne! Die Herren können sich beruhigen, mit diesen Mitteln werden sie den Krieg
nicht gewinnen. Und die anderen Mittel, die sind Gott sei Dank in unserer Hand und werden
in unserer Hand bleiben! Und wenn die Stunde geschlagen hat, dann werden wir an die Stelle
des Generals Hunger oder Revolution oder Winter oder Bluff, werden wir wieder den General
der Tat setzen, das heißt die Handlung. Und dann werden wir sehen, wer sich hier am meisten
bewährt.
Den Dank des deutschen Volkes nun an seine Soldaten habe ich bereits im Reichstag
ausgesprochen. In diesen Tagen bewegt uns alle der Dank an unsere Luftwaffe, an unsere
tapferen Helden, die Tag für Tag nach England einfliegen und dort das beantworten, was der
geniale Mister Churchill erst erfunden hat.
Ich möchte heute aber nun den Dank vor allem an die Heimat richten für dieses
zurückliegende Jahr, den Dank an das ganze deutsche Volk, und zwar möchte ich dem
deutschen Volk für seine gesamte Haltung danken, die es in diesem Jahr zeigte in oft nicht
leichten Situationen. Denn vielleicht ist es vielen gar nicht bewußt, was es hieß, in wenigen
Wochen im vergangenen Jahr über 700 000 Menschen zu evakuieren. Und das ging alles
reibungslos. Allerdings, es war auch alles bei uns vorbereitet - zum Unterschied von den
anderen. Aber was die Menschen im einzelnen nun hier auf sich nahmen, war oft sehr schwer,
und sie haben es bewunderungswürdig ertragen. Sie sind glücklich, daß sie nun wieder in ihre
Heimat zurückkehren konnten.
Wir müssen aber auch all denen danken, die in dieser Heimat selbst die wichtigsten
Schutzmaßnahmen durchführen, für sie verantwortlich sind: Luftschutz und besonders für die
gewaltigen Organisationen des Roten Kreuzes, die in Ärzten, im ganzen Sanitätspersonal und
besonders aber auch in den Schwestern Ungeheures leisten.
Wir wollen aber auch vor allem jetzt gedenken der deutschen Frau, jener Millionenschar
deutscher Frauen, deutscher Mütter und auch deutscher Mädchen, die den Mann jetzt ersetzen
müssen und die in Stadt und Land arbeiten und die dafür sorgen, daß uns das tägliche Brot auf
der einen Seite wieder wird und auf der anderen Seite der Soldat die notwendigen Waffen und
die Munition bekommt. An ihrer Seite stehen alle die Millionen deutscher Arbeiter, die in
Munitionsfabriken, hoch betagt oft oder noch ganz jung, sich einsetzen, daß die kämpfende
Front nicht an dem fällt, an dem sie einst im Jahre 1918 letzten Endes zusammenbrach. Es ist
etwas Wunderbares, unser Volk hier im Kriege zu sehen, in seiner ganzen Disziplin.
Wir erleben das gerade jetzt in der Zeit, da Herr Churchill seine Erfindung der
Nachtluftangriffe uns vorführt. Er tut es nicht deshalb, weil diese Luftangriffe besonders
wirkungsvoll sind, sondern weil seine Luftwaffe bei Tag nicht über deutsches Land kann.
Während die deutschen Flieger und die deutschen Flugzeuge Tag für Tag über englischem
Boden sind, kommt ein Engländer bei Tageslicht überhaupt nicht über die Nordsee herüber.
So kommen sie in der Nacht und werfen nun, wie Sie wissen, wahllos und planlos auf zivile
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bürgerliche Wohnviertel ihre Bomben, auf Bauerngehöfte und Dörfer. Wo sie irgendein Licht
erblicken, wird eine Bombe darauf geworfen.
Ich habe drei Monate lang das nicht beantworten lassen, in der Meinung, sie würden diesen
Unfug einstellen. Herr Churchill sah darin ein Zeichen unserer Schwäche. Sie werden
verstehen, daß wir jetzt nun Nacht für Nacht die Antwort geben, und zwar steigend Nacht für
Nacht. Und wenn die britische Luftwaffe 2000 oder 3000 oder 4000 Kilogramm Bomben
wirft, dann werfen wir jetzt in einer Nacht 150 000, 180 000, 230 000, 300 000 und 400 000.
Und wenn sie erklären, sie werden bei uns Städte in großem Ausmaß angreifen - wir werden
ihre Städte ausradieren! Wir werden diesen Nachtpiraten das Handwerk legen, so wahr uns
Gott helfe. Es wird die Stunde kommen, da einer von uns beiden bricht, und das wird nicht
das nationalsozialistische Deutschland sein! Denn ich habe schon einmal einen solchen
Kampf in meinem Leben durchgeführt bis zur leisten Konsequenz, und es ist der Gegner
gebrochen, der heute noch in England auf einer leisten Insel in Europa sitzt.
Gerade angesichts dieses Kampfes aber ist es erst recht notwendig, zu begreifen, wie wichtig
die Ausgestaltung und Formung unserer deutschen Volksgemeinschaft ist. Wir hätten das
alles nicht leisten können, wenn da vorne, verloren auf sich selbst allein gestellt, ein deutscher
Soldat stünde ohne Verbindung zu ihm gleich gestimmten Seelen der Heimat. Was den
deutschen Soldaten vorne stark macht, ist das Bewußtsein und das Wissen, daß hinter ihm
fiebernd in eiserner Geschlossenheit, aber fanatischem Willen ein ganzes Volk steht. und
zwar ein Volk, erfüllt von einer hohen Zielsetzung. Und diese Zielsetzung geht weit darüber
hinaus, etwa nur diesen Krieg zu gewinnen. Nein, wir wollen einen neuen Staat aufbauen.
Deshalb werden wir auch heute von den anderen so gehaßt. Sie haben es oft ausgesprochen.
Sie sagten: Ja, Ihre sozialen Experimente sind sehr gefährlich. Wenn das um sich greift, und
wenn das auch unsere Arbeiter sehen, das ist sehr bedenklich. Das kostet Milliarden und
bringt nichts ein. Es legt sich das weder um in einen Gewinn der Wirtschaft noch in eine
Dividende. Was soll das also? Wir haben an solchen Entwicklungen kein Interesse. Wir
begrüßen alles, was dem materiellen Fortschritt der Menschheit dient, soweit dieser materielle
Fortschritt sich wieder wirtschaftlich in Gewinn verwandelt. Aber soziale Experimente, das,
was Sie da alles machen, das kann doch nur dazu führen, daß die Begehrlichkeit der Massen
geweckt wird, und endlich dazu führen, daß wir von unserem Postament herunter müssen.
Das können Sie von uns nicht erwarten." Man sah in uns das böseste Beispiel. Jede
Einrichtung, die wir machten, sie wurde nicht etwa von den anderen übernommen, nein,
sondern sie wurde abgelehnt deshalb, weil wir sie durchführten. Sie sahen darin schon wieder
eine Konzession auf dem Wege einer sozialen Gesetzgebung und damit einer sozialen
Entwicklung, die in diesen Staaten verhaßt ist, Es sind eben Plutokratien, in denen ein ganz
kleiner Klüngel von Kapitalisten diese Massen beherrscht, und natürlich in engster
Verbindung mit dem internationalen Judentum, mit den Freimaurern. Wir kennen ja diese
Freunde von uns her, unsere alte liebe Koalition, das Systemdeutschland, das ja auch
personell sich zum Teil dort hinübergerettet hat. Sie hassen uns wegen dieser unserer sozialen
Einstellung, und alles, was wir aus ihr heraus planen und durchführen, erscheint ihnen
gefährlich. Und sie sind der Überzeugung, daß man diese Entwicklung beseitigen muß. Und
ich bin der Überzeugung, daß dieser Entwicklung die Welt, die Zukunft gehört. Ich bin der
Überzeugung, daß Staaten, die sich dieser Entwicklung nicht anschließen, früher oder später
zerbrechen. Wir sehen sehr viele Staaten in dieser Welt mit ungelösten sozialen Fragen. Sie
werden, wenn sie keine Lösung der Vernunft finden, früher oder später zu einer Lösung des
Wahnsinns gelangen.
129
Das hat der Nationalsozialismus im deutschen Volk verhindert. Und sie kennen nun unsere
Zielsetzung, und sie wissen, daß wir beharrlich und konsequent dieses Ziel verfechten und
auch erreichen werden. Deshalb dieser Haß dieser ganzen internationalen Plutokraten, der
Haß dieser ganzen jüdischen Zeitungen, der ganzen Weltbörsen und die Sympathien all derer
in anderen Ländern, die ebenso oder ähnlich denken, wie diese Plutokratien.
Weil wir aber das wissen, daß dieser Kampf doch letzten Endes ein Kampf um die ganze
soziale Grundlage unseres Volkes, um die Substanz unseres Lebens ist und gegen diese
Substanz gerichtet ist, bleibt uns gar nichts anderes übrig, als gerade im Kampf für dieses
Ideal uns selbst immer mehr zu diesem Ideal zu bekennen.
Und hier ist auch das Winterhilfswerk, diese großartigste soziale Hilfseinrichtung, die es
überhaupt auf der Erde gibt, hier ist auch das Winterhilfswerk eine mächtige Demonstration
des Geistes. Es wird mir jeder zutrauen, daß wir das auch anders hätten lösen können. Wir
hätten auf dem Steuerwege das ohne weiteres hereinbringen können. Es wäre nicht notwendig
gewesen, diese riesige Organisation aufzubauen. Wir hätten das alles durch Beamte machen
können. Aber selbst wenn finanziell das Ergebnis genau so groß gewesen wäre, ja
meinetwegen größer, ideell wäre dieses Ergebnis nicht annähernd an das herangekommen, das
wir so besitzen. Denn es ist so die freiwillige Organisation, der deutschen Volksgemeinschaft
in ihrer praktischen Auswirkung - eine Erziehung des einen, der gibt, aber auch eine
Erziehung des anderen, der nun selber freiwillig diese Arbeit leistet. Denn es sind hier zwei,
die ein Opfer bringen: der eine, der das Opfer gibt, und der andere, der dieses Opfer nun
verwaltet, ehrenamtlich verwaltet. Dieses kleine Mädchen, das hier auf der Straße geht und
einsammelt, unterstützt von all den anderen Berufen, die im Turnus diese Arbeit vollbringen,
bis hinauf zu den Repräsentanten des Staates, der Wirtschaft, der Kunst usw. - es ist eine
praktische Erziehung zur Volksgemeinschaft hin. Und das ist das Entscheidende, meine
Volksgenossen, denn wir alle sind irgendwie belastet mit den Überlieferungen usw. der
Vergangenheit, der Herkunft, des Standes, des Berufes usw. Entweder wir schlagen Millionen
Menschen tot, die unersetzlich sind in ihrer sonstigen nationalen Tätigkeit, in ihrer
wirtschaftlichen Arbeit, weil sie noch nicht reif sind für eine solche Gemeinschaft, oder wir
erziehen sie zu dieser Gemeinschaft. Das sind zwei grundlegende Gedanken. Der
Nationalsozialismus hat von vornherein die Auffassung vertreten, daß jede Einstellung nur
das Produkt der Erziehung, der Gewöhnung, der Vererbung ist, also genau so wieder
umerzogen werden kann. Denn das Kind, das heute in unserem Volke groß wird, wird nicht
primär geboren mit irgendwelchen Vorurteilen standesmäßiger oder klassenmäßiger Herkunft.
Die werden ihm erst anerzogen. Grundsätzlich schreit dieser Wurm zuvor genau so wie jeder
andere. Es ist gar kein Unterschied unter ihnen. Erst im Laufe des Lebens werden ihnen diese
Unterschiede durch ihre Umgebung künstlich aufoktroyiert. Und das zu beseitigen ist unsere
Aufgabe, wenn wir nicht verzweifeln wollen am Aufbau einer wirklich organischen und
tragfähigen menschlichen Gesellschaft. Diese Aufgabe haben wir übernommen und beginnen
diese Aufgabe nun auf allen Gebieten durchzuführen, beim kleinen Kind bereits beginnend.
Sowie der Wurm soweit denkend wird, daß man ihm die Differenzen des menschlichen
Lebens anerziehen kann, beginnen wir mit der Anerziehung des Gemeinsamen und lassen
dann nicht mehr locker. Und wenn auch der eine oder der andere erklärt: "Die Ergebnisse?"
Ja, mein lieber Freund, wir haben ja auch erst seit wenigen Jahren angefangen, erst in unserer
Partei als Gemeinschaft und dann seit jetzt bald acht Jahren im deutschen Volk. Eine kurze
Frist, wenn du bedenkst, was Jahrhunderte umgekehrt vorher wirkten, aber im Ergebnis doch
schon jetzt ungeheuerlich. Dafür sprechen doch diese gewaltigen Demonstrationen unserer
Gemeinschaft. Das wäre doch alles noch vor zwanzig Jahren unmöglich gewesen und vor
130
dreißig Jahren undenkbar, und vor vierzig Jahren hätte man's gar nicht gewollt. Das ist heute
bereits eine reale Wirklichkeit. Und wir tun das auf allen unseren Gebieten. Wir erziehen die
Menschen zu einer einheitlichen Lebensauffassung, zu einer einheitlichen, gleichmäßigen
Pflichtauffassung. Und wir sind der Überzeugung, daß nach einem gewissen Zeitalter dieser
Erziehung die Menschen die Produkte dieser Erziehung sein werden, das heißt, sie werden
genau so dann die neuen Gedanken repräsentieren, wie sie heute noch teilweise die alten
verkörpern.
Das ist ein mühevoller Weg des Abschleifens und des Erziehens. Aber wir sehen es ja auch
am Winterhilfswerk. Es macht Fortschritte. Als das erste Winterhilfswerk kam, da liefen noch
sehr viele in Deutschland herum, die sagten - "Wer kommt dort?" so wie, na, Ludwig
Schmitz, Sie kennen ihn ja alle, "ein Mann mit einer Büchse, also rechts um oder links um
oder irgend sogar eine dumme Bemerkung." Daß das so war und daß sich das gebessert hat,
kann man ja daran ersehen, daß die Spenden immer größer wurden. Die Beharrlichkeit hat
hier zum Ziel geführt. Allmählich hat selbst der dickköpfigste Repräsentant alter Ordnung
eingesehen -. Erstens einmal nützt es sowieso nichts; sie kommen immer wieder, und wenn
der eine weg ist, kommt der nächste. Also ist es zweitens schon besser, ich nehme das und
steck's an, und drittens, na, eigentlich im Grunde genommen, es wird doch wirklich etwas
geleistet.
Das geschieht damit! Was haben wir damit in Deutschland Wunden geheilt! Wo haben wir
überall geholfen! Wie konnten wir den Menschen im einzelnen unter die Arme greifen!
Welche gigantischen sozialen Einrichtungen sind geschaffen worden! Glauben Sie, viele
Menschen sind einfach zunächst aus Trägheit, aus Gedankenträgheit gegen eine solche
Neuerung. Wenn sie aber erst einmal sehen, was daraus wird, dann sagen sie: "Na ja, Gott, da
kann man natürlich auch etwas geben. Ich habe ja das so gar nicht recht gedacht. Ich habe mir
das nicht so vorgestellt, daß das so etwas Gewaltiges wird und endlich, daß das die Folgen
hat. Es sind natürlich doch wirklich großartige Taten, Werke, die hier vollbracht werden."
Und ehe sich's der Mensch überlegt, ist er selbst als starrköpfigster Repräsentant früherer
Auffassungen bereits auf dem Wege zum neuen Deutschland hin.
Und umgekehrt. Wenn Sie früher einem gesagt hätten vor 30 Jahren: "Herr, hier haben Sie
eine Büchse, jetzt stellen Sie sich an eine Straßenecke, und dort bitten Sie jetzt, daß Ihnen
jemand etwas gibt für Ihre Volksgenossen", hätte der gesagt: "Was, ich gebe selber etwas
hinein, aber das können Sie von mir nicht verlangen. Ich bin der Herr Soundso, oder ich bin
das und jenes, das kann ich nicht tun. Was fällt Ihnen überhaupt ein? Und außerdem, wie
werde ich angeredet? Weiß ich, ob mir nicht einer vielleicht so etwas Dummes ins Gesicht
sagt?" - Ja, der ist nicht gescheiter als der, der dieses Dumme sagt. Man muß die Menschen
gegenseitig erziehen. Es ist sehr gut, wenn Sie sehen, wie blöde manche Menschen oft reden.
Es ist das eine wunderbare Erziehung. Aber gerade dieses Werk hat jetzt in so wenigen Jahren
schon gezeigt, wie bildungsfähig ein Volkskörper ist und wie sehr die Menschen am Ende
doch gepackt werden von einer großen Idee, aber auch einer großen Arbeit, einer großen
Leistung. Und wir packen sie ja von allen Seiten. Überall wird diese Erziehung durchgeführt.
Ich weiß, wie oft man doch auch früher das Wort aussprach, das napoleonische Wort, daß
jeder Soldat den Marschallstab im Tornister trage. Es war aber das wirklich nicht wörtlich zu
nehmen, denn es war normal für einen Soldaten einst ja gar nicht denkbar, diesen Weg zu
beschreiten. Das alles hat sich geändert bis nach oben hinauf. Wenn einst der höchste Orden
nur - sagen wir - einem Offizier gegeben werden konnte, dann kann ihn heute ein tapferer
131
Unteroffizier oder Mann genau so tragen. Es ist eine Welt von Vorurteilen eingerissen
worden, eine Welt von Vorurteilen.
Und glauben Sie mir, es wird im Laufe der Jahrzehnte immer schöner werden, in diesem
Staate zu leben. Immer größer werden die Aufgaben, und an ihnen werden wir unser Volk
immer mehr zueinander erziehen, in eine immer engere und innigere Gemeinschaft
verwandeln, Und wenn dann noch ein paar also unter keinen Umständen wollen, dann werden
wir ihnen einmal ein Ehrenbegräbnis geben. Das sind die letzten Repräsentanten eines
vergangenen Zeitalters; und in sofern auch vielleicht noch interessant. Aber die Welt, die
Zukunft gehört den jungen Völkern, die diese Fragen lösen. Und wir haben diese Lösung in
Angriff genommen und lösen sie auch.
Und das Winterhilfswerk ist hier eine gewaltige Gemeinschaftskundgebung der Heimat
angesichts der gewaltigsten Kundgebungen der Gemeinschaft unserer Front. Denn so wie dort
ein Riesenkörper wohl organisiert seine Pflicht erfüllt, so steht zu Hause diese Heimat und ist
zu gleichen Leistungen bereit und gewillt zu jedem Opfer, das dieser Kampf um Sein oder
Nichtsein unserer Zukunft uns auferlegt.
Wenn ich daher nun noch einmal all denen danke, die im ersten Kriegswinterhilfswerk
gegeben und sonst als Helfer mit tätig waren, dann bitte ich Sie zugleich alle: Erfüllen Sie nun
im zweiten Kriegswinterhilfswerk erneut Ihre Aufgabe. Die einen als freiwillige Helfer und
die anderen als freiwillige Geber. Sorgen wir dafür, daß auch das erneut der Welt gegenüber
sogar eine Demonstration wird unseres unlösbaren Gemeinschaftssinnes und daß sie endlich
erkennen mögen, daß die Spekulation auf den General Revolution eine Idiotie ist und daß an
Stelle dieses Generals ein anderer General steht: der General der gemeinsamen
Pflichterfüllung, der uns alle befehligt.
Es ist der Geist unserer Volksgemeinschaft, der uns alles ertragen läßt und der unser Volk
stark sein läßt für alle Auseinandersetzungen und Entscheidungen der Zukunft. Auch damit
hilft jeder einzelne dann, den, Willen unserer Feinde zu brechen, indem er ihnen solche
Illusionen raubt, seinen Teil beiträgt an der Ausweitung der Erkenntnisse und der Einsicht in
und über unser Volk. Je mehr die andere Welt sieht, daß hier dieses große Volk eine einzige
Gemeinschaft ist, um so mehr wird sie einsehen, wie aussichtslos ihr Beginnen ist. Menschen,
die voneinander getrennt, jeder ihres Weges gingen, die könnten sie brechen - 85 Millionen
aber, die einen Willen haben, einen Entschluß und zu einer Tat bereit sind, bricht keine Welt!
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