4/2011 www.abtei-st-hildegard.de „Der Klang des Himmels“ - mystische Musik im Religionsunterricht Musikverständnis bei Hildegard von Bingen (1098-1179) Bernhard Schörkhuber, IRPB Stams, Gesundheitspädagoge nach Hildegard v. Bingen K aum eine Gestalt des Mittelalters ist so in das heutige Bewusstsein gedrungen wie die Benediktinerin Hildegard von Bingen. Ihre Popularität ist vor allem einzelnen Punkten in ihrem Wirken und ihren Schriften zuzuschreiben, die offensichtlich gewisse Sehnsüchte unserer modernen Gesellschaft befriedigen. An erste Stelle sind hier die naturkundlich-medizinischen Werke Hildegards zu nennen. Dass Hildegard auch musikalisch tätig war, wurde längere Zeit nur in der Musikwissenschaft und in der choralgeschichtlichen Forschung diskutiert. Erst der regelrechte CD-Boom der letzten Jahre, verbunden mit eher bedenklichen Auswüchsen, wie die Anreicherung mit Techno-Sound, brachten Hildegard als Komponistin ins Bewusstsein, in die Charts, ins Geschäft. Für Hildegard war die Musik eines der wichtigsten Mittel, um mit dem Schöpfer selbst in Kontakt zu treten und damit ein Weg zur Gotteserkenntnis. In ihren Schriften entwickelt sie eine buchstäbliche Theologie der Musik. Ihre Vorstellungen stehen in einem seit der Antike traditionellen Überlieferungszusammenhang. Wie sie aber die Bedeutung der Musik und des musikalischen Tuns akzentuiert, sucht seines Gleichen und ist für uns heute ebenso bedenkenswert. Dieses kostbare Erbe gehört nach meiner Auffassung in den Religionsunterricht und bietet gerade aufgrund seiner Fremdheit neue Chancen der Wahrnehmung. Ein erstes Einhören und Einstimmen – trotz ungewohnten Klangs und der meist ‚fremden’ lateinischen Sprache – kann Schülerinnen und Schülern einen Zugang in eine große kirchliche Tradition ermöglichen. 1. Das musikalische Weltbild Hildegards Im Musikverständnis des Mittelalters bildet die Vorstellung, dass der gesamte Kosmos von einer klingen Ordnung durchdrungen ist, einen der zentralen Punkte. Die Planeten, die Sterne und das ganze Weltall sind nicht nur nach einem Göttlichen Plan geschaffen, sie erklingen auch auf ihren Bahnen in einer ebenso wohlgeordneten Harmonie. Die klingenden Planeten bilden in sich das gesamte Tonsystem ab und sind die eigentlichen Urbilder des hörbaren Tonsystems. Die mittelalterliche „musica“ meint viel mehr, als wir heute unter dem Begriff „Musik“ verstehen. Nach dieser Vorstellung manifestiert sich die „musica“ in drei grundsätzlichen Erscheinungsformen: – – – musica mundana/coelestis: die für den Menschen unhörbare Kosmos- oder Spährenharmonie; in christlicher Deutung ist dies die Musik der Engel. Antike Philosophen haben versucht, die Harmonie der Gestirne – Abstände der einzelnen Gestirne zueinander – zu berechnen, entsprechend den musikalischen Intervallen; musica humana: Musik von Seele und Leib, Spiegel der musica mundana als eine Harmonie des ganzen Menschen; musica instrumentalis: hörbare Musik mit Stimme (vokal) oder Instrumenten (instrumental); Nach mittelalterlichem Verständnis ist die Musik ein Einstimmen der Menschen in die Musik des Kosmos und der Engel zum Lob Gottes. Die menschliche Musik ist ein Zeichen für die einzigartige besondere Stellung des Menschen in der Schöpfung. Die Musik Hildegards fußt auf dem täglichen Singen des Gregorianischen Chorals. Sie entwickelte aber eigenständige, weit ausladende Melodien, die nur aufgrund der besonderen musikalischen Fähigkeiten der Schwestern im Gottesdienst zu Gehör gebracht werden konnten – zum Staunen der Zeitgenossen, weil dies für Frauen nicht üblich war. 2. Antiphon „Caritas abundat in omnia“ Für den liturgischen Gebrauch stellte Hildegard zwischen 1151 und 1158 ihre Gesänge in der Sammlung „symphoniae harmoniae celestium revelationum“ zusammen. Dabei handelt es sich um Auftragskompositionen der umliegenden Klöster und Kirchen im Rheingau. Die Notation stellt eine Abschrift des Klosters Eibingen in der heutigen Choralnotation dar. Caritas abundat in omnia, de imis excellentissima super sidera, Die Liebe strömt über in alles, von den tiefsten bis über die höchsten Sterne, atque amantissima in omnia, quia summo Regi osculum pacis dedit. und unendlich verliebt in alles, weil sie dem höchsten König den Kuss des Friedens gab. – Religiös-theologische Dimension Nicht nur ihre Visionen, sondern auch ihre Auditionen führt Hildegard auf göttlichen Ursprung zurück. Sie fühlt sich in den klingenden Kosmos und die Klänge der himmlischen Heerscharen eingebunden. In den Gesängen – weit ausladend und gesangstechnisch äußerst anspruchsvoll – spiegelt sie diese auf eine bisher ungehörte Art und Weise. Deutlich wird hier der Unterschied zum Gregorianischen Choral: die „Komponisten“ sind unbekannt und die Absicht besteht in der Verkündigung und der Deutung des Wortes Gottes. Hildegard lebte in einer Zeit, in der Dichter und Komponisten bekannt sind. Mit ihr lernen wir eine selbstbewusste Komponistin kennen, die einen eigenen Stil entwickelte. Hier deutet sie die Caritas allegorisch als kraftvolle Figur, die den Ganzen Weltenraum durchweht und in intimer Beziehung zu Christus frieden stiftet. Die hier komponierte Christusliebe ist aus der Zeit heraus zu deuten. Hildegard war Zeitgenossin der aufkommenden Kreuzzüge. Sie hat ihr Zeitalter gegeißelt, in dem die Tugend der Mäßigung und die liebend Hingabe an Gott und Christus vergessen waren. Sie aber ist zutiefst von der Allmacht und Schöpferkraft der göttlichen Liebe überzeugt. – Musikalische Struktur und Bedeutung In vielen Gesängen Hildegards spielen „Finalis“ (d’, letzter Ton) und ihre „Oberquinte“ (a’) eine herausragende Rolle. Sie markieren die wichtigen Klangachsen. Alle Phrasen beginnen und enden entweder mit „d“ oder „a“. Die mystisch-schwebende Melodie bindet sich an Zentraltöne und wird dadurch vor konturlosem Verfließen und dem Verlust der Identität bewahrt. Dies entspricht der Nüchternheit, auf die Hildegard bezüglich ihrer Visionen immer hingewiesen hat. Diese christliche Mystik steht so im Gegensatz zur Trance und Esoterik. Diese Musik steht in der Tradition der Gregorianik. Dies belegen die Einstimmigkeit und der rhythmisch freie Ablauf. Von den älteren Formen der Gregorianik unterscheidet sie sich allerdings durch die enorme Ausdehnung des musikalischen Raumes in der Höhe, von den neueren Formen (Sequenzen) durch das Festhalten an der Melismatik. Melisma bezeichnet eine melodische Verzierung. Beim melismatischen Gesang kommen mehrere Noten auf eine Textsilbe, im Gegensatz zum syllabischen Gesang, bei dem in der Regel nur - 13 - www.carl-lampert.at eine Note auf jede Textsilbe kommt. Gerade hier suggerieren die schier endlosen Melismen einen grenzenlosen mystischen Raum. Wort und Musik sind häufig nicht direkt aufeinander bezogen. Besonders auffallend ist hier das Unterschreiten des Tonraums bei „super sidera“. Mystik befreit sich vom alltäglichen Orientierungssystem. Selig zur Ehre der Altäre und im Baucontainer Der Innsbrucker Provikar Carl Lampert wird selig gesprochen Karin Bitschnau, Projektbetreuung „Carl Lampert erinnern“, Dornbirn Anmeldung zur Konzelebration: Msgr. Dr. Walter Juen, [email protected] Der Gottesdienst wird vom ORF österreichweit im Programm ORF2 übertragen. Carl Lampert wird dann zur „Ehre der Altäre“ erhoben. Neben dieser „himmlischen“ Dimension hat Carl Lampert auch eine handfeste, irdische Dimension: die menschliche, die aufbegehrende, die leidende. Das Motto, unter dem die Seligsprechung steht, „Dass Menschen wieder Menschen werden“, will das deutlich machen. Der Zeuge aus unserer Mitte soll uns Mut machen, Haltung zu zeigen, damit wir mehr für den Glauben gerade stehen als für die Ver-Führer der jeweiligen Zeiten. 3. Mystische Musik im Religionsunterricht – ein Beispiel a. Antiphon b. Arbeitsblatt –– Wie würdet ihr eine Welt beschreiben, in der Kampf, Vernichtung und Feindschaft ein Ende haben? –– Hört den Gesang und beschreibt seine Wirkung. –– Untersucht die Melodie. Welche Worte oder Silben werden durch besonders viele Töne hervorgehoben? –– Entspricht dies ihrer Bedeutung? –– Informiert euch im Lexikon über die „Caritas“. –– Stellt zeitgemäße „Allegorisierungen“ (Personenvorstellungen von Eigenschaften, aber auch Leben und Tod) als Collage oder Bild vor. c. Anregung für die weiterführende Arbeit –– Zum grenzenlosen mystischen Raum, den die Musik schafft, kann man eine Parallele in der Architektur des 11./12. Jahrhunderts wahrnehmen: Entwicklung zur Gotik als neuem Lebensgefühl: Licht, Raumausweitung in den Himmel; –– Imagination: der Mensch im gotischen Raum Hinweis: CD “An Ancient Story”. Elfenthal (Maite Itoiz & John Kelly), Label: Banshee, 2010. Bestellnummer: 4992101. - 14 - 4/011 Am 13. November 2011, 67 Jahre nach seiner Hinrichtung wird Carl Lampert in der Stadtpfarrkirche Dornbirn St. Martin selig gesprochen. Hier hat Carl Lampert von 1918 bis 1930 Messe gefeiert, als Jugendkaplan gewirkt und in den nahegelegenen Schulen Religionsunterricht gegeben. Als sehr beliebt, elegant und humorvoll ist er in Dornbirn in Erinnerung geblieben. Pater Gaudentius Walser OFMCap, ein Göfner wie Carl Lampert, hat viele Ordner mit Erinnerungen von und an Carl Lampert gesammelt: insbesondere aus den späteren Zeiten in den Konzentrationslagern Dachau und Sachsenhausen-Oranienburg, der Verbannung in Stettin und den Wehrmachtsgefängnissen „Roter Ochse“ in Halle (Saale) und Fort Zinna in Torgau (Elbe). Seine Briefe erzählen sein Leiden unter der nationalsozialistischen Unrechtsrechtsjustiz bis zu seinem Tod im Hinrichtungsraum des Roten Ochsen. Das Martyrium des Provikars für den Tiroler Teil der Apostolischen Administratur Innsbruck-Feldkirch veranlasste erst 1998 den damaligen Feldkircher Bischof Klaus Küng ein Seligsprechungsverfahren einzuleiten. Papst Benedikt XVI. hat dies am 27. Juni 2011 offiziell anerkannt. Das Staatssekretariat hat daraufhin den Termin der Seligsprechung auf den 13. November festgelegt. Kardinal Angelo Amato, der Präfekt der Selig- und Heiligsprechungskongregation wird als Vertreter des Papstes der feierlichen Seligsprechung beiwohnen. Festgottesdienst zur Seligsprechung von Provikar Dr. Carl Lampert Sonntag 13. November 2011, 15.30 Uhr, Dornbirn St. Martin Anmeldung: Marianne Springer, T 05522 3485 205, [email protected] Rund um die Seligsprechung Baucontainer Eine konkrete Sichtbarmachung der Standfestigkeit von Carl Lampert ist ein Baucontainer, in dem eine Kunstinstallation und Informationen zu Carl Lampert aufgebaut sind. Dieser wird nach einer Tour durch Vorarlberg im Dezember auf dem Christkindlmarkt Innsbruck stehen. Materialien für Liturgie, Schule und Jugendarbeit Religionslehrer/innen sind herzlich eingeladen, sich mit ihren Schüler/innen am Wettbewerb gegen Gewalt und Rassismus zu beteiligen und Carl Lampert zum Thema ihres Unterrichts zu machen. Mehr dazu im Internet auf: www.carl-lampert.at. Veranstaltungen in Tirol Eucharistiefeier im Dom St. Jakob in Erinnerung an Provikar Carl Lampert Die Eucharistiefeier im Dom St. Jakob in Innsbruck eröffnet die gemeinsame Gebetsnovene der Diözesen Feldkirch und Innsbruck Freitag, 4. November 2011, 9.30 Uhr, „Carl Lampert - Zeuge in gnadenloser Zeit“ Vortragsabend mit Altbischof Dr. Reinhold Stecher, Univ.-Prof. Dr. Józef Niewiadomski und Dr. Ludwig Steiner Mittwoch, 9. November 2011, 19.00 Uhr, Haus der Begegnung, Innsbruck Dankgottesdienst im Dom St. Jakob anlässlich der Seligsprechung von Provikar Lampert Freitag, 18. November 2011, 19.00 Uhr, Dom St. Jakob, Innsbruck Feier zum Gedenken der seligen Märtyrer Carl Lampert und Otto Neururer Sonntag, 20. November 2011, 8.45 Uhr, Pfarrkirche Götzens