Lebensmitteltechnologisches Seminar Referentin: Carolin Keßler 2. Dezember 2004 Betreuerin: Frau Dr. Monika Gibis Glutamat Wirkung bei Fleischerzeugnissen, gesundheitliche Aspekte und Ersatzstoffe 1 Übersicht Was ist Glutamat? Wie wirkt Glutamat? Macht Glutamat dumm? Gesundheitliche Aspekte Ersatzstoffe Schlussfolgerung 2 Geschmacksverstärker (flavor enhancers) Definition: Substanzen, die den Geschmackseindruck der vier Grundgeschmacksrichtungen süß, salzig, sauer und bitter verstärken, selbst jedoch keine oder nur eine geringe Geschmacksempfindung auslösen. 3 Entdeckung 1908 isolierte Professor Kikunae Ikeda an der Universität Tokio Kristalle der Glutaminsäure aus Meeresalgen (Kombu-Algen) (100 g getrocknete Kombu-Alge enthalten etwa 1g Glutamat) Er fand heraus, dass Glutamat einen speziellen Geschmack hat, der sich von süß, sauer, salzig und bitter unterscheidet und nannte ihn „umami“. 4 Glutamat I • Glutaminsäure (E 620) • Glutamate (E 621 – E 625) Salze der Glutaminsäure: - Natriumglutamat (Mononatriumglutamat, MSG) Kaliumglutamat (Monokaliumglutamat) Calciumglutamat (Calciumdiglutamat) Ammoniumglutamat (Monoammomiumglutamat) Magnesiumglutamat (Magnesiumdiglutamat) Dissoziierte Form der Glutaminsäure. 5 Struktur Glutaminsäure: Glutamat: 6 Glutamat II • Natürliches Vorkommen: – Grundbestandteil aller Proteine (nicht essentielle AS) – in besonders großen Mengen in Soja, aber auch in Leber und Getreide – wird vom menschlichen Körper produziert • Herstellung: – chemische Synthese – Proteinhydrolyse – biotechnologisch durch Fermentation: Bakterien der Art Corynebacterium glutamicus weltweiter Einsatz Japan: Weltmarktführer in der Glutaminsäureproduktion Einsatz von gentechnisch veränderten Bakterien 7 Glutamat III • Eigenschaften: – wasserlöslich – geringer Eigengeschmack – kalorischer Wert: 4 kcal/g • Einsatz/Verwendung: – – – – – – v. a. in Fertig- und Halbfertigprodukten, Tiefkühlware Fleisch- und Wurstwaren, Fisch, Geflügel, Meeresfrüchte Tüten- oder Dosensuppen, Brühwürfel und Soßen vegetarische Gerichte, Salatdressings Knabbererzeugnissen (z.B. Kartoffelchips) Gewürzmischungen, Würzmittel (z.B. Sojasauce) 8 Glutamat IV • Bedeutung im menschlichen Körper: – Hauptenergiequelle für den Verdauungsapparat – wichtiger Baustein im Stoffwechsel – dient im Gehirn als Neurotransmitter • Bedeutung am Markt: – MSG: am häufigsten verwendete Form der Glutaminsäure 90 % der Glutaminsäureproduktion in Form von Natriumglutamat als Geschmacksverstärker in der Industrie – 2003: weltweiter Absatz von 1,5 Mio Tonnen (1976: 262000 Tonnen) 9 Glutamat im menschlichen Körper • Gehirn: – wichtiger Botenstoff (Neurotransmitter: Übermittlung, Speicherung und Verarbeitung von Informationen im Gehirn), der dort produziert wird, so dass es nicht auf die Versorgung durch die Nahrung oder das Blut angewiesen ist. • Stoffwechsel: – Glutamat bindet Ammoniak um Glutamin herzustellen und spielt so bei der Entgiftung des Körpers eine wichtige Rolle • Darm: – tägliche Aufnahme mit der Nahrung (8–12 g bei normaler Mischkost) – Darmzellen benutzen Glutamat als Brennstoff, um die von ihnen benötigte Energie zu produzieren – Herstellung von Glutathion, das eine Schlüsselrolle in der Immunologie des Körpers spielt. 10 Glutamat im menschlichen Körper freies Glutamat in Muttermilch mg / 100 g Mensch 21,6 Schimpanse 38,9 Rhesusaffe 4,6 Kuh 1,9 Schaf 1,4 Maus 2,2 11 Vorkommen von freiem Natrium - L - Glutamat in natürlichen Lebensmitteln Lebensmittel Parmesankäse mg / 100 g 1200 Grüner Tee 668 Champignons 180 Tomate 140 Kartoffel 102 Frischer Shiitakepilz 67 Sojabohnen 66 Kohl 37 Karotten 33 Schweinefleisch 23 12 Wirkung Definition (Geschmacksverstärker): Substanzen, die den Geschmackseindruck der vier Grundgeschmacksrichtungen süß, salzig, sauer und bitter verstärken, selbst jedoch keine oder nur eine geringe Geschmacksempfindung auslösen. Verbesserung von Geschmack, Mundgefühl und Körper des Lebensmittels 13 umami („köstlich“) • Frühere Vermutung der Wirkung von Geschmacksverstärkern: Geschmacksrezeptoren (süß, sauer, salzig, bitter) sind verborgen und werden erst von Geschmacksverstärkermolekülen demaskiert, so dass die eigentlichen Geschmacksstoffe daran binden können und somit ein intensiverer Geschmackseindruck entsteht. • Heute: Eigene Rezeptoren für Aminosäuren in den zellularen Geschmacksknospen der Zunge sind für die Wahrnehmung des „umami“ - Geschmacks verantwortlich. „umami“ wissenschaftlich als 5. Geschmacksrichtung akzeptiert! Entdeckung: Bezeichnung: New York, 26.Februar 2002 14 T1R1+3 Kochsalz und MSG Zwar wird der Natriumgehalt der Nahrung erhöht, Kochsalz kann aber im Gegenzug dazu eingespart werden. akzeptables Geschmacksgleichgewicht 15 16 Zulassung I LMBG §2, Abs.1 Zusatzstoffe im Sinne des Gesetzes sind Stoffe, die dazu bestimmt sind, Lebensmitteln zur Beeinflussung ihrer Beschaffenheit oder zur Erzielung bestimmter Eigenschaften und Wirkungen zugesetzt zu werden. ZZulVO 17 Zulassung II • GRAS - Status (generally recognized as safe) wiederholt bestätigt durch die FDA (Food and Drug Administration) MSG ist bei sachgemäßer Verwendung sicher für die ganze Bevölkerung! (kein ADI) Es wird eingeräumt, dass nach dem Verzehr von hohen Mengen MSG oder einem anderen freien Glutamat sich möglicherweise kurzzeitige Reaktionen entwickeln können. • • Zulässige Höchstmenge: 10000 mg/kg LM (10 g/kg LM) (berechnet als Glutaminsäure) Kennzeichnung in der Zutatenliste: „Geschmacksverstärker XY / E…“ 18 Gesundheitliche Aspekte Nach Ansicht der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) ist die Glutamataufnahme über die Nahrung, insbesondere bei rationeller Verwendung von Glutamat zur Würzung, für die Allgemeinheit unbedenklich und steht in keinem Widerspruch zu einer gesundheitsbewussten Ernährung. 19 Pseudoallergische Reaktionen Definition: Als Pseudoreaktion oder Lebensmittelintoleranz bezeichnet man eine allergieähnliche Reaktion, bei der keine vorherige Sensibilisierung nachzuweisen ist, d.h. der Körper bildet keine spezifischen Antikörper. Krankheitszeichen: - Haut: Juckreiz, Ekzem, Nesselsucht - Magendarmbereich: Übelkeit, Erbrechen, Durchfall - Atemwege: Schnupfen, Asthma oft auch von Bindehautentzündung und Kopfschmerzen begleitet 20 Chinarestaurant-Syndrom (Chinese - Restraurant - Syndrome, Kwok‘s disease) Symptome: - Herzklopfen Kopfschmerzen Beklommenheit in Brust, Gesicht und Nacken Taubheit im Nacken Gliederschmerzen Schwächegefühl, Schwindel, Schweißausbrüche Übelkeit 21 Macht Glutamat dumm? Glutamat als Neurotransmitter: • regt die Abläufe zwischen den Nervenzellen an • zu große Anzahl der Glutamatmoleküle kann zur Zerstörung von Nervenzellen führen Das Gehirn wird von der Blut-Hirn-Schranke so abgeschirmt, dass normalerweise kein Glutamat dorthin gelangt. Allerdings kann diese Schranke bei einer unüblich hohen Glutamatkonzentration im Blut (6-10faches der Norm) durchlässig werden. 22 Cluster-Kopfschmerzen • Glutamat bindet im Gehirn an spezielle Glutamatrezeptoren (Ca-permeabel) • synaptische Erregung wodurch der Sinneseindruck „Schmerz“ entsteht • starke Schmerzreize: Glutamat wird in großen Mengen im Rückenmark freigesetzt und führt dann nicht nur zu einer kurz andauernden Erregung der Hinterhornneurone, sondern kann auch lang anhaltende Veränderungen im Nervensystem induzieren • wiederholte oder andauernde (Schmerz-) Reize: funktionelle synaptische Veränderungen können bis an das Lebensende bestehen bleiben (Schmerzgedächtnis) • exzessive Erhöhung der Ca - Ionenkonzentration kann in Neuronen den Zelltod auslösen 23 Ersatzstoffe - Laktate (Salze der Milchsäure) (Na, K, Ca – E325 - 327) Chloride (K, Ca, Mg – E508,509,511) Adipinsäure und deren Salze (Na, K, Ca – E355 - 357) Glyzin (E640) Bernsteinsäure (E363) 5‘ - Ribonucleotide (Ca, Na – E634/635) Guanylsäure und Guanylate (Na, K, Ca – E626 - 629) Inosinsäure und Inosinate (Na, K, Ca – E630 - 633) 24 5‘-Ribonucleotide niedermolekulare Substanzen, die aus einer Purinbase, Zucker und Phosphat bestehen • Vorkommen: – in Lebensmitteln weit verbreitet, höchste Gehalte in Fleisch und Fisch (v.a. IMP) – Ca, Na - Salze: in jeder lebenden Zelle vorhanden und entscheidend am Eiweißstoffwechsel beteiligt • Herstellung: – Gewinnung aus natürlichem Zellmaterial • Wichtigste Vertreter: – Inosin-5‘-monophosphat (IMP) – Guanosin-5‘-monophosphat (GMP) 25 5‘- GMP und 5‘- IMP • Natürliches Vorkommen: – Bestandteil der Nucleinsäuren und somit in jeder lebenden tierischen und pflanzlichen Zelle enthalten • Herstellung: – biotechnologisch • enzymatische Hydrolyse der RNS der Hefe • mikrobiologische Synthese • Einsatz/Verwendung: – Fleisch und Fisch bei salzig-würzigen Speisen – Höchstmenge: 500 mg/kg LM bei Würzmitteln keine Höchstmengenbeschränkung 26 5‘- GMP und 5‘- IMP • Eigenschaften: – ausgeprägte geschmacksverstärkende Wirkung • IMP: 10-20fach höher als Glutaminsäure – hitze- und säurestabil (optimaler pH bei 5-7, Temperaturen bis 120°C) – appetitanregend – geringer Eigengeschmack – Geschmacksschwellen in Wasser: • IMP 0,0012 % • GMP 0,0035 % Wechselseitiger Synergismus mit MSG Glutamatwirkung kann durch Zusatz von Ribonucleotiden auf das 10-15fache, die Wirkung der Nucleotide durch Zusatz von Glutamat auf das 100fache verstärkt werden. 27 Gesundheitliche Aspekte Inosinate und Guanylate sind Abkömmlinge des Purins: – Abbau im Körper zu Harnsäure und Anreicherung im Blut Gicht, Harnsteine – Wirken sich günstig auf die Herstellung körpereigener Proteine aus und auf die Zellreifung bestimmter Zellen des Immunsystems (Lymphozyten) 450-700 mg/Tag durch Nahrungsaufnahme 28 Schlussfolgerung Aus dem „Hohenheimer Konsensus Gespräch“: • • • • MSG trägt zum Geschmack von Speisen bei und ist daher ein gut verwendbares Additiv der menschlichen Ernährung. MSG weist auch in hohen Dosen keine spezifischen Nebenwirkungen auf. Es gibt jedoch offensichtlich einige wenige Menschen, die auf MSG überempfindlich reagieren (individuelle Sensibilität). Insgesamt lässt sich auf der Basis gesicherter wissenschaftlicher Daten festhalten, dass gegenüber einem vernünftigen Einsatz von MSG in der menschlichen Ernährung keine Bedenken bestehen und somit kein Widerspruch zu einer „gesunden Ernährung“ herrscht. 29 Literatur • Der Brockhaus – Ernährung • Eigenschaften und Anwendung von Geschmacksverstärkern – Th. Niederauer, Juli 1994 • Flavor Enhancers: Their Probable Mode of Action – Food Technologie, April 1994 • Toxicological evaluation of certain food additives – Cambridge University Press • Deutsches Ärzteblatt, Jg. 98, Heft 42, 19.Oktober 2001 • www.glutamat.info • www.glutamat.ws • www.dge.de • www.quarks.de • www.idw-online.de 30 Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit 31