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LWL-Zentrum für Forensische Psychiatrie Lippstadt
- Kulturelle Aspekte von (sexuellen) Gewalttaten
im sozialen Nahraum von muslimischen Migranten Vortrag zur Fachtagung über kulturspezifische
Hintergründe von Gewalttaten
Sozialdienst Katholischer Frauen, München
- 29.09.2011 Dr. med. Nahlah Saimeh
Ärztliche Direktorin
LWL-Zentrum für Forensische Psychiatrie Lippstadt
Kulturelle Aspekte von (sexuellen) Gewalttaten im sozialen Nahraum von muslimischen Migranten
Allgemeines zu Sexualstraftätern:
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psychisch gesund oder ...
psychisch krank:
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Schizophrenie oder affektive Psychose (Manie)
Intelligenzminderung
Persönlichkeitsstörung
Sexuelle Deviation / Paraphilie
Kulturelle Aspekte von (sexuellen) Gewalttaten im sozialen Nahraum von muslimischen Migranten
Sexualstraftaten sind Ausdruck von
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Sexueller Devianz (seltener)
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Dissexualität (meistens)
Kulturelle Aspekte von (sexuellen) Gewalttaten im sozialen Nahraum von muslimischen Migranten
Dissexualität:
„ein im Sexuellen ausgedrücktes Sozialversagen“
(Beier 1995,2005)
Kulturelle Aspekte von (sexuellen) Gewalttaten im sozialen Nahraum von muslimischen Migranten
Hinsichtlich der Begehung von sexuellen Nötigungen bzw.
Vergewaltigungen werden nach der gängigen Literatur folgende
Tätertypologien unterschieden:
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Sadismus
Sexualität als Mittel der Aggression
Vergewaltigung als Symptom von Dissozialität
Erfüllung eines normalen Bedürfnisses mit unerlaubten Mitteln
Vergewaltigung zur Kompensation von Unzulänglichkeit
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Psychotische oder neurotische Motive
Kulturelle Aspekte von (sexuellen) Gewalttaten im sozialen Nahraum von muslimischen Migranten
Hinsichtlich der Begehung von sexuellen Missbrauchshandlungen
an Kindern (pädosexuelle Delikte) können im Wesentlichen unterschieden werden:
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Täter mit kernpädophiler Hauptströmung
Täter mit pädophiler Nebenströmung
Regressive Täter
Sexuell unerfahrener, reifungsverzögerter Jugendlicher
Dissozialer Täter (erwachsen oder auch jugendlich)
Intelligenzgeminderter Täter
Senilität im Alter
Kulturelle Aspekte von (sexuellen) Gewalttaten im sozialen Nahraum von muslimischen Migranten
Verschiedene Einflussfaktoren in Bezug auf die Entstehung von
Sexualstraftaten:
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Persönlichkeit
Sexuelles Skript
Persönliche Geschlechtsrollen- und Wertvorstellungen
Frustration und Frustrationstoleranz
Impulskontrolle
Kognitive Verzerrungen
Sexuelle Funktionsstörungen
Beziehungserfahrungen
Suchtmittelabusus
Kulturelle Aspekte von (sexuellen) Gewalttaten
im sozialen
Nahraum vonPsychiatrie
muslimischenLippstadt
Migranten
LWL-Zentrum
für Forensische
(„DAS TÜRKISCHE BAD“ Jean-Auguste-Dominique Ingres )
Kulturelle Aspekte von (sexuellen) Gewalttaten im sozialen Nahraum von muslimischen Migranten
Fall 1
Fall 2
Fall 3
Täter-OpferBeziehung
Schwippschwager
Keine
Opfer wahllos
Stieftöchter
Familienstand
(Täter)
verheiratet
ledig
verheiratet
Soziale Herkunft bürgerlich
bürgerlich
randständig
Delikte
Serie sex.
Nötigung und
Vergewaltigungen
Jahrelange
Serie Sex.
Missbrauchs
innerfamiliär
Wiederh. Vergewaltigung des
einen Opfers mit
Zeugung von
Kindern
…
Kulturelle Aspekte von (sexuellen) Gewalttaten im sozialen Nahraum von muslimischen Migranten
Fall 1
Fall 2
Fall 3
Argument
Opfer liederlich,
verführerisch,
sexuell offensiv
Kein Argument
Leugnung der
Taten
Opfer liederlich,
verführerisch,
sexuell offensiv.
Keine Jungfrau
Integrationsleistug
rudimentär
gut
rudimentär bei soz.
Randständigkeit
Hinweise auf
sexuelle
Auffälligkeit
nein
nein
ja
Juristische
Folge
Haft
Haft
MRV
Kulturelle Aspekte von (sexuellen) Gewalttaten im sozialen Nahraum von muslimischen Migranten
Drei Pfade der Entwicklungspsychologie:
Diese sind charakterisiert durch
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Die Fähigkeit, Beziehungen zu gestalten
Die Fähigkeit, Wissen und Kompetenzen zu erwerben
Die Fähigkeit, eine Balance zwischen Autonomie und sozialer
Bezogenheit zu finden
(vgl. Wohlfart, Zaumseil 2006)
Kulturelle Aspekte von (sexuellen) Gewalttaten im sozialen Nahraum von muslimischen Migranten
Sharia und Biedermeier:
Paul Julius Möbius (1853 – 1907) in „Über den physiologischen Schwachsinn
des Weibes“:
„Körperlich genommen ist, abgesehen von den Geschlechtsmerkmalen,
das Weib ein Mittelding zwischen Kind und Mann und geistig ist sie es,
wenigstens in vielen Hinsichten, auch.“ Und: „Dazu kommt die Heftigkeit der
Affecte, die Unfähigkeit zur Selbstbeherrschung… Wäre das Weib nicht
körperlich und geistig schwach, wäre es nicht in der Regel durch die Umstände unschädlich gemacht, so wäre es höchst gefährlich.“
Kulturelle Aspekte von (sexuellen) Gewalttaten im sozialen Nahraum von muslimischen Migranten
Männerbilder im Wandel:
Untersuchung von Schulz (proconsult):
Traditionelles
Rollenbild
Modernes
Rollenbild
Unsicher
1992
24 %
14 %
38 %
2002
17 %
23 %
42 %
Kulturelle Aspekte von (sexuellen) Gewalttaten im sozialen Nahraum von muslimischen Migranten
Lady Mary Montagu (1716) in „Briefe aus dem Orient“:
„Es ist dem eifersüchtigsten Ehemann nicht möglich, seine Frau
zu erkennen, wenn er sie trifft und niemand darf auf der Straße ein
Frauenzimmer anrühren, oder ihr folgen. Diese ewige Mummerei gibt
ihnen völlige Freiheit, ihrer Neigung ohne Gefahr der Entdeckung zu
folgen.“ Ebenso schreibt sie: „…Es geht hier geradeso zu wie bei Euch
und die Türkinnen begehen darum keine Sünde weniger, weil sie keine
Christinnen sind. … Es ist sehr leicht zu sehen, dass sie wirklich
mehr Freiheit als wir haben…“
Kulturelle Aspekte von (sexuellen) Gewalttaten im sozialen Nahraum von muslimischen Migranten
Religion und Körperlichkeit:
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Körperausscheidungen und Schlaf machen den Menschen unrein
Reinheit erfordert rituelle Handlungen Reinheit erfordert rituelle
Handlungen (die Voraussetzung sind für das Paradies)
Mangelnde Körperkontrolle (z.B. durch Menstruation) erzeugt
automatisch Unreinheit und Inferiorität (Frau)
Muttermilch gilt wegen der Leib-Einheit von Mutter und Kind nicht
als unrein
Sexualität dient der Fortpflanzung, aber ist auch Vorbote des ewigen
paradiesischen Glücks.
Sexualität soll den Geist frei machen.
…
Kulturelle Aspekte von (sexuellen) Gewalttaten im sozialen Nahraum von muslimischen Migranten
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Die Ehe soll die Sexualität domestizieren
Masturbation ist nur erlaubt, um die größere Sünde des unehelichen
GV zu verhindern.
Koran (2/188): „Erlaubt ist Euch, in der Nacht des Fastens zu Euren
Frauen einzugehen. Sie sind Euch ein Gewand und Ihr seit Ihnen
ein Gewand.“
Der gegenseitige Anblick der Genitalien ist verboten, auch für Eheleute.
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Kulturelle Aspekte von (sexuellen) Gewalttaten im sozialen Nahraum von muslimischen Migranten
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Konkrete Ge- und Verbote zum Geschlechtsverkehr
Zentrale Bedeutung der maskulinen Potenz
Homosexualität bedeutet die rezeptiv- weibliche Haltung
Sexuelle Handlungen mit Knaben werden anders bewertet als
sexuelle Handlungen an vorpubertären Mädchen.
Jungfräulichkeit: Die Ehre von Mann und Frau hängen am Hymen.
…
Kulturelle Aspekte von (sexuellen) Gewalttaten im sozialen Nahraum von muslimischen Migranten
Akkulturationsstrategien. (vgl. Lempp et al. 2003):
Migrant will seine
kulturelle Identität
beibehalten
Migrant will seine
kulturelle Identität
NICHT beibehalten
Migrant will
Beziehungen zur
dominanten
Gesellschaft des
Aufnahmelandes
Integration
Assimilation
Migrant will KEINE
Beziehung zur dom.
Gesellschaft
Separation
Marginalisierung
Kulturelle Aspekte von (sexuellen) Gewalttaten im sozialen Nahraum von muslimischen Migranten
Untersuchung an 783 Inhaftierten in 17 türkischen Gefängnissen
(Aslan et al.):
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3,4 % der Insassen wegen Vergewaltigung verurteilt
60 % dieser Täter war höchstens 30 Jahre alt
70 % der Täter waren verheiratet
10 % hatten selbst sexuelle Übergriffe in der Kindheit erfahren
4 % wurden nach Entlassung einschlägig rückfällig
Hauptdeliktort: eigene Familie
Kulturelle Aspekte von (sexuellen) Gewalttaten im sozialen Nahraum von muslimischen Migranten
Befragung von Frauen zur Sexualität:
Von den Leserinnen einer emanzipatorischen Frauenzeitschrift waren
• 59 % der Frauen zwischen 21 und 35 Jahre alt
• 19 % waren jünger als 21
• 62 % der Frauen hatten mindestens einen Universitätsabschluss.
• 24 % der Frauen in der Befragung waren noch virgo intacta.
• Das Alter der ersten sexuellen Aktivitäten wurde von 52 %
der Frauen zwischen dem 15. und 20. Lebensjahr angegeben.
• 33 % berichteten von ersten Erfahrungen zwischen dem 20.
und 25. Lebensjahr.
• Bei 22,2 % war der erste Sexualpartner der Ehemann
• Bei 42,2% war der erste Partner der langjährige Freund
• Bei 20 % ein „short term boyfriend“
• 19 % sodomitische Erfahrungen
Kulturelle Aspekte von (sexuellen) Gewalttaten im sozialen Nahraum von muslimischen Migranten
Fazit?
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Macht und Dominanz bzw. kompensatorische Sexualisierung von intrapsychischen Konflikten sind wesentliche Ursachen sexueller Übergriffe
Der kulturelle Konflikt zwischen Traditionsverbundenheit mit dem
Heimatland und der Individualisierungskultur im Aufnahmeland führt
mitunter zu erheblichen intrapersonellen und auch innerfamiliären
Spannungen.
Die Individualisierung bedroht das kollektivistische Ziel der elterlichen
Erziehung und die Integrität der Gesamtfamilie.
Die Kooperation mit Sexualtherapeuten und Sexualpädagogen aus dem
islamischen Kulturkreis ist zwingend notwendig, wenn eine Integration
gelingen soll.
Gutachter und Therapeuten müssen spezifische Eigenheiten des kulturellen
Kontextes für Exploration und Therapie kennen
LWL-Zentrum
für Forensische
Kulturelle Aspekte von (sexuellen) Gewalttaten
im sozialen
Nahraum vonPsychiatrie
muslimischenLippstadt
Migranten
Vielen Dank!
Dr. med. Nahlah Saimeh
Ärztliche Direktorin
des LWL-Zentrum für Forensische Psychiatrie Lippstadt
Leiterin des Fortbildungsinstituts
Leiterin des Gutachteninstituts
Eickelbornstraße 19, 59556 Lippstadt
Telefon: 02945/9812004
Telefax: 02945/9812009
[email protected]
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