Rheuma im Kindesalter – Häufigkeit, Klinik, Therapie

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FORTBILDUNG | „ARTIKEL DES MONATS“
Rheuma im Kindesalter –
Häufigkeit, Klinik, Therapie
Kirsten Minden | Deutsches Rheuma-Forschungszentrum Berlin und Universitätskinderklinik Charité, Campus Virchow, SPZ
Einleitung
Einer der häufigsten Gründe für die Vorstellung eines Kindes in der kinderärztlichen Praxis sind (chronische) Schmerzen.
Diese Schmerzen betreffen häufig den Bewegungsapparat [1], aber nur selten liegen
ihnen entzündlich-rheumatische Erkrankungen zugrunde. Dennoch sollte der Pädiater wegen der erheblichen Konsequenzen für Therapie und Prognose entzündlich-rheumatische Krankheitsbilder bei
entsprechender Symptomatik differentialdiagnostisch in Erwägung ziehen [2, 3].
Wie häufig ist Rheuma im Kindesalter?
Die häufigste Arthritis bei Kindern ist die
Coxitis fugax, eine peri- oder postinfektiöse Arthritis, die innerhalb weniger Wochen folgenlos abheilt; von dieser Form der
transienten Arthritis können auch andere
Gelenke betroffen sein. Die Diagnose Gelenkrheuma (= juvenile idiopathische Arthritis [JIA]) setzt eine Arthritis unklarer
Ursache von mindestens 6 Wochen Dauer
voraus [5]. In der Regel klingt diese ohne
Behandlung nicht ab, sondern schreitet voran und kann zu schweren Funktionseinschränkungen, Gelenkzerstörungen, anderen Organschäden (z. B. einer Visusminderung, im Extremfall einer Erblindung) und
einem dauerhaften Verlust an Lebensqualität führen. Die rechtzeitige Erkennung
einer JIA ist deshalb geboten.
Die JIA stellt mit einer Erkrankungshäufigkeit von 0,1 % und bundesweit etwa
13.000 Betroffenen die häufigste chronische entzündlich-rheumatische Erkrankung im Kindes- und Jugendalter dar. Ihre Neuerkrankungsrate liegt bei 10 pro
162
Tab. 1: Häufigkeit entzündlich-rheumatischer Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter
(chronische entzündlich-rheumatische Erkrankungen sind braun unterlegt) [4]
Entzündlich-rheumatische Erkrankungen
Neuerkrankungen/
100.000 Kinder
Geschätzte Zahl an
Neuerkrankungen pro
Jahr in Deutschland
Transient
(u.a. Coxitis fugax)
200 – 300
25.000 – 40.000
Chronisch
(Juvenile idiopathische Arthritis)
10
1.200
Systemischer Lupus erythematodes
0,4
50-60
Dermatomyositis
0,3
40
Systemische Sklerodermie
0,027
3–5
17,8
2.300
Arthritiden
Kollagenosen
Vaskulitiden
Purpura Schönlein-Henoch
Kawasaki-Syndrom
1,9
250
Andere primäre Vaskulitiden (z. B.
Takayasu Arteriitis, Panarteriitis
nodosa)
0,1
10 – 15
100.000 Kinder unter 16 Jahren (Tab. 1).
Kollagenosen treten etwa zehnmal, primäre chronische Vaskulitiden ca. hundertmal
seltener auf.
Gelenkrheuma im Kindesalter ist keinesfalls mit den im Erwachsenenalter auftretenden Erkrankungen, wie der rheumatoiden Arthritis oder ankylosierenden
Spondylitis (M. Bechterew), gleichzusetzen. Die sich im Kindesalter manifestierenden Gelenkentzündungen werden heutzutage unter dem Begriff JIA subsumiert.
Sie zeigen andere klinische Merkmale, Assoziationen mit anderen genetischen Markern und oft einen günstigeren Verlauf als
jene mit Beginn im Erwachsenenalter [6].
Wie präsentiert sich Gelenkrheuma
bei Kindern?
Leitsymptom der JIA ist die Arthritis.
Die typischen Zeichen der Entzündung
mit Schwellung oder Überwärmung und
schmerzhafter Bewegungseinschränkung
eines Gelenkes sind allerdings – insbesondere bei Kleinkindern – nicht immer offensichtlich.
Klein- und Vorschulkinder geben meist
keine Schmerzen an. Vielmehr nehmen
Kinder mit Arthritis eine schmerzlindernde Beugeschonhaltung des Gelenkes
ein (Abb. 1). Typisch für die JIA sind morgendliche Gelenkschmerzen und „Morgensteifigkeit“.
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Gelenkbefall und extraartikuläre Manifestationen variieren unter den verschiedenen JIA-Subgruppen (Tab. 2).
Oligoarthritis (OA)
Bei der OA sind innerhalb der ersten 6 Erkrankungsmonate maximal 4 Gelenke entzündet, in 30 – 50 % der Fälle ist nur ein
Gelenk betroffen. Der Erkrankungsgipfel
liegt im 2. und 3. Lebensjahr. Die OA betrifft vorzugsweise Mädchen und präsentiert sich typischerweise mit einer asymmetrischen Arthritis an den großen Gelenken der unteren Extremitäten, bevorzugt mit Befall der Knie- und Sprunggelenke. Bleibt die Arthritis auch im weiteren
Krankheitsverlauf auf maximal 4 Gelenke
beschränkt, spricht man von einer persistierenden Form der OA. Werden hingegen nach mehr als 6 Monaten mehr als 4
Gelenke in den Entzündungsprozess einbezogen, wird die Erkrankung als erweiterte (extended) Form der OA bezeichnet.
Patienten mit persistierender OA haben
von allen kindlichen Rheumaformen die
beste Prognose. Etwa 80 % erreichen beschwerde- und therapiefrei das Erwach-
ten 8 Krankheitsjahre zu einem Stillstand
der Erkrankung, einer therapiefreien Remission [7]. Entsprechend häufiger entwickeln diese Patienten Gelenkschädigungen und Funktionseinschränkungen im
Alltag.
Bei etwa jedem fünften Patienten
tritt als Komplikation der OA eine
Uveitis auf.
Abb. 1: 3-jähriger Junge mit ausgeprägter
Gonarthritis links: Schwellung und Beugeschonhaltung des linken Kniegelenkes.
senenalter. Demgegenüber zeigen Patienten mit erweiterter Form der OA einen ungünstigeren Verlauf. Hier kommt es nur
bei etwa jedem Fünften innerhalb der ers-
Die Uveitis, eine Entzündung der mittleren Augenhaut (Uvea), ist eine sehr häufige Komplikation der OA. Sie wird bei etwa jedem fünften Patienten beobachtet. In
der Regel verläuft sie ohne offensichtliche
Symptome wie z.B. Rötung oder Schmerzen. Deshalb birgt sie ein hohes Komplikationsrisiko. Etwa jeder vierte Betroffene entwickelt Folgekomplikationen wie
Katarakt, Glaukom und bandförmige
Hornhauttrübungen durch Kalkeinlagerungen, die einen relevanten Sehkraftverlust (≤ 20/50) nach sich ziehen. Regelmäßige augenärztliche Untersuchungen, d. h.
unmittelbar bei Diagnosestellung und da-
Tab. 2: Merkmale der verschiedenen JIA-Subtypen
(Quelle: Daten internationaler JIA-Inzeptionskohorten und Kerndokumentation rheumakranker Kinder)
JIA-Kategorie
Relative
Häufigkeit
(%)
Beginnalter
(Median,
Jahre)
Verhältnis
HLA-B27Nachweis
(%)
Klinische Kennzeichen
♀ :♂
ANANachweis
(%)
OA
50 – 55
4
2 – 3:1
60 – 70
10
Asymmetrischer Befall weniger (meist
großer) Gelenke
RF- PA
15 – 20
7
3:1
50
10
Symmetrischer Befall großer und kleiner Gelenke
EAA
10 – 15
11
1:2 – 3
20
60 – 70
Asymmetrischer Befall weniger Gelenke, meist der unteren Extremität, Enthesiopathien, ggf. axiale Beteiligung
PsA
6–8
9
2:1
40
20
Asymmetrischer Befall weniger Gelenke
(auch kleiner Gelenke), Befall im Strahl,
Daktylitis
sJIA
5
5
1:1
20
5 – 10
Arthritis, Fieber, Exanthem, Serositis,
Lymphknotenschwellung, Hepatosplenomegalie
RF+ PA
2–3
12
4:1
40
10 – 15
Symmetrischer Befall großer und kleiner Gelenke (insbesondere der Hände
und Füße)
Andere Arthritis
3–5
9
2:1
30
25
–
JIA insgesamt
100
6
2:1
40 – 50
20
–
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163
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nach mindestens in 3-monatigen Intervallen sind geboten [8].
Rheumafaktor-negative Polyarthritis
(RF- PA)
Die RF- PA ist die zweithäufigste Form
der JIA. Bereits zu Beginn der Erkrankung
sind hier mehr als 4 Gelenke (= polyartikulär) entzündet. Bei der Rheumafaktornegativen Polyarthritis sind klassischerweise die großen und kleinen Gelenke
symmetrisch betroffen. Im Unterschied
zum Gelenkrheuma bei Erwachsenen sind
aber laborchemisch keine Rheumafaktoren nachweisbar. Die Polyarthritis beginnt
oft schleichend und manifestiert sich mit
zunehmenden Bewegungseinschränkungen, Schmerzen sind nicht selten von untergeordneter Bedeutung. Auch bei der
RF- PA kann eine Uveitis (in ca. 10 % der
Fälle) auftreten.
Die Polyarthritis verläuft häufiger als
die OA progredient. Die überwiegende
Mehrheit der Patienten mit RF- PA hat
auch im Erwachsenenalter noch eine aktive bzw. behandlungsbedürftige Erkrankung und bedarf der weiteren rheumatologischen Versorgung.
Enthesitis-assoziierte Arthritis (EAA)
An einer EAA erkranken typischerweise
HLA-B27-positive Jungen ab einem Alter von 6 Jahren. Sie zeigen klinisch einen
asymmetrischen Befall der großen Gelenke der unteren Extremitäten und Sehnenansatzentzündungen (Enthesitiden),
die am häufigsten am Ansatz der Achillessehne und an der Fußsohlenfaszie auftreten. Daneben finden sich charakteristisch Fußwurzelentzündungen, Sehnenscheidenentzündungen im Fußbereich und
in 5 – 10 % symptomatische Augenentzündungen (akute Uveitis). Rückenschmerzen
als Zeichen einer entzündlichen Wirbelsäulenbeteiligung treten oft erst im weiteren Krankheitsverlauf hinzu. In etwa einem Drittel der Fälle kann eine Sakroiliitis
in den ersten 5 Erkrankungsjahren mittels
Kernspintomografie nachgewiesen werden. Mit zunehmender Krankheitsdauer
nimmt der Anteil der Patienten mit entzündlicher Wirbelsäulenbeteiligung zu.
164
Abb. 2: An der Kerndokumentation und ambulanten kinderrheumatologischen Versorgung teilnehmende Einrichtungen (10 Kinderarztpraxen, 20 Universitätskinderkliniken,
31 weitere Kinderkliniken), Bezug: Jahr 2012.
Im frühen Erwachsenenalter hat etwa die
Hälfte der Patienten mit EAA eine axiale
Spondylarthritis entwickelt.
Psoriasisarthritis (PsA)
Im Unterschied zum Erwachsenenalter
manifestiert sich bei Kindern mit PsA
die Arthritis in etwa der Hälfte der Fälle
vor der Psoriasis. Zu Erkrankungsbeginn
wird meist eine asymmetrische Entzün-
dung weniger Gelenke beobachtet, wobei
das Kniegelenk am häufigsten betroffen
ist. Als typisch gelten die Beteiligung kleiner Gelenke, z. B. der Endgelenke von Fingern und Zehen, der Befall im Strahl (Befall von Grund-, Mittel- und Endgelenk
eines Fingers oder einer Zehe) sowie eine Daktylitis (sog. Wurstfinger bzw. -zehe). Auch bei der Psoriasisarthritis kann,
wie bei der Enthesitis-assoziierten Arthri-
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tis, die Wirbelsäule in den Entzündungsprozess einbezogen sein. Generell finden
sich bei mehr als 70 % der Patienten mit
Psoriasisarthritis nach mehr als 5 Jahren
Krankheitsdauer noch Zeichen der aktiven
Arthritis. Im Vergleich zu anderen oligoartikulären JIA-Formen ist die Prognose der
Psoriasisarthritis also ungünstiger.
umfasst Patienten, die entweder keine der
für die 6 anderen Subgruppen notwendigen Definitionskriterien erfüllen oder aber
in mehrere der zuvor angeführten 6 Subgruppen eingeordnet werden könnten.
Systemische Form der JIA (sJIA [Synonym: Morbus Still])
Die sJIA unterscheidet sich grundsätzlich von den anderen JIA-Subtypen. Sie
zeichnet sich durch Allgemeinsymptome
mit hohem wiederkehrenden Fieber (bis
über 39 °C), einem flüchtigen, lachsfarbenen Exanthem, einer Hepatosplenomegalie, Polyserositis, Lymphadenopathie sowie
Erhöhungen der Akut-Phase-Parameter
aus. Autoantikörper werden in der Regel
nicht nachgewiesen, es besteht keine Geschlechtsdisposition. Zu Erkrankungsbeginn dominieren in der Regel die systemischen Zeichen. Bis zu 10 % der Patienten entwickeln eine lebensbedrohliche
Komplikation, die als Makrophagenaktivierungssyndrom (MAS) bezeichnet wird.
Eine chronische Gelenkentzündung tritt
gewöhnlich innerhalb von 6 Monaten nach
Fieberbeginn, gelegentlich auch erst Jahre
später auf. Der Krankheitsverlauf ist variabel. Bei etwa der Hälfte der Patienten
schreitet die Erkrankung chronisch voran. Diese Patienten zeigen eine schwere
Polyarthritis und einen relevanten Funktionsverlust.
Die Diagnose der JIA ist eine rein klinische. Sie fußt auf der Erkennung der Gelenkentzündung und dem Ausschluss bekannter, mit ähnlicher klinischer Symptomatik einhergehender Erkrankungen
(Tab. 3).
Nach wie vor gibt es keine für die JIA
wegweisenden oder gar pathognomonischen Laborbefunde. Erhöhte Entzündungsparameter finden sich bei bis zu zwei
Drittel der JIA-Patienten zu Erkrankungsbeginn, bei der OA seltener, bei der sJIA
immer. Unauffällige Entzündungsparameter schließen eine JIA nicht aus. Laboruntersuchungen sind vor allem hinsichtlich
des Ausschlusses anderer Erkrankungen
von Bedeutung.
Rheumafaktor-positive Polyarthritis
(RF+ PA)
Die RF+ PA ist sehr selten und wird überwiegend bei jugendlichen Mädchen beobachtet. Ein symmetrischer Gelenkbefall,
vor allem im Bereich der Hände und Füße, dominiert. Die RF+ PA gilt als pädiatrisches Äquivalent der rheumatoiden Arthritis der Erwachsenen und zeigt analoge
klinische Manifestationen und einen rasch
voranschreitenden Verlauf.
Andere Arthritis
Die Gruppe der „Anderen Arthritis“ kennzeichnet keine spezielle JIA-Unterform. Sie
Wie lässt sich Gelenkrheuma bei
Kindern und Jugendlichen erkennen?
Tab. 3: Diagnostisches Vorgehen zur
Abklärung und Klassifikation einer
chronischen Arthritis im Kindes- und
Jugendalter
◾ Anamnese (inklusive Familienanamnese)
◾ Ganzkörperuntersuchung mit ausführlicher Erhebung des Gelenkstatus
◾ Situationsangepasste Labordiagnostik:
– Blutbild mit Differenzierung
Entzündungsparameter (BSG, CrP)
– Kreatinin, ALAT, Harnsäure, CK, LDH,
Ferritin
Immunglobuline (IgA, IgM, IgG)
(ggf. Gerinnung)
– Auto-Antikörper: ANA, RF
– HLA-B27
– Infektionsserologie (nach Anamnese): Borrelien-Antikörper (ELISA,
Blot), Streptokokken-Antikörper, (ggf.
Antikörper gegen Parvovirus B19, Yersinien, Salmonellen etc.)
Tuberkulosetest (z. B. Quantiferontest, RT 23)
◾ Augenärztliche Untersuchung
◾ Bildgebende Untersuchungen: Arthrosonografie, ggf. Röntgen (Gelenke,
Thorax), ggf. MRT
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Antinukleäre Antikörper (ANA) ohne
Zielantigen werden bei 40 – 50 % der JIAPatienten nachgewiesen. Sie finden sich
im niedrigen Titerbereich allerdings auch
bei bis zu 20 % gesunder Kinder. Ihre diagnostische Spezifität ist sehr gering. Werden
ANA bei JIA-Patienten nachgewiesen, weisen sie auf ein erhöhtes Uveitisrisiko hin
(ca. 3fach im Vergleich zu ANA-negativen
JIA-Patienten).
Rheumafaktoren (RF) und Antikörper gegen cyclische citrullinierte Peptide (Anti-CCP-Ak) werden bei < 5 % der
Patienten nachgewiesen und sind somit
diagnostisch ebenfalls nicht hilfreich; allerdings ist der Nachweis dieser Antikörper mit einer höheren Wahrscheinlichkeit
des Auftretens von Gelenkdestruktionen
verbunden. Bildgebende Untersuchungen (Arthrosonografie, Magnetresonanztomografie, Röntgen) dienen zum einen
der Ausschlussdiagnostik, zum anderen
der Beurteilung des Entzündungsausmaßes bzw. von Folgeschäden.
Wie wird Gelenkrheuma behandelt?
Für die Behandlung rheumatischer Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen stehen mittlerweile landesweit über
100 auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendrheumatologie ausgebildete Kinderärzte an über 60 meist Klinikambulanzen
zur Verfügung (s. Versorgungslandkarte unter www.gkjr.de). Die meisten dieser
Einrichtungen (Abb. 2) nehmen an der
bundesweiten Kerndokumentation teil,
so dass Informationen zur aktuellen Versorgungssituation rheumakranker Kinder
vorliegen [9].
Die Behandlung der JIA ist komplex
und orientiert sich an der Form bzw.
Schwere der Erkrankung. Sie umfasst
medikamentöse, krankengymnastische,
physikalische und ergotherapeutische
Maßnahmen neben einer psychosozialen
Betreuung der gesamten Familie (Therapieleitlinie der JIA unter www.awmf.org).
Diese komplexe Therapie zielt auf eine Unterdrückung der rheumatischen Entzündungsaktivität, sucht bleibende Schäden
zu vermeiden sowie eine normale körperliche und psychosoziale Entwicklung des
167
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Nichtsteroidale Antirheumatika
Methotrexat
32 %
71 %
39 %
67 %
42 %
56 %
43 %
48 %
Glukokortikoide, systemisch
Andere konventionelle DMARDs
21 %
18 %
18 %
13 %
12 %
8%
12 %
7%
DMARDs
Biologische DMARDs
47 %
1%
52 %
6%
52 %
11 %
57 %
2000
2004
2008
betroffenen Kindes bzw. Jugendlichen zu
fördern.
Unter www.gkjr.de ist eine Versorgungslandkarte aller Klinikambulanzen zu finden, an denen auf dem
Gebiet der Kinder- und Jugendrheumatologie ausgebildete Kinderärzte
beschäftigt sind.
Die Entwicklung innovativer medikamentöser Behandlungsverfahren hat
in den letzten Jahren zu einer deutlichen
Änderung des therapeutischen Vorgehens
bei der JIA geführt (Abb. 3). Schmerzund entzündungslindernde Medikamente (nicht steroidale Medikamente), wie
z. B. Naproxen oder Ibuprofen, bilden
zwar nach wie vor die First-Line Therapie der Erkrankung, in der langfristigen
Behandlung werden sie aber seltener angewendet. Auch die systemische Anwendung von Steroiden hat, im Unterschied
zur lokalen Gabe in die Gelenke (intraartikulär), an Bedeutung verloren. Nichtbiologische und biologische krankheitsmodi-
168
Abb. 3: Anteil der mit nichtsteroidalen Antiheumatika, Glukokortikoiden systemisch und nichtbiologischen/biologischen
DMARDs (Disease Modifying
AntiRheumatic Drugs) behandelten JIA-Patienten (in %).
Quelle: Daten der Kerndokumentation von 2000 bis 2012
19 %
2012
fizierende Medikamente (sog. DMARDs)
werden heute nicht nur häufiger, sondern
auch früher im Krankheitsverlauf eingesetzt. Mittlerweile wird jedes zweite kinderrheumatologisch betreute Kind hiermit behandelt. Methotrexat (MTX) ist die
am häufigsten verwendete Substanz. MTX
wird in einer Dosis von 10 – 15 mg/m2 Körperoberfläche/Woche oral oder subkutan
verabreicht. Biologische, relativ gezielt in
den rheumatischen Entzündungsprozess
eingreifende Substanzen, wie Etanercept
und Adalimumab als den Tumornekrosefaktor (TNF) blockierende Substanzen, der
T-Zell-Kostimulations-Blocker Abatacept
oder die zytokinblockierenden Substanzen
Tocilizumab (IL-6-Inhibitor) und Canakinumab (IL-1-Inhibitor), werden inzwischen bei jedem fünften Patienten bzw. bei
jedem dritten mit schweren JIA-Formen
eingesetzt.
Durch das geänderte therapeutische
Vorgehen gelingt es zunehmend besser,
die rheumatische Krankheitsaktivität bei
der JIA zu kontrollieren und die Krankheitslast bei den betroffenen Kindern und
Jugendlichen zu vermindern. Es gibt Hinweise, dass ein frühes Erreichen einer in-
Wesentliches für die Praxis . . .
◾ Die Diagnose Gelenkrheuma beim Kind bzw. juvenile idiopathische Arthritis
beruht auf rein klinischen Kriterien, beweisende Laborbefunde gibt es nicht.
◾ Für die medizinische Versorgung rheumakranker Kinder und Jugendlicher stehen bundesweit inzwischen über 100 pädiatrische Rheumatologen an über 60
Einrichtungen zur Verfügung.
◾ Die Behandlungsmöglichkeiten haben sich für Kinder und Jugendliche mit
entzündlich-rheumatischen Erkrankungen erheblich verbessert. Rechtzeitige
Diagnose und Therapie ermöglichen den betroffenen Patienten in der Regel
ein weitgehend normales Leben.
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aktiven Erkrankung die Langzeitprognose
der Patienten verbessert [10].
Insofern ist es wichtig, dass Patienten
möglichst bei Erkrankungsbeginn Zugang zur spezialisierten Versorgung finden. Allerdings erreicht nach wie vor nur
etwa die Hälfte der JIA-Patienten innerhalb des angestrebten Zeitfensters von 6
bis 8 Wochen nach Symptombeginn den
Kinderrheumatologen. Wertvolle Zeit, die
für die Behandlung genutzt werden könnte, geht dadurch verloren.
Literatur
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in children and adolescents: a review. Pain 46: 247 – 64
2. Thomas E, Symmons DP, Brewster DH et al. (2003) National
study of cause-specific mortality in rheumatoid arthritis,
juvenile chronic arthritis, and other rheumatic conditions:
a 20-year follow-up study. J Rheumatol 30: 958 – 65
3.
Hersh A, von Scheven E, Yelin E (2011) Adult outcomes of
childhood-onset rheumatic diseases. Nat Rev Rheumatol
7: 290 – 5
4. Zink A, Minden K, List SM (2010) Entzündlich-rheumatische
Erkrankungen. Gesundheitsberichterstattung des Bundes,
Heft 49. Hrsg. Robert Koch-Institut, Berlin
5. Petty RE, Southwood TR, Manners P et al. (2004) International League of Associations for Rheumatology classification
of juvenile idiopathic arthritis: Second revision, Edmonton,
2001. J Rheumatol 31: 390 – 2
6. Ravelli A, Martini A (2007) Juvenile idiopathic arthritis.
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7. Nordal E, Zak M, Aalto K et al. (2011) Ongoing disease activity and changing categories in a long-term nordic cohort
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2809 – 18
8. Heiligenhaus A, Niewerth M, Ganser G et al. (2007) Prevalence and complications of uveitis in juvenile idiopathic
arthritis in a population-based nation-wide study in Germany: suggested modification of the current screening
guidelines. Rheumatology (Oxford) 46: 1015 – 9
9. Minden K, Niewerth M (2012) Rheumakranke Kinder und
Jugendliche: Kerndokumentation und Prognose. Monatsschr Kinderheilkd 160: 237 – 43
10. Magnani A, Pistorio A, Magni-Manzoni S et al. (2009)
Achievement of a state of inactive disease at least once
in the first 5 years predicts better outcome of patients with
polyarticular juvenile idiopathic arthritis. J Rheumatol 36:
628 – 34
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Korrespondenzadresse
PD Dr. Kirsten Minden
Deutsches Rheuma-Forschungszentrum
Berlin und Universitätskinderklinik Charité,
Campus Virchow; SPZ
Charitéplatz 1
10117 Berlin
Tel.: 0 30/28 46 06 69
Fax: 0 30/28 46 06 26
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