Kosmologische Supernovae und Dunkle Energie Friedrich-Schiller-Universität, Jena Seminar: Extragalaktik Referent: Kellermann, Marcus Datum: 11.06.2013 Folie: 01/22 Gliederung 1. Motivation – Der Nobelpreis für Physik aus dem Jahre 2011 2. Experimentelle Herangehensweise 2.1 Supernovae Ia als Standardkerzen 2.2 Suche nach Supernovae Ia 3. Einsteins Theorie: die kosmologische Konstante 4. Aktuelle und zukünftige Beobachtungen und Projekte 5. Theorien zur zukünftigen Entwicklung des Universums 1. Motivation – Der Nobelpreis für Physik aus dem Jahre 2011 Folie: 02/22 1. Motivation Der Nobelpreis für Physik im Jahre 2011 ging an: Saul Perlmutter Adam Riess Brian Schmidt Quelle: http://www.berkeley.edu/news2/ 2011/10/perlmutter250b.jpg Quelle: http://www.colorado.edu/sites/default/files/ styles/large/public/gallery/AdamRiess.jpg Quelle: http://www.mso.anu.edu.au/ ~brian/IMAGES/IMAGE_038.jpg Projekte: „Supernova Cosmology Project“ [Perlmutter] – 1990er Jahre; „High-z Supernova Search Team“ [Riess und Schmidt] – 1994 gegründet Beide Forscherteams spezialisierten sich auf Supernovae vom Typ Ia [SNIa] und wollten dabei Universum kartieren Folie: 03/22 1. Motivation - Ausgangspunkt der Astrophysiker: Suche nach Anzeichen für eine Abschwächung der Ausdehnung des Universums - Wissenschaftler fanden mehr als 50 SNIa deren Licht schwächer war, als erwartet Universum expandiert beschleunigt (!!!) - Klar: Universum dehnt sich seit Urknall vor ca. 14 Mrd. Jahren immer weiter aus - Neu: Ausdehnung geschieht zunehmend rasanter Was sorgt für beschleunigte Ausdehnung des Universum? Folie: 04/22 1. Motivation - Gravitation ist anziehende Kraft, nicht abstoßende Expansion des Universums kann mit ihrer Hilfe nicht erklärt werden „Dunkle Energie“ - Ausgangspunkt: nicht alle, der im Urknall entstandenen Materie wurde in sichtbare umgewandelt lediglich ca. 4% (Sonnen, Planeten und Interstellarer Materie) - 0,3% Neutrinos, die ins Universum geschleudert werden - 23% der Masse tritt in Form von Dunkler Materie - Rest, ca.73%, besteht aus Dunkler Energie (!!!) Kopernikanische Revolution 2.0 Zusammensetzung des Universums Quelle: http://www.weltbildung.com/mainhttp://www.weltbildung.com/main-fotos/darkfotos/dark-energy.jpg 2. Experimentelle Herangehensweise 2.1 Supernova Ia als Standardkerze Folie: 05/22 Was ist eine Supernova (SN)? - SN ist plötzliches Aufleuchten eines Sterns - Man unterscheidet 2 Typen von SN-Explosionen: - Typ I: Doppelsternsystem ist an Ereignis beteiligt - Weißer Zwerg bekommt "frisches" Brennmaterial von einem nahen Begleiter - Hat Weißer Zwerg genug Material aufgesammelt (Chandrasekhar – Grenze bei 1,4 Mʘ) können im Inneren des Zwergsterns Fusionsprozesse beginnen so energiereich, dass gesamter Stern explodiert - Typ II: sehr massereicher Stern - Vorrat an Brennmaterial erschöpft: Stern nicht mehr stabil - eigene Schwerkraft gewinnt Oberhand und Stern kollabiert ungeheure Menge an Energie frei SN Supernova 1987A Quelle: http://www.scilogs.de/kosmo/gallery/16/potw1142a.jpg 2.1 Supernova Ia als Standardkerze Folie: 06/22 - charakteristische Absorptions- und Emissionslinien sorgen für Unterteilung in die einzelnen Typen - SNIa zeigen keine Wasserstofflinien, aber eine Siliziumabsorptionslinie bei 6150Å im SN-Spektrum Was ist SNIa geklärt Was ist eine Standardkerze? Klassifizierung von SN Quelle: http://www2.physik.unihttp://www2.physik.uni-bielefeld.de/fileadmin/user_upload/ theory_e6/Bachelor_Theses/BachelorArbeit_SebastianDeppendorf.pdf theory_e6/Bachelor_Theses/BachelorArbeit_SebastianDeppendorf.pdf Folie: 07/22 2.1 Supernova Ia als Standardkerze Eine Standardkerze ist ein Oberbegriff für Objekte, die immer dieselbe absolute Helligkeit besitzen. Vorteil: Wenn absolute Helligkeit M bekannt, so kann anhand der scheinbaren Helligkeit m die Entfernung r bestimmt werden r = 10 0, 2⋅(m − M +1− A ) Die interstellare Extinktion A muss außerdem berücksichtigt werden 2.1 Supernova Ia als Standardkerze Folie: 08/22 - Warum eignen sich SNIa als Standardkerze? - 1938 stellt Walter Baade in Zusammenarbeit mit Fritz Zwicky fest: SN vielversprechende Kandidaten für Bestimmung der kosmischen Expansion Helligkeitspeak der SN relativ gleich und hell genug, um von großen Entfernungen aus gesehen zu werden - Im Laufe der Jahre zeigte sich: Helligkeit variiert relativ heterogen Unterscheidung in verschiedene Typen in den frühen 1980er Jahren SNIa spielen dabei besondere Rolle wegen sehr homogenen Eigenschaften (Grund dafü dafür: langsames, heftiges Anwachsen zu einem kataklysmischen Abschluss bei der charakteristischen Masse des weiß weißen Zwergs sorgt fü für Auslö Auslöschung der Differenzen zwischen den Vorlä Vorläufersternen) SNIa zeigen Unterschiede in Lichtkurven und spektraler Entwicklung auf, jedoch erreichen sie stets mehr oder weniger dieselbe maximale Leuchtkraft 2.1 Supernova Ia als Standardkerze Folie: 09/22 - linke Figur: betont relativ wenige „Ausreißer“, deren maximale Helligkeit oder Dauer von der Norm abweichen die Lichtkurven der hellsten SN wachsen schneller an und nehmen schneller ab als die weniger hellen - rechte Figur: individuelle Streckung der Lichtkurven und Skalierung der Helligkeit alle SNIa haben auch hier gleiche skalierte Helligkeit Lichtkurven von nahen, gering rotverschobenen SNIa berechnet von Mario Hamuy Quelle: Saul Perlmutter: „Supernovae, Dark Energy, and the Acceleration Universe“ Universe“ Physics Today, Today, April 2003 Folie: 10/22 2.2 Suche nach Supernovae Ia - Zu Beginn: Suche nach SNIa sehr problematisch - sie sind selten (in typischer Galaxie nur ein paar Explosionen pro Jahr) - sie passieren zufällig und „ohne Vorwarnung“ - Observierungszeiten am größten Teleskop der Welt sind rar und müssen 6 Monate im Voraus beantragt werden - nach der Explosion müssen sie möglichst schnell beobachtet werden, da sonst maximale Helligkeit nicht beobachtet werden kann - SN muss mehrfach innerhalb weniger Wochen beobachtet und berechnet werden - Teleskopzeit wird nicht vergeben, wenn keine Garantie für eine SN gegeben ist Garantie war damals (1980er Jahre) nicht möglich (!) Folie: 11/22 2.2 Suche nach Supernovae Ia - Erste Beobachtungen von SNIa liefen tatsächlich nicht gut: - in späten 1980er Jahren suchte dänisches Team unter der Leitung von Hans Nørgaard-Nielsen 2 Jaher nach SNIa und fanden lediglich 1 SNIa - Noch enttäuschender: die eine gefundene SNIa war bereits mehrere Wochen nach dem Helligkeitsmaximum Eins der größten Probleme war das logistische Beobachtungszeiten für SNIa - Beobachtungen kaum gegeben Folie: 12/22 2.2 Suche nach Supernovae Ia - Grund für folgende Beobachtungsstrategie: - Beobachtung von 10 mal 1000 Galaxien nach einem Neumond - Neue Beobachtung vor nächsten Neumond Neue helle Stellen sind SN – Explosionen - Zeitpunkt der Beobachtung sichert, dass kein Helligkeitsmaximum verpasst wird Darstellung der Beobachtungsstrategie Quelle: Saul Perlmutter: „Supernovae, Dark Energy, and the Acceleration Universe“ Universe“ Physics Today, Today, April 2003 Folie: 13/22 2.2 Suche nach Supernovae Ia - Die Supernova-Gemeinschaft machte anschließend große Fortschritte - 1998 kam der „Durchbruch“ der zwei rivalisierenden Gruppen um die Nobelpreisträger - z = 0,1 109 ly - bester Fit: blaue Linie - SNIa, die noch weniger hell sind, als es in leerem Kosmos zu erwarten wäre im Modell muss Fehler vorliegen (!) Beobachtete Helligkeit gegen Rotverschiebung Quelle: Saul Perlmutter: „Supernovae, Dark Energy, and the Acceleration Universe“ Universe“ Physics Today, Today, April 2003 3. Einsteins Theorie: Die kosmologische Konstante 3. Einsteins Theorie: Die kosmologische Konstante Folie: 14/22 - Einstein hatte Vorstellung von statischem Universum er fügte den Gleichungen der allgemeinen Relativitätstheorie eine Erweiterung hinzu: die kosmologische Konstante Λ (konkurriert mit gravitativem Kollaps) - Nach Hubble‘s Entdeckung, dass Universum expandiert, verwirft Einstein diese Idee als sein „größter Schnitzer“ diese kosmologische Konstante könnte jedoch Lösung für Dilemma sein - Λ erlaubt Anpassung der SN - Daten 3. Einsteins Theorie: Die kosmologische Konstante Folie: 15/22 - verschiedene kosmologische Modelle in einem Diagramm - Diagramm zeigt, dass Expansion des Universums in der Vergangenheit erst abgebremst und dann beschleunigt vonstatten gegangen sein muss Die Geschichte des Kosmos Quelle: Saul Perlmutter: „Supernovae, Dark Energy, and the Acceleration Universe“ Universe“ Physics Today, Today, April 2003 3. Einsteins Theorie: Die kosmologische Konstante Folie: 16/22 - an sich wäre nun Modell komplett ………. oder etwa doch nicht? Partikel-Theoretiker widersprechen dem Modell Standardmodell der Partikelphysik kennt keine Vakuumenergiedichte - Einfachste Annahmen würden eine Vakuumenergie mit Faktor 10120 vorhersagen (Selbst in supersymmetrischen Modellen erreicht man immer noch einen Faktor von 1055) Λ wäre so groß, dass Beschleunigung so enorm wäre, dass Sterne und Galaxien niemals entstehen könnten - Lösung des Problems: keine kosmologische Konstante, aber eine variable Energie: die Dunkle Energie 4. Aktuelle und zukünftige Beobachtungen und Projekte 4. Aktuelle und zukünftige Beobachtungen und Projekte Folie: 17/22 Suchkampagnen: - Typische SN-Suche und nachfolgende Klassifizierung und Lichtkurvenmessung läuft wie folgt ab: - Suchkampagnen müssen bewilligt werden (Beobachtungszeiten 6 Monate im Voraus beantragen – Suche mit 4m Teleskopen [BlancoTeleskop in Chile beim Cerro Tololo Observatorium]) Cerro Tololo Observatorium Quelle: http://www.jorgeexcursiones.cl/fotos/la_serena/cerrohttp://www.jorgeexcursiones.cl/fotos/la_serena/cerro-tololo.jpg 4. Aktuelle und zukünftige Beobachtungen und Projekte Folie: 18/22 Suchkampagnen: - Typische SN-Suche und nachfolgende Klassifizierung und Lichtkurvenmessung läuft wie folgt ab: - Eine Woche nach Neumond werden viele Sternfelder als Referenzaufnahmen beobachtet - In Woche vor neuem Neumond werden Sternfelder erneut beobachtet und mit Referenzaufnahme verglichen Nach Subtraktion der alten von der neuen Aufnahme desselben Himmelsgebietes bleiben nur neu hinzugekommene Lichtquellen übrig SN-Kandidaten werden nun spektroskopisch beobachtet (mit VLT) - Nur mit einem Spektrum lassen sich Objekte klassifizieren SNIa von SN sowie von Aktiven galaktischen Kernen zu unterscheiden - SNIa werden weiter beobachtet und Lichtkurve wird ausgewertet bzw. möglichst genau bestimmt 4. Aktuelle und zukünftige Beobachtungen und Projekte Anzahl der beobachteten Supernova Quelle: http://farm2.staticflickr.com/1209/4606513345_6933d61b22_z.jpg Folie: 19/22 4. Aktuelle und zukünftige Beobachtungen und Projekte Folie: 20/22 - ALMA – Millimeterteleskop mit über 50 Antennen - auf einer Höhe von: 5000m in der trockenen Atacama-Wüste Fabian Walter, Astronom am Heidelberger Max-Planck-Institut: „Das ist ein Teleskop, was alles Bisherige in den Schatten stellt. Das ist ein Sprung wie vom menschlichen Auge zu Galileos Fernrohr.“ (Zitat aus: „Max Planck Forschung – Das Wissenschaftsmagazin der MaxMax-PlanckPlanck-Gesellschaft“ Gesellschaft“. April 2012. S. 33) ALMA Observatorium in Chile Quelle: http://www.srf.ch/var/storage/images/auftritte/wissen/bilder/ab_heute_offiziell_im_dienst/9956886 http://www.srf.ch/var/storage/images/auftritte/wissen/bilder/ab_heute_offiziell_im_dienst/9956886--2-gerger-DE/ab_heute_offiziell_im_dienst_span12.jpg 5. Theorien zur zukünftigen Entwicklung des Universums Folie: 21/22 5. Theorien zur zukünftigen Entwicklung des Universums Beschleunigung des Universums nicht konstant: - Abbremsung der Expansion durch Gravitation groß genug: „Big Crunch“ Universum kollabiert bzw. singulärer Zustand könnte wieder erreicht werden erneuter Urknall - Expansion wird durch Gravitation nicht gestoppt: „Big Whimper“ Expansion „für immer“ Es bliebe unendliches Universum mit immer weniger beobachtbaren Galaxien übrig Mit der Zeit wäre Energie in den Sternen aufgebraucht Universum erlischt und endet mit schwarzen Löchern, schwarzen Zwergen, Kälte und Dunkelheit - Expansion wird immer stärker beschleunigt: „Big Rip“ Dunkle Energie wird so stark, dass uns bekannte Kräfte nicht ausrechen, um Universum zu erhalten alles würde zerreißen (Sterne, Atome,…) Folie: 22/22 Quellen - Bruno Leibundgut:„Helle Sterne im dunklen Universum“ Themen der Wissenschaft. Mai 2005. S.30 – 37 - Sven Stockrahm, Dagny Lüdemann: „Physiknobelpreis geht an Erforscher von Sternenexplosionen“ Artikel in Zeit Online vom 04.11.2011 - Saul Perlmutter: „Supernovae, Dark Energy, and the Acceleration Universe“ Physics Today, April 2003 - http://astro.uni-frankfurt.de/astrotage_WS0809/DE.pdf - http://www.physik.uni-regensburg.de/forschung/wegscheider/ gebhardt_files/skripten/DunkleEnergie.pdf - http://ned.ipac.caltech.edu/level5/march03/perlmutter/frames.html - http://www.astronews.com/frag/antworten/frage917.html Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!