Messung der kosmologischen Expansion mit Supernovae

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Übersicht
Messung der
kosmologischen Expansion
mit Supernovae
• Erste Beobachtungen
• Supernovae
• Kosmologische Modelle
• Aktuelle Messungen und ihre Ergebnisse
• Diskussion der Ergebnisse
Adrian Vogel, 17.06.2002
Erste Beobachtungen
• Das Licht anderer Galaxien ist spektral verschoben,
fast immer zum Roten hin.
• Das Maß der Rotverschiebung z ist definiert als
z=
λ – λ0
λ0
• Deutung als Dopplerverschiebung durch Bewegung
der Galaxien: Die Galaxien entfernen sich von uns.
(„Galaxienflucht“)
• Die Rotverschiebung ist umso stärker, d.h. die
Fluchtgeschwindigkeit der Galaxien ist umso größer,
je weiter die Galaxien entfernt sind.
Das Hubble-Gesetz
• Edwin Hubble untersucht verschiedene Galaxien und
findet 1929 einen linearen Zusammenhang zwischen
Fluchtgeschwindigkeit v und Entfernung D, heute
Hubble-Gesetz genannt:
v=H·D
Die Proportionalitätskonstante H heißt HubbleKonstante.
• Die Bestimmung der Hubble-Konstante ist schwierig,
ihr Wert war lange Zeit unsicher. Heute ist
H ≈ 65 km ⁄ s Mpc
(± 10%)
ein allgemein akzeptierter ungefährer Wert.
1 pc = 3,26 ly = 3,09 · 10
13
km
• Die Rückverfolgung der Galaxienbewegung war
der erste deutliche Hinweis auf einen „Urknall“.
• Dieser Urknall hat stattgefunden vor der Zeit
9
T0 = 1 ⁄ H ≈ 15 · 10 a
Seitdem dehnt sich das Universum wie nach einer
Explosion aus.
Entfernungsbestimmung
• Die Rotverschiebung läßt sich einfach aus den
beobachteten Spektren ablesen.
• Entfernungsbestimmung ist ein schwieriges Problem.
Grundlage
• Energieerhaltung: Intensität nimmt quadratisch
mit der Entfernung von der Quelle ab.
Methoden
• Parallaxe: Beobachtung der scheinbaren jährlichen
Bewegung naher Sterne (Trigonometrie)
• Cepheiden: veränderliche Sterne
mit Perioden-Leuchtkraft-Beziehung
• Tully-Fisher-Methode: Verbreiterung der
Spektrallinien von Galaxien durch Rotation
mit Linienbreiten-Leuchtkraft-Beziehung
• Standardkerzen: Objekte mit konstanter Leuchtkraft,
z.B. Supernovae Ia
Doppelsternsystem mit Weißem Zwerg.
Gas strömt vom Begleiter auf den Weißen
Zwerg und sammelt sich dort, bis es zur
Explosion kommt.
Supernovae Ia
• Enges Doppelsternsystem aus normalem Stern
und Weißem Zwerg ( M < Mkrit)
• Überströmen von Material auf den Zwerg (Akkretion)
und Ablagerung auf der Oberfläche
• Gravitationskollaps des Zwergs bei Erreichen
der kritischen Masse
M = Mkrit ≈ 1,4 M0
(Chandrasekhar-Grenze)
• Zündung von Fusionsprozessen und Detonation
des Weißen Zwergs als Supernova
– Ausstoß von Hüllen und Sternresten
– Aussendung von Licht und Neutrinos
– Bildung radioaktiver Elemente
(Ni → Co → Fe)
Supernova-Typen
• Die verschiedenen Supernova-Typen haben
charakteristische Lichtkurven:
L ≈ 10 10 L0 ≈ LGalaxie
1 mag
Helligkeit
Typ I
Typ II
Typ II ohne Plateauphase
0
100
200
300
400
Tage nach dem Maximum
• Typ Ia hat fast konstante und sehr hohe
Maximalhelligkeit (gute Standardkerze).
• Die Supernova-Typen haben charakteristische
Spektren (Absorptionslinien bestimmter Elemente).
Typ I hat keine oder sehr schwache Wasserstofflinien.
Der Crab-Nebel M1 (NGC 1952)
in Echt- und Falschfarben.
Er ist der Überrest einer Supernova
aus dem Jahr 1054.
Supernova in M81
M81 (NGC 3031) am 18.03.1993...
...und zwölf Tage später mit der Supernova 1993J
Entwicklung einer kosmologischen Theorie
• Feldgleichungen des Gravitationsfeldes aus der
Allgemeinen Relativitätstheorie
• Kosmologisches Postulat: Gleichförmigkeit des
Universums auf sehr großen Skalen
(Isotropie und Homogenität)
• Beschreibung der Geometrie durch die RobertsonWalker-Metrik
ds 2 =c 2dt 2 –R(t) 2
dr 2 +r 2 d θ 2 +sin 2θ d ϕ 2
1 – kr 2
R(t)
Skalenfaktor
k
Krümmungsparameter
• Andere Deutung der Bewegung: Nicht die Objekte im
Raum bewegen sich, sondern der Raum selbst dehnt
sich aus.
• Die Wellenlänge der Photonen wird dabei mitgedehnt
und zum Roten hin verschoben. (kein Dopplereffekt)
Die Dehnung entspricht einem Faktor 1 + z.
Friedmann-Lemaître-Gleichungen
• R(t) ist Skala für alle kosmischen Entfernungen.
Die zeitliche Entwicklung von R folgt den
Friedmann-Lemaître-(Differential)-Gleichungen
2
2
= – k c 2 + 8π G ρ + c Λ
3
3
R
2
2
2 R + R = – k c 2 – 8π2G P + c 2 Λ
R
R
c
R
R
R
2
• Das Hubble-Gesetz muß nicht linear sein,
die Hubble-„Konstante“ kann von der Zeit abhängen:
Hubble-Funktion H(t)
Ht =
Rt
Rt
• Neben der Dichte ρ treten auch der Druck P und die
kosmologische Konstante Λ aus den Gravitationsfeldgleichungen auf.
• Durch Umformen der Friedmann-Lemaître-Gleichungen
kann man neue Parameter finden, die den Zustand
und die Entwicklung des Kosmos charakterisieren.
Parameter der Kosmologie: Ω
• Die Geometrie und die zeitliche Entwicklung des
Kosmos werden durch die beiden Parameter ΩM
und ΩΛ bestimmt.
Die Parameter sind auf die „kritische Dichte“ normiert,
die für Λ = 0 eine euklidische Geometrie bewirkt.
• ΩM gibt an, wieviel Materie es im Universum gibt.
Sie bremst die Expansion durch ihre Gravitation ab.
ΩM = 8π G2 ρ M
3H 0
• Der Druck P wird im heutigen Universum gegen die
Dichte vernachlässigt.
• ΩΛ gibt an, wieviel Energie das Vakuum enthält.
Eine positive Vakuumenergiedichte beschleunigt
die Expansion.
2
ΩΛ = Λ c 2
3H 0
• Wie kann ein abstoßender Effekt durch ΩΛ
überhaupt zustande kommen?
Eine kurze Rechnung macht das plausibel.
Parameter der Kosmologie: q
• Der Bremsparameter q zeigt, ob Beschleunigung
oder Abbremsung dominiert.
q = 12 ΩM – ΩΛ
q<0
q=0
q>0
beschleunigte Expansion
gleichförmige Expansion
gebremste Expansion
• Damit ergeben sich verschiedene zeitliche
Entwicklungen für R(t):
Parameter der Kosmologie: k
• Die Krümmung der kosmologischen Geometrie
ist durch k bestimmt:
k>0
k=0
k<0
sphärisches Universum
euklidisches Universum
hyperbolisches Universum
• Analogie zum zweidimensionalen Raum
zeigt die Effekte anschaulich:
k>0
k=0
k<0
Kugeloberfläche
Ebene
Sattelfläche
• Abhängigkeit von den Parametern ΩM und ΩΛ:
ΩM + ΩΛ = 1 entspricht gerade k = 0.
Weltmodelle: Übersicht
Geometrie und Entwicklung des Universums in
Abhängigkeit von ΩM und ΩΛ:
ΩΛ
kein
Urknall
2
ig
c
1
a
du usg
rc es
h ch
St lo
er s
na se
lte n
r
igt glei
st
sch
m
be
e
br
ge
n
leu
rm
hfö
ion
xpans
E
e
g
i
ew
laps
Endkol
0
–1
ΩM
2
ch
is
lid
uk
e
ch
ris
h
hä isc
sp bol
r
pe
hy
1
altes
Standardmodell
Supernova Cosmology Project
Perlmutter et al. (1998)
3
No Big Bang
99%
95%
90%
42 Supernovae
2
68%
ΩΛ
1
expands forever
y
l
l
a
u
t
n
e
v
e
s
e
s
p
la
r ec o l
0
t
fla
ed
os
cl
-1
en
op
Flat
Λ=0
Universe
0
1
2
ΩΜ
3
FAINTER
(Farther)
(Further back in time)
Perlmutter, et al. (1998)
24
22
Supernova
Cosmology
Project
Flat
effective mB
(ΩΜ,ΩΛ) =
( 0, 1 )
(0.5,0.5) (0, 0)
( 1, 0 ) (1, 0)
(1.5,–0.5) (2, 0)
26
Λ=0
20
18
Calan/Tololo
(Hamuy et al,
A.J. 1996)
16
14
0.02
0.05
0.1
redshift z
0.2
0.5
1.0
MORE REDSHIFT
(More total expansion of universe
since the supernova explosion)
In flat universe: ΩM = 0.28 [± 0.085 statistical] [± 0.05 systematic]
Prob. of fit to Λ = 0 universe: 1%
Aktuelle Messungen
• Zur Zeit untersuchen zwei Forschungsgruppen
die kosmologische Expansion mit Supernovae:
– Supernova Cosmology Project
– High-z Supernova Search
• In entfernten Galaxien werden Supernovae Ia
mit möglichst großer Rotverschiebung gesucht.
• Rotverschiebung und scheinbare Helligkeit werden
gemessen und gegeneinander aufgetragen.
• Verschiedene Parameterkombinationen ( ΩM, ΩΛ)
lassen verschiedene Abweichungen vom linearen
Hubble-Gesetz erwarten:
– Bei gebremster Expansion erscheinen
die Supernovae heller als erwartet.
– Bei beschleunigter Expansion erscheinen
die Supernovae dunkler als erwartet.
• Mit statistischen Methoden werden die wahrscheinlichsten Werte für ΩM und ΩΛ mit Konfidenzniveaus
ermittelt.
• Für signifikante Aussagen werden möglichst viele
Supernovae mit möglichst großer Rotverschiebung
gebraucht.
Schwierigkeiten und Unsicherheiten
1
• Die Rotverschiebung ist unproblematisch aus den
Spektren der beobachteten Objekte abzulesen.
• Die beobachtete scheinbare Helligkeit ist schwer
auszuwerten. Sie wird durch viele Effekte verfälscht:
Beobachtungseffekte
• Eigenbewegung der Erde / Sonne / Milchstraße,
dadurch zusätzliche Dopplerverschiebung
• Dehnung des gesamten Spektrums durch die
Rotverschiebung, Verminderung der Helligkeit
• Verlassen des empfindlichen Detektorbereichs
durch die Rotverschiebung
Extinktionseffekte
• Verminderung der Helligkeit durch Extinktion
des Lichts
– in der Heimatgalaxie der Supernova
– in unserer Galaxie
– in der Erdatmosphäre
– im intergalaktischen Raum (?)
• Extinktionseffekte sind ungefähr bekannt und können
berücksichtigt werden. (Rayleigh-Rötung)
Schwierigkeiten und Unsicherheiten
2
Evolutionseffekte
• Weit entfernte Objekte werden zu früheren Zeiten
beobachtet. Der Zustand des Universums in der
fernen Vergangenheit ist nicht sicher bekannt.
• Möglicherweise hatten Supernovae früher eine
andere chemische Zusammensetzung und waren
systematisch heller oder dunkler.
Andere Schwierigkeiten
• Die Helligkeiten der Supernovae Ia sind nur ungefähr
konstant. Sie schwanken um etwa m ± 0,2.
• Malmquist-Auswahleffekt: Hellere Objekte werden
besser gesehen als dunklere.
• Weit entfernte Objekte können durch Gravitationslinsen vergrößert und aufgehellt werden.
Andere Projekte zur Kosmologie
Kosmische Hintergrundstrahlung
• Beobachtung der kosmischen Hintergrundstrahlung
mit Satelliten (C OBE) und Ballons (Boomerang).
• Auswertung der Fluktuationen gibt Auskunft über die
Struktur des Kosmos in seiner frühen Phase.
• Mehr dazu im Vortrag von Christian Dally
am nächsten Montag, 01.07.2002.
Verteilung der Galaxien: Large-Scale Structure
• Die Massenverteilung im Universum kann nicht direkt
beobachtet werden. Sichtbar sind nur leuchtende
Objekte.
• Besonders helle Objekte enthalten besonders viel
Masse und müßten sich besonders stark häufen.
• Mit Computern wird die Verteilung und „Verklumpung“
von Galaxien im Laufe der Zeit simuliert.
• In einem großen Raumbereich werden sämtliche
Galaxien erfaßt. Ihre Verteilung im Raum und die
Haufenbildung werden ausgewertet.
• Durch Vergleich mit dem Simulationsmodell läßt sich
die Massendichte des Universums bestimmen:
ΩM = 0,27 ± 0,06
Aktuelle Messungen: Ergebnisse
Werte der Parameter
• Wahrscheinlichste Werte:
ΩM ≈ 0,3
q 0 ≈ – 0,6
ΩΛ ≈ 0,7
ΩM + ΩΛ ≈ 1
• ΩΛ > 0 ist sehr wahrscheinlich (99%).
Es gibt die kosmologische Konstante Λ
und eine Vakuumenergiedichte.
• Das alte kosmologische Standardmodell mit Λ = 0
ist mit diesen Meßwerten ausgeschlossen.
Konsequenzen
• Das Universum dehnt sich aus.
• Die Ausdehnung ist mit der Zeit beschleunigt.
Sie wird nicht irgendwann gestoppt und umgekehrt.
Es wird keinen Großen Kollaps geben.
• Die Geometrie des Universums ist auch im Großen
nahezu (oder genau?) flach.
• Das Alter des Universums beträgt etwa
T0 = (13,7 ± 1,3) · 10
9
a
Dies deckt sich mit Ergebnissen anderer Messungen.
Ausdehnung des Universums
wahrscheinlichstes Modell
wahrscheinlichstes Modell
Offene Fragen: Ω
Dunkle Materie (vgl. Stefan Hölters, 03.06.2002)
• Andere Messungen zeigen, daß die uns bekannte
Materie (baryonische Materie) nur einen kleinen Teil
der gesamten Materiedichte ausmacht:
ΩB ≈
1
20
ΩM
• Woraus besteht die restliche Materie?
Aus uns unbekannten Teilchensorten?
Koinzidenzproblem
• Die Vakuumenergiedichte wird als eine zeitlich
konstante Eigenschaft des Vakuums angesehen.
• Die Materiedichte verringert sich während der
Expansion des Universums.
• Warum haben ΩM und ΩΛ heute etwa die gleiche
Größenordnung?
Flachheit der kosmologischen Geometrie
• Die euklidische Geometrie ist ein Grenzfall für
ΩM + ΩΛ = 1. Warum ist das Universum flach
oder zumindest beinahe flach?
• Lösungsversuche durch die Theorie einer
inflationären Entwicklung des Universums
in seiner frühesten Phase.
Offene Fragen: Λ
Physikalische Bedeutung von Λ
• Woher hat das Vakuum eine Energiedichte?
Was soll Λ physikalisch bedeuten?
• Das Vakuum ist erfüllt von Quantenfluktuationen.
Unschärferelation: Ständig bilden sich „virtuelle“
Teilchenpaare, die sich sofort wieder vernichten.
∆E ⋅ ∆t ≥ h
• Casimir-Effekt gibt experimentelle Bestätigung:
Das Vakuum ist nicht „Nichts“.
• Die virtuellen Teilchen wirken in den FriedmannLemaître-Gleichungen mit, allerdings beschleunigend.
Theoretische Berechnung von Λ
• Aus den Quantenfluktuationen läßt sich der Wert
von Λ theoretisch berechnen.
• Die Beobachtungen ergeben jedoch einen ganz
anderen Wert für Λ: 120 Größenordnungen Differenz
• Woher kommt dieser riesige Unterschied?
• Wenn das Erklärungsmodell mit den Quantenfluktuationen doch falsch ist, was ist Λ dann?
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