Kapitel 15 Mesonen 15.1 Die starke Kraft QED ist eine sehr erfolgreiche, nützliche Theorie. Z.B. (1) Elektron, Positron, Antimaterie; (2) Renormierung; (3) sehr genau (anomales magnetisches Moment, usw...) Die QED-Theorie kann aber nicht den Atomkern erklären ! Wir brauchen eine zusätzliche Kraft: die starke Kraft. Yukawa (1934): Erste Theorie der starken Kraft In dieser Theorie werden die Protonen und Neutronen wegen eines Feldes im Kern angezogen. Das Feld muss quantisiert sein: was ist das Quant des starken Feldes? (das Analog des Photons für das elektromagnetische Feld) In ähnlicher Weise wie in der QED, Teilchenphysik 271 Mesonen wird die Fernwirkung (“Action at a distance”) der starken Kraft durch den Austausch eines virtuellen Bosons dargestellt. Das Diagramm für die p-n-Streuung (die Wechselwirkung zwischen einem Proton und einem Neutron) könnte so dargestellt werden: p-n-Streuung elektromagnetisch (QED) (hadronische Wechselwirkung) n e– p e– eH e eH e e– g Spin-1 Boson e– p ? Spin-0 Boson? n wobei eH der starken Kopplungskonstanten entspricht. Reichweite: die starke Kraft muss eine kleine Reichweite R besitzen R ª 10 -15 m ª 1 Fermi stark e.m. Abstand Das ausgetauschte Boson muss schwer sein !! (Vergleich mit masselosem Photon) Der Austausch (Emission-Absorption) des Bosons muss nicht direkt beobachtbar sein ! Wir sprechen von einem virtuellen Effekt. Mit der Unschärfebeziehung von Heisenberg für die Energie und die Zeit erhalten wir DEDt ª h 272 aber cDt ª R ( wobei R ∫ Reichweite) Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia Die starke Kraft oder DEDt ª ( mc 2 )( R / c ) ª h Damit ist die Reichweite R der Kraft, die durch den Austausch eines Bosons der Masse m verursacht wird, ungefähr gleich mc 2 ª hc R Mit Rª10–15 m finden wir m ª 100 MeV / c 2 Ein Teilchen mit solcher Masse war 1934 unbekannt. Diese Masse hat einen “mittleren” Wert, viel schwerer als die Elektronmasse und leichter als die Nukleonmasse: << m {e leicht LEPTON ( Elektron ) m { mittel MESON << m p , mn 123 schwer BARYON Das unbekannte Teilchen der mittleren Masse wird als Pion (p) bezeichnet. Tatsächlich müssen 3 solche Mesonen mit verschiedenen elektrischen Ladungen existieren, um die verschiedenen hadronischen Wechselwirkungen (wie z.B. pn Æ pn) zu beschreiben. n p n p p p± geladener Austausch Teilchenphysik n p p0 neutraler Austausch n 273 Mesonen (die elektrische Ladung muss an den Vertices erhalten werden) p-Boson: der Spin muss einen ganzzahligen Wert besitzen. Niemand hat solche Teilchen im Jahr 1930 nachgewiesen. Tomonaga/Araki (1940): p+/p– sollen wegen ihrer starken Wechselwirkung unterschiedliche Effekte besitzen, wenn sie in der Materie stoppen: p– Kern ÆAbsorption p+ Kern ÆZerfall Negative Pionen erzeugen pionische Atome. Wegen der Masse (viel grösser als die Elektronmasse) befindet sich das Pion bei einem sehr kleinen Radius: es wird mit dem Kern mit grosser Wahrscheinlichkeit wechselwirken. Positive Pionen werden keine Atome erzeugen. Sie werden zerfallen. Tomonaga/Araki sagten voraus, dass dieses unterschiedliche Verhalten beobachtet werden kann. 274 Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia Entdeckung des Mesons 15.2 Entdeckung des Mesons 15.2.1 Entdeckung des Myons Das Myon wurde durch das Studium von kosmischen Strahlen entdeckt. Primäre kosmische Strahlen: 99% Protonen Æ Wechselwirkung mit der oberen Atmosphäre. Pionen werden in Nukleon-Nukleon Wechselwirkungen erzeugt: z.B. Ï 0 Ô pp Æ ppp Ì + Ô pp Æ pnp Ó np Æ ppp np Æ pnp 0 np Æ nnp + Bei höheren Energien NN Æ NN + np’s (n>1) Anderson, Neddermeyer (1937) Street, Stevenston (1937) Entdeckung von einem mesonartigen Teilchen Conversi, Pancini, Piccioni (1946): Beweis, dass das entdeckte Teilchen nicht das Yukawa-Teilchen sein kann (die Wechselwirkung mit der Materie ist zu schwach) fi Entdeckung des Myons m+, m– mm ª 105 MeV ( schweres Elektron) t ª 2200 ns ª 2, 2 ms Teilchenphysik 275 Mesonen 15.2.2 Entdeckung des geladenen Pions Lattes, Occhialini, Powell (1947): Powell, Fowler, Perkins (1947): Exposition von photographischen Emulsionen in grosser Höhe (Flugzeugen oder Bergen) Emulsionen Æ Empfindlichkeit auf geladene Teilchen fi Entdeckung des geladenen Pions p+ p + Æ m + + nm Zweikörperzerfall Tm=4.1 MeV mp ± ª 140 MeV t ª 26 ns Wegen ihrer Lebensdauer können die Pionen, die in der oberen Atmosphäre erzeugt werden, den Boden nicht erreichen. In der Emulsion wurde die folgende Reaktion beobachtet: p + Æ m + ( +n m ) Ø e + ( +n en m ) 15.2.3 Entdeckung des neutralen Pions Bjorklund et al. (1950): Synchrozyklotron-Beschleuniger fi Entdeckung der Produktions-Schwelle von neutralen Pionen in Wechselwirkungen zwischen beschleunigten Protonen und Kohlenstoff- oder Beryllium-Target. 276 Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia Elektrodynamik von skalaren Feldern ÏÔ pC Æ ... + p 0 Æ ... + gg Ì ÔÓ pBe Æ ... + p 0 Æ ... + gg wenn Tp ≥ª 200 MeV Wenn die kinetische Energie des einfallenden Protons grösser als ca. 200 MeV war, nahm die Anzahl von beobachteten Gamma-Paaren im Experiment stark zu. mp 0 ª 135 MeV < mp ± p 0 Æ gg t ª 10 -16 s Das neutrale Pion zerfällt sehr schnell durch die elektromagnetische Wechselwirkung. Beachte: t p 0 (10 -16 s) << t p ± (10 -8 s) << t m ± (10 -6 s) 14243 1444424444 3 elektromagnetischer Zerfall schwacher Zerfall Aber im Allgemeinen werden Pionen in starken Wechselwirkungen erzeugt. Das Pion ist das leichteste Hadron. Es kann nicht stark zerfallen. 15.3 Elektrodynamik von skalaren Feldern Wir fassen in diesem Kapitel die Feynman-Regeln für die Behandlung von Pionen (oder i.A. skalare Teilchen) zusammen. Teilchenphysik 277 Mesonen Das Pion ist ein Spin-0 Boson Æ sein Feld kann mit Hilfe der KleinGordon-Gleichung beschrieben werden. Wir können entweder ein reelles oder ein komplexwertiges Feld betrachten: Reelles KG Feld: ( ) 1 1 ∂ mf (∂ mf ) - m 2f 2 2 2 r 3r H = Ú d pN ( p) E p L KG = Komplexwertiges KG Feld: ( ) L KG = ∂ mf + (∂ mf ) - m 2f +f r r r H = Ú d 3 p( N + ( p) + N - ( p)) E p r r r Q = Ú d 3 p( N + ( p) - N - ( p)) Das komplexwertige KG Feld beschreibt geladene Teilchen. 1. Der Propagator: f(x)f(y)=DF(x–y) Spin-0 Boson pm ∫ i p - mp2 eine skalare Zahl 2 Vergleich mit dem Elektron-Propagator: pm 278 ∫ i( p/ + m) p2 - m 2 eine Matrix (Summe über Spins) Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia Elektrodynamik von skalaren Feldern 2. 3. Externe Beine: Vertexfaktor r fq ∫ einlaufend r qf∫ auslaufend 1 1 Vertex mit Photon: p p2 g p (-ie)( p1 + p2 ) m p1 Beispiel: p+p+-Streuung p+ p+ p3 p+ p3 p4 p+ p4 + + p p1 p+ p2 p+ p1 p+ p2 Beide Diagramme werden addiert, weil für Bosonen das Ergebnis symmetrisch unter der Vertauschung der Teilchen sein muss. Die Amplitude ist gleich È ( p1 + p3 ) ( p2 + p4 ) m ( p1 + p4 ) ( p2 + p3 ) m ˘ m m ˙ M = (ie) Í + 2 2 ˙ Í ( p1 - p3 ) ( p1 - p4 ) ˚ Î 2 Teilchenphysik 279 Mesonen 15.4 Isospin-Symmetrie 15.4.1 Der Isopsin Wir betrachten das Proton (p) und das Neutron (n). Diese Teilchen besitzen ähnliche Eigenschaften ausser der elektrischen Ladung (z.B. mp = 938,3 MeV ª mn = 939,6 MeV). Heisenberg (1932): p und n wären eine einzige Einheit (d.h. das Nukleon), wenn die elektromagnetische Wechselwirkung ausgeschaltet werden könnte1. Die Eigenzustände sind fast entartet. Die Entartung wird von der elektromagnetischen Wechselwirkung aufgehoben. Für die starke Wechselwirkung sind p und n fast entartet (ihre Masse sind nicht genau gleich. Dieser Unterschied wird vernachlässigt). Als Folge gibt es eine Symmetrie in der Hamilton-Funktion der Theorie2 Die Nukleonen werden als die zwei Zustände eines einzigen Teilchens dargestellt: Ê pˆ c∫Á ˜ Ë n¯ Ê 1ˆ Ê 0ˆ p∫Á ˜ n∫Á ˜ Ë 0¯ Ë 1¯ 1. Eine ähnliche Situation findet man im Zeeman-Effekt: die Spin-Entartung wird vom BFeld aufgehoben. 2. Bemerkung: wir wissen heutzutage, dass wegen den unterschiedlichen u- und d-Quarkmassen die Isospin-Symmetrie auch von der starken Wechselwirkung gebrochen wird. Wir werden das vernachlässigen, und wir nehmen an, dass der Hamilton-Operator der starken Wechselwirkung wirklich invariant unter der Isospin-Transformation ist. 280 Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia Isospin-Symmetrie Die zwei Zustände sehen wie ein Spin-1/2 Spinor aus (Siehe Kap. 4.2.2). Das Analog des Spins wird als Isospin I bezeichnet: p = I, I3 ∫ 1 1 ,+ 2 2 " Isospin - Up" n = I, I3 ∫ 1 1 ,2 2 " Isospin - Down" Es folgt daraus, dass das Nukleon den Isospin I=1/2 trägt. Wir definieren die “Pauli-Matrizen” des Isospins t1, t2, t3 (die t3 Eigenwerte liefern I3=±1/2) . Ê 0 1ˆ t1 = Á ˜, Ë 1 0¯ 1 I= : 2 n - 1 2 Ê 0 -iˆ t2 = Á ˜, Ëi 0¯ t+ t- Ê1 0 ˆ t3 = Á ˜ Ë 0 -1¯ p + 1 2 I3 Die Matrizen t+ und t– werden entsprechend den Spin-Operatoren, die I3 um 1 erhöhen resp. erniedrigen, definiert: t± ∫ 1 (t ± it 2 ): 2 1 t+ n = p und t- p = n 15.4.2 Die Isospin-Symmetrie Die Isospin-Transformation (eine Rotation im Isospin-Spinorraum) wird durch die SU(2)-Gruppe dargestellt. Teilchenphysik 281 Mesonen Heisenberg: Die starke Wechselwirkung ist invariant unter der SU(2)-Isospin-Transformation (ISOSPIN-SYMMETRIE) Da der Isospin eine Invariante ist, werden die Teilchen im IsospinRaum dargestellt: Teilchen-Darstellung im Isospin-Raum: 1 1 1 1 1 p ∫ ,+ n ∫ ,Doublett I = : 2 2 2 2 2 mp = 938,3 MeV ª mn = 939,6 MeV p + ∫ 1, +1 , p 0 ∫ 1, 0 , p - ∫ 1, -1 Multiplett I=1 mp± = 139,6 MeV ª mp0 = 135 MeV SU(2)-Brechung: Wir definieren die elektrische Ladung Q als Funktion der Quantenzahlen B und I3 Q∫ 1 B 2 { + I{3 Isospin Baryon - Zahl B =1 für Nukleon B = 0 für Pion Ê Gell - Mannˆ Á ˜ Ë Nishijima ¯ Es gilt, [I , I ] = ie i j I ijk k Lie - Algebra der SU(2) - Gruppe und damit [Q, I ] = ÈÍÎ 12 B + I , I ˘ ˙˚ = 0 [Q, I1,2 ] = ÈÍÎ 12 B + I3, I1,2 ˘˙˚ π 0 3 282 3 3 weil Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia [I 1, 2 , I3 ] π 0 Isospin-Symmetrie Wir können deshalb sagen, dass der Ladungsoperator nicht invariant unter der Isospin-Transformation ist. Wenn die Invarianz unter der SU(2)-Isospin-Gruppe gilt, dann wird wegen des Nöther-Theorems der Isospin erhalten. fi Weil die starke Wechselwirkung invariant unter der SU(2)Isospin-Transformation ist, wird der gesamte Isospin in starken Wechselwirkungen erhalten. fi Im Gegensatz dazu verletzt die elektrische Ladung die Isospin-Erhaltung. 15.4.3 Dynamische Folgerung Wir betrachten zwei Nukleonen. Wir erinnern uns an die Regel der Addition von Spins: 2 ƒ 2 = 3 ≈1 ¸ ÔÔ S = 1, M = 0 = ≠Ø + Ø≠ / 2 ˝ Ô S = 1, M = -1 =ØØ Ô˛ Spin - Triplett S = 0, M = 0 = ≠Ø - Ø≠ / 2 Spin - Singlett S = 1, M = 1 =≠≠ ( ) ( ) } In ähnlicher Weise erhalten wir für eine Isospin-Kombination von Protonen- und Neutronen-Zuständen ¸ ÔÔ I = 1, I 3 = 0 = ( pn + np) / 2 ˝ Ô I = 1, I 3 = -1 = nn Ô˛ I = 1, I 3 = 1 = pp I = 0, I 3 = 0 = ( pn - np) / 2 Teilchenphysik } Symmetrisches Isotriplett Antisymmetrisches Isosinglett 283 Mesonen Wir betrachten nun die folgenden Prozesse: 1) p + + p Æ p + + p 2) p - + p Æ p - + p Pion I = 1, Nukleon I = 1 2 3) p - + p Æ p 0 + n fi der gesamte Isospin ist gleich I = 3 2 oder I= 1 2 Wir sind an den Amplituden der Prozesse interessiert. Wir werden diese Amplitude so bezeichnen: M = I ¢, I 3¢ A I , I 3 wobei I,I’,I3 und I’3 die Anfangs- und Endzustands-Isospins und ihre dritte Komponente sind. Wenn die starke Wechselwirkung invariant unter der IsospinRotation ist, (a) muss der gesamte Isospin erhalten werden: I’=I M = I , I 3¢ A I , I 3 (b) hängt die Amplitude des Prozesses nicht von I3 ab: M I = I A I unabhängig von I 3 Wir führen ein: M3 = 284 3 3 A 2 2 und M1 = Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia 1 1 A 2 2 Isospin-Symmetrie Die Clebsch-Gordan-Koeffizienten sind für die verschiedenen Isospin-Konfigurationen gleich p + + p: 11 , 11 3 3 = , 22 2 2 p - + p: 1, -1 p 0 + n: 1, 0 11 1 3 1 2 1 1 = ,- ,22 3 2 2 3 2 2 1 1 ,- = 2 2 2 3 1 1 1 1 ,- + ,3 2 2 3 2 2 und damit erhalten wir Ï ÔM (p + + p Æ p + + p) = M 3 Ô 1 2 Ô ÌM (p + p Æ p + p) = M 3 + M1 3 3 Ô Ô 2 2 0 M3 M ÔM (p + p Æ p + n ) = 3 3 1 Ó Die Verhältnisse der Wirkungsquerschnitte 2 1 2 2 2 s 1:s 2 :s 3 = M 3 : M 3 + 2M1 : M 3 - M1 9 9 Falls wir annehmen, dass die Amplitude des I=3/2 Prozesses viel grösser als die des I=1/2 Prozesses ist, gilt s 1:s 2 :s 3 ª 9 : 1 : 2 Teilchenphysik wenn M 3 >> M1 285 Mesonen und dann erwarten wir s (p + p) s (p - p) ª3 wenn die starke Wechselwirkung invariant unter Isospin-Transformation ist. Dieses Ergebnis ist z.B. gültig in der Nähe der sogenannten Resonanz D(1232) (Siehe Kap. 20). 286 Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia