Digitalis-spezifische Fab-Antikörper

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G. Egli
ANTIDOT-MONOGRAPHIE
Schweizerisches Toxikologisches Informationszentrum
DIGITALIS ANTIDOT
Digitalis-spezifische Fab-Antikörper
Beschreibung:
Polypeptid, MG ca. 50'000 Dalton.
Das Antidot entspricht dem durch Behandlung mit Papain abgespaltenen und aufgereinigten antigenbindenden Abschnitt (FabFragment) der IgG, welcher aus dem Blutserum immunisierter
Schafe gewonnen wird.
ATC-Code: V03AB24
Primäre
Wirkungen:
Durch die Bindung des freien Digoxins an Digitalis-Fab kommt es
zur Inaktivierung und Reversion der Toxizität.
Indikationen:
Digitalis-Fab ist indiziert bei lebensbedrohlichen Vergiftungen mit
Digoxin und anderen Digitalispräparaten inkl. pflanzlichen und tierischen Herzglykosiden. Bei pflanzlichen und tierischen Herzglykosiden kann die Bindungsaffinität vermindert sein, sodass grössere
Mengen notwendig sind.
(als Antidot)
Verfügbarkeit:
Regionalzentren (Schweizerische Antidotliste: Zusatzsortiment in
Regionalzentren)
Physiologie
Mechanismus der Toxizität der Digitalispräparate: Die Herzglykoside inhibieren den
Na+-K +-Transport, indem sie extrazellulär an die Na +-K +-ATPase binden. Die Ionenpumpe unterhält den natürlichen transmembranösen Gradienten von Na + und K+. Der
Na+-Gradient dient als Energiequelle für den Na +-Ca2+-Exchanger, welcher während der
Repolarisation das Ca2+ aus der Zelle pumpt. Aufgrund des verminderten Na +Gradienten akkumuliert mehr Ca2+ in der Zelle mit verbesserter Kontraktionskraft (positive Inotropie). Bei toxischen Spiegeln ist durch das stark erhöhte Ca2+ das Ruhepotential vermindert mit erhöhter Tendenz zu Rhythmusstörungen (pos. Automatizität).
Neben einer direkten vagalen Stimulation (erhöhte Freisetzung von Acetylcholin) wird
das Reizleitungssystem direkt durch die Herzglykoside supprimiert (negative Chronound Dromotropie).
Pharmakodynamik
Mechanismus der antidotalen Wirkung: Nach intravenöser Applikation binden Digitalis-Fab das intravaskuläre freie Digoxin. Eine Verbesserung der Klinik erfolgt gewöhnlich innert 30 min., der maximale Effekt innert 3-4h. Im Verlauf kommt es zur Diffusion
von Digitalis-Fab in das Interstitium, wo ebenfalls die freie Fraktion des Digoxins gebunden wird. Durch die Bindung der freien Digoxinfraktion entsteht ein Konzentrationsgradient und es kommt zur Diffusion des intrazellulären und an die Na +-K +-ATPase geVersion 09.12.2003
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bundenen Digoxins nach extrazellulär, wo es fortlaufend durch Digitalis-Fab neutralisiert
werden kann.
Pharmakokinetik
Pharmakokinetik des Digitalis-Fab bei Nierengesunden
Verteilungsvolumen (V d)
Terminale HWZ
Clearance total
Rebound freies Digoxin
Qo
0.25 – 0.4 l/kg
14-20-(30) h
0.17-0.52ml/min/kg
nach 12-72h
ca. 0.33
Pharmakokinetik des Digitalis-Fab bei Niereninsuffizienz
Verteilungsvolumen (V d)
Terminale HWZ
Clearance total
Rebound freies Digoxin
Hämodialyse/-filtration
Plasmapherese
unverändert
bis 10 fach verlängert
je nach Schwere reduziert (siehe unten)
nach 12h-130h -(14 d)
kann Digitalis-Fab nicht eliminieren.
Digitalis-Fab können entfernt werden, Einsatz kontrovers
Nach Verabreichung von Digitalis-Fab kommt es innert Minuten zu einem 10-30 fachem
Anstieg der totalen Digoxinkonzentration (gebunden und frei) im Plasma. Die freie
Fraktion von Digoxin wird aber von 75-90% auf 0-5% gesenkt. Die Elimination von Digoxin hängt daher dann primär von der Kinetik der Digitalis-Fab ab (siehe oben). Der
Rebound des freien Digoxins wird nicht durch eine Dissoziation vom Digitalis-Fab verursacht, sondern durch Umverteilung aus dem Gewebe. Die Ursache der Verzögerung
bei Niereninsuffizienz ist nicht ganz klar, hängt aber wahrscheinlich mit einer verlängerten Distributionszeit von Digitalis-Fab bei Niereninsuffizienz zusammen. Die Gesamtclearance von Digoxin kann durch eine Plasmapherese nicht nennenswert beeinflusst werden, der klinische Nutzen der Plasmapherese bei Niereninsuffizienz nach Gabe von Digitalis-Fab wird daher kontrovers diskutiert.
Anwendung als Antidot
Indikationen (8)
• alle potentiell Digitalis-bedingten lebensbedrohlichen Rhythmusstörungen.
• Kalium Konz. über 5mmol/l bei akuter Überdosierung.
• Chron. Digitalis-Intoxikation mit Dysrhythmien, signifikanten gastrointestinalen Symptomen, akuter Beginn von Bewusstseinsstörungen, Niereninsuffizienz.
• Serum Digoxinkonzentration von = 15ng/ml zu irgendeiner Zeit, oder = 10ng/ml 6h
nach Ingestion (cave: Spiegel können initial falsch hoch sein wegen kleinem Verteilungsvolumen während der Verteilungsphase)
• Ingestion von >10mg beim Erw., Ingestion von >4mg beim Kind.
Gemäss Baud et al (10) ist bei Vorliegen von Risikofaktoren (Alter, Herzkrankheiten,
AV-Block jeden Grades, Hyperkaliämie) auch ohne lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen eine frühzeitige prophylaktische Gabe von Digitalis-Fab (1/2 Dosis) indiziert,
um die Prognose zu verbessern.
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Messung Digoxinspiegel
Die üblicherweise verwendete Methode der Messung der Digoxinkonzentration ist nach
Gabe von Digitalis-Fab nicht mehr verwertbar, da die Gesamtdigoxinkonzentration gemessen wird. Es muss die freie Fraktion gemessen werden, um das wirksame Digoxin
zu erfassen. Je nach Nachweismethode kann der gemessene freie, aber auch der Gesamtdigoxinspiegel nach Digitalis-Fab ungenau sein. Es wird empfohlen, mit dem Labor Rücksprache zu nehmen.
Mögliche Indikationen zur Bestimmung der freien Digoxinkonzentration
• Bestimmung Zeitpunkt Wiederbeginn Therapie (v.a. bei Niereninsuffizienz)
• Erfassung einer vermuteten Rebound-Toxizität
• Erfassung einer zu tiefen Digitalis-Fab-Dosis bei persistierender Symptomatik
Anwendung
• 1 Amp. wird mit 20ml steriler isotonischer Natriumchlorid-Lösung unter leichtem
Schütteln (keine Schaumbildung) aufgelöst und dann in NaCl 0.9% verdünnt als intravenöse Kurzinfusion über ca. 30 min. gegeben. Bei ungenügender Dosierung oder
Wiederauftreten von Rhythmusstörungen kann erneut Digitalis-Fab verabreicht werden.
• Gemäss Hersteller wird eine vorgängie Allergietestung empfohlen. Bei einer
lebensbedrohlichen Digoxinintoxikation ist aber die vorgängige Intrakutan- oder
Konjunktivaltestung bezüglich allergischer Reaktion nicht praktikabel (7). Die Testung
kann aber v.a. bei Risikopatienten (frühere Digitalis-Fab-Therapie, Allergie auf
Schafproteine) notwendig sein.
• Berechnung der Dosis: siehe Anhang.
1 Amp (80mg Digitalis-Fab) bindet 1 mg Digoxin/Digitoxin.
(USA: 1 Amp = 40mg Digitalis-Fab).
Unerwünschte Wirkungen
• Allergische Reaktionen: bis jetzt wurden nur Hautreaktionen mit Gesichtsschwellung
beobachtet (8). Serumkrankheit und Anaphylaxie sind theoretisch möglich.
• Lokal: Phlebitis
• Hypokaliämie (Rückdiffusion von ausgetretenem Kalium in die Zelle)
• Verschlimmerung einer Herzinsuffizienz (Effekt von Digoxin entfällt)
• Rasche ventrikuläre Antwort bei VHF mit Wegfall des Digoxin-Effektes
• Einmalig bei einem Neugeborenen kam es zu einer Apnoe (9).
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Interaktionen
In einem Fall (8) kam es nach Gabe von Digitalis-Fab bei gleichzeitiger Therapie mit
Warfarin zu einem Anstieg der Prothrombinzeit (Quickabfall). Als Ursache wurde eine
Verminderung der Albuminbindung postuliert. Andere Interaktionen sind bisher nicht
bekannt.
Produkte in der Schweiz
Digitalis-Antidot (Roche). Ampullen zu 80 mg (Trockensubstanz). Packung mit 6 Ampullen. Preis CHF 7478.65 (Fabrikabgabepreis)
Referenzen
1.
Chillet P et al. Digoxin poisoning and anuric acute renal failure: efficiency of the treatment
associating digoxin-specific antibodies (Fab) and plasma exchanges. Intern J Art Organs 2002; 25:
538-41.
2.
Zdunek M et al. Plasma exchange for the removal of digoxin-specific antibody fragments in renal
failure: Timing is important for maximizing clearance. Am J Kidney Dis 2000; 36: 177-83.
3.
Ujhelyi RM, Rober S. Pharmacokinetic aspects of digoxin-specific Fab therapy in the management
of digitalis toxicity. Clin Pharmacokinet 1995; 28: 483-93.
4.
Renard C et al. Pharmacokinetics of digoxin-specific Fab: Effects of decreased renal function and
age. Br J Clin Pharmacol 1997; 44: 135-8.
5.
Caspi O et al. Digoxin intoxication in a patient with end-stage renal disease: Efficacy of digoxinspecific Fab antibody fragments and peritoneal dialysis. Ther Drug Monitor 1997; 19: 510-5.
6.
Woolf A. Digitalis intoxication. Therapy with digoxin-specific antibody fragments. Clin Immunother
1995; 4: 312-30.
7.
Hermes AE et al. Digoxin Immune FAB. In: Hutchinson TA, Shahan DR, Anderson ML (eds.):
Drugdex® System. Micromedex Inc., Englewood CO, 2003.
8.
Hack BJ et al. Cardiac Glycosides / Howland MA. Digoxin-specific antibody fragments. In:
Goldfrank LR et al. (eds.): Goldfrank's Toxicologic Emergencies. 7th Ed. McGraw-Hill, New York
2002. p. 724 - 40.
9.
Antman EM et al. Treatment of 150 cases of life-threatening digitalis intoxication with digoxin
specific Fab antibody fagments: Final report of multicenter study. Circulation 1990; 81: 1744-52.
10. Baud FJ et al. Acute digitalis poisoning: Prognosis and management. [abstract] J Toxicol Clin
Toxicol 2000; 38: 168-9.
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ANHANG:
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Dosis-Berechnung
Prinzip: Ausgehend von der Tatsache, dass 80 mg Fab-Fragmente 1 mg Digoxin oder
Digitoxin binden, wird das Digitalis Antidot grundsätzlich nach der vom Körper aufgenommenen Glykosidmenge aequimolar dosiert. Dabei ist entweder die Dosis direkt
bekannt (Gleichung 1), oder sie muss aus der Plasmakonzentration und dem Verteilungsvolumen und Körpergewicht berechnet werden (Gleichung 2)
Gleichung 1:
Glykosidmenge = Einnahmemenge x Bioverfügbarkeit
Fab-Fragmente = Einnahmemenge x Bioverfügbarkeit x 80
Gleichung 2a:
Glykosidmenge = Plasmakonz. x Vd x KG
Fab-Fragmente = Plasmakonz. x Vd x KG x 80
Vd = Verteilungsvolumen in l/kg KG; KG = Körpergewicht in kg
Da die Glykosidmenge in mg gebraucht wird, die Plasmakonzentration aber meistens
in nmol/L angegeben wird, ist ein Umrechnungsfaktor einzubeziehen, der die Molekulargewichte von Digoxin bzw. Digitoxin berücksichtigt:
Gleichung 2b:
Glykosidmenge [mg] = Plasmakonz. [nmol/l] x V d [l/kg] x KG [kg] x w
Fab-Fragmente [mg] = Plasmakonz. [nmol/l] x V d [l/kg] x KG [kg] x w x 80
Der Umrechnungsfaktor w beträgt 0.781 10-3 mg/nmol (Digoxin) bzw. 0.765 10-3
mg/nmol (Digitoxin).
(1 µg/nmol = 1 mg/µmol = 1 g/mmol = 1 kg/mol = 10-3 mg/nmol)
Zur Vereinfachung kann nun zur Berechnung der Fab-Fragmentmenge Vd x w x 80 zu
einem neuen Umrechnungsfaktor y zusammengefasst werden, was zur Schlussgleichung 2c führt:
Gleichung 2c:
Fab-Fragmente [mg] = Plasmakonz. [nmol/l] x KG [kg] x y
für Digoxin: y [(mg x l)/(nmol x kg)]
= 0.35 = 5.6 x 0.781 10-3 x 80
für Digitoxin: y [(mg x l)/(nmol x kg)]
= 0.034 = 0.56 x 0.765 10-3 x 80
Glykosid
Bioverfügbarkeit
Molekulargewicht
Verteilungsvolumen
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(g/mol)
(L/kg)
Digoxin
0.8
780.95
5.6
Digitoxin
1.0
764.95
0.56
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Beispiele:
orale Einnahmemenge bekannt:
Digoxin: eingenommen 10 mg
Digitoxin: eingenommen 10 mg
Menge Antidot = 10 mg x 0.8 x 80 = 640mg
(das sind 8 Ampullen).
Menge Antidot = 10 mg x 1.0 x 80 = 800mg
(das sind 10 Ampullen).
Plasmakonzentration bekannt:
Digoxin: Plasmakonz. 20 nmol/L
Gewicht 70 kg
Menge Antidot = 20 x 70 x 0.35 = 490 mg
(das sind 6 Ampullen).
Digitoxin: Plasmakonz. 20 nmol/L
Gewicht 70 kg
Menge Antidot = 20 x 70 kg x 0.034 = 48 mg
(das sind 0.6 Ampullen).
Achtung: Sind weder Einnahmemenge noch Plasmakonzentration bekannt, wird
empfohlen, 400-500mg (5-6 Amp.) Digitalis Fab zu geben. Diese Dosis kann je nach
Symptomen wiederholt werden.
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